Wien:
Mozart und Lorenzo da Ponte kennen einen Operneinakter des
Librettisten Giovanni Bertati: 'Don Giovanni tenorio o sia Il
convitato di pietra' - gerade sehr erfolgreich in Venedig uraufgeführt.
Ganze Textstellen
werden in das Libretto von da Ponte übernommen. Er folgt Bertati im ersten Akt bis Nr. 12. Während der Vorlagengeber dann
direkt zur Friedhofszene springt, ergänzt da Ponte die Nummern 13
bis 20 im ersten Akt, fügt die Szenen 1 bis 10 im zweiten Akt ein
schließt hier als 11. Szene das Schlussbild nach Bertatis
Vorlage an.
Aus der reinen Buffa wird eine Mischung aus Komödie und Tragödie -
das dramma giocoso - mit dem erhobenen Zeigefinger als 'lieto fine'
als Ende des
Stückes in der Wiener Fassung.
Die Basis bildet eine Geschichte, die sich zugetragen haben soll und
von dem spanischen Mönch Tirso de Molina dramatisiert wurde,
wonach Mönche das ruchlose Leben des Fürchtenichts und Frauenhelden
beendeten. "So endet, wer Böses tut."
Einiges dramaturgisch kaum Nachvollziehbares - Längen - gibt es im
Text, die Vielfalt der Szenen macht eigentlich auch eine Reduzierung notwendig,
um der Verwirrung der Zuschauer entgegen zu wirken.
Da Ponte kann an der Uraufführung in Prag nicht teilnehmen, da er
gleichzeitig Libretti auch noch für Salieri und Martini schrieb und
nach Wie zurückgerufen wurde. So
war sich Mozart im Oktober 1787 in Prag wegen der Texte allein
überlassen.
Doch einer kam ihm zu Hilfe. Auch im Oktober 1787 hielt sich in Prag der
weltbekannte Fachmann in Sachen Liebe auf: Giacomo Casanova.
Er war damals Bibliothekar im Schloss des Grafen Waldstein in Dux,
nahe der böhmischen Hauptstadt.
Die Zusammenarbeit von Casanova und Mozart ging soweit, dass der
wirkliche Liebhaber den
Text für das Sextett im zweiten Akt umschrieb. Lorenzo da Ponte
war
ja in Wien - im Nachlass
Casanovas befinden sich zwei beschriebene Blätter mit diesem
veränderten Text.
Der zur Entstehungszeit übliche Einbau sängerfreundlicher
Arien und Szenen - wie durch die so genannte 'Champagner-Arie' oder
das Ständchen - erweitert das Stück erheblich um die Leidensfähigen:
Donna Anna und Don Ottavio - vertreten so im 'Giovanni' die 'opera
seria', die 'buffa' bleibt durch die übrigen Rollen erhalten.
Zwischen beiden als tragi-komische Figur: Donna Elvira.
Hatte Donna Anna etwas mit Giovanni, wurde
sie von ihm im elterlichen Haus verführt, vergewaltigt - immerhin
spricht sie von Schande. Und Leporello kommentiert und bestätigt
"[...] Die Tochter verführen und den Vater ermorden! [...]"
Oder ist es ihre
Liebe, die von ihm verschmäht wurde, dreht sie den Spieß um, zeiht ihn
der Verführung, verfolgt ihn aber, weil er sie nicht wollte ? Oder
gewann sie Lust durch Giovanni, was jetzt Last
für sie, auch dass durch ihr Verhalten, der plötzliche Tod des Vaters durch
Giovannis Hand - gezwungenermaßen, da der Komtur zum Schutz Annas ihn
verfolgt - also Totschlag und nicht Mord - herbeigeführt wird.
Ihre Worte Verstellung ?
Ausgeschlagene Liebe - bei einer Frau für einen Mann, höchst gefährlich.
Sie leidet nun in mehrfacher Hinsicht.
Immerhin "[...] Gleich einer Furie will ich rasen, dein Verderben
werd' ich sein. [...]".
Die Kraft der Sängerin der Anna muss sich erweisen, wenn sie in der hohen Lage die Ensembles anführt.
Gleich in der Nr. 10 - "[...] Du kennst nun den Frevler, der
Schande mir drohte [...]" kann die Sängerin der Donna Anna ihre
ganze Erregung in der Schilderung des wie immer gearteten Zusammentreffens mit Giovanni zum
Ausdruck bringen. Die Andante-Arie begleitet
durch Tremoli der Streicher, die Erregung - nur wenige ruhige
verinnerlichte Seufzer.
In Nr. 23, Rezitativ und Arie "[...] Ich grausam ?[...]" weist Donna Anna die Vorwürfe Ottavios
zurück. Die hier von Mozart verwendeten Triller und Ausschmückungen verdeutlichen die
Kraft, mit der Anna sich der Aufgabe, Don Giovanni zu eliminieren,
stellt, ohne hier übermäßig aufzutrumpfen.
Mozart komponierte den Schluss der Arie so, dass der Applaus eigentlich
nicht ausbleiben kann.
Ljuba Welitsch, Leontyne Price, Joan Sutherland, Martina Arroyo,
Margaret Price, Anna Tomowa-Sintow, Renée Flemming, Zinka Milanow - aber
auch Elisabeth Grümmer, Sena Jurinac oder Lisa della Casa und ganz
besonders in der Rolle, der dramatischen Donna Anna hervorzuheben:
Edda Moser.
Donna Elvira - diese Rolle ist
Molières 'Dom Juan ou Le Festin de pierre' entlehnt - die Giovanni in
einer gewissen Art von Hysterie nachstellt - nachdem ihre Affäre in
Burgos mit ihm nicht sonderlich erfolgreich war und danach Giovanni
auf der Flucht vor ihr ist, sich aber nicht scheut, sie wieder
anzumachen.
Ihre Hoffnung, dass er "[...] voll Reue mein heißgeliebter Gatte
[...]" sich an sie bindet, führt dazu, dass sie ihn
völlig verliert. Ohne Entwicklung innerhalb des Stückes - das sich
ja während eines Tages abspielt - Elvira steht da, ohne etwas
erreicht zu haben. Allerdings setzt auch sie wie Donna Anna auf die
Vernichtung Giovannis mit "[...] dem Tod sei er geweiht [...]".
Da Mozart in Wien Catarina Cavalieri als virtuose Sängerin zur
Verfügung stand, passte er sich deren 'geläufiger Gurgel' an und
ergänzte die Rolle durch die Arie Nr. 21 b im zweiten Teil. Diese
erhielt damit eine dramatische Note und rückt aus dem Anschein einer
durch Hormonwallungen Verwirrten, deren Liebe verschmäht wurde und
weiterhin wird, heraus. Er charakterisiert ihre zerrissene Seele durch
heftig-große Tonsprünge.
Die Nr. 3 - Elviras exaltierter Auftritt "Ach, werd ich ihn wohl
finden ..." - die Gemütsfassung wird
vom Orchester mit Synkopen unterstrichen - ist mit der Arie in dem
Sinne kein Sologesang, denn Giovanni kommentiert 'beiseite' ihren
Text und geht in den letzten Takten auf sie ein. So 'verkleckert'
dieses Musikstück für Elvira in einem nicht gehaltenen Dialog.
Die Nr. 8 - "O flieh, Betrogne, flieh" - an Zerlina gerichtet, knapp und konzentriert auf
weinige Takte
beschränkt, mit den unvermeidlichen Koloraturen ein eindrucksvolles
Musikstück in diesem Werk und für die Sängerin eine weitere
Herausforderung.
An sich gehört für diese Rolle ein ganz kopfiger
Sopran, gerade wenn die Nr. 21 b mit Rezitativ und Arie "I[...] n
welchen Abgrund, o Himmel" .... "Mich verriet der Undankbare
..[...]" offen ist.
Elisabeth Schwarzkopf - wieder und wieder in der Rolle - niemals
Anna. Ihre Stimme zu schmal für die notwendige Opulenz der
Mitspielerin. Von der Zerbinetta zur Ariadne, von der Susanne zur
Gräfin, zur Marschallin, aber über die Elvira nicht zur Anna.
Die Rolle besetzt mit z.B. Trudelise Schmidt - sie sang 'die Knaben'
weil sie so dünn war - oder Ann Murray oder Agnes Baltsa, aber auch
Waltraud Meier.
Don Ottavio, der
Verlobte Annas - eine leidensvolle Figur, kaum fähig,
etwas Handgreifliches zu unternehmen. Immer nach innen
gewandt, immer auf Ausgleich bedacht.
Donna Anna hatte in ihm offensichtlich etwas anderes
erwartet, als einen Resonneur, einen Bedenkenträger -
"[...] Nur ihrem Frieden weiht ich mein Leben[...]" - sie
will ja gar keinen Vaterersatz, als den Don Ottavio sich
anbietet - sondern was erleben. Und das verspricht die
Gemeinschaft mit Giovanni. Nur, der will sie wohl nicht
oder will sie ihn wirklich nicht ?
Mozart richtete sich weitgehend nach den Erfordernissen
der jeweiligen Bühnen und sängerischen Möglichkeiten der
betreffenden Theater. So komponierte er am 24. April 1788
für die Wiener Aufführung am 7. Mai 1788 die Arie Nr. 10 a
"[...] Nur ihrem Frieden[...]" für den Sänger Francesco
Morella, der die eigentlich vorgesehene Arie Nr. 21 "[...]
Folget der Heißgeliebten [...]" wegen der Koloraturen
nicht singen konnte.
In der Rolle des Don Ottavio immer wieder Anton Dermota,
daneben Julius Patzak, Nicolai Gedda - aber auch Hans Hopf
in jungen Jahren -
unverkennbar, hier schon der spätere schwere Held.
Zerlina, eine von
Giovanni Angemachte. Eine junge in jedem Fall, aber
Soubrette, die ihr Leben nach dem Motto "[...] O ihr
Mädchen, zur Liebe geboren, auf benützet die blühende
Zeit! [...]" im Griff hat, nur mit Masetto verlobt, mehr
ist für sie als Mitglied des dritten Standes nicht drin.
Es schmeichelt ihr natürlich, dass der Herr Giovanni sich
mit ihr abgibt. Fast verfällt sie dem dämonischen
Aristokraten. In der Nr. 12 - "[...] Schmäle, tobe, lieber
Junge [...]" wehrt sie sich gegen die Vorhaltungen ihres
Verlobten Masetto und in der Nr. 18 - "[...] Wenn du fein
artig bist[...]" - muss sie sich gerade ihm verpflichtet
fühlen, wurde ihm doch seelisch und körperlich stark
zugesetzt.
Erna Berger, Graziella Sciutti, Janette Scovotti, so aber
auch: Mirella Freni darf's in dieser Rolle sein.
Masetto
- ein sesshafter Bass, kämpft und ringt im wahrsten Sinne
des Wortes mit Giovanni um seine Braut Zerlina. Hier ist
in der Nr. 6 die Kraft des aufbegehrenden Underdogs, aber
auch die Grenze zur Resignation sehr nahe. Für ihn gilt
es, mit seinen Mitteln, die Braut bei sich zu halten - das
flatterhafte Wesen, das seine Möglichkeiten, bei Giovanni
zu landen, klar erkennt und doch bei Masetto, dem jungen
Bodenständigen bleibt, als sich einem an manchen
Körperstellen stark abgenutzten Casanova hinzugeben. Die
Nr. 6 ist mit "[...] Hab's verstanden, gnäd'ger Herr
[...]" eine kleine Möglichkeit, sich zu präsentieren. Man
bedenke, 1942 war diese Rolle an der Dresdener Oper mit
keinem geringeren als Gottlob Frick besetzt. Die nach ihm
benannte Gesellschaft, in der auch der hiesige
Theaterdirektor Ernö Weil nebst Gattin Mechthild
Gessendorf anwesend sind, gedenkt des großen Sängers Jahr
für Jahr.
Der Diener
Giovannis, Leporello, gesellschaftlich die untere
Klasse vertretend, will nach oben, "[...] ich will selbst
den Herren machen, mag nicht länger Diener sein [...]" und
bleibt dann doch was er ist, ein Bursche seines Herrn und
ist dieser letzte in die Hölle gefahren, sucht er sich
einen neuen 'Vorgesetzten'.
Er muss seine momentanen Vorteile sehen und mit dem
Frauenheld mitziehen, obwohl es ihm doch auch schwer
ankommt, immer wieder für seinen Herrn in die Bresche zu
springen, auch wenn er erkennt, "[...] seine tollen
Abenteuer werden mein Verderben sein [...]"
Die Rolle beinhaltet das Buffoneske, so in der Nr. 4
"[...] Schöne Donna, dies genaue Register [...]" oder das
Hektische, voller Unruhe, aber voller Farben für den
Sänger der Rolle in der Nr. 20 "[...] Ach, erbarmt euch,
liebe Herrn [...]" - Möglichkeiten für einen Bassbariton
vieles auszuspielen. Trotz allem, Leporello bleibt, wie
die Damen, allein. Keiner spielt mit ihm. Eine singuläre
Person, die nur für 'den Chef' lebt. Ein guter Büroleiter
wäre in einer ähnlichen Position - hintanzustehen, sich zu
sorgen, dass der Laden läuft. Und das gelingt ihm.
Walter Berry, Benno Kusche war Leporello, John Tomlinson,
Bryn Terfel - alles Kraftvolle, denen es keine Mühe
machte, ein Gegengewicht zum herrschaftlich, leichtfüßigen
Giovanni zu sein.
Der
Komtur - nur ein Schemen und doch eine wichtige Figur
im Zusammenhang. Ganz real im ersten Akt und im
Schlussbild nur ein Gedanke. Hier bleibt dem Zuschauer die
Möglichkeit, über die Fantasie, den Geist zu beschwören.
Matti Salminen ist ein Komtur von hohen Graden, Josef
Greindl war es, wie Gottlob Frick, Franz Crass.
Die
Titelrolle - das Nonplusultra für jeden Bariton.
Hormonell an sich schon ausgestattet mit knackiger,
körperlicher Männlichkeit - muss sich dies auch stimmlich
entfalten können. Cesare Siepi, Tito Gobbi Mathieu
Ahlersmeyer und Eberhard Wächter - und natürlich auch 'Fidi',
ein intellektueller Giovanni ?
In allem, so auch in seinen drei Arien, kann der
Rolleninterpret alles ausspielen, was ein Bariton an
verführerischem Schmelz und kraftvoller Attraktivität
'drauf' hat nach dem Motto "[...] mir ist, ich atme süßen
Weiberduft. [...]".
Die Nr. 11 - das rasante "Treibt der Champagner das Blut
erst im Kreise"
dokumentiert wie er mit der Fülle seiner Kraft mitten im
Leben, mitten unter den ihn umgebenden Menschen und vor
allem Frauen steht - außer Atem stürzt er mit den letzten
Melodienfetzen davon. Ein ausgereifter Cherubino.
Im Gegensatz hierzu, die Nr. 16 - das Ständchen "[...]
Horch auf den Klang der
Zitter [...]" - gibt es dem Sänger die Möglichkeit, in
voller Zartheit den Frauenverführer zu präsentieren. Die
zwei Seiten dieser Rolle.
In Nr. 17 - "[...] Ihr geht nach jener Seite hin [...]" -
kann beides gezeigt werden, das Beherrschen der übrigen
Figuren auf der Bühne durch markantes Auftreten wie auch
die Verschlagenheit, auch durch die Verkleidung deutlich
gemacht.
Inhaltlich trägt die Oper völlig zu recht den Titel 'Don
Giovanni'.
Die so genannte Champagner-Arie, Nr. 11 - das Ständchen,
das Duett mit Zerlina,
die Nr. 7 und die mit Leporello, die Nr. 14 wie die Nr. 22
und das Finale die Nr. 24 -
ja, und auch noch das Terzett, die Nr. 15
das alles fordert einen ausgewachsenen italienischen oder
Charakterbariton vor
allem in Auftreten, Erscheinung.
Gemessen daran haben gerade die InterpretenInnen der Donna
Anna, Donna Elvira, Don Ottavio sich großen sängerischen
Aufgaben - allein durch die Koloraturen in hohen Lagen -
zu stellen.
Und in Bezug auf Don Ottavio ergänzt die Musik-Dramaturgin
des Theaters Regensburg die Anfrage des beobachtenden
Abonnenten per E-Mail am 6.2.06:
"[...] es stimmt schon, dass "Il mio tesoro"
stimmvirtuoser ist. Weil aber so ein
Infekt den ganzen Körper schwächen kann, können die langen
Linien in "Dalla sua pace" fast tückischer sein, weil es
dabei einfach um Kraft geht. [...]"
Na bitte !
Theater Regensburg - Premiere 10.2.06
Don Giovanni |
Musikalisch gestaltete sich der Abend
des 19.2.06 in den meisten Fällen als grob, schnell, laut.
Einstudierte Tempi sind auch bei den Vorstellungen durchzuhalten und
nicht 'nach gusto' - wie schon beim 'Holländer' bemerkt - zu ändern,
kein Wunder, wenn dann eine/r ganz schnell mal hinterher hängt.
Tempi bei Rezitativen nachgiebiger. Die eigenen Möglichkeiten als
Dirigent und die der Sänger nutzen - es geht um die
Charakterisierung der Musik und der Figuren auf der Bühne.
Z.B. wird über die der Nr. 9 viel zu schnell hinweg gegangen - zu
wenig differenziert gestaltet, die Noten sind kaum aussingbar -
damit kommt das Staunen in den Worten und in der Musik überhaupt
nicht zur Geltung.
Das Geheimnis des Musikmachens liegt in Agogik und Dynamik.
Wenn sich keine Zeit genommen wird, wird alles in einer
Einheitlichkeit abgeliefert.
Phrasen sollten über 4 - 6 Takte hinweg gedacht werden, damit große
Bögen entstehen - auch eine Atempause ist kein Loch.
Gedanken, Entschlüsse aus dem Text für die Zuhörer erkennbar und im
Spiel sichtbar machen.
In Nr. 2 Donna Anna kraftvoll in aller Aufgeregtheit. Dass
Lyrische die Töne gerne anschleifen - das 'cercare la nota' gehört
nicht zu Mozart, allenfalls zu Puccini - ist bekannt, muss aber
nicht sein.
Übersteuern, wie in der ersten Anna-Szene, vermeiden - nicht mehr
Gas geben, als unbedingt notwendig.
Drücker sind Unarten, die bald vergessen sein könnten - sie spiegeln
eine Intensität vor, die falsch ist.
In der Nr. 23 wunderbar kopfige Zaubertöne - beste Voraussetzung für
den Richtigen, "wenn's einen gibt für mich auf dieser Welt".
Die Donna Elvira sollte nicht durch Breitziehen der
Mundpartie viele Möglichkeiten der Wirkung vernichten.
Leicht ansprechende Höhe, die im Timbre bleibt - dann auf keinen
Fall plärrig in der Tongebung werden, gerade wenn es aus der hohen
Lage in die Mittellage und weiter nach unten geht. Für einen guten
Registerausgleich sorgen.
Warum werden die Töne nicht überkuppelt ? Es klingt edler, runder,
es ist angenehmer für den Hörer und gesünder für die Stimme.
Beispiel hierfür ist die 21 b auf Seite 249 oberstes System - die
Phrase mit dem lockeren, offenes 'O' gesungen - klingt
europameisterlich.
Der Vokal 'a' ist schon problematisch, geschweige denn die Vokale
'e' oder 'i' - es hört sich kindlich / ordinär an.
Dass ein Don Giovanni in jeder Hinsicht Ausstrahlung haben
soll, dürfte auch dem Unbedarften klar sein. Regensburgs Giovanni am
19.2.06 hat eine außergewöhnlich schöne, weit tragende - wohl
tönende Stimme. Unverständlich, warum der Generalmusikdirektor das
vorgegebene Presto in ein prestisssimo assai umwandelt, dass der
Sänger die Töne in der Nr. 11 teilweise nur 'bellen', statt singen
kann.
Don Ottavio - der Liebevolle, Besorgte. Statt mit einem
sanften "Teure Geliebte ... erhole dich, erwache " - haut er ihr das
"consolati" .... "facore" um die Ohren, als sagte er auf gut hiesig:
"Jetzet hoab di net a so!" - er hat sie zu streicheln, nicht zu
ohrfeigen.
Ein kurzfristig die Rolle übernehmender Ottavio wird auch noch
dahinter kommen, wie er den Atem einzuteilen hat, "[...] dass er
nicht knappt [...]" (Seite 228 / 230), dass er in der Nr. 21 meint,
Heldentöne von sich geben zu müssen, sprengt den Rahmen. Es ist wie
immer, der Buffo will der Lyrische, der Lyrische ein Held sein.
Aber beim 'Matteo' kann er ja dann zulangen.
Und der Theaterdirektor Ernö Weil war zur Nr. 21 schon wieder aus
dem dritten Rang verschwunden. Nur für die ersten beiden Auftritte
DO stand er plötzlich oben am Olymp.
Zerlina, spielfreudig, sangesfroh - und gutes Aussehen
schadet auch nicht, um die Publikumsgunst zu erringen. Wenn diese
Zerlina sich dann auch noch in höchsten Lagen wohl fühlt, kann mit
einer souveränen Fiaker-Milli gerechnet werden.
Ihr Masetto, der junge Bauer, ist auch schon mal vom Aussehen
und der Gestaltung der Rolle in sängerischer Hinsicht eher der Sohn
eines Großgrundbesitzers, der sich kaum von Giovanni verprügeln
lässt.
Aber so geht es nun mal an kleinen Theatern, dass ein Sarastro nicht
die Hauptrolle übernehmen kann. Viele Große waren und sind sich
nicht zu schade, einer kleinen Partie Bedeutung zu geben.
Leporello, kein molliger Sancho Pansa, sondern ein groß
gewachsener, Wohlproportionierter - den Giovanni an Länge und
Körperlichkeit überragend, hat die Rolle schon gesungen und ist
dadurch sicher. Dass die vorgegebenen Tempi ihm gelegentlich Mühe
bereiten, nachzukommen, liegt wohl an den oben schon geschilderten
'dirigistischen' Gegebenheiten.
Es fehlt aus dem Graben nur noch der Zeigefinger Richtung Frackweste
"Ich bin es, der das Tempo bestimmt!!!"
Der Komptur kann Gänsehäute hervorrufen, wenn die stimmlichen
Mittel vorhanden sind.
Das Mitlesen des Klavierauszuges ist der Grund, warum an dieser
Stelle noch nicht auf die szenische Realisation eingegangen wird.
Hierfür ist ein weiterer Besuch des 'Don Giovanni' notwendig.
Niemand kann hören und in die Noten schauen und gleichzeitig das
Geschehen auf der Bühne aufnehmen.
So kann ein Theater leicht gefüllt werden, wenn mehrere Personen,
mehrere Male eine Produktion besuchen.
DH
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