Berliner Ensemble
  
 
     Repertoirevorstellung 16.1.2009

     "Die werden mich
     doch nicht bei mir verklagen?"

 

 

 
 

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Announcement Berliner Ensemble

 
DER ZERBROCHNE KRUG

Mit:



Foto: Jim Rakete
Mit: Klaus Maria Brandauer, Larissa Fuchs, Ninja Stangenberg, Roman Kanonik, Tina Engel
 
„Wenn ihr selbst, Dorfrichter Adam, den Krug zerschlagen hättet, könntet ihr nicht eifriger allen Verdacht von Euch auf jenen jungen Mann hinwälzen als jetzt.“ Wie wahr die Aussage des strengen Gerichtsrats Walter tatsächlich ist, weiß nur der angesehene Dorfrichter Adam selbst. Schließlich war er es, der versucht hat, sich der Jungfer Eve gefügig zu machen, um dann auf der Flucht vor dem gehörnten Verlobten den Krug zu zerbrechen. Jetzt ist Gerichtstag und vor ihm stehen eine aufgebrachte Frau Marthe Rull mit dem zerbrochenen Krug und Tochter Eve und deren Verlobter Ruprecht mit seinem Vater. Marthe beschuldigt Ruprecht ihn vermeintlich spätabends „in flagranti“ bei ihrer Tochter Eve im Zimmer überrascht zu haben, wobei der wertvolle Krug zerbrochen ist. Täter und Richter zugleich, redet und richtet sich Adam wegen Eve um Kopf und Kragen...

Übernommen am 15.1.2009
 

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Ei, Henker! seht! Ein liederlicher Hund war's -

Kennt das Volk seinen Kleist? - Leider nein?

Ob nun am Theater im 'Kaff im Tal der Ahnungslosen' oder in der Hauptstadt der Republik - das Publikum lacht bei Textstellen, die der Theaterbesucher im Grunde zu kennen hat.

Man geht in eine Klassiker-Vorstellung, um zu sehen, was macht der Regisseur, wie wirkt das, was er inszeniert auf der Bühne, in welchem Bühnenbild und letztlich, wie wird das ganze von den Darstellern umgesetzt.

Also schon erschreckend, wie das Publikum dem eigentlichen Stück, eben aus Unkenntnis, gegenüber steht.

Ähnliches war auch bei der 'Nora'-Produktion in der Karasek-Bearbeitung  in Regensburg zu erleben.

Schüler besuchten 'Nora'-Vorstellungen und amüsierten sich. Das Problem der Frau im 19. Jahrhundert - von Ibsen hier deutlich dargestellt - war den Schülern offensichtlich über den Text des Werkes nicht vermittelt worden.

Was lernen die da in den Schulen eigentlich?
Wenn dann noch die Darstellung eines Werkes durch die Mode der Verheutigung aus dem Kontext gerissen wird, kann kaum Bildung entstehen.

Das Theater wird seinem Auftrag nicht gerecht.
Stattdessen darf es zur Selbstbefriedigung von Regisseuren und Intendanten Steuergelder verplempern.

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1808 fanden die Weimarer überhaupt keinen Zugang zu Kleist's Werk 'Der zerbrochne Krug'.
Goethe hatte als Intendant es auch noch einer Oper - 'Der Gefangene' - nachgestellt.
 

Titel der Fassung: Die Ähnlichkeit oder Der Gefangene (1 Akte)
Werktitel: Le Prisonnier ou La ressemblance (1 Akte)
Komponist: Dominique Della-Maria (1769-1800)
Textbearbeitung / Übersetzung: Vio
Aufführung: 11.09.1801 in Wien (Freihaustheater)

Libretto:

Le Prisonnier ou La ressemblance
Librettist: Alexandre-Vincent Pineau Duval (1767-1842)

http://www.oper-um-1800.uni-koeln.de/einzeldarstellung_fassung.php?id_fassungen=957&herkunft=

Den 'Krug' teile Goethe in drei Akte, so dass die Zuschauer ganz offensichtlich ermüdet waren, um den Kleist'schen Versen mit der nötigen Aufmerksamkeit folgen zu können.

Die nachfolgenden Produktionen in den Jahren bis 1822 fanden nur unter schwierigen Bedingungen statt und Hebbel verteidigte 1850 kurz vor seinem Tod Kleist und seinen 'Krug' als er das Publikum beschimpfte - nur dieses könne durchfallen, nicht jedoch das Werk.

Die Textfassung am BE in Berlin enthält Eigenwilligkeiten, Eigenschöpfungen seien sie nun einstudiert oder sich jeweils aus der Situation im Spiel ergebend.
Extempores?

Dass aber ein gewaltiger Strich dem Stück und hier der Rolle der Marthe Rull den Boden unter den Füßen wegreißt als ihr Text im letzten Auftritt
 


Frau Marthe
Sagt doch, gestrenger Herr, wo find ich auch
Den Sitz in Utrecht der Regierung?

Walter
Weshalb, Frau Marthe?

Frau Marthe  empfindlich.
Hm! Weshalb? Ich weiß nicht -
Soll hier dem Kruge nicht sein Recht geschehn?

Walter
Verzeiht mir! Allerdings. Am großen Markt,
Am Dienstag ist und Freitag Session.

Frau Marthe
Gut! Auf die Woche stell ich dort mich ein.
 

 

gestrichen ist und dem Stück den Schlusspunkt nimmt - ist unverständlich.

Frau Marthe will Genugtuung für ihren Krug.
Dass der Schuldige, eben der Richter Adam, "der den Krug zerschlug" gefunden wurde, reicht ihr nicht.

So kreisen die Darsteller den Dorfrichter auf der schneebedeckten Hinterbühne ein, hängen ihn an ein vom Schnürboden bereits herabhängendes Seil, er wird hochgezogen.

Und was soll mir das?

 

 
 

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Ich freue mich, wenn es erträglich ist.

Ausgeschlossen, alle Veränderungen mitzuschreiben und dann nachzuvollziehen.

Der Text wird verstümmelt, wie es gerade passt.
Er gerät aus dem Sprachfluss, den Kleist so sorgsam aufbaute.

Und wo beginnt 'Schmirato'?

Aber die Vorstellung lebt.
Und so: Wen kümmert's - das Publikum nicht, das will sich amüsieren, will den Star sehen.

Und der legt Kohlen auf, schürt das Feuer, das er selber gleich von Anfang an entzündet hat und seine Verve überträgt er auf die Mitspieler.
 

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Was tu ich jetzt? Was laß ich?

Hühner im Gerichtsraum - anliegend Schlafstube von Margarete - Ninja Stangenberg - und Lise - Larissa Fuchs - die dem Dorfrichter zugetanen Mägde. Das Federvieh wird weggeräumt. Die beiden Frauen greifen zu, packen an, langen hin, wenn und wo es nötig ist, Würste aus der Registratur, Damast und Niersteiner und

von der fetten pommerschen Räuchergans

auf den Tisch, schlecht in keiner Beziehung scheint es ihnen, bei diesem Dorfrichter zu gehen. Seine
Einkleidung zeigt Schwierigkeiten, zum Schließen des Hosenlatzes sind gleich Lise und Margrete zur Stelle - beiden hantieren an Adam mit Wonne herum.
 

Klaus Maria Brandauer - der Dorfrichter, gewaltig an Statur und in der Tongebung seiner Stimme - mal hoch im Diskant, mal grunzend brummelnd, mal einschmeichelnd leise, dann wieder höhnisch die Rede führend - torkelt mit seinem Klumpfuss durch den Gerichtsraum, versorgt
sich selbst, wickelt sich ein und verwickelt sich in sein Gerede und sein Tun.
Dass der Star die Möglichkeit nutzen würde, 'dem Affen Zucker zu geben', war zu erwarten.
Es ist aber nicht so, dass er das Ensemble an die Wand spielt, das steht machtvoll neben ihm, nutzt jede Möglichkeit, sich mit ihm zu messen. Seine Stehgreifaktionen, Einwürfe, können allerdings irritieren, so dass Stichworte und Anschlusstexte nicht schnell genug kommen oder sich auch überlappen.

Es scheint den Dorfrichter nicht groß zu interessieren, der Gerichtsrat Walter werde zur Revision heute erscheinen - er grummelt weiter vor sich hin - keck und geradezu fröhlich nimmt er die Herausforderung an:
'Gut, Gevatter! Jetzt gilt's Freundschaft'.

Etliches wie
Ihr wißts, schwieg auch der große
Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.
Und bin ich König nicht von Mazedonien,
ist gestrichen, so bleiben Fragmente.

'Adam Brandauer' quietscht, quäkt herum - zwängt sich in die Schuhe - lässt es sich auch in der heikelsten  Situation nicht nehmen, bei seinen Mägden mal eben gehörig hinzulangen. Die juchzen dazu.
Und mit Eve wird einfach mal geschmust so im Vorbeigehen.

Es fällt ihm ein und in höchsten Tönen trompetet er, die Katze habe ja in seine Perücke gejungt, das Schwein, die 'R' rollt er genüsslich, schrill lacht er auf, da er auf die Kanaillen kommt, die sich balzen und jungen, wo ein Platz sei. Und an der Vorstellung haben lachend auch die Mägde ihren Spaß.

Beim
... brauchst du nichts zu sagen.
Verstehst du mich?
schlägt er, ganz ohne das bisher gehörte Pathos, sanfte Umgangstöne an wie auch beim nachfolgenden, nachdenklich vorgetragenen
Mir träumt', es hätt ein Kläger mich ergriffen.

Die Begrüßung von Gerichtsrat Walter:
durch Adam, freudig, geradezu jubelnd, in höchsten Tönen
Willkommen, gnäd'ger Herr, in unserm Huisum!

Das anschließende
Kein Traum, der heute früh Glock achte noch
Zu solchem Glücke sich versteigen durfte.

i
wie auch
Und alles liest, ich weiß, den Puffendorf;
sind  dann wieder gestrichen.

Adam hat keine Chance, Eve auf sich einzustimmen - wohl kommt ihn alles übel an und er muss sich übergeben, und das einfach so zum Fenster hinaus. Dann wieder säuselnd zu Eve und als die ihn abweist, sein Wünsche anzuhören, faucht er sie mit
Hör du, bei Gott, sei klug, ich rat es dir
lauthals an.

Der Aufforderung, ein öffentlich Verhör zu beginnen, bereitet ihm Schwierigkeiten
Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entschließen -!
Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm -


Voller Verwirrung kommt der Pips zu früh, schon beim 'es hat ein Perlhuhn mir den Pips', statt
Es hat ein Perlhuhn mir,
Das ich von einem Indienfahrer kaufte,
Den Pips: ich soll es nudeln, und verstehs nicht,


dann fügt er ein - seht - ein
Und meine Hühner - seht - nenn ich meine Kinder.

Gerichtsrat Walter raunt er die Frage zu
Befehlen Ew. Gnaden den Prozeß
Nach den Formalitäten, oder so,
Wie er in Huisum üblich ist, zu halten?


Keck tönt sein
- So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen Lauf!
als ginge das alles ihn garnichts an , ihm könne ja nichts geschehen - oder hat 'Adam Brandauer' hier in der Gestaltung der Rolle reinsten Übermut zur Hand?

Der Kastellan wird zum bloßen Haumeister, dem
Auch das. Ihr seid nicht für Formalitäten.
fügt er formlos ein - "Ich auch nicht" - hinzu wie auch ein - "Gut" - zum mehr brauch ich nicht.

Beim

Bin ich noch heut kein Jota abgewichen
setzt er das heute nach, so dass daraus wird
"bin ich noch kein Jota abgewichen - heute!"

Adam mit großem Ausdruck der 'Sandrock' nicht unähnlich
Frau Marthe Rull, tragt eure Klage vor!

wie auch
Das Reden ist an Euch


Und beschwörend, hingehaucht
Seid doch vernünftig, Kinder.

Heiter, geradezu jubelnd in höchsten Tönen:
Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen.

Bedauerlich, dass die Sorge Adams, doch durchschaut zu werden, nicht erkennbar wird.

Von
Den Krug meinthalb mag er ersetzen, oder nicht.
bis zum
Verzeiht, Ihr Herrn.
ist ist Zeit genug, hier eine entsprechende Regung aufzubauen.

Es macht dem Darsteller natürlich viel mehr Spaß, für die Zuschauer die heitere Seite auszuspielen, allenfalls bei den Gesprächen mit Eve die Stimme zu senken und in ein Flüstern überzugehen, dass aber die Sorge ihn sehrt, wird nicht erkennbar, der Sprung aus dem Fenster - das war's dann. 

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Schreiber Licht - Michael Rotschopf - hoch aufgeschossen, schlank von Gestalt, segelt in einem voluminösen Mantel mit hochgestelltem Kragen herein und mit zickigem Sing-Sang-Ton fragt er und redet schlau daher.
Mit einem 'Fazoletto' hantiert er herum, tupft hier am Kinn, mal dort am Näschen, ringt die Hände und bis auf ein paar Verbeugungen wirkt er wenig servil als weiland Max Gülstorff.

Dorfrichter, ich! Was denkt Ihr auch von mir?

Aber doch nicht bloß Dorfrichter - er doch nicht.
Er weiß, dass er der eleganteste der Schönen ist und sich bald alles zu seinen Gunsten entwickeln wird. Allerdings wird es jetzt auch Zeit.

Pfingsten
Neun Jahre, daß ich im Justizamt bin.


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Gerichtsrat Walter - Martin Seifert - ein seriöser, distinguierter Herr mit leicht arroganter Sprache fragt nach den Kassen des Gerichts, aus der vorgegebenen Inundations-Kollekten-Kasse wird eine profane Überschwemmungskasse und aus Hanfriede ein Hanfried.

Er will dem Dorfrichter noch im letzten Moment eine Brücke bauen

Herr Richter Adam,
Habt Ihr mir etwas zu vertraun,
So bitt ich, um die Ehre des Gerichtes,
Ihr seid so gut, und sagt mirs an.


Es zieht bei Adam nicht.
Ruhig auf seinen Gaststuhl sitzend, meint man in seinem Gesicht ihn bei den großen Szenen der anderen abschweifen zu sehen - bis zum Stichwort.

Wie er spitzlippig säuselt, wie beschwichtigend er auf Marthe einredet, nachdem die sich ein andres Gericht suchen will:

Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was geschah dem Krug?
Was? - Was geschah dem Krug im Feuer
Von Anno sechsundsechzig? Wird mans hören?
Was ist dem Krug geschehn?

Exemplarisch wie über die Sprache gestaltet wird - es geht nicht nur darum den Text abzuliefern und die 25 Reihe akustisch zu erreichen.

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Der Auftritt des Büttels - Michael Kinkel - schreckt auf - war das Publikum möglicherweise vom sanften Säuseln des Gerichtsrats zuweilen doch ein wenig weggetreten und des Gerichtsdieners im Text nicht vorgegebenes, energisches 'Ruhe' soll das Schwatzen der Kläger im Vorraum eindämmen.

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Tina Engel als Marthe Rull - lautstark wird von ihr vermittelt, wo es lang gehen soll - Ruprecht oder Eve, Richter oder Rat - alles hört auf ihr Kommando.

Dir weis ich noch einmal, wenn wir allein sind,
Die Zähne! Wart! Du weißt noch nicht, wo mir
Die Haare wachsen! Du sollsts erfahren!

Voller Wut über den zerbrochnen Krug, lauthals, in schneller Rede, diese in den Wortkaskaden sich überschlagend, trägt sie vor und ist auch voller Zweifel an den Möglichkeiten dieses Gerichts.

Sie bleibt auch im Spiel dran, wenn sie nichts zu sagen hat. Ihrem Gesicht liest man ab, was in ihr passiert und was ihr nicht passt.

Aber das
Willst du etwa
Die Fiedel tragen, Evchen, in der Kirche
Am nächsten Sonntag reuig Buße tun?

durch Strich verloren.

Frau Marthe setzt zum
Was diesem Krug geschehen, auch beschreibe,
ein "ist" hinein und so entsteht ganz ohne Kleist das
Was diesem Krug geschehen - "ist", auch beschreibe.


Und aus dem
Der Krüge schönster ist entzwei geschlagen.
wird am 16.1.2009 im BE
"Der schönste aller Krüge ist entzweigeschlagen"

Gänzlich fehlt in Frau Marthes Klage
Dort wischten seine beiden Muhmen sich,
Der Franzen und der Ungarn Königinnen,
Gerührt die Augen aus; wenn man die eine
Die Hand noch mit dem Tuch empor sieht heben,
So ists, als weinete sie über sich.
Hier im Gefolge stützt sich Philibert,
Für den den Stoß der Kaiser aufgefangen,
Noch auf das Schwert; doch jetzo müßt er fallen,
So gut wie Maximilian: der Schlingel!
Die Schwerter unten jetzt sind weggeschlagen.

Vergessen oder gestrichen?

Auch nicht gesprochen
Sein Schatten nur fällt lang noch übers Pflaster.
Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten,
Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen,


Aus dem
Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten,
Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen,
Hier Häuser, seht, vom großen Markt zu Brüssel,
wird
Hier standen rings, die Häuser, seht,
vom großen Markt zu Brüssel,

Auch nett, nur kein Kleist, vielleicht ein echter Stein?

Und von eigenem Gelächter unterbrochen, trägt sie mit eigenem Einschub vor
Hier guckt noch ein Neugier'ger aus dem Fenster - raus -:
Doch was er jetzo sieht, das weiß ich nicht.

Das

Erlaubt! Wie schön der Krug, gehört zur Sache!
wird verändert zum
"Wie schön der Krug ist, das gehört zur Sache"

Worauf 'Adam Brandauer' ein zustimmendes "Ja" ertönen lässt.
und statt
Ein würd'ger Wassergeuse.
ein
Zur Sache, wenn's beliebt

hinzufügt.

Und das ist eigentlich alles während der 'Verhandlung',  deswegen spricht sie Gerichtsrat Walter an und will wissen
Sagt doch, gestrenger Herr, wo find ich auch
Den Sitz in Utrecht der Regierung?

Die eigentliche Aufklärung wie sie sich diese vorstellt, zumindest die Möglichkeit hierzu, hat man ihr gestrichen.

 

 

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Zwei Augenblicke mit der Dirn allein

Nicht weniger überzeugend als die Mutter: die Tochter Eve von Marina Senckel.
An der sanften, lieblichen Eve, die mit der Unschuldsmiene, an der zerren förmlich Bräutigam und Frau Marthe.

Sie leidet, die junge, die typische Sentimentale - hat sie sich doch so für das Leben ihres Ruprecht eingesetzt. War sie fast sogar soweit, 'Schändliches' zu ertragen.
Der Dorfrichter mit seinen Hühnern, die er seine Kinder nennt, die oft den Pips haben und die sie nudeln soll, damit die wieder auf die Beine kommen. Wie oft schon kam er und bat dringlich um Hilfe, sonst wäre ihm das Huhn verreckt.

Die einzige Möglichkeit für den Alten an die Junge ranzukommen und jetzt die große Gelegenheit - das Attest, das ihr von ihm versprochen wird, um den Ruprecht vor Batavia zu retten.
Marina Senckel hat sich verstrickt im Wunsch und in der Problematik der Umsetzung einer illegalen Bestätigung, denn sie weiß auch, dass der Medicus wie auch der Dorfrichter ihr etwas Getürktes aushändigen wollen. Und dafür mit dem Dorfrichter ins Bett?
Es schaudert sie bei dem Gedanken - aber wie den Ruprecht retten sonst:
Krepiert'- ich weiß an welchem Fieber nicht,
Wars gelb, wars scharlach, oder war es faul.


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Und der, der Ruprecht Tümpel von Roman Kanonik,
der vierschröt'ge Schlingel, poltert zwischen allen herum, wird handgreiflich - der braucht sich ja nun nicht zu fürchten, da ist Eve zu ängstlich,
die werf ich übern Haufen
.

Dieser Mann, der 'wie ein Baum' - nicht auf den Mund gefallen und bewiesen hat er, dass ein Dorfrichter ihm, dem Ruprecht, nicht im Dunklen begegnen sollte
so reiß ich
Jetzt mit dem Stahl eins pfundschwer übern Detz ihm.

Dass sich die Sache dann aufklärt - dazu hat Ruprecht nicht viel beigetragen. Auf die Schliche ist er dem Adam nicht gekommen.

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Vater Tümpel -
Andreas Seifert - ein liebenswerter Alter, ist ganz bei der Sache, den Ruprecht, den Wilden rauszuholen und da gibt es auch schon mal einen Knuff
Halts Maul, sag ich.

Dann aber auch die Wendung
Küßt und versöhnt und liebt euch;
Und, wenn ihr wollt, mag Hochzeit sein!


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An Stephan Schäfer kommt niemand vorbei.
Er meint
Ich glaub, die Kerls sind toll.

Er hat sich um den Gerichtsrat zu kümmern und wenn Licht meint, er könne dem Besuch den Mantel abnehmen, so irrt er.
 

 

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Schafft Frau Brigitt herbei, Herr Richter Adam!

Die im Stück alles aufklärende,

Ihr Herrn, der Ruprecht, mein' ich, halt zu Gnaden,
Der wars wohl nicht. Denn da ich gestern nacht


die alle Großen spielten - auch Sie ist Frau Brigitte.

Eine muntere norddeutsche 'Seute Deern' stellt sie vor, die, nach der Thomas Bernhard sein 'Ritter, Dene, Voss' betitelte.

                                          hört ich die Jungfer
Gedämpft, im Garten hinten, jemand schelten:
Wut scheint und Furcht die Stimme ihr zu rauben.

»Pfui, schäm Er sich, Er Niederträchtiger,
Was macht Er? Fort! Ich werd die Mutter rufen«;

Als ob die Spanier im Lande wären.

Drauf: Eve! durch den Zaun hin:
Eve! ruf ich.
Was hast du? Was auch gibts? - Und still wird es:
Nun? Wirst du antworten? -

»Was wollt Ihr, Muhme?«

Was hast du vor? frag ich. -

»Was werd ich haben?«

Ist es der Ruprecht? -

»Ei so ja, der Ruprecht.
Geht Euren Weg doch nur.« -

So koch dir Tee.
Das liebt sich, denk ich, wie sich andre zanken.

Wie 'die Ritter' die Stimme verstellt, mal die Eve ist - dann wieder sie selber.

Sie strahlt so viel Zuversicht aus, dass die Sache aufgeklärt wird, ob nun der Teufel es war,

Als ob sich eine Sau darin gewälzt;
Und Menschenfuß und Pferdefuß von hier,
Und Menschenfuß und Pferdefuß, und Menschenfuß und Pferdefuß,
Quer durch den Garten, bis in alle Welt.

Hierauf: Herr Schreiber Licht, sag ich, laßt uns
Die Spur ein wenig doch verfolgen, sehn,
Wohin der Teufel wohl entwischt mag sein.
»Gut«, sagt er, »Frau Brigitt, ein guter Einfall;
Vielleicht gehn wir uns nicht weit um,
Wenn wir zum Herrn Dorfrichter Adam gehn.«

der im Gericht durchpassiert.

Und wie sie dem Schreiber Licht immer ins Wort fällt, seine Texte wiederholt, fast übern spitzen Stein stolpernd, mit ganz vorn sitzendem Zungen-R- nachplappert - allein das, ein Kabinettstück.
 

 

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Tut Eure Schuldigkeit, sag ich, zum Henker!

Die Szenerie stimmt mit dem Kupferstich von von Jean Jaques Le Veau nach dem Gemälde von Louis-Philibert Debucourt überein.
Der Tisch für den Schreiber quer im Raum, daneben der Richterstuhl, dem Publikum zugewandt.
Ferdinand Jögerbauer schafft so dem Regisseur eine Umgebung, dem Betrachter wohl bekannt - ein intimerer Raum für das eigentliche Gericht und daneben das Volk.
Übereinstimmung so, aber auch bis hin zum Teppich als Auflage für den Tisch des Schreibers. 

Freundlich die Wand im Hintergrund des Raumes - gut für die Spieler, kann durch diesen Schallreflektor hier ruhiger, leiser gesprochen werden, um die Rückwand des Zuschauerraumes zu beschallen, ohne durch permanentes Sprechen auf der Stütze, dem Text die Intimität zu nehmen.

Dass diese Wand am Ende hochgezogen wird, dahinter die schneebedeckte Bühne zeigt, auf der Adam mit der, den Rücken peitschenden, Perücke das Feld durchpflügt, macht deutlich - alles ist Kunst was ihr saht.

Und der Krug - auf diesem kleinen Loch soll all' das abgebildet gewesen sein, was Frau Marthe da schildert?
Sehr unwahrscheinlich.

Die Kostüme der
Anna Maria Heinreich - so kann man sich Huisum kaum vorstellen - sauber die Kleinbauern und die Hühnernudlerin und der Schreiber - keiner kam zur Vorstellungs-Verhandlung gerade vom Feld oder aus dem Stall, alle und adrett in der Sonntagsnachmittags-vor-der Haustür-steh-Kluft.
Nur der Dorfrichter hat ein Loch im Kopf.

Regisseur
Peter Stein schafft mit den Spielern des BE eine Ausnahme-Produktion, er lässt ohne modischen Regie-Theater-Firlefanz oder gar Schmuddel-Theater-Graus - ohne Unbehausungs-Koffer, ohne Kalaschnikows, ohne Nazi-Gemache - das Stück spielen.

Ein homogenes Krug-Ensemble schafft ihm die Möglichkeit, die Gruppe, wie auch den einzelnen Darsteller - in Momenten herausragend - zu zeigen, aufspielen zu lassen.
Die Szene lebt - kein bloßes Deklamieren, kein Abseitsstehen, ein einziges Miteinander zur Freude des Publikums.

Er nimmt den selten gespielten Variant mit zum Text - Eve und der Gerichtsrat haben ohne die Anwesenheit des Dorfrichters, die Möglichkeit, Erklärungen zu geben und sich nochmals zu zeigen.
 
 

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Facit:
Peter Stein und das Ensemble des BE haben den Berlinern und Sonstigen, wie Gästen und Touristen, Heinrich von Kleist und sein Lustspiel 'Der zerbrochen Krug' näher, den Text jedoch nicht nahe gebracht, denn der steht allein im Textbuch, gesprochen wurde nicht der reine Kleist.

Jeder wird sich trotzdem gern an diesen Abend erinnern und unter dem Aspekt der Spielplangestaltung mit

ELVIS LEBT.
UND SCHMIDT KANN ES BEWEISEN


und

30 JAHRE: POLT UND DIE BIERMÖSL BLOSN

im Hause 'Peymann's-Bunte-Bühne' erinnern, denn immerhin wird das Stück gespielt und dem Text nicht irgendetwas - wie sonst wo gängige Praxis - übergestülpt.
 
 

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