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Announcement Theater Regensburg
Ein Kriminalfall von Andrea Maria Schenkel (*1962)
Bühnenfassung von Maya Fanke und Doris Happl
Inszenierung: Michael Bleiziffer
Musikalische Leitung: Martin Lutz
Bühne: Karl Heinz Steck
Kostüme: Susanne Ellinghaus
Ein grässliches Verbrechen schockiert die Gemeinde. Mord. Sechsfacher Mord. Alle Bewohner des Einödhofes Tannöd werden erschlagen aufgefunden, vom alten Hofherrn bis zum Enkel in der Wiege: alle tot.
Jetzt heißt er nur noch Mordhof, der einsam gelegene Hof der Familie Danner, und vom Mörder fehlt jede Spur.
Andrea Maria Schenkel ist mit ihrem Debüt-Roman „Tannöd“ ein Sensations-Erfolg geglückt. Basierend auf einer wahren Begebenheit in der Gegend von Schrobenhausen, hat Andrea Maria Schenkel die Geschichte in die Fünfziger Jahre verlegt und ein feinmaschiges Netz aus Reflexionen der Überlebenden und Momentaufnahmen der Opfer geknüpft. Geheimnisvoll lässt sie den (im wahren Fall: bis heute) unbekannten Täter agieren. Mindestens so entscheidend wie die Frage nach seiner Identität wird die Vorgeschichte der ausgelöschten Familie, die von Nachbarn und Bekannten als eigenbrötlerisch, geizig, unzugänglich und überaus reich dargestellt wird. Nach und nach tun sich die Abgründe der einzelnen Familienmitglieder auf, zieht sich das Netz des grausamen Verbrechens enger zusammen, ohne dass aufgeklärt werden könnte.
Die gezeigte Welt ist eine enge Welt, die patriarchisch regiert wird und den Menschen keinen Platz zu selbstbestimmten Leben lässt. Das Prinzip des Wegschauens prägt diese Gesellschaft; Inzest und Bigotterie sind ihre Wurzeln, Hassliebe scheint die einzige Form der hier lebbaren Liebe zu sein.
Die Regisseurin Maya Fanke hat mit der Dramaturgin Doris Happl eine dichte Bühnenfassung geschaffen, die im März 2008 am Tiroler Landestheater in Innsbruck uraufgeführt wurde.
Die epische Erzählform des Romans ist in diesem wie ein Fragment konzipierten Stück erhalten geblieben und regt zu einer innovativen Spielform an. Oberspielleiter Michael Bleiziffer inszeniert „Tannöd“ unter dem Aspekt der Konzentration, unterstützt von Bühnenbildner Karl-Heinz Steck (der mit „Tannöd“ erstmals in Regensburg arbeitet) und der Kostümbildnerin Susanne Ellinghaus (ihre jüngste Ausstattung in Regensburg hatte sie für „Nora“ erarbeitet).
Martin Lutz konnte nach seiner Musik zur Uraufführung „Die blaue Donau“ erneut als Komponist und Musikalischer Leiter für „Tannöd“ gewonnen werden.
Besetzung
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Er / Marie / Maria Sterzer |
Gabriele Fischer |
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Barbara Spangler / Betty / Traudl Krieger |
Anna Dörnte |
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Marianne Spangler / Dagmar Sterzer |
Johanna König |
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Die alte Dannerin / Maria Lichtl / Babette Kirchmeier |
Nikola Norgauer |
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Der alte Danner / Johann Sterzer / Pfarrer Meissner |
Miko Greza |
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Georg Hauer / Franz Xaver Meier / Bürgermeister |
Michael Heuberger |
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Hansl Hauer / Kurt Huber, Monteur |
Michael Morgenstern |
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Alois Huber / Mich |
Jochen Paletschek |
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Sechs Leichen suchen einen
Dramatiker
Mit
Spannung
wurde
erwartet,
wie
Regensburg
die
Dramatisierung
des
Megasellers
'Tannöd'
stemmen
würde.
Fullhouse
im
Velodrom
(möge
es
so
bleiben),
wurden
nicht
alle
Publikumserwartungen
erfüllt,
den
Gefallen
vom
anspruchsvollen
Bauerntheater
und
dem
Saisonstück
mit
regionalen
Anforderungen
und
Ansprüchen,
hat
man
dem
Amüsier-
und
Gesellschafts-Abonnenten
nicht
getan
–
Gottlob.
Hinterkaifeck
war
der
Tatort
eines
Mehrfachmordes.
Auf
dem
Einödhof,
der
500
Meter
von
Gröbern
entfernt
im
Gemeindegebiet
von
Wangen
in
Oberbayern
liegt
und
etwa
sechs
Kilometer
von
Schrobenhausen
entfernt
ist,
wurden
in
der
Nacht
vom
31.
März
auf
den
1.
April
1922
sechs
Menschen
ermordet,
indem
der
oder
die
Täter
ihnen
mit
einer
Spitzhacke
den
Schädel
einschlug/en.
Bei
den
Getöteten
handelt
es
sich
um
das
Austragsbauernehepaar
Andreas
und
Cäzilia
Gruber,
deren
verwitwete
Tochter
Viktoria
Gabriel,
deren
Kinder
Cäzilia
und
Josef
sowie
die
Magd
Maria
Baumgartner.
Das
Verbrechen
wurde
nie
aufgeklärt.
1989
brachte
Reinfried
Keilich
sein
Theaterstück
„Hinterkaifeck.
Ein
Mordfall“
im
Frankfurter
Verlag
der
Autoren
heraus,
das
Stück
wurde
seinerzeit
(mit
durchwachsenem
Erfolg)
an
diversen
Bühnen
(u.a.
Nürnberg,
Augsburg)
gegeben.
2005
erschien
im
Nautilus-Verlag
Andrea
Maria
Schenkels
Roman
„Tannöd“,
der
die
Ereignisse
von
1922
in
Hinterkaifeck
aufgreift.
Ein
Sensationserfolg!
Diese
Welle
nutzten
auch
die
deutschen
Bühnen,
eine
Dramatisierung
von
Maya
Fanke
und
Doris
Happl
brachten
2008
als
erstes
Innsbruck
und
Fürth
heraus,
der
vorangegangene
„Dresdner
Variant“
war
von
A.M.
Schenkel
nicht
autorisiert
worden.
Der
Bühnenplot
ganz
der
des
Lesebuchs:
Die
Dorfbewohner
nennen
ihn
nur
den
Mordhof,
den
einsam
gelegenen
Hof
der
Familie
Danner
in
Tannöd.
Eine
ganze
Familie
wird
in
einer
Nacht
ausgelöscht,
mit
der
Spitzhacke
erschlagen.
Selbst
die
Kinder
grausam
ermordet.
Und
so
geht
im
Dorf
die
Angst
um,
denn
vom
Mörder
fehlt
jede
Spur.
Gemocht
hat
die
Familie
Danner
eh
niemand
–
mürrische,
geizige
Leute
sollen
sie
gewesen
sein
und
sogar
Inzest
wird
ihnen
nachgesagt.
Aus
den
Mosaiksteinen
der
Einzelaussagen
und
Rückblenden
an
den
Tatort
vor
der
Untat,
entsteht
das
düstere
Porträt
einer
bigotten,
von
dumpfem
Katholizismus
geprägten
und
ganz
und
gar
nicht
idyllischen
dörflichen
Gemeinschaft.
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Epik vs. Drama
Publikums- und
Rezensenten-Resonanz auf die
Bühnenversion in Spielfilmlänge
ist mit „verhalten“ wohl am
Treffendsten geschildert. Ein
Roman ist ein Roman ist Roman.
Er bleibt Prosa und die ist
zwischen zwei Buchdeckeln gut
aufgehoben. Es gibt so viele
gute Tragödien, Komödien,
Historien, Pastoralen,
Tragi-Komödien,
Comical-Pastoralen oder was ihr
immer wollt. Nein –
Erfolgsromane müssen auf die
Bühne, starke Titel, die bringen
Masse und Kasse. Aber wollen wir
nicht so sein, denn: Die
Regensburger machen ihre Sache
nicht schlecht! Wenngleich
vieles vom Roman-Text auf der
Bühne hölzern und bemüht bleiben
muss, Dramaturgie und Regie –
und natürlich dieses Ensemble –
retten den Abend. Allen voran
ein wandlungsfähiger Miko Greza,
der treuherziger Pfarrer,
Familiendespot und Sterzer in
drei völlig verschiedenen
Charakteren zu zeichnen
versteht. In der Frauenriege
sticht Anna Dörnte als
herzensgute Traudl gleichermaßen
hervor wie als geschundene und
schließlich abgestumpfte
Barbara. Wonnig Johanna König,
mit vielen Farben und köstlichen
Kabinett-, ja,
Kabarettstückchen, Nicola
Norgauer, eine Spur zu
aufgesetzt (seht her: Ich
spiele!) Gabriele Fischer,
glaubhaft als Mechaniker, als
Dorftrottel definitiv zu agil
und unpassend komisch Michael
Morgenstern, glaubhaft allemal
Hubert Schedlbauer (kurzfristig
für den an Grippe erkrankten
Michael Heuberger eingesprungen)
und Jochen Paletscheck plausibel
als redlicher Knecht und als
verschlagener Krimineller. Als
Gesangsensemble sind die
Personen der Handlung einfach
wunderbar. Martin Lutz hat den
Satzgesang sensibel einstudiert.
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Anspruch
vs.
Kulinarik
Bleiziffers
Regie
macht
es
dem
Publikum
nicht
einfach.
Verhörsituation,
Spielsequenz
oder
episches
Moment
(Runtererzählen
der
Handlung),
der
Zuschauer
wird
in
eine
hermeneutische
Spirale
geschleust
und
sobald
Hirn-
und
Bauchebene
vernetzt
sind,
erweist
sich
Bleiziffers
'Sparmodus'
als
Volltreffer:
Ein
Kostüm
pro
Person,
pro
Person
viele
Persönlichkeiten.
Dass
er
auch
nicht
vordergründig
auf
das Whodonit-Genre
setzt
(und
es
letzten
Endes
egal
ist,
wer
die
Familie
ausgelöscht
hat),
erweist
sich
als
dramaturgischer
Rettungsanker
für
die
Regensburger
Tannöd-Version.
Problem:
Die
heterogene
Spracheinfärbung
der
acht
Akteure,
die
durcheinander
hartes
Oberpfälzisch,
kompatibles
Salon-Bayerisch
und
schönste
Hochlautung
sprechen,
dass
Siebs
seine
Freude
hätte.
Man
hätte
sich
auf
ein
Kunstidiom
mit
regionalem
Einschlag
einigen
können.
Die
Szenerie
von
Karl
Heinz
Steck
wäre
ganz
passabel,
wenn
die
überflüssigen
Miniumbauten
nicht
so
störten.
Kann
man
denn
nicht
die
Kästen
und
Kisten
so
arrangieren,
dass
das
leidige
Geschiebe
und
Gerumpel
hinfällig
wird?
Ob
es
die
Bretterarchitektur
braucht?
Bauernmilieu
gibt
der
Text
bereits
vor.
Spielleiter
Michael
Bleiziffer
hätte
hier
auf
einem
Einheitsbühnenbild
bestehen
sollen.
Lästige
Umbaupausen
dehnen
unnötig,
strafferes
Timing
generell
täte
Not.
Susanne
Ellinghaus’
Kostüme
zeichnen
sich
durch
–
sicher
mühsam
ausgewählte
und
aufeinander
abgestimmte
–
Nichtfarben
aus
und
verdienen
die
Bezeichnung
adäquat.
Das
Premierenpublikum
war
höflich
und
zum
Teil
auch
ratlos.
Aber
da
kann
Bleiziffer
nichts
dafür
–
und
schon
gar
nicht
seine
Truppe,
das
liegt
an
der
grassierenden
Sucht,
Erfolgsprosa
partout
einen
appellativen
Charakter
verpassen
zu
wollen.
Frage:
Mit
welcher
Botschaft
soll
der
Zuschauer
nach
Stückschluss
aus
dem
Velodrom
nach
Hause
gehen?
(Fotos:
Theater
Regensburg)
23.01.09
-
peter
lang
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