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Nr. 38

   

 

 

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Screenshot Nds. Staatsoper Hannover GmbH – Foto: Sandra Then

 

Die Nds. Staatsoper Hannover spielt Wolfgang Amadeus Mozarts ‘Cosi fan tutte‘ in einem speziellen Etablissement und zeigt die Protagonisten ‘wenig bis kaum‘ bekleidet.

Partnertausch, psychologische Beratung, Swinging im Club.
Die szenische Ausstattung bewegt sich – mehr oder weniger – in Permanenz, Protagonisten rennen planlos herum, hampeln mit Teddybären umeinander und sind zwangsweise durch Großprojektionen unbekleideter Männer und Frauen abgelenkt.

Es wird heute die Unkenntnis des Publikums genutzt und offensichtlich die Meinung vertreten, Beifall bedeute Wahrheit und Qualität.

Dabei wird Gags applaudiert und Verfälschungen dessen, was Textdichter und Komponist wollten, beklatscht.
 

 



Bemerkungen zu ‘Così fan tutte‘

Die Revolution in Frankreich hatte im Sommer 1789 begonnen.
Die europäischen Herrscherhäuser schauten besorgt an den westlichen Rand des Kontinents.
Man begann sich zu einer Koalition zusammenzufinden, um die Aufständischen in die Schranken zu weisen.

Auch Friedrich Wilhelm II. meinte in Berlin, einen 'Spaziergang nach Paris' unternehmen zu müssen.
Er sollte sich wundern.

Karl Eugen von Württemberg besuchte eben noch Versailles, um vor Ort zu sehen wie denn Ludwig XIV. dort nun so gelebt hatte.
In seinem Todesjahr, 1793,.starb auch der König von Frankreich, der aber am Schafott.

Sah man damals ‘Così fan tutte‘ mit einem Augenzwinkern, wusste das Publikum doch um die Um- und Zustände in dem Werk. Und doch hatte man 1790 seine Probleme, stufte man das Werk doch als zu frivol ein.

Heute lässt sich der Mummenschanz kaum noch einigermaßen glaubwürdig darstellen.

Zwei Offiziere verkleiden sich, um die Treue ihrer Bräute zu prüfen.
Eben haben sie sich als Uniformierte auf eine Reise begeben - keiner der beiden Damen und die Zofen prüfen, ob das stimmt - dann kehren sie kaum von der Bühne abgegangen als Orientalen wieder.

Und die Damen erkennen nicht, wer sich da anschleicht?
Dazu kommt, dass die Zofe sich auch noch als Notar verkleidet - und das merkt niemand, wer da in dem Talar steckt. Eine Kolorateuse macht auf Bassist.

Was soll man wie machen, damit es für die Theaterbesucher noch glaubwürdig dargestellt werden kann?

Es bleibt kaum etwas als dem Publikum klarzumachen, alle drei Damen wissen, wer die beiden Herren sind, drehen den Spieß um und blamieren Tenor und Bariton - nur die 'Story' mit ihrem Text passt dann nicht mehr.

Indiskutabel, wie man das Stück kürzlich im ehemaligen Zonenrandgebiet spielte:


Bemerkungen_zu_
'Cosi_fan_tutte'_im_'Staatstheater_Braunschweig'_
28.02.2014.htm

Eine andere Sicht auf das Stück stellte die Neuköllner Oper vor.

 

 

Zitat
Neuköllner Oper Berlin

Così fan tutte

oder Die Schule der Liebenden
Opera buffa von Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo da Ponte
Fassung für die Neuköllner Oper von Winfried Radeke (Musik), Peter Lund (Texte der Gesangsnummern) und Robert Lehmeier (Einrichtung der Dialoge)
Premiere am 14. August 2003

Ein Sakrileg? Die Neufassung einer Mozart-Oper – gerade diese Oper hatte es insbesonders im bürgerlichen 19. Jahrhundert schwer getroffen. Freilich: es ging um den Text. Der Vorwurf lautete, Mozart habe seine himmlische Musik an einen grottenschlechten Text verschwendet. Dass sich selbst Beethoven und später auch Wagner nicht zu schade waren, in diesen Chor einzustimmen, hat dem Werk bestimmt nicht genützt. Nun, da zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wiederum andere soziale Bedingungen und neue Verwerfungen ein Licht auf das Private der Zweisamkeit scheinen ließ, war es zunächst Richard Strauss, der nicht nur das musikalische Material sorgfältig restaurierte, sondern auch für die Realisierung einer vielbeachteten Münchner Aufführung sorgte, die er selbst dirigierte.

Und nun also fängt alles von Vorne an? Die Neuköllner Oper erstellt eine eigene Fassung – warum? Gut. Häufig stieß man sich, auch heute noch, an der Grundkonstruktion dieser Oper: Dass die Männer den Frauen gewissermaßen naturgegebene Neigung, und damit über kurz oder lang Untreue unterstellen; dass die Probe gemacht werden muss, da uneinsichtige Heißsporne dieses Gesetz der Natur, sentimental verklärt, nicht anzuwenden bereit sind auf ihre auserwählten Partnerinnen; und dass sie schließlich höheres Walten anzuerkennen haben. Dass also der Frauen Los die Abhängigkeit ihrer „anima“ vom „animus“ der Herren der Schöpfung sei usw. usf.

Diese Sichtweise ist allerdings nicht maßgeblich für die Fassung der Neuköllner Oper, denn es soll der Versuch gemacht werden, dieses Spiel, diese Versuchsanordnung jenseits einer geschlechtsrollenspezifischen Verteilung anzuwenden. So sind alle Rollen, alle Figuren männlich besetzt. Es stellt sich viel allgemeiner nämlich die Frage, welche Projektionen uns heute den Halt in der – handschweißhemmend Beziehung genannten – Paarverbindung versprechen. Welchen Wert, welche Tragweite haben Begriffe wie „Treue“, „Versprechen“, „Vertrauen“? Ist das Modell der zweisamen Zukunftsgestaltung ein zeitgemäßes?
Wir verlegen nun den Ort der Handlung in eine Art Privatgalerie. Dort hat vielleicht gerade eine Vernissage stattgefunden, die anschließende Party bot Gelegenheiten, sein Standing zu prüfen, doch am Ende hat der Kick wieder einmal noch nicht stattgefunden. Es kommt zur Wette…

Und da wir es also nunmehr nicht allein mit zwei, sondern mit drei Paaren zu tun haben, hat die Neuköllner Oper noch zwei weitere Paare mit einbezogen. Es sind dies die Musiker, die zu zweit jeweils an den zwei Flügeln Mozart spielen: „Così fan tutte“!

Musikalische Leitung: Jens-Karsten Stoll; Regie: Robert Lehmeier; Bühne: Markus Meyer; Kostüme: Marcel Zaba
Mit: Michael Bielefeldt, Gero Bublitz, Assaf Kacholi, Jan Remmers, Christian Senger und Matthias Ehm

Zitatende

Quelle: https://www.neukoellneroper.de/play/cosi-fan-tutte/

Kommentar zur Aufführung von 'Così fan tutte' an der
Nds. Staatsoper Hannover


Als Premieren-Abonnent macht man sich natürlich besonders Gedanken über die Führung der Nds. Staatstheater Hannover GmbH, denn schließlich sind erste Vorstellungen einer Produktion dem Augenmerk der Welt ausgeliefert.
Zur Spielplangestaltung 2021/22 ist nur kurz zu sagen: sie wird dem Bildungsauftrag nicht gerecht.
Corona verhinderte die Wiederaufnahme der schauerlichen Berger’schen ‘Fledermaus‘ und seiner ‘Braut‘.
Wer weiß, was der Frau Geschäftsführerin der Nds. Staatsoper Hannover GmbH noch wiederaufzuwärmen gedenkt. Der ‘Rigoletto‘ steht ja ins Haus.

Das Programmheft ‘Così‘ mit 32 Seiten – einschließlich U-1 und U-4 – ist wenig aussagekräftig, zeigt es bis auf 19 Seiten Text, nur Bilder und Werbung.

Fast drei Stunden Spielzeit ist, bei einer Regieführung, die das Stück in seiner Grundsubstanz nicht erschließt, kaum zu ertragen.
Hannover macht bei ‘Così‘ Striche auf, lässt z.B. die zweite Dorabella-Arie zu (klar, Hannover ist ein weltberühmtes Haus mit ‘connections‘ nach US-Amerika und ist dazu geradezu verpflichtet.)

Was hat man szenisch wieder alles draufgeklatscht:
Was soll das Kind, angeblich Dorabellas Tochter, das die Nr. 8 ('Soldatenchor' - Klavierauszug Breitkopf Seite 53) plärrt?
Wie so überhaupt Kinder auf der Szene, die um diese Zeit, am Ende des Abend ins Bett gehören, und dem Fortgang der Handlung nicht dienlich sind.

Warum hat man die Großmutter von Guglielmo,
die – und das weiß man doch als arrivierter Dramaturg - mit vier Nadeln Strümpfe strickte und dabei immer wieder Maschen fallen ließ, woraus für den Enkel Guglielmo ein Trauma entstand,
nicht als Figur in das Stück genommen?

(Leuchtkörper rauf, Leuchtkörper runter) (Hubpodien rauf, Hubpodien runter.)

Was soll der Flieger aus Sperrholz, die Hochzeitstorte ( die hatten wir im Otello in Regensburg schon vor Jahren) und – ach, wie goldig: die Schaukel.
Finally, um im Sprachgebrauch der Frau Geschäftsführerin der Nds. Staatsoper Hannover GmbH zu bleiben: es ist zu bemerken, dass der Dramaturg - wie er im Rahmen der ‘Carmen‘-Einführung vorgab - Männer hasst.

 

Screenshot Staatsoper Hannover GmbH


Das ist natürlich in der heutigen Zeit ja geradezu sträflich. Wie will er denn da Karriere machen?

In der Komischen Oper Berlin kamen seinerzeit Ferrando und Guglielmo als Paar zusammen, die Frauen überließ man sich selbst.

 


Wie sich das Nds. Staatsschauspiel Hannover darstellt, zeigt sich in der Nennung des Titels eines Stückes von Molière

Da wird behauptet, man werde spielen:

 

 

Zitat
Der eingebildete Kranke
von Molière 19:30 Uhr / Schauspielhaus / Premiere
Regie:
Anne Lenk

Zitatende – Quelle Nds Staatsschauspiel Hannover GmbH


Dass Molière ein Stück mit diesem Titel nie schrieb, ist dem Staatsschauspiel nicht aufgefallen.
Man möge sich am Nds. Staatsschauspiel Hannover doch ein Beispiel nehmen an:


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Der eingebildet Kranke

Komödie nach Molière in hessischer Fassung von Wolfgang Deichsel

Der wohlhabende Bürger Argan ist ein begnadeter Hypochonder, der mit der Einbildung, er sei sterbenskrank, seine Familie tyrannisiert. Glauben schenkt er nur seinem Arzt und seinem Apotheker, die davon prächtig profitieren. Die treue und gewitzte Haushälterin Nannche versucht schließlich mit einem raffinierten Plan, dem eingebildet Kranken die Augen zu öffnen.
Zitatende
Quelle: https://www.barock-am-main.com/programm/der-eingebildet-kranke?base=archiv

 

Dort, in Frankfurt, spielte man tatsächlich das Stück mit dem richtigen Titel.

Und hier in Hannover ein klassischer Fall von ‘alternative facts‘. In einem Artikel auf Seite 23 vom 31. August 2021 in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, werden wider besseren Wissens Dinge behauptet, die den Tatsachen nicht entsprechen.
Das Schlimmste, dies auch noch vehement zu verteidigen, wissend, dass es sich um Fehler handelt,
denn das Stück trägt den Titel

Le Malade imaginaire‘, heißt übersetzt: ‘Der eingebildet Kranke‘.
 
Spielen will man in Hannover am Staatsschauspiel

‘Der eingebildete Kranke‘
was übersetzt heißt: ‘Le Malade vaniteux‘ oder
'Le Malade prétentieux'.

Nur gibt es dieses Stück nicht und schon gar nicht von Molière geschrieben.
 

 

 

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Das Stück wird als „Der eingebildete Kranke“ angekündigt. Besserwisser würden jetzt sagen, dass das falsch sei. Es müsse „Der eingebildet Kranke“ heißen, weil der Kranke nicht eingebildet ist, sondern weil sich jemand einbildet, krank zu sein.
Zitatende – Quelle: HAZ – 31. August 2021 – Seite 23

Und die Frau Regisseurin bemerkt dazu:

 

 

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Ich habe auch lange gedacht, dass der andere Titel besser wäre, aber mittlerweile passt der Titel, denn es stimmt schon, dass er eingebildet ist. Er ist wie ein narzisstisches Kind.
Zitatende - – Quelle: HAZ – 31. August 2021 – Seite 23

Wenn denn die Frau Regisseurin glaubt, die Rolle des Archand so anlegen zu müssen, dass er als ‘eingebildeter Affe‘ dargestellt wird, dann ist das „ein Fall von andrer Art“, bedeutet aber, dass der Titel des Stückes in ‘Le Malade vaniteux‘ geändert wird.

Hier geht es um Fakten, nicht um Besserwisserei, sondern um den Bildungsauftrag, den das Theater zu erfüllen hat.

Es müsste hier die Frau Geschäftsführerin der Staatsschauspiel Hannover GmbH eingreifen.
 

 



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Der Dirigent Christian Thielemann im Interview
Über den "Wagnerklang" und Zukunftspläne

21.07.2021 von Johann Jahn/Bettina Jech

 

 

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Für Wagner-Fans sind die Festspiele in Bayreuth ein Muss. Das liegt nicht zuletzt am legendären "Wagnerklang". Wie man den als Dirigent hinkriegt – und welche Rolle dabei der berüchtigte Graben im Festspielhaus spielt? BR-KLASSIK hat bei Christian Thielemann nachgefragt. Außerdem spricht Thielemann über die Zukunftspläne nach seiner Zeit bei der Sächsischen Staatskapelle.

BR-KLASSIK: Können Sie sich daran erinnern, wie Sie als junger Assistent den besonderen Klang in Bayreuth zum ersten Mal erlebt haben? 

Christian Thielemann: Ich hatte in Bayreuth schon in den Siebzigern als Wagner-Stipendiat "Götterdämmerung" und "Parsifal" gehört. Das war natürlich ganz besonders, und ich hatte das Gefühl, als ob beim "Parsifal"-Vorspiel im dritten Akt die Musik zwischen den Sitzen herauskam. Ich hatte so etwas noch nicht gehört. Man hat das Gefühl, dass das ganze Haus mitsingt – oder mitspielt. Als Assistent habe ich dann erfahren, dass es dabei auf den Dirigenten ankommt. Und dass man im Graben sehr viel – und ganz anders – proben muss.
 

Im Bayreuther Graben muss man auf die Assistenten hören - Christian Thielemann
 

Viele Dinge habe ich erst hier in Bayreuth gelernt: zum Beispiel flüssiger zu dirigieren, als ich es davor getan habe, Mittelstimmen noch stärker herauszuarbeiten oder klarer zu konturieren. Und: nichts geht ohne gute Assistenten! Das ist auch etwas, das man hier lernt. Es ist nämlich keine Ein-Mann-Show. Ich wäre nicht dort, wo ich hingekommen bin, ohne meine vortrefflichen Assistenten. Und deswegen stehen sie auch alle mit auf dem Programmzettel – zu Recht. 

Im Bayreuther Graben gibt es ein anderes Zeitgefühl

BR-KLASSIK: Was ist es genau, was die Assistenten machen müssen, was Sie unten im Graben nicht alleine vollbringen können?

Christian Thielemann: Langsam, nach all den langen Jahren, weiß ich Bescheid: Man muss eben sehr auf die Assistenten hören. Unten im Graben muss ich mich entscheiden: Mache ich, was die sagen oder weiß ich alles besser? Bei mir war damals noch Wolfgang Wagner dabei, der sehr deutlich war mit seinen Anzeigen. Er hatte ja diesen burschikosen Charme, und man hörte ihm besser zu. Ich fand mich zu schnell bei der Generalprobe. Ich fand mich selbst schlecht. Doch da stand dann Wolfgang Wagner vor mir und sagte: Ja, so müssen Sie das machen. Und ich stand da wie ein begossener Pudel … Es ging mir völlig gegen den Strich. Aber ich habe gelernt, dass man im Graben ein völlig anderes Tempo- und Zeitgefühl hat – dadurch, dass er abgeschlossen ist, und man die Dinge unten direkt hört. Und übrigens: Auch wo die Sänger auf der Bühne stehen ist auch ganz wichtig. Wenn sie zu nah am Proszenium vorne stehen, dann gellt das zu sehr – und es scheppert. 

Auf das Tempo des Dirigenten kommt es an

BR-KLASSIK: Wie ist es mit dem Dirigentenschlag? Sie müssen ja gleichzeitig zwei Ebenen bedienen: oben die Darstellerinnen und Darsteller – und unten das Orchester. Wie funktioniert das? 

Christian Thielemann: Der Dirigent muss das Tempo unten im Graben halten und die anderen müssen mitmachen. Unten am Pult kann es passieren, dass ich zum Beispiel den Chor einen ganz kleinen Tick später höre. Da muss man stoisch das Tempo halten. Und die Sänger und Sängerinnen werden ja noch zusätzlich vom Chordirektor mit den schönen roten Lämpchen von der Seite dirigiert. Ich muss im Sommer in Bayreuth meine normalen Ohren quasi abschrauben und die Bayreuth-Ohren aufschrauben. Man muss hier völlig anders hören. Und deswegen ist es auch gut, wenn man nicht woanders dirigiert, wenn man in Bayreuth ist.
 

Im Sommer muss ich die Bayreuth-Ohren aufschrauben.
Christian Thielemann


Manch Debütant findet sich in Bayreuth nicht so schnell zurecht

BR-KLASSIK: Die Sitzordnung im Orchester ist in Bayreuth ja auch anders als üblich. Was bewirkt das? 

Christian Thielemann: Es gibt ein Grundproblem mit dem Bayreuther Graben: Dass die Holzbläser nicht wie ein Fettauge auf der Suppe schwimmen, wie man das sonst gewöhnt ist. Manchmal muss man auch die Streicher ein bisschen zurücknehmen. Gute Dirigenten bekommen es hin, aber brauchen meistens ein paar Jahre dafür. Ich habe zum Beispiel Glück gehabt, aber es gibt auch Debütanten, die sich nicht so schnell zurechtgefunden haben. Man sagt: Ab dem dritten Jahr fängt es an, besser zu werden. Die ersten Jahre sind immer schwieriger. Und da muss man als Zuhörer auch gnädig sein.

BR-KLASSIK: Sie haben seit Jahren ein sehr gutes Verhältnis zu Bayreuth und zur Familie Wagner. Heuer haben Sie erstmals aber nicht mehr den Posten des Musikdirektors inne. Welche Hintergründe hat diese Entscheidung? 

Das hat überhaupt keine Hintergründe. Es sollte sowieso alles verändert werden und wir haben uns überlegt, was dafür vonnöten ist. Eigentlich ist der Titel "Musikdirektor" ja falsch. Es klingt danach, als hätte man einen Einfluss zu nehmen auf andere. Man müsste eher sagen: Er ist ein Ratgeber, wenn er gewünscht wird. Man muss die Kollegen völlig schalten und walten lassen. Und vielleicht können das die Assistenten sogar besser, was manche Details angeht. Wenn mich jemand fragt: Worauf soll ich bei dem Stück achten? Ich könnte dazu ein paar Tipps geben, mische mich aber überhaupt nicht in die Tempi ein und mache auch nichts vor – um Gottes willen! Das hätte ich selbst ja auch nicht schön gefunden, wenn das einer bei mir gemacht hätte. 

Thielemanns Neuorientierung für die Zeit nach Dresden

BR-KLASSIK: Um Ihren Zukunftsplan gab es ja Aufsehen, nachdem Ihr Vertrag bei der Staatskapelle Dresden nicht verlängert wurde. In der Passauer Neuen Presse haben Sie diesbezüglich von "einer Chance auf Qualitätssicherung" gesprochen. Wie haben Sie das gemeint? 

Christian Thielemann: Vom Herzen her will man in Dresden bis zum Ende seiner Tage bleiben, weil es dort so schön ist. Aber genau das ist gefährlich. Ich habe manchmal die Angst, auf zu ausgetretenen Pfaden zu gehen. Und gerade weil es mit diesem Orchester eine Traum-Zusammenarbeit ist, ist es gut, nach 14 Jahren zu sagen: Ich gehe dann, wenn die Leute sagen, warum denn? Wir wollen ja, dass es weitergeht. Aber das Chef-Sein ist das, was so schwierig ist. Ich komme zum Beispiel nicht dazu, Repertoire zu spielen, das ich seit Jahren machen will  russisches oder französisches Repertoire, zeitgenössische Stücke. Einfach weil ich so im Geschirr gefangen bin, auf Tournee gehen zu müssen, die Stücke spielen zu müssen, die das Publikum mit mir und der Staatskapelle Dresden hören will. Nichts gegen Brahms und Bruckner, aber ich muss auch mal eine ganz andere Schiene bedienen. Und ich spüre, dass das jetzt die richtige Zeit dafür ist. 
 

Wenn Not am Mann ist, stehe ich zur Verfügung.

BR-KLASSIK: In Bayreuth gibt es heuer also den Posten des Musikdirektors nicht mehr, aber Sie sind nun mal DIE Dirigentenfigur am Grünen Hügel. Sie dirigieren dieses Jahr auch eine "Parsifal"-Aufführung am 10. August. Haben Sie sich schon mit der Debütantin Oksana Lyniv unterhalten, die die Eröffnungspremiere leitet?  

Christian Thielemann: Nein, ich kenne sie überhaupt nicht. Ich war in keiner einzigen Probe, weil dieses Jahr alle, die nichts vor Ort zu tun haben, gar nicht reindürfen. Ich finde das auch richtig, denn da kommen ohnehin so viele Menschen zusammen: Chor, Technik usw. Wenn sich da dieses Virus durchfrisst, dann sind die Festspiele gefährdet. Wir müssen jetzt alle Disziplin haben und an die Sache denken. Die Leute können mich aber immer anrufen. Und wenn Not am Mann ist, dann stehe ich gerne bereit.

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Quelle: Sendung: "Meine Musik" mit Christian Thielemann am 7. August 2021 ab 11:05 Uhr auf BR-KLASSIK

 

 

Was andere schrieben

 

 

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Kritik – "Rheingold" an der Deutschen Oper Berlin
Viel Durcheinander, aber wenig Sinn

14.06.2021 von Peter Jungblut

Statisten in Unterwäsche und jede Menge Rambazamba: Stefan Herheim inszeniert Wagners Musikdrama nah an Puppenspiel und Jahrmarkt-Spektakel. Das ist furios bebildert, bleibt jedoch oberflächlich. Dafür überzeugen die Sänger und die Bühnentechniker – meint Peter Jungblut, der bei der Premiere am 12. Juni anwesend war.



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"Rheingold" an der Deutschen Oper Berlin, Inszenierung: Stefan Herheim – Szenenfoto | Bildquelle: Bernd Uhlig / Deutsche Oper Berlin

Das ist ja gerade noch mal gut gegangen – nein, nicht für die Götter von Richard Wagner, die schreiten gut gelaunt ihrem Untergang entgegen, sondern für die Bühnentechniker: Die haben überlebt, und das war in diesem Fall eine ziemliche Herausforderung. Regisseur Stefan Herheim und seine Mit-Ausstatterin Silke Bauer hatten sich für das "Rheingold" dermaßen aufwändige Bilder ausgedacht, dass enorm viele helfende Hände gebraucht wurden, und auch wohl etwas Glück, denn immer wieder waren Techniker auf offener Szene sichtbar und ziemlich hektisch im Einsatz.

Herheim spielt den Bühnen-Animateur
Mitunter hielt das Publikum schier den Atem an, ob es ihnen gelingen würde, diesen Vorhang rechtzeitig verschwinden zu lassen, jene Riesenpuppen synchron zu bewegen und die alles entscheidende Show-Treppe zeitgerecht zum Finale in Position zu bringen. Kurz gesagt, es war ein farbenfrohes Halligalli auf der Bühne, ein bildmächtiges Rambazamba, und das märchenhafte "Rheingold" verträgt das natürlich sehr gut. Herheim kommt vom Puppentheater, mag offenbar Fabeln und Sagen und spielt leidenschaftlich gern den Bühnenanimateur. Deshalb dürfen auch ganz viele mitmachen.

Keine Minute langweilig
So ideensprühend, wie er und sein Team nun mal sind, wurde es keine Minute langweilig. Immer wieder überraschende oder verblüffende Momente: Etwa, wenn Wotan vorzeitig beschließt, den umkämpften Ring des Nibelungen einfach wieder in den Rhein zu werfen – das wäre ein Happy End nach zwei Stunden, und der Rest von Wagners tragischem Vierteiler hätte sich erledigt. Gut, dass die Partitur auf der Bühne zur Hand ist, nur wegen ihr machen alle Beteiligten offenbar weiter, und an einer Stelle muss sogar Richard Wagner persönlich eingreifen, um das Gesamtprojekt vor einem schnellen, versöhnlichen Schluss zu retten.

Was interessiert Herheim am "Rheingold"?

Damit macht Herheim deutlich: Diese Geschichte, die könnte jederzeit ganz anders ausgehen, sie ist keineswegs zwangsläufig, wie alles im Leben. Hier ist ein Theatermacher durch und durch am Werk, aber was Herheim, der 2022 das Theater an der Wien übernehmen wird, jenseits von der opulenten Ausstattung und zahlreichen Gags am "Rheingold" interessiert hat, blieb leider völlig unklar. Heerscharen von Statisten müssen Koffer schleppen und eine geschlagene Stunde in Feinripp-Unterwäsche herumstehen, zwischendurch auch mal von Liebe träumen, das macht viel Durcheinander, viel Tempo, aber wenig Sinn, was schon in München bei einer ähnlich vielköpfigen und überladenen "Ring"-Inszenierung von Andreas Kriegenburg augenfällig war.

Und weil die "Walküre", der zweite Teil des "Rings", an der Deutschen Oper Berlin ja schon Premiere hatte, wurde deutlich: Diese Art üppige, bildstarke Trickserei mit Wimmelbildern trägt inhaltlich nicht sehr weit.

Fast schon unfreiwillig komisch
Es stimmt schon, Richard Wagner mochte Budenzauber und wäre von so viel Licht und Maschinerie begeistert gewesen, klagte er doch zu Lebzeiten gern und wortreich über die begrenzten technischen Möglichkeiten. Aber gute Unterhaltung war ihm eindeutig zu wenig. Und gegen Ende wurde der bunte Abend in Berlin denn auch fast schon unfreiwillig komisch:
Die Götter sollten wie gewohnt über einen Regenbogen in ihr Walhall schreiten, doch die Stoffbahn rutschte dermaßen irritierend über das dahinter verborgene Treppengerüst, dass jederzeit zu befürchten war, einer der Unsterblichen würde ausrutschen.

Loge als Mischung aus Micky Maus und Mephisto



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"Rheingold" an der Deutschen Oper Berlin, Inszenierung: Stefan Herheim – Szenenfoto | Bildquelle: Bernd Uhlig / Deutsche Oper Berlin

Musikalisch gab es dagegen wenig einzuwenden. Der belgische Tenor Thomas Blondelle war als Feuergott Loge äußerlich eine Mischung aus Mephisto und Micky Maus und sang herausragend, wofür er auch gebührend gefeiert wurde. Allein seinetwegen lohnte sich der Abend. Ebenfalls sehr überzeugend waren Markus Brück als Alberich und Annika Schlicht als Fricka – textverständlich, schauspielerisch souverän, stimmlich unangestrengt. Das galt auch für die beiden Riesen, Andrew Harris als verliebter, romantischer Fasolt und Tobias Kehrer als geldgeiler Fafner. Der australische Bassbariton Derek Welton als Wotan war schauspielerisch wie stimmlich deutlich zu jungenhaft und passiv, um als Herrscher der Welt durchzugehen. Statt eines Patriarchen hätte er gut einen ehrgeizigen Firmenerben darstellen können.
 

Penibel geprobt
Dirigent Donald Runnicles neigt nicht zu derben Effekten und rabiaten Eingriffen in die Partitur und lässt diesbezüglich selten eine eigene Handschrift erkennen. Muss auch nicht sein: Das wirkt bei anderen Dirigenten bisweilen affektiert oder übertrieben. Und so gelang Runnicles ein penibel geprobter, sehr gut ausbalancierter Abend ohne Wackler und Nervositäten.
Eine Spur mehr Drama wäre akustisch vielleicht drin gewesen, aber das "Rheingold" ist nun mal der vergleichsweise "leichtfüßige" Auftakt zum "Ring" und muss nicht so erdenschwer daherkommen wie die "Götterdämmerung". Insgesamt eine szenisch so umjubelte wie befehdete Premiere, und damit ein kontroverser, musikalisch jedoch imponierender Erfolg für die Deutsche Oper Berlin.
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Quelle: https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/wagner-rheingold-berlin-deutsche-oper-stefan-herheim-kritik-100.html

 


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Opernkritik | "Rheingold" an der Deutschen Oper
Bilderrausch, Schadenfreude und ein Opernwunder
 


Bild: Bernd Uhlig

Die erste Premiere nach acht Monaten Pause an der Deutschen Oper Berlin: Stefan Herheims bilderbunte, dennoch tiefsinnige Inszenierung von Wagners "Rheingold" hat Maria Ossowski begeistert.

Gold oder Liebe, Macht oder Jugend, Anfangszauber oder Endspiel: Richard Wagners "Ring des Nibelungen" mit dem Raub des Rheingoldes zu Beginn feiert mal so eben alle Themen ab, die seit der Menschwerdung leider niemand gelöst hat.

Das kann in zweieinhalb Stunden ohne Pause bedeutungsschwanger, melancholisch, politisch, soziologisch, philosophisch oder auch komisch über die Bühne gehen. Nur dass die Regie alles auf einmal zaubert wie an diesem Samstagabend bei der "Rheingold"-Premiere in der Deutschen Oper Berlin, das geschieht sehr selten - und das ist dem norwegischen Starregisseur Stefan Herheim perfekt gelungen.

Schadenfreude überall
"Wagner tanzt immer um die Schadenfreude herum", so hat es Herheim, ein ehemaliger Schüler von Götz Friedrich, formuliert. Und das ist so. Die hübschen Rheintöchter amüsieren sich über den hässlichen, notgeilen Alberich, keine lässt ihn ran. Schadenfreude.

Alberich rächt sich und klaut das Gold. Schadenfreude. Der Göttervater will seine Burgbautruppe, zwei Riesen, nicht bezahlen und altert mit seiner ganzen Sippe zur Strafe in Rekordzeit. Schadenfreude.

Für jeden Kunstgeschmack ist etwas dabei
Also holt Wotan sich den Ring zurück, Alberich muss ihn abgeben. Und zum Schluss erschlägt ein Riese den anderen, denn dieser fiese rote Ring ist verflucht. Selber schuld. Schadenfreude.

Die Bilderflut rund um einen Flügel in der Mitte der Bühne - das Instrument ist Treppe und Gruft zugleich - überrascht, erstaunt und scheint fast ein Wunder. Herheim, auch Bühnenbildner, lässt auf wallenden Tüchern mit psychedelischen Farborgien Berge wachsen und Burgen, Unterwelten und Götterhimmel, die Wellen des Rheins und die groben Gesichter der Riesen.

Jedes Bild entspricht der Komposition. Jedes Bild ist auch Assoziation, von hochintelligent bis voll klamaukig, und für jeden Kunstgeschmack ist etwas dabei. Bildungsbürger freuen sich: Wotan und der Feuergott Loge sind hier Faust und Mephisto. Cineasten freuen sich: Donner, der Gewittergott, schmeißt seinen Hammer in die Lüfte, und der fliegt symbolträchtig hoch wie der Knochen aus Stanley Kubricks "2001 -Odyssee im Weltraum". Freunde des gepflegten Flachwitzes freuen sich, wenn Mutter Erda ausgerechnet aus dem Souffleurkasten steigt, um Wotan vor dem Ring zu warnen.

Auch musikalisch einzigartig
Und die Fans der Tiefenpsychologie freuen sich auch: Die goldenen Äpfelchen aus Freias Garten sind äußerst pralle Brüste. Außerdem treiben die Rheintöchter es ziemlich wild im Wasser, Eros feuert die Story an.

Das "Rheingold"-Wunder an der Deutschen Oper funktioniert nur mit grandiosen Sängerinnen und Sängern, die zudem voller Lust ihre Figuren spielen. Thomas Blondelle als Feuerteufelchen Loge hat noch vor einer Woche den "Zigeuner"baron in der Komischen Oper gesungen, hier im "Rheingold" als hinterfotziger Mephisto hat er alle mitgerissen. Derek Walton als Wotan, Annika Schlicht als Fricka, Markus Brück als Alberich - sie alle haben die Premiere unter der Leitung von Chefdirigent Donald Runnicles auch musikalisch zu einem einzigartigen Abend werden lassen.

Riesiger Jubel im coronabedingt halb besetzten Haus. Der Regisseur bedankte sich mit einem Luftsprung.

Hintergrund
Stefan Herheim musste Wagners vierteiligen Opernzyklus coronabedingt in ungewohnter Reihenfolge auf die Bühne bringen. Auf Teil zwei, "Walküre" (aufgeführt im September 2020), folgt nun Teil eins, "Rheingold". Teil drei, "Siegfried", wurde ebenfalls schon geprobt.
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Quelle: https://www.rbb24.de/kultur/beitrag/2021/06/deutsche-oper-rheingold-premiere-herheim-.html
 

 

Was andere schrieben
 

 

 

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Premiere an der Deutschen Oper Berlin
Uninspiriertes Rheingold

Ein bisschen Kapitalismuskritik, ein bisschen Eifersuchtsdrama, ein bisschen selbstreferentielles Theater mit Klavierauszug und Flügelhelm. Dlf-Kritiker Uwe Friedrich fehlt in Stefan Herheims Inszenierung von „Das Rheingold“ an der Deutschen Oper Berlin der Fokus. Von Uwe Friedrich

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„Walküre“ in frühen Einspielungen
Schauriger Geniestreich

Vor 150 Jahren Uraufführung von Richard Wagners „Rheingold“

Ambossklänge, Maschinenmusik. Göttervater Wotan und Feuergott Loge machen sich auf den Weg hinab nach Nibelheim, wo die Nibelungen gerade Ring und Hort schmieden, um die danach noch dreieinhalb lange Opernabende hindurch gerungen und gekämpft wird. Wotan will nicht durch die Schwefelkluft, also muss er unter Loges Anleitung durch den Rhein. Der ist in Stefan Herheims Berliner Inszenierung allerdings bloß ein überdimensioniertes Bettlaken, unter dem die beiden hindurch krabbeln. Das Riesenlaken ist neben einem Konzertflügel das Hauptrequisit in diesem Ring, es wird aufgespannt und gerafft, zusammengeknüllt und weggezogen, bietet Projektionsflächen für Blumenwiesen und Berggipfel.

Unscharfe Bild- und Symbolwelt
Arte povera in der Ästhetik der Augsburger Puppenkiste, allerdings ohne die technische Perfektion des legendären Marionettentheaters. Aber der Reihe nach. Zunächst ist die riesige Bühne der Deutschen Oper Berlin leer bis auf einen Konzertflügel. Noch vor dem Beginn der Musik kommt eine Gruppe Flüchtlinge in Kleidung der dreißiger oder vierziger Jahre mit großen Koffern auf die Bühne. So begann im Jahr 2004 in Bonn die „Anatevka“-Inszenierung der früheren Deutsche-Oper-Intendantin Kirsten Harms.

Die vertriebenen Bewohner eines ostjüdischen Shtetl eroberten ein leerstehendes Theater, um ihr Schicksal therapeutisch nachzuspielen und schließlich erneut vertrieben zu werden. Bei „Anatevka“ sind die Assoziationen mit den Asservatenkammern von Auschwitz passend und erwünscht, zu Beginn von Wagners „Ring des Nibelungen“ sind sie zumindest problematisch. Kann man natürlich machen, aber dann muss man auch etwas damit machen.
Bei Herheim bleibt diese Assoziation so merkwürdig unscharf wie die gesamte Bild- und Symbolwelt des Abends. Denn wenig später entkleidet sich die Statistenschar bis auf die Unterwäsche und betreibt zwecks Steigerung der erotischen Stimmung eifrig Kopulationsgymnastik, während Alberich vergeblich versucht, die Rheintöchter zu verführen. Die Statistenschar wird im Lauf dieses langen Abends noch häufiger wie eine Eurythmiegruppe den emotionalen Gebärdendolmetscher machen, wird Eifersucht und Entsetzen tanzen, barmen, schockiert gucken oder einfach teilnahmslos rumstehen. Dann fällt allerdings erst richtig auf, dass auch die Solisten nicht viel mehr zu tun haben als nach alter Väter Sitte beim Singen die Arme auszubreiten.

Einige starke Momente
Ja, es gibt auch starke Momente. Etwa wenn Markus Brück als Alberich den Ring verflucht. Überhaupt schafft er es als einer der wenigen, eine komplexe Figur zu zeigen zwischen Frustration, Gier und Hass. Ihn jedoch als Joker aus den Batman-Filmen zu schminken ist nicht besonders hilfreich. So wird aus dem Füllhorn der Popkulturanspielungen über jeden irgendetwas geschüttet, Donner wirft seinen Hammer wie den Knochen in Kubricks „2001“ durch die Gegend, Loge steckt im Mephisto-Kostüm, Wotan soll dann wohl Faust sein. Da sind natürlich Wehrmacht-Anspielungen und Deutscher Gruß auch nicht fern. Wobei die Verwandlung Alberichs in eine Wehrmachtskolonne an Stefan Herheims ersten Versuch mit dem „Rheingold“ im lettischen Riga erinnert.

Ein bisschen Kapitalismuskritik, ein bisschen Eifersuchtsdrama
Damals hatte er den Vorabend zum „Ring“ als grotesk-komische Familienaufstellung der Wagners verstanden, ließ Cosima und Liszt, Ludwig II. und Nietzsche auftreten und überdrehte die Handlung zur gruseligen Geschichtsrevue. Von dieser Heiterkeit ist in Berlin nichts mehr zu spüren. Stattdessen ein bisschen Kapitalismuskritik, ein bisschen Eifersuchtsdrama, ein bisschen selbstreferentielles Theater mit Klavierauszug und Flügelhelm. Das alles geht mehr als nur ein bisschen schief, denn Herheim nimmt nichts wirklich in den Fokus, die Einzelteile stehen beziehungslos nebeneinander.

„Der Lauteste gewinnt“

Der Bariton Derek Whelton ist ein sehr ordentlicher Wotan, dem Tenor Thomas Blondelle liegt der Feuergott Loge gut in der Stimme, auch Annika Schlicht als Fricka und Judith Kutasi als Erda erfreuen Auge und Ohr. Wenn nur Generalmusikdirektor Donald Runnicles etwas mehr Gespür für Struktur und Klang dieser Musik hätte. Das Orchester der Deutschen Oper spielt zwar souverän, bietet aber nur jenes Minimum an Klangfarben, das durch die Partitur schon unvermeidbar ist. Dass die Farbwechsel in der Instrumentierung eine Bedeutung haben könnten, die harmonischen Übergänge vom einen Ort weg, zu einem anderen Zustand hinführen, das alles lässt sich unter Runnicles allenfalls erahnen.

Gewiss, im „Rheingold“ spielt Wagner noch nicht so souverän mit den Leitmotiven wie später in der „Götterdämmerung“, aber etwas mehr Sinn und Verstand als Runnicles hörbar macht, hat diese Partitur dann doch. Aber schon lange gilt an der Deutschen Oper Berlin „der Lauteste gewinnt“, entsprechend großer Jubel nach den pompösen Schlusstönen dieses uninspirierten „Rheingolds“.
Zitatende

Quelle. https://www.deutschlandfunk.de/premiere-an-der-deutschen-oper-berlin-uninspiriertes.1993.de.html?dram:article_id=498795
 





Der Holländer-Skandal von Leipzig im Jahr 2008
 

 

 

Zitat
Heftiger Streit um Leipziger „Holländer“

Nachdem Regisseur Michael von zur Mühlens Neuinszenierung von Wagners „Der Fliegende Holländer“ am Sonnabend an der Oper Leipzig heftige Zuschauerreaktionen hervorgerufen hatte, verteidigte gestern Leipzigs Kulturbeigeordneter Georg Giradet (FDP) die Kritik des Publikums als „substanziell und begründet“.
Der 29-jährige Regisseur habe seine moralische Position nur sehr vereinfacht und in Schwarz-Weiß dargestellt. Die Zuschauer reagierten mit lang anhaltenden, wütenden Buhrufen und knallenden Türen, Orchester und Solisten wurden streckenweise von den Tumulten im Saal übertönt. Der Richard-Wagner-Verband Leipzig erklärte, es bisher nicht vorstellbar gewesen, dass ein Endzwanziger spätpubertäre Fäkalfantasien auf der Bühne umsetzen dürfe.
Von zur Mühlen zeigt unter anderem Videos von geschlachteten Kühen und Dollarnoten, während Daland seine Tochter an den Holländer verkauft, außerdem sieht man Kampfhunde, die sich minutenlang ineinander verbeißen. Die Leipziger Oper hat die für Mittwoch geplante zweite Vorstellung abgesetzt. Außerdem sollen die Video-Gewaltszenen nicht mehr gezeigt werden. uba
Zitatende

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/heftiger-streit-um-leipziger-hollaender/1346300.html

Gegen diese Produktion verwahrte sich der Richard-Wagner-Verein Leipzig.
Mehrere Pressemitteilungen wurden herausgegeben:

 

 

Zitat

Pressemitteilung 11.10.2008

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Pressemitteilung des Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bitten um Kenntnisnahme und Veröffentlichung der folgenden Stellungnahme:

„Die Würde des Menschen scheint antastbar“
Premiere „Der fliegende Holländer“ am Opernhaus Leipzig

Am 11. Oktober 2008 hatte am Leipziger Opernhaus die Neuinszenierung der Oper „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner Premiere.
Was sich in den weniger als drei Stunden auf der Bühne des Opernhauses abspielte, führte nicht zu Unrecht zu heftigen Protesten und tumultartigen Szenen beim aus ganz Deutschland und dem Ausland angereisten Publikum. Zum Auftakt des ersten Aktes lief auf der zusätzlich installierten Videowand eine tödliche Kampfhundattacke und eine widerliche und Ekel erregende Schlachthausszene, die zu den lautstarken Zuschauerrufen „Video aus !“ führten.
Es ist bedauerlich aber durchaus vorstellbar, dass ein Endzwanziger spätpubertäre Fäkalphantasien sowie eine zutiefst destruktive Weltsicht hat. Es war bisher aber nicht vorstellbar, dass er in Leipzig die Möglichkeit erhält, diese auf der Bühne des Opernhauses umzusetzen.  Die Orgien von Gewalt, Blut und Sex waren eine Zumutung für Chor und Solisten auf der Bühne wie für das Publikum im Saal. Das führte folgerichtig zu massiven Protesten und dem Verlassen des Zuschauersaales durch Besucher jeden Alters.

Die „Inszenierung“, die in sich weder schlüssig noch stimmig war und nur durch die Musik an das Werk des Komponisten erinnerte, war eine einzige Fehlleistung.
Der Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. spricht allen Mitwirkenden auf der Bühne und im Orchestergraben seinen Respekt dafür aus, ihre Pflicht getan zu haben.
Michael von zur Mühlen hat mit dem, was er seine Sicht auf die Oper nennt, jedes Gespür für und jegliche Demut vor dem Werk und der Lebensleistung des  Komponisten vermissen lassen. Das, was er auf die Bühne brachte, einen Skandal zu nennen, wäre zu hoch gegriffen. Es ist eine Beleidigung des Leipziger Komponisten Richard Wagner, der Musikstadt Leipzig und eine Verletzung der Würde von Mitwirkenden wie Publikum. In der Geburtsstadt Wagners dessen Werk und damit das kulturelle Erbe auch dieser Stadt Leipzig so mit Füßen zu treten, ist mit Blick auf das Wagnerjahr 2013 der eigentliche Skandal.
Folgeschäden durch ausbleibendes Publikum werden nicht nur die Oper Leipzig sondern auch die Tourismuswirtschaft langfristig zu spüren bekommen.
Der Verband fordert die Oper Leipzig auf, aus Respekt vor dem Komponisten, den mitwirkenden Künstlern und dem Publikum, die Oper „Der fliegende Holländer“ an den verbleibenden Terminen nur noch konzertant aufzuführen.

Bei allem Verständnis für den Zorn der enttäuschten Besucher, die z. T. lange Reisen nach Leipzig unternommen hatten, distanziert sich der Verband von den erregten Äußerungen einiger Damen aus den alten Bundesländern, die die Inszenierung als „entartete Kunst“ bezeichneten. Solches Vokabular ist dem Richard- Wagner-Verband Leipzig e.V. als auch dem Richard Wagner Verband International e.V. fremd.

Richard ist Leipziger...
Denn in Leipzig wurde er am 22. Mai 1813 am Brühl geboren, hier besuchte er Nikolai- wie Thomasschule und die Universität. In Leipzig wurde sein Verlangen geweckt, Musiker und Komponist zu werden. Gewandhausmusiker Gottlieb Müller sowie Thomaskantor Theodor Weinlig gaben ihm das Rüstzeug dazu. Von hier ging er seinen Weg als Großer der Musikgeschichte.

Richard Wagner Verband International e.V.
Der Richard Wagner Verband International e.V. wurde im Jahr 1991 in Leipzigs französischer Partnerstadt Lyon als weltweite Erweiterung des bereits existierenden deutschen Gesamtverbandes gegründet. Er umfasst heute 149 Verbände mit 38 000 Mitgliedern.
Der deutsche „Richard Wagner Verband e.V.“ wurde als „Richard Wagner Verband deutscher Frauen“ 1908 im Palmengarten zu Leipzig gegründet. Erste Vorsitzende war die Leipziger Lehrerin Anna Held.
Der heutige Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. entstand 1983 und zählt gegenwärtig 153 Mitglieder im In- und Ausland.

Informationen:
Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V.
Geschäftsstelle: Richard-Wagner-Platz 1, 04109 Leipzig
Telefon: 0341 30868933, Fax: 0341 30868935, Mobil: 0177 76 86 01 6
gs@wagner-verband-leipzig.de
www.wagner-verband-leipzig.de

 

Pressemitteilung 14.10.2008

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Pressemitteilung des Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. / 14.10.2008

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bitten um Kenntnisnahme und Veröffentlichung der folgenden Stellungnahme:

Reaktionen nach würdeloser Inszenierung von „Der fliegende Holländer“ an der Leipziger Oper
Übernahme der Verantwortung und konsequentes Handeln gefordert

Der Vorstand des Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. drückt sein Unverständnis über die halbherzigen Reaktionen der Oper Leipzig auf den für Leipzig beispiellosen Umgang mit Publikum, Künstlern, Kunstwerk und dem kulturellen Erbe Richard Wagners aus. Er zollt dem Bariton James Johnson für seinen konsequenten Rücktritt aus dieser Inszenierung Respekt.

Die Verantwortungslosigkeit seitens der Opernleitung, vom Beginn der Proben bis zum Ende der Premiere dem Treiben eines Michael von zur Mühlen keinen Einhalt zu gebieten, ist nicht entschuldbar. Es erscheint auch unvorstellbar, dass der Opernleitung die wirren Motive und Teile der Inszenierung nicht bekannt waren. Dagegen sprechen auch die Relativierungen, die Intendant a.i. Alexander von Maravic sowie Musikalischer Leiter Peter Konwitschny in der Veranstaltung machten, die eigentlich eine Premierenfeier werden sollte. Seit Wochen drangen Unheil verheißende Gerüchte aus der Oper. Am 08.10.2008 erschienen Meldungen in den Medien über eine Verweigerung der Sänger, weil der „Regisseur“ sich an der Partitur des Komponisten vergriff. Bis heute sind Gerüchte nicht verstummt, dass alles noch extremer kommen sollte, sich aber künstlerisches Personal einigen Forderungen widersetzte.

Die am 13.10.2008 erfolgte Ankündigung geringer kosmetischer Änderungen an der Inszenierung lassen darauf schließen, dass die seit der Premiere völlig desavouierte und belastete Inszenierung weiterhin dem Publikum und den Künstlern zugemutet werden soll. Die Ära der Opernleitung v. Maravic / Konwitschny hat damit bereits zu Beginn der ersten Spielzeit einen Tiefpunkt erreicht, wenn fortgefahren werden soll, der Würde von Künstlern und Publikum und den musikalischen Werken Richard Wagners den Respekt zu verweigern.

Richard Wagner und sein Werk scheinen in Leipzig zum Abschuss freigegeben.

Im Gegensatz zu Kulturbürgermeister Girardet , der der Oper mit dieser „Inszenierung“ ein neues Publikum wünscht, ist der Vorstand der Meinung, dass auch das bisherige Publikum ein Anrecht auf schmerzfreien Kulturgenuss in der Oper hat.

Aus Sorge um den Ruf und den Erhalt der Leipziger Oper fordert der Vorstand des Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. die Opernleitung nochmals zu verantwortlichem Handeln auf. Die künstlerisch wertlose und moralisch entgleiste Inszenierung der Oper „Der fliegende Holländer“ ist abzusetzen und dafür das Werk konzertant aufzuführen.

Richtigstellung:
Entgegen dem in den Ausgaben von BILD Leipzig am 13. und 14.10.2008 gemachten Darstellungen handelt es sich nicht um Zitate von Aussagen des Verbandsvorsitzenden Thomas Krakow. Diese Zitate beziehen sich auf die Pressemitteilung des Verbandes vom 12.10.2008.

Richard ist Leipziger...
Denn in Leipzig wurde er am 22. Mai 1813 am Brühl geboren, hier besuchte er Nikolai- wie Thomasschule und die Universität. In Leipzig wurde sein Verlangen geweckt, Musiker und Komponist zu werden. Gewandhausmusiker Gottlieb Müller sowie Thomaskantor Theodor Weinlig gaben ihm das Rüstzeug dazu. Von hier ging er seinen Weg als Großer der Musikgeschichte.

Informationen:
Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V.
Geschäftsstelle: Richard-Wagner-Platz 1, 04109 Leipzig
Telefon: 0341 30868933, Fax: 0341 30868935
Mobil: 0177 76 86 01 6
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Pressemitteilung 16.10.2008

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Pressemitteilung des
Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. / 16.10.2008

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bitten um Kenntnisnahme und Veröffentlichung der folgenden Stellungnahme:

Absetzung der Inszenierung „Der fliegende Holländer“ und konzeptionelle Neuausrichtung der Oper Leipzig

Antrag der CDU-Fraktion im Stadtrat vom 15.10.2008

Der Vorstand des Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. bringt seine Erleichterung zum Ausdruck, dass Vertreter des gewählten Stadtrates zu den für Leipzig beispiellosen Vorgängen am städtischen Opernhaus und dem Umgang mit dem kulturellen Erbe der Stadt Leipzig Stellung beziehen.

Der Vorstand äußert sich nicht zu Personalfragen, die in der Hoheit des Oberbürgermeisters und des Stadtrates liegen. Er weist aber darauf hin, dass der Imageschaden für das Opernhaus und die Stadt auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene noch nicht abzusehen ist. Vorsorglich wurden alle ausländischen Wagner-Verbände über die Vorgänge um die Leipziger Inszenierung der Oper „Der fliegende Holländer“ informiert.

Der Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. dankt der CDU – Fraktion im Stadtrat, dass sie sich seiner Forderung nach Absetzung der „von zur Mühlen – Inszenierung“ anschließt. Er begrüßt ebenso die Forderung nach konzeptioneller Neuprofilierung der Oper Leipzig und stellt dafür seine Kompetenzen zur Verfügung.

Bisher fehlt jeglicher Ansatz für eine würdige Standortbestimmung des gebürtigen Leipzigers Richard Wagner in seiner Geburtsstadt. Er war vor allem Opernkomponist, der ein gewaltiges Werk von internationalem Rang hinterließ, so dass er als der weltweit meistgespielte Komponist gilt. Statt einer nachhaltigen Beschädigung ist die Oper Leipzig der Ort, an dem ihm und seinem Werk, abgesehen vom Festspielhaus Bayreuth, Gerechtigkeit und Anerkennung widerfahren muss. Das war in Leipzig schon einmal Tradition. Im Hinblick auf den 200. Geburtstag dieses Leipziger Musikgenies im Jahre 2013 muss, wie ursprünglich einmal geplant, das gesamte Opernwerk des Komponisten am Leipziger Opernhaus zur Aufführung kommen. Was die Thomaskirche für den ehemaligen Thomaskantor Bach und das Gewandhaus für den ehemaligen Gewandhauskapellmeister Mendelssohn-Bartholdy sind, sollte die Oper für die Pflege des Werkes des Opernkomponisten Wagner sein.

In Anerkennung der künstlerischen Lebensleistung Richard Wagners und als Heilung der entwürdigenden aktuellen Respektlosigkeit gegenüber der Person und dem Werk des Komponisten ruft der Verband die Stadt Leipzig und den Stadtrat dazu auf, die Oper in „Richard-Wagner-Oper Leipzig“ zu benennen.
Nachdem die Stadt Leipzig sich im 125. Todesjahr bzw. zum 195. Geburtstag Richard Wagners bei jeglichen festlichen Aktivitäten zurückhielt, besteht 2009 am 13. Februar oder 22. Mai wieder die Möglichkeit der Würdigung. Es steht ein deutscher Mäzen bereit, der der Geburtsstadt Richard Wagners ein Kunstwerk für das Opernhaus stiften will. Dessen feierliche Übergabe könnte den notwendigen Rahmen für die angemessene Ehrung bilden.

Richard ist Leipziger...
Denn in Leipzig wurde er am 22. Mai 1813 am Brühl geboren und am 16. August 1813 in der Thomaskirche getauft. Hier besuchte er Nikolai- wie Thomasschule und die Universität. In Leipzig wurde sein Verlangen geweckt, Musiker und Komponist zu werden. Gewandhausmusiker Gottlieb Müller sowie Thomaskantor Theodor Weinlig gaben ihm das Rüstzeug dazu. Von hier ging er seinen Weg als Großer der Musikgeschichte.
Informationen:
Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V.
Geschäftsstelle: Richard-Wagner-Platz 1, 04109 Leipzig
Telefon: 0341 30868933, Fax: 0341 30868935, Mobil: 0177 76 86 01 6
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Pressemitteilungen 20.10.2008

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Pressemitteilung des
Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. / 20.10.2008

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bitten um Kenntnisnahme und Veröffentlichung der folgenden Stellungnahme:

Absetzung der Inszenierung „Der fliegende Holländer“ noch immer aktuell

Universitätsmusikdirektor jetzt Ehrenmitglied des Verbandes

Der Vorstand des Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. erhält Reaktionen von Schwesterverbänden aus ganz Deutschland und dem Ausland sowie von Einzelpersonen, die ihn in seiner Haltung zu der skandalösen Inszenierung von „Der fliegende Holländer“ am Leipziger Opernhaus unterstützen.
An die Opernleitung wird nochmals appelliert, den Mut aufzubringen, sich komplett von der Hervorbringung des Michael von zur Mühlen zu verabschieden. Insbesondere ausländische Besucher, die bereits Karten gekauft haben, hoffen, dass die Oper sich mit der konzertanten Variante in kommenden Aufführungen den Realitäten stellt.

Am 15. Oktober 2008 ernannte der Verband den Leipziger Universitätsmusikdirektor David Timm zu seinem Ehrenmitglied. Damit soll die Art und Weise gewürdigt werden, wie Timm sich als erster Inhaber dieses Amtes für das Werk Richard Wagners an der Universität und darüber hinaus verdient gemacht hat.
Der Vorstand verbindet damit die Hoffnung, einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Einheit der Wagnerbewegung in Leipzig unternommen zu haben.

Richard ist Leipziger...
Denn in Leipzig wurde er am 22. Mai 1813 am Brühl geboren und am 16. August 1813 in der Thomaskirche getauft. Hier besuchte er Nikolai- wie Thomasschule und die Universität. In Leipzig wurde sein Verlangen geweckt, Musiker und Komponist zu werden. Gewandhausmusiker Gottlieb Müller sowie Thomaskantor Theodor Weinlig gaben ihm das Rüstzeug dazu. Von hier ging er seinen Weg als Großer der Musikgeschichte.

Informationen:
Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V.
Geschäftsstelle: Richard-Wagner-Platz 1, 04109 Leipzig
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Pressemitteilung 22.10.2008

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Pressemitteilung des
Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V. / 22.10.2008

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bitten um Kenntnisnahme und Veröffentlichung der folgenden Stellungnahme:

Treffen der Vorstände ostdeutscher Wagnerverbände in Leipzig

Auf Einladung des Vorstandes des Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V., dessen Vorsitzender Thomas Krakow gleichzeitig stellvertretender Präsident des Richard Wagner Verband International e.V. ist, findet am 24.10.2008 ein Treffen der Vorstände ostdeutscher Wagnerverbände in Leipzig statt.

Inhalt der Gespräche sind die engere Vernetzung und stärkere Zusammenarbeit im Vorfeld des großen Wagnerjubiläums 2013. Am 22. Mai 2013 begeht die Musikwelt den 200. Geburtstag des Leipziger Komponisten.

Gegenstand der Beratungen ist ebenfalls die derzeitige Situation der Musik- und Wagnerstadt Leipzig und Ihre Rolle als Geburtsort des Komponisten. Dabei geht es um laufende Projekte wie die Neubebauung des Grundstücks, an dem Wagners Geburtshaus stand, den Gestaltungswettbewerb zum Richard – Wagner – Platz und die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses vom 12.12.2007 zur Bildung eines Kuratoriums zur Vorbereitung des Wagner – Jahres.

Informiert werden die Vorstände der Verbände von Mecklenburg – Vorpommern, Berlin-Brandenburg, Dessau, Halle und Magdeburg, sowie Weimar, Eisenach, Chemnitz und Dresden ebenfalls über die aktuelle Inszenierung von Wagners Oper „Der fliegende Holländer“ am Leipziger Opernhaus.
Der Leipziger Verband fordert nach wie vor die Absetzung der Inszenierung und die konzertante Aufführung des Werkes an den verbleibenden Terminen.

Richard ist Leipziger...
Denn in Leipzig wurde er am 22. Mai 1813 am Brühl geboren und am 16. August 1813 in der Thomaskirche getauft. Hier besuchte er Nikolai- wie Thomasschule und die Universität. In Leipzig wurde sein Verlangen geweckt, Musiker und Komponist zu werden. Gewandhausmusiker Gottlieb Müller sowie Thomaskantor Theodor Weinlig gaben ihm das Rüstzeug dazu. Von hier ging er seinen Weg als Großer der Musikgeschichte.

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Zitatende
Quelle: Richard-Wagner-Verband Leipzig

Alle
Beschwerden führten zu nichts.

Die Kritik aus den RW-Vereinen im Osten verkleckerte.
Manch städtischer Angestellter, der sich beteiligt hatte, der Produktion einen Negativstempel aufzudrücken, nahm persönlich Schaden, da das Haus ‘Oper Leipzig‘ von der Stadt Leipzig bedient wird und man Kritik aus den eigenen Reihen nicht vertragen und damit nicht tolerieren wollte.


Andere Holländer-Produktionen, die der vorgenannten wenig nachstanden, kamen und gingen. So wie hier beschrieben:
 

 


https://www.telezeitung-online.de/Kritik_%
     27Der_fliegende_Hollaender%27%27_DO_Berlin-rev..htm


http://www.telezeitung-online.de/
     Bemerkungen_zu_%27Der_fliegende_Hollaender%
     27_in_Freiburg_-_oder_%27Senta_oder_ein_Puppenheim%
     27.htm


http://www.telezeitung-online.de/
     Bemerkungen_zu_'Der_fliegende_Hollaender'_
     oder_'Die_Irre_von_Sandwike'.htm

Bemerkungen_zum_'Hollaender'_in_Wuerzburg.htm

http://www.telezeitung-online.de/
     Damals_in_Regensburg_23.09.2005_Kritik_%
     27Der_fliegende_Hollaender%27_Theater_Regensburg%27.htm

 

http://www.telezeitung-online.de/
     Thema_des_Tages_26._Maerz_2017_'Holaender'_HAJ.htm
   

http://www.telezeitung-online.de/
  
   Thema_des_Tages_30._Juni_2017_
      'Hollaender'_Oberammergau'.htm


 

 



 

Bayreuther Festspiele 2021
 

 

 

Zitat
Der fliegende Holländer

Besetzung 2021
 

Musikalische Leitung

Oksana Lyniv

Regie

Dmitri Tcherniakov

Bühne

Dmitri Tcherniakov

Kostüm

Elena Zaytseva

Licht

Gleb Filshtinsky

Dramaturgie

Tatiana Werestchagina

 

Daland

Georg Zeppenfeld

Senta

Asmik Grigorian

Erik

Eric Cutler

Mary

Marina Prudenskaya

Der Steuermann

Attilio Glaser

Der Holländer

John Lundgren

 



Der fliegende Holländer

Romantische Oper in drei Aufzügen

Libretto: Richard Wagner
Originalsprache: Deutsch
Uraufführung: 2. Januar 1843 Dresden

Personen
Daland, norwegischer Seefahrer (Bass)
Senta, seine Tochter (Sopran)
Erik, ein Jäger (Tenor)
Mary, Sentas Amme (Mezzosopran)
Der Steuermann Dalands (Tenor)
Der Holländer (Bass)

Handlung
Die norwegische Küste, um 1650

Erster Aufzug
Dalands Schiff wurde auf der Heimfahrt vom Sturm überrascht und ankert in einer Bucht, um günstiges Wetter abzuwarten. Die Mannschaft begibt sich zur Ruhe. Auch der von Daland als Wache eingeteilte Steuermann schläft ein („Mit Gewitter und Sturm“). – Mit blutroten Segeln naht in schneller Fahrt ein schwarzes Schiff und wirft neben Dalands Fahrzeug Anker. Ein bleicher Mann in dunkler Kleidung betritt das Ufer. Es ist der fliegende Holländer, der wegen einer Gotteslästerung dazu verdammt wurde, ruhelos die Meere zu befahren. Nur alle sieben Jahre darf er an Land gehen. Die Liebe einer treuen Frau allein kann ihn erlösen. Wieder einmal sind die sieben Jahre verstrichen (Monolog „Die Frist ist um“).
Daland bemerkt das Schiff und kommt mit dem Fremden ins Gespräch, der ihm für ein Obdach in seinem Haus reiche Schätze bietet. Als Daland seine Frage, ob er eine Tochter habe, bejaht, bittet er sogleich um ihre Hand. Daland sieht in dem Mann einen reichen Schwiegersohn und fordert ihn auf, die Heimreise gleich mit ihm zusammen anzutreten. Beide Schiffe stechen in See.

Zweiter Aufzug
In Dalands Haus sitzen die Mädchen, unter ihnen Dalands Tochter Senta, beim Spinnen. Senta allein ist wie entrückt, immer wieder betrachtet sie das Bild des fliegenden Holländers, jener Sagengestalt, die allen Seefahrernationen wohl bekannt ist. Sie singt ihren Freundinnen eine Ballade, in der das traurige Los des Ruhelosen geschildert wird. Dabei steigert sie sich in Ekstase, sie selbst möchte das Opfer bringen und den Unseligen erlösen (Ballade „Johohoe! Traft ihr das Schiff im Meere an“).<
Erik, Sentas Verlobter, tritt ein und berichtet, dass der Vater heimgekehrt sei. Sentas seltsame Erregung berührt ihn schmerzlich. Er versucht, wie schon oft, ihr Herz für sich einzunehmen. Senta weist ihn zurück. Beunruhigt erzählt er ihr einen Traum, in dem sie mit einem Fremden aufs Meer hinauszog (Szene „Auf hohem Felsen“). In dieser Erzählung aber sieht Senta einen Hinweis auf ihre Aufgabe, den Unglücklichen zu erlösen. Entsetzt verlässt Erik das geliebte Mädchen. Daland tritt ein und stellt wortreich den Fremden vor, der nicht nur Gast des Hauses, sondern auch ein Bewerber um ihre Hand sei (Arie „Mög'st du, mein Kind“). Kaum achtet Senta auf des Vaters Worte, entgeistert stehen sie und der Holländer einander gegenüber (Duett „Wie aus der Ferne längst vergangner Zeiten“). Senta gelobt ihm ewige Treue, der Fremde warnt sie vor dem selbst gewählten Los, dennoch sieht sie ihre Aufgabe im Liebesopfer. Der Holländer empfindet erstmals die Hoffnung, seinem Fluch entrinnen zu können.

Dritter Aufzug
Am Ufer vor Dalands Haus feiern die Dorfbewohner und die norwegischen Matrosen die glückliche Heimkehr (Chor „Steuermann, lass die Wacht“). Das Schiff des Holländers liegt schwarz und schweigend da. Als die Feiernden hinüberrufen und die offenbar tote Mannschaft höhnen, erwacht das Geisterschiff plötzlich zu schaurigem Leben. Dumpfe Gesänge tönen herüber, die gespenstische Mannschaft zeigt sich, und ein Sturm jagt die frohe Gesellschaft auseinander. Noch einmal versucht Erik, Senta von ihrem Vorhaben abzuhalten, beschwörend erinnert er sie an seine Liebe und Treue (Arie „Willst jenes Tags“). Der Holländer hat beide von ferne beobachtet und glaubt, dass Senta in ihrer Treue wanke. Er befiehlt seiner Mannschaft, das Schiff klarzumachen. Ohne auf Sentas Beteuerungen zu achten, bereitet er die Abreise vor. Dem herbeigeeilten Volk offenbart er mit leidenschaftlichen Worten sein furchtbares Schicksal. Auch Senta wäre der ewigen Verdammnis verfallen. Nur weil sie die Treue noch nicht vor dem Altar gelobt habe, könne sie gerettet werden. Doch Senta besiegelt ihre Treue mit dem Tod: Von einer Felsenklippe wirft sie sich ins Meer. Gleichzeitig versinkt das gespenstische Schiff; auch der Holländer ist nun erlöst. Wie eine Vision schweben beide Gestalten zum Himmel.

 


Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus:
© Harenberg Kulturführer Oper,
5. völlig neu bearbeitete Auflage,
Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus
Zitatende
Quelle:
https://www.bayreuther-festspiele.de/programm/auffuehrungen/der-fliegende-hollaender/

 

Bemerkungen zur szenischen Umsetzung von
‘Der fliegende Holländer’ -
Bayreuth 25. Juli 2021 / 11. August 2021

Die Frau im ausgehenden 18. Jahrhundert und 19. Jahrhundert lebte auf verschiedenen Ebenen:

1.    die Herrschaftsebene der Landesfürsten
2.    die bürgerliche Ebene der Verleger, Fabrikbesitzer
3.    die Ebene der Handwerksbetriebe und Bauern
4.    die Ebene der Landarbeiter, Heimwerker, Kleinhandwerksbetriebe, Hauspersonal

Die Herrschaftsebene war durch das Gottesgnadentum nach allen Seiten abgesichert; die Frau aber auch hier verdrängt in den Bereich der Gesellschaftsdame im Haus und die Mutter der Kinder, der allerdings genügend Personal zur Erziehung und Aufzucht der Kinder zur Verfügung stand.

Die bürgerliche Ebene unterschied sich von der herrschaftlichen nur durch die zur Verfügung stehende Geld und Personalmenge.

Die Situation auf der untersten Ebene war die durch die Lebensumstände entschieden schlechteste.
Durch die biologische Tatsache, dass die Frau durch in kürzesten Abständen immer wiederkehrende Schwangerschaften an das Haus oder nur den Hausgarten gebunden war, ergaben sich die grundsätzlichen Arbeitsteilungen zwischen Haus und Außenwelt. Die Frau war ausgeschaltet aus allem, was sich in der Stadt oder Gemeinde an öffentlichen Aufgaben ergab. Die aufkommenden genossenschaftlichen Regulierungen – von den Männern unter sich abgemacht – gaben diesen die Einbildung einer Überlegenheit den Frauen gegenüber. Die hinzukommende Ausgrenzung der Frau durch die Kirche förderte noch deren Isolierung.

Lernprozesse vollzogen sich neben einer Grundschulbildung nur durch Weitergabe von Selbsterlerntem. Auch hieraus leiteten sich Machtbefugnisse ab, da der Wissende einen höheren Stand hatte.
Die Berufsarbeit in den unteren Ständen bezog sich bei der Frau auf die Heimarbeit, wenn nicht allein, so doch meistens zusätzlich zur Feldarbeit. Eine Diskriminierung der Frau blieb hier weitgehend aus, da es sich bei Ablieferung der Ware aus Heimarbeit nicht auswirkte, ob diese vom Mann oder der Frau hergestellt worden war. Hinzu kam, dass die Frau bei dieser Art von Hausindustrie auch die Kinder beaufsichtigen und aufziehen konnte. Meist war dann der Wohnraum gleichzeitig auch der Werkraum, in dem der Webstuhl, das Spinnrad oder die Werkbank für den Mann als Nebenerwerb stand. Gesundheitliche Schäden durch Einatmen von Leim- oder giftigen Farbdämpfen sowie der Abrieb bei Schieferarbeiten waren der Grund für schwere Erkrankungen und frühen Tod.

Die Situation der Frau in der Gesellschaft veränderte sich besonders durch die mechanische Revolution – die Einführung der Dampfmaschine z.B. mit der Möglichkeit des Betriebs mehrerer Webstühle durch eine Krafttransmission. Der Aufstand der mehr als ein Hunderttausend bedürftigen Weber in Schlesien im Juni 1844 zeigte das ganze Elend der Familien. Die Hungrigen verschmähten weder den Mehlkleister, mit dem das Schlussgarn bestrichen wurde, noch Maikäfer als Suppeneinlage.
Besonders die Einführung der Nähmaschine revolutionierte die Heimarbeit der Frau, da sie die Schneiderei, Putzmacherei, Schusterei unmittelbar beeinflusste.

Richard Wagner kennt also seit frühester Jugend die Situation der Frau. In seiner Familie ist die Mutter auch in Abhängigkeit vom Ehemann Friedrich Wagner, der - ein Polizeiaktuator – schon zum gehobenen Bürgerstand gehört.
Der nach dem Tod des Vaters folgende Ludwig Geyer, Schauspieler und Portraitmaler, verstärkt die künstlerische Ausrichtung der Familie deutlich. Den Schwestern eröffnet sich als Berufswahl die Bühne, auch die Brüder gehen zum Theater, einer von ihnen wird Goldschmied.

Durch die Einheirat der Schwestern Ottilie und Luise Wagner in die Familie Brockhaus und Cäcilie in die Familie Avenarius entsteht für diese die direkte Abhängigkeit von ihren Ehemännern im Rahmen eines Großbürgertums.

Wie sah Richard Wagner die Situation der Frau?
Geprägt wurde seine Einstellung selbstverständlich durch sein Umfeld. Die Schwestern sahen nur die Möglichkeit, sich zu verselbständigen in der Aufnahme einer Tätigkeit als Gouvernante, dafür war aber sehr gute Schulbildung und der Hang zu Erziehung und Pflege erforderlich.

Ansonsten blieb nur die fahrende Sängerin oder Schauspielerin sowie die Mutter durch Heirat und im schlimmsten Falle die alleinerziehende Frau.

Bei der Aufnahme der Tätigkeiten spielte das Alter der Frau natürlich eine Rolle.

Nur als junge ließ sich Karriere machen, die dann meistenfalls doch in einer Ehe endete, wenn nicht die ‘komische Alte‘ auf der Bühne noch in späteren Jahren in Frage kam..

Richard Wagner sah seine Frauenfiguren Senta, Elisabeth und Elsa in den heute meist gespielten Werke Holländer, Tannhäuser Lohengrin als junge Liebhaberinnen, die am Rande der Pubertät – damals so spät in der 10-Dekade also bis 19 oder in den ersten Jahren der 20-er sich abspielte.

Für dieses Rollengefüge war Anja Silja die perfekte Protagonistin. Sie sang mit 20 Jahren in Bayreuth die Senta und verkörperte die junge Frau, die ein Bild von einem Mann anschmachtete, den sie sich zum Partner wünschte und für den Sie “treu bis in den Tod“ bleiben wollte.
 

 

 

Zitat
BR-KLASSIK: Auf der einen Seite ist es nachvollziehbar, dass Sie aufgehört haben, Wagner-Partien zu singen, nachdem Wieland Wagner gestorben war. Dann gibt es eine andere Seite, wo man denkt, Sie haben die ja von Kindesbeinen an gelernt, die sind ihnen ja so nah und vertraut. Diese Rollen müssen Ihnen doch die ganze Zeit im Kopf herumgehen.

Anja Silja: Naja, das ist das Merkwürdige an Wagner, denn er hat ja eigentlich für junge Menschen geschrieben. Das ist ja das große Problem. Isolde, Eva, Senta - das sind ganz junge Menschen mit den Emotionen der Jugend. Das geht für den normalen Menschen irgendwann vorbei, und dann kommen die sogenannten Erwachsenenrollen. Und deshalb ist das abgehakt - nicht nur wegen Wieland. Wir hatten ja auch schon viel anderes gemacht. Dann wurde das natürlich altersgerecht, und damit konnte man sich identifizieren.  
Zitatende
Quelle: https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/anja-silja-sopranistin-artaserse-wiederaufnahme-interview-100.html

 

‘Der sonderbare, immer wiederkehrende Traum des H.‘

So der Titel, den der Regisseur auf der Projektionsfläche während der Ouvertüre im Bayreuther Festspielhaus am 11. August 2021 erscheinen lässt.

Dann eine Frau mit Kind an der Hand, wegen Gazevorhang schwer zu erkennen,
...

Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

   ... das sie nach rechts wegschickt.

Ein Mann – nach unbestätigten Äußerungen von Mitarbeitern der Bayreuther Festspiele soll es sich hier um Daland, einen Seefahrer aus norwegischer  Gegend handeln - taucht aus dem Hintergrund auf, macht sich an die Frau ran, sie küsst dem Mann die Hände, dann umschlingt er sie und küsst sie auf den Mund, presst sie an die Wand, man windet sich in der Umarmung, das Kind kommt von rechts, sieht die beiden, die Frau erschrickt, zieht das Kind hastig quer über die Bühne nach links ab.

Der Mann zündet sich eine Zigarette an, bleibt stehen, geht nach links hinten ab.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Von links das Kind aus einer der Türen – ohne Kapuzenmantel – tänzelt über die Bühne -eilt nach links ab, als es der Frau, die von rechts auftritt, ansichtig wird.

Die Frau bleibt stehen, spielt eine Frierende, rennt dem Mann entgegen, der von links wieder auftrat, sie rangeln miteinander – da schmeißt er sie nach rechts zu Boden.



Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Der Mann eilt nach rechts ab, die Frau erhebt sich, wischt sich das durch den Sturz zerschundene Knie ab.

Plötzlich treten aus allen Öffnungen, die der Bühnenbildner  - ein Herr Tcherniakov - gelassen hat, Menschen auf.

Sie tragen für die Nr. 1 (Seite 21 – KA Edition Peters) Sitzgelegenheiten herbei, auf denen sie flugs Platz nehmen, erheben sich wieder, um ein Tänzchen zu wagen, setzen sich wieder.

Von rechts die Frau, nimmt ganz am Rande der Gruppe Platz, die Gruppe erhebt sich, setzt sich von der Frau ab, so dass diese – in sich zusammengesunken - isoliert am Rande der Szene verbleibt.

Die Gruppe erhebt sich wieder und geht in bedrohlicher Formation auf die Ausgestoßene zu, diese erhebt sich und die Gruppe zieht sich mitsamt dem von ihr hereingetragenen Mobiliar nach links auf die Hinterbühne zurück.

Die Frau stürzt nach hinten.

Ein Mann öffnet von innen eine Tür in der rückwärtigen Hausfassade, er schüttelt den Kopf und lässt die Frau nicht eintreten.

Licht aus – Licht an

Die Frau ist abgegangen, rechts am Portal sitzt das Kind.
Aus der Fassade lässt sich die Frau am Galgen hängend fallen.




Das Kind versucht ihr einen Schuh auszuziehen.

Licht aus – Licht an

Die Aufbauten haben sich gedreht, die Bühne zeigt links einen Kiosk mit Freisitzen, rechts steht ein Mann, der schaut auf die Fassade eines Hauses hinauf.



Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Die Leute am Kiosk singen die Nr. 1 Introduktion ihr

Johohe! hallajo! hohoha! hallojo!


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Mitten in der Gruppe sieht man einen Herrn – ca. Ende Vierzig - sitzen, der mit bemerkenswerter Routine stumme Jule spielt. Es handelt sich - unschwer zu erkennen - um Daland, einen Seefahrer, den Richard Wagner vor Beginn der Oper durch einem Sturm hier an Land gespült hat.

Dieser Daland meint nun:
Kein Zweifel! Sieben Meilen fort
trieb uns der Sturm vom sich’ren Port.
So nah‘ dem Ziel nach langer Fahrt,
war mir der Streich noch aufgespar’t!

Die Gruppe löst sich auf und die einzelnen Personen gehen jeweils seitlich der Theke ab.

Daland gibt Order:
Nun, Steuermann, die Wache nimmst du wohl für mich?
Gefahr ist nicht, doch gut ist’s, wenn du wachst
.


Ein Teil der Männer bleibt an den Tischen sitzen und trinkt weiter.
Beim nach hinten rechts abgehend bemerkt Daland einen Gast, der schweigsam am Ende eines Tisches sitzt.
Der Steuermann setzt sich links zu den verbliebenen Burschen, klopft an ein Glas und singt sein
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer,
mein Mädel, bin dir nah!


Die Burschen amüsieren sich und lachen lauthals in die Szene hinein.
Der Steuermann fällt vom Stuhl, reißt einen Tisch mit um, der dann mühsam wieder zusammengesetzt werden muss.

Die seitlich der Kiosk-Theke angebrachte Uhr zeigt inzwischen 16.37.

Der Steuermann ist am Tisch eingeschlafen.

Der Fremde am Kopf des Tisches steht auf, geht an die Theke und macht dem Wirt eine Geste, dass er für die verbliebenen Mannen ‘einen ausgibt‘ und die Zeche bezahle. Er kehrt wieder an seinen Platz zurück, setzt sich, zündet sich eine Zigarette an.

Die Mannschaft schaut betreten zu Boden, rutscht auf den Stühlen hin  


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele


   und her und wartet darauf, dass der Fremde etwas sagt.

Und der hebt an zu singen und singt ihnen mit der Arie, der Nr. 2, die Story vom fliegenden Holländer
Die Frist ist um, und abermals verstrichen
sind sieben Jahr.

klappernd bricht der Tisch, an dem der Steuermann schläft, zusammen.

Bei
War ich Unsel’ger Spielwerk deines Spottes,
als die Erlösung du mir zeigtest an?

schlägt der Fremde auf die Tischplatte, dass von der Erschütterung Flaschen zu Boden gehen.

Vergeb’ne Hoffnung! Furchtbar eitler Wahn!
Um ew’ge Treu auf Erden, ist’s getan!


Nun gibt der Fremde dem Wirt ein Zeichen, die Rechnung zusammenzustellen, worauf er
mit dem
Nur eine Hoffnung soll mir bleiben
fortfährt.

Wieder schlägt er – nun nach dem
so lang der Erde Keim‘ auch treiben,
mit der Faust auf den Tisch, setzt dann seine Rede fort, zahlt die Zeche mit Bargeld, als der Wirt ihm die Rechnung bei dem
Ihr Welten, endet eu’ren Lauf!
ew’ge Vernichtung, nimm‘ mich auf!

präsentiert.

Die restliche Mannschaft verabschiedet sich von dem Fremden per Handschlag und verlässt die Szene nach hinten durch die Mitte.

Es bleiben jeweils sitzend - links der dösende Steuermann, rechts der Fremde.


Es ist inzwischen 17.02 Uhr auf der Kiosk-Uhr geworden, als Daland von hinten durch die Mitte die Bühne für die Nr. 3 - Szene, Duett und Chor - betritt und zur Ordnung ruft.
He! holla! Steuermann!

Der rafft sich auf und fragt den Fremden

Gebt Anwort! Schiff und Flagge?

Darauf Daland lachend zum Steuermann
Lass ab! Mich dünk’t, ich seh‘ den Kapitän!

Interessant ist hier, dass Daland auf Geheiß des russischen Regisseurs sofort den Dienstgrad dieses Mannes erkennt, der in einem kurz geratenen Mantel und einem dick-grob gestrickten Pullover mit Jeanshose und Turnschuhen, ohne die üblicherweise innerhalb einer Crew, sei es nun beim fliegenden Personal oder beim schwimmenden an der Adjustierung – es sind auch bei der ‘Aeroflot‘, der russischen Staatsairline oder in der russischen Seefahrt, die typischen vier Streifen an den Ärmeln des Jackets und die Goldtrense an der Mütze - gekennzeichnet ist - und den Fremden gleich mit  K a p i t ä n   anspricht:
He! holla! Seemann! Nenne dich! Wess‘ Landes?
Inzwischen baut der Steuermann den zusammengefallenen Tisch wieder zusammen, was ihm einige Mühe bedeutet.

Man sitzt und macht sich bekannt.
Der Fremde ist Holländer, so behauptet der es jedenfalls.

Auch Daland ist durch den Sturm hier in die Bucht abgetrieben worden

Mir ging’s nicht besser. Wenig Meilen nur
von hier ist meine Heimat, fast erreicht,

musst‘ ich aufs Neu‘ mich von ihr wenden.


Der Holländer lädt Daland ein, sich zu ihm an seinen Tisch zu setzen. Der Steuermann, der mitkommen will, wird zurückgewiesen.

Daland bestellt beim Wirt Getränke. Inzwischen beginnt der Holländer seine Schilderung

Durch Sturm und bösen Wind verschlagen,
irr‘ auf den Wassern ich umher;
wie lange? weiss ich kaum zu sagen,
schon zähl‘ ich nicht die Jahre mehr.

Bedeutsam schaut Daland immer wieder zum Steuermann hin, als könne er es nicht fassen, was ihm der Fremde da erzählt. Und auch der zweifelt.

Da winkt der Fremde Daland zu sich heran und fragt

Vergönne mir auf kurze Frist dein Haus,
und deine Freundschaft soll dich nicht gereu’n!

[…]

Mit Schätzen aller Gegenden und Zonen
ist reich mein Schiff beladen; willst du handeln,
so sollst du sicher deines Vorteils sein.

Daland wird neugierig, rutscht näher an den Holländer heran und fragt

Um dir zu frommen, biet‘ ich, was ich kann…
doch darf ich fragen… was dein Schiff enthält?


Und der antwortet:

Die seltensten der Schätze sollst du sehn;
kostbare Perlen, edelstes Gestein.
Blick hin, und überzeuge dich vom Werte
des Preises, den ich für ein gastlich Dach
dir biete!

Daland kann es nicht fassen

Wie? ist’s möglich? diese Schätze!
wer ist so reich, den Preis dafür zu bieten?


Man steckt die Köpfe zusammen, denn nun macht der Holländer klar, was er als Gegenleistung verlangt
.



Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele


Und da legt der Holländer die Karten auf den Tisch:

All meinen Reichtum biet‘ ich dir, wenn bei
den Deinen du mir neue Heimat giebst.

DALAND
Was muss ich hören!

HOLLÄNDER
Hast du eine Tochter?

DALAND
Fürwahr, ein treues Kind.

HOLLÄNDER
Sie sei mein Weib!

Das ist natürlich schon erstaunlich und Daland kann nur fragen
Wie? Hört ich recht? Meine Tochter sein Weib

Aber es ist ja, wie es ist!

Man wird handelseinig.
Daland bestätigt den Deal
Mich rührt dein Los; freigebig, wie du bist,
zeigst Edelmut und hohen Sinn du mir;
den Eidam wünscht ich so, und wär dein Gut
auch nicht so reich, wählt ich doch keinen and’ren.


Der Steuermann steht daneben, hört zu und amüsiert sich.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Daland ist mit dem Handel einverstanden, man setzt sich rund um den Tisch und bekundet
Der nächste günst’ge Wind bringt uns nach Haus‘;
du soll’st sie seh’n; und wenn sie dir gefällt.


Und dann
Ja! dem Mann mit Gut und hohem Sinn
geb‘ froh ich Haus und Tochter hin!


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Plötzlich fällt dem Steuermann auf, dass sich der Wind gedreht hat und die Weiterfahrt möglich ist.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Eingehakt trollen sich Daland und der Holländer.

Der Freisitz vor dem Kiosk wird geschlossen, eine Jalousie heruntergelassen, Stühle und Tische beiseite geräumt.

Inzwischen ist es auf der Kiosk-Uhr 17.36 geworden.

Bühnenaufbauten drehen sich, geben zum Lied


Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer,
mein Mädel, bin dir nah! Hurrah!
Über sturmhohe Flut vom Süden her,

mein Mädel, bin ich da! Hurrah!
Mein Mädel, wenn nicht Südwind wär‘,
ich nimmer wohl käm‘ zu dir!
Ach! Lieber Südwind, blas‘ noch mehr!
Mein Mädel verlang’t nach mir.
Ho! Ho! Joloho! Hoho hohoho!

Den Blick auf einen Dorfplatz – umgeben von Häuserfassaden – frei.

Frauen der Gemeinde strömen hinzu, bringen für Nr. 4 – Szene, Lied und Ballade eigene Sitzgelegenheiten mit

 
Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele


Links vorne – in einen grobgestrickten Wollmantel gehüllt – Frau Mary.

Sie hängt ihre Tasche über ihre Stuhllehne, setzt sich und fröstelt, denn es scheint ihr kalt zu sein. Dann schlägt sie einen Klappordner auf.

Die Damen vor ihr tun nämliches und beginnen mit ihrem
Summ‘ und brumm‘, du gutes Rädchen,
munter, munter, dreh‘ dich um!


Frau Mary steht von ihrem Sitz auf, nimmt einen Becher vom Boden mit wohl Trinkbarem, erhebt sich, geht vor den Damen auf und ab und mahnt, sie sollten schön weitermachen, wobei ihr auffällt
Du aber, Senta, schweigst dazu?


Senta – eine kühle Blonde, bei der man mal den Scheitel der Perücke nachbleichen sollte, saß zwischen den übrigen Damen – springt jetzt auf und läuft nach hinten in ein Haus.

Die Damen singen weiter und kommen zu der Textstelle
Fleissig, Mädchen!
Brumm‘! Summ‘!
Gutes Rädchen!

Tra la ra la…


… als Senta hinten wieder aus der Tür tritt, rechts nach vorne kommt, Frau Mary anschaut, die blickt freundlich zurück, schlürft bisweilen aus ihrer Tasse und meint
zu Senta:


Du böses Kind, wenn du nicht spinnst,

vom Schatz du kein Geschenk gewinnst
.

Senta motzig, rotzig, flotzig, provokant, zieht sich die Kapuze ihres braunen Mantels über, hampelt umeinander, tut so als könne sie den Damenchor dirigieren, dann greift sie nach der Tasche von Frau Mary, die ja über der Stuhllehne hängt, greift hinein und holt eine übergroße Autogrammpostkarte von einem Männergesicht heraus, das sie herumzeigt.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Spöttisch – sie nimmt die ganze Situation nicht ernst – fragt sie Frau Mary

Was hast du Kunde mir gegeben,
was mir erzählet, wer er sei?
Der arme Mann!


Mary
Gott sei mit dir!

Mädchen
Ei, ei! Ei, ei! Was hören wir!
Sie seufzet um den bleichen Mann!

Mary
Den Kopf verliert sie noch darum!

Mädchen
Da sieht man, was ein Bild doch kann!

Mary
Nichts hilft es, wenn ich täglich brumm‘!
Komm! Senta! Wend‘ dich doch herum!

Frau Mary zuckt die Schultern, als wüsste sie nicht, was Senta meint.

Die flegelt weiter, nimmt eine Zigarette aus der Schachtel und fängt an zu paffen.

 


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele


Sie wirft die Zigarettenschachtel in die Luft, während die Damen ihr

Sie hört Euch nicht – sie ist verliebt!
Ei, ei! Wenn’s nur nicht Händel gibt!
Denn Erik hat gar heisses Blut –
dass er nur keinen Schaden tut!
Sagt nichts – er schiesst sonst wuth-entbrannt,
den Nebenbuhler von der Wand!
Ha ha ha ha.
von sich geben.

Senta entschließt sich, aus der Nr. 4, die Ballade selber zu singen.

Frau Mary hängt ihre Tasche wieder über die Stuhllehne, setzt sich vorne links auf ihre Sitzgelegenheit, nimmt ihren Aktendeckel zur Hand und beginnt darin rumzuschreiben, gelegentlich radiert sie auch wieder was aus, während Senta ihr

Johohohe! Johohohe! Johohohe! Johohe!

und das Folgende singt, wobei sie die Autogrammpostkarte des Holländers (wohl ein Jugendfoto von Herrn Lundgren) aus der Tasche zieht und es herumzeigt.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele



Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele


Die Damen sind entzückt, auch mal das Autogrammfoto des Heldenbaritons in der Hand halten zu dürfen.



Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele


Das nimmt Senta den Damen wieder weg, wedelt damit herum und auch Frau Mary darf es ihr nicht abnehmen.

Senta kann die ganze Situation offensichtlich nicht ernst nehmen, hampelt umeinander, hat wohl die Situation nicht begriffen und man hat ihr wohl auch die Story nicht verdeutlicht.

Im Gegenteil hat man ihr irgendwas erzählt, so dass die ganze Angelegenheit sich für sie nicht im Sinne Richard Wagners erschließt.
Immerhin singt sie seinen Text mit dem entscheidenden Wortlaut:

Ich sei’s, die dich durch ihre Treu‘ erlöse!
Mög‘ Gottes Engel mich dir zeigen!
Durch mich sollst du das Heil erreichen!


Alles nur eine Marotte?
Weiß sie, was sie singt?

Das Ganze geht eine beträchtliche Weile gut.

Dann aber erscheint plötzlich Erik hinten auf der Szene, Senta setzt sich plaschtig auf den Boden, raucht sich eine, während Erik vorwurfsvoll fragt:
Senta! Willst du mich verderben?

Nichts anderes hat sie vor. So jedenfalls wollte es der Dichterkomponist, aber was schert einen Regisseur eine dramaturgische Vorgabe Richard Wagners.

Erik teilt mit:
Der Vater kommt,

Senta hebt die Arme, so nach dem Motto: „Na, wenn schon, is mir doch Wurscht!“ :
Der Vater kommt?

Erik bestätigt
Vom Felsen sah‘ sein Schiff ich nah’n.

und die MÄDCHEN jubeln

Sie sind daheim!

Alles wuselt durcheinander – nun sind die Damen beschäftigt, die Willkommensfeier zu gestalten,
Ach! Wie viel hab‘ ich ihn zu fragen!
Ich halte mich vor Neugier nicht.


Die Chordamen nehmen die Sitzgelegenheiten beim Abgehen mit, so dass die Bühne sich auch von Requisiten leert.

Senta sitzt am Boden und pafft Rauchwölkchen in die Luft.

Erik tippt ihr auf die Schulter, sie erhebt sich.
Gelangweilt hört sie Erik zu, ringelt sich um den Laternenpfahl herum.

Bei seinem
Du willst mich flieh’n?

versucht er, sie am Ärmel festzuhalten.
Sie reißt sich los.

Dann hampelt sie links um die Hausecke herum, als langweile sie das alles in höchstem Maße, was Erik mit


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

vorträgt.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Die Vorwürfe wegen des Bildes, der Ballade weist sie mit großmächtigen Gesten zurück
Ich bin ein Kind und weiss nicht was ich singe.

Da hüpft sie auf der Bühne herum, als sei sie ein kleines Mädchen, dass von einer Trottoireplatte – ‘Himmel und Hölle‘ – zur nächsten springt.

Sie quält ihn, nimmt ihn nicht ernst, zerrt an seinem Mantel:
wickelt ihn ein.



Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Man ringt miteinander, schlägt aufeinander ein
und dann

SENTA
Er sucht mich auf! Ich muss ihn seh’n!

ERIK
Entsetzlich! Ha, mir wird es klar!

Bühnenaufbauten drehen sich.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Senta geht nach rechts, lehnt sich an einen Laternenpfahl.
Will sie sich tatsächlich opfern?
Auf einmal folgt sie den Vorgaben des Autors?
War sie doch vorher voller Spott über die Geschichte des Holländers. Schon während der Ballade und danach zeigte sie in ihrem Verhalten der Frau Mary und dem Chor gegenüber durch theatralische Gestik und übertriebene Mimik, was sie von allem hält.

Nun also
Ach, möchtest du,
bleicher Seemann, sie finden!
Betet zum Himmel, dass bald ein Weib
Treue ihm…

Nr. 6 – Finale
Arie, Duett und Terzett

In der Mitte wird eine Glasveranda – an eine Hausfassade angelehnt – erleuchtet. In ihr tritt der Holländer aus einer Tür, Senta sieht ihn und erschrickt
Ha!

Langes Tacet für das Orchester während dessen sich die beiden stumm anschauen.
Senta zerrt sich den runtergerutschten Mantel wieder hoch. Der Holländer tritt wieder in das Innere des Hauses zurück.

Senta bleibt am Laternenpfahl und zieht – als sie Daland durch dieselbe Tür, durch die der Holländer eben abgegangen ist, eintreten sieht – einen Flunsch wie ein ungezogenes Blag.

Dann auf die Frage Dalands
Mein Kind, du siehst mich auf der Schwelle.
Wie? Kein Umarmen, Keinen Kuss?
Du bleibst gebannt an deiner Stelle;
verdien‘ ich, Senta, solchen Gruss?

… führt Senta provozierend einen Hofknicks aus


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Gott dir zum Gruss!

und weiter
Mein Vater, sprich!
Wer ist der Fremde?

Auftritt Frau Mary durch die Tür im Hintergrund der Veranda – sie trägt ein übergroßes Tischtuch herein und beginnt die Tafel für ein Familienessen vorzubereiten.
Dieser Vorgang hält die ganze Zeit über an, während
Daland mit seiner Arie
Mög’st du, mein Kind, den fremden Mann willkommen heissen?
Seemann ist er, gleich mir,
das Gastrecht spricht er an.
erläutert, um wen es sich bei dem Fremden handelt.

Ganz offensichtlich wurde hier eine neue Story eingefügt, denn Frau Mary und Daland sind ein Paar.



Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Auftritt Holländer durch die Tür im Hintergrund der Veranda.
Daland preist weiter seine Tochter Senta in schillerndsten Farben.
Lang‘ ohne Heimat,
stets auf fernen, weiten Reisen,
in fremden Landen er
der Schätze viel‘ gewann.


Und schließlich wird auch der Holländer nach dessen Meinung befragt.

Sagt, hab‘ ich sie zu viel gepreisen?
Ihr seht sie selbst – ist sie Euch recht?
Soll ich von Lob noch überfliessen?
Gesteht, sie zieret ihr Geschlecht?


dann entscheidet Daland
Am besten lass ich sie allein
- was er aber nicht tut, sondern noch Gläser und Wein bringt, Frau Mary die Kerzen anzündet und dann setzen sich beide an den Tisch.
Da nun meint auch Senta die Sache näher betrachten zu müssen, sie betrat zwischenzeitlich die Veranda und nahm gleich vor Kopf des Tisches auf der rechten Seite Platz.

Der Holländer setzte sich bereits, Senta – sie bleibt im Mantel – fummelt an ihren Haaren rum (… macht man das heutzutage in BT in Oberfranken so, weil die Haare in der Suppe dort als köstliche Beilage angesehen werden?)

Daland schenkt Wein in die Gläser, Frau Mary gibt aus der Suppenschüssel auf.
Man beginnt zu löffeln, während der Holländer mit dem Duett und dem Text
Wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten
spricht dieses Mädchens Bild zu mir


den Blick auf Senta richtet, die mischt sich ein und fragt mit nun plötzlich bewegter Miene als ginge ihr emotional ein Licht auf
Versank ich jetzt in wunderbares Träumen?
Was ich erblicke, ist’s ein Wahn?


Frau Mary betrachtet die Szene mit steigendem Misstrauen.
Wie wird das gehen mit diesem Fremden?
Ihr ist er unheimlich.

Senta aber meint
Ach, wenn Erlösung ihm zu hoffen bliebe,
All-Ewiger, durch mich nur sei’s!
[…]
Wohl kenn‘ ich Weibes heil’ge Pflichten.
sei drum gestrost, unsel’ger Mann


Der Holländer kommt mit einem Blümchen um den Tisch herum auf Senta zu, die plötzlich – etwas g’schamig zwar – aber doch freudig bewegt sich zeigt.
Ihr ist inzwischen warm geworden, dass sie den Mantel ausgezogen hat und nun in ihrem Rollkragenpullover da sitzt.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Frau Mary wird alles zu viel und sie verlässt durch die Tür in der Mitte die Szene.

Daland ihr nach, um zu schauen, wie ihr ist.

Senta geht hinten um den Tisch herum und auf den Holländer zu.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Sie sendet klare Signale aus
Was ist’s, das mächtig in mir lebet?
Was schliesst berauscht mein Busen ein?
All-Mächt’ger, was so hoch mich erhebet,
lass‘ es die Kraft der Treue sein!


Daland tritt durch die hintere Tür herein – und stört.

Aber er muss ja beim folgenden Terzett zugegen sein.
Verzeiht! Mein Volk hält draussen sich nicht mehr;
nach jeder Rückkunft, wisset, gibt’s ein Fest.
Verschönern möcht ich’s, komme deshalb her,
ob mit Verlobung sich’s vereinen lässt?


und Senta beschließt den Bund mit dem Holländer
Hier meine Hand! Und ohne Reu‘
bis in den Todt gelob‘ ich Treu‘!

Während der Introduktion zum dritten Aufzug löscht Frau Mary noch die Kerzen, das Licht verlischt, Bühnenaufbauten drehen sich.

Für die Nr. 7 – Szene und Chor – kommen Frauen und Männer auf die Bühne, sie bringen wieder jeder eine eigene Sitzgelegenheit mit, so dass daran kein Mangel herrscht.
 
Steuermann! Lass‘ die Wacht!
Steuermann! Her zu uns!

… singt der Chor und versucht, den Steuermann zum Hinsetzen zu bewegen.
Bierkästen werden hereingetragen,
eine Gruppe Männer in blauen Werkstattanzügen versammelt sich vorne rechts und setzt sich räumlich von der übrigen Bevölkerung ab.

Dabei ganz rechts der Holländer, der sich eine Zigarette anzündet.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Das Volk amüsiert sich, bildet eine Polonaise-Schlange und zieht über die Bühne.
Dann mischen sich die Leute des Holländers ein (Chor im Hintergrund, Statisten auf der Szene)

Nach dem Land treibt der Sturm.
Hui-ssa!
In die Bucht laufet ein!
Schwarzer Hauptmann, geh‘ ans Land!
sieben Jahre sind vorbei!
Frei‘ um blonden Mädchen’s Hand!
Blondes Mädchen, sei ihm treu‘!


Der Holländer zieht eine Pistole, will das Volk von seinen Leuten fernhalten, ballert herum.

Chor und die Statisten ab.
Von rechts Auftritt Senta für das Finale
.

Der Holländer macht im Abgehen ihr gegenüber eine abwehrende Geste.
Senta torkelt herum, als habe sie zu viel getrunken.

Von hinten durch die Mitte: Erik
Gerechter Gott! Kein Zweifel! Es ist wahr!
Welch‘ unheilvolle Macht riss dich dahin?


Kavatine
Willst jenes Tags du nicht dich mehr entsinnen


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

… ja, meinem Schutz vertraute er dich an.

Auftritt Holländer von rechts mit seinem:
Verloren!
Ach! Verloren!



Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Senta hastet zum Holländer.
Erik fängt sie ab.

Der Holländer

Segel auf! Anker los!
Sagt Lebewohl auf Ewigkeit dem Lande!
Fort auf das Meer trieb’s mich auf’s Neue!
Ich zweifl‘ an dir! Ich zweifl‘ an Gott!
Dahin, dahin, ist alle Treue!
Was du gelobtest, war dir Spott!


Der Holländer stößt Senta weg, die ihn halten will.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Von rechts naht Frau Mary mit dem Chor.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Senta versucht, den Holländer zu küssen.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Erik und der Holländer ringen um Senta. Allgemeines Gerangel.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Frau Mary von rechts – schießt den Holländer nieder.
Senta lacht schallend ob des toten Holländers, geht nach rechts auf die torkelnde Frau Mary zu, nimmt ihr das Gewehr ab, legt es auf den Boden und geleitet Frau Mary zu einer Sitzgelegenheit.

Danach geht sie auf den links wartenden Erik zu, lässt sich auf eine der herumstehenden Sitzgelegenheiten fallen.

 

Senta lebt, Frau Mary lebt, Erik lebt – der Holländer ist tot.
Und damit erlöst?
Gestorben, was ihm ja bisher immer nicht vergönnt war – durch eine Frau – durch Frau Mary?
Einfach so? Hat sie ihn durch ihre Ballerei vom Fluch der bösen Tat erlöst?
Oder starb er nur so, doch unerlöst, weil die Liebe der Frau fehlt?
Aber vielleicht hat Frau Mary ihn doch heimlich geliebt und durch den Schuss erlöst?
Man weiß es nicht und es wird einem auch nicht erläutert.

„Es ist zu hoffen, dass Text und Musik irgendwann wieder die ihnen vom Schöpfer zugedachten und folglich zustehenden Rollen in der Wagner-Rezeption erhalten werden.“
schreibt Dr. Klaus Billand im Neuen Merker.

Das Problem ist, dass vor Jahren ein Kommentator vom Nordbayerischen Kurier forderte, der Text der Stücke müsste endlich von der aktuellen – vom Regisseur erfundenen – Handlung auf der Bühne getrennt werden. Das ist der Mensch, der dann zur SZ ging und nun mit Igor Levit das Buch ‘Hauskonzert‘ schrieb.
So kommt Gemurkse zustande.

Christian Stückl machte in Oberammergau bei seinem ‘Holländer‘ eine Chor-Singprobe aus der Spinnstube und ließ die Mary singen: „Ich singe fort“.
Und Herr Tcherniakov übernimmt das von Stückl, lässt sie aber singen: „Ich spinne fort“, wobei der wohl hier die weitere psychische Entwicklung der Frau Mary in seiner Inszenierung meint.

Da erklärt die Senta – die ja ein Kind ist und nicht weiß, was sie singt – in der Ballade die ganze Story und dann kommt einer, der den neuesten ‘Freischütz‘ in München verbrochen hat, lässt sie eine ‚Rötzgöre‘ spielen. Was will dieser ‚wildgewordene Handfeger‘ denn mit dem alten Lundgren?

Richard Wagner hat seine Frauenfiguren: Senta, Elsa, Elisabeth, Isolde aus seinem damaligen Frauenverständnis entwickelt. Braucht man alles nicht zu erzählen, der Tante Dramaturgin sollte man aber die Hand auflegen.

Frau Mary knallt den Holländer ab, sie kriegt draufhin offensichtlich einen Anfall (….……ich ‚spinne‘ fort….) und Senta setzt sich erstmal.

Dass sie sich da keine Zigarette anzündet, ist völlig unverständlich, wo sie doch vorher, wo gar nichts los ist, eine nach der anderen qualmt.

Unklar ist auch, wie die Sache weitergeht:
Da Senta am Leben bleibt, nimmt sie sich doch den Erik.

Der Vorhang zu und alle Fragen offen?

Leute!
Es ist doch alles klar:

Dieses ‘Herzigbuberl‘ aus der bespielten Ouvertüre ist ‘der Holländer‘ als Kind, also kein Holländer, sondern der Sohn von Daland, den er mit der Frau hat, die von ihm und der Bevölkerung während der Ouvertüre verstoßen wird und die sich aus Gram darüber aus dem Fenster stürzt ……
 

    

Mama und Sohn Das ‘Herzigbuberl‘ … … ..dessen Mama sich erhängt  

Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

(- tolle Leistung der Statistin,
da ins Leere zu springen – man erinnere sich an den Unfall in der Kölner Oper, wo damals Wolfgang Anheisser angegurtet ins Leere stürzte und der ganz Plafond mit runterkam. Das hätte hier auch passieren können -),

 … der das Vaterhaus verlässt, der um ein Kap segelt, der die Welt verflucht, der alle sieben Jahr an Land gehen darf, damit er sich eine Frau suchen kann, die ihn erlöse.
Und jetzt kommts:

Frau Mary ist schon lange mit dem Daland zusammen, die erkennt die Zusammenhänge, weiß wer ‘der Holländer‘ ist – nämlich Sentas Halbbruder, also ein Produkt aus einer früheren Beziehung von Daland, bevor sie – Frau Mary – als Sentas Amme als deren Ersatzmutter in Dalands Haus kam.

Sie erschießt ihn, um zu verhindern, dass ‘der Holländer‘ und Senta ein Paar werden und sich des Inzest schuldig machen. Man erinnere sich, sie sang hier an dem Abend anfangs:
Das fehlte mir!
Schon da ging ihr ein Licht auf.

Merkwürd’ger Fall, dass Daland seit der bespielten Ouvertüre bis zum Finale

Daland
Senta
! Senta! Was willst du tun?

gar nicht gealtert ist. Es sieht immer – am Anfang wie am Ende des Abends – so aus, wie der Georg Zeppenfeld eben heute so aussieht.

Man fasst es nicht, was in Bayreuth da als total Verfälschendes, am Originalwerk Vorbeigehendes zu Lasten des Steuerzahlers unter Nichtbeachtung des Bildungsauftrages fabriziert wird.

Zum Vergleich dessen, wie in Bayreuth der letzte Holländer von 2013 aussah – die Bemerkungen hierzu:

 


Bemerkungen zur szenischen Umsetzung von

‚Tod eines Reisenden in Haushaltswaren‘
 
oder
‚Starke Schachteln schichtet mir dort
inmitten der Bühne zuhauf‘

Er kam hier nicht her, man hoffte vergebens auf ‚Satan‘s Erbarmen‘ -
er kam nicht zum ‚Holländer‘ in Regensburg,


Kritik_‘Der_fliegende_Hollaender‘_oder_
Mary_und_das_‘Putzgeschwader‘_Theater_Regensburg

Er kam nicht nach Leipzig, um 2008 die dortige Katastrophe zu verhindern – letztes Jahr war er nicht in BT und heuer auch nicht, es scheint, wer auch immer geht mit dem ‚Holländer‘ unter.

Bestes Beispiel hierfür der ‚Holländer‘ an der DOB von Frau Gürbaca,

Kritik_‘Der_fliegende_Hollaender‘‘_DO_Berlin

- die in Regensburg ‚Cavalleria / Bajazzo‘ in den Sand setzte
Bemerkungen_zu_‘Cavalleria‘_-_‘Der_Bajazzo‘_-_
Theater_Regensburg.htm

und in Augsburg unmittelbar vor der Premiere von ‚Mahagonny‘ hinschmiss oder hingeschmissen wurde – je nachdem man es sehen will.


Zitat
Die Mahagonny-Aufführung sorgte schon vor der Premiere für Aufregung. Intendantin Juliane Votteler, die zugleich als Dramaturgin der Produktion fungierte, sah sich veranlasst, das von Regisseurin Tatjana Gürbaca und Ausstatter Stefan Heyne geplante Schlussbild zu untersagen, Gürbaca und Heyne reisten ab und lehnten es ab, für die Aufführung zu zeichnen.
Zitatende
Quelle:
http://www.nmz.de/online/der-affe-blieb-ungekreuzigt-aufstieg-und-fall-der-stadt-mahagonny-und-die-massnahme-beim-brec

Die eine RW-Urenkelin verfehlte auch beim ‚Holländer‘ das Ziel – es war in Würzburg.
Bemerkungen_zu_‘Der_fliegende_Hollaender‘_in_Wuerzburg

Vom Holländer in Freiburg soll hier die Rede sein,
Bemerkungen_zu_‘Der_fliegende_Hollaender‘_in_Freiburg_-_oder_‘Senta_oder_ein_Puppenheim‘

- erwähnt werden muss auch der in Essen,
Bemerkungen_zu_‘Der_fliegende_Hollaender‘_in_Essen_-_oder_‘Die_Irre_von_Sandwike‘

Merkwürdig, denn alles ‚modische Inszenierungen‘, die ja die ehemalige Frau Präsidentin RW-International nach eigener Aussage so liebt.

Über den Holländer von 2012 an der ‚Bühne für Oberfranken‘ – im Jahr seines ersten Erscheinens – urteilte man unterschiedlich – die Politiker befragt, stammelten irgendetwas, ohne damit der Sache dienlich zu sein, und Richard Wagner gerecht zu werden.

Aber auch der Dichter/Komponist selber konnte das Stück dem Publikum kaum nahebringen. Er hatte bestimmte Vorstellungen, die Vorlage zu bearbeiten und an der Dresdener Hofoper zu präsentieren. Schon nach vier Vorstellungen wurde der ‚Holländer‘ nach der Uraufführung vom 2.1.1843 – abgesetzt.

Die Dresdener hatten noch die Tanzeinlagen, die Aufmärsche mit Ross – die Schröder-Devrient kam als Adriano hoch zu Pferd auf die Bühne – und Wagen, die Pantomimen und die Balletteinlagen. Gerade die waren umjubelt worden und der ‚Rienzi‘ hätte auch in Paris Eindruck gemacht – aber Richard wollte ja den ‚Tannhäuser‘ dort durchdrücken – Minna hatte ihn gewarnt und für den ‚Rienzi‘ in Paris im Frühjahr 1861 plädiert.


Schon die Dresdener hatten mit dem ‚Holländer‘ Probleme – sie verstanden weder den dramaturgischen Aufbau, noch die musikalische Konstruktion.

1228 bereits wird der mystische Stoff von einem Schiff, dass über die Weltmeere segelt, geführt von einem Kapitän, der unerlöst, einst Jesus auf dem Leidensweg zur Eile antrieb, in einer Bologneser Chronik erwähnt.

Nur eine Frau, die treu mit ihm in den Tod geht, kann ihn erlösen.

Zitat
Der »fliegende Holländer«, dessen innige Bekanntschaft ich auf der See gemacht hatte, fesselte fortwährend meine Phantasie; dazu machte ich die Bekanntschaft von H. Heine‘s eigenthümlicher Anwendung dieser Sage in einem Theile seines »Salons«.

Besonders die von Heine einem holländischen Theaterstücke gleichen Titels entnommene Behandlung der Erlösung dieses Ahasverus des Ozeans gab mir Alles an die Hand, diese Sage zu einem Opernsüjet zu benutzen.

Zitatende

[RW – Sämtliche Schriften und Dichtungen: Erster Band, S. 38.]
 

RW war beeinflusst von den Werken der Zeit, der Romantik. Weber mit seinem ‚Freischütz‘, mit seiner ‚Euryanthe‘, durch Marschner mit ‚Hans Heiling‘ und ‚Der Vampyr‘ waren Schauer-Vorbilder – enttäuscht über die Menschen und die Welt mit Bezug auf Weltschmerzthematik – Erlösung und Untergang.

Er selber bezog sich ein.
Er, der Künstler von Weltformat, projizierte sein Außenseitertum auf die Titelrolle wie bald darauf auch beim ‚Lohengrin‘.


Richard Wagner an Franz Liszt,
Zürich, 11. Februar 1853


Zitat
[…]

Viel Glück zum »fliegenden Holländer«! dieser trübselige Held geht mir jetzt nicht aus dem Kopf! Immer höre ich:

»Ach möchtest Du, bleicher Seemann sie finden!«
mit dem:
»Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden!«

ist‘s doch vorbei! Für mich gibt‘s keine Erlösung mehr, als – der Tod!

O, wie glücklich, träfe mich der im Meersturme, - und nicht auf dem Siechbett!!!

[…]

Ja – im Brande Walhalls möchte ich untergehen! – Beachte wohl meine neue Dichtung – sie enthält der Welt Anfang und Untergang! -
Ich muß es nächstens doch für die Frankfurter und Leipziger Juden komponieren – es ist ganz für sie gemacht! -

[…]

Adieu! Mein Franziskus, du Einziger – der mir wie ein Riesenherz entgegenragt! Unermüdlicher, leb wohl!! Und wenn Du morgen die Ballade spielen läßt – denk an mich! Ich sitze da einsam auf dem Kanapee, starre in die Lampe, und brüte über mein – großes – Glück, doch Dich noch der elenden Welt abgewonnen zu haben!
[…]
Zitatende

Franz Liszt – Richard Wagner: Briefwechsel, S. 493.

 

Sah RW noch in seinen Überlegungen von 1840 – beeinflusst von seiner Schiffsreise von Pillau nach London – den Mann, der durch Hochmut sein Schiff, seine Mannschaft aufs Spiel setzt – wie jemand heute, der spekuliert und pokert – ohne Rücksicht auf sich und seine Mitmenschen – ‚umsegeln wollt‘ er einst ein Kap‘ – die Erlösung verwehrt bleibt, es sei denn, ein Weib, ‚das treu‘ bis in den Tod‘ sich opfert und mit ihm geht – gemäß seinen 1851 geäußerten Vorstellungen vom ‚Weib der Zukunft‘.

Besetzung ‚Der Fliegende Holländer‘ – Bayreuth 2012 – 2018



Screenshot Homepage BT – Festspiele

Es gelingt Herrn Gloger in Bayreuth, RWs Intentionen szenisch umzusetzen, die Geschichte des um die Welt ziehenden Verfluchten durch einen ‚Reisenden in Haushaltswaren‘, der durch die Verbindung mit einem sterblichen, daher zeitgebundenen Menschen der Alltagswelt Erlösung finden kann, auf heutige Hartz IV-Höhe ’runterzubrechen’.

Eine junge Frau, ‚ein Kind‘, das nicht weiß, was es singt – in ersten Hormonwallungen, schwärmerisch wie Elsa einen Mann angierend, ist in der so genannten ‚Spinnstube‘ mit anderen Geschlechtsgenossinnen ganz mit Broterwerb beschäftigt.

War es früher möglich, sich beim Spinnen von Fäden, ganz den eigenen Gedanken und dessen Austausch mit unmittelbar anderen hinzugeben, so ist das bei Herrn Gloger nicht mehr möglich, denn der Damenchor, die Sopranistin und die Altistin betreiben – wohl bei ‚Amazon‘ oder einem sonstigen Internet-Versandhändler – hochkonzentriert, nämlich das Verpacken von Waren.
 
Dass es sich hier um Tischventilatoren handelt, ist eine der großartigsten Regiezutaten, die jemals bei Bühnenspielen gezeigt wurden und somit ohne Zweifel ganz im Sinne der Frau Präsidentin-RW-International, liebt sie doch ‚modische Inszenierungen‘.

Die Sopranistin hat es nicht leicht, sich das Bild des ersehnten Mannes, dessen Konterfei sie angeblich ansingt, auszumalen und diese Gedanken dem Publikum zu vermitteln, ist sie doch in der Realität der ‚Bühne für Oberfranken‘ von
Anfang von herrlichsten Männern umgeben.

Da ist der Spieltenor, der mit dem Bassisten in einem Ruderbootchen dahergeschwommen kommt und aus seiner Einkaufstüte ‚a G‘wand‘ herausholt – das Mitbringsel für die Liebste daheim.

Später haben auch die Herren des Chors je ein Exemplar dieses Fummels in der Hand, alles wohl der Einkauf in einem Supermarkt im Rahmen einer Geschäftsauflösung, zu besonders niedrigen Preisen, in Mengen abgegeben und vom Chor erstanden.

Großen Eindruck muss dann zwangsläufig der Bariton, hier wohl ein Handelsreisender mit Hausgeräten – ‚Made in Taiwan‘ – machen, dessen Anschauungsmaterial er im Rollköfferchen als ‚Muster ohne Wert‘ mit sich führt und damit den Bassisten ganz gierig zu machen in der Lage ist.

Reizend wie der von der Sopranistin Ersehnte da unbedarft wie ‚Piefke im Schnee‘ herumsteht und ganz offensichtlich das Ende herbeisehnt, für das hier nicht Alberich sorgt, sondern der im blau-grauen Drill hantierende Hausmeister.

Großartig wie Herr Gloger eine total modische Inszenierung auf die ‚Bühne für Oberfranken‘ zu Lasten des Steuerzahlers zu stellen in der Lage ist.

Der ganze Bühnenraum hoch bis in den Schnürboden an Regalwänden, an denen flimmernde Zahlenaufstellungen, Darstellungen von Chips oder so überfrachtet – es erinnert an die Gürbaca-Holländer-Inszenierung an der DOB – hier ließ sich wohl der Regisseur aus einem anderen Werk RWs leiten:

Verfluchtes Licht!
Was flammt dort die Luft?
Was flackert und lackert, -
was flimmert und schwirrt, -
was schwebt dort und webt
und wabert umher?
Da glimmert‘s und glitzt‘s


und lenkt von der Führung der Personen – wenn man davon überhaupt sprechen kann – ab, dabei hilft ihm der Bühnenbildner.


Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

In Bayreuth fuchteln der Spieltenor und der Bassist – jeweils in Ausgehanzügen – mit Taschenlampen an Bord eines Rettungskahnes – nicht mal einer Art von Schaluppe – beleuchten sich gegenseitig und erschrecken, wenn sie des anderen auf die kurze Distanz von einem Meter erkennen – vergleichbar dem Auftritt Papageno – Monostatos.
Huh, huh, huh, huh!

Ins nicht vorhandene Wasser der Bucht von Sandwike ‚stierlt‘ der Spieltenor, klammert sich dann bäuchlings an den Bassisten, der schubst ihn weg, weg in die eine Ecke des Bötchens, da fuchtelt der wieder mit seiner Taschenlampe, wo er sich doch auf Weisung des Bassisten, der sich mal eben eine Pille reinschiebt, zur Ruhe begeben soll.

Der Spieltenor ist sichtbar besorgt und verängstigt – schaut umher – und singt aber dann doch dann aufgrund der auf ihn immer näher zukommenden Musik einsatzgerecht sein Lied
Mit Gewitter und Sturm -

Vor lauter Aufregung, ob der geglückten hohen Töne, lässt ihn Herr Gloger schnell eine Tablette nehmen – und vor dem
von Südens Gestad
hebt er eine Einkauftüte hoch und versucht damit sich vor irgendwas zu verbergen, während er dann den Inhalt der Tüte hochhält – an sich ist es
ein gülden Band
- aber an der ‚Bühne für Oberfranken‘ ist es ein ganzer Damenfummel – in den sich der Spieltenor reinkuschelt, er schlägt ihn über sich und schläft ein.

Da erscheint der bereits beschriebene ‚Reisende in Haushaltswaren‘ – ein Bariton – mit Rollköfferchen – das Unbehauste dokumentierend – mit einem ‚Kaffee-to-go‘ in der rechten Hand, er trinkt aus dem Becher, wirft den achtlos so in die Gegend und dann singt er gemäß Richard Wagners Rollenvorgaben der Titelfigur
‚Die Frist ist um‘.

Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Um ihn da nicht allein auf leerer Bühne mit flackernden Lichtern Töne von sich geben zu lassen und um das Publikum vom Vortrag des Sängers abzulenken – (wieso lässt man den Sänger nicht seine Partie in Ruhe vortragen) – nähert sich – auf Weisung der Regie – von hinten ein Statist, der dem Bariton den Mantel auszieht.

Für das
letzte Nass
zieht der Statist ein Bündel Briefumschläge aus der Tasche, gibt sie dem dem Bariton als ‚Reisenden in Haushaltswaren‘, der sie auch wieder einfach so auf die Bühne wirft – Technik und Requisite können ja dann aufräumen.

Es folgt ein Versuch der Selbstverstümmelung, da nämlich der Bariton sich mit einem Dings-da einen Ritz in den linken Arm machen möchte, den er vorher entblößte. Der Statist wendet sich – ob des nicht fließenden Blutes – entsetzt nach links ab.

Auf
doch ach! Mein Grab, es schloss sich nicht!
erscheint von rechts eine langhaarig-blonde Tussi in Fell gehüllt, es lässt sich nicht erkennen, ob es sich nicht – wegen mangelnder Gelder – doch nur um Karnickel handelt.

Sie verschwindet nach rechts, da nähert sich von links ein Liftboy in entsprechender Pagenuniform, dem gibt dem Bariton als ‚Reisenden in Haushaltswaren‘ das Dings-da, worauf sich der Page abwendet.

Von rechts zeigt sich eine Weißgewandete – soll wohl eine Krankenschwester sein – die dem Bariton ‚ans Hirn‘ fasst und dieses massiert.
Kein löbliches Unterfangen, denn als der Bariton merkt, dass ihm durch das ‚Am-Kopf-kratzen‘ das Toupet zu verrutschen droht, wehrt er die Hilfskraft ab, die sich aber nicht beirren lässt, sich ihm wieder näherzukommen, bietet sie ihm nun Pillen an, die aber von ihm zurückgewiesen werden.

Schon naht von rechts jemand im dunklen Straßenkostüm, wohl Sekretärin oder so, auf einem Tablett bringt sie einen neuen Kaffee-Becher, den der Bariton in hohem Bogen zu Boden schleudert – hier nun herrscht Ordnung, denn die Straßenkostüm-Adjustierte nimmt die gefallenden Teile an sich, wischt mit einem Lappen, den ihr die Geschäftsleitung der ‚Bühne für Oberfranken‘ freundlicherweise zur Verfügung stellte, großflächig über den Boden. Sie muss nämlich Zeit schinden, um sich dann für das
Dich frage ich, gepries‘ner Engel Gottes
aus der tiefen Kniebeuge zu erheben, um den Bariton erstaunt ob des Gehörten anzusehen, dann aber sicherheitshalber nach links verschwindet, wäre sie nämlich nach rechts abgegangen, dann wäre sie mit der Bepelzten zusammengestoßen, die von eben rechts wieder die Szene betritt. Sie macht an dem Bariton rum, versucht, ihm die Hose zu öffnen, was der abwehrt, will der doch nicht, die Ingredienzien seines Untergewandes vorzeigen.
Was heute noch vermieden wird, kann morgen schon Bestandteil von modischen Inszenierungen unter dem Deckmantel von ‚Freiheit der Kunst‘ sein.

Die Blondgelockte, streckt pelzbemantelt ein Bein in die Luft.

Bei
Vergeb‘ne Hoffnung
wird sie vom Bariton entmantelt, noch stark bekleidet, tut sie trotzdem g‘schamig, nimmt aber – es soll wohl Geld sein – Papierfetzen vom Boden auf und enteilt – worauf der Bariton in den Bühnenhintergrund entschlendert,
aber für das

Nur eine Hoffnung soll mir bleiben
in der Bühne Mittelraum zurückkehrt – wildes Geflimmer von Zahlen an den Regal-Wänden – wenn
die Welt zusammenkracht

Beim
da werde ich in Nichts zergehn
werden Nullen – wie sinnig – projiziert.

Nun kommt ein Gloger‘scher Regieeinfall besonderer Art.
Der Bariton hebt ein Stück Papier auf, das die Entmantelte beim hastigen Zusammenraffen vergaß, zieht ein Feuerzeug aus der rechten Hosentasche und zündet das Papier – (Feuerwehrmann in der Gasse ‚Hab Acht!‘ rufend) – an.
Es entflammt kurz und erlischt schnell beim
in nichts vergeh‘n

Zum
Ew‘ge Vernichtung, nimm mich auf!
unterstreichen die Nullen in der Projektion das Sinnlose der ganzen Aktion.
Vom Boden des Ruderbootes erheben sich erst der Bassist, dann der Spieltenor – der völlig verwirrt – die helle Stimme für ein
Wer da?
hebt.
Man palavert hin und her – der Sturm hat beide hier
an diesen nackten Felsenstrand
geblasen.
(Welch ein, die Welt aus den Fugen reißender, Regieeinfall, den Spieltenor fast jede Körperbewegung des Bassisten nachmimen zu lassen. Köstliches Gehampel!)

Der Bariton erscheint, sein Köfferchen neben sich hertrollend. Er
behauptet
kostbare Perlen, edelstes Gestein
seien im Schiff.
Schon manch ‚Reisender in Haushaltswaren‘ hat mit Staubsaugern ein Vermögen – auch am Ort der ‚Bühne für Oberfranken‘ – nämlich aus dem Laden in der Bahnhof- bzw. Kolpingstraße in BT gemacht.

Der Bassist aber öffnet nicht das Schiff, sondern das Musterköfferchen, das dann auch noch spektakulär von innen beleuchtet wird – (was will man auch an der ‚Bühne für Oberfranken‘ erwarten als Mätzchen?) – und behauptet, Papierschnipsel in der Hand haltend,
Wie? Ist‘s möglich? Diese Schätze!
Wer ist so reich, den Preis dafür zu bieten?


Der Spieltenor legt Patience mit den Papierschnipseln aus dem Rollköfferchen des Baritons, während sich Bassist und Bariton Gedanken über die weitere Vorgehensweise machen.

Schlussendlich beim
so nimm meine Schätze dahin!
umhalst der Bassist den Bariton, hofft er doch seine Tochter bei dem unter die Haube zu bringen und der Spieltenor umschlingt das Muster-Rollköfferchen des Baritons und schiebt es – um es außer Sicht zu bringen – unter seine Knie.
Wie goldig!

Es wird weiter mit Papieren hantiert, man überlegt wohl Anschaffungen mit des Baritons Schätzen – Jubel beherrscht die Szene – dass man nicht ein Tänzchen wagt – es wäre nachvollziehbar, denn
ersehntes Ziel hätt‘ ich erreicht
und der Bassist, das Rollköfferchen umschlingend
,
geb froh ich Haus und Tochter hin!

Der Spieltenor holt sich vom Bariton ein Autogramm in sein Album oder wurde hier eine vertragliche Vereinbarung getroffen?
Die Gloger‘sche Regie-Gedankenwelt macht staunen.
Wenn auch nicht zu verstehen, was er da treibt – modisch ist es auf jeden Fall – mit dieser Gewissheit im Publikum verschwindet der die Akte jubelnd hoch empor haltende Spieltenor im hinteren Grunde.

Für das
Heil! Wie die Segel schon sich blähn!
Hallo! Hallo!

teilt sich die Dekoration in der Mitte und gibt den Blick frei auf den angetretenen Chor für das
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer -
mein Mädel, bin dir nah! Hurrah!

der Herren, der erst langsam nach vorne schreitet, dann den Schritt beflügelt und mit breitem (unhörbaren) Lachen im Gesicht aus den mitgebrachten Einkaufstüten auch einen solchen Fummel zieht wie ihn der Spieltenor wohl auch an südlichem Strand erstand.
Man wedelt damit herum, man stopft das Textil wieder in die jeweilige Einkaufstüte und alles geht hurtig nach hinten in der Mitte ab.

Vorne gibt der Spieltenor Zeichen, etwas herunterzuholen – es gelingt nicht, erst als ein paar versierte Herrschaften – wohl unter den Herrenchor gemischte Techniker – an etwas vom Schnürboden Herunterhängendes zerren, fällt ein Vorhang – die Herren wickeln ihn zusammen, gehen mit der Vorhangrolle nach rechts ab und der Blick ist frei auf den eigentlichen zweiten Akt mit Damenchor.

Zweiter Aufzug

Man sitzt nicht und spinnt - wie man singt und wie es der Text von RW vorgibt - sondern man empfindet nach, was die Regie erspann.

Zunächst steht man herum, dann plötzlich Bewegung und nun sind die Chordamen mit dem Füllen von Kartons beschäftigt - man legt Ventilatoren in diese, füllt Styropor auf und mit den angeblich gesponnenen Fäden, nämlich den elektrischen Zuleitungen von der Requisite auf Anordnung der Geschäftsleitung der 'Bühne für Oberfranken' bereitgestellten 'Miefquirlen - wedelt man herum.
 

Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Man wundert sich, dass ausgewachsene Chordamen dies mitmachen - aber auch für sie gilt wohl der Spruch der Despina aus 'Cosi', den Eduard Devrient ins Deutsche mit
'Für Geld tu ich gar manches'
übersetzte.

Mittendrin wie eine Direktrice, die Altistin.
Es darf unterstellt werden, dass diese mit ihrer Feststellung
Ei! Fleissig, fleissig! Wie sie spinnen!
nicht an die Chorkolleginnen denkt, sondern vielleicht an diverse Vorstände der RW-Vereine, die immer noch als Maßgabe für ihr Tun, den Wortlaut in ihrer Satzung haben, sich für Bayreuth, der 'Bühne für Oberfranken' einsetzen zu wollen.

Die Altistin kann einem leidtun - wie sie da die Brille durchs Gesicht schiebt, die Backen aufbläst - und die Damen mit ihren Luftbewegern singen lässt
Mein Schatz da draussen auf dem Meer,
im Süden er
viel Gold gewinnt;
ach, gutes Rädchen, saus' noch mehr!

Er gibt's dem Kind,
wenn's fleissig spinnt.

Großartig, ganz großartig, sieht das aus.
Dass es sich hier um eine deutliche Aussage zur Situation der Frau im 19. Jahrhundert handelt - was interessiert es Herrn Gloger.

Der verheutigt und sieht Paketepackende im Mini-Job, dass der Text von RW nicht zur Szene passt, was glaubt man wie 'egoool' (fränkisch, mit Bayreuther Unterton für: egal) ihm das ist.
Und mitten drin sitzt Eine mit langen Haaren, sitzt da und schnibbelt an irgendwas rum.

Da erscheint von links einer mit Handwerksköfferchen und Stehleiter. Dieser steigt auf diese, fuhrwerkt da irgendwie in der Luft herum, steigt wieder runter, geht kopfschüttelnd nach rechts, hat irgendetwas mit einer Kartuschenpistole abzudichten und verschwindet gleich drauf nach rechts mitsamt der Leiter.

Toll - ganz großartig - und das ist nun doch wohl eine dieser ’modischen Inszenierungen’ im Sinne der ehemaligen Frau Präsidentin RWV-International, einer damaligen externen Lehrbeauftragten der HMTMH.

Ich spinne fort -
behauptet die Altistin - nichts dergleichen tut sie.

Die Ballade folgt, die Sopranistin hebt irgendwas hoch, die Damen erschauern, auch weil das Licht ausgeht.
Was für ein Regieeinfall.
Die Chordamen, zusammengekauert auf den Versand- oder Umzugskartons, lauschen.
Die Sopranistin hantiert mit einer Skulptur in moderner Form herum - dem nach Text gegebenem - eben dem
Konterfei.

Bei der zweiten Strophe
Bei bösem Wind und Sturmes Wut
umsegeln wollt' er einst ein Kap;

geht das Licht wieder an, die versierten Chordamen lauschen weiterhin in die Runde.

Dritte Strophe -
Für das
Er freite alle sieben Jahr',
hatte sich die Sopranistin einer Chordame genähert, die sich aber beim
noch nie ein treues Weib er fand
entsetzt abwendet, als habe die Sopranistin Mundgeruch in extremster Form - möglicherweise nach einer großen Portion Knoblauch in der Kantine des sie beschäftigenden Versandhauses.

Für das
ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh'! 
lässt sich die Sopranistin auf einen der Versandkartons sinken -
die Chordamen stehen - ungläubige Blicke umherwerfend - herum, dann nähern sie sich zunächst der Niedergesunkenen.

Doch der Chor zieht sich irritiert zurück, umringt dann die Sopranistin als die verkündet
Ich sei's, die dich durch ihre Treu' erlöse!
Die Altistin bebt, sie atmet hörbar bis in die 25. Reihe - dann erscheint der Hausmeister in graublauem Rock.

Er behauptet, der Bassist sei angeblich 'ante portas' und schon nehmen die Chordamen ihre Servierhäubchen ab, wedeln mit den nun offenen Haaren, als könnten sie es nicht erwarten, wieder unter die Knute des Bassisten zu kommen.

Auch die Altistin hat ihre Haare gelöst und sieht der Ankunft des Hausherrn mit Schaudern entgegen, bringt aber noch die Chordamen mit
Halt, halt! Ihr bleibet fein im Haus!
zur Räson.

Da nun verkündet die Sopranistin
Durch mich sollst du das Heil erreichen! -
nimmt die Skulptur - das Konterfei - und steigt auf eine Ansammlung von Pappkartons, während die Altistin mit sichtbar bebendem Busen das Ungeheure, nie Gesehene, nie Gehörte für sich in Anspruch nimmt, doch da erscheint der Charaktertenor in blau-grauen Hausmeistergewand und wettert
Senta! Willst du mich verderben?

Die Altistin schürzt vor Schreck ihre Haare, die Chordamen wimmeln und plappern aufgeregt
beim

Das Schiffsvolk kommt mit leerem Magen.
herum, kehren wieder zu ihrer eigentlichen Tätigkeit, dem Verpacken von Ventilatoren, zurück.

Die Sopranistin werkelt an dem Konterfei herum, als der Charaktertenor, immer noch verkleidet als Hausmeister, ihr das Handwerkszeug entringt.

Die Damen schauen sicherheitshalber beim
Schon gut! Sobald nur aufgetragen,
hält hier aus länger keine Pflicht.

zum Dirigenten hinunter, da an der Stelle doch verstärkt die Möglichkeit des musikalischen Auseinandergeratens besteht.

Der Charaktertenor verlangt, die Sopranistin möge bleiben, was die auch tut, denn sie muss mit einem Griff verhindern, dass der Charaktertenor sich ein Messer an seine Kehle setzt - was zur Verminderung des Tenorangebotes führen müsste. Dies erkennend, reißt sie ihm das Mordinstrument aus der Hand.

Sein
mein dürftig Gut, mein Jägerglück; 
unterstreicht er, indem er mit einer Isolier-/Abdichtungskartuschenpistole herumfuchtelt, die er aus der rechten Tasche seines Hausmeisterkittels zieht - da muss auch der Charaktertenor bei der Phrase grinsen, zu entzückend ist der Regieeinfall.
Links aus der Kitteltasche zieht er ein kleines Sträußchen, das er der Sopranistin rüberreicht, die geht zwar in großem échauffement auf und nieder, nimmt aber die Blumen nicht, so schmeißt der Charaktertenor diese voller Wut zu Bühnenboden und als die Sopranistin meint, sie müsse zum Port
den Vater zu begrüssen -
ist der Haumeister ganz 'dermatscht', worauf sie sich
aber dann doch bewegen lässt, ein paar Worte aus Richard Wagners Feder mit ihm zu wechseln.

Mittenmang zwischen den rumliegenden Pappkartons geht nun das Gespräch Charaktertenor / Sopranistin hin und her - sie behauptet das Konterfei würde auf sie sehen und beim jammervollen Getue des Charaktertenors fragt sie ihn
Kennst jenes Unglücksel'gen Schicksal du?

Er betrachtet das von der Sopranistin angefertigte Kunstwerk, angeblich den Bariton als 'Reisenden in Haushaltswaren' darstellend, zuckt mit den Schultern und kann beim besten Willen nicht erkennen, was die Sopranistin in das Stück Material hineininterpretiert.
Für die Traumerzählung des Charaktertenors werden Schatten an die hintere, die Bühne umschließende, Folienwand projiziert -
zwei Männer nahten sich dem Lande,
der ein', ich sah's, dein Vater war.

der andere - unverkennbar - der Bariton.
Die Sopranistin umhalst das Konterfei, ihr Kunstwerk, während der Charaktertenor entnervt enteilt.

Schon kommt der Bassist mit dem Gast, dem Bariton, der führt selbstverständlich das Rollköfferchen mit sich, hat er doch die 'Muster ohne Wert' darin, die als Anzahlung für die Tochter des Hauses dienen sollen.

Der bassige Hausherr führt den baritonalen Handelsvertreter durch die Pappkarton-Landschaft, erklärt imaginäre Produktionslinien für Ventilatoren, die hier in der Gloger'schen Inszenierung statt Spinnräder dienen.

Des Baritons ansichtig werdend, lässt die Sopranistin den Pappkameraden, das Konterfei, den Fremden darstellend, fallen und widmet sich nun der Szene mit dem Bassisten, der fordert
Mögst du, mein Kind, den fremden Mann willkommen heissen?

Es ist ja wie es ist, man singt sich an, man kommt sich näher und dann passiert's - man hebt Gläser - und feiert bereits Verlobung, denn der Bassist meint
Reich' ihm die Hand, denn Bräutigam
sollst du ihn heissen


Der beiden Gespräch beginnt dann mit des Bariton folgender Phrase, das
Wie aus der Ferne längst vergang'ner Zeiten
geht ohne große Regungen vonstatten, allerdings zieht er sich das Jackett aus, was auf kommende Aktionen schließen lässt.

Dem Regisseur, Herrn Gloger, fällt hier nicht viel ein, was man als Glück bezeichnen muss, käme doch nur irgendein text-nicht-bezogener Schmarrn dabei heraus. Er beschränkt sich auf das Drehen der Bühne, was aber für das
Welch' holder Klang im nächtigen Gewühl!
beendet wird.

Dafür stürzen Bariton und Sopranistin entzückt über die Bühne, letztere schnallt sich ein Geflügel an den Rücken - nicht von Otto Lilienthal erfunden - den, dem Bariton zuteilwerdenden Engel versinnbildlichend - und verkündet ganz im Sinne des 19. Jahrhunderts und auch heute noch in wenigen deutschen Landen - dort wo eine 'Herdprämie' propagiert wird
Wohl kenn' ich Weibes heil'ge Pflichten

Die beiden versteigen sich über
Ein heil'ger Balsam meinen Wunden
und
Von mächt'gem Zauber überwunden
zum
Was schliesst berauscht mein Busen ein?
Allmächt'ger, was so hoch mich erhebet,
lass es die Kraft der Treue sein!


Man fällt sich in die Arme, rutscht auf den Bühnenboden hernieder, der 'Sturm der Liebe' beginnt gerade, da tändelt der Bassist herein - und stört.

Aber schließlich:
Zum Fest! Heut' soll sich alles freu'n!

Man jubelt gemeinsam - jeder mit seiner Strophe - 

Sopranistin
Hier meine Hand! Und ohne Reu'
bis in den Tod gelob' ich Treu'!


Bariton
Sie reicht die Hand! Geprochen sie
Hohn, Hölle, dir durch ihre Treu'!


Bassist
Euch soll dies Bündnis nicht gereu'n!
Zum Fest! Heut' soll sich alles freu'n!


und alles läuft eiligen Fußes ab.

Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

3. Aufzug

Der Herrenchor erscheint und räumt das G'raffel aus dem zweiten Akt weg - oder sind's Techniker wie die Chorherren gewandet.
Der Spieltenor gebärdet sich g'schaflhuberisch, gibt Anweisungen, wohin mit den Kartons, die völlig überflüssig sind, zum Lagern von Requisiten dient die Seitenbühne.
Aber es wird auch erinnert an ein Stück aus gleicher Werkstatt und statt 'Starke Scheite' heißt es hier
'
Starke Schachteln schichtet mir dort
inmitten der Bühne zuhauf'


Auf direkte Anweisung des Spieltenors wird ein Prospekt vom Schnürboden herabgelassen, auf dem mit kindlicher Hand ein Ventilator aufgezeichnet ist - der Chor bejubelt die Dekoration - dass man nicht den Deutschen Gruß bemüht, erstaunt - handelt es sich doch um eine Performance und - nach Meinung des Gerichts in Kassel - erlaubt.
Dann dreht sich der Chor zum Publikum und meint:
Steuermann! Lass die Wacht!
Steuermann! her zu uns!

Hisst die Segel auf! Anker fest!
Steuermann, her!

Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Statt dem Text zu folgen, hampeln Chor und Spieltenor herum - es ist sicher ganz nach den Vorstellungen eines RWV-Vorstandsmitgliedes, dies nämlich als 'witzich' anzusehen, und sicher ganz im Sinne der RW-Vereine, die sich ihrer Galionsfigur, der ehemaligen, externen Lehrbeauftragten der HMTMH, anschließen und sich für Bayreuth, sprich die 'Bühne für Oberfranken', einsetzen.

Auf einem Stapel Kartons steht einer der Miefquirls und quirlt Mief - der Damenchor ist dahinter positioniert - der Spieltenor hampelt mittig herum und macht eine denkbar untenorale Figur.
Wie kann ein einigermaßen seriöser Sänger sich dafür hergeben? Aber er hat sicher Familie und denkt sich „Kann’ste wechseln?“

Von Tanz und Trank ansonsten zunächst keine Spur, dann aber sind plötzlich Damen da, mit Tabletts voller Gläser - ob gefüllt, oder nicht, lässt sich aus der Distanz nicht feststellen.
Nein, die Gläser sind leer, sonst könnten die Damen nicht so herumzappeln und dann noch mit den Kollegen ein Tänzchen wagen.
Wie reizend.

Zum Rand sein Glas ein jeder fülle!
Lieb' Nachbar liefert uns den Trank

heißt es nun, die Herren strömen von rechts nach links, halten Gläser in der Hand.
Der Spieltenor bemalt eine Art Flippchart - hält sie hoch - ein 'Spicker' soll es sein, um dem Chor den Text vorzugeben - köstlich der Regieeinfall - den er zu singen hat - ein 'Neger, ein Spicker', wohl weil die Geschäftsleitung der 'Bühne für
Oberfranken' sich einen Prompter nicht leisten kann?

Ach!
Und Herrjeh! - da entzündet sich das Gemälde mit dem Miefquirl und fackelt ab.
Die Herrschaften vom Chor heben allesamt die Arme - warum, wozu - niemand kann es sagen.
Vor Schreck, weil kein Feuerwehrmann in der Nähe?
Es könnte ja die ganze Werkstatt der 'Bühne für Oberfranken' in Brand geraten.
Dann zündet der Bariton auch noch einen Grill.
Würstchen? Ripple?
Die Sopranistin gemeinsam mit dem Bariton - grillend.
Entzückend!

Von rechts die Außendienstkollegen des Baritons, links die des Bassisten - passieren tut nichts, außer, dass die von rechts kommenden eine Akte vor sich hertragen und sich unter die des Bassisten Leute mischen - es gibt ein Handgemenge - das war's.
Und dafür bekommt der Regisseur auch noch Geld - man fasst es nicht.
Im Zweifelsfalle - wie hier - lässt er die Bühne um sich selber drehen.
Was machte der nur, gäbe es keine Drehbühne?


Nun flickert und flackert es wieder an den Wänden - mitten drin in dem Geblinzel auf hohem Pappkartonstapel - die Sopranistin mit dem Bariton, dem 'Reisenden in Haushaltswaren'. 

Der Charaktertenor, hier der Hausmeister, stürzt von links herbei und fragt
Was musst ich hören? Gott, was muss ich sehen?
Ist's Täuschung? Wahrheit? Ist es Tat?
 
sieht er nämlich die beiden 'up d'r Tümp' - will heißen, auf den hoch gestapelten Kartons.

Die Sopranistin steigt herab, eilt zum Charaktertenor, dem Hausmeister, der nimmt ihr das Ge-Flügel ab, das sie immer noch umgeschnallt hielt.

Sie rennt nach rechts zu dem Stapel Pappkartons - sucht - der Bariton ist nicht da.
Au weia!
Was jetzt?

Keine Aufregung, der Bariton stand nur hinter dem Stapel Pappkartons und kratzte sich an der Nase.

Dann wütet der Charaktertenor herum
Was bei der Hände Druck mich hehr durchdrang,
sag', war's nicht Versich'rung deiner Treu'?


Die Sopranistin fasst sich besorgt ans Hirn und fragt

Wie? Ew'ge Treue hätt' ich dir gelobt?

Auf des Charaktertenors Frage
Senta! O Senta! Leugnest du?
nickt sie bejahend mit dem Kopf.

Gut, man kann nachvollziehen, dass sich ein jugendlich-dramatischer Sopran lieber einem Bariton hingibt, obwohl man vom Hausmeister jedes Wort versteht.

Vom Charaktertenor aus der linken Kittelschürze hervorgeholte Erinnerungsfotos und sein
Willst jenes Tags dich nicht mehr entsinnen
können bei der Sopranistin erst ein freudiges - dann nur ein müdes Lächeln - hervorrufen. Zwar kniet sie sich zum näheren Betrachten der Fotos auf den Bühnenboden - doch es naht der Bariton aus der Bühne Hintergrund.

Sein
Verloren! Ach! verloren!
dokumentiert, dass es so mit dem Charaktertenor nicht weitergehen kann.
Man tobt gemeinsam um den Stapel Pappkartons herum, entschließt sich dann doch das Werk zu beenden.

Dekovorhänge, auch Projektionsflächen, fallen herunter, der Chor dahinter stehend, zeigt sich.
Der Charaktertenor und der Bariton zerren an der armen Sopranistin herum, die eigentlich geschont werden muss, denn soll sie doch in höchsten Tönen das

Wohl' kenn' ich dich! Wohl kenn' ich dein Geschick!
Ich kannte dich, als ich zuerst dich sah!
Das Ende deiner Qual ist da! - ich bin's.
durch deren Treu' dein Heil du finden sollst!

von sich geben.

Sie tut es - auch wenn vorher noch extra der Spieltenor, der Charaktertenor als Hausmeister, der Bassist und die Altistin die Bühne zu einem kurzen

Senta! Senta! Was willst du tun?

betreten.

Bei
Preis' deinen Engel und sein Gebot!
Hier steh' ich, treu dir bis zum Tod!


wird
bei dieser hohen Lage von der Sopranistin der Text weitgehend beiseitegelassen.

“Hier gilt's der Kunst“, hat schon RW gesagt.
Aber, was ist mit seinem Gesamtkunstwerk?
Auch sein - von ihm erdichteter - Text gehört dazu.
Sie lässt ihn weitgehend - in Töne gehüllt - unverständlich hör
en.


Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath


Der Vorhang fällt bzw. er schließt sich. So bleibt, was sie auf den Pappkartons zu treiben gedenken, dem Auge des Zuschauers verborgen.

Doch nein - alles hatte bereits aufgeatmet, ob des Endes der Vorstellung - als der Vorhang sich nochmals teilt und die Chordamen wie im zweiten Akt beim Verpacken von Haushaltswaren - wieder Ventilatoren - sichtbar werden.

Dann verklingt der allerletzte Ton und die Vorstellung ist tatsächlich zu Ende.

Dann erklimmt die Sopranistin 'beflügelt' den Pappkartonhügel, -
- der Bariton erwartet sie oben -
- der Spieltenor fotografiert die beiden von unten links.
 

Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Fazit:

In Bezug auf die Optik der Darbietung - rausgeschmissenes Geld für einen verlorenen Abend.

Die 'Bühne für Oberfranken' griff wieder einmal bei Regisseur, Bühnenbild und Kostümen ohne Berücksichtigung des Bildungsauftrages zu Lasten des Autors und letztlich des Steuerzahlers daneben.

I
n Erinnerung bleiben:

- die Vorträge von Sven Friedrich - gut, dass er nicht Bariton wurde, was
  er ja eigentlich vorhatte -
- die Vorträge von Stefan Mickisch -
- Technik, Chor, Orchester und Dirigent.

Ansonsten,
- alles, was in Bayreuth gezeigt wird, kann man in jedem Stadttheater
  sehen und auch hören,
- alles, was man heutzutage fälschlicherweise BT-Festspiele nennt, geht
  am Sinn des eigentlich vom Gründer des Events Gewollten vorbei und ist damit:

-
'überflüssig, wie der Dreck zu Pfingsten'.


 


 





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Premierenkritik – "Der fliegende Holländer" in Bayreuth
Wagners "Holländer" als Dorf-Thriller

26.07.2021 von Bernhard Neuhoff

Und das im Jahr 2021: Zum ersten Mal hat mit Oksana Lyniv eine Frau bei den Bayreuther Festspielen eine Oper von Richard Wagner dirigiert – und zwar exzellent.

Regisseur Dmitrij Tscherniakow schwänzt Wagners Erlösungsgeschichte und erzählt stattdessen lieber ein Rache-Drama, in dem die Sopranistin Asmik Grigorian als Senta triumphiert.


Bildquelle: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele


Wagners "Holländer" als Dorf-Thriller

Eines Tages kehrt er zurück. Lange hat er auf diesen Tag gewartet. Jetzt ist die Rache grausam, blutig und süß. An allen rächt er sich, am ganzen Dorf, das brennen muss. Denn Rache nimmt er für seine Mutter. Klingt echt gruselig: kein schlechter Stoff für eine Netflix-Thriller-Serie mit mittlerem Budget. Ist auch über weite Strecken recht kurzweilig erzählt. Hat nur nicht besonders viel mit dem Stück zu tun.

Kein Meer, keine Gespenster
Regisseur Dmitrij Tscherniakow treibt Wagners "Fliegendem Holländer" die Geister aus. Ein Schauerdrama ohne Gespenster, eine Matrosen-Oper ohne Meer und Mastkorb. Dafür mit einer Vorgeschichte, die während der Ouvertüre erzählt wird. Als kleiner Junge erlebt der Holländer, wie seine Mutter eine heimliche Beziehung mit Daland hat, dem reichsten Mann im Dorf. Als der sie fallen lässt, wird sie ausgestoßen von der Dorfgemeinschaft und erhängt sich. Unter ihren baumelnden Füßen steht ihr Sohn, der kleine Junge, der später der Fliegende Holländer wird. Und eines Tages zurückkehrt…

 

Oper als Milieu-Krimi

Tscherniakow verlegt die Handlung in ein Dorf der Gegenwart irgendwo in Nordeuropa. Niedrige Backsteinhäuser formen gesichtslose Straßenzüge. Zwielicht auf schlammfarbenen Kostümen beschwört provinzielle Tristesse. In der Kneipe feiern sie, als plötzlich ein glatzköpfiger Fremdling auftaucht. Er gibt eine Runde aus und singt eine große Arie über den Wunsch, alles zu vernichten. Doch wo Wagner seine eigene Künstler-Identität in einer romantischen Figur spiegelt, die nirgendwo zuhause ist, weder im Leben noch im Tod, weil die Liebe unmöglich scheint, da folgt Tscherniakow ganz seiner filmisch-realistischen Thriller-Ästhetik. Nicht um Fluch und Erlösung geht es, sondern um einen Milieu-Krimi.
 

Unterhaltsam, aber belanglos

Handwerklich macht er das sehr gekonnt: Die Personenregie zeichnet eindringliche Typen, die in prägnanten Situationen aufeinandertreffen. Senta ist ein rebellischer Teenager. Gegen ihre spießige Umgebung behauptet sie sich mit roten Strähnchen und einer exzentrischen Körpersprache – großartig dargestellt von Asmik Grigorian. Und immer wieder findet Tscherniakow witzige Lösungen: Das Spinnerlied ist eine Chorprobe auf dem Dorfplatz, das Liebesduett zwischen Holländer und Senta reibt sich mit einem steifen Familienessen auf der Veranda.
Beim finalen Showdown lässt der rächende Holländer in die feiernde Menge der Dorfbewohner schießen. Warum er das macht, wissen wir dank hinzuerfundener Vorgeschichte.
Doch die zentrale Frage des Stücks, nämlich warum und wie Senta den Holländer liebt, lässt der Regisseur komplett unbeantwortet.
Zum Schluss erschießt dann noch Dalands Frau den Holländer. Irgendein Knall muss halt die Story beenden. Ja, Tscherniakow ist ein Geschichtenerzähler. Doch diese Thriller-Schmonzette wirkt willkürlich draufgeklatscht auf Wagners Ideendrama: unterhaltsam, aber belanglos.


Oksana Lyniv: Großes Kino

Großartig dagegen gelingt das Bayreuth-Debut von Dirigentin Oksana Lyniv. Straff, energetisch, auf den Punkt. Wie sie die Orchesterbrandung hochpeitscht, dabei die Dynamik kontrolliert, Mittelstimmen hörbar macht und schwierige Übergänge koordiniert, das ist wirklich großes Kino. Aus Corona-Gründen muss der Chor geteilt werden: Auf der Bühne wird nur stumm gespielt, gesungen wird im Chorprobensaal, per Lautsprecher übertragen.
Dass Lyniv unter diesen schwierigen Bedingungen die Chorszenen zusammenhält, ist bewundernswert. Nur in den lyrischen Passagen müsste sie gelegentlich mehr loslassen, den Klang zum Blühen bringen. Vielleicht gelingt ihr das, wenn der Premierenstress vorbei ist.

Holländer mit Abstrichen
Georg Zeppenfeld ist schlicht ein fantastischer Daland: Die Stimme sitzt perfekt fokussiert, der Text ist Wort für Wort verständlich – ein Sänger, wie Wagners Götter ihn träumen.

Eric Cutler als Erik gibt der Rolle ungewöhnliche Kraft: So energiegeladen hört man diesen verschmähten Lover nur selten.

Etwas dumpf dagegen klingt manchmal John Lundgren als Holländer, vor allem im piano wirkt das gelegentlich brüchig, während sein forte durchaus Wucht hat.
Was er stimmtechnisch schuldig bleibt, versucht Lundgren mit Ausdruck wettzumachen – trotz Abstrichen ein eindringliches Rollenporträt.

Asmik Grigorian: Töne, die uns treffen
Und sie ist der Star, der das Publikum trampeln lässt: Asmik Grigorian. Vielleicht gar nicht so sehr, weil ihre Stimme so schön ist – vor allem ist sie intensiv. Keine jugendliche, sondern eine dramatische Senta. Ihre Töne erwischen einen, ihr gleißender Sopran berührt körperhaft. Der szenisch eher belanglose Thriller geht musikalisch unter die Haut.

Sendung: "Allegro" am 26. Juli 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Zitatende

Quelle: https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/kritik-premiere-bayreuther-festspiele-2021-der-fliegende-hollaender-lyniv-tcherniakov-100.html

 

 

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Frauenabend in Bayreuth: Jubel nach "Holländer"-Premiere
 

 

 

 

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Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele 2021 mit einer Neuinszenierung der Oper
"Der fliegende Holländer". Foto: Nicolas Armer/dpa - © deutsche presse agentur
25. Juli 2021 - 22:09 Uhr

Es war der Abend der Frauen in Bayreuth: Dirigentin Oksana Lyniv ist nach ihrem Debüt bei der Premiere der neuen Produktion bei den Richard-Wagner-Festspielen am Sonntagabend begeistert gefeiert worden.

Übertroffen wurde der Jubel für die 43-Jährige, die als erste Frau eine Oper bei den berühmten Festspielen dirigierte, nur von dem für eine andere Bayreuth-Debütantin:

Die litauische Sopranistin Asmik Grigorian war in der Rolle der Senta aus "Der fliegende Holländer" der erklärte Star des Abends. Die Zuschauer hielt es nicht mehr auf den Sitzen, als sie sich nach der gut zweistündigen Oper vor dem Publikum verbeugte.

Als ihr männlicher Gegenpart, John Lundgren in der Titelrolle des "Holländers", nach ihr vor den Vorhang trat, setzten sich dagegen viele wieder hin. Dabei hatte er - wie auch der Bayreuther Publikumsliebling Georg Zeppenfeld als Daland und Eric Cutler als Erik - durchaus ebenfalls eine starke Leistung abgeliefert. Grigorian aber sang sie alle an die Wand.

Erwartbare und einigermaßen einhellige Buhs gab es für das Regieteam um Dmitri Tcherniakov für eine Inszenierung mit guter Grundidee aber ausbaubarer Umsetzung.

Er hatte die romantische Wagner-Oper als Rache-Geschichte à la Graf von Monte Christo auf die Bühne bringen wollen, scheiterte damit aber wegen einer allzu schlichten Umsetzung mit leblosem Bühnenbild und problematischer Figurenführung, die es den Sängern sehr schwer machte.

Überraschend dagegen waren einige Buhs für den Chor, der normalerweise vom Publikum traditionell sehr bejubelt wird.
Zwar trat dieser tatsächlich deutlich weniger stimmgewaltig auf als sonst, das war aber - wie so vieles in dieser Zeit - wohl in erster Linie der Corona-Pandemie geschuldet.

Deswegen durfte nämlich nur die Hälfte des Chores auf der Bühne stehen und dabei das Singen nur mimen. Die andere Hälfte sang auf einer Probenbühne und wurde live eingespielt.

Die Festspiele sollen am Montag fortgesetzt werden mit der Wiederaufnahme der "Meistersinger"-Inszenierung von Barrie Kosky in ihrem letzten Jahr.

© dpa-infocom, dpa:210725-99-526649/2 - Quelle: DPA -
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26. Juli 2021, 19:10 Uhr

Bayreuther Festspiele: Geschrumpfter Mythos


Das Bürgerkind träumt von der großen Freiheit: die gefeierte Asmik Grigorian als Senta im "Fliegenden Holländer". - (Foto: Enrico Nawrath)
Auftakt in Bayreuth: Der Regisseur Dmitri Tcherniakov macht aus dem "Fliegenden Holländer" einen Kleinstadtkrimi.

Von
Reinhard J. Brembeck

Am Ende beginnt das Publikum in Bayreuths coronabedingt halbleerem Festspielhaus zu trampeln, und der Beobachter rätselt, warum. Sicherlich ist es auch der Dank dafür, dass die Festspiele nach dem letztjährigen Ausfall stattfinden. Die kleinlichen Vorschriften und die Polizeikontrollen, die das Festspielhaus in eine Festung verwandeln, mindern die Freude offenbar nicht. Mag ja sein, dass Angelas Merkels letzter Festspielbesuch als Kanzlerin diese Demonstration der Staatsmacht erforderlich macht, doch andere Festivals sind dezenter.

Der Beifall wird besonders laut, als Asmik Grigorian auf der Bühne erscheint. Diese agile Frau ersang sich vor drei Jahren in Salzburg als Vamp Salome (Richard Strauss) ihren Durchbruch. Jetzt ist sie wieder einmal mit einer unbedingten Liebe beschäftigt, als Senta in Richard Wagners vierter vollendeter Rätseloper "Der fliegende Holländer".

Mit der hat der oft originelle Regisseur Dmitri Tcherniakov aber anderes im Sinn als Wagner.

Der Komponist, der sich seine Libretti selbst schrieb, bringt hier eine seiner pathologischen Liebesgeschichten zwischen Erlösungssehnsucht, Todessehnsucht und biederer Bürgerlichkeit auf die Bühne.
Der Titelheld hatte sich mit Gott angelegt, jetzt muss er herumirren, bis eine Frau sich seiner bedingungslos liebend erbarmt.
Senta dagegen träumt als behütetes Mädel von der großen Freiheit und von ihrem Helden, der der Holländer ist.
Oder doch nicht?

Die Kleinstadtlangeweile ist bei Tcherniakov, der auch das Bühnenbild gemacht hat,
mit Händen zu greifen.

(Foto: Enrico Nawrath)

Tcherniakov ist das alles wohl zu mythisch-christlich wabernd. Er erzählt einen Krimi. Sentas Papa hatte mit des Holländers Mama mal eine Affäre, die mit deren Selbstmord endete, der kleine Holländer war dabei. Das Kind verließ die Stadt und kommt als Rachemonstermacho zurück, will Senta verführen, ballert wahllos in die Menge. Um am Ende von Sentas Stiefmutter Mary über den Haufen geschossen zu werden. "Tatort" statt Mythos: Tcherniakov erzählt schlüssig, geht aber allen Problemen dieser Partitur aus dem Weg. Er verkleinert das Stück gegen die aus einer bissig heiteren Offenbachiade in romantische Dunkelheiten wegtauchende Musik auf eine Bühnenbanalität, die auch musikalisch keine Erlösung bietet.

Die Dirigentin Oksana Lyniv scheitert am Jenseitigen und Urgewaltigen

Der aus Seuchengründen über Lautsprecher zugespielte und durch Statisten gedoubelte Chor klingt dünnbrüstig. Der Sängermassenwettstreit zwischen den Bürgern und der Terrorgang des Holländers hört sich deshalb an wie eine Talkrunde im Fernsehen. Das Undomestizierbare, das Jenseitige, die Abgründe und die Urgewalt der Natur sind kein Anliegen von Oksana Lyniv, die als erste Frau in Bayreuth dirigierte. Lyniv gelingen trotz einiger Wackler die geschlossenen Nummern der heilen Bürgerwelt überzeugender als die in Chromatik und Haltlosigkeit zersplitternde Psychounterwelt. Eine Dirigentin, ein Dirigent aber muss beides können - und zu einer Synthese führen. Davon war bei Lyniv nichts zu hören. Ihr gelang es auch nie, die Erzählung aus dem Orchestergraben heraus zu steuern. So war Lynivs Debüt erst einmal eine Talentprobe, das Sondieren eines schwierigen Stücks. Bayreuth versteht sich aber als Werkstatt, in der immer nachgebessert werden kann.

Tcherniakov als eigener Bühnenbildner zeigt nur ein paar Prospekte niedrige Häuser einer nordischen Kleinstadt, die hin und her geschoben werden. Die oft nur manierlich tobende Musik macht deutlich, was die Kleinstadtlangeweile für Verwüstungen im Unterbewussten der Einwohner anrichtet. Die Senta der Asmik Grigorian ist noch in der Pubertät, sie turnt sich aufbäumend und verrenkend gegen die väterliche Autorität an, eine rote Strähne im blonden Haar. Der Holländer des John Lundgren ist ein älterer Mann ohne Haare und mit Bauch, der seine innere Brüchigkeit durch brüchige Vokallinien beglaubigt. Auch vom Timbre harmonieren er und Senta nicht.

 

Wagner-Festspiele in Bayreuth

Und dann lugt plötzlich die Kanzlerin aus dem Auto

Wie so viele Wagner-Frauen steht auch Senta zwischen zwei Männern. Der Konkurrent des Holländerrabauken ist der sentimentale Loser Erik, der Senta in einer konventionellen Bürgerehe versklaven will. Es hilft Eric Cutler wenig, dass er tenoral lockt. Die Aussicht, Heimchen am Herd zu werden, ist nicht erst 2021 scheußlich, sie war es schon zur Wagnerzeit.

Und der Vater des Georg Zeppenfeld, einst der Stenz der Kleinstadt, ist längst ein Krämer, der bloß ans Durchkommen denkt und an eine reiche Partie für die schwierige Tochter. Allein in der Mary der Marina Prudenskaya lodert noch Leidenschaft. Sie möchte klare Verhältnisse, will das Böse, verkörpert im Holländer, aus ihrer abgelebten Idylle vertreiben und mordet dafür.

Das Publikum trampelt begeistert und kurz, erhebt sich bei Asmik Grigorian und buht den Regisseur aus.
Die Kanzlerin in der Loge lächelt milde. Anders als sie muss die Festivalchefin Katharina Wagner weitermachen.
Diese verrutschte Premiere macht ihr den Job nicht leichter.

© SZ/jhl

Bayreuths erste Dirigentin: Erfüllte Träume
Oksana Lyniv dirigiert als erste Frau bei den Bayreuther Festspielen, die sie am Sonntag mit dem "Fliegenden Holländer" eröffnet. Oksana wer? Ein Porträt.

Zitatende

Quelle: https://www.sueddeutsche.de/kultur/bayreuth-festspiele-fliegender-hollaender-richard-wagner-1.5363897

 

 

 

 

 


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BAYREUTH/ Festspiele:
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER -
Eine „romantische“ Oper nach Richard Wagner. Eröffnungspremiere.

26.07.2021 | Oper international

BAYREUTH/Festspiele: Stream – DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
Premiere am 25. Juli 2021

Gestern Abend sind sie also nun gestartet, die Bayreuther Festspiele 2021, nachdem das Festival im Vorjahr wegen Covid 19 abgesagt werden musste. Man begann mit einer Neuinszenierung des „Fliegenden Holländer“, und was vor allem im Vorfeld kommentiert wurde, war die Tatsache, dass zum ersten Mal seit Gründung der Festspiele im Jahre 1876 eine Frau am Pult des Bayreuther Festspielorchesters stehen würde, als handelte es sich um eine andere Spezies, die nun einmal die musikalische Leitung in die ungewohnten Hände nehmen würde.

Meines Erachtens wäre der Sache der langsam, aber sicher und durchaus verdient, als Operndirigentinnen an großen Häusern aufkommenden Damen besser geholfen gewesen, wenn dieser Umstand unaufgeregter kolportiert worden wäre.

Schließlich hebt auch die Lufthansa nicht bei jedem Flug die Tatsache hervor, dass eine Frau am Steuer sitzt, für einige Fluggäste immer noch eine Überraschung. Oksana Lyniv, ehemalige GMD in Graz, um es gleich vorwegzusagen, machte ihr Debut im nicht ganz leicht zu beherrschenden „Mystischen Abgrund“ mit dem Bayreuther Festspielorchester sehr gut, soweit man das auf der Basis eines streams sagen kann.

In jedem Falle stimmten die Tempi, wurden dramatische Akzente passend und einnehmend gesetzt sowie die Sänger stets gut geführt. Ein sicher beachtlicher Einstand!

Aber es gab ja auch noch einen Regisseur, und der heißt Dmitri Tscherniakov, eine Weile mal für den neuen Bayreuther „Ring“ im Gespräch, der ja nun 2022 kommen soll und von Valentin Schwarz in der Rekordzeit von etwa neun Monaten (!) mit allen vier Teilen schon fertiggestellt wurde! Und was uns der gute Tscherniakov mit Unterstützung seiner Dramaturgin Tatiana Werestchagina gestern Abend im stream und im Festspielhaus servierte, hat relativ wenig, wenn überhaupt etwas mit Wagners „Fliegendem Holländer“ zu tun, erst recht, wenn man die sehr persönliche Genesis dieses Frühwerkes des Bayreuther Meisters und Heinrich Heines Aufzeichnungen aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski bedenkt. Daraus ergibt sich gewissermaßen zwangsläufig das Postulat, die im wahrsten Sinne des Wortes elementare Rolle der hier ganz wesentlichen Elemente, nämlich Wind, Wellen und Meer, die zudem klar hörbar aus Wagners Musik zu uns sprechen, auf irgendeine Weise dramaturgisch einzubinden und nach Möglichkeit auch optisch umzusetzen. Das ist zugegebenerweise nicht ganz leicht, wenn es überzeugend sein soll.

Bedeutende Regisseure haben sich dieser Aufgabe immer wieder mit Erfolg gestellt. Wenn man an die Bedeutung des ihm so wichtigen Mythos in Wagners Oeuvre glaubt, bzw. sie überhaupt zur Kenntnis nimmt und damit an den Komponisten glaubt, dann sollte man sich dieser Aufgabe stellen, erst recht in Bayreuth. Dass dies hier nicht geschehen würde, war schon an der Einblendung zu erkennen, dass der Holländer nach sieben Jahren nun nach Hause (eigentlich ja Holland!) kam, er also Einwohner des norwegischen Sandvikes ist – was die der ganzen Oper zugrunde liegende Idee des vom Teufel verfluchten und deshalb so unnahbaren und umherirrenden Ahasvers der Meere auf den Kopf stellt! Also stattdessen schon der nette Schwiegersohn von nebenan? Der Mikrokosmos des neuen Bayreuther „Holländer“ war damit auch formell vorgezeichnet. Immerhin wiesen die Kostüme von Elena Zaytseva darauf hin, dass sich das Ganze in Norwegen zuträgt. Besonders schön die Norweger-Pullover der Herren!

Natürlich ist es da viel leichter, das Stück in die Plakativität des heutigen Alltags zu verlegen, ja regelrecht in die Gegenwart zu zerren und es damit nahezu total gegen Wagners Text und Musik zu inszenieren. Aber beides scheint für Tscherniakov wohl keine Rolle bei seiner Interpretation des Holländer zu spielen, der alle sieben Jahre an Land geht und das schon seit längerer Zeit (300 Jahre?). Es geht gleich beim Vorspiel schon mal damit los, dass ein Mann mit einer Frau gleich nach der ersten Umarmung – natürlich bei Vollbekleidung – an einer Häuserwand kopuliert und diese sich zwei Minuten später im ersten Stock eines Hauses wohl deswegen aufhängt. Sie hatte offenbar ein Kind, der arme Knabe kommt fassungslos hinzu. Mit etwas Phantasie könnte man das als einen der vorherigen Versuche des Holländers deuten, ein treues Mädel zu seiner Erlösung zu gewinnen. Seine großzügigen Worte im Finale der Oper lassen aber auf andere, durchaus rücksichtsvollere Vorgehensweisen schließen, auch wenn die Damen dabei immer ihr junges Leben ließen. Mit der Musik des Vorspiels hatte das indes nichts zu tun. Wie gern würde man doch endlich mal wieder ein Vorspiel ohne so aufdringliche Bebilderung erleben, um seine ganze musikalische Größe und Besonderheit zu genießen. Nicht umsonst sind es Stücke, die auch konzertant aufgeführt werden. Die Augenbedeckung bei Langstreckenflügen der Lufthansa aus der business class ist eine Option…

Dann geht es aber gleich hinein in die auch nach der Döner-Bude der „Götterdämmerung“ von Frank Castorf kaum noch überraschende Kneipe in Sandvike, in der sich Daland mit den norwegischen Matrosen auf den immer beliebter werdenden Plastikstühlen, die man in vielen Arztpraxen sieht, bereits beim Bier vergnügt und der Holländer schon von Beginn an als stummer Gast mit am Tisch sitzt. Krachend bricht der wackelige Campingtisch des Steuermanns bei dessen an sich ohne Lärmbelästigung gut klingenden Lieds zusammen. Der Holländer steckt sich eine Zigarette an, nachdem er den Wirt – der übrigens verblüffend Frank Castorf gleicht – gebeten hat, den fünf Männern am Tisch eine Runde Bier auf seine Kosten auszugeben, als Ersatz für das (nur noch musikalisch wahrnehmbare) Eintreffen des Holländerschiffs.

Die Männer beäugen ihn während des Monologs immer verwunderter, der Tisch des Steuermanns bricht erneut krachend zusammen. Gegen Ende des Monologs verlangt der Holländer die Rechnung und zahlt mit US$-Noten großzügig gleich im Anschluss. So geht es munter weiter, wobei man sich wundern muss, in welchem Ausmaß Daland und Holländer („…und meine Heimat find‘ ich nie…“) von Dingen singen, die nicht im Entferntesten zu sehen, zu vermuten oder zu ahnen sind. Der Text wird zur Farce, die Musik zur Begleitung ohne Bezug zum Geschehen. Das erinnert mich durchaus an die Idee von Frank Castorf, seinen „Ring“ „gegen die Musik zu inszenieren“ und so zu einem ungewohnten Effekt zu kommen, um dann zu sehen, wie das Publikum damit zurecht kommt. Dass dies nicht von Erfolg gekrönt war, abgesehen vom singulären Dirigat von Kirill Petrenko und den zum Teil wirklich genialen Bühnenbildern von Aleksander Denic, war nachhaltig zu erkennen.

Auch im 2. Akt darf nichts so sein, wie es sein sollte oder wenigstens könnte. Nachdem ein paar Häuser des biederen Sandviker Zentrums mit Kirche (bewegliches Einheitsbühnenbild ebenfalls Dmitri Tscherniakov) etwas verschoben worden sind, setzen sich die Mädchen auf stoffbespannten Campingstühlen mit Notenbüchern um Mary herum und singen unter ihrer Anleitung ihr berühmtes Lied. Nun kommt allerdings die starke Phase der Senta, die Tscherniakov in der Tat beeindruckend als revoltierendes Mädchen darstellt, das von der Idee des Holländers besessen ist und sich eigentlich auch immer wieder emanzipatorisch gibt, obwohl das wiederum mit den dramaturgisch vorgegebenen Unterwerfungsgesten gegenüber dem Holländer unvereinbar erscheint. Wir erleben ein kleinbürgerliches Abendessen des alternden Pärchens Daland und Mary mit dem Holländer und Senta in einer Art Wintergarten. Es wird Suppe gereicht bei Kerzenschein! Im Laufe des Essens wird allein Mary klar, dass das nicht gut ausgehen kann. Sie wird den Holländer am Ende mit der Flinte erschießen, nachdem der zuvor schon mit seiner Pistole die norwegischen Matrosen vertrieben hat. Und da offenbart sich dann Senta mit einem ekstatischen Gelächter. Es war wohl auch für sie von Anfang an eine Null-Nummer, aber das konnte man bei der Ballade und den intensiven Szenen mit Erik vorher noch nicht wissen…



J
ohn Lundgren, Asmik Grigorian. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele

Die Bayreuth-Debutantin Asmik Grigorian, in Salzburg eine großartige Salome und Chrysothemis, interpretierte die Senta mit enormer Emphase und überzeugender Intensität in ihrer Auseinandersetzung mit Erik und dem Holländer. Ihr kräftiger und zu beeindruckender Attacke fähiger Sopran vermag alle Facetten der Rolle auszuleuchten. Nur gegen Ende wurden verständlicherweise leichte Ermüdungserscheinungen hörbar. Der Bayreuth-erfahrene John Lundgren spielte einen souveränen Holländer mit kräftigem Heldenbariton, weshalb ihm die Rolle auch mehr liegt als der Wotan. Sein Monolog war – wenn man die konstruierten Störungen außer Acht lässt – einer der Höhepunkte des Abends. Georg Zeppenfeld war wie immer ein mit profundem Bass ausdrucksstark auftretender Daland. Eric Cutler sang einen kraftvollen Erik, der auf Potential im heldischen Fach hinweist. Marina Prudenskaya, eine der besten Erdas der letzten Jahre, war eine gebieterische Mary mit vollem Mezzo. Attilio Glaser sang den szenisch arg behinderten Steuermann anmutig. Der von Eberhard Friedrich geleitete Bayreuther Festspielchor, dessen Sänger von außerhalb des Festspielhauses sangen, war wie immer ein Glanzpunkt der Aufführung.

Im Musikalischen gibt es also wie so oft in Bayreuth nichts auszusetzen. Was die Inszenierung angeht, so reiht sie sich scheinbar nahtlos in die Serie von Wagner-Produktionen ein, die seit kurzem an großen Häusern in einer ganz ähnlichen Ästhetik daherkommen und zu erheblichen Teilen weitgehend von mythischen oder wenigstens tiefergründigen und für das Wagnersche Oeuvre typischen Facetten abstrahieren. Ich meine damit den Wiener „Parsifal“ von Kirill Semjonowitsch Serebrennikow und die Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ beim Festival d’Aix en Provence Anfang Juli 2021 von Simon Stone.
Gerade bei letzterer finden sich, ähnlich wie in diesem neuen „Holländer“, nahezu groteske Abweichungen von der Intention des Komponisten und zerren das Stück in eine Realität die – zumal im 3. Aufzug – kaum noch nachvollziehbar ist.

Wenn das der Weg der künftigen Wagner-Rezeption wird, möchte ich nicht dafür die Hand ins Feuer legen, dass damit langfristig nachhaltiger Publikumszuspruch zu erreichen ist, der bei aller erwünschten Freiheit der künstlerischen Interpretation großer Werke der Opernliteratur ja auch eine gewisse und nicht vernachlässigbare (auch wirtschaftliche) Größe im Überlebenskampf der Kunstform Oper ist. Das gilt nun besonders nach der ihrem Ende entgegengehenden Pandemie und den damit möglicherweise verbundenen knapper werdenden Subventionen. Mit solchen Inszenierungen entfernt man sich immer weiter vom Wagnerschen Gesamtkunstwerk, einer einstmals bahnbrechenden Konzeption einer neuen Form des Musikdramas des Komponisten. Man lässt seine Musikdramen und Opern dann immer mehr als gefälliges – und manchmal auch relativ preisgünstiges – Theater mit teilweise beliebiger musikalischer Begleitung erscheinen. Statt Musiktheater also Theater mit Musik! Es ist zu hoffen, dass Text und Musik irgendwann wieder die ihnen vom Schöpfer zugedachten und folglich zustehenden Rollen in der Wagner-Rezeption erhalten werden. Das dann auch zeitgemäß verständlich und überzeugend zu bringen, ist das Werk wirklich großer Regisseure, die das Handwerk kennen, für die Musik Verständnis aufbringen und nicht unbedingt immer gleich einen „großen“ Namen haben müssen. Götz Friedrich, Harry Kupfer und andere haben vorgemacht, wie das geht!
Klaus Billand

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Was andere schrieben

 

 

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Samstagabend, der Grauburgunder ist gut gekühlt, die Häppchen stehen bereit, mit Vorfreude und Spannung sehe ich einem genussvollen Kulturfernsehabend entgegen.
3sat überträgt eine Aufzeichnung der Eröffnungspremiere der diesjährigen Bayreuther Festspiele, Richard Wagners romantische Oper »Der fliegende Holländer".
Gleich zu Beginn der Ouvertüre, in der Wagner sämtliche Leitmotive der Oper (Flucht, Geisterruf, Erlösung, Liebestreue) musikalisch gebündelt und vorweggenommen hat, erscheint ein eingeblendeter Hinweis: „Der sonderbare, immer wiederkehrende Traum des H." Auf der Bühne busselt eine Frau mit Daland und wird dabei von ihrem Sohn überrascht. Als der Seemann sie kurz darauf fallenlässt und die Frau, offenbar ein leichtes Mädchen, von der Dorfgemeinschaft geächtet wird, nimmt sie sich das Leben, der Junge findet sie erhängt. In der weiteren Handlung erweist sich, dass der Sohn alias der fliegende Holländer sich nun nach Jahren an Daland für den Tod der Mutter rächen will. Am Ende erschießt er auf dem Marktplatz willkürlich zwei Menschen, bevor er selbst von Sentas Amme Mary, die hier auch Dalands Frau ist, mit einer Schrotflinte hinterrücks erschossen wird.
Beiläufig zu Senta: Das verträumte Mädchen ist hier eine wilde Hummel mit bunten Haarsträhnen und Kapuzen Hoodie, eine „renitente Göre" (FAZ), überzeugend dargestellt von der 40jährigen litauischen Bayreuth-Debütantin Asmik Grigorian.
Soweit die Holländer-Geschichte in der Inszenierung des russischen Regisseurs Dmitri Tcherniakov. Schiffe, Segel, Meer, Gespenster-Matrosen? Fehlanzeige. Was das alles mit Wagner und der Legende vom in ewiger Verdammnis unerlöst auf den Weltmeeren kreuzenden Holländer zu tun hat? Nun, ganz sicher nichts.

Thorsten Thaler
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Quelle: 'Junge Freiheit' – Nr. 32/21 – 6. August 2021

 

 


Und die Hannoversche Allgemeine titelte:

 

 

Zitat

[…]
Wagners Erlösungs-Dimension gerät freilich völlig aus dem Blick, das Verhältnis von Senta und Holländer hat irgendwann keine sinnlich spirituelle Komponente mehr, da ist rein gar nichts - nur noch der Wunsch nach der nächsten szenischen Pointe.
[…]
Wolfram Goertz

Zitatende
Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung – 27. Juli 2021 – Seite 28

 



Was andere schrieben
 

 

 

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Bayreuth polarisiert mit »Die Meistersinger von Nürnberg«

Juli 26, 2017 - by Ruprecht Frieling

 

Party im Hause Wagner. Lediglich Sixtus Beckmesser (ganz rechts) knabbert statt Nürnberger Lebkuchen an einem koscheren Butterbrot. Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

In die überzeichnete Karikatur der Figur des Sixtus Beckmesser als jüdische Fratze mündet die Interpretation der »Meistersinger von Nürnberg« von Regisseur Barrie Kosky im Bayreuther Festspielhaus.

Bereits beim zehnminütigen Vorspiel der »Meistersinger von Nürnberg« herrscht reges emsiges Treiben auf der Bühne im Bayreuther Festspielhaus: In Richard Wagners nachgebautem Salon von »Villa Wahnfried« empfängt der hektisch umherspringende Meister im Rembrandt-Look seinen Schwiegervater Franz Liszt, den Dirigenten Hermann Levy und andere illustre Gäste.

Wagner ex machina. Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Bilder, Pakete und Noten werden vom Personal hereingetragen, der Hausherr versprüht Parfum aus bunten Flakons, Frau Cosima hat Migräne und dem Flügel entsteigen als Wagner-Replikate die Söhne des Meisters. Stühle und Sessel werden in Richtung Publikum gedreht. Es steht eine Privatvorführung der »Meistersinger von Nürnberg« an.

Glaubt der Zuschauer während dieser Eingangsszene noch, in einer Filmszene mit vorzüglichem Kostümbild zu sitzen, so verwandeln sich die vermeintlichen Schauspieler kurz darauf in Sänger. Wagner wird zu Hans Sachs, Levy zu Sixtus Beckmesser, Liszt zu Veit Pogner. Wie in einem Kammerspiel präsentiert Barrie Kosky, Chef der Komischen Oper Berlin, den ersten Aufzug von Richard Wagners monumentalem Werk, und der Zuschauer staunt in eine Guckkastenbühne.

Worum geht es in »Die Meistersinger von Nürnberg«?

In Wagners Dreiakter möchte ein verliebter Ritter ein Mädchen erobern, das als Preis eines Sängerwettstreites ausgesetzt wurde. Dazu muss der junge Mann allerdings Widersacher besiegen und in die Geheimnisse der Meistersinger eindringen, die den Sängerwettkampf ausschreiben und sich hinter einem komplizierten Regelwerk verstecken. So weit der Plot.

Richard Wagner verarbeitete das Thema zu einer großen Künstleroper mit einer enormen Portion Humor, feinstem Sprachwitz, Situationskomik und Spott, während auf der Bühne die Fetzen fliegen. Es geht inhaltlich darum, die Freiheit und Weiterentwicklungsmöglichkeit von Kunst zu vertreten, statt diese in ein enges Regelwerk zu zwingen.

Um den Konflikt zwischen Alt und Neu, zwischen Gestern und Morgen zu verdeutlichen, schuf Wagner die Figuren des Schuhmachers Hans Sachs als Vertreter der Moderne und des Stadtschreiber Sixtus Beckmesser als seinem konservativen Gegenspieler.

Wagner schildert Beckmesser im Gegensatz zu seinem besonnenen und progressiv eingestellten Protagonisten Hans Sachs als besserwisserischen Erbsenzähler, der sich aber im Ergebnis mit seiner Haltung nur selbst schadet und unsterblich lächerlich macht. Der Name »Beckmesser« ging sogar in den allgemeinen Sprachgebrauch ein. Vorlaute Zeitgenossen, die gern andere korrigieren, werden als »Beckmesser« bzw. »beckmesserisch« bezeichnet. Der Duden übersetzt die Wortbedeutung »beckmessern« mit »kleinlich tadeln, kritisieren«.

Ist Beckmesser wirklich der »ewige Jude«?

»Meistersinger Beckmesser« in der Darstellung von Hugo L. Braune © Sammlung Frieling

Sixtus Beckmesser ist keine Gestalt, die Wagners Phantasie entsprang. Noch im 17. Jahrhundert war vom »gülden Ton« eines Sixt Beckmesser die Rede. Da sein Name aber in den Archiven fehlt, besteht Grund zur Vermutung, der Meister habe tatsächlich »Sixt Beck« geheißen, und der Namenszusatz »messer« sei ein Hinweis auf seinen Beruf als Messerschmied. In den Archiven der Stadt Nürnberg wird 1539 die Witwe eines Sixt Beck genannt; ferner bestand eine Messerschmiede namens Beck bis ins 17. Jahrhundert.

Mit der Figur Beckmessers karikiert Wagner jedenfalls diejenigen Kritiker und Rezensenten, die nach überholten Maßstäben urteilen und ihr kleinlich-pedantisches Kritikasterdasein leben. In seinem ersten Entwurf hatte Wagner die Figur noch »Veit Hanslich« genannt, eine Anspielung auf seinen Intimfeind, den einflussreichen Musikrezensenten der Wiener »Neue Freie Presse«, Eduard Hanslick. Dieser Mann hatte sich abfällig über Wagners Werk geäußert, sie gar als »Katzenmusik« bezeichnet. Der Komponist wollte sich wohl auf seine Art rächen und änderte den Namen der Figur erst in einem weiteren Entwurf in Sixtus Beckmesser ab.

Beckmesser indes als »Juden« darzustellen, blieb den Antisemiten vorbehalten, die Schöpfer und Werk vor allem in der Nazizeit für ihre Zwecke missbrauchten. Dabei steht in dem Werk kein einziger Hinweis auf einen möglichen semitischen Hintergrund der Beckmesser-Figur.

 

Richard Wagner und Barrie Kosky polarisieren

Sixtus Beckmesser tanzt mit einer Maske, damit auch jeder merkt, dass er einen Juden darstellen soll. Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Regisseur Barrie Kosky zieht nun die alte Nazinummer wieder aus der Rumpelkammer hervor und überzeichnet Beckmesser in seiner Bayreuther Inszenierung von »Die Meistersinger von Nürnberg« als hässlichen Juden. Dazu lässt er den Stadtschreiber mit einer Judenmaske herumtanzen und entfaltet zum Abschluss des zweiten Aufzuges eine gewaltige Judenfratze mit Davidstern aus dem »Stürmer«. Ein völlig überdimensionierter Holzhammer!

Wie kaum ein anderer Künstler hat auch Wagner schon zu Lebzeiten stark polarisiert. Der von sich selbst als »Genie« überzeugte Egomane beglich seine Schulden nicht, er lebte gern auf größerem Fuße, als ihm seine Einkünfte erlaubten, und er versuchte auf alle möglichen Arten seine Minderwertigkeitskomplexe zu kompensieren. Dazu zählte sicherlich sein aufgebauschter Antisemitismus, mit dem er gemeinsam mit seiner Frau Cosima versuchte, von der höheren Gesellschaft anerkannt zu werden und der in seinem unsäglichen Aufsatz »Das Judenthum in der Musik« gipfelte.

Auf der anderen Seite hatte er viele jüdische Freunde und vertraute zum Ende seines Lebens die Uraufführung seines »Parsifal« Hermann Levi an, der Sohn eines Rabbiners war. In seinem Werk, und das ist wohl das Wesentliche, lässt sich keine antisemitische Zeile finden.

Regisseur Barrie Kosky ist ebenfalls dafür bekannt, auf die Pauke zu hauen, und das tut er in seiner Bayreuther Inszenierung der »Meistersinger von Nürnberg« auch kräftig. So fährt er seine Inszenierung aus der Salonatmosphäre in den berühmten Saal 600, in dem die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse stattfanden. Jetzt steht Wagner/Sachs auf der Anklagebank, wird inszenatorisch »freigesprochen« und dirigiert zum Schluss ein aus dem Hintergrund hereinfahrendes Orchester zum furiosen Abschluss der Oper.

Wer waren eigentlich die Meistersinger?



https://www.internet-buchverlag.de/book/meistersinger/

Viel gelobt: Opern(ver)führer zu den »Meistersingern«
von Ruprecht Frieling

Die sogenannten Meistersinger waren Handwerksmeister im 15. und 16. Jahrhundert, die sich zu Gilden zusammenschlossen, um in ihrer Freizeit der Dichtkunst zu frönen. In einer »Schulordnung« legten sie den Umgang miteinander und ihre Auftritte fest. Sie gliederten sich in Schüler, Schulfreund, Singer, Dichter und Meister.

Meistersinger konnte nur werden, wer gemäß des in der »Tabulatur« niedergelegten Regelwerks vor der Gildenleitung ein eigenständiges Lied fehlerfrei vortrug. Sämtliche Meistersinger arbeiteten in ihren bürgerlichen Berufen, die Arbeit innerhalb der künstlerischen Gemeinschaften erfolgte ohne Vergütung, und auch ihre Veranstaltungen waren kostenfrei zugänglich. Die Darbietungen der Meistersinger fanden meistens im Anschluss an den Sonntagsgottesdienst statt. Sie wurden als »Singschulen« bezeichnet.

Die bekanntesten Nürnberger Meistersinger waren Fritz Kettner, der Bäcker Konrad (Kunz) Nachtigall, der Nagelschmied Fritz Zorn, Sixt Beckmesser und der Leinenweber Lienhard Nunnenbeck, der wiederum Hans Sachs ausgebildet hatte. Durch die Kunst des Hans Sachs erlebte der Meistergesang eine Blütezeit, die über den Tod des dichtenden Schuhmachermeisters hinaus bis etwa 1630 anhielt. Danach setzte ein Verfall der Meisterschulen ein, die letzte Gesellschaft wurde 1839 in Ulm aufgelöst.

Als Erfinder ihrer Kunst verehrten die Meistersinger eine Reihe fahrender Sänger des 13. und 14. Jahrhunderts, die ihnen zum Vorbild dienten. Die heute bekanntesten dieser sogenannten »12 alten Meister« waren Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach, der Schöpfer des »Parzival«.

Innerhalb der Meistersinger kam es vor allem im Zuge der Reformation immer wieder zu Diskussionen über die teilweise sehr enge Auslegung des Regelwerks. Richard Wagner parodiert genau diese Auseinandersetzung, indem er in der Gestalt des Sixtus Beckmesser den Prototyp des »Merkers« schuf, der sich als Erbsenzähler und Pedant ausweist. Hans Sachs hingegen verkörpert den fortschrittlichen, von der Reformation geprägten Geist, der die Starre der Tabulatur in Frage stellt und im Interesse einer künstlerischen Entwicklung lockern möchte.

 

Die Bayreuther Inszenierung der »Meistersinger«

Sachs/Wagner mutterseelenallein im Nürnberger Schwurgerichtssaal 600.
Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Nach dem beeindruckenden ersten Aufzug im Salon der Wagner-Villa tritt Regisseur Barri Kosky das Gaspedal durch, indem er 72 Jahre nach Kriegsende Wagner vor das Nürnberger Tribunal stellt, das Thema Antisemitismus plakatiert und den Baseballschläger schwingt. Diese Nazi-Karte darf der australische Regisseur allein aus dem Grund ziehen, weil er jüdische Wurzeln vorweisen kann. Ein anderer Regisseur würde für diese plumpe Metapher gesteinigt.

»In Bayreuth nur der genießt, der die Augen verschließt« heißt es spöttisch in Kreisen eingefleischter Wagnerianer. Diese Inszenierung darf mit offenen Augen gesehen werden. Das Bühnenbild (Rebecca Ringst) ist sorgfältig gestaltet, die Kostüme (Klaus Bruns) sind spektakulär, die Chöre unter Eberhard Friedrich sind präzise und das Orchester unter dem Dirigat von Philippe Jordan spielt sprühend und teilweise anmutig.

Opern-Blogger Ruprecht Frieling am Dirigentenpult im Bayreuther Orchestergraben. Foto: privat

Die Sänger in dem Männerstück machen die diesjährigen »Meistersinger« aber zu dem eigentlichen Erlebnis. Vor allem Michael Volle als Hans Sachs überzeugt durch sein authentisches Auftreten, deutliche Aussprache und enorme Kondition in einer der schwierigsten Rollen der Operngeschichte. Seine Stimme berührt emotional und strahlt alles andere als schwülstig-fett.

Wundervoll differenziert wirkt Bariton Johannes Martin Kränzle als ausgegrenzter Sixtus Beckmesser. Er versteht, die Eigenart seiner tragikomischen Figur schauspielerisch und stimmlich herauszuarbeiten. Lediglich Evchen (Anne Schwanewilms) wirkt stimmlich nicht ganz so überzeugend, wie es »der schönste Preis« erwarten lässt.

Insgesamt bietet Bayreuth anno 2017 wieder großes Kino, das in diesem Jahr sogar ohne die typischen Skandale im Vorfeld ablief.

Da es bei der Premiere regnete, müssen im Nachhinein auch keine Schweißflecken bei den obligatorischen Angela-Merkel-Fotos wegretuschiert werden. Endlich kann wieder über die Oper an sich gesprochen werden.

Zitatende
Quelle: https://ruprechtfrieling.de/bayreuth-die-meistersinger-von-nuernberg/

 



Leserbrief

 

 

Zitat
Sehr verehrte Frau Professor Gilles,
danke für Ihre immer sehr interessanten "Mitteilungen ...".
Ihre Informationen zum Thema "allesdichtmachen" beschäftigen mich immer noch, weil ausgerechnet auch ein Herr BÖHMERMANN sich berufen fühlte, sich zu Wort zu melden.
Die Einspielungen kenne ich nicht.

Dieser Herr B. kann den Schauspielern nicht das Wasser reichen.
Herr B. wurde zu einem Begriff, als er sich ordinär und widerlich zu einem Präsidenten eines anderen Landes geäußert hatte.

Eigentlich dürften Personen wie dieser Herr B. keine Plattform im Fernsehen haben.
Umso erstaunlicher zu lesen, daß er immer noch eine Sendung dort bestreitet. Seine höchst peinliche und unverschämte Entgleisung ist demnach für ihn ohne Folgen geblieben.

Wenn Opernregisseure ihre eigenen kranken Phantasien auf der
Bühne ausleben, mit Steuermitteln hoch bezahlt werden, und
dann das Publikum vergraulen - s. Niedergang Bayreuth - wird das
mit der künstlerischen Freiheit erklärt. Die Entgleisungen
des Herrn B. damit auch?

Den Schauspielern von "allesdichtmachen" will man den Mund verbieten, und fällt über sie her.
Es wird immer empörender.

Mit herzlichen Grüßen
Frau Tendeler-Bährecke aus Hannover

Zitatende

 

 

Leserbrief
 

 

 

Zitat
Liebe Freunde,
das hier müsst Ihr Euch - leider - zu Gemüte führen. Dann braucht man das ganze Wahlprogramm der Grünen gar nicht mehr zu lesen. Man kann es ohne durchzudrehen ohnehin kaum lesen bei diesem Gender-Irrsinn.
Der unten angesprochene Robert Habeck, der für "eine werbende Sprache, eine einladende Kommunikation, die nicht besserwisserisch daherkommt“ wirbt oder warb, ist heute Abend bei Markus Lanz. Ich bin schon gespannt…

Beste Grüße,
Klaus

https://www.klaus-billand.com/

KULTUR <https://www.welt.de/kultur/ <https://www.welt.de/kultur/>>
STÜTZEN DER GESELLSCHAFT  <https://www.welt.de/kultur/stuetzen-der-gesellschaft/ <https://www.welt.de/kultur/stuetzen-der-gesellschaft/>>DEUS EX MACHINA  <https://www.welt.de/kultur/deus-ex-machina/ <https://www.welt.de/kultur/deus-ex-machina/>>FILM  <https://www.welt.de/kultur/kino/ <https://www.welt.de/kultur/kino/>>LITERATUR  <https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/ <https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/>>POP  <https://www.welt.de/kultur/pop/ <https://www.welt.de/kultur/pop/>>KUNST  <https://www.welt.de/kultur/kunst/ <https://www.welt.de/kultur/kunst/>>THEATER  <https://www.welt.de/kultur/theater/ <https://www.welt.de/kultur/theater/>>ARCHITEKTUR  <https://www.welt.de/kultur/architektur/ <https://www.welt.de/kultur/architektur/>>KLASSIK  <https://www.welt.de/kultur/klassik/ <https://www.welt.de/kultur/klassik/>>MEDIEN  <https://www.welt.de/kultur/medien/ <https://www.welt.de/kultur/medien/>> <>BLAU  <https://www.welt.de/kultur/blau/ <https://www.welt.de/kultur/blau/>>

 

BLICK INS WAHLPROGRAMM
Das radikale Konzept des grünen Genderdeutschs
Stand: 15:54 Uhr | Lesedauer: 6 Minuten - Von Horst Haider Munske

Das Wahlprogramm der Grünen ist radikal durchgegendert und ignoriert Rechtschreibregeln. Wer wissen will, wie unsere sprachliche Zukunft aussieht, muss es lesen. Ein Linguist hat es getan. Auffällig ist, welche Wörter unangetastet blieben.
1082 <https://www.welt.de/kultur/plus232469601/Wahlprogramm-Buendnis-90-Gruene-Linguist-prueft-das-gruene-Genderdeutsch.html#Comments >>

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hat ein Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2021 veröffentlicht – ideenreich, voller konkreter Vorschläge, eine Summe ihrer bisherigen Anträge. Alles natürlich unter der Devise „das wollen wir“, „das werden wir tun, wenn wir an der Macht sind“ – ein Programm eben. Doch in einem Punkt gehen sie über die guten Absichten hinaus, in einem Punkt verwirklichen sie bereits ein zentrales Projekt: die Reform der deutschen Sprache nach feministischen Vorstellungen.

Es geht um das Gendern, den Umbau aller maskulinen Personenbezeichnungen in feminine Formen mit Genderstern. Die Verfechter dieser Wünsche nennen es „geschlechtergerechte Sprache“. Seit Monaten wird darüber öffentlich debattiert. Behörden, Universitäten, Firmen legen „Empfehlungen“ vor, die Praxis hinkt nach, viele wissen nicht, wie sie schreiben sollen. Unter den meisten Lesern schwankt die Stimmung zwischen Verwundern und Kopfschütteln, zwischen Empörung und Entsetzen.

Hier schaffen die Grünen Fakten. Das gesamte 110-seitige  Wahlprogramm  <https://www.gruene.de/artikel/wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2021
ist gegendert, und zwar nach einem radikalen Konzept, das weder mit der geltenden Rechtschreibung des Deutschen noch mit wesentlichen Regeln der Grammatik übereinstimmt. Der Rat für deutsche Rechtschreibung <https://www.rechtschreibrat.com/geschlechtergerechte-schreibung-empfehlungen-vom-26-03-2021/,
in dem alle deutschsprachigen Länder vertreten sind, hat seine Zustimmung zu solch weitreichenden Plänen verweigert.

LESEN SIE AUCH
Man kann es kühn nennen, was die Grünen hier unternehmen. Ein Luftballon, ein Test auf die Toleranz der Sprachgemeinschaft? Man sollte das nicht unterschätzen. Es ist die praktizierte Vorstufe eines Sprachdiktats. Dazu Textproben:
„Die Wärmewende muss mit wirksamem Mieter*innenschutz und gezielter Förderung einhergehen. Wir wollen mit dem sogenannten Drittelmodell die Kosten für klimafreundliche Modernisierungen fair zwischen Vermieter*innen, Staat und Mieter*innen verteilen, sodass sie für alle bezahlbar und für die Vermieter*innen angemessen wirtschaftlich werden.“ (S. 10)
„Viele niedergelassene Ärzt*innen, Hebammen, Heilmittelerbringer*innen und andere medizinische Fachkräfte arbeiten jeden Tag hart daran, diese Versorgung zu ermöglichen. (…) Wir wollen Primärversorgung durch Hausärzt*innen.“ (S. 49).

„Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen.“ (S. 99)

Man erkennt das System
Nicht selten kumulieren sich die gegenderten Personenbezeichnungen, zum Beispiel Bäuer*innen und Lebensmittelhersteller*innen, Junglandwirt*innen und Neueinsteiger*innen, Gründer*innen und Nachfolger*innen, Nachbar*innen und Freund*innen, Mieter*innenberatung und Schuldner*innenberatung, Bürger*innen und Akteur*innen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Forscher*innen, Schüler*innen und Bildungslots*innen, Schulsozialabeiter*innen, Erzieher*innen und Schulpsycholog*innen.

Man erkennt das System: Alle maskulinen Personenbezeichnungen werden gegendert. In diesem Text geschieht dies weit über 300-mal. Betroffen sind über 100 Grundwörter. Am häufigsten begegnen einem die Ärzt*innen, Akteur*innen, Bäuer*innen, Bürger*innen, Lehrer*innen, Mieter*innen, Schüler*innen und Verbraucher*innen.

Auch seltene Lexeme entgehen dem Gendern nicht, so die Endkund*innen, Existenzgründer*innen, Geringverdiener*innen, Impulsgeber*innen, Kindersoldat*innen, Manager*innen, Neueinsteiger*innen, Senior*innen, Sportschütz*innen, Tarifpartner*innen, Zuverdiener*innen. Zumeist handelt es sich um Wörter auf -er, den Prototyp des generischen Maskulinums.

Aber auch Entlehnungen werden erfasst wie Soldat, Experte, Psychologe, Patient, Polizist. Es entsteht der Eindruck, dass sie alle aus dem deutschen Wortschatz verdrängt werden sollen. Heißt der Soldat künftig immer die Soldat*in, der Arzt die Ärzt*in?
Der Text meidet Personenbezeichnungen im Singular. Auch die Muslim*innen und Imam*innen werden nicht vergessen. Mit dem Letzteren reformieren die Grünen das patriarchalische System des Islam. Fürs Deutsche müsste man von den Kaplan*innen sprechen, den katholischen wohlgemerkt, und hätte gleich die seit Luther überfällige Reform des römischen Patriarchats bewältigt. Nur Juden und Christen werden nicht gegendert. Da ist überraschend von Jüdinnen und Juden die Rede, von Judenhass und Judenfeindlichkeit. Christen kommen gar nicht vor. Es müssten ja Christ*innen sein.

Eine sprachwissenschaftliche Analyse erkennt zwei Typen der gendermäßigen Umgestaltung: den Typ Bürger*in (aus Bürger) und den Typ Bürgerinnenbeteiligung beziehungsweise Bürgerinnennähe. Im ersten Fall ersetzt die feminine Form (mit in-Suffix) die maskuline. Der Genderstern soll andeuten, dass keine ausschließlich weibliche Person gemeint ist, wie es das Movierungssuffix bestimmt. Quasi eine gewaltsame Umkehrung des generischen Maskulinums in ein generisches Femininum. Endlich Gerechtigkeit! Bisher kannten wir das nur bei Tieren. Generisch feminin sind zum Beispiel die Katze, die Ente, die Kröte, die Ameise, die Giraffe. Bei Personen gab es das bisher nicht.
Keine Soldaten und Europäer mehr
Anscheinend soll es künftig im Deutschen keine Soldaten, Bürger, Ärzte, Polizisten, Kunden, Europäer mehr geben, nur noch Soldat*innen, Bürger*innen, Ärzt*innen, Polizist*innen, Kund*innen und Europäer*innen. Immerhin sind dies Wörter, die schon vorhanden sind, nur eben in anderer Bedeutung, eben nur für weibliche Personen.

Anders die Zusammensetzungen mit gegenderten Bestimmungswörtern. Das ist linguistisches Neuland. Denn im Kompositum ist das Genus der Substantive neutralisiert. In der Regel stehen hier nur Grundwörter. Beim Ärztekongress sind alle dabei, die den Arztberuf ausüben. Hier wird eben nicht nach Frau oder Mann gefragt. Mit diesen unzähligen, regelwidrigen Umbauten verlassen die Grünen das System der deutschen Grammatik.

Zum Pflichtpensum des Genderns gehört der Kampf gegen das Indefinitpronomen jeder. Auch hier kann der Genderstern helfen. Das zeigt die folgende Formulierung: jede*r siebte Europäer*in. (S. 90) Auch die leidige Kongruenz lässt sich so bewältigen: ein*e Nachfolger*in. (S. 49)

LESEN SIE AUCH
Ich hatte meine Recherche mit dem vorläufigen Wahlprogramm begonnen, das vor wenigen Tagen durch das lektorierte endgültige ersetzt wurde. Damals hieß es im Vorspann noch Liebe Wählerinnen und Wähler. Das ist jetzt gebessert zu Liebe Wähler*innen.

Nur an wenigen Stellen sind Reste des gestrigen Deutsch stehen geblieben, so bei den Beraterverträgen, die jetzt Berater*innenverträge heißen müssten. Wir freuen uns, dass es die Fahrgastrechte und die Vorreiterrolle noch gibt, auch Unternehmerketten, Mindestkurzarbeitergeld und Verbraucherschutz.
Wir sind dankbar für die vertraute Künstlersozialkasse und die Verbraucherzentrale und wundern uns nur, warum „Berufsverbrecher“ in Anführungszeichen gesetzt sind. Immerhin hat der Player das Gendern überlebt, während der Whistleblower aus dem vorläufigen Wahlprogramm zur Whistleblower*in mutiert ist.

Auch andernorts schaut die Ideologie aus allen Löchern. Alleinerziehende heißen nun Ein-Eltern-Familien, dazu gibt es die Mehr-Eltern-Familien und die Zwei-Mütter-Familien.

LESEN SIE AUCH
Genug, ziehen wir Bilanz: Die Grünen meinen es ernst mit dem radikalen Gendern. In dem endgültigen, seit wenigen Tagen „lektorierten“ offiziellen Wahlprogramm bekennen sie Farbe. So und nur so wollen sie in der deutschen Sprache Geschlechtergerechtigkeit einführen. Sie scheren sich nicht um die Bedenken des Rats für deutsche Rechtschreibung. Sie fragen nicht nach Lesbarkeit, nach Vorlesbarkeit, nach Verständlichkeit, nach den Regeln der Grammatik und nach der Tradition einer Sprache. Lassen sich solche Gendertexte eigentlich in andere Sprachen übersetzen? Wie mag die angekündigte Übersetzung ins Englische aussehen? Was wird aus dem Deutschen in der Europäischen Union? Alles Fragen, die unbeantwortet bleiben. Dies ist der Vorgeschmack zu vielen anderen Reformen, die im Wahlprogramm der Grünen angekündigt werden. Hier sind sie bereits Realität.

Kommt die Mahnung ihres Mit-Vorsitzenden Robert Habeck im „SZ“-Interview vom 9. Juli zu spät? Er wünscht sich für den Neustart, den die Grünen anstreben, „eine werbende Sprache, eine einladende Kommunikation, die nicht besserwisserisch daherkommt“. Davon ist in diesem Wahlprogramm wenig zu spüren.

Horst Haider Munske ist emeritierter Professor für Germanische und Deutsche Sprachwissenschaft und Mundartkunde an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Zitatende
Quelle: https://www.welt.de/kultur/plus232469601/Wahlprogramm-Buendnis-90-Gruene-Linguist-prueft-das-gruene-Genderdeutsch.html#Comments

 

 

Leserbrief
 

 

 

Zitat
Liebe Freunde,
dieser Artikel, der mir aus dem Herzen spricht, legt das Phänomen, welches ich in vielen Korrespondenzen, die ich mit einigen von Euch teilte, immer wieder anzusprechen versuchte, auf eine schriftstellerische Art und Weise so überzeugend dar, dass man es kaum besser und überzeugender machen könnte.

Was Politycki zur persönlichen Bedeutung des Reisens sagt, welches ja seit fast eineinhalb Jahren kaum noch möglich war; was ein intellektuelles Leben ausmacht, wie er die in den Corona-Jahren 20/21 die „Selbstzerstörung unserer intellektuellen Republik“ beschreibt; wie er den „jakobinischen Eifer der Sprachreiniger“ bespricht, die mit der „Umbegreifung der Begriffe“ eine „Umwertung aller Werte“ vorzunehmen versuchen und leider - zumindest im Fernsehen und an staatlichen, auch kulturellen und Bildungs-Institutionen - damit einen gewissen Erfolg verbuchen - das ist schon ein alarmierender Appell, dass etwas in Deutschland total in die falsche Richtung läuft.

Sahra Wagenknecht, eine ungewöhnlich gescheite Frau, allerdings in der falschen Partei, hat vor kurzem ein interessantes Buch „Die Selbstgerechten“ geschrieben, das ich grade lese und welches auf überzeugende Weise schildert, wohin es führt, wenn eine Minderheit eine Mehrheit aus dem Diskurs zu drängen versucht. Das spricht Politycki hier ebenfalls in Bezug auf die vermeintliche Gendergerechtigkeit der deutschen Sprache an.
Wie schön, auch für mich zu bemerken, dass Wien ein gewisser Fluchtort in diesem Zusammenhang ist. Da hat er Recht, das kann ich bestätigen. Ich hoffe nur, dass es noch lange so bleibt.

Wir haben infolge Corona wohl die größte Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg, aber wir werden nach Meinung der links-grünen Heilsbringer weniger arbeiten und gleich viel Geld lukrieren. Haben die Öko-Fundis schon ausgerechnet, wieviel Strom wir brauchen werden, wenn wir 30-50% E-Autos haben werden und nur mehr volatile Energiequellen (kaum Wind und Sonne in D)? Wie die Industrie konkurrenzfähig sein soll? Wer das zahlen wird? Was mit den Arbeitslosen geschieht? Wie man Blackouts behandeln wird? Wie man mit batteriebetriebenen Einsatzwagen durch die Fluten von Überschwemmungen wie der der gerade erlebten steuern will?

Warum sagt niemand, dass in China gegenwärtig mehr als 2500 Kohlekraftwerke gebaut oder geplant werden?! Und warum zählen die Öko-Fundis zu den Vielfliegern, leben mit Klimaanlagen, fahren sehr gern SUVs, sind oft reiche Villenbesitzer in Bayern und BaWü etc.?
Aber wir Alten oder wenigstens lebensdauermäßig alt Werdenden müssen uns eingestehen, wir sind Auslaufmodelle. Lenin soll gesagt haben, dass die Kapitalisten so dumm sind, dass sie ihm noch den Strick verkaufen werden, an dem er sie aufhängen wird. Das gilt, ceteris paribus, auch hier. In der Theorie des Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter soll der Sozialismus sein Erstarken sozusagen einem „schlappen Kapitalismus“ verdanken, der an seinen eigenen Leistungen zugrunde gehen werde. Innovationen, die Wachstumsimpulse der Wirtschaft, würden im Kapitalismus immer weiter von der unternehmerischen Initiative weg verlagert. Der Kapitalismus würde zusehends in bürokratische Strukturen gedrängt, was schließlich seinen Untergang bedeute. Schumpeter diskreditiert auch die Demokratie als Veranstaltung des Wählerstimmenfangs zum Zweck des Machterhalts der Berufspolitiker. Obwohl das Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ aus heutiger Sicht streckenweise veraltet erscheint, so schreibt er in einer Zusammenfassung, gehöre es zu den bekanntesten Werken der Ökonomie, nicht zuletzt wegen der berühmten Formulierung der „schöpferischen Zerstörung“. In der heutigen Situation vor den Wahlen erscheint es mir persönlich allerdings leider brandaktuell!

Die Gesellschaft, insbesondere die Jüngeren, nimmt in einer Art von nicht als solchem wahrgenommenen Hedonismus das Ganze nicht mehr wahr, auch nicht, dass man sich damit ins eigene Bein schießt, und zwar kontinuierlich. Demokratie wird als ererbte Selbstverständlichkeit gefunden - das war bekanntlich hier nicht immer so. Die Grausamkeiten in der armen Welt, wie gerade wieder in Madagaskar und lange schon im Sahel-Afrika zu sehen, sind ja weit weg, und man weiß ja gar nicht, wo das ist, nicht mal wichtige Politiker!

Die Grünen und Linke wollen nun entscheiden, dass selbst das, was einmal als gut erreicht und auch erkannt wurde, nicht bleiben darf, wie der Dieselmotor (bis freilich der Wasserstoffmotor da ist ), sondern einer ständigen „Weiterentwicklung“ (wobei das keine Qualität an sich ist, denn es kann auch eine Fehlentwicklung werden) oder gar einer Transformation (v.a. Grüne) unterworfen werden muss. Nach der wird man dann feststellen, dass man sich damit nicht nur kulturhistorisch, sondern auch existenziell ins eigene Bein geschossen haben wird. Aber den dafür verantwortlichen Politikern geht es dann sehr gut, wenn das absehbar wird bzw. eintritt. Sie werden dann ihre guten Diäten gehabt haben und die guten Pensionen sicher…

Unterdessen formieren sich die Scharen von „Hellas’ nächtlichem Heer“ (aus Wagners „Götterdämmerung“), dem Afrika der Zukunft bis 2100 mit 4-4,5 Mrd. Einwohnern (nach UN-Schätzungen), am Südrand des Mittelmeeres und werden die weich und morbide gewordene und bevölkerungsmäßig ständig abnehmende Kulturfestung Europa langsam von unten aufrollen. Nicht die gelbe Gefahr, wie ein bekannter Autor in den einst dachte, sondern die „afrikanische Gefahr“ wird durch bevölkerungswanderungsartige Immigration das Ende Europas und seiner Kultur einleiten. Und wir Deutsche laden dazu mit dem Karlsruher Versorgungsurteil für Immigranten derzeit ja fast dazu ein.

Nur die, die jetzt so dafür sind, Grüne und Linke mit ihrer Divers-Besessenheit, die werden dann als erste hinweggespült werden. Denn von den wirren Ideen dieser Gruppe, die das in Ihrer Selbstverliebtheit und blindem Gutmenschentum à la „Wir Deutschen müssen der Welt zeigen, was gut und richtig ist“, gar nicht erkennt und wahrscheinlich zu spät erkennen wird, halten diese afrikanischen und zusätzlichen Mittelost-Immigranten, die dahin bald eine bedeutende Partei im Parlament haben werden, gar nichts. Die Kunstform Oper wird dann auch ausgedient haben.
In diesem Sinne, genießt die Jahre und Tage, die uns noch bleiben, es ist wohl eh nix mehr zu machen. Matthias Politycki ist schon weg...
Dr. Klaus Billand

Zitatende

Quelle: https://www.klaus-billand.com/
 


Leserbrief

 

 

 

Zitat
Liebe Frau Gilles, lieber Herr Hansing,
wer tatsächlich in dem billigen Krimi, den uns Bayreuth unter dem Namen „Der fliegende Holländer“ unterjubeln will, noch Wagners Werk erkennen will, kann meines Erachtens weder etwas vom Inhalt und Text noch von der literarischen Grundlage des Werkes kennen. Nach  meiner Ansicht hat auch der Regisseur das Libretto nicht gelesen,  sonst hätte er erkennen müssen, dass von Text und Musik her so gut  wie nichts zu dem Schmarrn passt, den er sich hat einfallen lassen. 
Und selbst, wenn ich das betrachte, was er da als Handlung auf die Beine gestellt hat, kann ich die Umsetzung nur als einfallslos  bezeichnen. Gewitter und Sturm in eine Kneipe zu verlegen, dabei das  Lied des Steuermanns am Biertisch absingen zu lassen, ist schon 
nichts sagend. Das Auftrittslied des Holländers, entbehrte – ebenfalls  am Biertisch – in meinen Augen jeglicher Dramatik und dessen  Inhalt hat mit dem Geschehen des Krimis nichts gemeinsam. 
Ebenso abgeschmackt wirkte das Spinnerlied, zu dem dem Regisseur nichts Gescheiteres eingefallen ist, als eine Chorprobe im Freien. 

Das Verhalten der Senta zeugte nicht davon, dass das, was sie in ihrer Ballade singt, der Wahrheit entspricht, denn ein Mitleid oder gar eine Liebe gegenüber dem „armen Mann“ konnte ich in ihrem Auftreten nicht erkennen. Ebenso distanziert fand ich Erik, dessen Liebe zu Senta nicht glaubwürdig erschien. Hier wurde Wagner – wie leider immer wieder – zur Untermalung einer schrägen Phantasie missbraucht. Mit dem dritten Akt noch weitere unnütze Zeit zu vergeuden, wollte ich mir dann nicht mehr antun.

Bayreuth ist überhaupt in den letzten Jahren zur Experimentierbude verkommen. Von „Fest“spielen kann da wohl keine Rede mehr sein.

In meinen Augen ist es die Aufgabe eines Regisseurs, die Personen der Handlung so zu führen, dass sie in Auftritt, Mimik und Gestik die im Originallibretto vorgesehene Rolle verwirklichen, was frühere gute Regisseure auch verstanden. Aber die modischen Regisseure der neueren Zeit sind anscheinend dazu nicht mehr fähig. Da müssen sie eine neue, abwegige Handlung erfinden, mit der sie einigermaßen zurechtkommen – ob sie passt oder nicht ist ihnen egal. Einige Leute nennen die Verunstaltungen „Interpretation“ (vielleicht, weil sie so etwas brauchen), aber solche einseitigen, einer absurden  Phantasie entsprungenen „Interpretationen“ kann der Kenner der Werke gerne verzichten. Ich kenne inzwischen viele Leute, die sich dadurch ganz von der Oper abgewendet haben. Die Zerstörung der Oper geht weiter (siehe auch Salzburg „Don Giovanni“, den ich mir nach allem, was ich davon schon weiß und gesehen habe, nicht mehr anschauen werde).

Gut dass es heute noch DVDs mit vernünftigen Inszenierungen gibt und vielleicht auch ein Dankeschön an die Kinos, die sich in den letzten Jahren auch den Übertragungen und Aufzeichnungen aus der MET und dem Royal Opera House widmen, bei denen sich noch manche werkgerechte Inszenierungen finden lassen.

Meine Meinung dürfen Sie, wenn es Ihnen recht ist, gerne als Leserbrief verwenden.
Herzliche Grüße E. und G. W

Zitatende

 

 

Leserbrief
 

 

 

 

Zitat
Leserzuschrift zur Holländer-Premiere,
zum Artikel im Nordbayerischen Kurier „Wagners Holländer als Dorf-Thriller“

Die so groß angekündigte Festspiel-Premiere mit „Der fliegende Holländer“ war (wenn sie die vier Teile der Ring-Inszenierung von 2013 als Einzelinszenierungen betrachten) die 13. Inszenierung seit Katharina Wagner Festspielleiterin ist, die szenisch an Richard Wagners Bühnenwerken vorbei rauschte. Der Stiftungsauftrag lautet, „die Werke Richard Wagners festlich aufzuführen“. Davon hat die Festspielleiterin noch nie etwas gehört. Auch in dieser Holländer-Inszenierung wird vom Vorspiel bis zur nicht stattfindenden Erlösungsszene fortlaufend gegen Wagners Anweisungen verstoßen. Dem Vorspiel wurde vom Komponisten keine Handlung zugewiesen. Hier allerdings findet eine statt, die ohne Erklärung niemand versteht. Auch muss man sich gleich an meist graue Bühnenaufbauten in grauem Licht gewöhnen, ein Trauerspiel also.

Den ersten Akt in einer Kneipe spielen zu lassen ist auch nirgends vermerkt. Mit einem Seefahrerstück hat das Ganze nichts zu tun. Keine Uferlandschaft, keine Schiffe, keine Segel, kein Daland in Seefahrerbekleidung, kein gewaltiger Auftritt des Holländers (wie er in der Musik großartig angekündigt wird) und dessen Monolog in der Kneipe niemand so recht folgen kann (oder will). Keine Schätze, die er Daland präsentieren kann, nichts was im Entferntesten an die Oper Wagners erinnert.

Dass im zweiten Aufzug (1. Szene) die Spinnerinnen ohne Spinnrad erscheinen ist schon fast normal, dass sie aber in Straßenkleidung unter der Leitung einer „gerade mit der Deutschen Bahn eingetroffenen Reisenden“ auch noch das Singen erlernen sollen, ist schon komisch. Senta tigert wie ein Teenager durch die ganze Szene, eine Verzückung bei der Betrachtung das Holländerbildes findet auch nicht statt. Den Gipfel bildet das zweite Bild. Der Besucher kann sich aussuchen, wohin er den Schauplatz verordnen soll, in ein Schaufenster oder in einen Wintergarten. Amme Mary, nun zur Mätresse Dalands „aufgestiegen“ wirkt ab sofort bis zum Schluss der Oper als stumme und nicht gerufene Statistin kräftig mit. In diesem Bild jedoch (in dem sich gemäß Wagners Text Daland von dem jungen Liebespaar verabschiedet und den Raum verlässt) bleiben er und die stumme Mary im Raum und zerstören die ganze Intimität des Duettes Senta / Holländer durch ihr Fressgelage in unerträglicher Weise.

Im dritten Aufzug nur Verwirrung. Die Matrosen des Holländer-Schiffes, sonst nie in Erscheinung tretend, nun uniformiert, flüchten später ins Nichts. Schießerei auf dem Dorfplatz: Was soll so eine Entgleisung? Die Schlussszene mit der Ermordung des Holländers durch die stumme Mary und die Überlebende Senta bilden den völlig verfälschten Abschluss des „Regietheater-Wirrwarrs“ mit dem der Regisseur Dimitri Tcherniakow nun ein „heißer Anwärter“ für die Auszeichnung „Regisseur des Jahres“ geworden ist. Es gibt Leute, die damit zufrieden sind, die ganz große Mehrheit der Opernfreunde ist es nicht. Wie leicht hätte es Bayreuth in den vergangenen Jahren schaffen können, sich von der Masse der nicht mehr an werkgerechten Aufführungen interessierten Opernhäusern durch große Regieleistungen und wunderschöne Bühnenbilder abzusetzen und wieder an die großen Erfolge des 20. Jahrhunderts anzuknüpfen. Statt dessen versinkt auch diese Inszenierung im Sumpf dieser Mätzchen-Macherei!

Es gilt auch Lob zu verteilen: Bewundernswert die Einstudierung der Statisten, die den nicht auf der Szene erscheinenden Chor imitieren. Großartig die Orchesterleistung unter der Leitung von Frau Oksana Lyniv, präzise die Choreinstudierung und auch die technische Übertragung der Chöre in den Bühnenraum. Stimmlich gut der Daland von Georg Zeppenfeld und die brillant singende Asmik Grigorian als Senta. Für Bayreuth und seinen früheren Ruf ist das insgesamt viel zu wenig.
Heribert A. Bludau, Malente

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Zu guter Letzt
 

Im frühen Frühjahr sitzt auf dem Zaun meines Gartens ein König und verkündigt mit Energie und Lautstärke seine Regierungserklärung. Ohne wie Siegfried vom Drachenblut zu naschen, verstehe ich was er verkündet: „Hier wohne ich, hier ist mein Land, hier wohnen meine Leute hier finden sie Nahrung und Baumaterial. Haltet euch also fern, sonst setzt es Hiebe!“

Das ist sowohl vernünftig als auch ästhetisch und daher zur Nachahmung empfohlen.

Als Theatermensch bin ich verpflichtet Phantasie zu besitzen, und so stelle ich mir vor, dass die Staatschefs, bevor es zu kriegerischen Tätlichkeiten kommen sollte, an die Grenzen ihres Gebietes ziehen und lauthals ihre Nationalhymne singen und das Stunde um Stunde bis sich die Aggression gelegt hat.

Das Parlament, wenn vorhanden, soll einen Chorus bilden, dass die Stärksten und Gesündesten sich fortpflanzen dürfen und das Territorium beanspruchen. Dafür kämpfen Hähne, Hirsche, Böcke, Bullen und Hengste. Aus der Evolutionslehre wissen wir, dass sich der homo sapiens sehr langsam bis zu seiner heutigen Form entwickelt hat, denn das Gesetz das schon Darwin formulierte, heißt ‘The survyving oft he fittest‘. Diese Formulierung ist klug, denn hätte er ‘the strongest‘ gesagt, wären die riesigen Urviecher noch unter uns.

Man lernte den aufrechten Gang, die frei verfügbaren Hände, der Schädel wuchs und darin das Gehirn. Das aber begann, neben der Suche nach Nahrung, Territorium und Fortpflanzung, den Wunsch nach künstlerischer Äußerung zu erfinden.

Es entstanden Bilder, Schmuck und Musikinstrumente, die uns erstaunen. Man erfand das Rad, die Schrift, Gesetze, um Ordnung zu halten.

So leben wir bis heute und könnten friedlich leben, wenn man nicht etwas höchst Gefährliches erfunden hätte: ‘Die Religion.‘

Der Himmel bevölkerte sich mit Göttern, die Naturgewalten und menschliche Eigenschaften verkörperten. Zeus und Wotan, Hera und Fricka, Aphrodite und Freia und viele mehr, um die sich zahllose Geschichten rankten.

Damit ließe es sich ja ganz gut leben, wenn man ihnen opferte und Feste veranstaltete, aber ein Stamm behauptete, es gebe nur einen Gott.

Über ihn und seine allmächtigen Taten entstand ein Buch:
‘die Bibel‘.

Wer sie geschrieben hat, versuchen Gelehrte seit Jahrhunderten herauszufinden, denn es enthält schöne und wüste Geschichten teils erfunden teils historisch. Allerdings ist die erste Geschichte von der Erschaffung der Welt und der ersten Menschen höchst zweifelhaft. Dann aber versteigen sich die Autoren zu einer Bosheit, die die zweite Hälfte der Menschheit im jüdisch- christlichen Kulturkreis für alles Übel verantwortlich macht: ‘Die erste Frau‘, genannt Eva. Sie soll gegen einen Befehl des Gottes gehandelt haben, dafür wurde sie mit ihrem Mann aus dem sogenannten Paradies vertrieben und mit körperlichen Schwächen bestraft. Über Jahrtausende konnte man nun alles Übel der Welt auf die Töchter Evas abwälzen, ihnen Bildung und wichtige Tätigkeiten vorenthalten, sie quälen, verbrennen und diffamieren. Für den Krieg, den Hauptspaß der Männer, waren sie in Ermangelung von Hormonbehandlung ungeeignet und so blieb dieses Heldengetöse eine männliche Domäne.

Unangenehm ist allerdings, dass man im Krieg, der meist mit freudigem Grölen begonnen wird, verwundet verkrüppelt oder getötet werden kann.

Doch hinter jedem Krieger steht ja eine Frau, die ihn mühsam neun Monate ausgetragen hat, ihn unter scheußlichen Schmerzen auf die Welt brachte, das schreiende Etwas ernährt und gesäubert hat, ihm das Laufen und das Sprechen beibrachte und wenn er dann 17 Lebensjahre vollendet hat, läuft er irgendeinem Schreihals nach, wird fanatisiert und das bisschen Verstand, das er hat, wird ausgeschaltet.

Mit dem Prager Fenstersturz nahm der ‘Dreißigjährige Krieg‘ seinen Anfang, in dem sich Christen in Europa gegenseitig umbrachten. Mit dem 9. September 2001 begann ein Krieg gegen die freie Welt durch die Islamisten, deren patriarchale Brutalität die Frauen als erste zu erleiden hatten. Die Infiltration der ‘Gutmenschen‘ ist höchst erfolgreich und die Clans häufen ungestört Reichtümer an, mit denen sie ihren ‘heiligen Krieg‘ finanzieren.
 

Das Gegenteil vom Lebenslauf des Kriegers, des Bankers, Internetgauners ist der kultivierte Mensch, der mit Fleiß und Anstand seinen Unterhalt verdient, die jahrtausendealte Kultur respektiert, einen durch Bildung fundierten Standpunkt hat, Diktatoren verabscheut und am sozialen und kulturellen Leben teilnimmt.

Nach langen Kämpfen um die Gleichstellung der Frauen haben auch sie die Möglichkeit, sich einzubringen und sollten es unbedingt tun, ohne lächerliche ‘Sprachverstolperungen‘ einzufordern, sondern durch Leistung. Stetigkeit und Beherrschung der Sprache, ohne babyhaftes Geschnatter.
 

Wo sind sie aber die mutigen Frauen, die sich den Diktatoren der Kulturwelt entgegenstellen?

Kennen sie den Maßstab für Qualität?

Warum schweigen sie, wenn irgendein Schmierfink auf dem Kunstmarkt gehypt wird?

Warum schweigen sie, wenn hasserfüllte Regiediktatoren unsere seit Jahrhunderten geliebte Opernkunst verfälschen und zertrampeln?

Leider laufen auch etliche Theaterleiterinnen dem zerstörerischen Trend hinterher, der die Werke der Dichter bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt.

Dagegen brauchen wir laut schallende Zaunköniginnen, die wehrhaft sich äußern.

Schluss jetzt mit Zertrümmerung!

Schluss mit Verfälschung!

Weg mit den Subventionen für eine blinde, dumme Unkultur und für ein Theater, das den Bildungsauftrag nicht erfüllt.


ML Gilles


 

 

Impressum

   - erscheint als nichtkommerzielles Rundschreiben zu

   

   - ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt Regensburg

kulturjournal im Deggingerhaus – 93047 Regensburg – Wahlenstraße 17 –
info@kulturjournal-regensburg.de

Verteilung:
Direktversand an ausgewählte Leserschaft u.a.
Mitglieder der
Bürgerinitiative-Opernintendanz - http://bi-opernintendanz.de/
Landesrechnungshöfe,
Landesregierungen,
Aufsichtsrat der Nds. Staatstheater Hannover GmbH,
Politische Parteien im Nds. Landtag,
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover,
Bund der Steuerzahler,
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger,
Richard-Wagner-Vereine,
Feuilletons von Tageszeitungen

RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover
RA Markus von Hohenhau, Fachanwalt für IT-Recht, Regensburg
RA Prof. Dr. Ernst Fricke, Fachanwalt für Bühnenrecht, München/Landshut

Wir verstehen diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach unserer Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes. Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire. Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Wir benutzen Informationen, hauptsächlich aus eigenen Unterlagen vom Regionalfernsehen Regensburg, telezeitung-online.de und aus dem Internet u.a. den Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Museums, der Preußen-Chronik, Wikipedia u.ä..

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Fotos wurden Buch- und CD-Einbänden entnommen. Beiträge aus der Rubrik ‘Musiktheater‘ wurden als Zitate aus dem Hermes Handlexikon übernommen.
Leserbriefe stellen die Meinung des jeweiligen Verfassers dar.

Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir auf Differenzierung und geschlechtsneutrale Formulierung. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.