Theater Regensburg

  
 
      Premiere 30.05.2009

  
 'Ver-Nüesch-t'
 

 

 
 

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 Announcement Theater Regensburg

 Der eingebildet Kranke

 Freilichttheater

 Komödie von Molière (1622-1673)

 Inszenierung: Michael Bleiziffer
 Bühne: Jochen Diederichs
 Kostüme: Uschi Haug

Molières berühmteste Charakterkomödie ist eine köstliche Satire über das blinde Vertrauen in die Medizin und das lukrative Geschäft mit der Krankheit. Der wohlhabende Argan leidet an der panischen Einbildung, er sei sterbenskrank. Mit seinen zahllosen Zipperlein, seinem Selbstmitleid und seinen ständigen therapeutischen Maßnahmen geht er allen auf die Nerven. Einlauf, Arzenei und Aderlass machen ihm ganz furchtbar Spaß!

Sein Arzt und sein Apotheker haben keine Skrupel und verdienen gut an ihm. Zur Senkung der Kosten im Gesundheitswesen hat Argan aber eine brillante Idee: Seine Tochter Angélique soll einen Doktor heiraten. Dann könnte er seine vielen Krankheiten kostenlos vom Schwiegersohn behandeln lassen. Er präsentiert seiner Tochter einen akademisch verdrehten Trottel als künftigen Ehemann. Aber Angélique hat ihr Herz längst dem sympathischen Cléante geschenkt. Bis es jedoch zu einer Liebesheirat kommen kann, müssen so manche Turbulenzen überstanden werden.

Argans zweite Ehefrau Béline nährt durch geheucheltes Mitleid den Krankheitswahn Argans, weil sie von ihm als Alleinerbin eingesetzt werden will. Ihre verhasste Stieftochter Angélique möchte sie deshalb am liebsten ins Kloster abschieben. Fast gelingt ihr das auch. Aber das pfiffige Dienstmädchen Toinette und Argans Bruder Béralde ersinnen einen Plan, um Argan von dem Irrglauben zu heilen, dass seine Frau ihn abgöttisch liebe. Toinette bringt Argan dazu, sich tot zu stellen. Als Scheintoter darf er erleben, wie sehr sich seine zärtliche Gattin über sein Ableben freut. Zugleich erkennt er aber auch die wahre Liebe seiner Tochter – und erlaubt endlich ihre Heirat mit Cléante. Geläutert wird Argan schließlich sogar sein eigener Arzt – denn gesund wird man am besten aus eigener Kraft.

Besetzung      
Argan Miko Greza    
Béline, seine zweite Frau Gabriele Fischer    
Angélique, seine ältere Tochter aus erster Ehe Nikola Norgauer    
Louison, seine jüngere Tochter aus erster Ehe Anna Dörnte    
Béralde, sein Bruder Michael Heuberger    
Toinette, Dienerin im Hause Argans Doris Dubiel    
Cléante, Angéliques Liebhaber Christoph Bangerter    
Dr. Diafoirus, ein Arzt Gerold Richard Ströher    
Thomas Diafoirus, sein Sohn Roman Blumenschein    
Dr. Purgon, Argans Arzt Paul Kaiser    
Mr. Fleurant, Apotheker Michael Morgenstern    
Mr. Bonnefoy, Notar Michael Heuberger    
       
Akkordeon Birgit Otter    

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Wanderschaft
 
Jean-Baptiste Poquelin, sein bürgerliche Name, der am 28. Juni 1644 erstmals mit dem Künstlernamen 'Moliére' signierte, war 1645 nach dem Konkurs des 'L'Illustre Théâtre' in Paris, das er mit Madelaine Béjart, einer bekannten Schauspielerin, für die er sogar sein Medizinstudium aufgegeben haben soll, führte, mit seiner aus zehn Mitarbeitern zählenden Truppe in die Provinz gegangen.  

Das Theater hatte seit den Reformen Richelieu's an politischem, gesellschaftlichem und literarischem Status gewonnen, so war eine Schauspieltruppe nicht mehr als Ausgestoßene, wenn auch Exkommunizierte, anzusehen. Der Kardinal hatte dem Theater eine sozialpädagogische Lehrfunktion in Bezug auf das Bürgertum zugewiesen. Nach dessen Tod entdeckte das Theater das spendierfreudige aristokratische Publikum. Da sich aber um diese Gruppe auch andere Theater bemühten, wurde die Basis enger und so musste auch Molière sein Haus 1645 schließen.

In der Provinz erlernte er die Führung einer Truppe auf Reisen mit häufig wechselnden unterschiedlichen Spielorten, er machte seine Erfahrungen mit Finanzen der Truppe und schreibt nebenbei Stücke, inszeniert und spielt selber die wichtigen Rollen.
 
 
 

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Paris

1858 entschließt sich Molière, nachdem sein 'Sponsor' auf dem Land, der Prinz von Conti, nach dem König und nach Gaston von Orléans, dem Bruder Ludwig III., der dritte Mann im Staat zum Glauben übergetreten und damit ein Feind des Theaters geworden ist, nach Paris zurückzukehren.
Die Übernahme des 'Théâtre du Marais' scheitert, aber Moliére wird von angesehenen Persönlichkeiten dem Hof präsentiert und am 24. Oktober 1658 spielt seine Truppe vor dem König und dem gesamten Hof Corneilles 'Nicomède' und anschließend die Farce 'Le docteur amoureux' - gerade letzteres Werk kommt gut an und der König gibt ihm als Spielstätte das im Louvre gelegene Theater ' Petit Bourbon'.

Das Publikum setzt sich aus Mitgliedern des Hofes und den Bürgern zusammen - hinzu kommen die wichtigen Einladungen zu privaten Vorstellung in den Schlössern der Hofgesellschaft.

Die sich aus den Wanderjahren in der Provinz ergebende Erfahrung mit den neuen Kenntnissen der Tätigkeit am Hofe ermöglicht ihm auf die jeweiligen Wünsche des Publikum einzugehen  - was sich auch im finanziellen Erfolg der Truppe niederschlägt.
 
 

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Ludwig XIV.

Aus der ersten Vorstellung am Hofe entwickelt sich eine zehnjährige Verbindung zum König, dem er als Hofdichter das gewünschte Divertissement bieten kann, so versteht er es, bei dem vom König so bevorzugten Ballett, das Wort, die Musik und den Tanz zu verbinden und den Hof auf diese Weise in einer Darstellung seiner selbst zu präsentieren.

Hierdurch gelingt es Molière sich den Freiraum zu schaffen, auch die zeitkritischen Themen in seinen Stücken wie 'Tartuffe', 'Don Juan' und 'Der Menschenfeind' aufzuzeigen.
Die Auseinandersetzung um den 'Tartuffe' führt wegen der großen Übereinstimmung zwischen König und Dichter dazu, dass der König Molières Truppe sich persönlich unterstellt und diese als 'Troupe du Roi au Palais Royal' auftreten lässt.

Eben diese Bevorzugung der musikalischen Darbietungen führt gegen 1670 zu Verstimmungen, als der König unter den Einfluss des italienischen Musikers Jean-Baptiste Luli gerät.

Obwohl es Molière versteht, dem König zu folgen und sich mehr noch dem Bürgertum  in seinen Stücken zuzuwenden, gelingt es Luli, die Vorlieben des Königs auf Ballett und Musik auf sich zu beziehen, zumal der Adel und die französische Oper mehr und mehr Einfluss bekommen, die zwar auf Molières Ballettkomödien fußt, aber allein durch ihren Pomp für Molière nicht mehr darstellbar ist.

Hinzu kommt eine Veränderung direkt am Hofe, als 1670 Bischof Jacques Bénigne Bossuet die Erziehung des Prinzen Louis übernimmt. Hier beginnt eine bigotte Phase, die letztendlich später - auch auf Betreiben der Madame de Maintenon - die Aufhebung des Edikt von Nantes aus dem Jahr 1598 zur Folge hat, wodurch die Hugenotten aller ihrer Privilegien beraubt der Katholizismus endgültig zur Staatsreligion erhoben wird.

Molières König - war nicht nur einer in seinen Schlössern lebender absolut herrschender Schöngeist, sondern nach Mazzarin's Tod, 1661, auch als 23-Jähriger ein Kriegsherr, der Spaniens Unterwerfung, Frankreichs Ausdehnung sich zum Ziel machte.
1667 fällt er in Flandern ein, um die Spanischen Niederlande zu annektieren, allerdings gelingt es ihm nur, einige Städte und Festungen zu nehmen.

1670 marschiert er in Lothringen ein, das er fast 30 Jahre lang besetzt hält und mit 120 000 Mann attackiert er 1672 die nördlichen Niederlande - den Krieg, den er zur Freude der Kirche als Wiederherstellung des Katholizismus bezeichnet.

Nach Molières Tod im Jahr 1672 kämpft der König 1676 mit der französischen Flotte für die Erhebung Siziliens gegen Spanien, beschießt Genua.

Die Feldzüge gehen weiter - 1684 erobert er Luxemburg und Trier, von 1688 bis 1697 führt er den Pfälzischen Erbfolgekrieg, die Pfalz wird zerstört, ein Ort nach dem anderen niedergebrannt: Worms und Speyer mitsamt ihren Domen, Heidelberg wird 1689 und 1693 niedergemacht.
Der Spanische Erbfolgekrieg von 1701 bis 1714 wird in Übersee ausgetragen und Ludwig beansprucht nach dem Tod des letzen spanischen Habsburgers das spanische Erbe gegen Leopold I. für seinen Enkel Philipp von Anjou.

Möglich war alles das nur durch den enorm ausgebauten Militärapparat mit entsprechenden Verwaltungseinrichtungen und Kriegsschulen, basierend auf Heeresdisziplin und einer funktionierenden Generalität.

Innenpolitisch kam es 1648 bis 1653 zu Unruhen, da der Hochadel gegen den Absolutismus, geführt von Kardinal Mazarin, Front machte. Letzter musste fliehen und verbarg sich in Kurköln, das mit seiner Hauptstadt Bonn vom Rhein bis Westfalen reichte.
Folge dieser Aufstände waren Preissteigerungen, Hungersnöte und Seuchen im Kernland.
Der König wollte eine Kirche, möglichst unabhängig von Rom, in sich geschlossen gegenüber Einflüssen von außen und Abtrünnige. Die so genannte lutherische Seuche griff um sich, zur Abwehr wurden Mischehen und Übertritte verboten wie auch Schmähreden gegen den Katholizismus.
Zwischen 1665 und 1685 - dem Jahr des Edikts von Fontainebleau - erschienen 22 Erlasse des Königs gegen die Protestanten, die in einigen Provinzen völlig ausstarben. Hunderte von hugenottischen Kirchen wurden niedergerissen.
 
 

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'Le Malade Imaginaire'

Am 10. Februar 1673 findet die Uraufführung des 'malade imaginäre' mit der Musik von Charpentier im Palais royal statt.

Thema des Werkes ist eine Abrechnung Molières mit dem Ärztestand. Er selber litt seil langem an einer Kehrkopfentzündung, die sich zu einer Bronchitis ausweitete und letztlich mit einer Lungenentzündung zum Tod des Dichters unmittelbar nach der vierten Vorstellung des 'malade imaginäre' führt.

Eine Reihe von Werken waren von ihm schon dem Thema Medizin gewidmet, immer waren die Ärzte die am Ende Kranken und verderbten in der Anschauung des Publikums wie auch der des Schöpfers der Texte.

Im 'malade imaginäre' wird nun eine Verbindung mit Krankheit, Leben und Tod eingegangen, die sich an sich dem Thema einer Komödie verschließt, aber auch später wird der 'Scheintod' noch einmal bühnenwirksam im 'Gianni Schicchi ' aufgenommen wie es in der 'commedia dell'arte' gängig war .

Als Schlüsselszene ist in diesem Zusammenhang das 'Sich-tot-stellen' der etwa siebenjährigen Louison zu sehen, die der Strafe von Argan entgehen will und klarstellt: "Attendez: je suis morte!" Ein Kind sieht hier keine Gefahr für sich eher die Rettung aus einer kritischen Situation.

Die Erfahrung Argan's, sich auf Empfehlung von Toinette, tot zu stellen, führt für ihn zu der Erkenntnis, seine Frau ist froh über sein Ableben.
Hier hat auch der gespielte Tod auf seine Weise etwas Endgültiges, denn eine Beziehung kann zwischen zwei Menschen unter diesen Umständen kaum weiterbestehen und beschließt so zwei Leben.
 
 


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Es war schon ein enormes Entgegenkommen der Leitung des Oberpfälzer Metropol-Theaters Regensburg, im Hof des Thon-Dittmer-Palais so viele Sitzplätze freizuhalten, dass der Interessierte sich wahlweise mal in der vierten oder siebten Reihe oder sonstwo im Auditorium niederlassen konnte.

Dies war der Intendanz an diesem Premierenabend auch leicht gefallen, da viele Regensburger und die aus den umliegenden Dörfern sich im Pfingsturlaub befanden oder den angeblich lauen Sommerabend doch besser damit verbrachten, um darüber nachzusinnen: gehe ich nun nächste Woche zur Europawahl oder gehe ich nicht und wenn ich gehe, wähle ich dann jemanden und wenn ja, dann wen?
Also Fragen über Fragen, die in Ruhe zu behandeln waren und zu einem Verbleiben am häuslichen Herd verpflichteten.

Dass man sich beim 'Eingebildet Kranken' einem Stück ausgesetzt sehen würde, das an das Umfeld des Hofes des Königs von Frankreich, nämlich dem des Ludwig und speziell dem des XIV. angegliedert ist, hatte der vorbereitete Zuschauer erwartet, das Bühnenbild der Produktion von Jochen Diederichs und die herausragenden Kostüme und Masken und Perücken von Uschi Haug, die beide nun schon häufig in der Welterbestadt ihre Kunst zeigen durften, überraschten, war doch eine verheutigende Version der Geschichte – nach den Erfahrungen mit der Regensburger ’Norma’ und der ’Manon’ - erwartet worden. Es zeigte jedoch, dass auch am Theater Regensburg auf die Zeit des Stückes bezogene Inszenierungen möglich sind.
Bestes Beispiel, die gerade laufende Produktion des 'André Chénier' - aber wie meinte damals einer, als das Stück schon in Meiningen angelaufen war, 'ob das den Regensburgern gefällt?'

Auf dem schon erhobenen Bühnenboden ein Alkoven steil aufragend mit seitlichen Wolkenstores zum Herunterlassen und wieder Hinaufziehen.
Berge von Kissen auf der Liegefläche, getürmt zum gemütlichen Beisammensein, um darauf zu lagern oder um diese als Wurfgeschosse zu verwenden.
Über allem die Aasgeier auf der rückwärtigen Bühnenwand schon lauernd mit gelegentlich aufglühenden Augen und sich windenden Hälsen - zur Gaudi des Publikums.

Herr Argan gibt vor, zu leiden, da die ihm vorgelegten Rechnungen der ärztlichen Betreuung vorkommen als seien sie im Missverhältnis zu dem, was vom Arzt und Apotheker geleistet wurden.
Das ganze Rechnungswesen scheint ihn so sehr zu interessieren, dass die Frage nach dem 'Warum' der Konsultationen sich kaum stellt. Er begibt sich flugs auf sein Lager und im Ablauf des Abends wird deutlich, dass er sich allerbester Gesundheit erfreuen darf. Behände turnt er auf dem Pfühl rauf und runter, kopfüber und kopfunter.

Gerade diese Szenen erinnern an die Produktion von Offenbach’s ’Ritter Blaubart’. Damals Anfang der 90-er Jahre stieg Peter Nüesch in Regensburg als König Bobèche in selbsterfundenen Aktionen den Thronsessel hinauf und wieder hinab, mal kopfüber, mal kopfunter – ein Mensch voller Agilität, voller Herrschsucht, voller Boshaftigkeit.

Miko Greza ist so einer, dem die Mitspieler ausgesetzt sind. Seine kraftvolle Konstitution ermöglicht es, keinen Zweifel aufkommen zu lassen, der Mann ist perfekt und gesund, er will nur spielen, er will nur, dass sich die anderen um ihn kümmern. So wird natürlich auch vermieden, einen Menschen darzustellen, der psychisch krank ist, der sich irgendeine Maladie, sogar den bevorstehenden Tod, einbildet, um auf sich aufmerksam zu machen. Hingegen ist er mit seinem Text beschäftigt und vollzieht nach, was er selber der Vorgabe des Regisseurs bei den Proben folgend “bietet an“ ‘erfand‘ und jetzt als Profi abruft.

Dass ihm offensichtlich niemand mitteilte, wie sich ein eingebildet Kranker aufführt, und er selber wohl keine Erfahrung in der Hinsicht aus seinem unmittelbaren Umfeld hat, somit auch nicht draufkommt wie so ein Mensch seine Familie und Freunde tyrannisiert, lässt man das Publikum in dem Glauben, eingebildet Kranke gäbe es nicht und bei Moliere ist er eben so, wie er von Miko Greza dargestellt wird: Ein Mann, der mit offenem Hemd herumläuft, kraftvoll agiert, mal die Hose runterlässt, für den es kein Leid gibt – bei Molière ein Klistier, einen Aderlass appliziert bekommt.
'C'est tout!'

Dass aber Zickereien vorkommen, weiß auch jeder Theaterdirektor: Vor einer Jenufa-Premiere der plötzlich auftretende Durchfall des Laca. Seitenstrangangina ist ein Befund, der einer Lyrischen die Absage ermöglicht. Knoten am Stimmband hat Ursachen und längerfristige Folgen. Das alles muss ärztlich belegt werden und ist nicht damit abgetan: “Ich spüre da was“.

Damit wird  jemand ins Spiel gebracht, der mit Derartigem sein Geld verdient. Sind es heute die Halbgötter in Weiß, die in der Metropole der Oberpfalz (Regensburgs OB Johannes Schaidinger am 17.3.2005: “Wir wollen mehr sein als die Metropole der Oberpfalz“) am Neupfarrplatz ihren SLK oder Lotus mit der Hinweistafel ‘Arzt im Einsatz‘, obwohl es laut Ärztekammer für HNO-Mediziner keine derartigen Regelungen gibt, parken.

In Regensburg’s ’Kranke-Produktion’ haben die Herren Gerold Richard Ströher als Dr. Diafoirus und Roman Blumenschein als dessen Sohn Thomas die Gelegenheit, sich des ‘kranken Argan‘ - beide in gleicher ’Phantasie-Uniform’ mit hohen Zylindern, die ihnen das Aussehen von E.T.A. Hoffmann geben - anzunehmen. Es geht aber dem Senior-Medikus nicht nur um eine ärztliche Behandlung, sondern auch darum, seinen Sohn Thomas dem Herrn Argan als Ehemann dessen Tochter anzudienen.

Um die Sache perfekt und für alle überdeutlich zu machen, wie sehr sein Sohn auch für Vermehrungskunststücke geeignet ist, zieht er dem einfach die Hose runter.

Dem Publikum bleibt nur der Blick auf das Hinterteil, während die Mitspieler auf der Bühne der wichtigeren Sachen ansichtig werden dürfen. Das schallende Gelächter der Kollegen lässt darauf schließen, dass es sich hier nicht unbedingt um die gewünschten Abmessungen handelt, so macht Roman Blumenschein die Hose wieder zu, gibt noch eine wissenschaftliche Abhandlung zum Besten, das war’s.
Leider.
In den ‘Drei Schwestern‘ spielte er den Soljony, den kleinen Zyniker, zackig – schon als Happy im ’Handlungsreisenden‘ war er frech, flott. So ist er auch hier als Thomas. Als trotteliger, aber vorlauter Naseweis stelzt er herum. Der passte doch schon zur jungen Dame des Hauses, der Angélique, viel besser als der schon vorher in Erscheinung getretene Cléante, angeblich Angéliques Liebhaber – keiner der Anwesenden hat je die Lampe gehalten. Christoph Bangerter gelingt es, das Publikum durch sein martialisches Auftreten zu verblüffen. War er doch gerade als Tusenbach in den ‘Drei Schwestern‘ ein an sich sanfter Mensch, der sich mit Irina zusammentun wollte und dann im Duell mit Soljony von diesem erschossen wird. Hier wird er laut und macht Sachen, die man ihm garnicht zutraut, steigt die Leiter hinauf, auf den Deckel des Alkoven, hantiert da oben herum. Mut hat er, denn runterfallen kann er.

Dass auch Nikola Norgauer als Angélique ihm, ohne zu zögern in diese gefährlichen Höhen nachsteigt, zeigt, was für eine moderne Schauspielerin sie ist – wie sie vorher schon als Célimène im ’Menschenfeind’ und die Olivia in ’Was ihr wollt’ die Regensburger begeisterte – da sie jeder Order des Regisseurs folgt. Glücklicherweise bleibt die Domstadt durch die erfahrene Hand des Oberspielleiters und Regisseurs Michael Bleiziffer vor Extremdarstellungen verschont.

Diese Verbindung - es bedeutet aber nicht, dass die beiden, Cléante und Angélique, zusammen passen, aber es war nun mal der Wille der Theaterleitung, dass sie aus Besetzungsgründen zusammenkommen - wird gemäß Molière’scher Weisungen auch von Toinette, die Bediensteten im Hause, unterstützt. Sie regelt es schon so wie es für Herrn Argan bestens zukommt. Doris Dubiel liegt zum Entzücken des Publikums wieder einmal genau drauf. Ob als Mia Pinneberg oder hier als so eine Art Despina zieht sie die Fäden und kommt selber nicht zu kurz. Verkleidungen sind ihre Sache, sie ändert auch die Gangart, wenn sie als vorbeireisender Arzt auftritt, senkt die Stimme, ist also nicht nur Typ. Nicht nur für alles Boulevardeske kann sie eingesetzt werden, Frl. von Zahnt und Courage waren nicht so ihre Fälle, bei der Marthe Rull waren wichtige Textpassagen gestrichen, da hätte sie groß sein können. Was aber wäre sie für eine Frau Striese. So wie die Benkhoff diese sein durfte.

Louison ist die jüngere Schwester der Angélique und Tochter des Herrn Argan aus erster Ehe. Hier stellte sich Molière ein wirkliches Kind vor, da das ’Totstellen’ einer kaum 10-Jährigen dann noch deutlicher auf die Diskrepanz zwischen einem Kranken und zum Ableben vorbestimmten Kraftvollen hinwiese. Jedes Theater hat doch irgendein ein Kind im Hause, dass ja nur umzufallen braucht und zu verkünden hat: “Je suis morte“ – nein, in Regensburg ist es Anna Dörnte, die leider als Klara in der Wüllenweber’schen Schreckens-Inszenierung von Hebbel’s 'Maria Magdalena' nicht gut wegkam. Eine 30-Jährige als jüngste Tochter?

Vor Jahren war das - natürlich nicht in Regensburg, sondern in Krefeld-Mönchen-Gladbach - die 10-jährige Ilse Moldovan, Tochter der großartigen Brangäne, Azucena, Amneris, Orpheus, Marcellina, Carmen, Türken-Baba, Wildschütz-Gräfin – eben die Tochter von Melinda Moldovan.

Béline ist Argans aktuelle Frau und wird dargestellt von Gabriele Fischer, die schon vom Theater Augsburg dem kritischen Beobachter wohl bekannt ist. Sie schreit herum wie die Olga in den ’Drei Schwestern’ führt sich auf und liegt damit genau auf diesem Typ von Frau, den man so gerne um sich hat. Dass sie sich über Argan’s ’Tod’ freut, nimmt man ihr unumwunden ab.

Michael Heuberger ist der Béralde, Bruder des Argan und auch ein Notar – das Publikum ist natürlich hocherfreut – nach dem Kulygin in den ’Drei Schwestern’, wieder einmal den 'Busfahrer Kurt' auf der Bühne zu sehen. Hinzu kommt, dass sich Notar und Bruder im Auftreten kaum unterscheiden, so dass ein Typ wie der andere anzusehen ist - Heuberger wie man hier am nördlichsten Punkt des Donaulaufs kennt und liebt.

Große Auftritte haben Paul Kaiser, was vor allem die grandiose Aufmachung ausmacht: er trägt eine Perücke, die für alle den herausgehobenen Stand als Dr. Purgon unterstreicht und Michael Morgenstern als Apotheker Fleurant nicht minder.

Musikalische Bindeglieder schafft auf dem Schifferklavier und als Tod maskiert bei reduziertem Licht im Nebel herumgespensternd: Birgit Otter.
 

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Personen des niederen Standes, des täglichen Lebens waren die Figuren für die Komödie. Helden, Fürsten, Könige waren der Tragödie vorbehalten. So bestimmten Mord und Totschlag, Wehklagen und Verbannung die Szene in der Tragödie, Sex und Liebesabenteuer beherrschten die Komödie. Außerdem hatten die heiteren Werke mit einem ernsten Hintergrund zu beginnen und fröhlich zu enden. Das Lieto fine und das spätere 'Happy end' nahmen hier seinen Anfang.

Michael Bleiziffer führt open air im Thon-Dittmer-Hof die Komödie vor, bei der,
ob bei Arzt und Sohn im hysterischen Stelzschritt,
ob bei Liebespaar auf dem Dach des Bettgestells hangelnd,
ob bei Arzt und Apotheker mit ihren Gerätschaften,
ob bei der Hausangestellten als eifriges Bindeglied,
ob bei geifernder Ehefrau,
ob bei exaltiertem Bruder und Notar,
klar wird:
In Regensburg weniger Laptop, aber dafür mehr Lederhose und 'Wehe, wenn sie losgelassen' - dann wird's Klamotte.
 

 

 

 


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