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'Ich kann es nicht fassen, nicht glauben, dass sie die Lulu sein
soll' -
so dachte sich der Beobachter, sah und hörte er Gesche Geier
als Anna Elisa in 'Paganini'. Tut man ihr mit der Lulu
wirklich einen Gefallen? Es wird sich bäldlich weisen.
Die musikalischen Proben laufen schon - Frau Geier's Ferien werden
von 'Lulu' überschattet sein - die szenischen beginnen im Oktober -
viel Zeit ist für dieses schwierige Stück bis März 2007 dann nicht.
Aber, was soll's, der Herr Theaterdirektor inszeniert ja selber.
Frau Geier ist eine elegante Fürstin von Lucca - eine hohe, schlanke
Gestalt - im spärlichen Bühnenbild dieser Inszenierung. Mit einem
natürlichen Selbstbewusstsein bewegt sie sich auf der Szene. Beim
Auftrittslied "Mein lieber Freund, ich halte viel auf Etikette", dem
"So ein Mann ist eine Sünde wert" - hier klappert es gleich zwischen
Graben und Bühne gefährlich, wie auch beim "Liebe, du Himmel
auf Erden" - kann sie ihre Möglichkeiten, die Stimme bleibt bis in
die hohen Lagen im Timbre, vorzeigen - allerdings ist - da sie aus
dem Vollen schöpfen kann und es tut - auch die Beanspruchung der
Stimme aus früheren Zeiten zu hören.
Niccolo
Paganini - an diesem Abend Kalle Koiso-Kanttila - nach 'Ottavio'
und 'Matteo' und 'Petrus' - nun zu seiner eigenen 'Befreiung' in
einer Operetten-Rolle - "wer Lehár singen kann, kann auch Puccini
singen" - sagt eine, die's weiß.
Die Stimme relativ massiv - die Nr. 21 im 'Giovanni' in der nächsten
Spielzeit wird zeigen, ob er in den Ferien Koloraturen geübt hat und
auch weiter 'dran' ist, solange die Stimme locker bleiben soll.
Sein "Schönes Italien" litt an der musikalischen Begleitung durch
das Orchester unter seinem Leiter - einem Griechen ("... die
Griechen sind Heiden ....." - die Textstelle von Oscar Wilde in
seiner 'Salome' mit seiner Definition dieses Volksstammens geht
weiter, man lese bei Reclam nach) - irgendwie war man selten
zusammen und das hinderte SängerInnen schon.
Aber ganz wacker kam der Tenore drüber - das "spiele mir auf" -
hielt er dann länger als das Orchester spielte - bemerkenswert die
Nicht-Übereinkunft mit Georgios Vranos. Finale 1 wie auch Duett
"Deinen süßen Rosenmund" und der Tauber-Hit "Gern hab' ich die
Frau'n geküsst" - vorführbar, aber irgendwie wirkte er noch immer
gehemmt, verglichen mit Charles Hens und Michael Suttner, die auch
in Regensburg 'Paganini' waren und die Rolle doch souveräner
ausspielten. Vor allem Herr Suttner, der auch noch mit dem Publikum
spielte.
Auch etwas bemüht, Herrn Kantilla's textliche Ausgestaltung - aber
sprechen wir mal finnisch - immerhin befleißigte er sich einer guten
Artikulation mit deutlichen Endkonsonanten. Es fiel auf wie z.B. bei
"Paganini spielt nur dor-'t' - wo er willkommen is-'t'- Ich gehe
nach Floren-'z'-" - allerdings hing er hier noch ein -'t'- dran, das
von der Partnerin mit einen erstaunten "Oh" bedacht wurde.
Nett, so etwas zu beobachten.
Melanie Schneider
als Bella Giretti füllte mit höchsten Tönen so lange und deutlich im
außertextlichen Gezwitscher und Gejuchze, dass der Griff eines
Impresarios zur Flasche verständlich ist. Vorteil dieser Einbringung
allerdings: sie überdeckte Löcher in den Abläufen, wenn sie aus der
Kulisse oder der Gasse sich schon hören ließ.
Karsten Münster als Pimpinelli mühte sich, Tempo in diesen
Abend zu bringen. "Niemals habe ich mich interessiert für Kunst und
Literatur" - hing gleich wieder musikalisch in der Luft, das
Orchester spielte da, wo der Sänger nicht sang. Gleiches galt für
die Duett-Passage Giretti/Pimpinelli "Mit den Frau'n auf du und du."
Auch wieder deutlich das Auseinander bei: "Darf ich sie zu Tische
führen" - jeder machte was er wollte. Völlig uneben die musikalische
Ausgestaltung des Abends.
Dass Herr Münster wie auch Frau Schneider die Register ihres
komödiantischen Talents zogen, ist akzeptiert, aber er sollte sich
doch mal etwas anderes einfallen lassen, als die nun schon
hinlänglich bekannten Bewegungsabläufe. Es wundert, dass er nicht
als Richter im 'Ballo' ebenso mit den Beinen 'turned' und 'swingt'.
Nahe dran ist er da schon.
"Was muss ich hören!
Welch ein Sang!" - Jin-Ho Yoo als Fürst Felice, nicht nur,
dass er abscheulich zurechtgemacht war (Kaiser Franz Josef war eine
Schönheit - auch noch als Greis - gegen diese bemalte Mumie)
außerdem 'mulmte' er gesanglich, dass die Stimme gar nicht
eingeschätzt werden konnte.
"Wer ist dieser Herr -'e" - diese schreckliche Angewohnheit auch bei
ihm, an die Endsilben noch ein -'e'- oder m-'ne'- zu hängen.
Also leider indiskutabel.
Nach ca. 50 Minuten,
nach dem ersten Akt, die große Pause - und danach weiteren
eineinhalb Stunden Laufzeit, was sich bis nach 22 Uhr hinzog.
Es ist unverständlich, wie ein deutlich längerer zweiter Teil einer
solchen Produktion dem Publikum geboten werden kann - gegen allen
Usus und gegen alle Vernunft.
Zwischendrin noch die Umbaupause - die einige Besucher nutzen, das
Weite zu suchen. Herr Vranos diskutierte währenddessen mit dem
Orchesters lauthals. Man war sich vielleicht über die Höhe des
Kammertons nicht einig.
Aber für organisatorischen Dinge gibt es ja Regisseure und vor allem
spezielle Direktoren, die sich in allen Angelegenheiten des Theaters
so fabelhaft auskennen und die Richtung vorgeben.
Und das in Regensburg bis 2012.
Das Publikum merkte
die Schwierigkeiten - kein Georg Schießl, kein Karsten
Münster konnten mit ihren Textverbindungen auf Lokales, die Leute
aus den Sesseln heben. Man saß auf den Händen.
Hätte da nicht ein Mitleidender im Rang gesessen, der die Initiative
ergriff und Szenen-Applause einleitete - der Abend wäre verkleckert.
Der Schlussbeifall war dann herzlich - die Hände waren warm,
wussten, wie sie sich aufeinander zuzubewegen hatten, um das
allseits beliebte Geräusch hervorzurufen.
Die Besucher waren wach geworden.
Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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