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Das Theater Regensburg gibt bekannt:
Zitat
Woyzeck
Schauspiel von Georg Büchner
(1813–1837)
Velodrom
»Woyzeck« ist das erste
soziale Drama der deutschen Literaturgeschichte. Georg Büchner
macht einen authentischen Fall zur Grundlage seines Stückes, das
er 1836/37 in Straßburg und Zürich erarbeitete und das durch
seinen Tod Fragment geblieben ist. Jede Aufführung muss sich mit
der nicht eindeutig festgelegten Szenenfolge und dem fehlenden
Schluss auseinandersetzen und Entscheidungen für eine Fassung
treffen.
Woyzeck, der einfache Soldat, sorgt für seine Geliebte und das
gemeinsame Kind. Für zusätzlichen Lohn stellt er sich dem Doktor
für physiologische Experimente zur Verfügung. Auch wegen seiner
labilen Psyche ist er ein interessanter Untersuchungsgegenstand.
Woyzeck hetzt durch den Tag und versucht, sein Leben am
untersten Rand der Gesellschaft, so gut es geht, mit Anstand zu
leben. Doch als Woyzeck merkt, dass der Tambourmajor hinter
seiner Marie her ist und die sich darauf einlässt, verliert
Woyzeck seinen letzten Halt.
Wir danken für die
freundliche Unterstützung des DAV Kletterzentrums Regensburg.
Einführungsveranstaltungen
Matinée | Sonntag, 14.09.2014 | Velodrom | Eintritt frei
Besetzung
Woyzeck
Gunnar Blume
Marie
Pina Kühr
Hauptmann
Gerhardt Hermann
Doktor
Michael Haake
Tambourmajor
Robert Herrmanns
Andres
Sebastian Ganzert
Käthe
Franziska Sörensen
Narr
Jacob Keller
Zitatende
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In Leipzig lebt der Sohn eines Perückenmachers, der
Gelegenheitsarbeiter J. C. Woyzeck, die 'arme' Kreatur schlechthin, von
einem Arzt zu medizinischen Experimenten missbraucht, seinen Hauptmann
hilflos ausgeliefert, kann sie sich vor der Willkür seiner Umgebung
nicht schützen, sorgt aber fürsorgevoll für seine Geliebte und sein Kind.
Diese kleine Ordnung zerbricht als Marie den Verführungen eines
Tambourmajors erliegt. Er ersticht sie und wird verhaftet.
Ein Gutachten stuft den Mörder als voll verantwortlich ein, danach
wird er schuldfähig gesprochen und verurteilt.
Die für den 13. November 1822 vorgesehene Hinrichtung wird verschoben,
da doch Zweifel an der geistigen Zurechnungsfähigkeit erhoben werden.
Der erneut berufene Gutachter Dr. Clarus zeigt die Vergehen des
Delinquenten auf, die 'moralisch gefestigte' Gesellschaft stimmt ihm zu und
am 27. August 1824 wird Johann Christian Woyzeck auf dem Marktplatz zu
Leipzig durch das Schwert hingerichtet. Eine große Menschenmenge
verfolgte das Schauspiel, das sie nach langer Entbehrung, die
Vollstreckung eines Todesurteils zu sehen, nun endlich
wieder voll genießen kann.
Der Vorgang wird Büchner bekannt, da die Umstände des Leben dieses im
sozialen Abseits stehenden Menschen in einer Zeitschrift veröffentlicht
wurden, die Büchners Vater abonniert hatte und in der er selber als Arzt
veröffentlichte.
Die damaligen Lebensumstände der unteren sozialen Schichten
gehen in das Werk ein, das Büchner wohl um 1836 zu schreiben begann.
Da werden die längerfristigen Versuche - von Justus von Liebig
durchgeführt - mit der Versorgung von Soldaten mit Erbsbrei erwähnt, die
zu Mangelerscheinungen führen, es können auch weitere Eifersuchtsmorde
die Erstellung des Dramas beeinflusst haben wie die neuere
Büchner-Forschung zu beweisen sucht. Hier stellen sich der Wissenschaft
immer wieder Probleme, da Nachweise über Büchners Arbeit in nur geringer
Zahl zur Verfügung stehen.
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Wie schon bei der Erstellung des Hessischen Landboten 1834
greift Büchner das Elend der Bevölkerung, gerade in
Hessen-Darmstadt auf, die unter der feudalabsolutistischen
Herrschaft leidet.
Alle Bestrebungen, Reformen durchzuführen, Freiräume, die schon
unter Napoleon geschaffen wurden, zu erhalten, wurden von den
Herrschenden zunichte gemacht.
Die Restauration - beschlossen während des Wiener Kongresses
1815 - wirkte sich in beklemmender Form aus. Die Menschen waren
dem Zugriff der Hoheiten ausgeliefert.
Die Menschen litten unter den sozialen und gesellschaftlichen
Bedingungen der Zeit. Gelegentliche Ausbrüche, das Übergreifen der
Juli-Revolution in Frankreich von 1830 auf Süddeutschland, das Hambacher Fest von 1832
und die Verfolgung der Gedanken dieser Ereignisse durch die
Obrigkeit hatte zur Folge, dass sich die Menschen
in ihre Kleinwelt zurückzogen, um nur nicht aufzufallen.
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Büchner erlebte die Vorgänge in Gießen, wohin er - nach dem
Beginn seines Medizinstudiums in Straßburg - überwechselte.
Sehnsuchtsvoll dachte er an die republikanischen Gegebenheiten
in der französischen Stadt am Rhein. Nach der staatlichen
Verfolgung wegen des 'Landboten' floh er 1835 nach Frankreich -
wieder zurück nach Straßburg - und weiter in die Schweiz.
Hier suchte er neben seinen medizinischen Dissertationsarbeiten
Zeit für schriftstellerische Tätigkeiten zu finden.
Er starb am 19. Februar 1837 in Zürich.
Das erste sozialkritische Drama - der Woyzeck - blieb so ein
Fragment.
Erst 1879 wurde es veröffentlicht, am 18. November 1913 in
München uraufgeführt.
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Nach Alban Bergs Oper 'Wozzeck'
im Jahr 2009 hat nun das Theater
Regensburg auch Büchners Vorlage im Spielplan.
Dabei zeigt man auf der einen Seite die optische Überfrachtung eines Stückes, als glaube man
nicht an das Werk und die Darsteller und reduziert in anderer
Hinsicht auf Choreographie und Textaufsagen in einem
Umfeld mit Tauen, die vom Schnürboden herabhängen, die aber
nichts mit der Story zu tun hat, die in einer Zeit der
feudalistischen Unterdrückung in Deutschland spielt.
Soll das Verstrickung symbolisieren?
Nichts ist zu sehen, dass es sich bei der Titelpartie um einen
an seine körperlichen Grenzen gelangten Menschen, einen mit
Erbsbrei Fehlernährten, handelt.
Woyzeck - am Vortag noch seelenloser Brick in 'Katze' -
spurtet hier kraftvoll über die Bühne, hangelt sich die in
Massen herumhängenden Taue hinauf, turnt auf denen herum, lässt
sich kopfüber aufhängen - von Schwäche und geistiger Beengtheit
ist nichts zu erkennen und auch im Vortag des Textes nichts zu
vernehmen.
Der Darsteller - laut Regensburger Schauspieldirektorin Junge,
in der Rolle eines einfachen Soldaten - folgt, ohne alle
soldatischen Attribute wie Uniform, Orden und Lametta in
Unterhemd und zeitweise runtergelassener Unterhose -
offensichtlich willenlos den Vorgaben der Dompteuse, hopst und
springt und hastet über die Bühne, dass es eine Freude ist, wäre
da nicht die vom Autor vorgegebene gequälte Kreatur, die von
deren Umwelt unterdrückt wird.
Dass er sich - laut Schauspieldirektorin - darum bemüht,
irgendwo, irgendwie dazuzugehören, ist bei der Anlage der Rolle
durch die Choreographin schlichtweg unmöglich. Dieser Darsteller
ist viel zu gesund und selbstbewusst, als dass man ihm abnehmen könnte, er sei
ein aus der Gesellschaft Ausgeschlossener.
Der Hauptmann, in den Resten eines dienstgradbezogenen Outfits,
sorgt sich um Woyzeck, er mahnt den zur Langsamkeit, der sehe
immer so gehetzt aus.
Wenn dies denn nicht vermittelt werden kann, so liegt es
daran, dass der Darsteller des Woyzeck im rasanten Tempo über
die Bühne spurtet und er wohl so außer Atem kommt.
Ein Gehetztsein - wie vom Autor unter den damaligen
Gegebenheiten des beginnenden 19. Jahrhunderts und seiner
gesellschaftlichen Schwierigkeiten - sieht anders aus - als von
der Regensburger Schauspieldirektorin beschrieben und von der
Dompteuse umgesetzt und auf den Darsteller übertragen.
Dass der Doktor in Körper-Umgürtung, wie man sie aus der
Schlussszene des Franz Moor aus der Zollner'schen
'Räuber-Inszenierung des Jahres 1993 noch kennt, in den Schnürboden
hochgezogen wird, ist eine der typischen Regie-Zutaten wie sie
sich in Form der drei 'Grottenolme' in der Regensburger
'Zauberflöte' und im 'Stumme-Jule-Beiwerk' im Regensburger
'Tristan' zeigen.
Was der Doktor da oben im Schnürboden soll, erschließt sich dem
'gemeinen Regensburger' nicht.
Möglicherweise meint die Choreographin, man könne so die
Dämlichkeit des Arztes deutlich machen. Dass der nicht ganz
dicht ist, ist allerdings jedem klar und bedarf nicht einer
zirzensischen Überhöhung durch Aufzug des Bodys ins Bodenlose.
Der Tambourmajor, aufgeblasene Puppe - schwarze Fahne wie
gewisse Leute schwenkend, die mit HI-TEC zurück ins siebte
Jahrhundert wollen - ist Teil der Gesellschaft, direkt mit
dem herrschenden System verknüpft, bei dem dann, beim Einlassen
mit dem niederen Volk, 'die Luft' an der entscheidenden Stelle wegbleibt und er versagt.
Marie, unbedarftes Mausele, ihr Kind - sowas kommt von sowas -
lebt zwischen und in den sich ihr zeitweise bietenden Welten.
'Der Franz ist nit kommen', dann kommt eben ein anderer Mann.
Man nimmt, was man kriegen kann - große Auswahl besteht nicht -
der Hauptmann zu klapprig schon, obwohl er mal wieder möchte.
der Doktor zu spinnert.
Einem, dem keiner beikommt, der Andres, der trommelt sich
handfest eins,
gleitet nicht in ein sentimentales Getue ab.
Narr und Käthe - Beiwerk, nach dem Motto der Choreographin:
'Ach, da ist mir noch was eingefallen, das könnten wir
doch noch machen.'
Musikalische Einlagen 'rabatzen' vor, nach den Auftritten und
mitten in die Szenen, unterstreichen damit den vordergründigen
Charakter der Produktion.
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Fazit:
Viel Rumgehample, das von der Tragödie ablenkt.
Der Hauptdarsteller, fehlgeleitet, auch hier das Drama
überfrachtet mit Gemache und Getue, so dass ihm sein eigenes
Leid durch die Aktionen vergeht.
Die kraftvollen Auftritte der
übrigen Darsteller stehen im Widerspruch zum damaligen Elend der
Bevölkerung, nach Willen des Autors durch die einseitige
Ernährung der Soldaten beispielhaft aufgezeigt - somit das
Dilemma dieser Inszenierung.
Die Aussage - es handele sich bei der Regensburger Woyzeck-Produktion um 80 Minuten
voller Seelenqual - kann folglich nicht nachvollzogen werden.
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz,
in Anspruch.
Dieter Hansing
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