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Nr. 39
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Zitat
"[…]
Warum also sollte das
Theater nicht stärker gefördert werden?
Weil eben gespart werden muss.
Die Staatsausgaben durch die Corona-Krise sind beträchtlich.
Irgendwo muss mit den
Einsparungen begonnen werden.
70 Millionen Euro jährlich für die Förderung der Staatstheater
in Hannover, die es nach 2023 weiterhin geben soll, sind eine
Menge Geld.
Damit muss man doch wirtschaften können.
Warum entwickeln die Staatstheater eigentlich oft so wenig
Kreativität beim Sparen?
Braucht man wirklich einen so großen Chor?
Und so viele Spielorte gleichzeitig?
Müssen die Kulissen immer so gigantisch ausfallen?
Und wären die freigewordenen Mittel nicht anderswo besser
eingesetzt? Etwa in der Forschung?
Oder in der Förderung benachteiligter Jugendlicher?
Solchen Fragen müssen sich die Theaterschaffenden stellen. […]
Zitatende |
Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung 16.10.2021 - Seite 2
Kommentar zur HAZ vom
9. Oktober 2021
„Staatstheater
befürchten Einbußen in Millionenhöhe“ meint das Leitungsteam.
Es geht ums
Geld, das die Nds. Staatstheater in Niedersachsen vom Staat erhalten.
Das Budget wird für Hannover auf 70 Millionen Euro pro Jahr eingefroren,
die zu erwartenden Tariferhöhungen für das Personal mit 1000
Festangestellten und rund 300 Freiberuflern und Soloselbständigen sollen
– laut Haushaltsplan für den Zeitraum 2023 bis 2025 - nicht übernommen
werden. was bedeutet, dass ein Fehlbetrag von 1,2 Millionen Euro pro
Jahr entsteht.
Nach Meinung der Theaterleitung müsse das zwangläufig zu einer
Reduzierung des Spielbetriebes führen, Spielstätten müssten geschlossen
werden.
Sollte gar eine Sparte wie das Ballett wegfallen, dann, dann … werde sie
die Arbeit niederlegen – meint die Frau Geschäftsführerin der Oper.
Außerdem müsse dringend investiert werden.
Die Tonanlage der Oper sei veraltet und müsse ersetzt werden. Das
schlage mit 5 Millionen zu Buche, auch gebe es undichte Stellen im Dach.
Bei einer Ballett-Vorstellung sei Wasser eingedrungen und es habe sich
eine Pfütze auf dem Bühnenboden gebildet.
Im Schauspiel brauche das Inspizientenpult für ca. 1,8 Millionen eine
Erneuerung. Der eiserne Vorhang habe sich einmal von diesem Arbeitsplatz
aus nicht schließen lassen.
Die Kosten für den Bau der Werkstätten hätten sich erhöht. Man läge
jetzt schon 6 Millionen über dem genehmigten Budget von 26,5 Millionen
Euro.
Der Baufortschritt liege 3 Jahre hinter dem Plan.
Die Geschäftsführung der Nds. Staatstheater Hannover GmbH wehrt sich
gegen Einschnitte und erwägt Protestaktionen vor dem Landtagsgebäude.
●
Dieser Darstellung - aus
Sicht der Geschäftsführung - stellte die HAZ am 15. Oktober einen
Gastbeitrag des ehemaligen technischen Direktors des Staatstheaters
Hannover gegenüber.
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Zitat
„Jammern auf hohem Niveau“
Weil Oper und Schauspielhaus weniger Geld vom Land
Niedersachsen erhalten sollen, regt sich Widerstand. Sind die
Probleme womöglich hausgemacht?
Ein Gastbeitrag
Als ehemaliger Technischer Direktor der Staatstheater
Hannover erinnere ich mich an die Jahre 2003 und 2004.
Seinerzeit wurde von der damaligen Landesregierung unter
Ministerpräsident Christian Wulff ein ähnlich hoher Sparerlass
für das Staatstheater verfügt.
Auch seinerzeit meinten die beiden amtierenden Intendanten
Albrecht Puhlmann und Wilfried Schulz, mit den üblichen
Schließungszenarien einzelner Sparten und mit Einschränkungen
der künstlerischen Arbeit drohen zu müssen.
Jetzt wiederholt sich diese Szenerie:
Die Geschäftsführung (zwar in anderer Besetzung)
jammert wieder auf hohem Niveau. Was ist damals nach der Ankündigung der
Sparbeschlüsse passiert? Die Intendanten konnten die
künstlerischen Bereiche aus den Sparmaßnahmen heraushalten. Nur
die anderen Abteilungen mussten Personal einsparen.
In den Bereichen Technik und Werkstätten wurden mehr als 20
betriebsbedingte Kündigungen, ausgesprochen, befristete Verträge
nicht verlängert, eine großzügige Vorruhestandsregelung wurde
durchgesetzt. Auch andere Abteilungen (zum Beispiel Kostüm und
Verwaltung) mussten erheblich „Federn" lassen.
Und was geschah dann? Der Ballhof wurde nach den Wünschen von
Intendant Schulz großzügig umgebaut, die dortige Probebühne zu
einer zusätzlichen Spielstätte aufgerüstet. Gleiches geschah in
der Cumberlandschen Galerie.
Die Bühnenbilder wurden immer aufwendiger, technisch
komplizierter und sprengten den Budgetrahmen.
Es wurden die Probenzeiten für Neuproduktionen ausgedehnt. Man
brauchte zusätzliche Probebühnen. Es wurde das
„Produktionszentrum" in Ahlem geschaffen, wo zudem noch mehr
Platz für die Magazinierung der völlig überdimensionierten
Bühnenbilder war.
Die nicht
künstlerischen Abteilungen mussten mit weniger Personal noch
mehr leisten. Hat man aus der damaligen Situation gelernt? Hat
man die auch von mir seinerzeit geforderte Änderung der
kostenintensiven Produktionsmethoden und eine Reform der
Betriebsführung in die Wege geleitet?
Hat man gelernt, die vorhandenen Ressourcen kostenbewusst
einzusetzen?
Ich behaupte, dass dies nicht der Fall ist.
Im Gegenteil: Der Apparat hat sich zwischenzeitlich noch mehr
aufgebläht, und man macht sich immer noch nicht bewusst, dass
man sich fast ausschließlich von Steuergeldern ernährt.
Ich glaube, die amtierende Geschäftsführung der GmbH muss zur
Kenntnis nehmen, dass auch mit „nur" 70 Millionen
Euro ansprechendes Theater gespielt werden kann und nicht die Existenz des
ganzen Betriebes auf dem Spiel steht.
Diese bittere Erfahrung musste man in diesem Hause vor 17 Jahren schon
einmal machen. Und die Ballettsparte existiert immer noch. Von
daher wirkt die erschreckende Fantasielosigkeit der amtierenden
Geschäftsführung bezüglich ihrer Argumentation eher befremdlich,
denn auch damals waren die Staatstheater in Braunschweig und
Oldenburg von den Einsparungen verschont geblieben. Stattdessen
werden Forderungen nach noch mehr Geld für (sicher in Teilen
notwendige) Investitions- und Instandsetzungsmaßnahmen gestellt.
Zur Klarstellung muss an dieser Stelle jedoch erwähnt werden,
dass die im Begleitartikel genannte Tontechnik nicht aus dem
Jahr 1985 stammt, sondern 1997/1998 im Zuge der Sanierung der
Bühnentechnik des Opernhauses eingebaut wurde, zusammen mit zwei
neuen Tonstudios, natürlich nach dem damaligen Stand der
Technik. Auch das in dem Artikel genannte Dach des Bühnenhauses
ist im Zuge der damaligen Gesamtsanierung umfangreich instand
gesetzt worden inklusive innen liegender Wärmedämmung. Mit
anderen Worten: Es ist immer großzügig investiert worden.
Verwaltungsdirektor Jürgen Braasch möchte ich sagen, dass
die
GmbH schon immer Bauherrin bei ihren Großprojekten war - und das
war auch gut so. Denn dadurch haben wir es immer geschafft, alle
großen Bauprojekte innerhalb des Zeit- und Budgetrahmens
abzuschließen,
Zur Erinnerung: Darunter waren unter anderem folgende
Großprojekte:
Der Umbau des Zuschauerraumes der Oper, der Neubau des
Schauspielhauses, die Sanierung der Bühnentechnik der Oper, der
bereits erwähnte Umbau des Ballhofes, die Sanierung der
Cumberlandschen Galerie und vieles mehr.
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Zur Person
Andreas Post war bis 2006 am Staatstheater Hannover
tätig – zuletzt als technischer Direktor. Als
Bühnenhandwerker hatte Post 1983 angefangen und sich in
seiner Diplomarbeit mit der Bühnenmaschinerie des
Opernhauses auseinandergesetzt. 1984 wechselte er als
technischer Direktor ans Staatstheater Braunschweig.
1991 kehrte er nach Hannover zurück und begleitete den
Neubau des Schauspielhauses in der Prinzenstraße. 2001
wurde er technischer Direktor des Staatstheaters.
Zitatende
Quelle:
Hannoversche Allgemeine Zeitung –
HAZ Forum – Freitag 15.10.2021 – Seite 1
• |
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Für die Wochenendausgabe – Sonnabend 16.
Oktober 2021 – gab die HAZ der Geschäftsführung der Nds. Staatstheater
Hannover GmbH eine halbe Seite zur Kommentierung des Gastbeitrages des
ehemaligen technischen Direktors, Andreas Post, frei.
Darin wird verständlicherweise versucht, das eigene Tun ins rechte Licht
zu rücken und die Schatten die der ehemaligen technischen Direktor auf
die Gesamtsituation geworfen hat, aufzuhellen.
Da wird bemerkt, Oper und Schauspiel hätten „in den letzten 15 Jahren
die künstlerische Arbeit in den Vordergrund gestellt und ausgeweitet.“
Legt man das Jahr 2021 zugrunde und subtrahiert 15 Jahre, dann endet man
im Jahre 2006 am Ende der Ära Puhlmann, die ja so hoch künstlerisch
ausgerichtet war, dass Tausende von Abonnenten kündigten und der Vertrag
von Herrn Puhlmann über die einmaligen 5 Jahre hinaus nicht verlängert
wurde.
•
Am 22. November 2003 berichtete die HAZ, dass
Puhlmann nun schon nach Stuttgart zu gehen wünsche und man sich in
Hannover einen neuen Leiter für die Oper suchen müsse.
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|
Zitat
Im
niedersächsischen Kulturministerium will man nach der
Stuttgarter Aufsichtsratssitzung am Montag darüber nachdenken,
wie ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Puhlmann gefunden
werden kann. Ob eine Findungskommission eingesetzt wird, ist
noch nicht geklärt.
Früher hat Barbara Kisseler, Abteilungsleiterin Kultur im
Ministerium die Arbeit von Findungskommissionen so gut wie im
Alleingang erledigt. Sie war maßgeblich daran beteiligt, dass
mit Albrecht Puhlmann für die Oper und Wilfried Schultz fürs
Schauspiel Intendanten nach Hannover kamen, die für spannendes,
zeitgenössisches und überregional beachtetes Theater stehen.
Seit einem halben Jahr ist sie nicht mehr in Hannover tätig –
die Abteilung Kultur wird kommissarisch geleitet, wann ein
Nachfolger gefunden wird, ist unklar.
Zitatende
|
Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung – 22. November
2003 – Seite 5
In Hannover war man damals überrascht, dass nach nur zwei Jahren
Dienstzeit – 2001 – 2003 – eine Veränderung in der Leitung des Hauses am
Opernplatz 1 in der Niedersächsischen Landeshauptstadt notwendig werden
würde.
Immerhin habe der zuständige Minister, damals Lutz Stratmann, „stets
ohne Umschweife zu Albrecht Puhlmann gestanden“ und ihn auch in den
Zeiten größter Angriffe nie in Frage gestellt.
Offen sei, ob Puhlmann das Hannoversche Ballett mit nach Stuttgart
nehme. Aber man könne das dortige Ballett nicht in Frage stellen, wolle
man sich nicht den Volkszorn zuziehen
„Aber mit dem hat Puhlmann ja nach zwei Jahren Hannover einige
Erfahrung.“
Als Nachfolger wurden in dem Artikel auch drei Frauen genannt, die zum
damaligen Zeitpunkt in Frage gekommen wären:
Kirsten Harms aus Kiel, Regula Gerber aus Bielefeld und Barbara Mundel
aus Luzern.
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|
Zitat
Und wer fängt
jetzt mit den Zukunftsplanungen für Hannover an?
Kulturminister Lutz Stratmann wird von der Frage doppelt kalt
erwischt. Zum einen hat Puhlmann ihn erst informiert, als seine
Pläne in der Zeitung standen, zum anderen fehlt ihm die
Erfahrung und seinem Haus derzeit das Fachwissen für eine so
wichtige Entscheidung.
Zitatende |
Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung – 22. November
2003 – Seite 5
Gekommen ist dann als Nachfolger Puhlmanns ein Herr Dr.
Klügl aus Linz – früher mal Dramaturg in Bremen - , dem es gelang z.B.
erhebliche Einsparrungen für das Einlasspersonal zu realisieren, da
durch das geschickte Stückeangebot und die Aufbereitung der Produktionen
so viele Bevölkerungsschichten davon absahen, in die Oper zu gehen, so
dass er den dritten Rang an den meisten der wenigen Spieltage
geschlossen halten konnte.
Stücke wurden vorzeitig abgesetzt, da das Publikumsinteresse zu gering
war, als man es hätte wagen können vor Minimumauslastung zu spielen.
Trojahns ’Was ihr wollt’ gab man nur achtmal. Dafür der ganze Aufwand
beim Bühnenbild mit all den begehbaren Pappkartons.
Früher gab es folgenden Spielplan mit 11
verschiedenen Werken in 14 Tagen:
01. 26.3.
Nussknacker 01
02. 27.3.
Elegie für junge Liebende
02
03. 28.3.
Manon 03
04. 29.3.
Ballettabend 04
05. 30.3. Fra
Diavolo 05
06. 31.3.
Martha 06
07. 01.4.
Capriccio 07
08 02.4. Hochzeit des
Figaro 08
09 03.4. Der
Rosenkavalier 09
10 04.4. Ballettabend
11 05.4. Capriccio
12 06.4. Manon
13 07.4. My Fair
Lady 10
14 08.4.
Martha 11
•
Heute, in einem Monat
kümmerliche:
6 x Otello, 2 x Ballett. 2 x Sweeny Todd, 4 x Greek
Was in der Klügl-Zeit gang
und gäbe war, dass nämlich das Große Haus der Oper in den meisten Monate
ca. 10 Tage leer stehen zu lassen, wird jetzt fortgesetzt.
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Belegung Nds. Staatsoper Hannover |
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2021 |
Belegung |
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Szene |
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|
Konzert/Sonstiges |
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Oktober |
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Nr. |
|
Nr. |
|
|
Nr. |
|
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|
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|
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01.10. |
|
|
1 Toda |
1 |
|
|
|
02.10. |
|
|
1
Trionfo |
2 |
|
|
|
03.10. |
|
|
|
|
|
Sinfoniekonzert
Poetry |
1
2 |
04.10. |
|
|
|
|
|
Sinfoniekonzert |
3 |
05.
10. |
leer |
1 |
|
|
|
|
|
06.
10. |
|
|
1 Così
|
3 |
|
|
|
07.
10. |
|
|
2
Trionfo |
4 |
|
|
|
08.
10. |
|
5 |
2 Così
|
5 |
|
|
|
09.
10. |
|
|
2 Toda |
6 |
|
|
|
10.
10. |
|
|
3
Trionfo |
7 |
|
|
|
11.
10. |
leer |
2 |
|
|
|
|
|
12.
10. |
leer |
3 |
|
|
|
|
|
13.
10. |
|
|
3 Toda |
8 |
|
|
|
14.
10. |
|
|
3 Così |
9 |
|
|
|
15.
10. |
|
|
4
Trionfo |
10 |
|
|
|
16.
10. |
|
|
4 Toda |
11 |
|
|
|
17.
10. |
|
|
4 Così |
12 |
|
Matinee |
4 |
18.
10. |
leer |
4 |
|
|
|
|
|
19.
10. |
|
|
Probe
Otello |
13 |
|
|
|
20.
10. |
leer |
5 |
|
|
|
|
|
21.
10. |
|
|
5 Toda |
14 |
|
|
|
22.
10. |
|
|
5 Così |
15 |
|
|
|
23.
10. |
|
|
5 Trionfo |
16 |
|
|
|
24.
10. |
|
|
6 Toda |
17 |
|
|
|
25.
10. |
leer |
6 |
|
|
|
|
|
26.
10. |
leer |
7 |
|
|
|
|
|
27.
10. |
leer |
8 |
|
|
|
|
|
28.
10. |
leer |
9 |
|
|
|
|
|
29.
10. |
leer |
10 |
|
|
|
|
|
30.
10. |
|
|
1 Otello
|
18 |
|
|
|
31.
10. |
|
|
6 Così |
19 |
|
|
|
|
|
|
|
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|
|
|
Summen |
|
10 |
|
19 |
|
|
4 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
10 x
Leerstand |
23 Nutzungen
incl. 2 Konzerte, 2 Sonstiges
bei 2 Doppelnutzungen |
|
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Belegung Nds. Staatsoper Hannover |
|
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|
|
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2021 |
Belegung |
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Szene |
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|
Konzert/Sonstiges |
|
November |
|
Nr. |
|
Nr. |
|
|
Nr. |
|
|
|
|
|
|
|
|
01.11. |
leer |
1 |
|
|
|
|
|
02.11. |
leer |
2 |
|
|
|
|
|
03.11. |
|
|
1 Otello |
1 |
|
|
|
04.11. |
leer |
3 |
|
|
|
|
|
05.11. |
|
|
2 Otello |
2 |
|
|
|
06.11. |
|
|
1 Greek |
3 |
|
|
|
07.11. |
|
|
|
|
|
Sinfoniekonzert |
1 |
08.11. |
|
|
|
|
|
Sinfoniekonzert |
2 |
09.11. |
leer |
4 |
|
|
|
|
|
10.11. |
|
|
|
|
|
Fortbildung |
3 |
11.11. |
|
|
3 Otello |
4 |
|
|
|
12.11. |
|
|
2 Greek |
5 |
|
Fortbildung |
4 |
13.11. |
|
|
4 Otello |
6 |
|
|
|
14.11. |
|
|
3 Greek |
7 |
|
Kinderkonzert |
5 |
15.11. |
|
|
|
|
|
Kinderkonzert |
6 |
16.11. |
leer |
5 |
|
|
|
|
|
17.11. |
|
|
4 Greek |
8 |
|
|
|
18.11. |
|
|
1 Toda |
9 |
|
|
|
19.11. |
leer |
6 |
|
|
|
|
|
20.11. |
|
|
|
|
|
Faust Verleihung |
7 |
21.11. |
|
|
5 Otello |
10 |
|
|
|
22.11. |
leer |
7 |
|
|
|
|
|
23.11. |
leer |
8 |
|
|
|
|
|
24.11. |
leer |
9 |
|
|
|
|
|
25.11. |
leer |
10 |
|
|
|
|
|
26.11. |
|
|
2 Himmel/Hölle |
11 |
|
|
|
27.11. |
|
|
1 Sweeney Todd |
12 |
|
|
|
28.11. |
|
|
6 Otello |
13 |
|
|
|
29.11. |
leer |
11 |
|
|
|
|
|
30.11. |
|
|
2 Sweeney Todd |
14 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Summen |
|
11 |
|
14 |
|
|
7 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
11 x Leerstand |
21 Nutzungen incl. 4 Konzerte – 3 Sonstiges - bei 2
Doppelnutzungen |
|
‘
Fortbildung für Pädagogen‘ am 10./12.11. darf das
Haus nicht für musikalische Veranstaltungen blockieren.
|
• |
Der Bund der
Steuerzahler für Bremen und Niedersachsen gab bereits
am 4. Oktober 2018 folgende Demarche heraus:
Zitat
10.
Zuschüsse an die
niedersächsischen Staatstheater begrenzen (Kapitel 0660,
0661, 0674)
Alle drei
niedersächsischen Staatstheater erhalten 2019 höhere Zuschüsse
aus dem Landesetat.
Die Finanzhilfen an die Staatstheater Hannover GmbH für den
laufenden Betrieb sollen 2019 auf 64,4 Millionen Euro (plus 2,25
Millionen Euro) ansteigen.
Das IST 2017 lag noch bei 60,2 Millionen Euro.
In der Spielzeit 2015/2016 betrug die Zuwendungshöhe 58,19
Millionen Euro (Angaben aus der Theaterstatistik des Deutschen
Bühnenvereins).
Das
Staatstheater Braunschweig kann 2019 mit einer um 1,37 Millionen
Euro erhöhten Zuwendung von 32,89 Millionen Euro rechnen.
Allerdings steuert dazu die Stadt Braunschweig fast ein Drittel
der Kultursubventionen (10,77 Millionen Euro) bei.
Für das
Oldenburgische Staatstheater sind 2019 25,45 Millionen Euro
(plus 838.000 Euro) an Landeszuschüssen vorgesehen, zu denen die
Stadt Oldenburg 6,26 Millionen Euro beisteuert.
Vorschlag BdSt: Auf
die Steigerung der Finanzhilfen sollte verzichtet werden.
Den staatlichen Theatern müssen mehr und höhere
Eigenanstrengungen zur Erhöhung des Kostendeckungsgrades
zugemutet werden. Eine (steigende) Dauersubventionierung der
Häuser lässt eigene Initiativen zu Kostensenkungen und
Erlössteigerungen erlahmen.
Dass die Staatstheater Hannover GmbH (und andere Häuser) die
Zahl der angebotenen Plätze im Opernhaus bei einzelnen
Vorstellungen (künstlich) verringert, um hohe Auslastungszahlen
bei einzelnen Vorstellungen ausweisen zu können, sollten Landtag
und Landesregierung nicht länger akzeptieren.
Einsparsumme: 4,46
Millionen Euro
Zitatende
|
•
Am 18. Oktober 2021 äußerte
sich der HAZ-Redakteur Kultur, Roland Meyer-Arlt in einem Leitartikel
auf Seite 2 und fragte in Bezug auf die zu erwartenden Finanzkürzungen:
|
|
Zitat
Warum also sollte das Theater nicht stärker
gefördert werden?
Weil eben gespart werden muss. Die Staatsausgaben durch die
Corona-Krise sind beträchtlich. Irgendwo muss mit den
Einsparungen begonnen werden.
70 Millionen Euro jährlich für die Förderung des Staatstheaters
in Hannover, die es nach 2023 weiterhin geben soll, sind eine
Menge Geld. Damit muss man doch wirtschaften können.
Warum entwickeln die Staatstheater eigentlich oft so wenig
Kreativität beim Sparen?
Braucht man wirklich einen so großen Chor?
Und so viele Spielorte gleichzeitig?
Müssen die Kulissen immer so gigantisch ausfallen?
Und wären die freigewordenen Mittel nicht anderswo besser
eingesetzt?
Etwa in der Forschung? Oder in der Förderung benachteiligter
Jugendlicher?
Zitatende |
Quelle:
Hannoversche Allgemeine Zeitung – 18. Oktober 2021 – Seite 2
•
„Was du da gakelst“
Zitate
Anders: „[…]
Ja, Herr Post hat scheinbar ein Hühnchen mit uns zu
rupfen. […]“
Anders: „[…] Ich glaube, er hat schlichtweg keine
Ahnung! […]“
Anders: „[…] er hat da viel Unsinn geschrieben
[…]“
Anders: „[…] er hat viel Unsinn darüber geschrieben […]“
Zitatende
Nachfolgend die phonetische
Umschrift einer Sendung des NDR
vom 19.10.2021 –
NDR 1 – Niedersachsen –‘Kulturspiegel‘
|
|
Zitat
Sprecherin:
Nach dem aktuellen Haushaltsplan-Entwurf des Landes
Niedersachsen drohen der niedersächsischen Theater- und
Orchesterlandschaft in der Spielzeit 2022 und 23 Einbußen - und
das in Millionenhöhe.
Die Zukunft der Staatstheater wären damit massiv bedroht, so die
Intendantinnen.
Mit der Aktion ‘#Rette dein Theater‘ soll jetzt auf die prekäre
Situation aufmerksam gemacht werden.
Und darüber spreche ich gleich mit Sonja Anders, sie ist
Intendantin des Schauspiels Hannover und mit Laura Berman, sie
ist Intendantin der Staatsoper Hannover.
[...]
Es wird ernst! Nach dem aktuellen Haushaltsplan-Entwurf des
Landes Niedersachsen drohen der niedersächsischen Theater- und
Orchesterlandschaft in der Spielzeit 2022 - 23 Einbußen - und
das in Millionenhöhe.
Zudem sollen Investitionskosten, die zum Erhalt der
Spielfähigkeit wirklich dringend notwendig sind, nicht
übernommen werden. Was das genau bedeutet und was unternommen
werden soll, das können uns gleich die Intendantinnen der
Staatsoper Hannover, Laura Berman, und des Schauspiels Hannover,
Sonja Anders, beantworten und ich freue mich sehr, dass sie
hierher gekommen sind und Zeit haben. […]
Frau Anders, über welche Summen sprechen wir denn da überhaupt?
Anders: Das sind Summen, die in die Millionen gehen, zum einen
die nicht gegebenen Tariferhöhungen, die pro Jahr circa 1,3
Millionen ausmachen und die Investitionen wiederum sind viel
höhere Summen noch, die wir versuchen auszugleichen, aber auch
das wird uns nicht gelingen. Auch da entsteht ein zirka 3
Millionen hoher Betrag.
Sprecherin: Was heißt das denn für die niedersächsische Theater-
und Orchesterlandschaft.
Berman: Ja, das ist schwierig, zu sagen, es ist schwierig,
überhaupt dann eine Entscheidung zu treffen. Sonja Anders und
ich sind der Meinung, diese Entscheidung ist eigentlich eine
kulturpolitische Entscheidung, wenn 1,3 Millionen fehlt am
Staatstheater, dann ist das nicht getan mit ein paar Stellen
fallen weg oder so, weiter muss ich sagen, dass, wenn man
arbeitet am Staatstheater, verdient man nicht so sonderlich viel
Geld. 1,3 Millionen ist ungefähr alle Personal in unserer
Ballett-Sparte, das sag ich aber nur als Beispiel, so dass man
sich so ein Bild machen kann davon, also da haben wir dann eine
schwere Entscheidung zu treffen, wo wahrscheinlich wir drei
Geschäftsführer alle, aber natürlich unsere Abteilung
verteidigen wollen und wir wollen natürlich, dass bei uns nichts
gespart wird, sehr schwierig.
Anders: Ja, im Grunde ist diese Summe eine die wir gar nicht
‘handeln‘ können. Wir haben 85% Personalausgaben, man kann es
also nur über das Personal abwickeln, nur das Personal arbeitet
eh sehr viel, wir wissen ja, die verdienen nicht viel, sie
arbeiten viel und deshalb ist im Grunde kaum Spielraum, um das
aufzufangen.
Sprecherin:
Also sollte es jetzt bei diesen Sparmaßnahmen bleiben, wie sehen
sie dann die Situation am Theater und an der Oper in den
kommenden Jahren, also es sieht ja nicht sehr rosig aus.
Anders: Ja, wir haben uns natürlich Gedanken darüber gemacht,
wie kann man überhaupt so ne Summen einsparen und haben auch mit
der Politik gesessen und die Entscheidungen, die dazu treffen
sind, spielen wir deshalb auch an die Politik zurück, weil wir
sie nicht treffen wollen und können, das heißt, ja wollen wir
eine Sparte schließen, wollen wir einen Ort schließen, sollen
wir viel viel weniger produzieren, was dann dazu führt, dass wir
weniger spielen, wir kommen nicht mehr vor, also das sind alles
so Entscheidungen, da muss die Politik schon auch ein bisschen
mit uns in den Dialog gehen.
Sprecherin:
Jetzt musste die Kultur während des Lockdowns trotz guter
Hygiene Konzepte schließen, gehörte auch zu den letzten, die
wieder öffnen durften und auch jetzt hat man so ein bisschen,
wenn man das so hört das Gefühl, dass die Kultur wieder ganz am
Ende steht.
Wie sehen sie das Frau Bermann?
Bermann: Ich glaube, das ist recht unterschiedlich von
Bundesland zu Bundesland und auch von Stadt zu Stadt, ich hab
auch an andern Theater gehört, dass sie sogar eine Erhöhung
bekommen und die Situation hier ist eine besondere, was uns sehr
beunruhigt, ist, dass man auch vorsieht in der Planung, dass man
auch in 2024 und 25 diese Tariferhöhung nicht bekommt und das
heißt, es summiert sich, das ist dann ein Volumen zum Schluss
ungefähr 3,9 Millionen man weiß nicht so genau wie hoch die
Tariferhöhung sein werden, aber die sind nach der Erfahrung
ungefähr 2% der Personalkosten, das ist einfach eine Summe, wo
wir alle Geschäftsführer wissen nicht so wirklich, damit
umzugehen .
Der ehemalige technische Direktor am Staatstheater, Andreas
Post, heißt der, war dort bis 2006 hat einen Gastbeitrag in der
HAZ geschrieben in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung es sei
„Jammern auf ganz hohem Niveau“ - was sie gerade tun. Die
Probleme seien hausgemacht und die vorhandenen Ressourcen seien
von ihnen nicht kostenbewusst eingesetzt worden. Das sind ja
schon ziemlich harte Vorwürfe. Was sagen sie dazu Frau Anders?
Anders: Ja, Herr Post hat scheinbar ein Hühnchen mit uns zu
rupfen. Er ist vor 15 Jahren gegangen und hat, glaube ich, auch
danach nie wieder im Theater gearbeitet. Ich glaube, er hat
schlichtweg keine Ahnung! Erstens sind unsere Etats ja
nahezu eingefroren, wenn man die Kostensteigerung Tariferhöhung
angeht, sogar ein Stück weit gesunken. Er hat aber damals
eigentlich eine Zeit mitgemacht, in der auch Menschen entlassen
wurden, die sind auch nicht wieder dazu gekommen, das heißt, wir
können natürlich die Theater nun immer weiter runter sparen und
auch das Personal immer weiter reduzieren, ich glaube aber, dass
dann irgendwann die Leistungsfähigkeit extrem drunter leidet und
was Herr Post auch immer mit diesem Artikel bezweckt, er hat
da viel Unsinn geschrieben, finde ich, also ich will das gar
nicht so ausführen, aber er hat viel Unsinn darüber
geschrieben, wo zum Beispiel gespart werden kann, die
Bühnenbilder sind günstiger geworden seit seiner Zeit. Ich
glaube, das weiß er aber vielleicht auch gar nicht.
Sprecherin:
Als sie morgens die Zeitung aufgeschlagen haben, Frau Berman,
haben diesen Gastbeitrag in der HAZ gelesen, was, was haben sie
gedacht
Berman: Ich habe erst mal gedacht, das da ist vielleicht
irgendwie Problem in der Vergangenheit gewesen zwischen diesen
Personen dem Haus, das war so meine erste Empfindung, ich wusste
es alles nicht genau, aber auf jedenfalls die Einsparungen wo
Sonja Anders gesprochen hat, da sind 70 Stellen weggefallen und
nicht wie Herr Post schreibt in der Technik und Verwaltung,
sondern man hat auch damals Chorstellen eingespart. Wir haben 52
Sänger in unserem Hauschor, ich sag einfach sowas Hausnummer,
ich glaube, in Frankfurt da sind dann schon 80, aber wenn man
zum Beispiel Otello spielt, wie wir es jetzt vorbereiten, da
sitzen ungefähr den gleichen Anzahl von Musiker im Graben, die
erzeugen genau die gleiche Lautstärke, unsere Bühne ist ungefähr
gleich groß und das ist natürlich ein ungemein Stressfaktor für
die Menschen, die dann da stehen, das ist nicht zu
unterschätzen, wenn man im Chor Stellen wegstreicht, da hat auch
unser Orchester zu der Zeitpunkt auch sparen mussten.
Sprecherin:
‘#rette dein Theater‘ so heißt jetzt eine Aktion, wo sie ja auf
Hilfe hoffen. Was haben sie mit ihrem Team geplant, Frau Anders?
Anders (lacht): ‘#rette dein Theater‘ ist vor allen Dingen eine
Initiative unserer Mitarbeitenden, das möchte ich wirklich
betonen, die haben das organisiert, die führen das durch und sie
haben sie übrigens gemeinsam mit den 3 Gewerkschaften auch
finanziert, wir stecken da natürlich insofern mit dahinter, dass
wir es unterstützen, dass wir auch hier bei ihnen sitzen
dankenswerterweise, das ist natürlich toll, aber die
Mitarbeitenden beider Häuser haben das ganz gemeinsam auf die
Beine gestellt und haben einen Riesen-Erfolg damit, also da sind
Tausende von Unterschriften schon eingegangen und dieser Appell
an die Politik ist, glaube ich, sehr wirkungsmächtig
Sprecherin:
Heisst das, dass die ganzen Unterschriften jetzt gesammelt
werden, man sieht das ja auch ganz oft in den sozialen
Netzwerken und dann stehen die ganzen Ensembles auf der Bühne
mit dem Publikum im Rücken und haben dann „#rette dein Theater“
so Banner in der Hand und die werden dann wem überreicht?
Berman: An unser Ministerpräsident Stephan Weil bekommt diese
Postkarten, ich hab gehört, manchmal hat er schon 600 Postkarten
in einem Tag am Anfang bekommen, das hab ich tatsächlich von den
Mitarbeiter gehört, die das organisiert haben, das war alles
deren Idee, ich finde es bemerkenswert, wie viel sich so schnell
auf die Beine gestellt haben, sie haben natürlich auch Kontakt
aufgenommen zu Kollegen an den anderen Staatstheater hier in
Niedersachsen und auch natürlich an die Kommunaltheater, weil
sie auch von dieser Einsparung betroffen sind.
Sprecherin:
Und alle tun sich jetzt zusammen und wollen natürlich was
bewegen.
Hat man denn vielleicht schon so ein bisschen was gehört von der
Politik auf diese Aktion, gibt es da schon irgendeine Resonanz?
Anders: Ja, dann gibt es schon Resonanz, die schwankt zwischen
Anerkennung und Ablehnung und ich glaube, man darf das auch
nicht missverstehen, das ist ein Appell, das ist keine Kampagne
gegen die Politik, es ist ein Appell an die ganzen
Landtagsabgeordneten, doch nochmal darüber nachzudenken, welche
Bedeutung messt ihr Kultur bei und wisst ihr eigentlich, was ihr
Niedersachsen damit antut, weil Niedersachsen ist ja eh nicht
gerade an der Spitze was die Kulturausgaben angeht.
Sprecherin:
Wie sehen sie denn ihre Chancen, dass sich die Landesregierung
da bewegt, dass da was passiert, dass da vielleicht doch nochmal
was geändert wird?
Berman: Also, da hab ich ziemlich viele Hoffnung. Ich glaube,
man hat seit der Pandemie gesehen, dass die Politik etwas mehr
überhaupt über die Kultur in der Öffentlichkeit spricht,
wesentlich mehr als vorher, dass es jetzt Thema, ich glaube man
hat auch erkannt, was Kultur in eine Gesellschaft bewirken kann,
was das für eine Bedeutung haben kann in einer Gesellschaft und
ich hoffe, es bringt viele Menschen erstmal zum Nachdenken und
im zweiten Schritt, um etwas zu tun.
Sprecherin:
Was glauben sie, Frau Anders?
Anders: Ja, ich hoffe auch sehr, dass die Parteien und das sind
ja doch auch Parteifragen, dass die sich nochmal fragen, wie
wollen wir mit der Kultur in Niedersachsen umgehen, also wie
wollen wir sie wertschätzen, aber auch welche Bedeutung hat sie,
ich glaub, dass andere Bundesländer den Mehrwert von Kultur
vielleicht mehr erkennen, das sind zum Teil die Stadtstaaten,
aber es sind auch durchaus Länder, die auch Flächenländer sind
und diese Erkenntnis, was macht unser Leben attraktiv in einer
Stadt, aber auch auf dem Land, wenn man nämlich eine Stadt in
der Nähe hat, diese Erkenntnis gilt es jetzt nochmal so zu
unterstreichen und dass Kultur ein Mehrwert hat und das
unterstützenswert ist.
Sprecherin:
Ich kann mir auch ganz gut vorstellen, dass das Publikum sich
gerne an der Aktion beteiligen möchte. Was kann man denn jetzt
machen, wenn man den Kulturspiegel hört, möchte sich auch gerne
noch bei ‘#rette dein Theater‘ beteiligen?
Berman: Am Theater kann man eine Postkarte besorgen, die liegen
aus bei uns an der Kasse, abends bei den Vorstellungen in den
Foyers und man kann eine Karte ausfüllen und abschicken, man
kann natürlich selbst auch ‘n Brief schreiben oder ‘ne Email
schreiben an den Politiker, man kann sich wenden an
Landtagsabgeordneten, immerhin da ist man Wähler, man weiß, wen
man gewählt hat, man kann das Gespräch suchen.
Anders: Und es gibt eine online-Petition, die man unterzeichnen
kann, die nochmal ganz besonders Druck machen wird, nämlich
dieses Thema dauerhaft auch zu behandeln.
Sprecherin:
Und die findet man wahrscheinlich unter ‘#rette dein Theater‘?
Anders: Ganz genau!
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Sonja Anders, Intendantin des
Schauspiels Hannover und Laura Berman, Intendantin der
Staatsoper Hannover, für die ganz offenen und auch ehrlichen
Worte zu den Sparmaßnahmen der Landesregierung und der Aktion
‘#rette dein Theater‘
Ganz schön, dass sie hier gewesen sind.
Anders: Ja, vielen Dank!
Berman: Ja, Dankeschön!
Zitatende |
Quelle: Norddeutscher Rundfunk – NDR 1 – 19.10.202
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Zuschrift:
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Zitat
Kommentar zum
Hörfunkinterview auf NDR 1 – Niedersachsen -
"Kulturspiegel"
mit den beiden Intendantinnen der Staatstheater
Hannover GmbH
Laura Berman (Oper) und Sonja Anders
(Schauspiel),
gesendet am 19.10.2021
Zu Beginn möchte ich zwei Fragen stellen, die mir
sofort nach dem Anhören dieses Interviews durch den Kopf gingen:
Erstens: Warum hat man lediglich die
beiden Intendantinnen ins Studio eingeladen und nicht auch den
(gleichberechtigten) kaufmännischen Geschäftsführer Jürgen
Braasch, der doch der eigentliche „Herr der Zahlen" ist?
Zweitens: Warum hat es der NDR nicht für
nötig gehalten, mich über den Inhalt dieses Gespräches zu
informieren, wo doch mein Name öffentlich genannt und über mich
und mein vermeintliches Ansinnen hinsichtlich meines
Leserbriefes in der HAZ vom 15.10.2021 gesprochen wurde, und
dies auch noch in unsachlicher und wenig konstruktiver Art und
Weise?
Das Interview mit Frau Berman und Frau Anders
vermittelte im übrigen den Eindruck, dass den beiden
Intendantinnen lediglich eine Bühne geboten werden sollte, um
die bereits in den bekannten Zeitungsartikeln formulierten
Bedenken gegenüber den Einsparmaßnahmen zu wiederholen. Anders
sind die stichwortgebenden und soufflierenden Fragen der
Moderatorin nicht zu verstehen. Ist es nicht die journalistische
Aufgabe auch eines öffentlich-rechtlichen Senders, kritische
Fragen zu stellen und eine fruchtbare Diskussion anzustoßen?
Wird hier einseitige Medienpräsenz zum Anlass genommen, die
Hörerschaft für sich und seine Interessen gewinnen zu wollen?
So hatten die Intendantinnen Gelegenheit, der
geneigten Hörerschaft Behauptungen und Zahlenwerke „vor die Füße
zu werfen“, die nicht hinterfragt wurden und deren Mathematik
schon garnicht nachzuvollziehen war.
So meinte beispielsweise Frau Berman, dass man am
Staatstheater „nicht sonderlich viel Geld" verdient. Im HAZ
Artikel vom 9.10.2021 wird von der Geschäftsführung der GmbH
dargestellt, dass am Staatstheater insgesamt "etwa 1000
Festangestellte sowie rund 300 freiberufliche und
Soloselbstständige“ tätig sind, und das bei einem Jahresetat von
70 Millionen Euro (einige Quellen im Internet sprechen sogar von
„über" 70 Millionen Euro), wovon - nach Aussage der
Geschäftsführung - ca. 85% für Personalkosten aufgewendet werden
müssen. Man kann dazu ein ganz einfaches Rechenexempel
anstellen, indem man aus den behaupteten Zahlen den
arithmetischen Mittelwert bildet. Demnach müsste das
durchschnittliche Jahresgehalt der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter bei rund 46.000 Euro (brutto) liegen, wovon
Pflegekräfte in Krankenhäusern und Altersheimen nur träumen
können. Laut Statististischem Bundesamt betrug in 2020 das
Durchschnittseinkommen in Deutschland 47.700 Euro brutto. So
weit liegt man also nicht auseinander. Nun sagt das
arithmetische Mittel in Bezug auf die wirkliche Gehaltsstruktur
in einem Unternehmen wirklich nichts aus, da es in jedem
Unternehmen Menschen gibt, die mehr verdienen, andere verdienen
weniger. Trotzdem kann man pauschale Aussage von Frau Berman,
man verdiene am Staatstheater verhältnismäßig wenig, so nicht im
Raum stehen lassen. Es ist immer auch eine Frage, wie man die
Gehaltsstruktur in seinem Unternehmen gestaltet.
Aussagekräftiger hinsichtlich der Berechnungsmethode von
Durchschnittsgehältern ist daher der sog. Median. Das heißt, man
addiert alle Einzelgehälter und bildet daraus den Mittelwert.
Und demnach liegt das durchschnittliche Bruttogehalt in
Deutschland bei 3.092 Euro (in 2020). Das heißt, es gibt in
Deutschland einen ausgeprägten Niedriglohnsektor. Ist das am
Staatstheater vielleicht auch so? Hat Frau Berman vielleicht das
gemeint? Gibt es etwa auch im Staatstheater erhebliche
Gehaltsunterschiede? Wenn ja, dann ist dieses Problem
hausgemacht, weil die Höhe und die Spreizung von Gagen und
Gehältern keinem Naturgesetz unterliegen.
In der
Stellungnahme der Geschäftsführung, die in der HAZ am 16.10.2021
abgedruckt wurde, werden der Leserschaft weitere Zahlenwerke
einfach so "um die Ohren" gehauen. So seien in den letzten 15
Jahren "die Vergütungen der Beschäftigten durch
Tarifabschlüsse um 42,5% gestiegen“. Laut Statistischem
Bundesamt sind die nomnalen Bruttoverdienste in Deutschland bis
2019 um 33% gestiegen, wobei es bis 2007 sogar eine kurzzeitige
Absenkung gegeben hat. Oder beinhaltet die o.g. Zahl, welche die
Geschäftsleitung der Öffentlichkeit präsentiert, auch Ausgaben
für nicht-tariflich Beschäftigte wie Freiberufler und
Scheinselbstständige (die bei den meisten Unternehmen in keinem
Stellenplan auftauchen) und es handelt sich um eine prozentuale
Steigerung der Gesamtpersonalkosten?
In dem Rundfunkinterview meint Frau Anders zudem,
dass man bezüglich der angekündigten Sparmaßnahmen und den
damit zu treffenden Entscheidungen vorhabe, den Ball „auch an
die Politik" zurück spielen zu wollen, "weil wir sie nicht
treffen wollen und können". Dabei scheint Frau Anders zu
vergessen, dass sie Mitgeschäftsführerin einer GmbH ist, die
Ministerien ihre Dienstherren sind und solche
betriebswirtschaftlichen Entscheidungen einzig und allein von
der jeweiligen Geschäftsführung zu treffen sind.
Nun zu den Aussagen von Frau Berman und Frau
Anders, die meine Person betreffen.
Zunächst sollte die NDR-Moderatorin sich bemühen,
korrekt zu zitieren. Sie sagt, ich habe in meinem Leserbrief in
der HAZ, der von der Kulturredaktion ohne mein Zutun in einen
„Gastbeitrag" umgewandelt worden ist, von Jammern auf "ganz
hohem Niveau“ gesprochen. Das stimmt so nicht. Ich habe von
„Jammern auf hohem Niveau“ gesprochen. Das klingt ganz anders
und lässt auch Interpretationen zu. Das Wort „ganz" einzufügen,
stellt eine Übersteigerung und Verfälschung der Aussage dar.
Ferner habe ich keine „Vorwürfe" geäußert, sondern Fragen
gestellt und eine Behauptung als Diskussionsanstoß in den Raum
gestellt. Aber statt darauf mit Sachlichkeit und Fairness zu
antworten, wird mir unterstellt, „scheinbar noch ein Hühnchen“
rupfen zu wollen. Dazu nur folgende Feststellung: Ich kenne die
beiden Intendantinnen überhaupt nicht persönlich; sie sind erst
seit 2019 in Hannover. Verwaltungsdirektor Jürgen Braasch ist
auch erst seit 2006 an diesem Haus; mit ihm hatte ich dienstlich
nichts mehr zu tun. Die amtierende Geschäftsführung hat die von
mir beispielhaft genannten Einsparmaßnahmen in den Jahren bis
2006 überhaupt nicht miterlebt und kann selber nicht beurteilen,
welche menschlichen Tragödien sich damals abgespielt haben.
Außerdem gehört es nicht zu meinem Niveau, mit irgend jemandem
ein „Hühnchen rupfen“ zu wollen. Von daher grenzt diese
unsachliche Aussage von Frau Anders an eine Unterstellung.
Ebenso die schon fast beleidigende Behauptung, ich hätte
"schlichtweg keine Ahnung" und eigentlich "viel Unsinn"
geschrieben. Nach ihrer Auffassung haben offensichtlich nur
Menschen „Ahnung", die auch „am Theater“ arbeiten, sich also
ausschließlich in diesem Elfenbeinturm bewegen.
Ich habe mich 2006 bewusst dafür entschieden,
nicht mehr „am Theater" arbeiten zu wollen. Ich hatte für mich
festgestellt, dass es nicht nur in Hannover wenig Reform- und
Veränderungswillen bezüglich der kostenintensiven
Produktionsmethoden und der ebenso teuren Betriebsführung gab.
Ebenso konnte und wollte ich nicht mehr in einem System
arbeiten, das unbeweglich, hierarchisch und konservativ sowie
durch unüberwindbare Machtstrukturen geprägt war. Auch an
anderen Theatern, bei denen ich mich seinerzeit beworben hatte,
war ein „weiter so“ angesagt. Und mich schreckte der
herabwürdigende und teilweise menschenverachtende Umgang mit den
Mitarbeitenden an den Theatern ab. Als Ingenieur war ich in der
Lage, die Branche wechseln zu können und fortan „das Theater“
aus einer anderen Perspektive beobachten zu können. Dabei lag
mir das Opernhaus in Hannover besonders am Herzen. Außerdem
hatte ich Gelegenheit, weiterhin an Theaterum- und
-neubauplanungen mitzuwirken, wobei ich tiefe Einblicke in die
Betriebsstrukturen einzelner Theaterbetriebe gewinnen konnte.
Und es halfen mir immer noch meine vielen Kontakte zu ehemaligen
Kollegen an anderen Theatern in Deutschland, so dass ich die
differenzierte Sichtweise eines Außenbetrachters und nicht mehr
die eines unmittelbar Betroffenen einnehmen konnte.
Frau Anders' Aussage, vor 17 Jahren seien
Menschen entlassen worden und „die sind auch nicht wieder dazu
gekommen“ möchte ich nicht werten. Ich weiß auch nicht, woher
sie das wissen will; sie ist – wie gesagt - erst seit 2019 in
Hannover und kann keine Kenntnis von der Personalsituation in
2006 haben. Es steht jedoch fest, dass beispielsweise in Technik
und Verwaltung in den letzten 15 Jahren Stellen zusätzlich
geschaffen worden sind, die es bis 2006 entweder nicht mehr oder
noch nicht gab. Das mag sicherlich auch mit den gestiegenen
technischen Anforderungen zu tun haben und mag auch berechtigt
sein. Aber die Aussage, dass kein Personal mehr in den letzten
15 Jahren dazu gekommen sei, ist aus meiner Sicht nicht richtig.
Dies weiter zu detaillieren, würde an dieser Stelle den Rahmen
sprengen. Dabei hilft jedoch – zum Vergleich - ein Blick auf die
Internetseite der Staatstheater, wo die Beschäftigten der
einzelnen Abteilungen aufgelistet sind.
Und die Aussage von Frau Anders, ich hätte „da
viel Unsinn geschrieben, (...), wo zum Beispiel gespart werden
kann", ist schlichtweg falsch. Wer meinen Gastbeitrag aufmerksam
liest, wird feststellen, dass ich überhaupt keine Vorschläge
diesbezüglich gemacht habe. Das ist nun mal wirklich die Aufgabe
der amtierenden Geschäftsführung. Ich habe nur Fragen gestellt
und eine Diskussion anregen wollen. Dass man sich damit nicht
gerade Freunde schafft, ist mir bewusst.
Und zum Schluss noch ein Wort zu diesen
unsäglichen Vergleichen mit anderen Theaterbetrieben in
Deutschland, die gerade dann immer wieder gerne angestellt
werden, wenn es um das liebe Geld geht. Jeder Theaterbetrieb hat
andere Betriebsvoraussetzungen, gerade bezüglich
Spielplangestaltung, Betriebsführung, Technik und Werkstätten,
Infrastruktur, Personalkosten und Personalstruktur, Energie- und
Betriebskosten, Zuschauerauslastung, Einnahmen aus dem
Spielbetrieb (Eintrittspreise) und – nicht zu vergessen –
hinsichtlich der regionalen Einbettung. Von daher sind solche
Diskussionen meiner Meinung nach unter der Rubrik „Neiddebatte“
unterzubringen und unsinnig. Man schaut immer gerne auf die,
denen es vermeintlich besser geht und überhaupt nicht auf die,
denen es schlechter geht. Ich schaue da insbesondere besorgt auf
die Landes- und Stadttheater, die erwiesenermaßen ein
vergleichsweise sehr breites Publikumsspektrum ansprechen. In
der Spielzeit 2003/2004 betrug der Etat des Staatstheaters 46
Millionen Euro (Quelle: Sebastian Stauss: "Künstlerische
Qualitätssicherung und Öffnung..." 2021); die Geschäftsführung
nennt aktuell einen Jahrestat von 70 Mio. Euro, andere Quellen
sprechen von „über" 70 Mio. Euro. Das ist eine Steigerung von
fast 46%! Ich kenne kein Stadttheater, das eine vergleichbare
Etatsteigerung in diesem Zeitraum erfahren hat. Im Gegenteil.
Andere Institutionen bzw. kommunale Akteure sind in ihrer
Existenz bedroht, wie z.B. Theater und Symphoniker in Lüneburg
oder das Göttinger Symphonie-Orchester.
Fazit: Das Rundfunkinterview mit den beiden
Intendantinnen lieferte keine neuen Erkenntnisse darüber, wie
man den geplanten Einsparmaßnahmen konstruktiv begegnen
möchte. Stattdessen begibt man sich in eine Opferrolle, wehrt
mit Händen und Füßen berechtigte Fragestellungen ab und
instrumentalisiert das Publikum, indem man ein Abgleiten der
künstlerischen Qualität auf provinzielles Niveau
heraufbeschwört. Doch wo findet man denn eigentlich heute - bei
dieser medialen Vielfalt, die uns täglich überflutet - überhaupt
noch „die Provinz". Ich glaube, diesen Begriff aus der
Kaiserzeit sollte man ganz schnell in der Mottenkiste
verschwinden lassen.
Andreas Post
Zitatende |
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Zitat
#allesaufdentisch
Neue umstrittene Videoaktion zur Corona-Pandemie mit Volker
Bruch
Der
Schauspieler Volker Bruch hat eine neue Videoaktion nach dem
Vorbild von #allesdichtmachen initiiert. Wieder werden Maßnahmen
gegen Corona hinterfragt – wie dies geschieht, ruft erneut
Kritik hervor. Im Dlf äußerte sich der Politikwissenschaftler
Claus Leggewie.
Der
Schauspieler Volker Bruch steht im Impressum der Seite von #allesaufdentisch
(dpa / Britta Pedersen)
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Zusammenhalt
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eine andere Meinung haben“
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Sache, Schätzchen
Recherche zu #allesdichtmachen Meinungsvielfalt war nicht
erwünscht
Debatte um #allesdichtmachen Guérot: „Es gibt keinen Raum
mehr für legitime Kritik“
Regisseur Brüggemann zu #allesdichtmachen „Kritik muss
wehtun“
Mehrere Monate nach der
umstrittenen Videoaktion #allesdichtmachen gibt es nun eine
weitere, ähnliche Aktion, in der unter anderem die Maßnahmen zur
Eindämmung der Corona-Pandemie sowie die mediale
Berichterstattung darüber kritisiert werden. Wie schon bei #allesdichtmachen
gehört der Schauspieler Volker Bruch zu den Initiatoren der
neuen Aktion.
Spaltung statt Zusammenhalt
Die Initiative #allesdichtmachen gegen die Lockdownmaßnahmen der
Regierung sorgt für Ratlosigkeit und Wut. Journalistin Jenni
Zylka sieht in ihr ein fatales Signal für eine innerlich tief
gespaltene Filmbranche, in der offenbar Angst herrsche.
Unter dem Hashtag #allesaufdentisch
wurden rund 50 Interviewclips auf einer Website online
gestellt. In diesen sprechen Bruch, sein Kollege Wotan Wilke
Möhring und andere Künstlerinnen und Künstler mit verschiedenen
Gesprächspartnern – etwa aus der Wissenschaft – über
medizinische und gesellschaftliche Aspekte der Pandemie. Die
Videos tragen Titel wie „Kollektive Angststörung“, „Masken“,
„Meinungsfreiheit“, „Gekaufte Forschung“, „Wahrheitsdefinition“
und „Kindeswohl“.
Viele
prominente Namen aus #allesdichtmachen nicht dabei
„Mit zunehmender Sorge
beobachten wir die Entwicklung des politischen Handelns in der
Corona-Krise“, hieß es in einem Statement, das Bruch auch bei
Instagram teilte. Mit der Aktion wolle man „denjenigen Expert*innen
Gehör verschaffen, die bisher, trotz ihrer oft hohen Reputation,
in der öffentlichen Debatte kaum oder gar nicht wahrgenommen
wurden“.
In einer Pressemitteilung teilten
die Initiatoren mit, dass auch Corona-Experten wie Christian
Drosten, Lothar Wieler oder Karl Lauterbach angefragt wurden,
ebenso die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates Alena Buyx. Sie
seien jedoch nicht zur Mitwirkung bereit gewesen. Auch die
meisten prominenten Namen von #allesdichtmachen sind diesmal
nicht dabei. Dafür wird der aus der Fernsehserie „Babylon
Berlin“ bekannte Bruch nun im Impressum der Internetseite von #allesaufdentisch
genannt – gemeinsam mit der Regisseurin Jeana Paraschiva.
Interview mit dem Theater-Intendanten und #allesaufdentisch-Beteiligten
Uwe Eric Laufenberg (30.09.2021) [AUDIO]
Leggewie: Pluralismus
braucht Qualitätskontrolle
Der Politikwissenschaftler
Claus Leggewie hat im Deutschlandfunk davor gewarnt, die Aktion
pauschal zu verurteilen: „An einigen Stellen ist sie ein guter
Beitrag zur Meinungsbildung. An anderen Stellen ist sie völlig
daneben.“ Zum Impfen oder auch zur Definition von Pandemien gebe
es dort interessante Beiträge. Diese könnten auch dazu
beitragen, sich in der Argumentation mit Maßnahmen-Skeptikern zu
stärken. Problematisch sei aber unter anderem der Gesamteindruck
der vermittelt werde: Der Name „alles auf den Tisch“ könne
suggerieren, dass bisher Dinge unter den Tisch gefallen seien.
„Ich habe da nichts gehört, was ich nicht schon mal gehört
hatte“, sagte Leggewie, er habe aber aus Zeitgründen auch noch
nicht alle Videos angesehen. Die angesprochenen Themen,
beispielsweise zur Problematik von Lockdowns und dem Schutz der
Demokratie, seien auch in öffentlich-rechtlichen Medien
kontrovers diskutiert worden.
[…]
Die Aktion habe zudem ein problematisches Verständnis von
Meinungspluralismus. Denn eine Voraussetzung für Pluralismus sei
Qualitätskontrolle – die hätten die Initiatoren aber wegfallen
lassen. „Man stellt alle möglichen wissenschaftlichen Meinungen
nebeneinander, und damit habe ich persönlich auch ganz schlechte
Erfahrungen gemacht“, sagte Leggewie. So hätte in den USA die
Republikanische Partei über Jahre hinweg die Schädlichkeit des
Rauchens geleugnet und dabei auf einzelne Forscher verwiesen.
Ähnlich sei es beim Klimawandel. „Also man kann nicht
irgendwelche Meinungen einfach beliebig nebeneinander stellen“,
sagte Leggewie. Die „dissidentische Sturheit“ einzelner
Wissenschaftler“ habe zwar in manchen Fällen Fortschritt
befördert. Häufiger sei es aber so, dass solches
„Querulantentum“ wissenschaftlichem Fortschritt und insbesondere
auch politischen Konsequenzen im Weg stünden.
Kritik an der Initiative
kommt auch vom Deutschen Journalisten-Verband djv. In einem
Kommentar heißt es: „Was da serviert wird, ist teilweise schwer
verdaulich.“ Der Kommentar bezieht sich unter anderem auf
den Beitrag von Bruch, der mit dem Kommunikationswissenschaftler
Prof. Dr. Michael Meyen spricht. Das Video ist untertitelt mit
Sätzen wie: „Faktenchecker sind Propagandamaschinen, die sich
als Journalismus verkleiden. Das gilt auch für den Faktenfuchs
des Bayerischen Rundfunks oder den Faktenfinder der Tagesschau,
die es nur gibt, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht
den Pluralismus liefert, für den wir ihn eigentlich bezahlen.“
Desweiteren bezieht sich der
djv auf ein Video von Möhring, in dem er mit dem Rechtsanwalt
und Publizisten Joachim Steinhöfel über Meinungsfreiheit
spricht, die sie in Gefahr sehen. „Den Gegenbeweis liefern die
Macher der Aktion gleich mit“, heißt es im djv-Kommentar von
Paul Eschenhagen: „Als Meinung können Meyen, Bruch, Möhring,
Steinhöfel und die anderen das alles selbstverständlich
verbreiten: Anders als in Ländern, in denen die Presse- und
Meinungsfreiheit tatsächlich bedroht ist, verfolgt sie
hierzulande niemand dafür, niemand verhaftet oder bedroht sie,
niemand verbietet es.“
Politologe: Aktion befeuert „schädliches Narrativ“
Nach Ansicht eines Experten
für Verschwörungsideologien befeuert die Aktion ein „schädliches
Narrativ“. Über die Schauspieler und Künstler verbreiteten sich
wissenschaftliche Minderheitenmeinungen über die
Pandemie-Leugner-Szene hinaus, diese würden als
Mehrheitspositionen dargestellt, sagte der
Politikwissenschaftler Josef Holnburger der dpa. „Durch einen
wissenschaftlichen Anschein werden die Beiträge aufgewertet.“In
den Videos kommen einige Menschen zu Wort, die Experten auf
ihrem Gebiet sind, darunter der Medizinstatistiker Gerd Antes
oder der Virologe Klaus Stöhr. Ihre Stimmen wurden in der
Pandemie regelmäßig in großen Medien gehört. Mehrere der
Gesprächspartner sind jedoch bereits durch Äußerungen
aufgefallen, die die Gefahr durch das Coronavirus verharmlosen.
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/allesaufdentisch-neue-umstrittene-videoaktion-zur-corona.691.de.html?dram:article_id=503723
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Vor 75
Jahren starb der Schauspieler Heinrich George
„Wenn sie mir
verbieten, zu spielen, werde ich sterben“
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Zitat
Bis heute bleibt der
Schauspieler Heinrich George umstritten. War der
Theater-Titan der Weimarer Republik ein Mitläufer,
Opportunist oder ein politisch blinder Spielball des
NS-Regimes? Am 25. September 1946 starb der Vater des
Schauspielers Götz George im Straflager Sachsenhausen.
Von
Cornelie Ueding
Heinrich George als Franz Biberkopf in Piel Jutzis
„Berlin Alexanderplatz“-
Verfilmung von 1931 (dpa / picture-alliance / akg-images)
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irritierend
Zum Tod von Götz George Der Anti-Typ
Historiker über „Vorbehaltsfilme“ NS-Propagandafilme
gehören nicht in den Giftschrank
Hundert Jahre nach Gründung der UFA Die
„Traumfabrik“ des deutschen Films
April 1949 NS-Filmregisseur Veit Harlan
freigesprochen
„Ich bin selbst Granate
und brauch sie daher nicht zu drehen. Und zwar bin ich
kein Blindgänger, sondern wenn ich mal abgeschossen
werde, lande ich meistens als Volltreffer. Und das weiß
auch das deutsche Volk und deshalb will es mich nicht
als Granatendreher sehen.“
An Resonanz und
Selbstbewusstsein hat es dem 1893 in Stettin geborenen
Heinrich George wahrlich nicht gefehlt. Mit guten
Gründen. Als einer der renommiertesten Schauspieler der
Weimarer Republik verzauberte er ganz Berlin,
gleichzeitig begann seine erfolgreiche Filmkarriere. Und
ob auf der Bühne oder im Filmstudio: Er zog alle in den
Bann seiner Persönlichkeit und seiner Ausdruckskraft,
erinnerte sich Fritz von Unruh:
„Bei dem scheint jede
Bewegung und jedes Wort aus dem Moment zu kommen. Man
kann ihm auch gar nichts raten oder vorspielen. Er
erfasst die Rolle nicht mit seinem kolossalen Kopf,
sondern mit seinem, ja wie soll ich nun sagen, mit
seinem dauernd im Chaos herumgewirbelten Blut.“
Nicht nur sein
mächtiger Körper, auch seine unglaubliche Stimme betörte
die Menschen, selbst professionelle Theatermenschen wie
den Regisseur Jürgen Fehling:
„Seine Stimme konnte
ausbrechen, wie Raben um den Kirchturm krächzen. Er
konnte zaubern aus dem Gehege seiner Zähne, immer war er
ein Mensch, gehetzt und gequält von zu viel Gesichtern.
Wie kein andrer ausgerüstet zur Inkarnation all jener
Gestalten, die gesandt sind, auf der Bühne das Gruseln
zu lehren.“
Geprägt von den Schlachtfeldern
des Ersten Weltkriegs
Es wäre dennoch ein
Fehler, ihn als reinen Instinktschauspieler zu
verstehen, der nur die Bühne kannte. An den politischen
und sozialen Bewegungen seiner Zeit nahm er mit großem
Engagement teil, sprach auf sozialistischen und
kommunistischen Versammlungen, setzte sich für jüdische
Kollegen ein und galt allgemein als links. Die bitteren
Erlebnisse des Ersten Weltkriegs, seine schweren
Verwundungen prägten von da an sein Menschenbild. Erst
die Grausamkeit des Schlachtfelds habe ihn gelehrt, was
die Wirklichkeit wirklich ist. Fritz von Unruh gab
seinen wütenden Aufschrei wieder:
„Wer das vergessen
kann, diese zerfetzten Soldaten. Wer das vergessen kann,
der ist ein Schwein, ein verdammtes Schwein. Es gibt
keine Menschen mehr. Alles nur Theater, Schieberei – und
die Generale wieder frech in den Straßen“.
Von links wie rechts als
Verräter geziehen
Auf der Bühne gehörten
unbeugsame Charaktere wie der Götz von Berlichingen zu
seinen Paraderollen. Aber im sogenannten Dritten Reich
ließ er sich in gewisser Weise mit denselben Schiebern
und Gangstern ein, die er so bitter anklagte. Es gehört
zur Tragik seines Lebens, dass sein „Spieltrieb“ ihn in
den Augen straffer Ideologen zum Verräter werden ließ:
Die Nazis trauten ihm nie so ganz über den Weg. Und
die Linken verziehen ihm die Kontakte zu den Nazis nie.
Und er selbst spielte auf Gedeih und Verderb weiter und
weiter. Selbst im ausgebombten Schillertheater, getreu
seinem Motto „Zaubern ist das A und O des Theaters.“ Im
Schwedischen Rundfunk während des Krieges sprach er so –
gemessen:
„Ich habe nach der
Zerstörung meines Theaters wiederaufgebaut auf den
Ruinen, und zwar in dem früheren Erfrischungsraum des
Schillertheaters. Dieser besonders intime
Kammerspielraum hat mit Goethes ‚Urfaust‘ in meiner
Inszenierung große Begeisterung bei der Berliner
Bevölkerung, die ja auch sehr stark unter dem
Bombenterror zu leiden hatte, hervorgerufen.“
Zwischen Propagandafilm-Star
und Förderer von NS-Gegnern
Weil er weiterspielen
wollte, machte er einen Spagat, der ihn letztlich zu
Fall brachte. Mit seinen Rollen in einschlägigen Filmen
wie „Jud Süß“ und „Hitlerjunge Quex“ diente er
propagandistisch Joseph Goebbels. Andererseits nahm er
als Intendant erklärte Gegner des Regimes unter Vertrag.
Heinrich George und Kristina Soederbaum im
NS-Propagandafilm „Kolberg“
von 1945. (picture-alliance/dpa/akg-images)
Das konnte
auf Dauer nicht gut gehen. Nach Kriegsende tauchten
Denunzianten auf – vorwiegend deutsche Exilkommunisten
–, die ihn schwer beschuldigten. Ein Mensch, der
alle Rollen spielen konnte und die Identitäten nahezu
beliebig wechselte, konnte nur ein Verräter sein.
„Wenn sie mir verbieten, zu
spielen, werde ich sterben“
George landete in
russischen Straflagern – und machte, was er ein
Leben lang getan hatte: Er spielte. So vor 12.000
Häftlingen im umfunktionierten KZ Sachsenhausen – wohin
man ihn nach dem Krieg brachte. Fast bis zum Ende seines
Lebens. Am 25. September 1946 starb er im Lager an den
Folgen einer Blinddarmoperation.
Thomas Medicus: „Heinrich und Götz George – Zwei Leben“
(Rowohlt Berlin / Deutschlandradio)
Doppelbiografie über Heinrich und Götz
George – Zwei deutsche Männer
Beide waren berühmte Schauspieler und
Männlichkeitsidole: Heinrich George und sein Sohn Götz.
Thomas Medicus hat ihnen eine Doppelbiografie gewidmet,
die auch von Götz Georges Auseinandersetzung mit seinem
Vater handelt.
Der Satz, den
Heinrich Georges Frau, Berta Drews, in ihren
Lebenserinnerungen überliefert, sollte sich auf bittere
Art bewahrheiten:
„Sie sollen mir
alles nehmen, was ich besitze, mich hungern lassen und
demütigen. Wenn sie mir aber verbieten, zu spielen,
werde ich sterben.“ |
Zitatende |
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Vor siebzig Jahren
Zitat
Als Gustaf Gründgens das Düsseldorfer Schauspielhaus eröffnete
Obwohl er
wegen seiner Nähe zum Nazi-Regime hochumstritten war, wurde
Gustaf Gründgens nach dem Krieg Intendant der Städtischen Bühnen
Düsseldorf. Auf sein Drängen erhielt die Stadt ein neues
Schauspielhaus. Am 13. September 1951 eröffnete es mit Schillers
„Räuber“.
Von Eva Pfister
Gustaf
Gründgens als Franz Moor mit Antje Weißgerber 1951 in „Die
Räuber“
am Düsseldorfer Schauspielhaus (picture alliance / Keystone )
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Rassismus-Vorwürfe Wie weiter mit der Aufarbeitung am
Schauspiel Düsseldorf?
Intendant Wilfried Schulz Düsseldorfer Schauspielhaus will
kein „Eröffnungswettrennen“
„Triumph, Triumph, der Plan ist
fertig.“ In der Rolle des Franz Moor in Friedrich Schillers
„Die Räuber“ trat Generalintendant Gustaf Gründgens am
Eröffnungsabend auf die Bühne seines neuen Düsseldorfer
Schauspielhauses. Nach den vorausgegangenen Querelen wird das
Publikum an diesem 13. September 1951 bei manchen Sätzen
aufgehorcht haben:
„Müssen denn aber meine
Entwürfe sich unter das eiserne Joch des Mechanismus beugen
Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der
Materie ketten lassen?“
Gründgens war ein Vorzeigekünstler
Nazi-Deutschlands
Vor dieser feierlichen Premiere
wäre es beinahe zum Bruch zwischen Gustaf Gründgens und
Düsseldorf gekommen. Dabei war die Stadt so glücklich, als sie
1947 den Bühnenstar als Generalintendanten für seine Heimatstadt
gewinnen konnte. Nach zehn Jahren als Intendant des Preußischen
Staatstheaters Berlin und Vorzeigekünstler des Dritten Reichs
war er zwar umstritten, aber als Schauspieler und Regisseur von
hochkarätigen Aufführungen sehr willkommen. Gründgens stellte
sich dem Publikum in der Titelrolle von „König Ödipus“ vor,
forderte es mit Sartres „Die Fliegen“ heraus und begeisterte mit
seinen Paraderollen „Hamlet“ und „Mephisto“.
(Cover und Autorenportrait Rowohlt Verlag)
Klaus Mann: „Mephisto“ – „Ein kaltes und böses
Buch“
Klaus Manns „Mephisto“ darf laut einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1971 in
Deutschland nicht erscheinen. Der Grund sind die
Persönlichkeitsrechte des Theaterintendanten Gustav Gründgens.
Verlegt wird der Roman dennoch. Jetzt ist er 70 Jahre nach dem
Freitod des Autors neu zu lesen.
Der Generalintendant stand in
Düsseldorf einem städtischen Dreispartenbetrieb vor mit einem
lädierten Opernhaus und provisorischen Spielstätten für das
Schauspiel. Versprochen war ihm ein neues Haus, zu dem ein
kriegsbeschädigtes Operettenhaus umgebaut werden sollte. Als
dieses 1950 immer noch nicht fertig war, rebellierte er und
pochte in einem Brief auf die alten Abmachungen:
„Ich darf noch bemerken,
dass die Wiederherstellung eines neuen Schauspielhauses ein
integrierender Bestandteil unserer Verhandlungen war. Und ich
möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal betonen, dass es im
dringenden Interesse der Stadt ist, wenn dieses Projekt wie
vorgesehen um den November dieses Jahres herum realisiert
würde.“
Gründgens versus die Ämter
Aber der Umbau zog sich weiter
hin. Im Februar 1951 war die Geduld des Generalintendanten
aufgebraucht. Er erklärte seinen Vertrag als gebrochen und
kündigte seinen Weggang zum Ende der Spielzeit an. Die
Abhängigkeit von den kommunalen Entscheidungsträgern empfand
Gründgens als erstickend für die künstlerische Tätigkeit:
„Im Theater ist sehr oft das
Kind bereits in den Brunnen gefallen, eh das Amt 15 den Bericht
an das Amt 29 weitergegeben hat und eh das Amt 52 entschieden
hat, ist das Theater meistens schon ruiniert.“
Theaterkrise am Rhein
Natürlich hatten viele
Schauspieler sich mit Gründgens solidarisiert und drohten
ebenfalls mit ihrem Weggang. In einer zweistündigen
Pressekonferenz legte der Generalintendant seine Gründe dar und
drückte auch sein Bedauern aus:
„Ich hätte – ich für meine
Person erkläre Ihnen unter Eid – am 29. Januar noch nicht
geglaubt, dass ich gehe. Weil ich immer noch geglaubt habe:
Mensch, es wird doch jemand begreifen, dass eine Kunstwelt
einstürzt.“ Die Reaktionen waren heftig. Ganz Deutschland sprach
über die Theaterkrise am Rhein, und die Theaterfreunde
plakatierten einen Aufruf, der mit dem Satz begann:
„Düsseldorfer! Wenn Ihr nicht wollt, dass man sich draußen über
Euch lustig macht und für engstirnig hält, dann sorgt in
allerletzter Minute dafür, dass die Stadtväter unser
ausgezeichnetes Theater nicht verlorengehen lassen.“
Da bewegte sich die Stadt. Im
April wurde die Neue Schauspiel GmbH gegründet, eine autonome
Gesellschaft mit der Stadt Düsseldorf und dem Land
Nordrhein-Westfalen als Hauptgesellschafter. Damit war das
Düsseldorfer Schauspielhaus, wie es seitdem offiziell heißt,
selbständig, und Gustaf Gründgens hatte als Geschäftsführer alle
administrativen und finanziellen Kompetenzen gewonnen.
Düsseldorfer Schauspielhaus in der Existenzkrise – Abreißen oder
neu bauen?
Düsseldorfs Oberbügermeister Thomas Geisel hat
angesichts prognostizierter 20 bis 40 Millionen Euro für
Fassaden-Reparatur und technische Instandsetzung des
Schauspielhauses vorgeschlagen, den denkmalgeschützten Bau
abzureißen und einen Neubau zu errichten. Ein verheerendes
Eingeständnis kultureller Ignoranz, meint Andreas Wilink.
Es folgten weitere glanzvolle
Theaterjahre, in denen Gründgens sich vermehrt auch der neuen
Dramatik zuwandte. Den größten Erfolg aber feierte er mit
Raimunds „Alpenkönig und Menschenfeind“ – mit Fritz Kortner in
der Hauptrolle.
Als Gustaf Gründgens sich 1955
nach Hamburg verabschiedete, schimpfte er noch einmal über das
neue Haus, nannte es einen Stall und eine Scheune. Es blieb ein
ungeliebtes Provisorium bis zum Januar 1970, als der von
Bernhard Pfau entworfene, architektonisch aufsehenerregende
Neubau des Düsseldorfer Schauspielhauses bezogen wurde.
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14.10.2021,
13:14 Uhr
Viele
Künstler müssen gehen:
Ärger am Theater Regensburg
Der neue
Intendant Sebastian Ritschel wird bei seinem Amtsantritt im
nächsten Sommer zahlreiche Verträge mit Schauspielern und
Sängern nicht verlängern. Eigentlich üblich an allen Bühnen,
doch Kommunalpolitiker zeigen sich "bestürzt und empört".
Außerhalb der Theaterwelt
sorgt der "Normalvertrag Bühne" (NV Bühne) immer wieder für
Verwunderung, doch künstlerisches Personal ist demnach mit
einer Frist von sechs Wochen kündbar, alternativ kann der
Vertrag zum Ende einer Spielzeit nicht verlängert werden. Diese
"Nichtverlängerungsmitteilung" wird üblicherweise rund ein Jahr
vorher ausgesprochen, also am Beginn einer Spielzeit, meist im
September und Oktober.
Dann wissen die Betroffenen, dass sie sich ab dem
darauffolgenden Sommer nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten
umsehen müssen.
Erst nach 15 Jahren Festanstellung sind die betroffenen Solisten
in der Regel unkündbar, doch so lange sind die allerwenigsten
Künstlerinnen und Künstler an einem Haus beschäftigt, denn
Intendanten amtieren selten über zehn Jahre hinaus. Und
Spitzenkräfte haben sowieso den Ehrgeiz, nach einigen Jahren
freiberuflich zu arbeiten, weil sie dann deutlich mehr verdienen
können.
Die
"Brücke" fordert Solidarität mit Betroffenen
Es ist also keineswegs
ungewöhnlich, wenn der neue Regensburger Intendant Sebastian
Ritschel, der das dortige Theater ab der Spielzeit 2022/23
übernimmt, in diesen Wochen "Nichtverlängerungsgespräche" führt.
Bis vergangenen Juli leitete Jens Neundorff von Enzberg das
Haus,
er wechselte nach Meiningen und nahm dorthin auch einige
Mitarbeiter mit. In der laufenden Spielzeit wird das
Regensburger Theater übergangsweise von Klaus Kusenberg
geleitet, was damit zusammenhängt, dass Neundorff von Enzberg
die Intendanz etwas "vorzeitig" aufgab, so dass ein Nachfolger
nicht rechtzeitig zur Verfügung stand.
Jetzt hat die von
Ex-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs geführte Stadtratsfraktion
"Die Brücke" Alarm geschlagen
und behauptet in einer Stellungnahme, die Entlassung von
"bis zu vierzig Personen" möge "juristisch in Ordnung sein,
menschlich und politisch aber unter keinen Umständen". Die
Bevölkerung solle sich "solidarisch zeigen" mit den Betroffenen.
Gleichzeitig wird die angebliche "Allmachtstellung eines
Intendanten" mit "Existenzzerstörungsmacht" angeprangert.
"Jedes
Mal ein Schnitt durch mein Herz"
Sebastian Ritschel wird sehr
persönlich angegangen. Wörtlich heißt es von der "Brücke": "Er
tut dies in einer Art und Weise, die jeglichen Respekt vor den
Künstlerinnen und Künstlern des Theaters vermissen lässt.
Zunächst eine Einladung zu einer Anhörung, dort der Verweis auf
eine Vollmacht, kündigen bzw. nichtverlängern zu dürfen und
wenige Tage später per Zusteller die Kündigung. Bei den
Anhörungen geht es nicht etwa um gegenseitige künstlerische
Vorstellungen, Erwartungen und Wünsche, sondern ausschließlich
um den Hinweis, rechtlich korrekt zu handeln, wenn zu einem
Intendantenwechsel Kündigungen bzw. Nichtverlängerungen
ausgesprochen werden würden."
Ritschel solle das "unwürdige
Schauspiel" beenden, den "Kahlschlag stoppen" und die
Kündigungen auf "ein absolutes und im Einzelfall begründetes
Minimum reduzieren", so die Stadtratsfraktion. Uschi Michalke,
die Vorsitzende der Theaterfreunde in Regensburg, verwies
dagegen darauf, dass "kein Intendant der Welt" einen Vertrag
unterschreibe, wo er nicht das Recht habe, das künstlerische
Personal ganz oder teilweise auszutauschen: "Es ist jedes Mal
ein Schnitt durch mein Herz. Ich verstehe auch, wenn es Leute
gibt, die am Boden zerstört sind. Das kann schmerzlich und
verletzend sein."
Bisher
neun Nichtverlängerungen ausgesprochen
Das Regensburger Theater selbst
teilte dem BR mit, bisher seien lediglich neun
Nichtverlängerungen ausgesprochen worden, weitere Gespräche
fänden derzeit noch statt: "Der lange Vorlauf von mindestens
zehn Monaten bis Vertragsende dient dazu, dass sich betroffene
Beschäftigte rechtzeitig um ein Folgeengagement bemühen können.
Auch um soziale Härtefälle zu eruieren, gibt es die laufenden
Anhörungen. In jedem Fall handelt es sich um sogenannte
Nichtverlängerungen von Verträgen, nicht um Kündigungen. Das ist
im Tarifvertrag NV-Bühne begründet und allen Beschäftigten mit
Künstlerverträgen bekannt."
Der kaufmännische
Geschäftsführer Matthias Schloderer sagte: "Die Vorwürfe von
Herrn Wolbergs richten sich nicht primär gegen Sebastian
Ritschel, sondern ich verstehe sie erstens als grundsätzliche
Kritik am System, das es durchaus zu diskutieren gilt. Diese
übergeordnete Kritik sehe ich allerdings deutlich besser beim
Deutschen Bühnenverein aufgehoben, da dort ein Beitrag zu einer
anderen rechtlichen Grundlage geschaffen werden kann."
Ritschel:
Aufmerksamkeit liegt "zu 100 Prozent" bei Beschäftigten
Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer sagte
gegenüber dem BR-Studio Regensburg, dass sie das Ensemble und
die Leistungen des Theaters in den vergangenen Jahren sehr
geschätzt habe. "Es ist keine Frage, dass der Verlust des
Arbeitsplatzes für jede und jeden der Betroffenen bitter ist.
Allerdings ist es nicht Aufgabe der Oberbürgermeisterin bzw. der
Verwaltungsratsvorsitzenden, den Wirkungsbereich des Intendanten
zu regulieren und damit die künstlerische Freiheit im Sinne des
Grundgesetzes einzuschränken."
Der künftige Intendant
Sebastian Ritschel wurde vom BR angefragt und ließ über die
Pressestelle ausrichten, momentan fänden die
"Anhörungsgespräche" statt, bis Ende Oktober liefen
"Nichtverlängerungserwägungen". Seine Aufmerksamkeit müsse daher
zu "100 Prozent" bei den Beschäftigten liegen, weshalb er sich
nicht zu den von der "Brücke" vorgebrachten Einwänden äußern
will.
13.10.2021, 23:49 Uhr
Martin Kušej spricht in einem
Zeitungsinterview von "Gnadenlosigkeit und Frechheit" im
Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen gegen Ex-Kanzler
Sebastian Kurz und zeigt sich "erschüttert". Die Medien
beteiligten sich an der eigenen Abschaffung.
10.10.2021, 12:37 Uhr
Sexistische Gewalt, toxische
Rollenbilder und unterdrückte weibliche Sexualität: Das
Bühnenstück "Like Lovers Do (Memoiren der Medusa)", das gestern
an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt wurde, ist Theater
für heute.
14.10.2021, 13:04 Uhr
Die Initiative #allesaufdentisch hat
einen juristischen Sieg gegen YouTube errungen. Die Plattform
darf nicht mehr zwei Videos sperren. Ein Sieg der
Meinungsfreiheit? Ein Kommentar.
06.10.2021, 12:07 Uhr
Deutschland – eine klassenlose
Gesellschaft, in der alle im gleichen Boot sitzen. Dieses
Märchen hat sich lang gehalten. Doch, wenn es überhaupt jemals
eine Zeit ohne Klassen gegeben hat in diesem Land, ist sie lang
vorbei.
20.10.2021, 16:34 Uhr
Wenn Clubs geschlossen bleiben, Museen
oder Bühnen nur eingeschränkt öffnen können, wird Kultur
digital. Wir bringen Ihnen ausgewählte Kulturveranstaltungen
nach Hause – immer kostenlos. Und wir kommentieren aktuelle
Debatten.
Zitatende |
Quelle:
https://www.br.de/nachrichten/kultur/viele-kuenstler-muessen-gehen-aerger-am-theater-regensburg,SloCuDd
Vor achtzig Jahren - 1941 / 2021
‘Die Lage
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Zitat
„Es wird ein
Massenangriff aller größten Stils. Wohl der gewaltigste den die
Geschichte je gesehen hat. Das Beispiel Napoleons wiederholt
sich nicht.“
Zitatende
Quelle: Goebbels Tagebücher – 16.06.1941 – Teil 1, Band 9 - Seite 377
– Piper Verlag – 1992
|
129 Jahre nachdem Napoleon am 22.06.1812 den Grenzfluss
Njemen mit seiner Grande Armée auf dem Weg nach Moskau überschritten
hatte, folgte ihm Hitler und der kam im Gegensatz zu Napoleon nicht
einmal bis nach Moskau, sondern scheiterte 30 Km vor der Stadt.
Man hatte sich alles so einfach vorgestellt, Polen und Frankreich waren
als Beispiel genommen worden. 1939 und 1940 hatte man jeweils nur vier
Wochen gebraucht, um die Länder niederzuwerfen.
|
|
Zitat
Der
Russe hat diesen Krieg in den ersten acht Tagen verloren, seine
Verluste an Toten und Gerät sind unvorstellbar. Die Weite
Russlands wird ihm erlauben noch geraume Zeit zu bataillieren:
ändern wird der Russe sein Schicksal nicht mehr können.
Zitatende
Quelle:
Generalstabschef Franz Halder am 03.07.1941 an Frau Luise von
Benda – IfZ München – ZS 240, Band 7
|
Mit Russland aber waren andere Räume und ein kontinentales Klima zu
bewältigen. Es waren nicht die Gegenden in der Westwinddrift wie
Frankreich oder die Beneluxstaaten, wie Dänemark oder Norwegen.
Hinzu kam ein stärkerer Verteidigungswillen und bessere
Verteidigungsmöglichkeiten als die der bisher Angegriffenen.
Schon seit Mitte Juli 1941 verstärkte sich der russische Widerstand und
der Vormarsch der Wehrmacht geriet ins Stocken.
|
|
Zitat
Nun sind wir in der 4. Woche im Kampf ohne einen Ruhetag bei
glühender Hitze (…) Die Männer werden müde, die Verluste mehren
sich, der Ausfall der Fahrzeuge steigt.
Zitatende
Quelle:
Generaloberst Erich Hoepner am 16.7.1941 an seine Frau -
Bundesarchiv-Militärarchiv – Freiburg _ N 51/9
|
Der ‘Führer‘ machte sich schon zu diesem Zeitpunkt
Gedanken über die künftige Aufteilung des gewonnenen Landes, des von ihm
so genannten ‘Ostraums‘. Er sah sich als unumschränkter Beherrscher
Europas, der Bolschewismus müsse ausgerottet, die Grenzen Deutschlands
bis zum Ural vorgeschoben werden.
Maßstab für ihn war das britische Empire, Russland sei das Indien
Deutschlands. Mit wenigen Auserwählten könne man die doppelte Menge an
Menschen regieren.
Doch Goebbels kam
schon da zu der Erkenntnis, dass es noch länger als geplant dauern
werde, bis die Sowjetunion zerschmettert am Boden liege.
Die deutsche
Wehrmacht hauste in den eroberten Gebieten. Deutsche Soldaten raubten
der Bevölkerung die Lebensmittel, es kam zu Hungersnöten, Stalin rief
zum Widerstand auf, es bildeten sich Partisanengruppen, die von der
Wehrmacht niedergemacht wurden.
In den ersten Wochen wurden Tausende Russen und Ukrainer
gefangengenommen, die von der deutschen Besatzungsmacht überhaupt nicht
versorgt werden konnten. Also ließ man sie hungers sterben oder erschoss
sie, wenn sie geschwächt irgendwo im Wege waren.
Trotz aller
Feindschaft, die ihnen ja von Hitler und seinen Nachläufern eingeredet
wurde, zollten die deutschen Soldaten Anerkennung der Tapferkeit der
sowjetischen Soldaten, vor ihr könne man nur den Hut ziehen. Sie ließen
sich eher im Nahkampf töten, ehe sie denn aufgaben.
Die deutsche
Armeeführung musste erkennen, dass das ‘Unternehmen Barbarossa‘ kein
Spaziergang nach Moskau sei - wie ihr von Hitler suggeriert worden war -
und das die zerschlagenen russischen Divisionen von Stalin sehr schnell
wieder aufgebaut wurden.
|
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Zitat
Der
Russe kämpft ausgezeichnet mit neu herangeführten Kräften,
darunter immer wieder neuen Panzerdivisionen, die er in einem
Umfang aufgestellt hatte wie wir es nicht geahnt haben.
Zitatende
Quelle: Günther von Kluge am 12.7.1941 -
Bundesarchiv-Militärarchiv – Freiburg _ MSg2/11185
|
Und General Rundstedt klagte in Briefen vom 10. und
12.08.1941 an seine Frau:
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Zitat
Mir
graut vor dem Winter in diesem Land. “Wer weiß, wo wir dann
sitzen. […] Die Weite Russlands verschlingt uns.“
Zitatende
Quelle: BaMA Freiburg MSG2/1238 MSg2/111538
|
General Henrici ging so weit, festzustellen, dass
alle Feldzüge ein Kinderspiel gewesen seien gegen die augenblicklichen
Kämpfe. Der Feind sei ein erstaunlich aktiver und zäher Bursche. Alle
hätten sich in ihm verschätzt. Möglich sei, dass die deutsche Wehrmacht
einen Stellungskrieg in den Weiten Russlands erleben werde.
Generalstabschef Franz Halder konstatierte, dass der Koloss Russland
unterschätzt worden sei:
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Zitat
Wir haben
bei Kriegsbeginn mit etwa 200 feindlichen Divisionen gerechnet.
Jetzt zählen wir bereits 360 […] und wenn ein Dutzend davon
zerschlagen wird, dann stellt der Russe ein neues Dutzend hin.
Zitatende
Quelle: Franz
Halder: Kriegstagebuch, Band III, Seite 170, 11.08.1941
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Vor achtzig Jahren -
1941 / 2021
Meinungsverschiedenheiten
Hitler hatte die
ersten vordringlichsten Eroberungsnotwendigkeiten auf der Krim, am Donez
und im Kaukasus gesehen.
Dort erkannte er die Achillesverse der Russen. Nähme er ihnen die
Gesamtbasis ihrer Wirtschaft weg, dann könne sich der Feind nicht mehr
halten und müsse sich ergeben.
Dem widersprach Generaloberst Franz Halder in seiner Denkschrift vom 18.
August 1941, der die Massierung der russischen Truppen um Moskau herum
erkannte und argumentierte, schlüge man den Feind hier, könne der keine
geschlossene Front mehr aufbauen.
Hitler konterte, der Vorschlag des Heeres, Moskau und die dortige
Vernichtung des Feindes voranzutreiben, stimme mit seinen Vorstellungen
nicht überein. Es gelte erst die Wirtschaft zu zerschlagen, fast
wörtlich meinte er, seine Generäle hätten keine Ahnung von
wirtschaftlicher Kriegsführung.
Ohne weitere Diskussionen legte er am 21. August 1941 fest:
|
|
Zitat
Das
wichtigste noch vor Einbruch des Winters zu erreichende Ziel ist
nicht die Einnahme von Moskau, sondern die Wegnahme der Krim,
des Industrie- und Kohlengebiets am Donez und die Abschnürung
der russischen Ölzufuhr aus dem Kaukasus, im Norden die
Abschließung Leningrads und die Vereinigung mit den Finnen.
Zitatende
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Quelle:
Kriegstagebuch (KTB), Oberkommando der Wehrmacht (OKW), Band I, Seiten
1063 - 1068
Um diese Zeit
konnte die Wehrmacht trotz der bereits bekannten Einschränkungen Boden
gutmachen.
Am 9. September 1941 war Leningrad fast völlig eingeschlossen, die Stadt
sollte nach dem Willen Hitlers – da von ihr der Bolschewismus seinen
Ausgang nahm - ausgehungert werden, Dann sei sie dem Erdboden
gleichzumachen.
Am 19. September fiel Kiew, 650000 russische Gefangene wurden gemacht,
fünf sowjetische Armeen zerschlagen. Wieder hatte sich der Führer gegen
die Bedenken seiner Generalität durchgesetzt.
Nach diesen Erfolgen begab sich Hitler am 2. Oktober 1941 nach Berlin,
um dort eine Rede zu halten, die schon für den 9. September 1941 – dem
Beginn des Winterhilfswerks – vorgesehen war.
Lange hatte sich der Reichskanzler gegen ein Auftreten vor dem Volk
gewehrt, meinte er doch, nicht genügend Positives bieten zu können. Doch
war er jetzt „überzeugt davon, binnen weniger
Tage vor Moskau zu stehen.
“
(Quelle: Kommentar 187, Seite 1678 in Goebbels
Tagebücher – Piper Verlag – 1992)
●
Gleich nach dem
Eintreffen Hitlers am 2. Oktober 1941 in Berlin hatte der
Reichspropagandaminister Gelegenheit, mit dem 'Führer' die gegenwärtige
Situation durchzusprechen. Der war der Meinung, dass die sowjetische
Wehrmacht in vierzehn Tagen - von diesem 3. Oktober 1941 an gerechnet –
“im Wesentlichen zertrümmert sein wird“.
Da er am 3. Oktober 1941 um 7 Uhr abends schon wieder im Zug an die
Ostfront sitzen musste, wurde das Programm umgestellt und Goebbels blieb
nicht viel Zeit, um seinen Rechenschaftsbericht über das Winterhilfswerk
des vergangenen Jahres, das über 900 Millionen Reichsmark eingebracht
hatte, dem deutschen Volk im Berliner Sportpalast vor der Rede Hitlers
vorzulegen.
Dass der U-Boot-Krieg
nicht die entscheidende Wirkung gehabt habe, hätte an den langen, hellen
Nächten gelegen, in denen die Boote nicht auftauchen konnten. Jetzt, in
den Herbst gehend, werde sich die Angriffslage auf die feindlichen
Geleitzüge und die einzelkämpfenden Boote verbessern.
Betrachte man die
Gesamtsituation, so sei die nur als schicksalhaft einzustufen.
Es sei eben gut
gewesen,
- dass die Polen
nicht auf den Vorschlag bezüglich
Danzig eingegangen
seien;
- dass die Engländer
und Franzosen nicht auf das
Friedensangebot des
'Führers' nach der
Niederschlagung
Polens eingingen;
- dass die Engländer
nicht auf die Friedensofferte des
'Führers'
nach der Niederlage Frankreichs eingingen.
Zum Krieg mit
Russland habe es kommen müssen, bedenke man allein die Ölfelder, die
jetzt schon im Osten erobert worden seien und die man jetzt ausschöpfen
könne, ohne dafür das Öl am Markt einkaufen und auch bezahlen zu müssen.
Außerdem wäre es von
Seiten Stalins doch irgendwann zum Krieg gekommen. Nun müsse das
deutsche Volk diesen opfervollen Weg bis zum Ende durchschreiten, dann
erst werde Europa Friede, Ruhe und Konsolidierung beschieden sein.
Abschließend meinte
der ‘Führer‘, dass der Sieg nicht mehr genommen werden könne.
Goebbels bekam den Auftrag, schnellstens einen Aufruf des Führers in
einer Auflage von 200.000 Stück drucken zu lassen, der an der Ostfront
plakatiert werden solle.
Flugblätter mit Hitlers Aufruf konnten zügig über dem Gebiet der Front
abgeworfen werden und erreichten so deutsche Soldaten, die voller
Tapferkeit dazu beitragen sollten, noch vor Einbruch des Winters die
bolschewistische Wehrmacht zu vernichten, wenn nicht, müsse man auf
halbem Wege stehen bleiben und die Entscheidung auf das kommende Jahr
verschieben.
Sollte also der
Schlag gelingen, dann habe man das Schwerste des Krieges hinter sich.
Auch könne man
Teile der Luftwaffe abziehen und 'englischen Großschnauzen' werden
Fliegerangriffe erleben, die sie so noch nicht erlebt hätten – so
Goebbels in seinem Tagebuch am 3. Oktober 1941.
|
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Zitat
Am
2.10.1941 begann die große Offensive in Richtung Moskau. In
Hitlers Proklamation, die den Soldaten in der Nacht vom 1. auf
den 2.10.1941 verlesen wurde, behauptete Hitler, dass „dieses
Mal“ alles „planmäßig Schritt um Schritt“ vorbereitet worden
sei. Es handele sich um den „letzten gewaltigen Hieb, der noch
vor Einbruch des Winters diesen Gegner zerschmettern soll“.
Die Proklamation wurde auch an der Ostfront plakatiert, doch
mussten Spezialkommandos nach einigen Wochen die Plakate
abkratzen, da die Truppen inzwischen zu spüren bekamen wie sehr
sich Hitler wieder getäuscht hatte.
Zitatende
Quelle:
Goebbels Tagebücher – Kommentar 181 - Seite 1674 – Piper Verlag
München - 1992
|
Der ‘Führer‘ war bekanntermaßen aufgrund seiner
‘überragenden Kenntnisse in Bezug auf Einschätzung klimatischer
Vorbedingungen und aktueller Wetterlagen, gebündelt mit fachlich hoch
qualifizierten Einschätzungen der geografischen Gegebenheiten der zu
bekämpfenden Gelände als ‘größter Feldherr aller Zeiten‘ (GröFaZ)
der Überzeugung, zu sagen,
wenn denn das Wetter günstig bliebe, die sowjetische Wehrmacht in
vierzehn Tagen im Wesentlichen zertrümmert sein werde.‘
Im Führerhauptquartier geriet man in Euphorie wie am Beginn des
Feldzuges. war in Feierlaune. Alle seien wunderbar gelöst und bester
Stimmung – aller Sorgen frei.
Das Oberkommando der Wehrmacht ging davon aus, dass der Feind keine
nennenswerten Reserven mehr dem Ansturm der Wehrmacht entgegensetzen
könnte. Hitler befahl nun – im Gegensatz zu früher – nun doch Moskau und
seine Umgebung fest in die Hand zu nehmen und falls die Russen eine
Kapitulation der Stadt anböten, diese nicht anzunehmen sei.
Aufgrund dieser Stimmung, verbreitete der Reichspressechef Dr. Otto
Dietrich am 9. Oktober 1941 die Meldung, die gesamte sowjetische Front
sei zertrümmert und der Feldzug damit faktisch entschieden Die
Sowjetunion sei mit diesem letzten gewaltigen Schlag den man ihr
versetzte, militärisch erledigt.
Mit der Zerschlagung der Heeresgruppe
Timoschenko sei die militärische Entscheidung im Osten gefallen,
Russland erledigt, der englische Traum vom Zweifrontenkrieg endgültig
ausgeträumt.
Die Nachricht kam einer Sensation gleich wurde sie doch in
übertriebenem Optimismus als definitiven Bestätigung für den
erfolgreichen Abschluss des Feldzuges interpretiert.
Mitte Oktober änderte sich das Wetter. Die Ostfront geriet in Bedrängnis
und der Vormarsch auf Moskau ins Stocken.
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Zitat
Bei
uns selbst ist jede Hoffnung aufzugeben.
Wir sitzen im Schlamm und unergründlichen Wegen mit dem ganzen
Nachschub fest die Kraftwagen haben kein Benzin die Leute kein
Brot die Pferde keinen Hafer.
[…]
Was ist es für eine Dämonie des Schicksals, dass dieser Halt
dicht vor den Toren Moskaus eintritt. 60 Kilometer, 3 kleine
Tagesmärsche sind die nächsten Divisionen von dieser Stadt
entfernt. Die Hand nach der Hochburg des Kommunismus
gewissermaßen schon ausgestreckt.
Zitatende
Quelle: Volker Ullrich – Adolf Hitler – S. Fischer Verlag – 2018
– Seite 244
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Am 21.
November 1941 war Hitler wieder nach Berlin gereist, um an dem
Staatsbegräbnis für Ernst Udet teilzunehmen, der am 17. November 1941
Selbstmord beging. Udet war an seiner Luftwaffe verzweifelt, die er als
Flieger verwaltungsmäßig nicht in den Griff bekam. Goebbels gegenüber
zeigte Hitler sich weiter siegesgewiss, man wolle Moskau noch mit
Truppen umzingeln und damit der Vernichtung durch Hunger und Verwüstung
aussetzen.
Goebbels betrieb daraufhin Schönfärberei, wenn er am 21. November 1941
behauptete, dass die Stimmung bei der Truppe immer noch ausgezeichnet
sei.
(Nach Goebbels Tagebücher - Seite 1709 – Piper Verlag München – 1992)
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Zitat
Durch
den unerwartet frühen Wintereinbruch starben in der
Winterschlacht von Moskau Tausende für den Kampf bei Eis und
Schnee nicht ausgerüstete deutsche Soldaten den Kältetod;
Fahrzeuge und automatische Waffen versagten. Ende November
meldet Panzergeneral Guderian, seine Truppen seien erschöpft und
am Ende. Weil er die Verbände in günstigere Stellungen
zurücknehmen musste, wurde er seines Kommandos enthoben.
Zitatende
Quelle:
Goebbels Tagebücher
– Kommentar 208 - Seite 1709 – Piper Verlag München - 1992
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Hitler selber war dann doch realistischer als
er sich gegenüber seinem Propagandaminister gab.
Die Adjutanten hörten ihn am 25. November 1941 mit Sorge vom russischen
Winter und der Witterung sprechen. Und auch, dass man den Feldzug und
den Angriff auf Moskau einen Monat zu spät begonnen habe.
Man begann in der Heeresleitung heimlich an Hitler zu zweifeln. Als der
am 29. November 1941 wieder in der Wolfsschanze eintraf, hatte die
Panzergruppe Ewald von Kleist die Stadt Rostow gerade wieder geräumt,
weil sie sich einem Angriff der Roten Armee nicht stellen konnte.
Generalfeldmarschall von Rundstedt nahm die Soldaten zurück, was gegen
den ausdrücklichen Willen Hitlers geschah. Rundstedt wurde am 1.
Dezember 1941 entlassen.
Für die Rückschläge der Wehrmacht im
Krieg gegen die Sowjetunion (Schlacht
um Moskau) im Winter 1941/42 machte Hitler die Generäle und das
OKH verantwortlich und entschloss sich, zusätzlich zu seiner
Eigenschaft als Oberster Befehlshaber der Wehrmacht auch den
Oberbefehl des Heeres persönlich zu übernehmen. Brauchitsch, der
aufgrund von Hitlers eigenmächtigen Eingriffen bereits mehrfach
vergeblich um seinen Abschied ersucht gehabt haben soll und zudem
gesundheitlich angeschlagen war, wurde schließlich am 19. Dezember 1941
offiziell entlassen.
Die Führungsschwierigkeiten setzten sich fort. Immer wieder kam es im
Laufe des Krieges zu Auseinandersetzungen.
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Zitat
In einer Diktatur ist die Nähe zum
Diktator alles – Ehrlichkeit aber gilt nichts. Wer es wagt, dem
Machthaber zu widersprechen, und sei es betont sachlich und
moderat, wird bestenfalls beschimpft, meistens abgesetzt und,
wenn er Pech hat, umgebracht. Dauerhaft Erfolg haben in einem
solchen Umfeld nur ausgesprochen opportunistische Gemüter.
[…]
Wortreich legte Keitel Hitler die Versetzung Jodls aus dem
Führerhauptquartier nahe. Der Grund sei dessen mangelnde
Loyalität: „Es ist die heiligste Pflicht eines jeden, der Ihr
Vertrauen gehabt hat und der bei Ihnen gearbeitet hat, dafür zu
sorgen, dass Belastungen dieser Art von Ihnen in jeder Form
ferngehalten werden.“
Hitler griff diese Vorlage des
kriecherischen Keitel dankbar auf. „Ich muss von den Herren, die
mit mir arbeiten, eine hundertprozentige Loyalität
voraussetzen“, sagte er. „Wenn diese Loyalität einmal fehlt,
dann ist eine Zusammenarbeit nicht denkbar.“ Offenbar verfing
Keitels Taktik des Einschmeichelns, denn der Diktator legte
jetzt los und beschimpfte andere Generäle.
„Halder kann ja nicht
unterscheiden, ob ein Angriff mit 200, mit 100 Mann, mit 6
Bataillonen oder 2 Divisionen gemacht wird“, wütete er zum
Beispiel über den bereits abgesetzten Generalstabschef. Über
Wilhelm List, Oberbefehlshaber der Heeresgruppe A im Süden der
Ostfront, bemerkte er, der habe „schlapp geführt“. Auch Fedor
von Bock, Chef der Heeresgruppe B, habe „gänzlich versagt“.
Neben Jodl forderte er weitere Absetzungen: „Noch ein Herr muss
weg, General Ruoff!“
Gnade vor Hitlers Wut
fanden dem Protokoll zufolge nur wenige Generäle.
Walter Model zum Beispiel: „Er ist der einzige
Mann, der bejahend ist. In der kritischsten Lage ist er immer
noch positiv und sieht Möglichkeiten.“
Und Friedrich Paulus, den Befehlshaber der 6.
Armee, die gerade um Stalingrad kämpfte. In ihm sah Hitler den
perfekten Nachfolger für Halder: „In meinen Augen kommt nur ein
einziger Mann dafür infrage, zu dem ich persönlich Vertrauen
habe und der seine Erfahrungen vorn gesammelt hat. Das ist
General Paulus.“
So begeistert war Hitler, dass er sich zu einer ausführlichen
Begründung seiner Sympathie herabließ: „Paulus war von den
Spitzenoffizieren eigentlich der erste, der mir überhaupt in der
Wehrmacht aufgefallen ist. Das war, als damals diese
Transportübung in der Oberpfalz gewesen ist.“ Doch gleichzeitig
stand fest: Erst wenn Stalingrad gefallen sei, könne Paulus von
der 6. Armee abberufen werden. Dazu kam es nicht mehr:
Ausgerechnet Friedrich Paulus wählte statt des
nahegelegten Selbstmordes am 31. Januar 1943 im
Kessel die Kapitulation.
Zitatende |
Quelle:
https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article147626210/Archivfund-zeigt-wie-Hitler-Personalpolitik-machte.html
Am Ende seiner Tage soll Hitler 1945 im Führerbunker in
Berlin zu seinem Chefpiloten Hans Baur gesagt haben, er sei das Opfer
seiner Generäle geworden.
Vor achtzig Jahren - 1941 /
2021
Jahreswechsel - ’Scheitern’
Goebbels ging davon aus, dass Ende Oktober 1941 der
russische Widerstand zusammenbreche und alles gewonnen sei.
Käme es nicht dazu, würde man sich in der Heeresleitung schon etwas
einfallen lassen.
Dass aber der Sieg am Ende sicher sein werde, stehe außer Zweifel. Wann
und wie er errungen werde, liege in der Entscheidung des 'Führers'.
Doch der Vormarsch geriet völlig ins Stocken und der Krieg gegen die
Sowjetunion erfuhr eine entscheidende Verzögerung weil die Kampfkraft
der Russen von den Machthabern und den Militärs
völlig falsch eingeschätzt
wurde.
Folgenreich und schließlich
ausschlaggebend war die katastrophale und fahrlässige Überschätzung der
eigenen und mehr noch die Unterschätzung der sowjetischen Möglichkeiten.
Der 'Führer' meinte, die Russen hätten nur 5.000 Panzer zur Verfügung,
während es in Wirklichkeit 20.000 waren und bei den Flugzeugen stellte
sich die Situation ähnlich dar. 10.000 hatte man geschätzt, jedoch
20.000 hatten in Russland zum Anfang des Russlandfeldzuges am 22. Juni
1941 zur Verfügung gestanden.
Bereits im August 1941 - also zwei Monate nach dem Überfall - zeichnete
sich somit ab, dass der Vormarsch sehr viel langsamer vor sich gehen
werde und man sich damit mit dem Winter auseinandersetzten müsse.
Goebbels sprach deswegen - das Problem kommen sehend - schon im Sommer
1941 mit der Generalität, man müsse eine Wollsammlung einrichten, um den
Soldaten winterfeste Kleidung zukommen zu lassen. Jodl aber meinte, zu
Weihnachten säße man in warmen Zimmern in Leningrad oder Moskau.
Doch bereits im Spätsommer und dann im Herbst 1941 waren die deutschen
Truppen im Schlamm der vom Regen und später im ersten Schnee
aufgeweichten Böden versunken, der Vormarsch war zum Erliegen gekommen.
Goebbels war der Meinung,
Zitat
Das Wetter kann Erfolge für gewisse Zeiten
hintanhalten, aber entscheidend kann es auf die Dauer nicht sein.
Zitatende
Quelle: Goebbels Tagebücher – 21. November 1941 – Seite
1708 – Verlag Piper München - 1992
Tausende von deutschen Soldaten starben gleich zu Anfang
des Felszuges in den Weiten Russlands, als die Winterkälte über das Land
hereinbrach, durch Mangelversorgung.
●
Hitler ging während der ganzen Zeit davon
aus, dass Japan sich in den Krieg einbringen und die Sowjetunion an
deren Ostseite angreifen werde.
Doch Stalin sah die Japaner sich im Pazifik engagieren, zog seine
Truppen aus dem östlichsten Teil Russlands ab und verlegte sie zu einer
Winteroffensive ab dem 5. Dezember 1941 an die deutsch-russische Front
im Westen des Landes.
So kamen immer mehr frische, die Kälte des russischen Winters gewohnte,
Soldaten an die Westfront, so dass der Vormarsch der Deutschen 30 km vor
Moskau zum Erliegen kam.
So attackierte Tokio nicht Russland, sondern die USA, indem es den
Stützpunkt Pearl Harbor auf Hawaii am 7. Dezember 1941 angriff.
Der 'Führer' meinte damit die Bindung Amerikas an den Pazifik als
gegeben ansehen zu können und erklärte seinerseits am 11. Dezember 1941
den USA den Krieg, um die Transportwege der Amerikaner von den USA nach
England ungehindert - d.h. in einem Kriegszustand - abschneiden zu
können.
Die Heimatfront musste mit Parolen aus dem Reichspropagandaministerium -
je nach Einschätzung des Dr. Goebbels - beschwichtigt oder aufgestachelt
werden.
In einer alarmierenden Rundfunkrede
vom 20.12. 1941 forderte er dazu auf, folgendes abzuliefern:
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Zitat
„Überschuhe, nach Möglichkeit gefüttert oder mit
Pelz ausgestattet, warme Wollsachen, Socken, Strümpfe, Westen,
Unterjacken oder Pullover und warmes, vor allem wollenes
Unterzeug, Unterhemden, Unterhosen, Leibbinden, Brust- und
Lungenschützer, jede Art von Kopfschützern, Ohrenschützern,
Pulswärmern, Pelze im weitesten Sinne des Wortes, Pelzjacken und
Pelzwesten, Pelzstiefel jeder Art und Größe, Decken, vor allem
Woll- und Pelzdecken, dicke, warme Handschuhe, hier vor allem
pelzgefütterte Lederhandschuhe und Wollfäustlinge. Überhaupt
alles aus Pelz wird an der Front dringend gebraucht und ist
deshalb doppelt willkommen.“
Zitatende
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Quelle: Josef Goebbels – Tagebücher – 1940 / 1942 – Seite
1723 – Piper Verlag - 1992
Am selben Tag erließ Hitler einen Aufruf an das deutsche Volk mit einem
-Appell zur Sammlung von Wintersachen für die Soldaten der Ostfront, aus
dem eindeutig hervorging, dass die deutschen Soldaten keine ausreichende
Winterausrüstung besaßen.
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Zitat
„Aufruf zur Woll- und
Pelzsachensammlung des deutschen Volkes"
21. Dezember 1941
Während - abgesehen von Luftangriffen
- die deutsche Heimat vom Feinde unbedroht ist, stehen Millionen
unserer Soldaten nach einem Jahr schwerster Kämpfe gegen einen
zahlen- und materialmäßig weit überlegenen Feind an der Front.
Siege, wie sie die Weltgeschichte bisher noch nie erlebte,
wurden dank der Führung und Tapferkeit von Offizier und Mann
erfochten.
So hält und kämpft nunmehr die größte
Front aller Zeiten vom Polargebiet bis zum Schwarzen Meer, von
den finnischen Schneefeldern bis in die Berge des Balkans so
lange, bis die Stunde der endgültigen Vernichtung des
gefährlichsten Gegners wieder kommt.
Wenn nun das deutsche Volk seinen Soldaten anlässlich des
Weihnachtsfestes ein Geschenk geben will. dann soll es auf all
das verzichten, was an wärmsten Bekleidungsstücken vorhanden ist
und während des Krieges entbehrt werden kann, später aber, im
Frieden, jederzeit ohnehin wieder zu ersetzen ist.
Denn was auch die Führung der Wehrmacht und der einzelnen Waffen
an Winterausrüstung vorgesehen haben, jeder Soldat würde um
vieles mehr verdienen.
Hier kann die Heimat helfen!
Der Soldat der Ostfront aber wird auch daraus ersehen, daß die
Volksgemeinschaft, für die er kämpft. im nationalsozialistischen
Deutschland kein leerer Begriff ist.
Adolf
Hitler
Zitatende |
Quelle:
https://ia800209.us.archive.org/29/items/Bouhler-Philipp-Der-grossdeutsche-Freiheitskampf-2/BouhlerPhilipp-DerGrossdeutscheFreiheitskampf-RedenAdolfHitlers-Band31943138S..pdf
- Seite 84
Erst am 21. Dezember 1941 begann damit eine Sammlung für das
Winterhilfswerk, viel zu spät, um noch Soldaten und Betreuungspersonal
zu retten. Die Aktion lief bis in den Januar 1942 und tatsächlich kamen
hunderte von Kleidungsstücken zusammen, die dann an die Front geschafft
werden mussten, unter dem Aspekt, dass gleichzeitig die Reichsbahn auch
Transportmaterial für die Deportation von Juden aus dem Reichsgebiet
bereitzustellen hatte.
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Zitat
Am 29.
Dezember 1941 ließ Gen. Leutnant Hans von Sponeck die Halbinsel
Kertsch im östlichen Teil der Krim unter dem Ansturm der Roten
Armee räumen, um die Vernichtung der deutschen Kräfte
abzuwenden. Am 31. Dezember 1941
wurde Sponeck wegen seines eigenmächtigen Rückzuges seines
Kommandos enthoben und in Berlin vor ein Kriegsgericht unter
Vorsitz von
Hermann Göring gestellt. Am 23. Januar 1942 wurde er wegen
„fahrlässigen Ungehorsams im Felde“
zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 22. Februar 1942
durch
Adolf Hitler in sechs Jahre
Festungshaft umgewandelt.
Obwohl er keinen Kontakt zu den
Attentätern des 20. Juli 1944 gehabt hatte, wurde er am 23.
Juli 1944 auf Befehl
Himmlers mit aktiver Unterstützung des Gauleiters
Josef Bürckel ohne Urteil zum Exempel
erschossen. Dieser demonstrative Mord sollte alle Offiziere
zu unbedingtem
Gehorsam auffordern.
Zitatende |
Quellen:
Wikipedia +
Reinhard Stumpf:
Die Wehrmacht-Elite. Rang- und Herkunftsstruktur der deutschen
Generale und Admirale 1933–1945. (Militärgeschichtliche Studien).
Harald Boldt Verlag. Boppard am Rhein 1982.
ISBN 3-7646-1815-9.
S. 39f.
Zum
Jahreswechsel 1941 / 1942 war bereits klar, dass der Krieg gegen
Russland nicht gewonnen werden konnte, zumal auch noch die Folgen des
Einmarschs der Italiener in
Abessinien,
Kriegsschauplätze in Jugoslawien und Griechenland mit
Kreta
sowie
Nord-Afrika
und auch die Besetzungen der Länder Norwegen, Dänemark, Holland,
Belgien, Luxemburg und Frankreich und damit die Bindung von Kräften
einkalkuliert werden mussten.
Friedrich Kellner, Justizangestellter in Gießen schieb in seinem
Tagebuch zum Jahreswechsel 1941 / 1942
Zitat
„Bei nüchterner Betrachtung komme ich zur Überzeugung,
dass es für Deutschland unmöglich ist, diesen Krieg zu gewinnen!“
Zitatende
Quelle: Friedrich
Kellner „Vernebelt, verdunkelt sind alle
Hirne – Tagebücher 1939–1945
Wallstein Verlag GmbH,
2011.
Carl Zuckmayer
‘Geheimreport‘
Nazideutschland wird
den Krieg, den es mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941
begonnen hatte, verlieren.
Das
‘Unternehmen Barbarossa‘
war manifestiert
durch die am 18. Dezember 1940
von Hitler dem OKW gegenüber erteilte
Weisung Nr. 21, Diese legte fest, den Angriff auf die Sowjetunion
vorzubereiten.
Die Geschichtsschreibung geht davon
aus, dass bereits am 5. Dezember 1941 von einem Ende des ’Unternehmens
Barbarossa’ auszugehen ist, als die Wehrmacht vor Moskau zum Stehen kam.
Noch deutlicher vollzog sich der Anfang vom Ende, als 1943 die sechste
Armee im Kessel von Stalingrad kapitulieren musste.
General Paulus, den Hitler noch am 30. Januar 1943 zum
Generalfeldmarschall erhoben hatte, legte tags darauf gegen den
ausdrücklichen Willen des ‘Führers‘ die Waffen nieder, da im südlichen
Stadtkessel von Stalingrad eingeschlossen, ein Kampf gegen die Übermacht
der roten Armee nicht mehr möglich war.
Zwei Tage später ergaben sich auch die ausgezehrten Truppen im
Nordkessel der Stadt, das einem Trümmerfeld glich. Etwa 150.000 deutsche
Soldaten waren im Kessel den Kämpfen, der Kälte oder dem Hunger zum
Opfer gefallen. Rund 91.000 Mann gerieten in sowjetische
Kriegsgefangenschaft, aus der vielleicht 6.000 Überlebende bis 1956
nach Deutschland zurückkehrten. Auf sowjetischer Seite waren vermutlich
allein im Kampf um Stalingrad mehr als 400.000 Soldaten ums Leben
gekommen. Im Kriegsverlauf starben zwischen 24
und 40 Millionen Bewohner der Sowjetunion.
Bereits am 31. Januar 1943 war General Friedrich Paulus Kriegsgefangener
der Roten Armee. Am 2. Februar 1943 um 4 Uhr nachmittags wurde er
verhört: Er leugnete vehement, der Südkessel habe kapituliert, sondern
bestand darauf, man habe lediglich aus Munitionsmangel den Kampf
einstellen müssen. Außerdem weigerte er sich trotz mehrfacher
Aufforderung, dem noch kämpfenden Nordkessel von Stalingrad die
Einstellung der Kampfhandlungen zu befehlen. Er sagte, er habe keine
Befehlsgewalt über diesen, weil er sich nicht bei der Truppe befinde. Am
20. Februar 1943 wurden Paulus und sein Stab dann in ein
Kriegsgefangenenlager verlegt.
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Zitat
1. Februar 1943
Die
Lage im Südteil Stalingrads ist geradezu verzweifelt geworden.
Wenn man sich vorstellt, dass jetzt die Verwundeten und Kranken
schon keine Nahrung mehr bekommen, dann kann man daran den Grad
der menschlichen Katastrophe, die sich dort abspielt, ermessen.
Wir geben den Südteil nun gänzlich auf. Von Paulus, der übrigens
noch zum Generalfeldmarschall befördert worden ist, kommt als
Letztes die Nachricht, dass die Russen vor den Türen stehen und
dass er nunmehr seine Übermittlungsapparatur zerstören müsse […]
Wir stellen uns die Frage, ob Generalfeldmarschall Paulus
überhaupt noch lebt. Es bleibt für ihn ja nach Lage der dinge
nichts anderes als ein ehrlicher Soldatentod übrig. Das
Schicksal hat ihn in eine Situation hineingestellt, in der er,
zumal da schon so viele seiner Leute gefallen sind, auf fünfzehn
oder zwanzig Jahre seines Lebens verzichten muss, um seinen
Namen auf Jahrtausende lebendig zu erhalten. Man kann wohl der
Befürchtung Ausdruck geben, dass damit die Kämpfe in Stalingrad
sich ihrem ende zuneigen. Man vermag sich nicht vorzustellen,
wie sich unsere Truppen dort noch längere Zeit halten können.
[…]
2. Februar 1943
Der Südkessel ist jetzt von den Sowjets gänzlich ausgeräumt
worden. Wäre Paulus aber wirklich in Gefangenschaft geraten, so
stellte das für uns im Hinblick auf die außerordentlich schweren
Opfer, die wir an Mannschaften und Offizieren haben, einen kaum
wiedergutzumachenden Prestigeverlust dar. Man mag der Meinung
Ausdruck geben, dass es leicht ist, von Berlin aus eine solche
Sache nach dem ungeschriebenen nationalen Ehrenkodex zu
beurteilen; aber immerhin muss hier mit in Betracht gezogen
werden, dass der Befehlshaber in Stalingrad die Wahl hatte,
entweder 15 oder 20 Jahre länger zu leben oder ein
mehrtausenjähriges ewiges Leben in unverwelktem Ruhm zu
gewinnen. Diese Wahl kann meiner Ansicht nach nicht
schwergefallen sein.
[…]
4. Februar 1943
Es ist immer noch die Frage, ob Generalfeldmarschall Paulus noch
lebt oder ob er freiwillig in den Tod gegangen ist. Die
Bolschewisten beharren darauf, dass er sich in ihrer Hand
befinde, und ich glaube, es besteht kaum ein Zweifel an der
Richtigkeit dieser Meldung. So fest und bestimmt würden selbst
die Sowjets das nicht behaupten, wenn sie Paulus nicht
tatsächlich in ihren Händen hätten.
Zitatende |
Quelle;
Goebbels Tagebücher – Piper Verlag – 1992 – Seite 1886 - 1891
Sehr bald – bereits im April 1943
– initiierte Stalin eine Gruppierung, die aus deutschen Emigranten,
deutschen Offizieren und deutschen Mannschaftsmitgliedern bestand, der
Name: Nationalkomitee ’Freies Deutschland’ (NKWD), dem Wilhelm Piek und
Walter Ulbrich als Emigranten angehörten. Von der militärischen Seite
waren Generaloberst Friedrich Paulus und der Kommandierende General
Walther von Seydlitz im Gründungskomitee.
Quelle:
Bundesarchiv_Bild_146-1971-070-73%2
Seydlitz war unter Förderung der Sowjetischen Führung an
der Gründung des ‘Bund Deutscher Offiziere‘ (BDO) am 11./12. September
1943 im Gefangenenlager Lunjowo bei Moskau beteiligt und wurde dessen
Präsident. Der BDO blieb als Organisation bis zum 2. November 1945
bestehen. Elf der 22 Stalingrader Generale traten dem BDO bei. Der BDO
schloss sich als eigenständige Organisation zwei Monate nach seiner
Gründung dem im Juli 1943 dann tatsächlich gegründeten Nationalkomitee
Freies Deutschland (NKFD) an.
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Zitat
Hitler und Stalin umwarben ihn, dann
ließen sie ihn zum Tode verurteilen. Dem deutschen Volk galt er
erst als Held, dann als Verräter. Geblieben ist er der
umstrittenste deutsche General des Zweiten Weltkriegs: Walther
von Seydlitz-Kurzbach.
Der Verwandte des berühmten
Reitergenerals Friedrichs des Großen, des Zorndorf-Siegers
Friedrich Wilhelm von Seydlitz, erbte einen Namen, der einem
Symbol für preußische Soldatentugenden gleichkam. Aber als er
bei Stalingrad 1943 in sowjetische Gefangenschaft geriet, brach
er seinen Eid. Er schloss sich dem von Sowjets und deutschen
Emigranten gegründeten »Nationalkomitee Freies Deutschland« (NK)
an und wurde dessen Vizepräsident.
Mit seinem Namen verband sich
der Versuch, die Wehrmacht zum Kampf gegen Hitler aufzustacheln
und deutsche Soldaten an der Ostfront zum Überlaufen zu bewegen.
An der Front scheiterte der Versuch zwar, aber in den
sowjetischen Lagern bewogen der Name Seydlitz und die Aussicht
auf bessere Verpflegung viele hungernde Kriegsgefangene, sich
dem NK anzuschließen.
Die Hilfswilligen wurden von
den Sowjets nicht selten dazu benutzt, die Masse der deutschen
Kriegsgefangenen, die sich dem NK verweigerte, zu denunzieren
und zu drangsalieren -- Grund genug für viele Soldaten, den
General mit dem Terror und Elend mancher Lager zu belasten. Er
war bald so verhasst, dass sein ehemaliger Adjutant, den er in
der Gefangenschaft zu sich holen ließ, Seydlitz« ausgestreckte
Hand übersah und sich mit den Worten: »Ich kannte einmal einen
General von Seydlitz« von ihm abwandte.
Der ehemalige
Stalingrad-Generalleutnant Arthur Schmidt hielt Seydlitz vor, er
habe wissen müssen, »dass er mit seinem Widerstand« aus dem
Lager heraus das Hitlerregime nicht treffen konnte, wohl aber
brave deutsche Landser«, eine „unverzeihbare Schuld": »Es war
Verrat am Lande und an Kameraden.«
Als Seydlitz 1955 aus einem
sowjetischen Gefängnis heimkehrte, wurde er im Aufnahme-Lager
Friedland von anderen Rußland-Heimkehrern gemieden. Nur seine
Frau holte ihn ab, aber auch sie hatte unter seinem Entschluss
schwer leiden müssen. Sie war von den Nazis gezwungen worden,
die Scheidung einzureichen; später war sie zusammen mit ihren
vier Töchtern in die »Sippenhaft« der SS gekommen.
Auch nach der Rückkehr währte
die Verfemung fort. Zwar hob 1956 das Landgericht Verden das
1944 ergangene Todesurteil des Reichskriegsgerichts auf, doch
Seydlitz und die Seinen blieben noch lange isoliert. Der Druck
einer im Schwarzweiß-Denken befangenen Umwelt zwang die Familie
schließlich, die Heimatstadt Verden zu verlassen und nach Bremen
zu ziehen.
Seydlitz aber war zu stolz, um sich öffentlich für seine Tat zu
rechtfertigen. Selbst als die Historiker dazu übergingen, ein
etwas differenzierteres Bild des Generals zu entwerfen und ihn
sogar als Widerstandskämpfer anerkannten, blieb Seydlitz stumm.
Dabei hatte er längst niedergeschrieben, was ihn einst zu seiner
Tat getrieben hatte.
Doch er bestimmte, dass die
Memoiren erst nach seinem Tode erscheinen durften. Jetzt ist es
soweit: Der Oldenburger Stalling-Verlag bringt Seydlitz«
Memoiren auf den Markt, aus denen der SPIEGEL einen Auszug
veröffentlicht.
In den Memoiren erweist sich
der Autor als unpolitischer Nur-Soldat, dem erst nach der
Schlacht von Stalingrad dämmerte, dass er die verpflichtenden
preußisch-soldatischen Tugenden wie Treue und Gehorsam an einen
Verbrecher vergeudet hatte.
Persönlichen Mut und taktisches
Geschick bewies er als Kommandeur der 12. Infanterie-Division
beim Frankreich-Feldzug ebenso wie beim Vormarsch in Russland.
Als 54. Soldat erhielt er aus Hitlers Hand das Eichenlaub zum
Ritterkreuz.
Hitler behielt den Haudegen fortan wohlwollend im Auge, und als
im Februar 1942 rund 100 000 deutsche Soldaten von der Roten
Armee bei Demjansk eingekesselt wurden, befahl der Diktator,
Seydlitz solle die Kameraden heraushauen. Er tat es: Mit vier
Divisionen und einer Gebirgs-Brigade gelang Seydlitz im April
1942 der Entsatzangriff.
Weil Pessimisten im Generalstab schon die totale Vernichtung der
Eingekesselten vorausgesagt hatten, fühlte sich Hitler einmal
mehr bestätigt. So glaubte er auch ein halbes Jahr später, den
Kessel von Stalingrad mit Demjansker Methoden öffnen zu können.
Nur seines bewährten Kesselknackers Seydlitz konnte er sich
nicht bedienen, denn der saß mitten im Stalingrader Kessel --
als Kommandierender General des LI. Armeekorps.
Seydlitz kam zu der
Überzeugung, dass mit Entsatz von draußen nicht zu rechnen sei.
Es blieb also nur der Ausbruch, wenn nicht die ganze 6. Armee
zugrunde gehen sollte. Vergeblich aber drängte er seinen
Oberbefehlshaber, den Generalobersten Paulus, den Ausbruch trotz
Hitlers Haltebefehl zu wagen. Der impulsive Seydlitz wusste
ebensogut wie der zaudernde Paulus, dass Hitler einen solchen
Ungehorsam mit dem Tod bestrafen könne. Trotzdem meinte er,
Paulus müsse dieses Opfer auf sich nehmen.
Um den Ausbruch ins Rollen zu bringen, handelte Seydlitz
eigenmächtig. Er ließ gut ausgebaute Stellungen an der von ihm
gehaltenen Nordfront des Kessels räumen - trotz verzweifelter
Proteste der beteiligten Divisionskommandeure. Prompt trat dann
auch ein, was sie vorhergesagt hatten. Die unerwartet schnell
nachsetzenden Russen holten die Deutschen ein. Wer überlebte,
musste sich auf freiem Feld im Schnee eingraben. In den
Unterständen saßen nun die Russen.
Hitler tobte, als er von der eigenmächtigen Front-Zurücknahme
erfuhr. Paulus - selber von Seydlitz« Aktion überrascht, nahm
gleichwohl die Verantwortung für die Absetzbewegung auf sich.
Hitler befahl daraufhin, dass die Nordfront »einem einzigen
militärischen Führer unterstellt« werde; Seydlitz, den er für
den härtesten General im Kessel hielt und »der mir für das
Halten dieser Front unmittelbar verantwortlich ist«.
Paulus selber brachte Seydlitz den Funkspruch aus dem
Führerhauptquartier und spöttelte, nun könne Seydlitz ja »auf
eigene Faust ausbrechen«, da er nicht mehr dem unmittelbaren
Befehl der Armee unterstehe. Doch Seydlitz vergaß auf einmal
alle Argumente, mit denen er Paulus beschworen hatte, den
Ausbruch zu wagen. Er entgegnete, das sei »jetzt doch etwas
anderes«, gegen »einen direkten Befehl des Führers« könne er
unmöglich handeln.
Walther von Seydlitz-Kurzbach
musste noch durch das ganze Inferno der Stalingrad-Schlacht
hindurch, ehe er erkannte, dass es Verpflichtenderes gab als
einen Befehl Hitlers. Erst in sowjetischer Gefangenschaft gewann
er vollends Distanz zu dem Diktator, dem er allzulange gedient
hatte.
Zitatende
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Quelle:
https://www.spiegel.de/politik/seydlitz-verraeter-oder-widerstandskaempfer-a-7bcf58d9-0002-0001-0000-000040749184
Informationen
über den am 11. September 1943 in Krasnogorsk bei Moskau gegründeten
’Bund Deutscher Offiziere’ gelangten auch nach Berlin. Der BDO hatte
sich dem am 12./13.7.1943 unter der Leitung der kommunistischen Partei
angeschlossen. Präsident wurde Walther von Seydlitz, der meinte, mit
Propaganda an der Front die deutsche Wehrmacht zur Einstellung der
Kampfhandlungen und das deutsche Volk zum Sturz Hitlers bewegen zu
können.
Goebbels wetterte gegen die Aktivitäten:
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Zitat
Ich lese
eine Auslassung des verräterischen Generals von Seydlitz über
Stalingrad. Diese Auslassung wird in englischen Flugblättern,
die über dem reich abgeworfen werden, kolportiert. Die
Auslassungen des Generals von Seydlitz zeigen, dass es sich bei
ihm nicht um einen verführten oder um einen narkotisierten
Offizier handelt, [sondern] der im Dienst des Bolschewisten
steht; das was Seydlitz niedergeschrieben hat, ist bei vollem
Verstand niedergeschrieben worden, Er ist kein
bemitleidenswertes Opfer der bolschewistischen
Vernehmungstaktik, sondern ein ausgemachtes vaterlandsloses und
verräterisches Schwein. Es zeugt sehr stark wider den deutschen
Offizierstand, dass solche Subjekte in seinen Reihen einmal
Platz gehabt haben.
Zitatende |
Quelle:
Goebbels Tagebücher – Piper Verlag – 1992 – Seite 1975 – 1976
Der Reichspropagandaminister sah – nach Rücksprache mit General Rudolf
Schmundt, dem Personalchef des Heeres, der ihm noch einmal mit tiefster
Bekümmernis die Notwendigkeit aufzeigte, - so schnell wie möglich die
Sache zu bereinigen und dem ’Führer’ vorzutragen. Hitler aber wollte in
der Situation, in der sich das Reich befand, nicht vor der
Öffentlichkeit den Fall behandeln.
Goebbels brachte Schmundt dazu, mit ihm eine Erklärung aufzusetzen, nach
der sich das Heer in schroffer Weise von General von Seydlitz absetzt
und das Tischtuch zerschneidet. Diese Erklärung sollte ein glühendes
Treuebekenntnis zum ’Führer’ darstellen und von allen
Generalfeldmarschällen des Heeres unterschrieben und dann von den drei
ersten Generalfeldmarschällen dem ’Führer’ vorgelesen und überreicht
werden. Goebbels diktierte den Text der Erklärung, übergab sie Schmundt,
der mit dem Wortlaut völlig einverstanden war, und dieser machte sich
auf den Weg, alle Fronten abzufliegen, um die restlichen Unterschriften
zu erwirken.
Da zu der Zeit die Stimmung zwischen dem ‘Führer‘ und der
Heeresgeneralität “etwas vergiftet“ war, musste überlegt werden, welcher
der Generalfeldmarschälle das Papier - unterschrieben von allen -
überreichen sollte.
Goebbels meinte, wenn das richtig ablaufe, werde Hitler auch eine
„großzügige Geste der inneren Bereitschaft und der Versöhnung machen“.
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Zitat
Schmundt ist
überglücklich, dass seine Rundreise zu den Marschällen zu einem
vollen erfolg geführt hat. Er legt mir die von allen
Frontmarschällen übrschriebenen Erklärung vor. Sie ist fast
genauso gehalten, wie ich sie aufgesetzt habe, und stellt ein
geschichtliches Dokument dar. Kein Marschall hat seine
Unterschrift verweigert.
[…]
Es weiß natürlich niemand von den Marschällen, dass ich der
Autor dieses Dokuments bin, und ich habe Schmundt auch dringlich
gebeten, das niemandem weiterzusagen; denn dadurch würde das
Dokument eine art von Propagandaerklärung werden, was durchaus
unerwünscht ist.
Zitatende |
Quelle;
Goebbels Tagebücher – Piper Verlag – 1992 – Seite 2020
Die Erklärung
wurde dem ’Führer’ in Schloss Kleßheim bei Salzburg übergeben. Die
Generalität verurteilte nochmals verbal den ’Verrat’ des Generals von
Seydlitz.
Der habe die geheiligte Tradition des deutschen Heldentums mit Füßen
getreten. Seine Person sei für alle Zeiten mit Schmach und Schande
bedeckt. Die Marschälle hätten das Band der Zusammengehörigkeit zwischen
sich und diesem feigen Verräter zerschnitten.
Goebbels freute sich, als Hitler ihm von der Übergabe des Papiers
erzählte, dass diese ganz in seinem Sinne sehr scharf, sehr eindeutig
und ganz nationalsozialistisch abgefasst gewesen sei. Dass er der
Verfasser war, hatte Hitler nicht durchschaut.
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Die Gründung des
’Nationalkomitees Freies Deutschland’ und des ‘Bund Deutscher Offiziere’
in der Sowjetunion brachte Bewegung in Emigrantengruppen. Die Bildung
dieser Komitees deutscher kommunistischer Emigranten und deutscher
Kriegsgefangener führte zu verstärkten Bemühungen unter den Deutschen in
den Vereinigten Staaten, auch dort eine Emigrantenorganisation zu
gründen, sei es als Imitation des ’Nationalkomitees Freies Deutschland’
oder als Konkurrenzunternehmen. Hierbei suchten die verschiedenen
Emigrantenkreise besonders die Mitarbeit des prominenten Exilanten
Thomas Mann. Zugleich zeigten amerikanische Regierungsinstanzen erstmals
stärkeres Interesse an der Konstituierung eines Komitees deutscher
Emigranten, das sie als Gegengewicht zum ’Nationalkomitees Freies
Deutschland’ verstanden wissen wollten.
Zwischen 1933 und 1945 wanderten etwa 132.000 deutschsprachige
Emigranten in die Vereinigten Staaten ein, von denen die meisten ihre
Heimat aufgrund religiöser und rassischer Verfolgung verlassen hatten.
Nur wenige waren aus rein politischen Motiven emigriert, und von diesen
waren in den USA lediglich vier- bis fünfhundert politisch aktiv.
Hierbei handelte es sich um einige Kommunisten, die - relativ erfolglos
- versuchten, in der German-American League for Culture, in der German
Anti-Axis League, im Victory Committee of German-American Trade
Unionists und in der German American Emergency Conference Emigranten und
Deutschamerikaner um sich zu scharen, als Antwort auf die Bildung des
Nationalkomitees Freies Deutschland.
Das am 11.Juli 1941 von
Präsident
Franklin D. Roosevelt ins Leben gerufene, zunächst zivile
Office of the Coordinator of Information (COI) wurde am
13. Juni 1942 in das Office of Strategic Services umgewandelt. Er
war ein operativ arbeitender Nachrichtendienst, der den Vereinigten
Stabschefs im Kriegsministerium direkt unterstand und zuarbeitete. Alle
Abteilungen bestanden bereits im COI.Office
of Strategic Services (OSS; deutsch: Amt für strategische Dienste) war
von 1942 bis 1945 ein Nachrichtendienst des Kriegsministeriums der
Vereinigten Staaten.
Mitarbeiter des OSS waren u. a. auch
der deutsche Philosoph
Herbert Marcuse, zeitweilig Chef der Europa-Sektion des Dienstes,
sowie der Schriftsteller
Klaus Mann. Dieser verfasste einige Monate nach der alliierten
Landung auf
Sizilien, welche das OSS unter dem Decknamen
Operation Husky zusammen mit dem
Marinenachrichtendienst (ONI) vorbereitet hatte, für die während der
Invasion in Italien vorrückende
5. US-Armee Flugblätter zum Abwurf hinter den deutschen Linien.
Bereits im Frühjahr und Frühsommer 1943 – also unmittelbar nach dem
Scheitern der Nazis bei Stalingrad und der Gründung des
’Nationalkomitees Freies Deutschland’ in Russland, hatte das
Außenministerium Überlegungen darüber angestellt, ob die amerikanische
Regierung für den Zeitpunkt des Zusammenbruchs des NS-Regimes nicht eine
Gruppe deutscher Politiker zusammenstellen solle, u m einen Gegenpol zu
einer kommunistischen Machtkonzentration im Nachkriegsdeutschland
bereitzuhalten und eine „kommunistische Führungsposition unter
anti-nationalsozialistischen Deutschen" zu verhindern.
Am 1. August 1943 trafen sich in der Wohnung des Filmregisseurs Berthold
Viertel, der schon seit 1927 bei der
Twentieth (20th) Century Fox Film Corporation als Drehbuchautor und
Regisseur in
Hollywood arbeitete.
Zusammen kamen: Heinrich und Thomas Mann, Lion Feuchtwanger, Bruno
Frank, Ludwig Marcuse, Hans Reichenbach und Bertold Brecht.
Man begrüßte die Aktionen der Kriegsgefangenen und Emigranten in der
Sowjetunion und verfasste eine gemeinsame Resolution, die bereits tags
darauf wieder in Frage gestellt wurde, da Thomas Mann ausscherte und
beschloss, die Aktion nicht zu unterstützen. Er gab seine Entscheidung
an Feuchtwanger durch, da er Berthold Viertel nicht erreichen konnte.
Brecht war über das Verhalten von Thomas Mann entrüstet, wollte aber
nicht aufgeben und verfasste eine eigene Version eines Manifests.
Gleichzeitig, aber an anderem Ort – Zuckmayer hatte 1941 eine Farm in
Vermont gemietet –, beschäftigte er sich mit den Vorgängen in Moskau und
den Gründungen vom ’Nationalkomitees Freies Deutschland’ und vom ’Bund
Deutscher Offiziere’ in der Sowjetunion.
Die Nachbarin in Vermont - die amerikanische Publizistin Dorothy
Thompson – sie war von 1924 bis 1934 Korrespondentin verschiedener
amerikanischer Zeitungen in Berlin, erlebte den Aufstieg der Nazis, mit
den bekanntesten Künstlern der Stadt war sie bekannt, unter anderem
Ödön von Horváth,
Thomas Mann,
Bertolt Brecht,
Stefan Zweig und
Fritz Kortner.
Im Frühjahr 1932 interviewte sie
Adolf Hitler im
Hotel Kaiserhof in Berlin. Das
Interview erwies sich als schwierig, da Hitler fortwährend so
sprach, als redete er zu den Massen. Diese Begegnung beschrieb sie in
Zeitungsartikeln und ihrem Buch „I saw Hitler“, wobei sie ihn als
„Prototypen des kleinen Mannes“ (prototype of the Little Man)
bezeichnete und als von „erschreckender Bedeutungslosigkeit“ (startling
insignificance). Sie resümierte, Hitler werde nicht an die Macht
gelangen: „Oh, Adolf, Adolf! Das Glück wird dich verlassen!“ (Oh
Adolph, Adolph! You will be out of luck!)
Aufgrund dieses Artikels musste sie Deutschland binnen 24 Stunden
verlassen.
NS-Propagandaminister
Joseph Goebbels, der Dorothy Thompson während ihrer Berliner Zeit
persönlich kennengelernt hatte, ließ sich über ihre Publikationen
unterrichten. 1939 konnte man in Amerika noch deutsche
Kurzwellensendungen hören, in denen die Goebbels-Propaganda versuchte,
die amerikanische Öffentlichkeit zu beeinflussen und die
Deutschamerikaner gegen ihre Regierung aufzuhetzen. Dorothy Thompson
wurde darin mit besonderer Heftigkeit angegriffen und als eine "Feindin
Deutschlands" bezeichnet.
Goebbels vermerkt unter dem Datum
vom 5. April 1942 in seinen Tagebüchern:
„Dorothy Thompson hält eine absolut verrückte Rede gegen Hitler. Es
ist beschämend und aufreizend, dass so dumme Frauenzimmer, deren Hirn
nur aus Stroh bestehen kann, das Recht haben, gegen eine geschichtliche
Größe wie den Führer überhaupt das Wort zu ergreifen.“
Quelle; Goebbels
Tagebücher – Piper Verlag – 1992 – Seite 1778
In Berlin lernte sie die bekanntesten
Künstler der Stadt kennen, mit
Carl Zuckmayer verband sie bald eine enge Freundschaft, dem sie 1939
durch Übernahme einer Bürgschaft bei seiner Einwanderung in die USA
half.
Ein drittes Manifest entstand –
die Nr. 1 mit Thomas Mann vom 1. August 1943,
die Nr. 2 Berthold Brecht Tage später und
die Nr. 3 nun durch Zuckmayer zur gleichen Zeit Anfang August 1943 mit
Dorothy Thompson und ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter Hermann
Budzislawski, der 1933 nach Zürich, 1934 nach Prag, 1938 nach Paris,
1940 in die USA floh, aber 1948 nach Ostberlin zurückkehrte und dort bis
1967 Professor für Journalistik und dann Herausgeber der
Wochenzeitschrift ’Die Weltbühne’ war.
Diese dritte Fassung, die sich nun nicht am russischen Vorgänger, dem
Text des ’Nationalkomitees Freies Deutschland’ orientierte, wurde nach
Hollywood zu den Initiatoren der beiden ersten Manifeste – also den
Manns, Brecht, Feuchtwanger geschickt. Man erhielt aber von dort keine
Antwort.
Die gegenseitigen Grabenkämpfe der einzelnen Gruppen gingen weiter, man
kam zu keiner Einigung. Und Thomas Mann, den die Amerikaner als ’leading
person’ ansahen, hielt sich zurück, er sei nie zu einem Schritt, der
etwas Haltung und Mut verlangte, zu haben gewesen.
Die OSS-Mitarbeiterin Emmy Rado trat zu diesem Zeitpunkt
- der gegenseitigen Verleumdungen,
- der unabgesprochenen Aktivitäten der einzelnen Gruppen in Bezug auf
Kontakt zu Behörden,
- der nicht gewünschten Inanspruchnahme von Propagandaaktivitäten -
in Kontakt zu Karl Zuckmayer.
Am 21. September 1943 schickte sie Zuckmayer eine Liste von
Charaktereigenschaften von Personen, die in Zukunft im befreiten
Deutschland einmal maßgebliche Positionen in Kunst und Kultur übernehmen
sollten, verfügen müssten.
Zuckmayer begann mit einer Auflistung von personenbezogen Daten in Form
von Charakterbeschreibungen. Für diese Beschreibung bedankte sich Emmy
Rado am 18. Oktober 1943 – es sei nicht besser auszudrücken, was
Zuckmayer geschrieben habe und sie und ihre Mitarbeiter sähen daher
seinen Berichten mit Spannung entgegen.
Den ersten Teil seiner Ausführungen wollte er Emmy Rado persönlich
übergeben, traf sie aber nicht an. Die folgenden Texte schickte er und
bekam für jede Sendung Dankesbriefe, so die vom Januar 1944, den vom 2.
Februar 1944 und die vom 14. Februar1944, mit welchem sie sich für den
erbetenen Klatsch und Tratsch aus dem Vorkriegs-Berlin bedankte.
Zuckmayer wies immer wieder auf die Unseriosität dieser seiner Hinweise
hin, aber sie fand, dass die dramatischen Skizzen größte Begeisterung
erregt hätten. Seine Arbeit sei so gut, dass er damit berühmt würde,
wäre er es nicht schon.
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Zitat
Carl Zuckmayers 'Geheimreport'
Emmy Rado, eine
Mitarbeiterin des amerikanischen Geheimdienstes, schrieb das
1944 an Carl Zuckmayer. Ihr Lob bezog sich auf die Dossiers über
Künstler und Intellektuelle in Nazi-Deutschland, die der
exilierte Dramatiker als Auftragsarbeit des OSS verfasst hatte.
Unter dem Titel „Geheimreport“ erscheint diese Porträtsammlung
erstmals.
Da
es in unserem Fall hauptsächlich um die Vertreter künstlerischer
oder kunstnaher Berufe geht – Schauspieler, Regisseure, Dichter,
Maler, Musiker, Schriftsteller, Journalisten –, muss man sich
darüber klar sein, dass man sie charakterologisch und besonders
in ihrem charakterlichen Verhalten während einer Zeit
politischer Umschwünge und Katastrophen anders beurteilen muss
als etwa führende Politiker, Industrielle, Militärs, Beamte,
Wissenschaftler. Tatsache ist, dass eine Reihe der hier zu
behandelnden Personen auf dem Standpunkt standen und vielleicht
noch stehen, die ganze Schweinerei ginge sie im Grund nichts an.
Sie seien dazu da, ihre Kunst zu machen, und es käme nur darauf
an, dass die Kunst gedeihe und weiterlebe.
Gedeihe und weiterlebe im Dritten Reich. Mit diesen Sätzen
begann Carl Zuckmayer 1943/44 seinen „Geheimreport“, den er für
keinen geringeren Auftraggeber als den amerikanischen
Geheimdienst OSS verfasste, dem Office of Strategic Services,
dem Vorläufer des CIA. Eine freilich im Vergleich mit dem 1947
gegründeten CIA, der eine Institution des Kalten Kriegs und der
MacCarthy-Ära war, harmlose Institution, die kulturelle
Aufklärung für die Nachkriegszeit in Deutschland betrieb, also
wissen wollte: Mit wem sei dann zu arbeiten, mit wem auf keinen
Fall. Auch wenn es geheim war, für das OSS zu arbeiten, empfand
man es mit Sicherheit nicht als ehrenrührig und keineswegs als
Denunziantentum. Informierte man doch – anders als die späteren
Stasi-Spitzel – nicht für, sondern gegen ein totalitäres Regime.
Fast die Hälfte der deutschen Emigranten in den Staaten,
schreibt der federführende Herausgeber des „Geheimreports“
Gunther Nickel vom Marbacher Literaturarchiv, habe mitgetan.
Allen voran Herbert Marcuse und einige weitere Mitarbeiter des
emigrierten Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Selbst
die Familie Mann, weiß Thomas-Mann-Biograph Klaus Harprecht,
habe, sie wiederum dem FBI, „willig über die Zuverlässigkeit der
Mitglieder des Exilantencorps“ berichtet, was vielleicht denn
doch ein wenig mehr an Spitzeltum erinnert. Zuckmayers
„Geheimreport“ umfasst 150 Charakterporträts von im Reich
verbliebenen „Vertretern künstlerischer oder kunstnaher Berufe“.
Spektakulär ist weniger, dass er den Report verfasste, sondern
wie er ihn schrieb. Aus der Emigration versuchte er eine
Binnensicht des Dritten Reichs. Dorthin war er bis zum
„Anschluss“ von seinem österreichischen Domizil aus noch
mehrfach eingereist. Natürlich immer illegal. Einmal, um im
dunklen Zuschauerraum in Berlin eine Probe bei Heinz Hilpert,
„dem besten aller Nichtnazis im Dritten Reich“, wie er urteilt,
zu erleben. Ein Beispiel für des Autors Sicht auf die Kultur im
Dritten Reich:
Man wird fragen: Wie geht das damit zusammen, dass er als
Leiter des vom Propagandaministerium subventionierten Deutschen
Theaters ein von den Naziautoritäten anerkannter Mann an erster
Stelle, ja der Auserwählte des Dr. Goebbels, ist? Antwort: Es
geht zusammen – wie so vieles – anscheinend Unvereinbare – in
dem seelisch verworrenen und organisatorisch intakten
Bienenstock oder Ameisenbau des Nazistaates. Die Nazis haben
immer Ausnahmen gemacht, wo sie glaubten, sicher sein zu können,
dass diese ihnen nicht wirklich schaden, sondern ihrem Glanz,
ihrem Prestige, aber auch ihrem eigenen Wohlbehagen oder
Standard dienlich sein könnten. Wer nicht selbst miterlebt hat,
wie Hilpert dem Heil-Hitler eines beflissenen Statisten nach
langem vernichtenden Blick, Räuspern, Spucken und bedeutsamen
Kopfschütteln mit einem breiten „Guten Mor'jen“ antwortet, kann
sich keine Vorstellung machen.
Zuckmayer wollte also keine Schwarz-Weiß-Sicht, als er 1943/44
nächtens auf seiner abgelegenen und oft durch Schnee von der
Welt abgeschlossenen Farm in den Bergen von Vermont an seinen
Dossiers bastelte. Emmy Rado, die Chefin des mit dem für die
Zusammenarbeit mit den Emigranten zuständigen New Yorker Büros
des OSS, schrieb:
Tun Sie bitte Gerüchte, Geschichten, „dirts“ etc. mit
herein. Vielleicht kann so etwas noch gebraucht werden im
Psychological Warfare. Halten Sie nicht zurück!
Aber Zuckmayer differenzierte. Mehr noch: Er entwickelte
literarische Ambition. Es gibt Kabinettstücke unter den
Porträts. Statt des verlangten Schwarz oder Weiß gab er Grau in
den feinsten Schattierungen. Ein Dramatiker, der, um die
Wahrheit seiner Charaktere bemüht, nicht anders konnte, als sie
psychologisch tief auszuloten und ‚gut‘ zu machen.
Differenzierungen, die sicherlich den heutigen
„Gewissenswächtern“ über die Schuld der Deutschen wehtun. Die
seinerzeit unter den deutschen Emigranten ausgebrochene Debatte
hat Deutschland bis heute nicht verlassen, bis zum
Historikerstreit nicht und nicht bis zur Walser-Debatte.
Zuckmayer sah den Morgentau-Plan, sah die rigide Haltung der
einflussreichen Familie Mann. Die Kollektivschuldthese misshagte
ihm sehr, dagegen wollte er handeln. Auch übrigens Bertolt
Brecht, wie im ausführlichen Kommentar zum „Geheimreport“
zitiert wird. Brecht notierte 1943 :
Als Thomas Mann vorigen Samstag, die Hände im Schoß,
zurückgelehnt, sagte: „Ja, eine halbe Million muss getötet
werden in Deutschland“, klang das ganz und gar bestialisch. Der
Stehkragen hoch. Es handelte sich um kalte Züchtigung.
In Vorwort seines „Geheimreports“ , wie er ihn selbst nannte,
teilt Zuckmayer „die Künstler und Geistigen“ des Dritten Reichs
in vier Gruppen ein:
Gruppe 1: Positiv (Vom Nazi-Einfluss unberührt,
widerstrebend, zuverlässig) Verleger: U. a. Peter Suhrkamp
Schauspieler: u.a. Dorsch, Wessely, Attila Hörbiger, Rühmann,
Hans Albers Autoren: u.a. Wichert, Carossa, Barlach, Kästner –
Dem er als positive Empfehlung für die Siegermacht mitgibt:
Wenn er überlebt, mag er einer der wichtigen Männer für die
Nachkriegsperiode werden. Gruppe 2: Negativ (Nazis, Anschmeisser,
Nutzniesser, Kreaturen).
Allen voran werden hier Hans Reimann, Arnold Bronnen, Waggerl,
Lothar Müthel und die „Reichsgletscherspalte“ Leni Riefenstahl
gegeißelt, über die Zuckmayer sehr abfällig schreibt. Gottfried
Benn gesteht er zu, dass er „bestimmt nicht aus Opportunismus
und Spekulation, sondern aus Unbehagen an der Kultur, aus
geistiger Verzweiflung, weltanschaulicher Verworrenheit, die an
Wahnsinnsgrenzen trieb, im Jahr 33 zu den Nazis“ übergelaufen
sei, um ihn dann aber auch zu verspotten:
Als in einem Naziblatt sein Name als jüdisch bezeichnet
wurde – nämlich das semitische ‚Ben‘, – ‚Sohn‘, als Ursprung
angenommen –, veröffentlichte er eine hoch peinliche Apologese,
dass er mit dieser Rasse nichts zu tun habe, dass er urarisch
sei und ganz reinen Bluts, dass das Wort Benn im Fränkischen und
Althochdeutschen im Sinn von Berghöhen und Hochsitzen vorkomme,
der Hoch-Benn, Rage-Benn usw. Womit er sich leider doch als
ziemlicher Nieder-Benn gekennzeichnet hat.
Am interessantesten sind wohl die Gruppen 3 und 4: „Sonderfälle,
teils positiv, teils negativ – nicht ohne weiteres einzuordnen“
und „Indifferente, Undurchsichtige, Verschwommene, Fragliche“,
unter die er zum Beispiel Ina Seidel und Agnes Miegel
rubriziert. Beide seien," ohne etwa Nazi-Megären oder
Frauenschaftsführerinnen geworden zu sein“, als eher
„schöngeistige Mädchenschullehrerinnen oder
Kränzchen-Schwestern“ „zeitweise ganz folgerichtig einer
völligen Hirnvernebelung“ verfallen, „in deren trübem Qualm
Hitler als der gottgesandte Erlöser der Deutschen“ erstand.
Am meisten faszinierten ihn die Schauspieler, vor allem die ganz
Großen, die es eigentlich nicht nötig hatten.
Zum Beispiel Gründgens, von dem er schon im Vorwort schreibt, er
halte ihn nicht für den „abgründigen Bösewicht, als den ihn die
Enttäuschung seiner früheren Freunde“ sehe, womit er auf Klaus
Mann anspielt. Gründgens Brillanz sei die „einer hochbegabten
Spielernatur auf dem Theater wie im Leben, immer auf ‚grand jeu‘
eingestellt“.
Dann Werner Krauss und Emil Jannings, dem er eines der
amüsantesten der immer auch mit Witz, Humor und Distanz
gespickten Porträts widmet:
Nach der Tragödie Furtwängler das Satyrspiel und
die Rüpelkomödie: Emil. Ich muss vorausschicken: Ich liebe die
alte Sau. Er ist, obwohl Schauspieler – eine einzigartige Figur.
Dämonisch ist seine Beziehung zum Geld. Aber auch dabei
beobachtet er sich selbst und weiß sich plötzlich zu
ironisieren.
Da trifft man ihn auf dem Salzburger Bahnhof und fragt ihn,
wohin er fahre. „Nach Zürich“, sagt er augenzwinkernd, „an
meinen Goldbarren riechen.“ Er bläht dabei in einer
selbstkarrikierenden Weise die Nasenflügel, und man sieht ihn
wirklich schnüffeln.
Warum warf er sich an die Nazis? Der erste Grund war vielleicht,
dass er es – wie viele Schauspieler – nicht ertragen konnte, bei
dem Glanz einer solchen Aufführung und dem tobenden Rauschen
eines solchen Applauses nicht mit an der Rampe zu stehen.
Bei manchen Porträts sollen sich die vier Mitarbeiter des New
Yorker Büros vor Lachen gebogen haben. Einer der vier war
übrigens Robert M. W. Kempner, der spätere stellvertretende
Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen.
Hat der Geheimreport, den vermutlich nur diese vier Leute zu
Gesicht bekamen, Folgen gehabt? Die Herausgeber bezweifeln es.
Die Militärregierung im besetzten Deutschland sei schnell auf
die gesamten Akten der NSDAP gestoßen. 1945 wurde das New Yorker
Büro des OSS geschlossen und alle Dossiers in die National
Archives nach Washington überführt. Dort konnte man jedoch
Zuckmayers Report nicht finden.
Hat Emmy Rado ihn privat mit sich genommen, um den Autor zu
schützen?
1967 ist sie verstorben. Jetzt fand sich kein Nachlass mehr. So
existiert also nur die bisher gesperrte Kopie des Typoskripts
aus Zuckmayers Nachlass. Ein Text, der mit Sicherheit künftig
einer der wichtigsten der deutschen Exilliteratur sein wird, und
nicht nur der Exilliteratur!
Ariane Thomalla über Carl Zuckmayers „Geheimreport“. Die
Dossiersammlung wird von Gunther Nickel und Johanna Schrön im
Göttinger Wallstein-Verlag herausgegeben. 480 Seiten für 30
Euro.
Zitatende
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Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/gunther-nickel-und-johanna-schroen-carl-zuckmayers.730.de.html?dram:article_id=101766
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Karl
Zuckmayer beschreibt in seinem Geheimreport eine Vielzahl von Personen,
die in irgendeiner Weise am öffentlichen Leben in den Jahren der
Naziherrschaft von 1933 bis 1945 und vorher teilnahmen.
Wie z.B.:
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Käthe Dorsch
ist an erster Stelle zu nennen.
Sie war für die Nazis immer der Inbegriff der ’blonden,
deutschen Frau’ und ihr hoher Rang als Schauspielerin
machte sie im Berliner Theaterleben unentbehrlich. Eine
alte Freundschaft mit Göring, die auf dessen junge
Leutnantzeit vor dem letzten Krieg zurückging,
verschaffte ihr außerdem einen starken persönlichen
Einfluss auf leitende Nazibehörde
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Diesen Einfluss, der den ’kleinen Nazimamelukken
gegenüber eine gewisse Macht bedeutete, nutzte sie
uneingeschränkt aus, um allen möglichen Verfolgten, Gefährdeten,
Hilflosen und Verfemten, zu helfen und beizustehen.
Im Anfang der Nazizeit hatte sie in Theaterkreisen den
Spitznamen ’Die Judenmutter’, da sie eine ganze Menge jüdischer
Kollegen und Kolleginnen unter ihre Fittiche nahm, vor
Verhaftungen oder Misshandlungen schützte, zur Auswanderung und
sogar zu einigen Mitteln verhalf, noch im Ausland mit Geld und
Beziehungen unterstützte usw.
Darüber hinaus hat sie sich für Verhaftete und KZ-Insassen mit
großem Mut und ohne Rücksicht auf etwaige Folgen für sie selbst
eingesetzt, es sind ihr Entlassungen und sogar Lebensrettungen
gelungen, und wenn garnichts mehr anderes half, hatte sie einem
letzten Ausweg, der keinem anderen Menschen zur Verfügung stand,
sie drückte das mit den Worten aus: „Ich laufe zu Hermann und
kriege einen Weinkrampf!“- Dem war der starke Mann nicht
gewachsen. Mehr als einer hat solchen Weinkrämpfen sein Leben
oder eine Freiheit zu verdanken. […]
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 39
Foto: de.wikipedia.org
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Paula Wessely,
das größte Talent der jüngeren Generation, die stärkste
und bedeutendste Schauspielerin die Österreich in langer
Zeit hervorgebracht hat, spielte zwar auch in der
Hitlerzeit immer wieder für einige Monate in Berlin bei
Hilpert, war aber stets von Nazieinflüssen völlig frei
und hoffte auf die Erhaltung eines unabhängigen
Österreich.
Als Österreich fiel, war sie gerade in Wien tätig, wo
sie die Hauptrolle in einem neuen Stück Zuckmayers
spielen sollte, das aber dann natürlich nicht mehr zur
Aufführung kam.
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Sie
weigerte sich energisch, anstelle dieser Rolle in den Stücken führender
Naziautoren aufzutreten, die ihr sofort angeboten wurden, sondern zog
sich
auf die Klassiker
zurück, und setzte es durch, in
den Wochen des ’Anschlusses’
und der ’Volksabstimmung’, in denen sonst allen Theatern ’nationale
Erhebungs- oder Propagandastücke‘
lang es ihr irgend möglich war, hielt sie stets die Verbindung mit
ausgewanderten Freunden aufrecht. Sie und Hörbiger brachten in den
schlimmsten Tagen der
Verfolgungen nach dem Anschluss einen jüdischen Kollegen in ihrem
eigenen Wagen durch das Land und bis zur Grenze, damit er unbehelligt
entkommen konnte.
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Quellen: Karl Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 40
Foto: de.wikipedia.org
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Brigitte Horney,
die nach einer
recht guten Bühnenkarriere ein Star im deutschen Film
wurde und es wohl heut noch ist – eine kraftvolle,
lebensstarke, intelligente Persönlichkeit – versuchte
trotz glänzender Filmangebote in den Jahren 1935 bis
1937 sich eine Stellung im englischen Film zu
verschaffen, um die unerträgliche Atmosphäre des
nazibeherrschten Berlin verlassen zu können.
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Sie
hat in London hart gearbeitet und auch eine Filmhauptrolle
gespielt, konnte jedoch mit der Sprache nicht fertig werden und
musste nach Deutschland zurück.
Sie lebt dort in einem privaten Freundeskreis, der in keinem
Zusammenhang mit den Nazis steht und sich aus geistig
unabhängigen Schriftstellern, Künstlern und Theaterleuten
zusammensetzt
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 40-41
Foto: de.wikipedia.org
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Otto Wernicke
Charakterspieler an
Hilperts Deutschem Theater. Im Film spielte er
gewöhnlich den gutmütig-derben, polternden und
zigarrerauchenden Kriminalkommissar, von dem sich dann
herausstellt, dass er gar nicht so dumm ist wie er
aussieht. |
Sein Begabungsniveau ist aber
viel höher, vermutlich ist er einer der stärksten
Persönlichkeiten des schauspielenden ’Nachwuchses’, das heißt
die Generation die heute vierzig ist.
Von Natur freundlich und gutmütig, weniger primitiv als er
äußerlich wirkt, - dass er kein Nazi ist, sondern auf die
Erlösung von ihnen wartet, liegt auf der Hand..
Er war mit einer jüdischen Frau
verheiratet und weigerte sich, sich scheiden zu lassen, wurde
zwar von Hilpert als Schauspieler trotzdem gehalten, blieb
jedoch allen Organisationen und öffentlichen Veranstaltungen
usw., denen die Schauspieler sonst pflichtweise beizuwohnen
haben, fern.
Ob das auf die Dauer gelungen ist, scheint fraglich, in den
meisten Fällen (wie im Fall Albers) musste zu mindesten nach
außen hin eine örtliche Trennung durchgeführt werden.
Es scheint gewiss, dass Wernicke sich in jeder Weise als
anständiger Charakter gezeigt hat. Keine näheren Informationen
über ihn seit 1939 – er erscheint aber in den
Theaterberichtenden Berliner Blättern von 1942/1943 an führender
Stelle.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 44
Foto: de.wikipedia.org
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Auch der sehr beliebte
Komiker Heinz Rühmann ein geborener Rheinländer
wohl Anfang der 40 war mit einer jüdischen Frau
verheiratet und befand sich am Anfang der Hitler Zeit in
einer persönlichen besonders komplizierten Lage die
eigentlich in das Gebiet des Privatlebens gehört, das
andere Leute nichts angeht aber hier aus
charakterologischen Gründen mit allem Respekt und aller
Zurückhaltung vertraulich erwähnt werden muss.
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Die Ehe war
nämlich sehr unglücklich und die Frau nach dem persönlichen
Eindruck […] eine Landplage und Rühmann war gerade im Begriff
sich von ihr zu trennen, wozu es offenbar höchste Zeit war - als
plötzlich Hitler zur Macht kam und jeder schuft sich von seiner
nicht arischen Frau scheiden ließ.
Dieser Umstand zwang Rühmann aus
Gründen der Selbstachtung und der Zivilcourage vor allem wohl
der Anständigkeit gegen die Frau jahrelang eine an sich
überlebte und sinnlos gewordene Ehe weiterzuführen - nur weil es
unter diesen Voraussetzungen nicht anging sich von einer Jüdin
offensichtlich unter Ausnutzung der Konstellation - zu trennen.
Er hat große Schwierigkeiten deshalb auf sich genommen, die
größte eben vermutlich zuhause. Mehr braucht eigentlich über
Rühmanns einwandfreiem Charakter und seine wirklich bezaubernde
Persönlichkeit nicht ausgesagt zu werden. Nach mehr als 5 Jahren
der Nazi Herrschaft und dann auf Wunsch der Frau wurde die Ehe
schließlich getrennt, doch diese Nachricht ist nicht verbürgt.
Rühmann hatte als Privatsport fliegen gelernt. - er war ein
Freund und Schüler des späteren Luft Generals und nicht Nazi’s
Udet, und soll bei Beginn des Kriegs als Kampfflieger in die
Armee gegangen sein. Ein Gerücht von seinem Tod in Polen hat
sich nicht bestätigt und es ist dem Verfasser nicht bekannt, ob
er heute noch der Luftwaffe angehört oder wieder Theater spielt.
Charakterlich ist er in jedem Fall ein vorzüglicher Mann.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 45 - 46
Foto: de.wikipedia.org
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Von der alten Garde - den heute
zwischen 60- und 70-jährigen Schauspielern guten Ranges - sind
die noblen und ganz erstklassige Charaktere zu nennen: Eduard
von Winterstein und Paul Wegener. Mit beiden war auch
nicht der geringste Nazi-Kompromiss zu machen. Winterstein hat
sich als alter Herr selbstverständlich zu seiner jüdischen Frau
bekannt und die Idee einer Trennung wäre für nie infrage
gekommen. Da die Frau nicht Schauspielerin war wie Else
Bassermann, lag der Fall für ihn einfacher. Man hat selbst von
Naziseite seinen Charakter und seine Leistung respektiert und
ihn in Ruhe gelassen. Er spielt, nimmt aber an keiner wie immer
gearteten öffentlichen Angelegenheit Teil. Auch Winterstein
hätte vermutlich Deutschland nicht verlassen und nicht die
gigantische Leistung auf sich genommen mit 70 Jahren Star in
einer fremden Sprache zu werden, die er vorher nicht
beherrschte, hätte er nicht seine Frau für eine berufene
Schauspielerin gehalten und ihre Ausschaltung von der deutschen
Bühne als nicht Arierin als eine unerträgliche Beschimpfung
empfunden.
Paul Wegener sagte im Jahre
1933 zu dem Nazi Obermann Laubinger, inzwischen verstorben, der
ihn nötigen wollte, an einer NS- Schauspieler Versammlung
teilzunehmen, um seine Stellung zu bewahren, in schlichter
Weise: Lecken sie mich mitsamt ihrem Führer am Arsch, ich geh
ins Kloster.
Auf diesem beispielhaften
Standpunkt hatte er durch all die Jahre verharrt.
Ob er noch spielt, weiß ich nicht. Es ist zu hoffen; dass er das
Ende erlebt. Wenn nicht; sollte man ihm ein Denkmal setzen.
Winterstein hatte mehr die lutherische Festigkeit eines
ehrenhaften Altkonservativen. Wegener die gelassene
Weisheit eines chinesischen Philosophen. Winterstein war oder
ist der begrenztere, Wegener der begabtere, phantasievollere.
Jeder in seiner Art ein ganzer Mann, obwohl Schauspieler.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 46- 47
Fotos de.wikipedia.org
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Hubert von Meyerinck -
obwohl Schauspieler und dazu überzeugte
Homosexueller – (wenn ihm auch gelegentlich aus Versehen
kleine Fehltritte mit dem anderen Geschlecht passieren,
die er stets ehrlich bereut) hat sich in der Nazizeit
ganz famos und auf der Höhe seines intellektuelles
Niveaus benommen. |
Aus vielen Berichten
naher Freunde ist bekannt, dass er durch nichts zu bewegen war,
sich mit der Naziklicque einzulassen, die ihm natürlich als
Altaristokraten und aus anderen Gründen alle möglichen Avancen
machte. Er soll sich besonders hilfreich und freundschaftlich in
vielen Fällen erwiesen haben und gilt als einer der Eckpfeiler
der Antinazis unter den Schauspielern
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 47
Foto: de.wikipedia.or
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Persönliche Erfahrungen in den
Jahren 1935 - 38 ermöglichen es für die ausgezeichnete
Haltung und unerwartete charakterliche Sauberkeit des
bekannten Filmstars Hans Albers Zeugnis zu
leisten.
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Auch er
gehörte zu den mit einer nicht arischen Frau behafteten
Protagonisten -und der Fall war dadurch erschwert, dass er mit
dieser Frau nicht legal verheiratet war, jedoch seit langen
Jahren zusammengelebt hatte und sie auf keinen Fall verlassen
wollte.
Er versuchte sie nach der Machtergreifung auch gesetzlich zu
heiraten.
So viel bekannt, waren vorher gewisse Schwierigkeiten wegen
einer früheren Ehe eines der beiden Teile im Weg - aber die Nazi
Behörden versagten ihm die Bewilligung und - einmal auf den Fall
aufmerksam geworden - zwangen sie ihn zu einer lokalen Trennung,
die er jedoch auf alle mögliche Weise immer wieder umging.
In seiner Situation - als ‘Nationalheld‘ der filmversessenen
Jugend - der ’blonde Hans’, der starke Mann auf der Leinwand -
war natürlich als öffentliches Ärgernis unmöglich und er musste
sich äußerlich fügen.
Auswanderung wäre für einen Menschen mit seinem beschränkten und
nur in seinem gewissen Bezirk wirksamen künstlerischen Mitteln,
Selbstmord gewesen.
Er würde ihn Hollywood in der Statisterie als stummer ältere
‘Stormtrooper‘ in Antinazifilms Verwendung finden und 10 Dollar
für die Aufnahmetag bekommen. Auch in Deutschland scheint seinen
Stern im Sinken, er spielt jetzt schon im Film den Mann, der das
Mädchen nicht kriegt. sondern sich an seinem Sohn freut.
Er ist weder ein großer Schauspieler noch ein bedeutender
Mensch, aber ein durchaus anständiger und famoser Kerl und hat
mehr Charakter erwiesen als viele Andere, denn für ihn gab es
die Versuchung – mit einer ganz kleinen Schweinerei – d e r Nazihero
des Films und der deutschen Bühne zu werden. Wer von drüben
kommt, weiß, was es heißt, dem zu widerstehen.
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Quellen: Karl Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 47 -
48
Foto: de.wikipedia.org
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Benno von Arendt – hat in Vorhitlerzeiten manchen
Judaskuss empfangen hat - er pflegte nämlich seine
angebliche Freunde, wenn er sie nach einiger Zeit
irgendwo traf, zu umarmen und auf die Wangen zu küssen -
war einer der stets gut beschäftigten und best bezahlten
Bühnenbildner in der Vor-Hitler-Zeit Berlins,
mittelmäßig begabt etwas süßlich, aber geschickt und
gefällig.
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Da er sein
Brot hauptsächlich vom Juden aß - seine Chefs waren Saltenberg,
die Rotters usw. heuchelte er bewusst (denn er war schon viele
Jahre lang vor der ’Machtergreifung’ heimliches Mitglied der
NSDAP und seine Position im Dritten Reich war gesichert und
vorbereitet) - Freundschaft
und Kameradschaftlichkeit zu vielen jüdischen Kollegen und
Theaterleuten, um sich im Augenblick der Demaskierung in wüsten
und brutalsten Antisemitismus zu ergehen.
Nicht homosexuell, aber sehr effiminiert, reichlich dekadent
schon im äußeren und ’von niederem Adel’ her mit leicht
verärgerten Deklassierungsgefühlen und Ressentiments erfüllt,
sah er im aufkommenden Faschismus hauptsächlich ein Instrument
von Wiederaufrichtung feudaler Herren-Diktatur, (wie die Meisten
seiner Art, den sozialistischen Einschlag für reine
Bauernfängerei haltend, was wohl auch stimmt) und betete
gleichzeitig lustvoll den brutalen Reitpeitschenschwinger an.
Das kleine zarte Bürschchen mit dem lasterhaften Mund und den
falschen Hundeaugen soll selbst in dem von ihm gegründeten und
geleiteten neuen NS-Bühnenclub mit der Reitpeitsche
herumgelaufen sein und mit Kellnern, Verwaltungsleuten,
Untergebenen und ’kleinen’ Mitgliedern herumgeschrien haben.
Natürlich hagelte es ‘Staatsaufträge‘, er dekorierte viele
Hallen und Festräume et cetera für große Versammlungen und
Siegesfeiern und übte eine hemmungslose Diktatur über das
Bühnenausstattungswesen in Berlin aus, von denen sich nur
Hilpert und Gründgens in ihren Häusern freihalten konnten.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 47 - 48
Foto: de.wikipedia.org
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Lothar Müthel
- früher
Schauspieler des Berliner Staatstheaters - und
Jugendliche Held Jessners und anderer moderne Regisseure
in der Nachkriegszeit spintisierhaft und gleichzeitig
doktrinär veranlagt, war einer der ersten Schauspieler
einer gewissen Intelligenzklasse der dem
Nationalsozialismus verfiel
Er trat schon einige Jahre vor Machtergreifung in die
Partei ein und befasste sich ganz ernsthaft mit Mythos
und Weltanschauung der Nazis. Er erklärte einmal, dass
Hitler eigentlich gar kein wirklicher Mensch sei,
sondern dass die deutsche Nation ihn sich erdichtet
habe. |
Er sei
ja wahrhaftig ein fleischgewordenes Gedicht. (Das alles gibt es
wirklich. Arme Irre.)
Den ‘Ritterschlag‘ zum Volksgenossen bekam er, als er - noch von
intellektuellem Skeptizismus angekränkelt und ohne Überzeugung,
nur aus Neugier einer nationalsozialistischen Massenversammlung
beiwohnte und ein ’einfacher Arbeiter’ - aus unwiderstehlichem
Drang dem Führer ins Auge sehen zu können – ihn, den besser
Gekleideten mit einem rücksichtslosen Mensch “mach ma Weg da!“
in die Seite stieß, dass er fast zu Boden fiel.
Da ging es durch ihn wie ein elektrischer Schlag und er wusste:
das ist Dein Volk - das ist Dein Führer.
(Dies ist nicht […] erfunden, sondern von Müthel in einem
Zeitungsartikel […] so geschrieben.
Er wurde dann Regisseur, versuchte sich in einem chorischen Stil
- in dem er mit seinem wirklich gediegenen Können und seiner
Bühnenerfahrung vermutliche tüchtige (aber vermutlich auch
langweilige) Aufführungen zustande brachte.
Nach dem Anschluss Österreichs und dem raschen Fiasko […] sollte
Müthel als Burgtheaterdirektor bestellt und belohnt werden -
hatte aber auf der Fahrt nach Wien einen schweren Autounfall,
von dessen Folgen er sich erst allmählich erholen konnte.
Soviel bekannt, ist er jetzt wieder als Darsteller und Regisseur
tätig. Die Direktion des Burgtheaters soll angeblich der später
zu behandelnde Herbert Ihring inne haben.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 90 - 91
Foto: de.wikipedia.org
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Harald Paulsen
- ein Renegat, vor der
’Machtergreifung’ begeisterte Anhänger von Brecht (in
dessen Dreigroschenoper er seinen größten Erfolg hatte)
und alle links eingestellten Theater immer zur
Krampfigkeit, Unechtheit, Forciertheit neigend.
Wurde begeisterter Nationalsozialist brach mit allen
früheren Freunden und Meistern drängte sich danach am 1.
Mai 33 bereits die Hakenkreuzfahne für die Schauspieler
Fachschaft tragen zu dürfen.
(Er durfte). |
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 92
Foto: de.wikipedia.org
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Leni Rriefenstahl -
die ‘Reichsgletscherspalte‘ - auch im
Ausland bekannt geworden durch Berg- und Skifilme schwer
hysterische Person - maßlos ehrgeizig.
,
Ihr ist zugute zu halten, dass sie keine Renegatin ist,
sondern immer an Hitler glaubte als den Erlöser. |
Ihrer Karriere aber ist aber
die Erlösung gut bekommen - nachdem vorher ihre Gesinnung sie
nicht gehindert hat. beim Juden saftige Filmhonorare zu beziehen
und sich mit Antinazis für alle Fälle zu stellen.
Als Hitler ihr für ihre Inszenierung der Olympiade und eines
Nürnberger Parteitags Films persönlich das goldene Ehrenzeichen
oder sowas überreichte, fiel sie auf der Bühne vor Aufregung in
Ohnmacht, wobei es ihr misslang dem Führer in die Arme zu sinken
- sie sank ihm zu Füßen und er musste sichtlich angewidert über
sie wegsteigen, um abzugehen.
Dieses spielte sich im Berliner Ufapalast ab und wurde auch von
‘Newsreels‘ verfilmt - aber natürlich nicht öffentlich
vorgeführt.
Der […] Filmregisseur Willi Forst hat den Streifen gesehen und
[…] die Szene unvergesslich komisch vorgespielt.
Leni Riefenstahl soll angeblich jüdischer Abstammung sein. Schon
möglich. Es würde ihren Fall nicht verfeinern. Soll auch mit
Hitler geschlafen haben, was der Verfasser aber nicht glaubt:
(Beiderseitige Impotenz anzunehmen.)
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 93 - 94
Foto: de.wikipedia.org
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Heinrich George
-
eines der stärksten Talente des
deutschen Films und der deutschen Bühne, aber stets
durch Disziplinlosigkeit, Herrschsucht, Sauferei ohne
Schwung oder Scham eine unzuverlässige und schwere
gefährliche Bühnenerscheinung - war schon in der Zeit in
der er sich als radikaler Kommunist aufspielte.
|
Ein Mensch der imstande
war in der Besoffenheit Kellner und Chauffeur zu spielen.
Er hat zweifellos genialische Züge, die er in selbst
berauschender Maßlosigkeit übersteigerte und bis zur Ungestalt
übertrieb.
Jählings von einem Tag auf den anderen wandelt er seine wild
kommunistische revolutionäre Gesinnung in ebenso raserischen
Nationalsozialismus - wobei in den lichten Momenten oder
nüchternen - oder vielleicht auch ganz betrunken - Augenblicken
sich über seine Verräterei und deren Folgen klar wird und sein
eigenes Todesurteil spricht.
Er wagte es als Götz von Berlichingen mit dem Hitlergruß
aufzutreten und wurde einer der Führer des nazistischen
Theaters.
Man schuf in Berlin eine eigene Bühne für
ihn - das Schillertheater, das früher dem Staatstheater
angehörte – die er jetzt noch (soweit nicht nieder gebombt) als
Direktor leitet.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 95 - 96
Foto: de.wikipedia.org
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Auch
Eugen Klöpfer
-
der einmal der beste und
männliche Schauspieler Deutschlands hätte werden können,
hätte er sich nicht durch künstlerische und menschliche
Charakterlosigkeit und Schmirantentum versudelt und
versaut, - wurde für einen Übergang zu den Nazis und
seine treue Hitlergefolgschaft mit einer
Theaterdirektion belohnt - er ist Generalintendant der
vereinigten Berliner Volksbühnen (am Bülowplatz und am
Nollendorfplatz und bekam von den Schauspieler seines
beginnen Delirium wegen den Spitznamen Herr General
Tatterich.
|
Äußerlich ein Hühne und weniger ein Fettkloß als George, mehr
eine süddeutsche Bauerngestalt vereinigte alles Weibische und
Kautschukhafte vieler Schauspielercharaktere in seinem Wesen.
Verschlagen, unzuverlässig und heimtückisch wie ein Bär, dabei
verrückt ’mit Methode’ was die Karriere anlangt war es für ihn
vor der Zeit, in der er den Reichspräsodenten Ebert als den
’größten Deutschen’ feierte bis zur Hitleranbetung, nur ein
kleiner Schritt.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 95 - 96
Foto: de.wikipedia.org
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Erich Kästner
-
über sein Verbleiben in Deutschland und über die
Tatsache, dass sie möglich war, ohne von den Nazis
eingesperrt oder erledigt zu werden, ist viel diskutiert
worden.
Ein Nazi ist der bestimmt nie geworden auch nicht zum
Schein.
|
Er selbst hat
Freunden erklärt, dass er seiner Mutter wegen geblieben sei zu
der ein besonders inniges Verhältnis hatte vielleicht war es
eine Beziehung, die es beiden unmöglich gemacht hätte, getrennt
weiterzuleben.
Bis 1939 lebte er völlig zurückgezogen und nur im Kreis
persönlicher Freunde aus früherer Zeit, ohne politisch oder
literarische Aktivität, es war ihm von der Schrifttumskammer nur
erlaubt, Kinderbücher zu publizieren, die natürlich auch ganz
neutral gehalten sein mussten.
Was dann aus ihm geworden ist, weiß ich nicht. Es ist
anzunehmen, dass sich nichts Wesentliches geändert hat.
Auch wenn er es vermutlich nicht wagen kann, mit irgendwelchen
’Untergrundbewegungen’ in direktem Kontakt zu sein - da er nicht
mehr beobachtet und überwacht ist als jeder andere, gehört er zu
den wenigen deutschen Nichtnazis von Ruf und Rang, die die
heutigen Verhältnisse innerhalb Deutschlands genau kennen und
diese Kenntnisse durch alle Phasen der Hitlerherrschaft ihres
Aufstiegs und Niedergangs hindurch erweitert haben. Wenn er
überlebt, mag er einer der wichtigen Männer für die
Nachkriegsperiode werden.
Aus seiner sehr öffentlich betonten Mutterbeziehung er pflegte
in der vor Hitlerzeit, wenn er im Radio vorzutragen hatte, immer
zuerst seine Mutter anzusprechen, um sich zu überzeugen, dass
sie im Leipzig zuhört - ist nicht wie im Fall Gläser auf eine
sentimentalisierte ’Heimat’- und Deutschlanderklärung zu
schließen, nicht auf eine charakterliche Verweichtheit oder
geistige Unselbständigkeit, sie ist viel eher ein Schlüssel zu
der gewissen der rationalistischen Beengtheit seines Schaffens
und seines Weltbilds - zu dem bei einem im Grund lyrischen
Temperament erstaunlichen Mangel an unbedingt der Schöpferfreude
(Zeugungslust) und Weltbegreifen - der durch Lehrhaftigkeit und
Dialektik - wenn auch in amüsanter oft ironisch überspitzter,
manchmal wirklich humornaher Form ersetzt wird.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 104
Foto: de.wikipedia.org
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Hans Fallada
-
Inflationsjugend – Nachkriegsgeneration - revolutionär
mehr von Verhältnissen als vom Geist her - leise
verbittert ohne Mickrigkeit, nie ganz frei von der
Peinlichkeit gewisser Erinnerungen und kleine
Demütigungen (‘Wer niemals aus dem Blechnapf fraß‘) doch
viel zu verantwortlich gegen ererbtes und erlebtes
deutsches Kulturgut auch zu begabt, um der Plattheit und
Verlogenheit einer Nazi-Verbitterung zu verfallen.
|
Ein Typus des
deutschen ’kleinen Manns’, dessen Herz gesund geblieben ist,
auch wenn er in der Seele verwirrt, erkrankt und glaubens los
im Geist nicht mehr als durchschnittlich sein konnte
Das Stärkste was ihm gelang - vor dem ’Kleinen Mann’ waren
’Bauern, Bonzen, Bomben ein Buch in dem - vom steuergefressenen
Kleinbauern hergesehen - dieser ’bessere’, zutiefst saubere
unanständige deutsche Kleinbürger dargestellt wurde, der
proletarisiert war, bevor
er sich (als Nazi) deklassiert fühlen konnte, und um eine
menschliche äußere und innere Existenz rang, ohne durch
Verärgerung und Elend vertiert zu werden.
Dieser Typus, den Fallada persönlich repräsentiert und als
Schriftsteller in allen Nerven hat, ist ein Kernstock des
deutschen Volks und wird ein wesentlicher Restbestand
Deutschland sein - in keine ’Klassentheorie’ ganz hineinpassend
- wenn die organisatorische Macht, die ihn zu erfassen und sich
völlig einzufügen versuchte, liquidiert sein wird.
Deshalb ist Fallada in seinen positiven und negativen
Schilderung auch wenn er nicht der ’Zola des neuen Deutschland‘
ist, - so interessant. Deshalb ist es auch ganz natürlich, dass
er mit seiner Gattung, die keine kosmopolitischen Möglichkeiten
hat (den zolahafte Stoßkraft und geniale Einseitigkeit erwächst
nicht aus dieser Wurzel) - zu Hause blieb.
Er versuchte ehrlich in einer Art weiterzuschreiben, ohne sich
in irgendwelche Nazipropaganda einzulassen oder ’mitzumachen’.
Bis 1939 hat er auch nie getan, was seitdem geworden ist, weiß
ich nicht, nehme aber auch hier keine entscheidende
Standortänderung an.
Er hat sogar recht mutig und anschaulich, wenn auch ohne
wirklich Erleuchtung, unter der Naziherrschaft in einem
Inflationsroman ’Schwarze Reichswehr’ Aktivitäten geschildert,
ohne sich in die Auffassung und Stil der Nazischablone
anzupassen.
Man hat ihn in Ruhe gelassen ohne ihn besonders zu protegieren
und gewisse Nazistellen haben ihm genug Misstrauen und Abneigung
entgegenbracht, um seine Situation in Deutschland zeitweilig zu
gefährden.
Mir ist erinnerlich, dass Emil Jannings - im Jahr 37 - unter
’Kämpfen’ durchsetzen musste, dass man ihn zum Autor eines
Jannings-Films nahm, und dass er gegen Filmkammer und Popmin
verteidigt werden musste. Die nationalrevolutionäre Haltung
seiner kleinen Leute, (die sich nicht gegen die Idee aber gegen
die Praxis der Weimarer Republik richtete) machte ihn den Nazis
tolerabel, aber hat vermutlich auch im Krieg nicht in ihr Horn
geblasen, sicher nicht bis zum Krieg. Auch falls er mehr und
mehr zu Konzessionen gezwungen war, bleibt ihr ein - keineswegs
großer und bedeutender - aber anständiger oft übers Gewöhnliche
hinaus begabter Schriftsteller.
Ob das Erlebnis dieser Jahre tiefere produktive Kräfte in ihm
löst oder verstopft können wir nicht beurteilen, ohne seine
Arbeit zu kennen. An seinem guten Willen und seiner inneren
Ehrlichkeit ist nicht zu zweifeln.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 106 - 107
Foto: de.wikipedia.org
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Mary Wigman
gab die Weimarer Republik zwar den
Beifall ihrer Intellektuellen, aber kein Megaphon in die
Hand; keinen Lautsprecher, keine Schulungsfilme; keine
Jugendgruppen und keine Riesenräumlichkeiten, in denen
sie aus dem Vollen herausarbeiten und nicht 20 oder 50
sondern Tausende von Tänzen in ihrem enthusiastischen
Rhythmus bewegen konnte. |
Dass sie die
Festaufführung der Berliner Olympiade zum Beispiel tänzerisch
und chorisch leitete, bedeutet keineswegs ein Mitmachen mit dem
demagogischen und verderblichen Nazitendenzen, aber sie konnte
der Verlockung einer solchen Aufgabe überhaupt nicht
widerstehen, da sie mit ihrem ganzen Lebens- und Arbeitsziel
identisch war.
Es ist möglich, dass sie im Jahre 33 etwas zu eilig, die
Hakenkreuzfahne aufgezogen hat. (Niemand der nicht dabei war,
weiß genau unter welchen Zwangseinflüssen solche Handlungen
zustande gekommen sind), sie hat auch sicher die ’positiven’
Elemente des Nazismus, eben das Gemeinschaftsbildende
überschätzt, aber das Niveau ihrer starken Persönlichkeit machte
sie gegen alle niedrige und platte Nazidemagogie gefeit.
Auch wenn sie bei einer solchen Gelegenheit wie der Olympiade
repräsentierte, kann sie in keiner Weise als Repräsentantin der
Nazis aufgefasst werden. Ihre ’priesterliche’ Auffassung der
Tanzkunst fand in dem Gemeinschaftsformalismus des Dritten
Reichs eine Nahrung, die sie verarbeiten und an sich reißen
musste, - war aber gleichzeitig stark genug, um das darin
verborgene Gift der Minderwertigkeit und des Hasses zu
absorbieren.
Persönlich war ihr eigenwillige und gewaltsame Natur ungebrochen
und von keiner Naziideologie infiziert als Verfasser zum letzten
Mal Gelegenheit hatte sie - im Jahre 1937 - zu treffen. Auch
durch den Krieg ist keine Veränderung anzunehmen.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 112 - 114
Foto: de.wikipedia.org
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TillyWedekind
- Frank’s Witwe, heute
eine alte Dame und Pamela, Frank’s Tochter, die in
erster Ehe mit Klaus Mann, in zweiter mit Carl Sternheim
verheiratet war, - sind in Deutschland verblieben.
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Weil
sie vermutlich im Ausland keinerlei Existenzmöglichkeiten
sahen, an eine kurze Dauer der Hitlerherrschaft oder an
’Milderungen glaubten, die eine Wiederaufführung der
Wedekindstücke an den deutschen Bühnen - und damit eine
Existenz für seine Erben -bedeutet hätte.Von
verschiedenen deutschen Bühnenleitern wurde auch der Versuch
einer Rehabilitation Wedekinds (und der Aufführung seines
sehr schwachen Bismarckdramas) gemacht, - aber selbst der in
diesem Punkt weitherzige Vater Göring musste ihn bei näherem
Anschauen als ganz entartet und zersetzend erkennen.
Gustav Gründgens verhalf beiden zur Erlaubnis im Dritten
Reich Theater spielen zu dürfen, beschäftigte Tilly
gelegentlich in älteren Rollen und engagierte Pamela ans
Staatstheater. Ihre Existenz war auf diese Weise gesichert,
ohne dass sie sich zu Nazis konvertieren mussten - und es
ist auch nicht zu ersehen, was sie in der Emigration hätten
tun soll, außer zu verelenden.
Tilly ist eine harmlose und gutartige Frau von schwer
nervöser Konstitution, ohne besondere Intelligenz oder
Begabung - durchaus liebenswürdig und nett - Pamela hatte
auch keine besondere Eigenart, weder geistig noch
menschlich, und kein bemerkenswertes Talent, außer dass sie
eben die Tochter ihres Vaters war, ihm etwas ähnlichsah und
seine Lieder in seinem Tonfall aber ohne seine Faszination
und sein Impetus vortrug.
Dies
sind keine Nazifrauen und keine Antinazifrauen, es gebührt
ihnen weder Ablehnung noch Bewunderung, eher Mitleid und
freundliche Behandlung, wobei Tilly dafür zu ehren ist, dass
sie einmal schön war.
Der
Bannfluch der Familie Mann, die sie lieber Beide in der
Emigration verhungern sähen als die Brosamen von Gründgens’
Tische zu essen, sollte nicht zu hart treffen und in
Absolution mit leichter Buße (knappe 5 Vaterunser)
umgewandelt werden.
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Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 121 - 122
Foto: de.wikipedia.org
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Gustav Gründgens
ist als Regisseur keineswegs so bedeutend und
wesentlich wie Engel oder Fehling. Brillanz und enorme,
beispiellose Wirkungssicherheit kennzeichnet seine
Persönlichkeit als Schauspieler wie als Bühnenleiter.
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. SeinBrillanz, Wirkung,
skrupelloser Erfolgsinstinkt, völlige Vorurteils- und
Bedenkenlosigkeit, immer mit einem Schuss tollkühnen, fast
manischen Abenteurertums, das aber nicht wirklich
hochstaplerhaft wird, da zu viel Können, zu viel
Qualitätsgefühl, zu viel souveräne Strategie, zu viel
Menschenkenntnis und Selbstsicherheit, ja Selbstzucht, dahinter
steht.
Das Theater steckt ihm in jedem Nerv, es ist untrennbar von
seiner persönlichen Existenz, Spiel und Leben sind für ihn
kongruent, und zwar Spiel ebensosehr im Sinn des riskanten
Einsatzes, des Roulettes und des Pokerbluffs, als in seiner
Spiegelung und Bemeisterung durch die Kunst. Aus dieser
künstlerisch sublimierten Spielernatur ist seine Karriere bei
den Nazis zu verstehen, aus der Lust am Gewagten, am Jonglieren
und der glänzenden Equilibristik, am Sprung auf einen
schwindelhaften Gipfel, an Wurf und Gewinn, an Repräsentation,
großer Schaustellung und fabelhaft beherrschter Maske, - an
Macht und Gefahr.
Beziehung zur Macht ist durchaus zynisch und daher stets
selbstgefährdend. Er kostet sie aus, ohne sie im kleinlichen
Sinn zu missbrauchen und ist bereit sie für eine Laune, einen
eleganten Trick, manchmal aber auch eine anständige Handlung,
aufs Spiel zu setzen. So sehr er seine Stellung mit großer
Theaterpolitik und Personalbeziehungen machte - als Görings
Luxuschampion gegen die engere Kulturpolitik der Partei - so
sehr er in allen Sätteln der Nazi-Intrigue
gerecht und all ihren Finten gewachsen war - hat er doch seine
künstlerische Qualität, seinen Stil, und seine persönliche
Lebensart immer aufrechterhalten. Einige Male musste er, auf der
Kippe des lebensgefährlichen Skandals wegen seiner
Vollblut-Homosexualität, scharf vor dem Abgeholt- und
Erledigtwerden, plötzlich verreisen, immer wieder kam er -
irgendeine bravouröse Volte schlagend - mit größerer Macht und
neu gesicherter Freizügigkeit zurück.
Er muEr musste dann allerdings
eine offizielle Scheinehe (mit der Schauspielerin Marianne
Hoppe) eingehen, aber er war auch früher schon aus Gründen der
Reputation und wohl auch der Personalpolitik - mit Erika Mann -
verheiratet. Ohne sich direkt für Andere zu riskieren - und
vermutlich sehr subjektiv, nach persönlicher Neigung oder
Abneigung, aber auch vielfach aus Respekt vor Niveau und Können,
hat er in seiner Machtposition vielen Künstlern geholfen und
viele (wie etwa Erich Ziegel), die ganz ausgeschaltet waren,
wieder auf dem Theater durchgesetzt. Es ist falsch, ihn einfach
als den eiskalten Ehrgeizling zu charakterisieren, aber
natürlich sind seine fouchéhaften Züge nicht zu übersehen.
Immerhin ist sein Umschwung vom radikalen >Kulturbolschewisten<
zum Götterliebling der Nazis eher begreiflich, weil
>naturgemäßer<, als der anderer Gesinnungshelden. Er ist
eigentlich eher ein hässlicher Mensch, mit viel zu hoher Stirn,
viel zu großem Mund, besonders unschönen Händen, schlacksiger
Figur, - der es versteht fabelhaft gut auszusehen. Er geht mit
unsichtbaren Schlittschuhen an den Füssen am liebsten auf
blankem Eis - auf einem weniger glatten und ungefährlichen Boden
würde er vermutlich straucheln und stolpern. Er ist noch
verhältnismäßig jung, wohl kaum über vierzig. Vor ein bis
anderthalb Jahren kam das Gerücht er sei >zurückgetreten< und
habe sich >freiwillig< in die russische Front gemeldet - wo er
vermutlich - fast möchte ich sagen: hoffentlich - in einem
Stabsquartier beschäftigt ist, das den rechtzeitigen Rückzug
nicht versäumt. Es läge aber natürlich auch in seiner Linie, den
Rückzug - rechtzeitig? - ja zu versäumen und einen Saltomortale
in das Kommittee >Freies Deutschland< zu versuchen. Vielleicht
werden wir mit ihm noch Überraschungen erleben. Ich gehöre nicht
zu den Calvins, Catos oder
Robespierres, die ihn verurteilen und auf die Guillotine
schicken würden, obwohl der St. Just eine seiner besten Rollen
war.
Nacht Charakterristisches Beispiel
für seine Art, auf dem Rasiermesser seilzutanzen und Gefahr zu
jonglieren. Als er im Jahr 1936 eine Hamletaufführung mit ihm
selbst in der Titelrolle vorbereitete, war Berlin grade voll von
Gerüchten über einen neuen Skandal mit ihm wegen >Schwulität<,
es hieß, dass ein Kollege von dieser Gattung aus seinem Landgut
Zeesen weg verhaftet worden sei - und es war wirklich ein
Moment, in dem sein Thron wackelte und sein Kopf lose auf den
Schultern saß - sodass Beides durch eine besondere Leistung
wieder befestigt werden musste. Kam die Hamletpremiere mit der
berühmten Stelle: >Ich habe keine Lust am Weibe< - die ein
anderer in seiner Situation vermutlich gestrichen oder
vorsichtig rasch überspielt hätte. Gründgens machte es genau
umgekehrt. Fast an der Rampe in der Bühnenmitte, Gesicht zum
Publikum, von doppeltem Scheinwerfer beleuchtet, nach einer
jener vergrübelten Pausen die er in die Rolle legte, - -- sagte
er den Satz plötzlich ganz scharf mit einer Art von pointierter
Verachtung ins Auditorium hinein: >Ich habe keine Lust am Weibe<
- - machte dann wieder eine Pause in der jeden Abend ganz Berlin
den Atem anhielt, - und fügte dann ganz rasch und beiläufig,
ohne Einschnitt das Folgende weitersprechend, hinzu: - und auch
nicht am Mann.
Die Darstellung war ein phantastischer Erfolg für ihn und er war
auf eine ganze Zeit hinaus wieder gesichert und gefestigt.
Monatelang war die Vorstellung ausverkauft, und Jeder
Theaterbesucher in Berlin sagte dem anderen: Du musst
hören wie der Gründgens sagt: »... usw.«
Zitatende |
Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 131 – 132 + 153
Foto: Henschel-Verlag
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Wilhelm Furtwänglers
Es ist viel schwerer,
sich mit seiner Existenz im Dritten Reich abzufinden.
Nicht nur weil die Musik in viel höherem Maße
internationale Möglichkeiten bietet als das Theater oder
gar die Literatur. Gründgens wäre als Emigrant
vielleicht einer von zwanzig erfolgreichen
Hollywood-Regisseuren geworden, - vielleicht auch nicht.
Furtwängler bestimmt einer der drei oder vier ersten
Orchesterleiter. |
Schlimmer ist, dass er sich als einziger der großen Dirigenten,
der drübenblieb, zu einem offiziellen Repräsentanten
Nazideutschlands machen lassen musste, - schon vor dem Krieg in
der peinlichen Rolle, bei Nazistaatsakten, mit Hitler und
Mamelucken in der Loge, zu dirigieren usw.
Jetzt mit der musikalischen Erhebung der Bombenopfer,
Kriegsopfer und Parteischergen betraut.
Furtwänglers ursprüngliche Auffassung und Begründung seiner
Haltung ist bekannt, sein offener Brief an die Kulturkammer
zeigte einen besonnenen aber klaren und offenen mannhaften
Einsatz für die Bewahrung einer von Politik und Parteizensur
unabhängigen deutschen Kunst.
Es war ihm damit völlig ernst, ebenso mit der Äußerung, die er
bei einem Zusammentreffen in London im Jahr privat zu dem Verf.
gemacht hat: Ich kann doch meine Berliner Philharmoniker nicht
allein lassen - da sind immer noch sechs Juden dabei. - Ein paar
Wochen später aber mussten die Juden heraus, - und sein Geiger
Bergmann, den Furtwängler als den >besten deutschen Bachspieler<
gekennzeichnet hat, wurde eingesperrt und misshandelt.
Nun konnte er also die nichtjüdischen Philharmoniker, die
deutsche Musik und das deutsche Musikpublikum nicht allein
lassen. Auch an diesem Standpunkt ist etwas Verständliches - man
kann sich sagen, dass es katastrophal wäre, wenn die deutsche
Musik für eine Dekade oder mehr, (an längere Dauer glaubte auch
damals Niemand), nur noch von Lehar und Richard Wagner
bestritten würde und von Militärkapellmeistern der musikalische
Geschmack in Deutschland bestimmt.
Wenn aber die Diskriminationen für die durch gleiche
Kunstgesinnung Verbundenen immer ärger und hoffnungsloser, die
Ehrungen und Ehrenstellungen für die eigne Person immer größer
werden, wird die Position des Gebliebenen immer fraglicher und
immer mehr belastet. Ausländische Solisten, die sich den
Ariernachweisbestimmungen nicht unterziehen wollten, kamen nicht
mehr in Frage, - moderne Musik wurde als entartet abgelehnt,
Furtwängler setzte sich für Hindemith ein, konnte aber das
Aufführungsverbot für Hindemiths Musik nicht verhindern. In
allen Fragen der künstlerischen Gesinnung wurde er völlig
machtlos - die Offizialität seiner Stellung wuchs mehr und mehr.
Bis zum Krieg hätte er noch immer gehen können.
Mit >Gewalt< hätten ihn die Nazis nicht gehalten, obwohl sie vor
>sanftem Druck<, Vermögensbeschlagnahme usw, sicher nicht zurück
scheinen. Jetzt ist es zu spät.
Es ist schon richtig, dass Furtwängler der >deutscheste< Musiker
unter den großen Dirigenten ist - aber diese Deutschheit und ihr
musikalischer Ausdruck ist sicher nicht an die Grenzen des
Dritten Reiches gebunden. Vermutlich konnte er, innerlich, nicht
anders handeln - oder nicht so lange es noch Zeit gewesen wäre,
- er war immer ein national empfindender Deutscher und er mag
auf dem Standpunkt stehen, lieber mit einem schuldig gewordenen
Deutschland zu Grunde zu gehen als auf der Seite derer, die es
sich zu Feinden gemacht hat, zu triumphieren.
Man kann über diesen Standpunkt kein Urteil fällen - wer ihn
einnimmt muss ihn mit allen Konsequenzen tragen. Übrigens liegt
es auch bis zum gewissen Grad in Furtwänglers persönlichem
Charakter, sehr gern >der Einzige< in seinem Gebiet und in
seiner Welt zu sein. Die Repräsentation als Staatskapellmeister
des Dritten Reichs aber mag ihn immer wieder in schwere
Konflikte stürzen. Trauermarsch aus der >Götterdämmerung<.
Zitatende |
Quellen: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 133 – 135
Foto: Henschel-Verlag
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Theo Lingen
Ein für einen
Schauspieler ungewöhnlich intelligenter Mensch – gehörte
zu einem kleinen Kreis jüngerer Künstler, der sich
hauptsächlich um den Dramatiker Bertolt Brecht und
dessen >Producer> Aufricht scharte, - in künstlerischen
Dingen radikal fortschrittlich, im politischen
links-radikal eingestellt.
Er ist – oder war solang mir erinnerlich mit Brecht’s
erster Frau verheiratet, die eine Schwester des nach
Amerika ausgewanderten Schriftstellers Otto Zoff ist.
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Ich glaube mit ziemlicher
Sicherheit sagen zu können, dass er im Gegensatz zu Harald
Paulsen und anderen Koryphäen der Brecht-Schule, nicht
umgefallen und nicht nazi-infiziert ist, sondern in innerer
Opposition seinen Stiefel weiter machte.
Schon vor der Hitlerzeit hatte er eine gewisse Karriere beim
Film gemacht, da sein hauptsächlich komikerhaftes oder
satirisches Talent gewisse Possenzüge aufweist. Er wurde dann
auch in Nazifilmen entsprechend beschäftigt. Er ist kein großes
Format, aber ein guter und gescheiter Schauspieler – mehr vom
Intellekt als von der Intuition her gestaltend – und soweit ich
das von flüchtiger Bekanntschaft her beurteilen kann ein
anständiger und zuverlässiger Mensch.
Zitatende |
Quelle: Karl
Zuckmayer – ’Geheimreport’ – dtv – 2004 – Seite 177 – 178
Foto: dhm.de
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Eine Reihe von Beschäftigten bei Film und Bühne finden
in detaillierter Form keine Erwähnung, die aber nach neuesten
Erkenntnissen sehr wohl Kontakte zu Führungsnazis bzw. dem System
hatten.
Einige von ihnen waren nach Notizen in den Tagebüchern von Dr. Goebbels
häufig Einladungen ins Haus des Reichspropagandaministers gefolgt.
Ganz abgesehen davon, hatte er zu nicht wenigen intime Beziehungen.
Herausragend hier Lida Barowa, die tschechische Filmschauspielerin.
Diejenigen, die auf die ’Gottbegnadetenliste’ eingetragen waren, konnten
sich auf einen Sonderstatus berufen. Sie wurde zu keiner Art von
Kriegsdienst, nicht an der Front und auch nicht in der Heimat zu
Kriegsdiensten herangezogen.
Die Liste enthielt folgende im ’Geheimreport’ nicht erwähnte Personen
des öffentlichen Interesses:
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Theater und Oper (Auswahl)
-
Elisabeth Flickenschildt
(1905–1977), nach Klee stand sie auf „der von Hitler
genehmigten Liste der unersetzlichen Schauspieler des
Reichspropagandaministeriums“.[35]
-
Josef Greindl
(1912–1993), Opernsänger
Bass
-
Helge Rosvaenge
(1897–1972), Opernsänger, Tenor
-
Karl-Heinz Stroux
(1908–1985), Schauspieler und Regisseur
-
Heinrich Schlusnus
(1888–1952), Opern- und Liedersänger, Reichskultursenator,
Bariton
-
Wilhelm Strienz
(1900–1987), Opern- und Konzertsänger, Bass
Zitatende
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Auf der von Goebbels geführten Liste
standen 280 Schauspieler, 227 Schauspielerinnen, 78 Filmautoren, 18
Filmautorinnen und 35 Filmregisseure, darunter:
Quelle Wikipedia
Leserbrief
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Zitat
Liebe Frau Gilles, lieber Herr Hansing,
nachdem wir aus dem Urlaub kamen und ich ihre neue Mitteilung
vorfand, habe ich sie fast in einem Zug "verschlungen".
Besonders köstlich, wie Sie - ich nehme einmal an, es war Herr
Hansing - die verschiedenen Verunstaltungen von "Holländer"-Aufführungen
in den für einen Opernliebhaber unverständlichen und
unerträglichen Einzelteilen analysiert haben. Ich wünschte,
diese würden auch den wenigen Befürwortern dieser Mätzchen in
die Finger geraten und sie sollten dazu im Einzelnen auch
einmal Erklärungen abgeben. Allerdings zeigt meine Erfahrung im
Tamino-Klassikforum, dass sie dann alle schweigen und nur mit
allgemeinem Blabla Angriffe (z.T. mit persönlichen
Beleidigungen, wie ich Ihnen schon mal berichtete) antworten.
Alle konkreten Fragen von mir und vielen anderen Gegnern des
Regisseurstheaters blieben dort unbeantwortet. Was den Don
Giovanni in Salzburg betrifft, war das ja noch eine Stufe
schlimmer. Ich hatte mir, nach allem, was ich darüber schon
gehört und gelesen hatte, vorgenommen, garnicht erst
einzuschalten. Also veranstaltete ich lieber Heimkino mit DVD
und Beamer für uns und unsere Freundin. Nachdem ich abgeräumt
hatte, schaltete meine Frau noch einmal das Fernsehen ein, um
Nachrichten zu schauen. Der Empfänger stand noch auf arte und
wir gerieten just in die Szene "La ci darem la mano",in der Don
Giovanni mit Zerlina vorn am Bühnenhand saßen und der Don
gleichzeitig eine hinter dem Paar liege und sich räkelnde
splitternackte Frau betatschte. Das reichte schon, um zu
erkennen, wes Geistes Kind diese Inszenierung war. Mein
Leserbrief in der HÖRZU hat übrigens noch weitere Leser
begeistert, Obwohl ich ihn ja aus Erfahrung kurz fassen musste
und dennoch weiter gekürzt wurde. Als wir uns letzten Samstag im
Kino die Übertragung von "Boris Godunow" angesehen haben, sprach
mich ein mir nur flüchtig bekannter Herr darauf an: "Endlich mal
einer, der sich gegen dieses Regietheater wehrt". Ich habe ihm
natürlich gesagt, das das viele Leute tun und wo er dazu etwas
nachlesen könne. Auf Ihre weiteren Mitteilungen bin ich - wie
immer - sehr gespannt - vor allem auch, was das sogenannte
"Theater des Jahres" (ich kann darüber nur lachen oder besser,
mit Ihnen heulen) noch alles verbrechen wird. Manchmal habe ich
geglaubt, das Niveau wäre schon auf dem tiefsten Punkt
angelangt. Aber ich muss feststellen, es geht noch tiefer.
Liebe Grüße EGW
Zitatende
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Leserbrief
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Zitat
"Cosi" schaue ich mir doch nicht an.
Hab‘ da keine Lust drauf, die absurden Erklärungen des
Regieteams, warum sie was geändert haben, überzeugen mich
überhaupt nicht...“
KO aus Hannover
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Leserbrief
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Zitat
'Così' an der Nds. Staatsoper Hannover
Guten
Morgen meine liebe Frau Gilles,
wie immer liegen Sie mit Ihrer Kritik absolut richtig. Mit
Freunden haben wir am Sonntag, dem 31. Oktober 2021, die Oper "Cosi
fan(no) tutte" besucht und sind von einem Wechselbad der Gefühle
heimgesucht worden. Der musikalische Teil war hervorragend, was
der zwischenzeitliche und vor allem der abschließende
frenetische Beifall des Publikums bewiesen haben und damit die
Künstler verdientermaßen würdigten.
Im krassen Gegensatz dazu war die Inszenierung bis auf einzelne
Bühnenbilder grottenschlecht. Die über der Bühne eingeblendeten
Übersetzungen waren nicht nur verfehlt, sondern enthielten auch
noch überflüssige Kraftausdrücke. Das Einbeziehen von Kindern
und deren Bilder als Projektionen sowie die von nackten Personen
trübten erheblich den Kunstgenuss.
Man wird den Verdacht nicht los, dass Intendanten offensichtlich
unter dem Zwang stehen, etwas Modernes bieten zu müssen und
vermutlich glauben, damit vor allem jüngeres Publikum erreichen
zu können.
Wie gern unterstützen wir die arg gebeutelte Kunstwelt, nicht
aber mit derart verschlechterter Qualität und das noch mit
Subventionen durch Steuergelder.
Seien Sie für heute herzlich gegrüßt
Ihr KW Hannover
Zitatende |
Leserbrief
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Zitat
Verehrte Frau Prof. Gilles,
mit einem kleinen Gruß möchte ich Dank sagen, dass Sie mich
immer mit Ihren Mitteilungen auf dem Laufenden halten.
Nach Meiningen schaffe ich es in diesem Jahr nicht mehr. Der
TRISTAN in Chemnitz hat mir gereicht (Rundschreiben bekommen Sie
in er kommenden Woche).
Es kann doch
nicht sein, dass man im Theater immer die Augen zumachen muss!
Herzliche Grüße – RW aus C.
Zitatende |
Analyse der Textdichtung des
‘Lohengrin‘
Die Neuartigkeit des Textes verwirrte die Freunde, denen Richard Wagner
am 17. Nov. 1845 im „Engelclub“ in Dresden das Gedicht vorlas. Anwesend
waren Schumann, Hiller, Semper, Franck, Hähnel, Rietschel, Julius
Schnorr, Pecht, Reinick, Bendemann und Hübner.
„Es wurde gelobt und „effektvoll“ gefunden, auch Schumann war ganz damit
einverstanden, nur begriff er die musikalische Form nicht, in welcher
ich es ausführen wollte, da er keinerlei Anhalt zu eigentlichen
Musiknummern ersah.
Ich machte mir den Spaß, ihm verschiedenes aus meinem Gedicht in der
Form von Arien und Kavatinen vorzulesen, worüber er sich lächelnd
befriedigt erklärte.“
(R.W. –
M.L. S. 339)
Am nächsten Tag schrieb Robert Schumann an Felix Mendelssohn-Bartholdy:
„Wagner hat uns zu unserer Überraschung gestern seinen neuen Operntext
vorgelegt, Lohengrin – zu meiner doppelten, denn ich trug mich schon
seit einem Jahre mit demselben, oder wenigstens einem ähnlichen aus der
Zeit der Tafelrunde herum – und muß ihn nun in den Brunnen werfen. Den
Meistern gefiel der Text ausnehmend, namentlich den Malern.“
Richard Wagners Doppelbegabung als Dichter und Komponist enthob ihn der
Sorge um ein gutes „Libretto“, kannte er doch die Schwächen von Webers
„Oberon“ und „Euryanthe“, die trotz hochwertiger Musik nicht glaubhaft
aufzuführen sind. Seine Kenntnis der antiken Tragödien und der Dramen
Shakespeares waren das Rüstzeug für sein Musikdrama.
„Der Name (libretto = Büchlein, ital.) rührt von dem in Italien seit dem
17. Jh. geübten Brauche her, die Operntexte als handliche „Büchlein“ zu
drucken und am Eingang des Theaters zum Mitlesen während der Aufführung
an das Publikum zu verkaufen.
(Anna Amalie Abert. M.G.G. Kassel 1960)
Der Librettist musste vor allem auf eine einfache, klar überschaubare
Handlung bedacht sein, die auch in engster Verbindung mit der
Komposition noch verständlich blieb, und auf eine Ausdrucksweise, die
sich soweit gut zur Vertonung eignete.
Ein Libretto ist mithin zwar ein Gebilde aus Worten, aber keine
Dichtung. Es bot Gelegenheit zu szenischem Aufwand, wundersamen
Erscheinungen, Chören, Aufzügen zur Huldigung des aristokratischen
Publikums, jedoch das Handlungsschema blieb sich unabhängig von der
Stoffwahl gleich: im Mittelpunkt stehen zwei Liebespaare, deren
Schicksale durch Intrigen, Missverständnisse, Verkleidungen und
Verwechslungen ineinander verschlungen und wieder entwirrt werden.
Feststehende Typen ernster und heiterer Art gruppieren sich um die
Hauptfiguren bis nach einer ausgewogenen Abfolge lyrischer,
dramatischer, heller und dunkler Szenen mit virtuosen Darbietungen der
genau umrissenen Affekte das Publikum sich am „lieto fine“ erfreute.
Die große Revolution setzte einen Schlussstrich unter diese
Opernentwicklung., die ohnehin abgeschlossen war. Die neue bürgerliche
Gesellschaft verlangte nach ihr gemäßen Stoffen. Nicht mehr mythische,
biblische oder antike griechische und römische Heroen standen im
Mittelpunkt der Handlung - natürlich gab es Ausnahmen: Rossini: „Moses“,
Verdi: „Nabucco“, Berlioz: „Die Trojaner - sondern in Not geratene
Verfolgte, hilflosen Frauen, die aus scheinbar unentrinnbaren Gefahren
vor wilden Horden, Tyrannen und Räubern im letzten Augenblick gerettet
werden.
Die „Schreckensoper“ war die Schöpfung des Revolutions-Jahrzehnts, die
sich bald zur „Rettungsoper“ wandelte, getragen vom Optimismus der Zeit
und romantischem Erlösungswillen.
●
Die rauhen Sujets, die grausigen Sensationen der Moritat wie im
typischen Werk von FranVois Lesuers „La caverne“ (1793 U.A.), schritten
noch eine Weile parallel mit den Opern Glucks, Mozarts und Salieris,
waren aber der unverbrauchte Boden auf dem ein neues Musiktheater
erwachsen konnte, dessen Höhepunkt Beethovens „Fidelio“ ist. Text: Josef
Sonnleithner, Stephan von Brenning u. Georg Friedrich Treitschke. (U.A.
erste Fassung 20. Nov. 1805 Wien, Theater a. d. Wien, 2. Fassung 29.
März 1806, Theater a. d. Wien, 3. Fassung 23. Mai 1814
Kärntnertortheater, Wien.)
Allein der Kampf um eine gültige Fassung zeigt die Schwierigkeiten eines
anspruchsvollen Komponisten mit dem Libretto.
Bei
Gioacchino Rossini (29.
Febr. 1792 - 13. Nov.
1868), den man als den letzten Klassiker bezeichnet, ein
anachronistischer Zeitgenosse Richard Wagners, war das Libretto in der
Tradition Metastasios das Gerüst für Arien und Ensembles, Rezitative,
Szenen, Chöre und Finales. Dennoch trotz eines unreflektiert positiven,
jede aufrührerische Geste ausschließenden Verhältnisses zur Tradition
zählt Rossini nicht zu den konservativen Komponisten seiner Zeit. Seine
naive, naturhafte Begabung, die als jung, neu und unwiderstehlich
lebendig empfunden wurde, seine genaue Notation des schmuckvollen
Zierrats seiner Melodien und die dynamische Aktivität des Orchesters und
seines Kolorits führten zu einer Regeneration der musikalischen Mittel.
Dass G. Rossini und R. Wagner, so fremd sie sich waren, Respekt
voreinander empfanden, dokumentiert das von Edmond Michotte
aufgezeichnete Gespräch vom März 1860, (Im Programmheft der Bayerischen
Staatsoper zu „La Cenerentola“, Dezember 1980) in dem Wagner seine
Ansicht über die Gleichwertigkeit von Dichtung und Musik darlegt, und
der italienische Meister klagt: „Aber ich durfte meine Libretti nicht
selbst wählen, sondern bekam sie von den Impresariern zwangsweise. – Wie
oft habe ich da nur einen Teil des Szenariums erhalten, immer nur einen
Akt, zu dem ich die Musik schreiben mußte, ohne die Fortsetzung oder den
Schluß des Stoffes zu kennen!“
Peter Hacks, voll intellektueller Skepsis fragt sich „ob das Libretto
überhaupt ein Genre sei. Sicher, irgendetwas ist es. Es ist eine Menge
von Worten und geht gelegentlich bei Reclam zu kaufen. Darüber hinaus
sind kaum Bestimmungen dieses Dings unternommen worden.“
(Hacks,
Peter: Oper, Berlin und Weimar 1975).
In der gegenseitigen Bedingtheit von Dichtung und Musik liegt wohl der
Grund, dass es der Literaturwissenschaft schwerfällt, Richard Wagner
unter die Dichter zu zählen. Seine schriftstellerischen Arbeiten und vor
allem die Beschreibung seiner Jugend in „Mein Leben“ haben jedoch soviel
poetische Kraft aufzuweisen, dass der Vergleich mit anderen Dichtern
seiner Zeit durchaus angemessen erscheint.
Die Dichtung zu „Lohengrin“ steht gleichsam am Wendepunkt der Stile
zwischen romantischer Oper und Musikdrama. Die Ebenen des
übersinnlichen, mythischen und märchenhaften wird mit scharf
durchdachter Logik und Psychologie verschmolzen, verkörpert in der
träumerischen, blind-gläubigen Elsa und der kontrastierenden Figur der
rational zielbewußt-politisch agierenden Ortrud.
●
Die Struktur der Dichtung zeigt ein dreiaktiges Drama.
Der 1. Aufzug ist in 3 Szenen unterteilt.
Der 2. Aufzug ist in 5 Szenen unterteilt.
Der 3. Aufzug ist in 3 Szenen unterteilt.
●
Ort der Handlung:
1.
Aufzug: Am Ufer der
Schelde
2.
Aufzug: In der Burg
von Antwerpen (Palas, Kemenate, Kirche)
3.
Aufzug: 1.
Bild: Brautgemach in der Burg
2. Bild: Am Ufer der Schelde
●
Zeit der Handlung
1.
Aufzug:
Morgens bis mittags
2.
Aufzug: 1. Szene:
Nacht
2. Szene: Nacht
3. Szene: Tagesanbruch, Morgen
4. Vorne:
Mittag
3. Aufzug: 1. Szene Abend:
2. Szene: Abend bis in die Nacht
3. Szene:
Tagesanbruch, Morgen
Das Stück spielt also an zwei aufeinander folgenden Tagen.
Die Figuren der Handlung
König Heinrich I.:
Regierte 919 – 936. Einte und sicherte das von Zerfall und von den
Ungarneinfällen bedrohte Land. Um auf die desolaten Zustände in seiner
Heimat hinzuweisen verknüpfte R. Wagner die Lohengrin-Sage mit den
historischen Ereignissen um 933.
Lohengrin:
Sohn und Nachfolger des Gralskönigs Parzival aus dem Sagenkreis um König
Artus. Befreite Elsa von Brabant durch einen Sieg im Gottesurteil vom
Vorwurf des Brudermordes, scheitert aber an der Härte des Gelübdes,
namenlos zu bleiben und kehrt in den Orden ohne Frau und die Möglichkeit
einen Erben zu bekommen zurück.
Elsa von Brabant:
Tochter des Herzogs von Brabant, von Telramund und Ortrud des Mordes an
ihrem Bruder zugunsten eines Liebhabers angeklagt, wird von Lohengrin,
der auf ihre verzweifelte Bitte erscheint, entlastet. Sie bricht das ihr
auferlegte Frage-verbot auf Betreiben Ortruds und aus Angst den
Geliebten bald wieder zu ver-lieren. Sie scheitert an der
Unvereinbarkeit der menschlichen Liebe zu einem Wesen aus göttlichen
Sphären.
Herzog Gottfried:
Wurde von Ortrud beseitigt - in einen Schwan verzaubert - von der
Gralsritterschaft in die Obhut genommen und kehrt nach Lohengrins
Abschied als Thronfolger zurück.
Friedrich von Telramund:
Brabantischer Graf, angesehener Kriegsherr, naher Verwandter des
verstorbenen Herzogs und Vormund seiner Kinder. Nachdem Elsa seine
Werbung zurückgewiesen hatte vermählte er sich mit Ortrud, deren Pläne,
die Herrschaft über Brabant zurückzugewinnen, sich mit seinen Vorhaben
decken. Er wird bei dem Versuch, Lohengrins Unverwundbarkeit durch eine
Verletzung als Zauber zu enttarnen, von diesem getötet.
Ortrud:
Friesische Edle aus dem Haus des Fürsten Radbod, der bis zu seinem Tod
im Jahre 719 erbittert gegen die Zwangschristianisierung kämpfte. Sie
bekennt sich zur traditionellen Naturreligion und um diese wieder in
ihre Rechte einsetzen zu können, bekämpft sie Gottfried, Elsa und
Lohengrin mit Verleumdung und psychologischen Mitteln. Sie überlebt.
Vier Edelknaben
Jugendliche im Dienste Elsas.
Sächsische und thüringische Grafen und Edle.
Politische und militärische Partei des Königs.
Der Heerrufer
Herold, praeco, im Dienste König Heinrichs.
Vier brabantische Edle
Gefolgsleute Friedrichs von Telramund. Sie stehen König Heinrich, seinen
Kriegsplänen unter der Führung des namenlosen Ritters gegen die Ungarn.
ablehnend gegenüber, geben aber nach Telramunds Tod im nächtlichen
Brautgemach auf.
Brabantische Grafen und Edle
Sie stehen anfangs dem König und Lohengrin skeptisch gegenüber, lassen
sich später für den Krieg anwerben.
Edelfrauen
Elsas Bedienstete aus adligen Familien.
Edelknaben:
Jugendliche aus adligen Familien.
Nonnen, Frauen, Knechte
Das freie Volk und Unfreie.
Die „Ständeklausel“ ist von Richard Wagner eingehalten.
Figurenkonfiguration
1. Aufzug. 1. Szene
Der König, Friedrich von Telramund, Ortrud, Der Heerrufer,
Brabanter, Sachsen, Thüringer. (Chor)
1. Aufzug. 2. Szene
Der König, Elsa, Friedrich, Ortrud, Der Heerrufer, Männer, Frauen (Chor)
1. Aufzug. 3. Szene
Der König, Elsa, Friedrich, Ortrud, Der Heerrufer, Lohengrin,
brabantische Edle
Männer, Frauen, (Chor)
2. Aufzug. 1. Szene
Friedrich, Ortrud
2. Aufzug. 2. Szene
Elsa, Ortrud, Friedrich
2. Aufzug. 3. Szene
Die Edlen und Mannen (Chor)
Die Männer (Chor)
Der Heerrufer
Vier brabantische Edle
Vier Edelknaben
2. Aufzug. 4. Szene
Die Edlen und Mannen (Chor)
Männer und Frauen (Chor)
Die vier Edelknaben
Elsa, Ortrud.
2. Aufzug. 5. Szene
Der König, Lohengrin, Elsa, Ortrud, Friedrich,
die sächsischen Edlen (Chor)
die Brabanter (Chor), Männer, Frauen, Knaben (Chor)
3. Aufzug. 1. Szene
Männer, Frauen, (Chor)
Elsa, Lohengrin
3. Aufzug. 2. Szene
Elsa, Lohengrin
Später Friedrich und
Vier brabantische Edle
3. Aufzug. 3. Szene
Der König, Elsa, Lohengrin,
vier brabantische Edle
Brabanter, Männer, Frauen (Chor)
später Ortrud,
Gottfried
Hauptfigur des Dramas ist Elsa. Um sie sind die Kräfte gruppiert, die
sie in den tragischen Konflikt treiben. In den 11 Szenen des Stückes ist
sie in 8 Szenen anwesend. Die zweite Hauptfigur ist Lohengrin, der in 5
Szenen mit viel Text anwesend ist. Ortrud, die treibende Kraft des
Stückes ist in 8 Szenen anwesend, allerdings hat sie weniger Text als
Elsa.
Der König ist in 4 Szenen anwesend. Friedrich ist in 7 Szenen anwesend.
Der Heerrufer ist in 4 Szenen anwesend. Der Chor ist in 8 Szenen
anwesend.
Die Ausgewogenheit der Struktur zeigt sich im Szenenplan von
Protagonisten und Antagonisten. Dreh- und Angelpunkt ist das Recht - das
Wort ‚Recht’ wird 56mal ausgesprochen, - seine Beugung sowie seine
Überwindung durch bedingungslose Liebe und deren Scheitern.
Die Figuren und die ihnen zugeordneten Begriffe stellen sich wie folgt
dar:
Die Figurenkonstellation
„Die Struktur des Personals erschöpft sich jedoch nicht in solchen
Kontrast- und Korrespondenzrelationen aufgrund von statischen Merkmalen,
sondern schließt auch dynamische Interaktionsstrukturen ein,...“
(Pfister, Manfred, Das Drama, Theorie und Analyse, München 1988).
Die vielfältige Bandbreite des menschlichen Mit- und Gegeneinander von
der zärtlichen Liebesszene bis zum Kampf auf Leben und Tod sind im
„Lohengrin“ enthalten. Die Beziehungen der Figuren zueinander gestalten
sich folgendermaßen:
1. Aufzug. 1. Szene:
Nachdem der König seine Kriegsvorbereitungen geschildert hat und die
Notwen-digkeit des Ungarnfeldzugs darlegte stimmen die Brabanter,
Sachsen, Thüringer ihm zu.
König Heinrich
Brabanter, Sachsen, Thüringer
Werbung für den Feldzug, Zustimmung
Friedrich begrüßt den König als Gerichtsherrn, stellt sich als Ehrenmann
vor und schildert den Streitfall. Die Männer und der König sind
erschüttert, das Gericht soll Klarheit bringen.
König Heinrich, die Männer
Friedrich,
Bemühung um Sachlichkeit
1. Aufzug. 2. Szene:
Der König befragt Elsa zur Person und zur Anklage. Statt zu antworten
schildert sie einen Traum, in dem ein Ritter zu ihrer Rettung erschien.
Der König ordnet den Gotteskampf an, aber niemand meldet sich um für
Elsa zu streiten. Friedrich sieht sich und die Mordanklage bestätigt.
König Heinrich,
Männer, Frauen Elsa
Mitgefühl
Friedrich
Elsa
Feindseligkeit
1. Aufzug. 3. Szene 1. Teil
Auf Elsas Gebet erscheint der Ritter in einem Nachen, der von einem
Schwan gezogen wird.
Ortrud, bisher zuversichtlich, vermutet einen Zusammenhang zwischen dem
Verschwinden Gottfrieds, dem Schwan und dem Ritter und erschrickt.
Lohengrin erklärt sich zu Elsas Retter, sie vertraut ihm ihr Leben und
ihr Land an, wobei er die Bedingung stellt, ihn nie nach Namen und
Herkunft zu fragen.
Lohengrin, Elsa
Liebe, Vertrauen
Ortrud, Lohengrin
Feindseligkeit
2. Teil
Der Kampf wird vorbereitet. Die christlichen Beteiligten beten zu ihrem
Gott, Ortrud vertraut auf Friedrichs bisher unbesiegte Kraft.
Lohengrin wird Sieger.
Elsa, Lohengrin
Dankbarkeit
Der König und die Männer, Lohengrin
Begeisterung
Friedrich, Lohengrin
Verzweiflung
Ortrud, Lohengrin
Planung
des Auswegs
2. Aufzug. 1.
Szene
Nach heftigen
Vorwürfen Friedrichs überzeugt ihn Ortrud, dass es zwei Wege gibt den
fremden Ritter zur Aufgabe zu zwingen, nämlich wenn Elsa die verbotene
Frage ausspricht und der Ritter durch eine Verletzung seine geheimen
Kräfte verliert.
Ortrud,
Friedrich
Einigkeit
2. Aufzug 2. Szene
Ortrud schleicht sich
in Elsas Vertrauen und suggeriert ihr, dass es zur Erhaltung ihres
Glücks notwendig sei, die verbotene Frage zu tun.
Ortrud,
Elsa
Durchtriebenheit Vertrauensseligkeit
2. Aufzug. 3.
Szene
Die Hochzeit des
Ritters mit Elsa und seine Belehnung mit dem Land Brabant durch den
König wird verkündet.
Friedrich verspricht
seinen Getreuen, den fremden Ritter als Betrüger anzuklagen.
Heerrufer, Chor,
Friedrich, vier Edle
Festesfreude, Entscheidung, die Ehre wiederherzustellen
2. Aufzug 5. Szene
Der König unterbricht
den Streit. Elsa bittet Lohengrin um Schutz vor Ortruds List. In
unversöhnlicher Feindschaft stehen sich Ortrud und Lohengrin gegenüber.
Als Friedrich den Ritter vor der Öffentlichkeit und dem König nach Name
und Herkunft fragt gesteht er, nur Elsa dürfe er Auskunft geben.
Friedrich verspricht Elsa, in der kommenden Nacht den Ritter durch eine
Verletzung zu enttarnen, dann werde sie ihn nie mehr verlieren.
Der Hochzeitszug
bewegt sich ins Münster. Ortrud ist sicher, dass Elsa die verbotene
Frage stellen wird.
König Friedrich
Ordnungswille
Kampf um Rehabilitation
Lohengrin Elsa
Verunsicherung : Angst vor dem Zweifel
Friedrich Ortrud
Hoffnung
Siegesgewissheit
3. Aufzug. 1.
Szene
Lohengrin und Elsa
werden in feierlichem Zug ins Brautgemach geleitet und vom König
gesegnet
Höfische
Feierlichkeiten
3. Aufzug. 2.
Szene
Im zärtlichen
Zwiegespräch drängt Elsa Lohengrin ihr seinen Namen zu nennen. Als die
verbotene Frage ausgesprochen ist, betritt Friedrich mit seinen
Getreuen den Raum, um den Ritter zu verletzen und wird von ihm getötet.
Lohengrin verspricht vor dem König und dem Volk seine Abkunft zu
offenbaren.
Lohengrin,
Elsa
Bindung an den
Ordenseid Tabubruch aus Liebe
Lohengrin,
Friedrich
Verteidigung seines
und Elsas Leben
Opfer seines Ehrgeizes
3. Aufzug. 3.
Szene
Der König bedankt
sich bei den Männern für ihre Bereitschaft mit ihm in den Kampf gegen
Osten zu ziehen. Mit Grauen erblickt er die Leiche des Grafen Telramund
und erfährt von Lohengrin, weshalb er getötet wurde und dass er nicht
mit ihm in die Schlacht ziehen kann. Dass Elsa das Frageverbot
übertreten hat, bezeichnet er als Verrat und offenbart sich als Mitglied
des Gralsordens und Sohn des König Parzival, unbesiegbar nur , solange
er unerkannt bleibt.
Dem König prophezeit
er den Sieg, schenkt Elsa ein Horn, ein Schwert für den heimkehrenden
Bruder und einen Ring. Als er sich zur Abreise wendet, schreit Ortrud
ihre Siegesfreude hinaus, dass sich die entweihten Götter als stärker
erweisen werden. Lohengrin betet und aus der Schwanengestalt erscheint
unversehrt der junge Herzog Gottfried. Elsa stirbt. Ortrud lebt.
Lohengrin, Elsa
Enttäuschung und
Einsamkeit Tod durch übergroßen Schmerz
Lohengrin, Ortrud
Unerbittlicher
Gehorsam Überlebenskraft der Natur
in der kalten
Männerwelt und ihrer Symbole der Kirche, Scheitern
Die Figurenrede
„Was und wie Personen
reden, ist durch sehr verschiedene, vielfältig ineinandergreifende
Faktoren bedingt.
Dazu gehören
1.
die Ziele der Redenden
2.
die umgebende Situation
3.
die Umstände der
Verständigung (Kommunikation)
4.
das persönliche Verhältnis
der Gesprächspartner
5.
der individuelle Denk- und
Äußerungsstil jedes Redenden
und seine
augenblickliche seelische Verfassung.“
Quelle: Asmuth, Bernhard,
Einführung in die Dramenanalyse, Stuttgart 1997.)
Die Aktivität oder
Passivität einer Figur, ihren gesellschaftlichen Status und ihre
Bedeutung für den Gang der Handlung dokumentiert bereits ihre Einführung
in die Szene.
Die Figuren in der Reihenfolge des Textheftes (Reclam)
König Heinrich:
Wird vom Heerrufer
annonciert und ist als bekannt vorausgesetzt.
Lohengrin:
Wird vom König im 1.
Aufzug, 3. Szene als „von Gott gesandt“ bezeichnet, kann sich aber
aufgrund seines Ordensgelübdes nicht namentlich vorstellen, woraus sich
der Konflikt des Stückes ergibt.
Elsa von Brabant:
Wird vom König zur
Person, zur Anerkennung des Gerichts und zur Anklage befragt. Die
Tradition von antikem und jüdisch-christlichem Verhaltenskodex
befolgend, dass die Frau zu schweigen und zu leiden habe, ebenso im
Wissen, dass sie als Frau nicht rechtsfähig ist, antwortet sie nur mit
Gesten.
Herzog Gottfried:
Wird im 3. Aufzug 3.
Szene von Ortrud als ‚Erbe von Brabant’ und von Lohengrin als ‚Herzog
von Brabant’ und Führer bezeichnet. Er selbst äußert sich nicht.
Friedrich von
Telramund
Wird vom König
namentlich gerufen, als „aller Tugend Preis“ bezeichnet und
aufgefordert, seine Klage vorzutragen.
Ortrud:
Wird von ihrem Ehemann
offiziell als „Radbods, des Friesenfürsten Sproß“ und privat als „Weib,
das meinem Sinn gefiel“ vorgestellt. Unter der Geschlechtsvormundschaft
ihres Mannes stehend, nicht waffen-, eides- und rechtsfähig, äußert sie
sich nicht.
Der Heerrufer:
Ist durch seine
Tätigkeit bekannt und wird nicht vorgestellt.
Die Brabanter:
Werden vom König als
„liebe Männer von Brabant“ angesprochen, da er sie zu seinem Krieg
werben und den Erbfolgestreit in ihrem Land aufklären will.
Vier brabantische
Edle:
Sie werden im 3.
Aufzug, 3. Szene als „Mannen des Telramund“ bezeichnet.
Die Chorgruppen
Sie äußern sich
anteilnehmend, werden aber nicht vorgestellt.
Die Sprache der
Figuren
„Die Sprache der
Dramenfiguren spiegelt nicht nur die allgemeine Auffassung des Autors zu
mitmenschlichen Beziehungen, sondern auch die Einstellung der
jeweils redenden
Person zu ihrem Gegenüber.“
(Asmuth, Bernhard,
Einführung in die Dramenanalyse, Stuttgart 1997)
Die Situation:
Ein Gerichtstag, ein
Thing, die Einberufung von Wehrfähigen zum Kampf gegen die Ungarn, eine
Versammlung der männlichen Bevölkerung verschiedener Stämme und sozialer
Schichten. Als einzige Frau ist Ortrud anwesend, später Elsa, Lohengrin.
Die Beziehung der
Gesprächspartner im Spiegel der Sprache:
Der Heerrufer spricht
geschäftsmäßig, sachlich.
Der König mit
väterlicher, seiner Leistungen voll bewusster Autorität.
Graf Friedrich von
Telramund mit der Aufrichtigkeit eines hochgeachteten Ehrenmannes.
I
Einleitung. griech: prooemium, röm: exordium
Friedrich (feierlich
Dank König dir, dass
du zu richten kamst:
Die Wahrheit künd ich,
Untreu ist mir fremd. –
Zum Sterben kam der
Herzog von Brabant
und meinem Schutz
empfahl er seine Kinder.
Elsa, die Jungfrau,
und Gottfried, den Knaben;
mit Treue pflog ich
seiner großen Jugend,
sein Leben war das
Kleinod meiner Ehre.
Ermiß nun, König,
meinen grimmen Schmerz,
als meiner Ehre
Kleinod mir geraubt!
Lustwandelnd führte
Elsa den Knaben einst zum Wald,
doch ohne ihn kehrte
sie zurück;
Mit falscher Sorge
frug sie nach dem Bruder,
da sie, von ungefähr
von ihm verirrt,
bald seine Spur – so
sprach sie – nicht mehr fand.
II Erzählung,
griech: diegesis, röm. Narratio
Fruchtlos war all
Bemühen nun den Verlornen;
Als ich mit Drohen nur
in Elsa drang,
da ließ in bleichem
Zagen und Erbeben
der gräßlichen Schuld
Bekenntnis sie uns sehn.
(sehr lebhaft) Es
faßte mich Entsetzen vor der Magd;
dem Recht auf ihre
Hand, vom Vater mir verliehn,
entsagt ich willig da
und gern
und nahm ein Weib, das
meinem Sinn gefiel:
(Er stellt Ortrud vor,
diese verneigt sich vor dem König.)
Ortrud, Radbods, des
Friesenfürsten Sproß.
(Er schreitet
feierlich einige Schritte vor)
III
Beweisführung: griech.: pistis, röm.: argumentatio
Nun führ ich Klage
wider Elsa von Brabant;
des Brudermordes zeih
ich sie.
Dies Land doch sprech
ich für mich an mit Recht,
da ich der Nächste von
des Herzogs Blut,
mein Weib dazu aus dem
Geschlecht,
das einst auch diesem
Lande seine Fürsten gab. –
IV Schluss,
griech.: epilogos, röm.: peroratio
Du hörst die Klage,
König! Richte recht!
Seine Rede ist nach
den Regeln der klassischen Rhetorik aufgebaut, was beweist, dass er
keineswegs nur der mittelmäßige Kriegertyp ist, zu dem der bisher
abqualifiziert wurde.
Richard Wagner wählt
für alle sachlichen Aussagen das seit Lessings „Nathan der Weise“
typische deutsche modulationsfähige Dramenmetrum, den fünfhebigen
Jambus.
Die weitere Szene:
Lohengrins Kampfansage, die Warnung der brabantischen Edlen, Friedrichs
zwar dreihebig beginnende Antwort, dann aber vierhebig weitergehende
Annahme des Kampfes, des Königs Anordnung, die Anweisungen des
Heerrufers, die Gebete des Königs, des Volkes, Lohengrins, Friedrichs
und Ortruds:
in fünfhebigen Jamben.
Dann aber bricht der
Jubel los. Nach den Ausrufen:
Sieg!
Sieg! Sieg! Heil dir Held!,
die bis auf ‚Heil dir’
immer aus betonten Silben bestehen, ist die Siegeshymne
aus
dreihebigen Jamben zusammengesetzt.
•
Es ist festzustellen,
dass der Text im 1. Aufzug des „Lohengrin“ in fünfhebige, vierhebige und
dreihebige Jamben geordnet ist.
„Als der eigentliche
Vers des deutschen Dramas aber steht seit Lessings „Nathan der Weise“
der ungereimte, fünfhebige Jambus da, der Blankvers. Er dankt diese
Vorzugsstellung, die er auch heute noch einnimmt, seiner reichen
Modulationsfähigkeit (Kayser, Wolfgang, Kleine deutsche Versschule,
Tübingen u. Basel 1999. 26. Auflage).
Als Pate für den
Eintritt des fünfhebigen Jambus in das deutsche Drama ist Shakespeare
anzusehen. Einige Zeilen aus dem „Hamlet“ zeigen die Schmiegsamkeit
dieses Verses, die Möglichkeit zur Untergliederung und rhythmischen
Bewegtheit.
... to
die, - to sleep. –
No more;
and by a sleep to say we end
The heart
– ache and the thousand natural shocks
That
flesh is heir to, - `tis a consummation
Devoutly
to be wish`d. To die, - to sleep; - ...
Ebenso ist die
Übersetzung von A.W. Schlegel in fünfhebige Jamben geordnet.
Sein oder
Nichtsein, das ist hier die Frage:
Ob`s edler
im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des
wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich
waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden. Sterben – schlafen -...
Die „Ringparabel“, das
Herzstück des „Nathan“, ein großer Monolog, belehrend und von höchster
Aktualität, in fünfhebigen Jamben, beginnt so:
„Vor grauen Jahren
lebt` ein Mann in Osten,
Der einen Ring von
unschätzbarem Wert
Aus lieber Hand besaß.
Der Stein war ein
Opal, der hundert
schöne Farben spielte. ...
Wenn Frau Marte Rull
den „Zerbrochenen Krug“ beklagt, fasst auch sie ihre Rede in den
Blankvers:
„Nichts seht ihr, mit
Verlaub, die Scherben seht ihr;
Der Krüge schönster
ist entzweigeschlagen.
Hier grade auf dem
Loch, wo jetzo nichts,
Sind die gesamten
niederländischen Provinzen
Dem spanischen Phillip
übergeben worden.
Hier im Ornat stand
Kaiser Karl der Fünfte:
Von dem seht ihr nur
noch die Beine stehn. ---
Auch dies eine Rede
vor Gericht, wenn auch das corpus delicti nur ein Tonkrug ist.
Ebenfalls in
fünfhebigen Jamben hält zu einem äußerst ernsthaften Anlass, nämlich
einem Mord, Marcus Antonius seine Rede auf den toten Cäsar:
Mitbürger! Freunde!
Römer! Hört mich an;
„Begraben will ich
Cäsarn, nicht ihn preisen.
Was Menschen Übles
thun, das überlebt sie.
Das Gute wird mit
ihnen oft begraben.
So sei es auch mit
Cäsarn! Der edle Brutus
hat euch gesagt, dass
er voll Herrschaftssucht war;
Und war er das, so
war`s ein schwer Vergehen,
Und schwer hat Cäsar
auch dafür gebüßt. ...
(Übersetzung
A. W. Schlegel)
Ein berühmter Monolog,
eine markante politische Rede, aufgebaut nach den Regeln der klassischen
Rhetorik, im Versmaß des fünfhebigen Jambus wie die große Rede des
Grafen Telramund vor dem Königsgericht:
Dank, König, dir, dass
du zu richten kamst!
Die Wahrheit künd`
ich, Untreu ist mir fremd.
Noch zahlreiche
Beispiele für die Verwendbarkeit des Blankverses lassen sich finden:
Goethes Torquato Tasso, Iphigenie, Teile des Faust, Schillers Don
Karlos, Maria Stuart bis zu Hugo von Hofmannsthal.
Erzählend,
argumentativ, der Prosa nahe, war er auch für Richard Wagner das
geeignete Metrum, das zwar die Formung durch den Dichter erkennen lässt,
gleichzeitig aber auch den Rhythmus, der dem Sinn der Sprache folgt,
zulässt.
Den schreitenden,
gravitätischen vierhebigen Jambus, den die Erzengel im Prolog im Himmel
(Goethe: Faust I) verwenden:
„Die Sonne tönt, nach
alter Weise,
In Brudersphären
Wettgesang,
Und ihre
vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit
Donnergang“. ...
verwendet Richard
Wagner bei offiziellen Anordnungen, feierlichen Proklamationen und
Gebeten.
Der Heerrufer:
Nun höret mich
und achtet wohl,
den Kampf hier keiner
stören soll
Lohengrin:
Im Kampf für eine Magd
zu stehn.
Der schwere Klage
angetan
Der König:
Mein Herr und Gott,
nun ruf ich dich,
Dass du dem Kampf
zugegen seist.
Friedrich:
Ich geh` in Treu` vor
dein Gericht!
Herr Gott, verlaß
mein` Ehre nicht!
Viele der mannhaften
Balladen Friedrich Schillers:
Der
Ring des Polykrates:
Er stand auf seines Daches Zinnen
Die
Kraniche des Ibykus:
Zum Kampf der Wagen und Gesänge
Das Reiterlied:
Wohlauf
Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd
sind in diesem Metrum
verfaßt und vermitteln Ordnung, Festigkeit, Entschlossenheit aber auch
kompromisslose Starrheit.
Emotionales, sei es
Lohengrins bedrohliches Frageverbot, Elsas Traumerzählung, in der Angst
und Hoffnung schwingen, oder der Jubel nach Lohengrins Sieg ordnet
Richard Wagner in den dreihebigen Jambus.
Lohengrin:
Nie sollst du mich
befragen ...
Elsa:
In lichter Waffen
Scheine
König u. Männer:
Ertöne Siegesweise
Dieses Metrum begegnet
uns in vielen Volksliedern:
Es ist ein
Reis entsprungen
aus einer
Wurzel zart ...
Es ist ein
Schnee gefallen
und ist es
doch nicht Zeit ...
Auch in Heinrich
Heines ‚Am Fischerhause’
Wir saßen
am Fischerhause
und
schauten nach der See
Die
Abendnebel kamen
Und
stiegen in die Höh. ...
Es singt Mephisto sein
Lied
Es war
einmal ein König.
Der hatt`
einen großen Floh, ..
Und auch Gretchen
Es war ein
König in Thule
Gar treu
bis an das Grab
Dem
sterbend seine Buhle
Einen
goldnen Becher gab ...
Hin und wieder
verwendet auch Richard Wagner in diesem liedhaften Metrum den Endreim:
Lohengrin:
Den Sieg hab ich
erstritten
-
durch
deine Rein` allein;
-
nun soll,
was du gelitten,
-
dir reich
vergolten sein. ...
Hart skandiert klingen
diese Verse hölzern und ungelenk, aber sie wurden wie im Volkslied, bei
Heine und Goethe geschrieben, um von einer Melodie getragen zu werden.
Die Sprache der
Figuren im ersten Aufzug des „Lohengrin“ ist in ihrer metrischen
Struktur präzise abgestuft in
1.
Fünfhebige Jamben für
erzählende und sachlich argumentative Texte.
2.
Vierhebige Jamben für
politische Proklamation und Gebet
3.
Dreihebige Jamben für
liedhafte und betont emotionale Texte.
Zweiter Aufzug, 1.
Szene
Die Situation
Es ist Nacht,
Friedrich hat den Zweikampf mit Lohengrin verloren, das Asyl, das auch
dem Rechtsbrecher zustand, nutzend, sitzen Ortrud und der Graf auf den
Kirchenstufen im Burghof, während in der Burg gefeiert wird.
Friedrich ist
verzweifelt, während Ortrud einen Plan entwickelt.
Die Sprache der
Figuren
Die ersten elf Zeilen
Friedrich:
Erhebe dich, Genossin meiner Schmach! usw.
Ortrud: Ich
kann nicht fort, hierher bin ich gebannt usw.
sind in die
berichtenden fünfhebigen Jamben geordnet. Dann steigert sich Friedrich
in Wut hinein und fährt in emotionsgeladenen dreihebigen Jamben fort.
Friedrich:
Durch dich
muß ich verlieren
Mein Ehr,
all meinen Ruhm usw.
bis Mein`Ehr`hab ich verloren,
mein Ehr`, mein Ehr`, ist hin
Das folgende
Zwiegespräch ist äußerst erregt. Es wechseln überlange Zeilen,
vierhebige und fünfhebige Jamben in Friedrichs Klage, Stichomythien,
wiederum fünfhebige Jamben:
Ortrud:
Die
Schwelger streckten sich zur üpp`gen Ruh
gefolgt von
vierhebigen Jamben, in denen Ortrud feierlich ihre angebliche Kenntnis
von Zauber und Gegenzauber verkündet.
Ortrud:
„Jed`
Wesen, das durch Zauber stark,
wird ihm
des Leibes kleinstes Glied
entrissen
nur, muß sich alsbald
ohnmächtig
zeigen, wie es ist.“
Friedrich artikuliert
seine neuerwachte Hoffnung auf Rehabilitation im Blankvers, in dem auch
Ortrud ihre Zufriedenheit äußert. Danach folgt im vierhebigen Metrum ihr
unisono, durch das Werk der Rache ihre Ehre und damit ihre
Lebensgrundlage wiederherzustellen.
Ortrud und
Friedrich:
Der
Rache Werk sei nun beschworen
Aus
meines Busens wilder Nacht ...
2. Aufzug, 2.
Szene
Die Situation
Der Ort ist wie vorhin
der Innenhof der Burg und Elsa erscheint auf dem Balkon, um aus dem
Festgedränge kommend Luft zu schöpfen, aber auch herausgelockt von
Ortruds intensivem Blick.
Wie im ersten Aufzug
ist ihr Metrum der dreihebige Jambus, der Liedvers.
Elsa:
Euch Lüften, die mein
Klagen
So traurig oft
erfüllt,
euch muß ich dankend
sagen
wie sich mein Glück
enthüllt! ...
Bis auf geflüsterte
Einwürfe: „Sie ist es! Elsa!“ bzw. „Warum?“ ist das Gespräch zwischen
Elsa und Ortrud in vierhebige Jamben geordnet, die Richard Wagner
verwendet, wenn die Sprache feierliche Distanz ausdrücken soll.
Es ist festzustellen,
dass Richard Wagner die Gefühlsinhalte des Textes genau den fünf-, vier-
und dreihebigen Metren zugeordnet hat, mit Ausnahme des Brautliedes.
Schlussbemerkung
Die Lust an der Selbstzerstörung
Die Lust an der Selbstzerstörung der ’senatus
populusque romanus’ waren überzeugt: die Welt beherrschen zu müssen um
unsterblichen Ruhm zu erlangen denn nach dem Tod ging es in den grauen
Hades.
Also erstreckte sich das ’Römische Reich, erobert von erstklassig
gedrillten und vielseitig verwendbaren Legionen von Britannien bis
Nordafrika von Spanien bis Armenien.
Mit klarem Kopf sagt sich jeder: „Das ist auf die Dauer nicht zu
halten!“
Ähnlich erging es dem ’Heiligen Römischen Reich deutscher Nation’, dem
’British Empire’ und der ruhmreichen ’Sowjetunion’.
Nach zwei grauenvollen Weltkriegen kamen einige klare Köpfe auf die
Idee, unser so reichhaltiges Europa in einer Union zu vereinigen, da das
’tausendjährige Reich’ der Nationalsozialisten nach 12 Jahren
zusammenbrach, Millionen Tote und eine verwüstete Welt hinterließ.
Seit vielen Jahren leben wir in einer parlamentarischen Demokratie mit
einem vorzüglichen Grundgesetz Deutschland ist in Länder aufgeteilt von
den alliierten Siegermächte einigermaßen nach den alten Stämmen
ausgerichtet die Ministerpräsidenten haben die Führungsaufgaben der
ehemaligen Stammeshäuptlinge übernommen, unter denen es sogar einige
Frauen gibt die über alle Zeiten geschürt von patriarchalen Religionen
verachtete zweite Hälfte der Menschheit hat aber inzwischen einige
erfolgreiche Regierungschefinnen hervorgebracht, deren Freundlichkeit
aber im harten Kampf der Gockel als Schwäche abgetan wird und so kämpfen
unsere Häuptlinge in Wahlkämpfen wie immer um die Macht und die uralten
Aversionen werden brutal ausgespielt.
Ich habe im Laufe meines Lebens in mehreren Gegenden gelebt und
gearbeitet und es war mir eine Freude, den örtlichen Dialekt zu lernen.
Im Kampf um die Macht aber wird er als Waffe benutzt, um den Gegner als
Dorftrottel darzustellen.
Wie wäre es, wenn unsere von uns der arbeitenden Bevölkerung bezahlten
Politiker sich um die dringenden Sachthemen kümmerten?
1.) Die Bildung der Jugend durch gut bezahlte und geachtete Lehrerinnen
und Lehrer.
2.) Die Wiedereinführung der Grundlagen unseres Zusammenlebens:
Ehrlichkeit, Fleiß, Rücksicht, Sauberkeit, Zuverlässigkeit.
3.) Das Verbot von religiösem Fanatismus und seiner Untergrundorgani-
sationen.
4.) Das Reduzieren der Fördergelder für verdummende Events, sondern
Förderung und Erhalt der Kultur unserer großen Dichter
und Komponi-
sten.
Mit Getöse und kostspieligem Aufwand werden die Werke verfälscht und
zerstört, aber kein Politiker will sich Pfoten die an etwas
Schwergreifbaren, das ihn keinen Machtzuwachs bringt, verbrennen.
Und so Leben wir lustvoll und verblödet unserer Selbstzerstörung
entgegen.
ML Gilles
Gerade
reingekommen:
Richard-Wagner-Verband
Ortsverband Chemnitz e. V.
Vorsitzender Matthias
Ries-Wolff, Bauernweg 90, 09117 Chemnitz, den 25.10.2021
Liebe Mitglieder des Chemnitzer RWV,
was für eine traurige Woche liegt hinter
uns:
Am 18.10.2021 verstarb mit 74 Jahren die
unbestrittene Königin der Koloraturen, Edita Gruberova. Sie war eine
Ausnahmekünstlerin, die 51 Jahre lang die großen Bühnen der Welt
beherrschte. 2019 sang sie an der Bayerischen Staatsoper zum letzten Mal
die Königin Elisabeth in Roberto Devereux, damals auch schon 72 Jahre
alt! Im Jahr zuvor hatten wir ihrem Galakonzert aus Anlass des 50.
Bühnenjubiläums beigewohnt. Mit ihrer ersten Zugabe, der Hallenarie aus
TANNHÄUSER, wurden nicht nur alle 2.100 Zuschauer, sondern auch unser
kritisches Vereinsmitglied P. mit seinem absoluten Gehör von den Stühlen
zu wahren Begeisterungsstürmen gerissen. Voll Dankbarkeit verneigen wir
uns vor dieser großen Sängerin und danken für die vielen Begegnungen.
Am 21.10.2021 schloss auch Bernhard
Haitink im Alter von 92 Jahren seine Augen. Bekannt als Großmeister der
Sinfonien, insbesondere von Mahler und Bruckner, bleibt er uns doch aber
auch unvergesslich durch seinen RING, den er mit dem Bayerischen
Symphonieorchester eingespielt hatte.
Am 23.10.2021 schließlich fand in Chemnitz
die Premiere von TRISTAN UND ISOLDE statt. Die Bühnenbilder von Annika
Haller im ersten und zweiten Akt waren im Grunde konventionell, wenn man
darüber hinwegsieht, dass anstelle eines Segelschiffes ein U-Boot
gewählt wurde. Der dritte Akt spielt im Kinderzimmer von Tristan, mit
einer blau-weiß-gestreiften IKEA-Tapete und Postern seiner Idole Rambo,
Rocky und Bruce Lee. Aufgebahrt hinter einem schwarzen Vorhang liegen
seine toten Eltern, die immer mal wieder von ihm liebkost werden. Die
Regisseurin Elisabeth Stöppler vertraut zu wenig auf die Wirkung der
Musik und braucht eben Tristans tote Eltern und eine Pistole, mit der
ständig hin und her gefuchtelt wird, um die Todessehnsucht darzustellen.
"O sink hernieder" wird gar zu einem Liebesspiel mit Pistole. Der zweite
Akt erinnert ohnehin eher an eine Telenovela oder Boulevardkomödie,
deren tolles Treiben im missglückten Suizid von Tristan mündet.
Musikalisch ist es aber in weiten Teilen
ein Fest für die Ohren: Allen voran sind für den Triumph des Abends
Daniel Kirch und Stéphanie Müther in den Titelpartien zu nennen. Beiden
gelingt es, trotz des ewigen Hin- und Herrennens und Jo-Jo-Spielens, ein
klangliches Feuerwerk zu zünden und zugleich auch die Emotionen der
Partien glaubhaft zu vermitteln. Ihnen mindestens ebenbürtig ist Sophia
Maeno als Brangäne, die einen Quantensprung in ihrer Gesangsentwicklung
gezeigt hat. Schon lange nicht mehr hörte man einen König Marke,
gesungen von Alexander Kiechle, der über einen so kräftigen und dunkel
timbrierten Bass verfügt. Und überhaupt gab es wahrscheinlich noch nie
einen König Marke, der erst 28 Jahre alt ist!
Für den Erfolg des Abends haben vor allem
auch die Robert-Schumann-Philharmonie und Guillermo Garcia Calvo
gesorgt. Die Tristan-Akkorde zu Beginn kann man nicht besser spielen.
Die Klanggebilde, die sie beide gemeinsam aufbauen, reißen einen mit,
ergreifen einen und stehen im Widerspruch zu den von Frau Stöppler
verordneten Aktionen auf der Bühne.
Kritik ist subjektiv. Kaufen Sie sich ein
Ticket und machen Sie sich ein eigenes Urteil! Musikalisch lohnt es sich
auf jeden Fall.
Im Namen des Vorstandes grüße ich Sie alle
sehr herzlich,
Matthias Ries-Wolff
Ein Leserbrief
zu ‘Così‘
an der Nds. Statsoper Hannover
Guten Morgen meine liebe Frau Gilles,
wie immer liegen Sie mit Ihrer Kritik absolut richtig. Mit Freunden
haben wir am Sonntag, dem 31. Oktober 2021, die Oper "Cosi fan(no) tutte"
besucht und sind von einem Wechselbad der Gefühle heimgesucht worden.
Der musikalische Teil war hervorragend, was der zwischenzeitliche und
vor allem der abschließende frenetische Beifall des Publikums bewiesen
haben und damit die Künstler verdientermaßen würdigten.
Im krassen Gegensatz dazu war die Inszenierung bis auf einzelne
Bühnenbilder grottenschlecht. Die über der Bühne eingeblendeten
Übersetzungen waren nicht nur verfehlt, sondern enthielten auch noch
überflüssige Kraftausdrücke. Das Einbeziehen von Kindern und deren
Bilder als Projektionen sowie die von nackten Personen trübten erheblich
den Kunstgenuss.
Man wird den Verdacht nicht los, dass Intendanten offensichtlich unter
dem Zwang stehen, etwas Modernes bieten zu müssen und vermutlich
glauben, damit vor allem jüngeres Publikum erreichen zu können.
Wie gern unterstützen wir die arg gebeutelte Kunstwelt, nicht aber mit
derart verschlechterter Qualität und das noch mit Subventionen durch
Steuergelder.
Seien Sie für heute herzlich gegrüßt
Ihr KW Hannover
Voraussichtlich in der nächsten Ausgabe:
Bemerkungen zur szenischen Umsetzung von:
‘Otello‘ in Regensburg
‘Otello‘ in Hannover
‘Figaros Hochzeit‘ in Hannover
‘Figaros Hochzeit‘ in Regensburg
‘Holländer‘ in Meiningen
Impressum
…. erscheint als nichtkommerzielles Rundschreiben zu
-
ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt Regensburg
kulturjournal – Büro 93047 Regensburg – Wahlenstraße 17 –
info@kulturjournal-regensburg.de
Verteilung:
Direktversand an ausgewählte Leserschaft u.a.
Mitglieder der
Bürgerinitiative-Opernintendanz -
http://bi-opernintendanz.de/
Niedersächsischer Landesrechnungshof,
Niedersächsische Landesregierung,
Aufsichtsrat der Nds. Staatstheater Hannover GmbH,
Politische Parteien im Nds. Landtag,
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover,
Bund der Steuerzahler,
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger,
Richard-Wagner-Vereine,
Feuilletons von Tageszeitungen
RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover
RA Markus von Hohenhau, Fachanwalt für IT-Recht, Regensburg
RA Prof. Dr. Ernst Fricke, Fachanwalt für Bühnenrecht, München/Landshut
Wir verstehen diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach unserer Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes. Neben Sachaussagen enthalten diese Texte
auch Überspitztes und Satire. Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach
Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.
Wir benutzen Informationen, hauptsächlich aus eigenen Unterlagen vom
Regionalfernsehen Regensburg, telezeitung-online.de und aus dem Internet
u.a. den Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Museums, der
Preußen-Chronik, Wikipedia u.ä..
Texte werden paraphrasiert wiedergegeben oder als Zitate kenntlich
gemacht.
Fotos wurden Buch- und CD-Einbänden entnommen. Beiträge aus der Rubrik
‘Musiktheater‘ wurden als Zitate aus dem Hermes Handlexikon übernommen.
Leserbriefe stellen die Meinung des jeweiligen Verfassers dar.
Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir auf
Differenzierung und geschlechtsneutrale Formulierung. Entsprechende
Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle
Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und
beinhaltet keine Wertung.
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