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04.01.2010 - dradio.de

 


    Theater Regensburg

  
  Bemerkungen eines Vollzahlers zur szenischen Umsetzung von
   

  
 Wolfgang Amadeus Mozart
   'Die Zauberflöte'

    
     Repertoirevorstellung 08. Oktober 2014

     'Sie ist ein Weib, hat Weiber Sinn'

 

 


Das Theater Regensburg gibt bekannt:

 

Zitat

Die Zauberflöte

Grosse Oper in zwei Aufzügen von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) | Text von Emanuel Schikaneder

Theater am Bismarckplatz

Musikalische Leitung Tom Woods
Inszenierung Matthias Reichwald
Bühne und Kostüme Toto
Choreinstudierung Alistair Lilley
Choreographische Mitarbeit Anna Städler
Dramaturgie Christina Schmidt
Licht Martin Stevens





 

Mozarts beliebteste Oper ist ein Märchen, Zauberposse, philosophisches Lehrstück und ein Werk für die ganze Familie.
Auf der Jagd begegnet Tamino einer gefährlichen Schlange.
Drei Damen retten ihm das Leben und überreichen ihm ein Portrait. Tamino verliebt sich auf den ersten Blick in Paminas Bildnis. Sie ist die Tochter der Königin der Nacht, von der er den Auftrag erhält, Pamina aus den Händen des Gegenspielers Sarastro zu retten. Gemeinsam mit dem Vogelfänger Papageno macht er sich auf die Suche nach ihr und besteht mit Hilfe einer Zauberflöte und eines Glockenspiels gefährliche Abenteuer.


Besetzung

Sarastro Mario Klein / Jongmin Yoon
Tamino Cameron Becker / Yinjia Gong
Sprecher Mario Klein / Jongmin Yoon
Die Königin der Nacht Aurora Perry
Pamina, ihre Tochter Anna Pisareva / Theodora Varga
1. Dame Michaela Schneider
2. Dame Vera Semieniuk
3. Dame Carolin Neukamm
1. Knabe Domspatzen
2. Knabe Domspatzen
3. Knabe Domspatzen
Papageno Matthias Wölbitsch
Papagena Julia Zhukovska-Fischer
Monostatos Matthias Ziegler
1. geharnischter Mann Cameron Becker / Yinjia Gong
2. geharnischter Mann Mikhail Kuldyaev
3. geharnischter Mann Mario Klein / Jongmin Yoon
3 Wesen Robert Herrmanns, Michael Lämmermann / Benno Schulz, Julia Leidhold / Anna Städler

Opernchor
Philharmonisches Orchester Regensburg

Zitatende
 

 

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Sie ist -
am
30. September 1791 uraufgeführt - nach wie vor die meistgespielte, meistinszenierte und meistbesuchte Oper, obwohl wahrlich nicht einfach zu besetzen. Das fängt schon mit den drei Knaben an, geht über den Sarastro, zum Papageno, zum Tamino und zur Königin.

Für die Regie ist das Stück ein Problem, wird nur Komödiantisches herausgestellt, liebt es das Publikum und die Denker unter den Feuilletonisten sprechen von unterbelichtet - geht die Regie den umgekehrten Weg und bedient die Intellektuellen, dann bleibt das Publikum weg.

Der Straubinger Schikaneder wusste als Theatermacher, wie er sein Publikum erfreuen konnte. Das Gute und das Böse musste dargestellt werden, ein lyrisches und ein Buffo-Paar waren notwendig.

Wichtig war vor allem die Darstellung der Feen- und Geisterwelt.
Zur gleichen Zeit wie Schikaneder und Mozart war auch Paul Wranitzky in Wien für die Theater aktiv. Er am Theater am Kärntnertor, Komponist und Dirigent befreundet mit Haydn und Beethoven, dessen erste Symphonie er uraufführte.
Wranitzkys 'Oberon' konnte sich lange auf den Spielplänen halten, bis er von Webers Geisteroper gleichen Namens verdrängt wurde.
In Christoph Martin Wielands Märchensammlung 'Dschinnistan'  fand Schikaneder die Geschichte des anakreontischen Prinzen Lulu, der die schöne Tochter der Fee Perefime aus der Gewalt eines bösen Zauberers mit Hilfe einer einschläfernden Flöte und eines Zauberrings befreit.
Daraus ließ sich eine effektvolle Zauberwelt auf der Bühne erzielen - es entstand eine, in der damaligen Zeit, populäre Machinenoper - 'Die Zauberflöte'.

Dass er dann aus dem bösen Sarastro einen guten Herrscher machte und die Königin der Nacht eine Böse sein lässt, hing damit zusammen, dass sich ausgerechnet diese Geschichte des Lulu auch die Leitung des Leopolstädter Theaters annahm und daraus 'Die Zauberzither' erfand, die bereits den Wienern sehr gefiel.

 

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Die Frau abzuqualifizieren zeigt auch die Einstellung der damaligen Zeit gegenüber dem weiblichen Geschlecht.

Die Frau im ausgehenden 18. Jahrhundert und im 19. Jahrhundert lebte auf verschiedenen Ebenen:
1. die Herrschaftsebene der Landesfürsten
2. die bürgerliche Ebene der Verleger, Fabrikbesitzer
3. die Ebene der Handwerksbetriebe und Bauern
4. die Ebene der Landarbeiter, Heimwerker,
    Kleinhandwerksbetriebe, Hauspersonal

Die Herrschaftsebene war durch das Gottesgnadentum nach allen Seiten abgesichert, die Frau aber auch hier verdrängt in den Bereich der Gesellschaftsdame im Haus und die Mutter der Kinder, der allerdings genügend Personal zur Erziehung und Aufzucht der Kinder zur Verfügung stand.
Die bürgerliche Ebene unterschied sich von der herrschaftlichen nur durch die zur Verfügung stehende Geld und Personalmenge.

Die Situation auf der untersten Ebene war die durch die Lebensumstände entschieden schlechteste.
Durch die biologische Tatsache, dass die Frau durch in kürzesten Abständen immer wiederkehrende Schwangerschaften an das Haus oder nur den Hausgarten gebunden war, ergaben sich die grundsätzlichen Arbeitsteilungen zwischen Haus und Außenwelt. Die Frau war ausgeschaltet aus allem, was sich in der Stadt oder Gemeinde an öffentlichen Aufgaben ergab. Die aufkommenden genossenschaftlichen Regulierungen – von den Männern unter sich abgemacht – gaben diesen die Einbildung einer Überlegenheit den Frauen gegenüber. Die hinzu kommende Ausgrenzung der Frau durch die Kirche, förderte noch deren Isolierung.
Lernprozesse vollzogen sich neben einer Grundschulbildung nur durch Weitergabe von Selbsterlerntem. Auch hieraus leiteten sich Machtbefugnisse ab, da der Wissende einen höheren Stand hatte.
Die Berufsarbeit in den unteren Ständen bezog sich bei der Frau auf die Heimarbeit, wenn nicht allein, so doch meistens zusätzlich zur Feldarbeit. Eine Diskriminierung der Frau blieb hier weitgehend aus, da es sich bei Ablieferung der Ware aus Heimarbeit nicht auswirkte, ob diese vom Mann oder der Frau hergestellt worden war. Hinzu kam, dass die Frau bei dieser Art von Hausindustrie auch die Kinder beaufsichtigen und aufziehen konnte. Meist war dann der Wohnraum gleichzeitig auch der Werkraum, in dem der Webstuhl, das Spinnrad oder die Werkbank für den Mann als Nebenerwerb stand. Gesundheitliche Schäden durch Einatmen von Leim- oder giftigen Farbdämpfen sowie der Abrieb bei Schieferarbeiten waren der Grund für schwere Erkrankungen und früher Tod.

1835 - also Jahren nach der Uraufführung der Zauberflöte - schrieb Heinrich Laube in 'Liebesbriefe':
 

 

„[...]

Ist es nicht ein großer Gedanke, der Welt noch einmal so viel Einwohner zu geben, wenn man die Weiber emanzipiert?

[...]“

 


Otto Weiniger, der extrem judenfeindlich eingestellt und Verfechter einer frauen- und körperfeindlichen Geisteshaltung war, konnte sich mit seinen Texten über „Das Wesen des Weibes und sein Sinn im Universum“, „Das Judentum“ und „Das Weib und die Menschheit“ um die Wende zum 21. Jahrhundert Gehör verschaffen und bis in die Jahre nach 1960 die Frau diffamieren.
 

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Bald nach Übernahme der Intendanz wurde 'Die Zauberflöte' in den Regensburger Spielplan genommen.

Damals_in_Regensburg_02.12.2004_Kritik_'Zauberfloete'_-_Wiederaufnahme


 







 

 

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Begeistert schien Gerhard Dietl von der Neuproduktion der 'Zauberflöte' am Theater Regensburg in der Spielzeit 2013/2014 nicht gewesen zu sein.
Er meinte am 28.06.2014 in der MZ, die Inszenierung wolle [...] dem Geist des Schikanederschen und Mozartschen Originals nahe kommen [...] 

Kleine Eigenwilligkeiten leiste sich der Regisseur, als er die Königin mit ihrer Rachearie als Abschluss des ersten Teils unmittelbar vor der Pause auftreten lasse.

Zucker dem Affen - die Wahnsinnsarie der Lucia ließ Günter Roth seinerzeit Edda Moser am Ende der Sache von Lammermoor singen - die Hauptsache ist der Effekt.

Einige seien in Regensburg hinzugefügt worden, die die Szene belebten und die damit wohl von mangelnder Personenführung noch immer ablenken sollen.

Wie schrieb einer, der eine Vorstellung sah:
'Zauberflöte – gähn! Der Tamino steht bloß rum.'

 

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Nun,  diese Vorstellung ist eine seltene Produktionen der 'Zauberflöte', die sich ja sonst in Langeweile ergehen - gerade dann, wenn die Gegensätze von geistiger zu irdischer Welt aufgezeigt werden.
Das geschieht in Regensburg nur andeutungsweise und es ist somit auch wahrlich nicht sagen, dass es fad ist, weil das Gefälle Sarastro / Papageno nicht eindeutig genau ausgearbeitet wurde.
Auch die sonst übliche Gegensätzlichkeit von lyrischem Paar zum Buffopaar und den übrigen Mitspielern - entfällt weitgehend.

Hier im Theater Regensburg ist auf der Bühne immer etwas los. Im Graben gibt es plötzlich etwas Außergewöhnliches, als Herrn Nagel der Kontrabass polternd aus der Fußhalterung rutscht.
Alles, was sonst passiert, verschlägt dem Publikum die Rede und es versteckt die Hände sicherheitshalber unter den Oberschenkeln, damit sich auf keinen Fall Szenenapplaus Bahn brechen könnte.

Erst das Duett des Buffopaares kurz vor dem Ende des Stückes findet den Beifall der Regensburger - sonst lähmende Stille - nach jeder Nummer.

Nun, es fällt auch nicht leicht, das muss man zur Ehrenrettung der Zuschauer und der Zuschauerinnen sagen, musikalischen Umstellungen zu folgen.

Aber das nur am Rande.
Optisch ist zusätzlich immer was los. Man kann gar nicht so schnell gucken, so schnell ist die Bühne rumgedreht, der Ring ist auf ganzer Höhe doppelwändig belegt, so dass der Zwischenraum zusätzlich zum Bespielen zur Verfügung steht, mit leichter Gaze bespannt, lässt sich ahnen, was zwischen den Wänden vor sich geht.
Die eine Seite dieses 'Rundhorizonts' - bemalt mit einem Mozartportrait, die Innenseite der Wand zeigt Mauerreste, abblätternde Farbe - ein Gebäude in Auflösung, zumindest dringend renovierungsbedürftig.
Podien fahren rauf und runter, mal in Gänze, mal nur als Schräge ausgebildet.

Es hat den Anschein, als traue der Regisseur weder der Musik noch den darstellerischen Möglichkeiten der Sänger, denn er gesellt zu den bekannten Protagonisten noch wuselnde Wesen, die in Permanenz irgendetwas auf dem Bühnenboden herumkriechend zu tun haben. Mal schleppen sie eine Schlange herum, mal sind sie die wilden Tiere, ein paar Löwen, die durch Glockenspiel gebändigt werden und dem Sarastro als Sitzfläche dienen, sie reißen Türen auf, schließen sie wieder - und ermöglichen so weitgehenden den Stillstand bei den Solisten.
Problematisch wird das Ganze dadurch, dass diese Herrschaften - sie sehen grüngewandet aus wie Frösche, die aber nicht hüpfen oder wie Eidechsen, dazu haben sie einen zu kurzen Schwanz - sind es Molche oder Grottenolme, die Worte, wispern Texte, Kommentare, verbindende Worte in ihre Mikroports säuseln, die, weil sie ohne Benutzung der Stimmbänder sprechen, weitgehend unverständlich bleiben und mit ihrem Zischeln nur an die Schlange am Beginn des Werks erinnern.
Das ärgert das Publikum, denn schließlich haben die Leute für die vom Theater Regensburg angebotene Gesamtproduktion der 'Zauberflöte' bezahlt, wozu eben auch dieser Regieeinfall der wispernden Molche des Regisseurs aus Magdeburg gehört.
Es ist also verständlich, dass sich das Publikum über Längen des Abends zum Gesehenen und Gehörten nicht äußert, sondern, wie oben schon erwähnt, auf den Händen sitzt.

Dabei machen die Singenden gute Mine zum, von ihnen selber nicht bewegten, Spiel, denn sie stehen und belegen längerfristig den ihnen vom Regisseur vorgegebenen Platz auf der Bühne.

Als Dramatische präsentieren sich die drei Damen, als wollten sie sich mit Macht und wohlgeführter Stimme bei Tamino in Positur bringen.
Ansonsten ist Leichtigkeit angesagt, buffowendig-kerniger Jungheld, flott-spitze - als Gast singende - Nachtherrscherin, lockere Vogelmenschengenossin, bibbernder Schikaneder-Nachfahr, Mohr, der als solcher nicht so angemalt ist, aber von dem doch gesungen wird, tiefenarmer Freimaurer bei tiefen 'doch'. Die Lyrische - diese hörenswert.

Dass die Herren des Chors durch 'auf-der-Stelle-stehen' und gemächliches Auf- und Abtreten einen majestätischen und die Damen, locker leicht hingestreut wie in der Feuer- und Wasserszene - einen verführerischen Eindruck hinterlassen, ist verständlich.
Die Domspätzchen, schon während des Vorspiels mit Tamino vor dem Vorhang spielfreudig herumzappelnd, sonst meist ihre Partie singend, am Orchestergraben stehend und wie man hören konnte, besser als die im Jahr 2002. Die von damals sind womöglich schon an einer Musikhochschule fertig mit dem Masterstudium und somit auf dem besten Wege zu einer großen Sängerkarriere.

Fazit:
Ein Abend im Theater Regensburg, der das Publikum von Beifallsbekundungen während der Vorstellung - also Szenenbeifall, bis auf eine Stelle - abhielt.

Wie schrieb Norbert Lösch am 28.6.2014 in der MZ sinngemäß:

Ein eher mageres Jahr für das Theater
In der letzten Spielzeit hätten die Besucherzahlen im Theater Regensburg deutlich abgenommen.

Den Bericht darüber habe der Finanzausschuss des Stadtrats kommentarlos zur Kenntnis genommen.

Kein Wunder bei dem Spielplan und sonst so, was man so hört aus dem Haus am Bismarckplatz wie den herumliegenden Spielstätten und was die Regensburger irritiert!

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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