Theater Regensburg

04.05.06

  
'Tischlrücken'

Gian Carlo Menotti:

'Das Medium'

 

   
 

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Regensburg - Theater am Haidplatz


Im Jahre 1940 drehte Heinz Helbig in den Bavaria Studios München-Geiselgasteig den Film 'Der Herr im Haus'.
Fritz Odemar - der Vater des ZDF-Kommissars Eric Ode - spielte das Medium Menarek, ein Hochstapler, der auf seinen eigenen Vorteil bedacht, unbescholtene Bürger mittels Séancen um ihr Geld brachte.
Er gaukelte während der Sitzungen Stimmen vor, die angeblich aus dem Jenseits kamen.
Diesem Einfluss unterlag Kammersänger Wolfram Schellenberg, der dem Menarek Geld zukommen ließ.
Der Schwindel flog auf, der Herr Kammersänger bekam sein Geld zurück - ohne dass es Tote gab.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass heute sehr viele junge Leute Gespräche über religiöse Dinge für unwichtig erachten, um so mehr wenden sie sich dem Okkultismus zu.
Wissenschaftler sprechen bereits von einer Esoterisierung der Bevölkerung vornehmlich der Jugendlichen. Kaum jemand von ihnen hat sich nicht schon mit Übersinnlichem wie 'Tischlrücken', Pendeln beschäftigt.

Groß im Geschäft sind bei den Privat-TV-Sendern die Kartenlegerinnen, die per Telefon und für jedermann in der Sendung sichtbar, Ratschläge geben. Was dabei herauskommt, ist Abzocke, denn Scharlatanerie ist die Basis des Geschäfts.

Das Aufkommen des Okkultismus, als einem Teilbereich der Esoterik, eine Lehre, die
sowohl Wissenschaft als auch traditionelle Religionen als zu beschränkt ansehen, um die Welt vollständig zu erklären, kann bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts gesehen werden.
Okkulte Vereinigungen wie die
Theosophische Gesellschaft mit dem Thema 'Blick und Kontakt zum Jenseits', aber auch die anthroposophische Festlegungen des Rudolf Steiner entstanden in dieser Zeit. Siegmund Freud (1856 - 1939), Begründer der Psychoanalyse und Religionskritiker, beschrieb die Verbindungen der Seele mit dem menschlichen Geist, grenzte allerdings zum Okkultismus ab und bezeichnete diesen als Aberglauben.

Gian Carlo Menotti lebte gerade in der Zeit der späten 20er Jahre in Österreich in einer großbürgerlich-snobistischen Welt, während seines Kompositions-Studiums. Er machte Erfahrungen bei Séancen, die er in St. Wolfgang miterlebte und beschrieb "[...] Obwohl ich nichts Ungewöhnliches wahrnehmen konnte, wurde mir nach und nach klar, dass meine Gäste, in dem leidenschaftlichen Wunsch zu glauben, ihre tote Tochter Dodley [...] tatsächlich sahen und hörten. [...]"

Diese Begebenheit war auch der Auslöser für das Werk, 'Das Medium', das 1946 in New York uraufgeführt wurde. Menotti hatte bereits 1936 in Österreich mit der Komposition seines ersten Werkes: 'Amelia geht zum Ball' begonnen, die er 1937 am Curtis Institut in Philadelphia abschloss. Dieses Konservatorium, deren Gründerin Mary Louise Curtiss war, erhielt 1940 'Briefe von Richard Wagner', die sie Mary Burell abkaufte, eben die so genannte 'Burell Sammlung' als Geschenk.

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'Das Medium' Theater-RBG

Bei dieser Produktion gibt Regensburgs Theaterdirektor Ernö Weil einem jungen Team die Möglichkeit, sich auszuprobieren - und das Ergebnis lässt sich sehen. Doris Buske inszeniert das Werk auf der engen Haidplatz-Bühne. Diese Fokussierung hat den Vorteil: nichts zerfranst, alles bleibt im Blickwinkel des Publikums.
Aber:
haben dann die Zuschauer die Protagonisten direkt vor sich, kann ein intensives Spiel so unmittelbar aufgenommen, befremdend wirken, sich belastend auswirken und in der Reaktion des Publikums niederschlagen.

Frau Buske setzt das Werk in adäquate Aktionen um - schielt nicht nach Mussbach, Konwitschny oder Hilsdorf.

Die Sänger folgen ihren Intentionen, erspielen sich und dem Publikum die Vorgaben des Autors in sinnvoll gestaltetem Bühnenbild und Kostümen von Sascha Gratza, die im Licht von Wanja Ostrower den Rahmen für das Elend einer ihrem eigenen Hokuspokus Verfallenen abgeben.

Silvia Fichtl, als Baba, in dieser Spielzeit die Exaltation in Person, schon Mary oder Adelaide. Die Möglichkeiten für eine tragende Rolle einer Altistin sind stark eingeschränkt.
So nutzt sie die Gunst der Stunde, schlägt stimmlich zu und darstellerisch um sich.

Gesche Geier - wie ein Schmalreh - die Monica, die dem stummen Toby ein wenig die Liebe erklärt. Schon bei der Zdenka fiel auf, dass die Stimme eine Entwicklung zeigt, die auf starke Belastung hindeutet. Das natürliche Vibrato beginnt, einem Tremolo zu weichen.

Maximilian Marufke spielt den pubertierenden Knaben - wie sie halt so sind - eckig und verklemmt. Viele haben als Butterfly- oder Wozzeck-Marie-Kind angefangen.

Das der Wahrsagerin geradezu verfallene Ehepaar Gobineau wird von Melanie Schneider und dem für Yin-Ho Yo eingesprungenen Young-Wook Kim überzeugend verkörpert.
Das Entsetzen, die Baba werde keine Seancen mehr abhalten, nimmt ihnen den festen Lebens-Rahmen.

Mirna Ores als Mrs. Nolan - neu in diesem Kreis - muss sich auch in das Ausfallen der spiritistischen Zusammenkünften fügen, ihr waren 'die Kontakte' zur toten Tochter von Anfang an suspekt.

Jari Hiekkapelto dirigierte das seitlich positionierte Orchester unter für alle erschwerten Bedingungen.

Das Publikum dankte herzlich für die beklemmende Sitzung. Allerdings war beim Applaus nicht feststellbar, wer sich da von den Schwarzen verbeugte.
Vielleicht sollte man dem Abhilfe schaffen, dass nicht die begleitende Dramaturgin evtl. Buhrufe - die Inszenatoren meinend - abbekommt.
Begeisterungsakklamationen landen unter Umständen beim Licht, obwohl das Bühnenbild gemeint ist.

Erfahrungen durfte der Interessierte, so bei der Produktion 'Bajazzo/Cavalleria', am Theater Regensburg sammeln und Absprachen für den Schlussapplaus im Rang mithören:

"Gib halt Obacht, erscht kummt dera Chordirektor - bei dem no net, dann kummt dera Dirigent - bei dem a no net - ober glei - jetzt, do san's die boaden Weiber - Regie und Bühne - jetzat konnst schreia: Buh, buh !"

Nicht immer gibt es solche Einflüsterer für den Applaus:
Kommen alle Schwarzen gleichzeitig raus, fragt sich das Publikum: "Who is who ?"

Sinnvoll wären da große Namensschilder, so wie bei Nummerngirls.
Der Anblick dieser nähme auch jeder soeben vorgestellten Tragödie die Spitze.
 


Die Personen und ihre Darsteller,
der am 04. Mai 2006 besuchten Vorstellung


 
Madame Flora, genannt Baba Silvia Fichtl -
Monica, ihre Tochter Gesche Geier -
Mrs. Gobineau Melanie Schneider -
Mr. Gobineau Young-Wook Kim -
Mrs. Nolan Mirna Ores -
Der stumme Toby Maximilian Marufke -
   
Regie Doris Buske
Musikalische Leitung Jari Hiekkapelto
Bühne und Kostüme Sascha Gratza
Dramaturgie Christina Schmidt
   

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Als Premieren-Abonnent Theater Regensburg und Abnehmer von Karten aus dem freien Verkauf veröffentliche ich auf dieser privaten Homepage meine Meinung.
Ich
verstehe die Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthalten die Texte auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
In die Texte baue ich gelegentlich Fehler ein, um Kommentare herauszufordern.
Dieter Hansing

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