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04.01.2010 - dradio.de

 


Damals in Regensburg

29. Oktober 20056

Thema des Tages

Wiederaufnahme
'Don Giovanni'

   


."... Du kennst nun den Frevler"
 
         
      Die Produktion hat nun ein paar Wochen abgehangen, hat einen gewissen Haugout bekommen, ist aber durch Umbesetzungen und sängerische Leistungen sogar noch bekömmlicher geworden.

Wurde bereits in der letzen Saison das Stimmige der Inszenierung herausgestellt, zeigte sich jetzt bei der Wiederaufnahme einiges dem Beobachter noch deutlicher dargestellt.
Donna Anna hatte mit Sicherheit etwas mit Don Giovanni - denn bei der Rangelei während der Nr. 1 - er kommt ihr sehr nahe - schlingt sie sogar ein Bein um ihn, als kopulierten die beiden im Stehen.
Und die Nr. 24 schaut sie gierend nach ihm, der im ersten Rang zum Erstaunen des Publikums erscheint. Dies nur zur Klärung der Situation, falls dem Einen oder Anderen diese Sache nicht klar geworden ist.

Ihrem Geliebten Ottavio gegenüber verhält sich Anna sehr spröde - dies besonders während der Nr. 23, da sie ihn auch keck als 'Kerzenhalter' einsetzt und ebenso keck umeinander schreitend - dies Unruhe vor den sich nähernden Koloraturen dokumentierend - die Lilien verteilt, den Rest des Straußes einfach vor ihm zu Boden wirft, wo die Blumen dann für die Nr. 21b liegen bleiben und so Elviras Krankenzimmer dekorieren. Fein abgestimmt.

Details gibt es 'en masse', von der Regisseurin eingebracht, vom Ensemble brav und wohl auch gerne nachvollzogen und so ergibt sich für das Publikum eine lebendige und schlüssige Vorstellung.

Dass die hinzugekommenen Sänger sich gut in den Rahmen einpassen, dokumentiert das Organische und damit leicht Fassbare der Inszenierung für jeden Neuen.
Hier fällt als Beispiel auf, dass sich nun nicht nur Zerlina um die schwangere und leidend der Niederkunft entgegensehende Elvira kümmert, sondern auch Masetto ihr mit guten Ratschlägen zur Seite steht. Wie er ihr bedeutet, ruhig tief durchzuatmen, ihr über den Bauch streicht, ihr Luft zufächelt, zeigt auch wie Seymur Karomov wohl die Erfahrungen eines Geburtsvorbereitungskurses einbringt und Zerlina gegenüber seine Qualifikation als Ehemann und Vater überzeugend darstellt.
Wie er sich vorher dem Tanz mit Zerlina entzieht, diese darauf mit einer anderen tanzt, er dann von Leporello geschnappt wird und sich gemeinsam mit ihm notgedrungen ein paar Schritte im Reigen dreht - zeigt seine Freude am Spiel und ist für ihn Gelegenheit, seinen wohltönenden Bassbariton erklingen zu lassen.
Bei den Herren, neben ihm, Juan Carlos Falcón als Ottavio. Sein leichter, beweglicher und kraftvoller Tenor prädestiniert ihn für Mozart - muss er leider naturbedingt Körperresonanzräumen weitgehend entraten - gleichwohl wird sich ihm der 'Titus' erschließen.
Herr Falcón ist auch im Spiel überzeugend, 'handfester' als der Zuschauer sonst die Rolle interpretiert sah. Sängerisch wird er beiden Aufgaben, der Nr. 10a und auch der Nr. 21 mit ihren Koloraturen gerecht. Auch erspart er sich und dem Publikum diese 'Kakezereien', die sich Herr Kanttila in der letzten Spielzeit hier erlaubte.

Sung-Heon Ha - ein groß gewachsener Asiate - mit auch ohne Mikroport tragendem Bass in der wegen der Warterei undankbaren Rolle des Komturs.

Bei den Damen gab es die Übernahme der Elvira durch Christina Lamberti. Sie ist zweifelsfrei ein Gewinn für die Produktion, wird auch noch sicherer im Spiel werden, sollte sich aber sängerisch kontrollieren.
Eine Amelia ist dann doch Koloraturen abträglich und ein Verdi fordert dann doch mehr, betrachtet man den größeren Orchesterapparat als bei Mozart - hier wie dort liegt die Gefahr, dass gepowert wird und die Tongebung an Härte zunimmt, die dann zwangsläufig in Schärfe endet. Schon bei der Amelia in der letzen Spielzeit war das zu beobachten.

Julia Amos ist nun Zerlina und geht ganz in der Rolle auf - eine tragende runde Stimme in allen Lagen sicher geführt - reizend im Spiel, ein echter Zugewinn.

Jóhann Smarí Saevarsson vom Regensburger Theaterdirektor gekündigt, wurde eilends aus Island eingeflogen, um den Leporello zu übernehmen. Die Ansage vor dem 2. Akt machte deutlich, was leicht schon zu hören war, nicht immer sprach die Stimme schnell genug an - eine leichte Heiserkeit zeigte sich im Laufe des Abends. Sicher aber fügte er sich in die Abläufe ein - wie schön, dass noch in Europa auf Gäste für Regensburg zurückgegriffen werden kann.

Die beiden 'Übriggebliebenen' aus der letzen Spielzeit: Matias Tosi-Sokolov als Giovanni wieder überzeugend - geradezu unverschämt schön das Timbre seines Baritons - auch liegt ihm der Mozart'sche Verführer mehr als der immer nur üble Jago. Ist er der Grund für das gelegentliche Bröseln?

Neben dem Träger der Titelrolle Katharina Leitgeb als Anna - diese Woche schon als Desdemona hervorgetreten - hat mit dieser gar nicht so leidenden Frauenrolle gewisse Probleme. Die Koloraturen in der der Nr. 23 sind nicht so elegant präsentiert, wie es sein könnte, auch langt sie bei dramatischen Phrasen deutlich zu, was auch einer angenehmen Tongebung zuwiderläuft.

Es sei vermieden, nun das Dirigat von Herrn Grüneis über den grünen Klee zu loben, im Ganzen gesehen aber war er ein verständnisvoller Begleiter des Ensembles. Selbst die Nr. 11 war nicht so verhetzt wie schon erlebt.

Eine Unart, die sofort abgestellt gehört, ist die nach Einlass beobachtete Diskussion zwischen dem GMD am Pult und der Technik auf der Bühne bei geschlitztem Vorhang. Abstimmungen bezüglich Cembalo können ja wohl vorher durchgeführt werden.

Alles solche unprofessionellen Mätzchen - und das soll jetzt bis 2012 so weiter gehen oder Unsitten mehr und mehr einreißen ?
Orchestermitglieder in Frack und Fummel während der Pause im Foyer!?
Verlust alle Werte auch hier - und der Vorsitzende des Verwaltungsrates merkt nichts.
Kultur ist doch angeblich Chefsache.
 
     

 

 
     

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      Zitat

Eine hoch qualifizierte Berichterstattung war dann auch im subventionierten lokalen Bewegtbild-TV zu erleben.

Nicht nur, dass lang und breit und fachlich ungenau über den Begriff 'Fön' palavert wurde, nutzte man doch hier die Unkenntnis der Bürger bei Interviews. Dass man einen Tenor besser nicht nach einem bestimmten Wetterphänomen befragt, sollte jeder wissen.
Es ging ja auch nur darum, die Bürger vorzuführen.

So wurden auch sonst Vorgänge in der Stadt und im Umkreis und bei einer Theater-Produktion erläuternd dargeboten.
Da war die Rede davon, der Erfolg des Stücks 'Maske in Blau' sei das Ergebnis einer langen und spannenden Vorbereitungsphase und während der Bühnenaufführung herrsche ein reges Treiben aller Beteiligten hinter den Kulissen, was den Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis mache.

Eine Sprecherin behauptete, die vielen bunten Lämpchen gäben grünes Licht für die 'Maske in Blau' und für große und kleine Überraschungen sei die Regieassistentin mit kühlem Kopf immer bereit.
Letztere gab dann bekannt, sie begleite den Regisseur bei der szenischen Probenzeit, die immer sechs Wochen lang sei und dass am Ende derer die Premiere stünde, dabei führe sie das Regiebuch, sie schreibe auf, was die Sänger machen sollen und sie sei der Kommunikationsmittelpunkt zwischen allen Abteilungen.

Daraufhin berichtete die Sprecherin, dass am Requisitentisch die letzten Vorbereitungen getroffen würden, denn später müsse alles auf die Sekunde parat sein.

Sprecherin
"Im Orchestergraben versammeln sich kurz vor Beginn die Orchestermitglieder und stimmen sich ein."
(Eine kühne Aussage.)

Sprecherin:
"Fernab allen Trubels findet die Hauptdarstellerin letzte ruhige Minuten in der Maske. Mit gekonnten Handgriffen lässt die Maskenbildnerin das Gesicht auch in der Ferne strahlen."

Der Chor komme von der Bühne und die Aufregung der Schauspieler schlage um in Humor. Und dann gehe es auch schon los.
Für die Schauspieler heiße es nun, rauf auf die Bühne und mancher Statist müsse sich noch gedulden bis zu seinem Einsatz.
(Frau Mink sich als Statistin bezeichnet zu hören, wird ihr wenig gefallen).

Sprecherin:
"Währenddessen warten Requisite und Bühnenbild auf den nächsten Aufbau.
Der Abend ist für die vielen Helfer noch lange nicht zu Ende, doch spätestens beim Schlussauftritt wissen sie, dass sich die Arbeit gelohnt hat."

Zitatende

 
 
         
     


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Geht es bei dem Vorgenannten nur um das Theater der Metropole der Oberpfalz, so beinhaltete der TV-Bericht über die Jubiläumsfeier der CSU in Kelheim wesentlich mehr Zündstoff, wurde doch der Bayerische Ministerpräsident zweimal mit einem lapsus linguae regelrecht vorgeführt, als wisse der nicht, dass die Freiheitshalle in Hof und die Befreiungshalle in Kelheim steht.

Und für so etwas hat Herr Dr. Stoiber auch noch uneingeschränkte Förderung der Programme ab 1.1.07 verfügt und Weiterführung des so genannten Kabelgroschens über das Ende des Jahrzehnts hinaus zugesagt.
 

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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