Schauspiel von Arthur Miller (1915-2005)
Inszenierung: Michael Bleiziffer
Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier
Nach „Hexenjagd“ zeigen wir ein weiteres bedeutendes Drama von Arthur Miller. Es geht in diesem sehr aktuellen Theaterklassiker um die Frage, wieviel der Mensch noch wert ist in einer Gesellschaft, in der nur materieller Gewinn zählt und die Scheiternden keinen Platz mehr haben. Hat der Mensch noch eine Würde jenseits der Leistungsideologie?
Der Vertreter Willy Loman träumt den amerikanischen Traum, dass großer Fleiß zu großem Erfolg führt. Sein Leben lang hat der typische Selfmademan für die Familie gearbeitet, hat sich aufgerieben für seinen Job, hat darum gekämpft, ganz oben zu stehen – und konnte kaum die Raten für sein Haus zahlen. All seine Hoffnungen und Wünsche verlagerte er auf seine Söhne Biff und Happy, mit denen er Großes vorhatte: Sie sollten das erreichen, was er nicht geschafft hat. Doch beide halten den ehrgeizigen Erwartungen des Vaters nicht stand, versagen unter dem Erfolgsdruck. Biff, einst umschwärmter Sport-Star seiner Schule, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Happy interessiert sich mehr für leichte Mädchen als für die Karriere.
Willy Loman fühlt sich nach einem aufreibenden Berufsleben ausgebrannt und verbraucht. Der „American way of life“ wird für ihn zur Sackgasse. Weil er nicht mehr genügend Profit erwirtschaftet, wird er entlassen. Trotzdem hält er an seinen Illusionen fest, verklärt die eigene Vergangenheit, flüchtet in Tagträume und malt sich eine rosige Zukunft aus. In grotesk-tragischer Verblendung versucht er, wenigstens den Schein bürgerlichen Glücks zu bewahren.
Doch Biff konfrontiert seinen Vater schließlich schonungslos mit dessen jahrelangem Selbstbetrug. Das kunstvolle Geflecht aus Lebensträumen und Lebenslügen des Handlungsreisenden Willy Loman zerreißt. Die Katastrophe ist unvermeidlich. Sein letztes Geschäft macht Loman mit dem eigenen Tod.
Besetzung
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Willy Loman |
Martin Hofer |
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Linda |
Silvia Rhode |
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Biff |
Steffen Casimir Roczek |
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Happy |
Roman Blumenschein |
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Bernard |
Jochen Paletschek |
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Die Frau |
Anna Dörnte |
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Charley |
Michael Heuberger |
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Onkel Ben |
Heinz Müller |
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Howard Wagner |
Michael Haake |
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Miss Forsythe |
Anna Dörnte |
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Mädchen |
N.N. |
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Stanley |
N.N. |
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Stand 19.10.07 |
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Anlässlich der
Matinee zum 'Tod
eines
Handlungsreisenden'
entlockte Rolf
Ronzier, der
qualifiziert und
flüssig
vortragende
Dramaturg - er
ergeht sich
nicht in
Schwafeleien und
Ablenkungsmanövern
wie gar Manche
das so oft an
sich haben - dem
regieführenden
Oberspielleiter
Schauspiel
Erinnerungen an
seine vor 12
Jahren am
Theater
Regensburg
herausgekommene
Inszenierung des
Miller'schen
Werkes
Er, Michael
Bleiziffer,
erkenne weniger
konkrete
szenische
Situationen,
sehe eher nur Atmosphärisches
- so also wenig, wenn es um die
damalige Regie
gehe.
Es seien ja auch
einige Jahre der
eigenen
Entwicklung -
sowohl als
Mensch als auch
als Regisseur -
vergangen.
Der damalige
Erfolg der
Produktion
erzeuge keine
Furcht bei ihm in
Bezug auf die
Neuausgabe des
Werkes.
Erfolg beim
Theater sei
etwas sehr
Vergängliches -
wenn er einen
Stall in seinem
Garten baue, sei
das dagegen
etwas Handfestes
und man könne es
nach 10 oder 15
Jahren noch
anschauen.
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Für Arthur
Miller habe das
Drama immer die
Funktion,
etwas bewusst zu
machen, er habe
seine Stücke in
dem Glauben
geschrieben,
dass diese eine
bekannte aber
nicht erkannte
Wahrheit
enthüllen
würden.
Als Miller das
Stück 1949
uraufführen ließ,
wollte er eine
gesellschaftliche
Entwicklung
erkennbar machen
- die man zwar
sah, über die
aber noch nicht
gesprochen
wurde.
Die
Geschichte eines
nur auf Erfolg
ausgerichteten
Lebens.
Millers
Handlungsreisender
zeigt das Leben
eines
Durchschnittsbürgers,
der
gesellschaftlichen
Vorgagen
hinterherlaufe
und an den
sozialen
Gegebenheiten
zerbreche.
Der damalige
Fortschrittsoptimismus habe in der
Zeit in den USA, als das
Stück
geschrieben
wurde, begonnen zu
bröckeln: Der
Börsenkrach von
1929 und die
folgende
Depression
brachten
Intellektuelle
dazu den
Kapitalismus
massiv in Frage
zu stellen und
die Kritik
an der Wohlstandsgesellschaft
nach dem zweiten
Weltkrieg habe
sich Miller
immer bewahrt.
Eigene
Erlebnisse
würden z.B. in
den
Handlungsreisenden
eingewoben, der
Vater, ein
Mantelfabrikant
musste sein
Geschäft
aufgeben,
erholte sich
aber nie von
dieser Pleite,
bezog die
Schwierigkeiten
auf sich, sah
sich als
Versager und
bracht sie nicht
in Verbindung
mit der
wirtschaftlichen
Gesamtsituation.
Miller
kritisiere
dieses hilflose
Versagen des
Vaters zwar,
erkannte aber,
dass Menschen
äußeren
Prozessen
ausgesetzt seien,
die sie direkt
nicht
beeinflussen
könnten und
dadurch in der
Massengesellschaft
verloren seien.
Vorbilder für
die Figur des
Willy Lomann sei einerseits
eben der eigene
Vater und der
Onkel, wie auch
ein Mann, den er
anlässlich der
Produktion
seines Stückes
'All My Sons'
am Ausgang des
Bostoner
Theaters sah.
Dieser habe den
obligaten
Regenmantel
eines
Handelsvertreters
getragen und er
habe Miller
vorgelogen, sein
Sohn bereite
gerade ein
großes Geschäft
vor.
Lügen bzw.
Selbstbetrug sei in diesen
Zeiten 'in'
gewesen. So sah
Miller sich hier
als Zeuge einer
Lebenskatastrophe
und habe
unmittelbar
daraufhin mit
der Skizzierung
des
Handlungsreisen
begonnen.
Millers Kritik
an den
gesellschaftlichen
Zuständen habe sich auf das
Umgehen der
Menschen mit
diesen
Lebensumständen
bezogen.
Er kritisierte
nicht einfach
die soziale
Situation,
sondern falsche
Ideale,
Selbsttäuschung
und Anpassung
der Menschen an
gesellschaftliche
Erwartungen und
falsch gesteckte
Ziele.
Man könne nicht
über einen
Menschen
sprechen, ohne
auch die Welt zu
sehen, in der er
lebe - Mensch
und Gesellschaft
gehörten
zusammen, sie
seien eine
Einheit und
nicht
voneinander
getrennt zu
betrachten.
Für Regisseur
Bleiziffer sei
das Stück eine
Verstrickung des
einzelnen
Menschen in
seine
Lebenssituationen
mit den
gesellschaftlichen,
politischen und
wirtschaftlichen
Umständen -
damals wie
heute.
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Problematisch
werde es, wenn
Menschen diesen
gesellschaftlichen
Vorgaben folgten
und in das
Schema des 'Erfolg-haben-müssens'
eintauchten, sich
damit
identifizierten
und nicht mehr
aus diesem
herauskämen.
Willy Loman
meine, schon
beliebt zu sein
sei der
Schlüssel zum
Erfolg. Er könne
sein Auto in
jeder Straße
abstellen und
die Polizisten
bewachten es wie
deren eigenes -
er flieht so in
die Fantasie und
in die Illusion,
auch in die
Erinnerung, in
die Zeit, als er
Erfolg hatte und
gutes Geld
verdiente.
Loman projiziere
sein
Erfolgstreben
auf seine Söhne,
besonders unter
dem Aspekt, dass
er sich selber
den Traum vom
großen Businessman
durch
Beliebtheit,
Tüchtigkeit,
Fleiß,
Durchsetzungsvermögen
nicht erfüllen
konnte und kann.
Wie der Vater
von Arthur
Miller glaube
Loman nur er sei
Schuld am
Versagen im
Geschäftsleben -
damit lege er
aber bereits das
Fundament für
deren
ebensolches
Scheitern, die
er zu allem
Unglück auch
noch falsch
einschätze.
Charakterisierungen
verstecke Miller
in
Regieanweisungen
- Biff, der eine
Sohn, ein
guter Sportler,
schreibe
schlechte
Arbeiten in der
Schule, er folge
dem Vater auf
einer Reise, um
ihn zu bitten,
mit dem Lehrer
zu sprechen,
dass er die
Schule weiter
besuchen könne,
entdecke den
Vater bei einem
Seitensprung,
dies erschüttere
sein Vertrauen in
den Vater, er
begehe daraufhin
Diebstähle,
fliege deswegen
immer wieder aus
den Anstellungen.
Trotz der
Achtungseinbuße
in Bezug auf den
Vater versuche
er diesem den
übersteigerten
Erfolgsdruck
auszureden und
ihn aus den
Träumen
herauszureißen.
Er erkenne den
überzogenen,
falschen Ehrgeiz
als Gefahr für
die Menschen und
überwinde auch
die
Erfolgsträume
vom Vater
aufgezwungen,
gestehe sich
eine eigene
Durchschnittlichkeit
ein.
Insofern
durchlaufe die
Figur eine
Entwicklung
während des
Stückes: er habe
es nie zu etwas
gebracht, weil
der Vater ihm
den Größenwahn
eingeredet habe
bzw. er sei eine
Dreigroschenexistenz.
Die Reaktion des
Vaters auf
diesen Ausbruch
des Sohnes: 'Biff
werde mal etwas
ganz großes sein'
- auch da noch
Uneinsichtigkeit
bei Loman.
Sohn Happy sei
der kleine
Angestellte,
nicht das was
der Vater sich
vorstelle, er
sei
oberflächlich
und labil, könne
es gut mit dem
weiblichen
Geschlecht und
begebe sich hier
in den
Wettbewerb,
Frauen zu
geradezu zu sammeln.
Linda Loman der
positivste, aber
auch tragischste
Charakter im
Stück
sei zwar
einigermaßen
realistisch in
ihrer
Lebenseinstellung,
merke aber
dennoch nicht,
was ihren Mann
zerstöre.
Sie
wolle es allen recht machen,
meine Lomans
Launen
akzeptieren zu
müssen, sie habe
Gemüt und
unterdrücke
standhaft ihre
Erregung über
Lomans
Verhalten, sie
liebe ihn nicht
nur, mehr noch,
sie bewundere
ihn.
Sie teile Lomans
Sehnsüchte, ihr
fehlten die
Möglichkeiten,
sie auszudrücken
und den
Vorstellungen zu
folgen.
Linda wolle
zurück in die
Zeit, wie es
einmal war - es
sei schwierig,
aber es sei
schön gewesen.
Nun, da alles
anders geworden
sei, verliere
sie die
Orientierung,
unter den
gegebenen
Umständen nach
vorne zu blicken
und sehe nur
hinter sich in die
Vergangenheit.
Die Ursache für
das ganze
Dilemma könne
sie nicht
ausmachen.
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Lomans Bruder
Ben, der es
durch rigoroses
Handeln im
Geschäftsleben
geschafft habe,
erscheine nur in
den
Traumsequenzen.
Den Selbstmord
zur Auszahlung
der
Lebensversicherung,
das einzige, was Loman für seine
Familie noch
tun könne,
bespreche er mit
seinem Bruder.
Charley und Sohn
Bernhard - vom
Vater nicht
dressiert -
seien
Männer der Tat,
ohne große Reden zu
schwingen, seien
sie aber
bei allem Erfolg
doch menschlich
geblieben.
Skrupellos und
an seinen
Mitarbeitern
uninteressiert,
der Howard
Wagner, Chef von Loman, ihn
interessiere ein
Tonbandgerät
mehr als das
Schicksal seines
alternden
Verkäufers.
Das Auffälligste
an dem Stück sei
die Vermischung
von Illusion und
Realität, das
Spannungsverhältnis
zwischen Traum
und
Wirklichkeit.
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Das Bühnenbild
solle keinen
Wohnküchenrealismus
widerspiegeln,
gehe es doch
darum,
Möglichkeiten zu
schaffen,
Realität und
Traum mehr oder
weniger
gleichzeitig,
zumindest aber
in schnellem
Wechsel,
darstellen zu
können.
Die
Theatertradition
Millers sei eine
andere gewesen,
als man heute
das Stück
spielen zu
können, um zu
vermeiden, jede
Produktion des
Handlungsreisenden
gleiche sich der
folgenden.
Bühnenbildner
Sellmaier
meinte, es gehe
darum, Räume
für Zeitstränge,
Zeittunnel,
Stege auf die
Bühne zu
bringen, so dass
der Zuschauer
sich fließend
ohne harte
Schnitte seine
eigenen
Eindrücke
schaffen könne.
Er, Sellmaier,
scheue sich,
plakative
Eindrücke dem
Publikum
darzustellen - so
und nur
so könne das
Bild sein und
das habe es zu
zeigen.
Ihm gehe es,
Hinweise zu
geben, um die
Phantasie des
Zuschauers
anzuregen.
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Als Premieren-Abonnent
Theater Regensburg und Abnehmer von Karten aus dem freien Verkauf
veröffentliche ich auf dieser privaten Homepage meine
Meinung. Ich
verstehe die Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen, sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu
Geglücktem oder Misslungenem. Neben Sachaussagen enthalten die
Texte auch Überspitztes und Satire. Für diese nehme ich den
Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch. In die
Texte baue ich gelegentlich Fehler ein, um Kommentare
herauszufordern. Dieter Hansing
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