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04.01.2010 - dradio.de

 


Damals in Regensburg

25.03.06
Werkeinführung
'Arabella'

'Ich muss ja in die Donau
noch bevor es Tag wird
'

   

Im Rahmen der Vorbereitung des Publikums auf die Inszenierung von 'Arabella' führte die Musikdramaturgin Schmidt aus, wie außergewöhnlich die enge Zusammenarbeit von Hugo von Hofmannsthal mit Richard Strauss gewesen sei, die sich über insgesamt 6 Opernwerke erstrecke, allenfalls könne als Beispiel noch die Verbindung von Verdi zu Boïto erwähnt werden. Hinzu komme, dass hier zwei völlig unterschiedliche Temperamente zusammengefunden hätten, der feinnervige, zurückhaltende, österreichische, das Landleben liebende, Dichter Hugo von Hofmannsthal und der handfeste Bayer Richard Strauss. Zeugnis gebe über die Zusammenarbeit eine Sammlung von Korrespondenz der beiden Künstler, die auch Hinweise über Diskussionen und unterschiedliche Meinungen, wie das jeweilige Stück aufgebaut sein solle, beinhalteten.

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Im Sinne des gemeinsamen Werkes ’Der Rosenkavalier’ wünschte Strauss sich für die Arabella einen Text, der ebenfalls eine gewisse Leichtigkeit, einen Hauch Rosenkavalier, haben solle. Hofmannsthal habe auf ein Werk, den am Anfang des Jahrhunderts entstandenen ’Lucidor’ zurückgegriffen. Thematisiert seien hier bereits zwei Schwestern, die mit der verwitweten Mutter aus dem russischen Teil Polens nach Wien kamen, von denen eine als Junge - liebevoll, nichts als Herz, klein, schmal, schüchtern - verkleidet wird, die zweite - stolz, launisch, wie ihr verstorbener Vater, ungeduldig, unzufrieden - reich verheiratet werden soll. Strauss sei ein Singspiel vorgeschwebt bzw. ein Volksstück mit musikalischen Einlagen.

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Theaterdirektor Ernö Weil erklärte als Regisseur, das Stück habe ihn sein Leben lang interessiert, da er das Stück vor vierzig Jahren zum ersten Mal sah, sich als Student den Klavierauszug für viel Geld kaufte und immer den Wunsch gehabt habe, das Stück einmal selbst machen zu können.

Ein Werk lerne man kennen, wenn man es selber erarbeite. Er sei dem Team Hofmannsthal/Strauss verfallen. Man könne ein Strauss-Anhänger sein, aber Strauss/Hofmannsthal sei noch etwas anderes, wie auch Strauss und Stefan Zweig etwas anderes sei. Strauss sei nur mit diesem genialen Textdichter Hofmannsthal eine Einheit. Die Liebe zum Wort müsse auch ein Komponist haben, denn aus dem Wort heraus entstünden die Figuren. Strauss sei derjenige, der eben diese Worte in Musik fassen konnte, so dass ein perfekt gebautes Stück das Resultat sei. Auch wenn man sich wochenlang gemeinsam mit dem Ensemble mit dem Stück beschäftige, komme man immer wieder zu einem Punkt, nun müsse man eigentlich mit der ganzen Arbeit wieder von vorn beginnen.

Alle Figuren - bis hin zu den mittleren und den kleinen Rollen - haben nach Theaterdirektor Weil ihren Charakter.
Graf Waldner sei zwar als Spieler angelegt, sei aber gleichzeitig auch der besorgte Vater, dokumentiert in dem Ausspruch “Arme Frau, arme Mädeln“ und fällt dann mit ein paar Takten von Strauss wieder in diese Leidenschaft des Spiels um Geld.

Seine Frau Adelaide investiere sinnlos in eine Kartenlegerin, hoffend, dass eine Lösung für die Situation sich abzeichne. Sie sei aber auch diejenige, mit Realitätssinn die Situation erfassend, sie werde mit ihrem Mann aufs Land gehen, der Tante das Haus führen und ihr Mann die Verwaltung übernehmen.
Dass diese Familie gar nicht in der Lage ist, in dieser Form zu arbeiten, früher mit Personal umgeben in den entsprechenden Stadtwohnungen mit ihren Privilegien lebte, zeige wie sehr sich die Situation der Gesellschaft in Wien verändert habe, wenn Theaterdirektor Weil seine Inszenierung in die ausgehende Kaiserlich-Königliche Monarchie der Habsburger - also unmittelbar vor den ersten Weltkrieg legt.

Die Szene mit der Kartenaufschlägerin gleich am Anfang des Werkes zeige die ganze Lage der Familie in dieser Zeit, in der sich diese Menschen mit ihrer Umgebung zurechtfinden müssen.

Zdenka, gefühlsbetont, ganz nach dem Herzen lebende, sei die für die ältere Schwester sich aufopfernde Sympathieträgerin und dagegen Arabella, die alles für sich in Anspruch nimmt in einer Familie, die am Rande des Bankrotts steht, die alles in die eine Tochter investiert in einem zu Ende gehenden Europa.

Arabella, umgeben von drei Grafen und einem weiteren jungen Mann, der sie liebt, den sie aber nicht zur Kenntnis nimmt, ausstaffiert, umworben muss sich nun an diesem Faschingsdienstag zu einer Heirat entscheiden, sonst sei die Familie ruiniert, bringt durch diese Entscheidung ein Opfer für die Familie.

Vorwürfe seien damit berechtigt, denn was haben die Eltern verbrochen, die Töchter in derartige Situationen zu bringen, dass man eine Tochter als Junge verkleiden müsse, da man nicht in der Lage sei, zwei Mädchen standesgemäß zu präsentieren. Hier also eine eindeutige Kritik an der Gesellschaft, die ein derartig standesgemäßes Ausführen verlange und wie später die Dramaturgin hinterfragt, wie solle Zdenka jemals zu einer eigenen Identifikation als Frau finden, wenn sie permanent versteckt werde.
Auch Arabella erkenne die Situation und fordere, die Maskerade müsse ein Ende haben und Zdenka endlich ein Mädchen werden.

Graf Waldner versuche eben auf seine Weise, durch einen Brief an einen alten Regimentskameraden auf seine Tochter aufmerksam zu machen, sie zu verkuppeln, in dem er dem Schreiben ein Bild der Arabella beilegt. Es kommt aber nicht der reiche, ältliche Freund von Graf Waldner, sondern sein Neffe - der unverbogene Naturmensch Mandryka.

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GMD Grüneis sei nach eigenem Bekunden erst jetzt bei der Beschäftigung mit dem Werk darauf gekommen, dass dieser für das Duett Arabella/Zdenka im ersten Akt und für das Duett Arabella/Mandryka im zweiten Akt tatsächlich südslawische Volkslieder verwendet hat. Er habe dies immer für ein Apercus Richard Strauss’ gehalten und müsse nun erkennen, dass der Komponist die Wahrheit mit der Bemerkung im Klavierauszug gesprochen habe. Das Motiv wirke so schlicht wie beim Schlussterzett Rosenkavalier. Eingehend beschäftigt hatte sich der Herr GMD auch nicht mit dem Originaltext dieser jugoslawischen Volkslieder - glücklicherweise kam ihm die im Publikum anwesende Mezzo-Sopranistin Mirna Ores zu Hilfe, die ihm Stichworte zuwarf, so dass er als GMD sich durch diese Soufflage retten konnte !

Nach Meinung von GMD Grüneis war in den dreißiger Jahren ’in Mode’, der Rückgriff auf Volkslieder, das Zitieren volkstümlicher Melodien oder Volksweisen - hier besonders hervorzuheben Bela Bartok, der einen großen Teil seines Lebens damit verbrachte, diese Weisen zu studieren und aufzuzeichnen.
Die Komponisten der Zeit retteten sich gerade damals in diese überlieferten Motive, da sie selber mit der Entwicklung der Musik zum Teil überfordert waren, nicht wissend, wie ’modern’ sie noch werden sollten.

Die Arabella als Spätwerk zu bezeichnen, hält GMD Grüneis für nicht richtig, eher spreche man bei der 'Liebe der Danae' oder 'Daphne' von den Spätwerken Strauss’ - obwohl man tatsächlich von einem Beginn einer besonderen Entwicklung sprechen könne, wobei der ganze späte Strauss ’problematisch’ sei.
Strauss' große revolutionäre Entwicklung habe sich gezeigt in den symphonischen Werken ’Zarathustra’, ’Ein Heldenleben’ oder in der Oper ’Elektra’ und gerade nach dieser sei er immer milder in seinen Ausdrucksmöglichkeiten geworden. Bei ’FroSch’ habe Strauss sich noch einmal des ganzen früheren Orchesterapparates bedient und nach Meinung von GMD Grüneis, sein Meisterwerk geschaffen.
Bei der Arabella habe das Team Hofmannsthal/Strauss ganz eindeutig einen zweiten Rosenkavalier angestrebt, wie heute beim Film eben gleich nach einem Erfolg die nächsten Fortsetzungen des Themas geplant würden. Strauss zitiere sich gerade im 1. Akt Arabella angesichts der Rosen, die für Arabella gebracht wurden, durch musikalische Zitate aus dem Rosenkavalier.
Auch in den Figuren gebe es Parallelen, so könne die Arabella mit der Marschallin verglichen werden, Zdenka mit der Sophie oder Mandryka mit dem Ochs.

Interessant sei, dass Strauss in der Arabella immer wieder zum Mittel des gesprochenen Wortes greife, dramatische Passagen gar nicht mehr zu singen seien. Schönberg und Berg seien hier ehrlicher gewesen, hätte ’Kreuzchen’ gemacht und nur einen gewissen Rhythmus vorgegeben, aber eben keine Tonhöhen. Dies sei in der Arabella auch auf besondere Weise angelegt. Beispielhaft hierfür die Situation des Matteo, der eben den Revolver nehme, sollte sich Arabella ihm verweigern. Bei der Rechtfertigung der Arabella, sie habe nicht die Nacht mit Matteo verbracht, nehme Strauss das Orchester zurück und überließe die Darstellung der Situation einer halbgesungene Phrase, nahtlos übergehend in den gesprochenen Dialog.

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Die Dramaturgin gab noch zum Besten, Richard Strauss habe von sich selbst behauptet, er sei auf Grund seiner musikalischen Charakterisierungskunst und Instrumentierungsfähigkeiten in der Lage, den Unterschied zwischen Weißbier und einem dunklen Bier darzustellen.

Richard Strauss wusste das Orchester einzusetzen, die kleine Besetzung in der 'Ariadne' sei sehr wohl in der Lage gewesen, einen großen und auch süffigen Orchesterklang zu erzielen und er habe auch gewusst, welches Instrument dem Sänger zuzuordnen sei.
 

 

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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