Theater Regensburg

  
  18.11.07

      'Tod eines Handlungsreisenden'
   
 Schauspiel von Arthur Miller
   
Einführungsvortrag durch Rolf Ronzier
 
      
     "Wer die Wahrheit nicht kennt, ist ein Dummkopf.
     Wer die Wahrheit kennt und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher." 
(Brecht)

    
 
 

 
 

 
 

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Ankündigung Theater Regensburg

Tod eines Handlungsreisenden

Schauspiel von Arthur Miller (1915-2005)

I
nszenierung: Michael Bleiziffer
Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier

Nach „Hexenjagd“ zeigen wir ein weiteres bedeutendes Drama von Arthur Miller. Es geht in diesem sehr aktuellen Theaterklassiker um die Frage, wieviel der Mensch noch wert ist in einer Gesellschaft, in der nur materieller Gewinn zählt und die Scheiternden keinen Platz mehr haben. Hat der Mensch noch eine Würde jenseits der Leistungsideologie?
Der Vertreter Willy Loman träumt den amerikanischen Traum, dass großer Fleiß zu großem Erfolg führt. Sein Leben lang hat der typische Selfmademan für die Familie gearbeitet, hat sich aufgerieben für seinen Job, hat darum gekämpft, ganz oben zu stehen – und konnte kaum die Raten für sein Haus zahlen. All seine Hoffnungen und Wünsche verlagerte er auf seine Söhne Biff und Happy, mit denen er Großes vorhatte: Sie sollten das erreichen, was er nicht geschafft hat. Doch beide halten den ehrgeizigen Erwartungen des Vaters nicht stand, versagen unter dem Erfolgsdruck. Biff, einst umschwärmter Sport-Star seiner Schule, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Happy interessiert sich mehr für leichte Mädchen als für die Karriere.
Willy Loman fühlt sich nach einem aufreibenden Berufsleben ausgebrannt und verbraucht. Der „American way of life“ wird für ihn zur Sackgasse. Weil er nicht mehr genügend Profit erwirtschaftet, wird er entlassen. Trotzdem hält er an seinen Illusionen fest, verklärt die eigene Vergangenheit, flüchtet in Tagträume und malt sich eine rosige Zukunft aus. In grotesk-tragischer Verblendung versucht er, wenigstens den Schein bürgerlichen Glücks zu bewahren.
Doch Biff konfrontiert seinen Vater schließlich schonungslos mit dessen jahrelangem Selbstbetrug. Das kunstvolle Geflecht aus Lebensträumen und Lebenslügen des Handlungsreisenden Willy Loman zerreißt. Die Katastrophe ist unvermeidlich. Sein letztes Geschäft macht Loman mit dem eigenen Tod.

Besetzung      
Willy Loman Martin Hofer    
Linda Silvia Rhode    
Biff Steffen Casimir Roczek    
Happy Roman Blumenschein    
Bernard Jochen Paletschek    
Die Frau Anna Dörnte    
Charley Michael Heuberger    
Onkel Ben Heinz Müller    
Howard Wagner Michael Haake    
Miss Forsythe Anna Dörnte    
Mädchen N.N.    
Stanley N.N.
   
Stand 19.10.07  
   

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Anlässlich der Matinee zum 'Tod eines Handlungsreisenden' entlockte Rolf Ronzier, der qualifiziert und flüssig vortragende Dramaturg - er ergeht sich nicht in Schwafeleien und Ablenkungsmanövern wie gar Manche das so oft an sich haben - dem regieführenden Oberspielleiter Schauspiel Erinnerungen an seine vor 12 Jahren am Theater Regensburg herausgekommene Inszenierung des Miller'schen Werkes

Er, Michael Bleiziffer, erkenne weniger konkrete szenische Situationen, sehe eher nur Atmosphärisches - so also wenig, wenn es um die damalige Regie gehe.
Es seien ja auch einige Jahre der eigenen Entwicklung - sowohl als Mensch als auch als Regisseur - vergangen.
Der damalige Erfolg der Produktion erzeuge keine Furcht bei ihm in Bezug auf die Neuausgabe des Werkes.
Erfolg beim Theater sei etwas sehr Vergängliches - wenn er einen Stall in seinem Garten baue, sei das dagegen etwas Handfestes und man könne es nach 10 oder 15 Jahren noch anschauen.

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Für Arthur Miller habe das Drama immer die Funktion, etwas bewusst zu machen, er habe seine Stücke in dem Glauben geschrieben, dass diese eine bekannte aber nicht erkannte Wahrheit enthüllen würden.
Als Miller das Stück 1949 uraufführen ließ, wollte er eine gesellschaftliche Entwicklung erkennbar machen - die man zwar sah, über die aber noch nicht gesprochen wurde.
Die Geschichte eines nur auf Erfolg ausgerichteten Lebens.
Millers Handlungsreisender zeigt das Leben eines Durchschnittsbürgers, der gesellschaftlichen Vorgagen hinterherlaufe und an den sozialen Gegebenheiten zerbreche.

Der damalige Fortschrittsoptimismus habe in der Zeit in den USA, als das Stück geschrieben wurde, begonnen zu bröckeln: Der Börsenkrach von 1929 und die folgende Depression brachten Intellektuelle dazu den Kapitalismus massiv in Frage zu stellen und die Kritik an der Wohlstandsgesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg habe sich Miller immer bewahrt.

Eigene Erlebnisse würden z.B. in den Handlungsreisenden eingewoben, der Vater, ein Mantelfabrikant musste sein Geschäft aufgeben, erholte sich aber nie von dieser Pleite, bezog die Schwierigkeiten auf sich, sah sich als Versager und bracht sie nicht in Verbindung mit der wirtschaftlichen Gesamtsituation.
Miller kritisiere dieses hilflose Versagen des Vaters zwar, erkannte aber, dass Menschen äußeren Prozessen ausgesetzt seien, die sie direkt nicht beeinflussen könnten und dadurch in der Massengesellschaft verloren seien.

Vorbilder für die Figur des Willy Lomann sei einerseits eben der eigene Vater und der Onkel, wie auch ein Mann, den er anlässlich der Produktion seines Stückes 'All My Sons' am Ausgang des Bostoner Theaters sah. Dieser habe den obligaten Regenmantel eines Handelsvertreters getragen und er habe Miller vorgelogen, sein Sohn bereite gerade ein großes Geschäft vor.
Lügen bzw. Selbstbetrug sei in diesen Zeiten 'in' gewesen. So sah Miller sich hier als Zeuge einer Lebenskatastrophe und habe unmittelbar daraufhin mit der Skizzierung des Handlungsreisen begonnen.

Millers Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen habe sich auf das Umgehen der Menschen mit diesen Lebensumständen bezogen. Er kritisierte nicht einfach die soziale Situation, sondern falsche Ideale, Selbsttäuschung und Anpassung der Menschen an gesellschaftliche Erwartungen und falsch gesteckte Ziele.
Man könne nicht über einen Menschen sprechen, ohne auch die Welt zu sehen, in der er lebe - Mensch und Gesellschaft gehörten zusammen, sie seien eine Einheit und nicht voneinander getrennt zu betrachten.
Für Regisseur Bleiziffer sei das Stück eine Verstrickung des einzelnen Menschen in seine Lebenssituationen mit den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umständen - damals wie heute.

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Problematisch werde es, wenn Menschen diesen gesellschaftlichen Vorgaben folgten und in das Schema des 'Erfolg-haben-müssens' eintauchten, sich damit identifizierten und nicht mehr aus diesem herauskämen.
Willy Loman meine, schon beliebt zu sein sei der Schlüssel zum Erfolg. Er könne sein Auto in jeder Straße abstellen und die Polizisten bewachten es wie deren eigenes - er flieht so in die Fantasie und in die Illusion, auch in die Erinnerung, in die Zeit, als er Erfolg hatte und gutes Geld verdiente.

Loman projiziere sein Erfolgstreben auf seine Söhne, besonders unter dem Aspekt, dass er sich selber den Traum vom großen Businessman durch Beliebtheit, Tüchtigkeit, Fleiß, Durchsetzungsvermögen nicht erfüllen konnte und kann.
Wie der Vater von Arthur Miller glaube Loman nur er sei Schuld am Versagen im Geschäftsleben - damit lege er aber bereits das Fundament für deren ebensolches Scheitern, die er zu allem Unglück auch noch falsch einschätze.

Charakterisierungen verstecke Miller in Regieanweisungen - Biff, der eine Sohn, ein guter Sportler, schreibe schlechte Arbeiten in der Schule, er folge dem Vater auf einer Reise, um ihn zu bitten, mit dem Lehrer zu sprechen, dass er die Schule weiter besuchen könne, entdecke den Vater bei einem Seitensprung, dies erschüttere sein Vertrauen in den Vater, er begehe daraufhin Diebstähle, fliege deswegen immer wieder aus den Anstellungen.

Trotz der Achtungseinbuße in Bezug auf den Vater versuche er diesem den übersteigerten Erfolgsdruck auszureden und ihn aus den Träumen herauszureißen. Er erkenne den überzogenen, falschen Ehrgeiz als Gefahr für die Menschen und überwinde auch die Erfolgsträume vom Vater aufgezwungen, gestehe sich eine eigene Durchschnittlichkeit ein.

Insofern durchlaufe die Figur eine Entwicklung während des Stückes: er habe es nie zu etwas gebracht, weil der Vater ihm den Größenwahn eingeredet habe bzw. er sei eine Dreigroschenexistenz. Die Reaktion des Vaters auf diesen Ausbruch des Sohnes: 'Biff werde mal etwas ganz großes sein' - auch da noch Uneinsichtigkeit bei Loman.

Sohn Happy sei der kleine Angestellte, nicht das was der Vater sich vorstelle, er sei oberflächlich und labil, könne es gut mit dem weiblichen Geschlecht und begebe sich hier in den Wettbewerb, Frauen zu geradezu zu sammeln.

Linda Loman der positivste, aber auch tragischste Charakter im Stück sei zwar einigermaßen realistisch in ihrer Lebenseinstellung, merke aber dennoch nicht, was ihren Mann zerstöre.
Sie wolle es allen recht machen, meine Lomans Launen akzeptieren zu müssen, sie habe Gemüt und unterdrücke standhaft ihre Erregung über Lomans Verhalten, sie liebe ihn nicht nur, mehr noch, sie bewundere ihn.
Sie teile Lomans Sehnsüchte, ihr fehlten die Möglichkeiten, sie auszudrücken und den Vorstellungen zu folgen.
Linda wolle zurück in die Zeit, wie es einmal war - es sei schwierig, aber es sei schön gewesen. Nun, da alles anders geworden sei, verliere sie die Orientierung, unter den gegebenen Umständen nach vorne zu blicken und sehe nur hinter sich in die Vergangenheit.
Die Ursache für das ganze Dilemma könne sie nicht ausmachen.
 

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Lomans Bruder Ben, der es durch rigoroses Handeln im Geschäftsleben geschafft habe, erscheine nur in den Traumsequenzen. Den Selbstmord zur Auszahlung der Lebensversicherung, das einzige, was Loman für seine Familie noch tun könne, bespreche er mit seinem Bruder.

Charley und Sohn Bernhard - vom Vater nicht dressiert - seien Männer der Tat, ohne große Reden zu schwingen, seien sie aber bei allem Erfolg doch menschlich geblieben.

Skrupellos und an seinen Mitarbeitern uninteressiert, der Howard Wagner, Chef von Loman, ihn interessiere ein Tonbandgerät mehr als das Schicksal seines alternden Verkäufers.

Das Auffälligste an dem Stück sei die Vermischung von Illusion und Realität, das Spannungsverhältnis zwischen Traum und Wirklichkeit.

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Das Bühnenbild solle keinen Wohnküchenrealismus widerspiegeln, gehe es doch darum, Möglichkeiten zu schaffen, Realität und Traum mehr oder weniger gleichzeitig, zumindest aber in schnellem Wechsel, darstellen zu können.
Die Theatertradition Millers sei eine andere gewesen, als man heute das Stück spielen zu können, um zu vermeiden, jede Produktion des Handlungsreisenden gleiche sich der folgenden.

Bühnenbildner Sellmaier meinte, es gehe darum, Räume für Zeitstränge, Zeittunnel, Stege auf die Bühne zu bringen, so dass der Zuschauer sich fließend ohne harte Schnitte seine eigenen Eindrücke schaffen könne.

Er, Sellmaier, scheue sich, plakative Eindrücke dem Publikum darzustellen - so und nur
so könne das Bild sein und das habe es zu zeigen.
Ihm gehe es, Hinweise zu geben, um die Phantasie des Zuschauers anzuregen.
 

Als Premieren-Abonnent Theater Regensburg und Abnehmer von Karten aus dem freien Verkauf
veröffentliche ich auf dieser privaten Homepage meine Meinung.
Ich
verstehe die Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthalten die Texte auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
In die Texte baue ich gelegentlich Fehler ein, um Kommentare herauszufordern.
Dieter Hansing

 

 


 


 


 

 

 



 

 



 

 



 

 

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