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Nr. 34

 

 


Offener Brief an die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz


Zitat                                                                                                                   14.11.2020

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,

bei Ausbruch der Covic19 Pandemie in Deutschland während des vergangenen Frühjahrs wurden der Bevölkerung strenge Einschränkungen auferlegt, die von ihr mehrheitlich akzeptiert wurden, da man sie von deren Notwendigkeit überzeugen konnte. Inzwischen hat man gelernt, dass es wesentlich darauf ankommt zu untersuchen, wo Infektionsherde entstehen, die bekämpft werden müssen, und wo keine Ansteckungsgefahr besteht, so dass man dort unter Einhaltung bestimmter Vorsichtsmaßnahmen auf einschneidende Verordnungen verzichten kann. Letzteres sollte eigentlich unter anderem für Theater, Konzertsäle, Museen und andere kulturellen Einrichtungen gelten, in denen auf vorbildliche Weise Vorkehrungen zur Einhaltung aller erforderlichen Hygienemaßnahmen getroffen wurden, mit dem Erfolg, dass an diesen Stätten nachweislich keine Infektionen mit dem Covic19 - Virus aufgetreten sind. In Kenntnis dieser unbestrittenen Tatsache wichen maßgebliche Politiker zur Begründung von Theaterschließungen – unter ihnen auch die Frau Bundeskanzlerin in einer Fragestunde – auf die Behauptung aus, dass durch das zu der Aufführung Kommen und das wieder nach Hause Zurückkehren eine gefährliche Häufung von Kontakten entstünde. Diese Behauptung ist in keiner Weise verifiziert, geht an der Realität vorbei und wirkt geradezu absurd, wenn man sich vor Augen führt, dass Schülerinnen und Schüler – zusammengepfercht – in überfüllten Bussen transportiert werden, oder dass Reisende in voll ausgelasteten IC-Zügen, in denen keine Sitzplätze gesperrt sind, ohne Sicherheitsabstand nebeneinander oder sich gegenüber sitzen, um nur zwei Beispiele anzuführen.

Wenn trotz alledem Maßnahmen, wie Verbote von Theater- und Konzertaufführungen, ergehen, riskieren die Regierungen von Bund und Ländern damit, dass in der Öffentlichkeit die Überzeugung von der Sinnhaftigkeit so mancher Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie schwindet, und mit ihr auch das Vertrauen, das ihnen bisher entgegengebracht wurde.

Helfen Sie daher bitte, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, bevor es zu spät ist, einen verhängnisvollen, zweifachen Schaden abzuwenden: Den, der die Politik durch eine nachlassende Akzeptanz von Seiten eines großen Teiles der Bevölkerung erleidet, und den, der der Kultur, vornehmlich dem Theater- und Konzertwesen, unnötiger- und ungerechtfertigterweise zugefügt wird.  

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Brenner

Ehemaliger Intendant des Staatstheaters Darmstadt (von 1984 bis 1991) und

Intendant des Staatstheaters Mainz (von 1991 bis 1999)

Zitatende

Kommentar

Bei allen Versuchen, dem heutigen Theater durch Widersprechen, durch Eingaben, schnell noch - so im letzten Moment - einen Status zu verleihen, der unterstreicht, dass die Einrichtungen für das Funktionieren des Systems erforderlich sind, muss bedacht werden, dass die Politik das Theater – ob nun Schauspiel und Oper, Operette, Musical - nicht interessiert und jetzt schon gar nicht, da die Gelder knapp werden.

Das Thema ist zu klebrig, es könnte ja den eigenen Aufstieg – vielleicht in den Bundestag - behindern.
Also Finger weg davon!
Im Falle der ‘Freischütz‘-Kritik an der Oper Hannover meinte der Fraktionsvorsitzende der CDU Hannover zu der von uns initiierten Diskussion: „Nun ist aber genug mit Oper!“

Das Theater gehört nicht zu den systemrelevanten Einrichtungen eines Staates -
so die Klarstellung selbst des Geschäftsführers des Deutschen Bühnenvereins in einer Sendung des DLF am 11.11.2020 ab 10.08 Uhr.

Für diese Einordnung trägt es selbst die Schuld.
Die Theater sind zu Amüsierbuden degeneriert.
Dem Anspruch, zur Bildung beizutragen, werden sie nicht gerecht.
Eine Anfrage unseres Büros an den Bühnenverein, ob das Theater einen Bildungsauftrag habe, wurde nicht beantwortet. Man wollte sich wohl den Rücken freihalten und sich nicht festlegen, denn im Falle ‘Bildungsauftrag‘ hätte man ja beim Inszenieren Rücksicht auf das Stück und das Publikum nehmen müssen..

Mit der jetzigen und wohl noch länger anhaltenden Krise wird das Publikum dem Theater völlig entwöhnt.
Vertrieben wurde und wird es durch verfälschende Inszenierungen.

Siehe die Bemerkungen zur ‘Carmen‘ ab Seite 88 in dieser Ausgabe.

Nun werden die Stücke auf Querschnitte reduziert.
Beispiel 1:
Da lief ein ‘Giovanni‘ ohne Rezitative in einer Stunde und fünfzig Minuten..

Wiederaufnahme ‘Tristan‘: das Stück fing nach dem Vorspiel erst bei Isoldes „Mir Erkoren, Mir Verloren“ an - die ganze Szene Isolde-Brangäne am Beginn gestrichen -, riesige Auslassungen in den folgenden Aufzügen.
‘Don Karlos‘ - 1. Teil: ca. eine Stunde vierzig Minuten, 2. Teil: ca. fünfundfünfzig Minuten
Beispiel 2: ‘Die Zauberflöte‘ - ohne Knabenszenen, Chor vom Band.

Kommentar aus der Finanzszene:
Es geht doch auch so! Warum fünf Stunden ‘Tristan‘, wenn auch drei Stunden reichen.
Das führt in jedem Fall zur Forderung nach Kürzung der Subventionen!

Nun stehen die Theater ohne Systemrelevanz mit dem Rücken an der Wand. Sie finden sich in der Rubrik ‘Freizeitgestaltung‘ mit u.a. Wattebaustoßen oder Bordellbesuch eingestuft.
Daraufhin: Großes Lamento, die Theater hätten doch einen Bildungsauftrag.
Dieser wurde aber bisher nicht erwähnt bzw. in Abrede gestellt, hinderte der doch daran, Stücke durch ‘modische‘ Inszenierungen zu verfälschen.

Jetzt will man so schnell als möglich einem doch vorhandenen Bildungsauftrag entsprechen.

HAZ – 26.11.2020 – Seite 23


Wenn Werte durch entstellende Inszenierungen verloren gehen, weil nicht der Wille des Autors umgesetzt, sondern sein Werk verfälscht wird wie z.B. bei Kleist’schen ‘Zerbrochnen Krug‘ am Staatsschauspiel in Hannover oder der ‘Tosca‘ an der Staatsoper in Hannover, dann ist das Theater tatsächlich keine systemrelevante Einrichtung, da ihm selber das fehlt, was es weitervermitteln soll.


 

 

Zitat
BLICK IN DIE GLASKUGEL

Kultur nach Corona

Momentan ist das Infektionsgeschehen zwar eher wieder bedrohlich - aber irgendwann wird Corona hinter uns liegen. Bleibt die Frage, ob die Pandemie Schwachstellen unserer Gesellschaft offen-gelegt hat? Und wie es „danach" weitergeht? Wird es eine Neujustierung von Kulturpolitik geben? Ein Blick in die Glaskugel. Die Kanzlerin hat Recht: Wir alle wünschen uns in eine Normalität von Vor-Corona-Zeiten zurück. Aber gerade in Kulturfragen könnte Skepsis angebracht sein. Wird ihr Stellenwert danach derselbe sein wie zuvor? Oder sich in anderer Form präsentieren und gar noch steigen? Die Verklärung der „Krise als Chance" ist dabei zum banalen Grundrauschen verkommen. Jenseits dessen sind verschiedene Szenarien für eine Zeit „nach Corona" denkbar - wann auch immer das sein wird:

Ohne die Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern gibt es keine Kunst. Die Gemeinden und Bundesländer als Träger der allermeisten Theater und Opernhäuser haben auch nach einem Ende der Pandemie mit sinkenden Steuereinnahmen zu kämpfen - nur der Bund selbst scheint davon nicht ganz so stark betroffen. Auf die Kommunen werden in der Folge sehr komplexe Zuwendungsverhandlungen zukommen, vielen öffentliche Theater in kleineren Städten, die Kinder- und Jugendtheater, aber auch Mehrspartenhäuser in manchen Bundesländern droht der Kahlschlag. Dieses Szenario bleibt auch nicht ohne Folgen für freie Künstlerinnen und Künstler. Manche von ihnen haben sich offenbar schon während der Pandemie anderweitig beruflich orientiert. Die sachsen-anhaltische Staatskanzlei jedenfalls äußerte im September eine entsprechende Vermutung, nachdem ein Stipendienprogramm für Künstlerinnen und Künstler nur zu etwa einem Viertel ausgeschöpft worden war.

Am meisten gefährdet sind die Privattheater, die keine oder kaum öffentliche Zuwendungen erhalten, weil sie ganz überwiegend von eigenen Einnahmen leben, die jetzt ausbleiben. Aber auch die Aussichten für die Häuser in öffentlicher Trägerschaft sind bedrohlich, wenn sich bewahrheitet, was sich schon während der Pandemie andeutete: Beim Personal wird massiv abgebaut, was zunächst vor allem den Einsatz von Gästen betrifft. Da oder dort wird in diesem Szenario über Spartenschließungen und Zusammenlegung von Theatern diskutiert.
Verschärft wird die Situation noch durch einen nachwirkenden Effekt der Coronakrise: Der Anteil der Bevölkerung, der Kulturangebote besucht, wird zunächst - aus Sorge um die Gesundheit – kleiner sein als bislang. Das Publikum rekrutiert sich zudem noch stärker aus denjenigen, die bereits ein hohes Interesse an den Angeboten mitbringen und über die ökonomischen Ressourcen für einen Besuch verfügen. Kulturschaffende – insbesondere Solo-Selbstständige - sind einerseits Leidtragende und könnten doch andererseits zugleich die Gesellschaft weiter entwickeln: Wie können wir unser Leben sozial und ökologisch verträglich führen? Wie lassen sich Menschen zu Verhaltensänderungen motivieren? Wie können wir die Beantwortung solcher Fragen in einer zerstrittenen Gesellschaft ermöglichen? Braucht es dazu nicht kulturelle Werkzeuge? Kurzum: Kultur ist Diskurs- und Demokratievoraussetzung und als solche unverzichtbar.

Als Theater und Opernhäuser im Frühjahr geschlossen werden mussten, hatten sich in den Folgemonaten manche Institutionen und auch Einzelpersonen mit Streamingangeboten beholfen. Die Angebote auf Youtube, Instagram, Facebook oder sonstigen Portalen dienten der Selbstvergewisserung, natürlich dem Marketing, als auch der ständigen Erinnerung: Ja, es gibt sie noch, die Theater, Konzerthäuser, Museen - selbst, wenn sie gerade geschlossen sind. Was im Netz sichtbar wurde, war letztlich ein Verweis auf die irgendwann wieder erfahrbare Realität. „Nach" Corona bleibt zu klären, welches Verhältnis digital und analog, Aura und Abbild zueinander haben werden. Die Corona-Erfahrungen könnten dazu beigetragen haben, den Wert der realen Theatererfahrung wieder neu zu erkennen und zugleich die Chancen der Digitalität zu nutzen. Schon vor der Krise gab es im Kulturbereich Überlegungen und Ansätze zur Nutzung neuer technischer Möglichkeiten, unter anderem am Theater Dortmund (siehe Bühnengenossenschaft 3/16 & 3/18) oder am Staatstheater Augsburg, wo mit Virtual-Reality-Inszenierungen experimentiert wurde. Digitale Formate, so lautet weiterhin die Hoffnung, erhöht die Reichweite kultureller Angebote und macht diese für mehr Menschen zugänglich. Im Kern bleibt aber wahr: Digitale Projekte können analoge Formate begleiten, aber nicht ersetzen. Ebenso eindeutig darf es die künstlerische Leistung nicht umsonst geben, auch nicht im digitalen Raum. So wie eine Eintrittskarte fürs Theater oder eine Oper gekauft wird, muss das auch für digitale Formate möglich sein. Den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern muss Wertschätzung entgegengebracht werden - und auch an vermeintlich altmodische Dinge wie das Urheberrecht ist zu denken. Idealerweise sollten bei all diesen neuen Konzepten die technischen Grundlagen nicht in der Hand großer Konzerne liegen, die sich nicht um europäisches Steuerrecht kümmern. Offene Software und Open-Source-Lösungen stehen für demokratische Standards.

Corona hat die digitale Umgestaltung zwar nicht hervorgebracht, ihr jedoch unfreiwillig ganz neue Dynamik verliehen. Die völlig neuartigen Arbeitsbedingungen in der Krise mit ihrer Dominanz des Digitalen wird von manchen auch für die Zeit nach der Pandemie als große Chance gesehen: Anstatt zwischen analogen und digitalen Inhalten zu unterscheiden, könnten beide Bereiche zusammen gedacht werden und sich gegenseitig verzahnen.

Verzahnung traditioneller Kultur mit einer Vielfalt von digitalen Formaten führt langfristig zu einer Demokratisierung von Kultur. Dazu später mehr.

Die Pandemie hat gezeigt, wie instabil das System Kultur ist. Auf der einen Seite klang Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) schon im Juli irgendwie nach Pfeifen im Walde, als sie als Folge der Krise „eine neue Wertschätzung für Kultur" erhoffte: „Wir alle spüren, wie viel-Lebensqualität uns ohne Kultur verloren geht, wie sehr wir Kunst, Musik und Poesie nötig haben, auch, um Antworten auf die verstörenden Fragen des Daseins zu erhalten." Andererseits diagnostizierte sie im gleichen Interview: „Je länger die Rückkehr zur Normalität dauert, desto dramatischer wird die Lage für die Künstlerinnen und Künstler" - wovon Betroffene ein Lied singen können. Grütters: „Corona hat gezeigt, wie krisenanfällig ihr Lebensmodell ist", weshalb neu gedacht werden müsse: „Künstlerinnen und Künstler müssen von ihrer Arbeit leben können!" Darauf hätte man auch ohne eine Pandemie kommen können.

Die Ministerin reklamiert Systemrelevanz, weil wir „Theater und Konzerthäuser nicht nur als Kulturorte, sondern auch als soziale Orte brauchen, an denen wir mit anderen Menschen zusammenkommen und uns austauschen", weshalb Kultur fundamental für unsere Demokratie sei. Kaum jemand wird ihr widersprechen - es stellt sich aber gerade nach Ende der Krise die Frage nach den praktischen Folgen. Werden Künstlerinnen und Künstler jetzt angemessen bezahlt? Was sind im Bereich der Kultur staatliche Pflichtaufgaben - startet hierzu jetzt eine gesellschaftliche und politische Debatte? Hat Corona womöglich gar die von mancher Seite geforderte neue radikale Experimentierfreudigkeit hin zu mehr Publikumsorientierung befördert? Braucht Kultur vielleicht sogar so etwas wie einen Perspektivenwechsel, der stärker den von Kulturangeboten bisher nicht erreichten Teil der Öffentlichkeit in den Blick nimmt, ohne ausschließlich unter Kommerzaspekten zu agieren?

Mit dem vermeintlichen Gegensatz von Kunst und Kultur einerseits und Sozialem oder Sport andererseits könnte es dann vorbei sein. Kommunale Kämmerer und Finanzpolitiker würden erkennen, dass sich entsprechende Haushaltsposten nicht gegeneinander ausspielen lassen. Christoph Dittrich, Präsident der Kulturstiftung Sachsen, hätte Recht behalten, weil er schon vor Monaten diese Konkurrenz bestritt: „Wenn uns die Corona-Krise irgendwas gelehrt hat, ist es dieses unglaublich symbiotische Verhältnis der kompletten Kulturbranche."

Corona könnte so zum Anlass für eine demokratischere Kulturpolitik geworden sein. Nach Einschätzung des Berliner Instituts for Cultural Governance dominierte dieses Feld bisher eher die Kulturverwaltung, nicht die Politik. Das Berliner Denklabor plädiert für kooperative Strukturen, in denen kulturpolitische Themen mit Kunst- und Kulturschaffenden und Zivilgesellschaft verhandelt, problematisiert und in Politik umgesetzt werden kann. Vorstellbar wären Kulturbeiräte, Runde Tische oder ähnliche Austauschformate zwischen den Akteuren.

Aber Obacht: Bei all dem darf Kunstfreiheit nicht beschädigt werden; auch nach der Krise muss sie unantastbar bleiben. Einflussversuche von Seiten politischer Institutionen bleiben toxisch.

Unabhängig davon wäre möglich, dass auch Politik und Verwaltung die Krise genutzt haben - als Impulsgeber für überfällige Veränderungen. Warum nicht manche starren Zuwendungsrichtlinien flexibilisieren, um bedarfsorientiert Förderkulissen zu sichern? Dass das möglich ist, hat das Berliner Kulturstaatsministerium während der Pandemie bereits gezeigt. Warum nicht die strengen Regelungen des Haushaltsrechts etwa gegen Rücklagenbildungen von Vereinen und Institutionen wenigstens an die Möglichkeiten anpassen, die die Abgabenordnung einräumt?

 

ZURÜCK IN DER REALITÄT

In der bitteren Alltäglichkeit mit ihrem Infektionsgeschehen steht uns ein wahrscheinlich unerfreulicher Winter bevor. Niemand weiß, wie sich die laufende Spielzeit weiter entwickelt. Die Behörde der Kulturstaatsministerin (BKM) hat unter der Überschrift „Neustart Kultur« ein Programm von 1 Milliarde Euro aufgelegt, von denen ein Teil bereits zielgenau abgeflossen ist. Die Unterstützung richtet sich insbesondere an jene Institutionen, Unternehmen und Organisationen, die nicht vornehmlich öffentlich gefördert sind. Trotzdem müssen viele um ihre wirtschaftliche Existenz bangen.

Selbst der Bund der Steuerzahler, sonst nicht unbedingt als theaterfreundlich aufgefallen, warnt in einem Schreiben seines bayerischen Landesvorsitzenden Rolf von Hohenhau an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor einem „Kollaps" und verweist auf immer bessere Hygienekonzepte: »Es nützt nichts, den Künstlern, Geld anzubieten, dafür, dass sie nicht auftreten. Der künstlerische Bereich definiert sich über die Möglichkeit, seine Begabung vor Publikum unter Beweis zu stellen.« Alles andere als ein gangbarer Weg scheint gerade am Oldenburgischen Staatstheater probiert zu werden: Weil, so die Pressestelle, ein Verzicht auf körperliche Nähe auf Bühne künstlerisch nur schwer vorstellbar sei, habe sich das gesamte künstlerische Team der Opernproduktion „Don Pasquale" im September in eine freiwillige Probenquarantäne begeben. Das Pilotprojekt finde in enger Abstimmung mit dem örtlichen Gesundheitsministerium und dem niedersächsischen Kultusministerium statt. Fragen bleiben trotzdem: Wie freiwillig ist „freiwillig"? Kann ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine „freiwillige" Quarantäne nahelegen - für niedrige Gagen? Was passiert, wenn das Experiment schiefgeht? Wohl eher kein Modell für andere. Aber über eine Zeit nach der Pandemie muss das Nachdenken erlaubt sein.

Jörg Rowohlt
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Quelle: FACHBLATT DER GENOSSENSCHAFT DEUTSCHER BÜHNEN-ANGEHÖRIGER 11/20 – Seite 6 - 9

 

Hochleistungssport

Spiel und Kampfsport und Oper haben vieles gemeinsam.
Erfolgreiche Sportler und Sänger verfügen über einen gesunden strapazierfähigen Körper, der darauf brennt, gefordert zu werden,
Der Körperbau ist unterschiedlich und befähigt z.B. zum Laufen als Leichtathlet oder als Schwerathlet zum Kugelstoßen, zum Hammerwerfen, zum Ringen usw.

Bei den Sängern kann man meist schon am Körperbau erkennen, für welche Partien sie grundsätzlich geeignet sind.
Die zierliche Soubrette, die weich weibliche Lyrische und jugendlich Dramatische, die kompakte starke Heldin, der flinke kleine Buffo, der elegante lyrische Bariton, der große stark knochige Held - alle diese Typen sind Vertreter unterschiedlicher Stimmfächer vergleichbar mit Sportdisziplinen.

Aus großer Erfahrung und Verantwortung wird der Sportlehrer leistungsstarke Kinder und Jugendliche für die geeignete Sportart den Vereinen zum Breitensport empfehlen, sangesfreudige Schüler werden Mitglied im Chor und lernen dort vom Blatt zu singen, sich in den Klang einzuordnen, die eigene Stimme kennenzulernen, Harmonien vorauszuhören, Disziplin und vieles mehr.
Je mehr sich ein Sportler, ein Sänger individualisiert wird er ein Spezialtraining oder Gesangsstunden erhalten.
Sporthochschule und Musikhochschule sind der nächste Schritt.
Gesunder Körper, Fleiß, Siegeswille sind sowohl für Sportler als auch für Sänger Voraussetzung für eine dauerhafte Karriere.
Viel Verantwortung liegt bei den Lehrern in der Schule, die von pädagogischen Ethos erfüllt, Talente erkennen und fördern sollen.

Für mich war im Gymnasium das Geräteturnen nichts als grausame Folter, während ich während des Studiums an der Folkwanghochschule nicht genug bekam vom Training in er Tanzabteilung. Und die äußerst nützlichen Pilates-Übungen, die ich dort erlernte, praktiziere ich täglich.
Natürlich sind exzellente Spitzensportler manchmal von der Aura des Außergewöhnlichen umgeben - aber für Sänger ist sie unerlässlich.
Der Siegeswille muss mit dem Ausdruckswillen koordiniert sein, sonst ist die noch so nette Singerei nur für den Hausgebrauch geeignet.

Die Einordnung in die richtige Sportart, das richtige ‘Fach‘ ist eine schwierige Entscheidung die aber von erfahrenen Lehrern und von verantwortungsvollen Theaterleitern richtig gehandhabt werden muss.

Auch überragt der künstlerische Ausdruckswille die rein sportliche Tätigkeit um eine unfassbare Dimension.

Die Komponisten - als Kenner der menschlichen Natur - haben die Figuren ihrer Werke - abgesehen von modischen Strömungen der Zeit - mit Bedacht für hohe, mittlere oder tiefe, für leichte oder schwere Stimmen komponiert.
Wir nehmen das als gegeben hin, aber Mozart, Wagner, Puccini, Strauss saßen auch einmal vor einem leeren Blatt Papier.
Die akustische und optische Imagination - wie zum Beispiel eine Figaro Gräfin oder eine 'Rosenkavalier'-Marschallin zu klingen und auszusehen haben, kann man vom Komponisten vom Intendanten und vom Regisseur erwarten, aber um sich zu profilieren und ins Gerede zu bringen, von der Presse beachtet zu werden, um Erfolg zu haben, um viel Geld zu verdienen, kennt der Egoismus der Regisseure und vieler Theaterleiter keine Grenzen der Fürsorgepflicht und Menschlichkeit.

Da aber die meisten Intendanten heute aus der Gilde der Dramaturgen stammen, also reine Schreibtischtäter sind, von denen der unvergessene Praktiker Prof. Günter Roth behauptete, sie könnten nicht einmal von rechts nach links über die Bühne gehen, fehlt ihnen der Zugang zur harten schweißtreibenden Arbeit der Sänger, für die ihnen meist ein nasegerümpftes  „IGITT“ ins Gesicht geschrieben steht.

Bei Einführungsveranstaltungen für das Publikum wird dieses mit einem kataklysmischen Wortschwall eingeschüchtert, sodass niemand noch so drängende Fragen nach dem bevorstehenden Regie Unsinn zu stellen wagt.

Aber wohl dem Theater, dessen Dramaturgen das tun, was sie sollen, nämlich Stücke einzuplanen, die den Möglichkeiten des Hauses angemessen sind, ein großes Publikum ins Haus holen und lesenswerte Programmhefte gestalten.

Zu derzeitigen publikumsvertreibenden Regie-Hybris passt aus der Welt des Sports ein Wort des FC Bayern-Helden Thomas Müller:
„Das ist nicht das Niveau, das wir spielen wollen!“
HAZ 9. März 2020 Seite 17.

Wenn eine Theaterleitung seine Sänger nach amerikanischem Vorbild als Material für ‘hire and fire‘ behandelt, ist es inhuman und aufs Schärfste abzulehnen.

Wenn die Schreibtischtäter wüssten, welche sportliche Willensleistung hinter den schweren Phrasen steckt, die sich aufbauen und dann im Spitzenton ihren Höhepunkt finden!
Der Vergleich mit Anlauf und Hochsprung liegt nahe.

Über das rein Sportliche hinaus, hat aber der Spitzenton die Aussage von äußerster emotionaler Spannung und Erregung der Figur zum Inhalt. Diese Spannung teilt sich dem Publikum mit und kann es geradezu in Raserei versetzen, wie etwas das ‘vincero‘ in der ‘Nessun dorma Arie‘ aus Turandot.

Aber glücklicherweise besteht die Oper nicht nur aus Hochtonakrobatik oder Hochgeschwindigkeitskoloraturen so bewundernswert sie als sportliches Ereignis auch sein mögen.

Die Ausdruckskraft eines beseelten Tons, der zu Herzen geht, ist für die, die Ohren haben zu hören, genau so wertvoll wie alles Getöse der sportlichen Spitzentöne.

Warum schämen wir uns dafür, dass außer dem Business und dem Finanzreichtum der innere Reichtum an Schönheit, Zärtlichkeit, Innigkeit Werte sind, die das Leben lebenswert machen. Die Masse allerdings, die bei Pop und Rock selbstzufrieden mitgröhlt und im Zweiertakt mitstampft, müssen wir zur Kenntnis nehmen als eine Mehrheit, die bei der entsprechenden Fanatisierung auch schnell wieder in den Marschtritt verfällt.

Um den Theaterleitern in ihrer Unkenntnis über die stimmlichen und körperlichen Gegebenheiten der Sänger zu Hilfe zu kommen, schrieb Dr. Rudolf Kloiber, Musikwissenschaftler und Dirigent, laut Bühnenjahrbuch 1940, 1. Kapellmeister am Theater der Ostmark Regensburg, wohnhaft Sternbergstraße 23, Telefon 5316 - 1973 das ‘Handbuch der Oper‘.
Er wusste also wie viel Unheil durch falsche Besetzung angerichtet werden kann.
Als ich seine Witwe kennenlernte, erfuhr ich, welche endlosen Schwierigkeiten Dr. Kloiber hatte, für sein so wichtiges Handbuch einen Verlag zu finden.


Er schreibt im Vorwort

 

 

 

Zitat
Die Ausführungen dieses Buches erstrecken sich auf alle Gattungen von Bühnenstücken, bei denen eine Handlung ganz oder überwiegend durch musikalische Mittel in Verbindung mit dem gesungenen Wort gestaltet ist also auf Oper, Musikdramen, Singspiele, musikalische Lustspiele, szenische Oratorien, dramatische Kantaten, Intermezzi - nicht aber auf Operetten, Musicals, Ballette, Schauspiel und Inzidenzmusik.
Der erste Abschnitt befasst sich mit detaillierten Beschreibungen derjenigen Werke, welche an den Opernbühnen laufend im Repertoire stehen und von Zeit zu Zeit immer wieder einmal zur Aufführung gelangen und die auch teilweise in Rundfunk- und Schallplatten Aufzeichnungen zu hören sind.
Aus dem Gegenwartsschaffen sind vor allem die Schöpfungen berücksichtigt, die auf dem Gebiet des musikalischen Theaters neue Entwicklungstendenzen aufzeigen und daher ein aktuelles Interesse beanspruchen.
Bei den Ausführungen über die einzelnen Werke sind die Aufgabenkreise sämtliche an einer Opernaufführung beteiligten künstlerischen Kräfte berücksichtigt.

Anschließend folgen Betrachtungen über pragmatische Besetzungsfragen.
Ein Fachpartien-Verzeichnis für alle Stimmgattungen die zur Orientierung über Einsatzmöglichkeiten der Sänger in Werken von Monteverdi bis Richard Strauss.

Weiterhin bietet ein operngeschichtlicher Abriss die Möglichkeiten, sich kurz über die historisch stilistische Entwicklung des musikalischen Dramas und der Oper zu informieren.

In dem abschließenden Kapitel werden in alphabetischer Reihenfolge Opernkomponisten aus dem gesamten europäischen Kulturraum aufgezählt, deren Werke teils in historischer Sicht Erwähnung verdienen, teils im Musikleben unserer Zeit verankert sind.

Bei den einzelnen Autoren sind die Lebensdaten sowie eine kurze stilistische Charakterisierung ihres Werkes, außerdem die Anzahl und die Titel der erfolgreichen Opern, verzeichnet.
In Klammern angeführte Jahreszahlen und Ortsnamen bedeuten Jahr und Ort der Uraufführung, alleinstehende Jahreszahlen das Jahr der Entstehung.
Werke heiteren Inhalts erfahren die Bezeichnung ‘k.O‘ (komische Oper), einaktige Stücke den Zusatz ‘E‘.
Weitere Angaben vermerken die Angaben der Textautoren, Neuausgaben und Neubearbeitungen, markante Textübersetzungen sowie die Verlage, von denen das Aufführungsmaterial bezogen werden kann.
Bei Komponisten, deren Werke ausführlich behandelt sind, erscheint diese lexikalische Angabe im ersten Abschnitt unmittelbar unter dem Namen des Autors.
München, 1973 – Dr. Rudolf Kloiber

Zitatende


Viele Jahre fehlte ‘Der Kloiber‘ in keinem Schrank eines Intendantenbüros und die fachkundige Erweiterung durch Dr. Wulf Konold und Robert Maschka machten das Handbuch unentbehrlich.

Die Einteilung in Fächer haben die Sänger begleitet und vor Überforderung bewahrt. Natürlich verändert sich der menschliche Körper und damit auch die Stimme.
Ein behutsamer Fachwechsel kann stattfinden. Ich selbst erhielt von meinem Münchener Chef, Joseph Keilberth, den Rat - nachdem er mich wie vor jeder ‘Salome‘-Vorstellung als Page begrüßt hatte: “Die Beine sind da, da kann ich ja anfangen“ und auf meine Frage, was ich weiter machen soll: „Geh‘ an ein kleines Haus und sing dich durchs Repertoire!“
Wie weise!

Wann welche Partie dem Leistungsstand und Alter angemessen ist, sollte zum Allgemeinwissen eines Intendanten und Dirigenten gehören.
Wie weit entfernt von der Ethik des wunderbaren Satzes, den Barack in der ‘Frau ohne Schatten‘ singt:
“Mir anvertraut, dass ich sie hege“ -
ist das Verhalten einiger Theaterleiter.

Natürlich ist es angenehm, einem Freundeskreis anzugehören, in dem ähnlich gesellschaftliche Interessen vertreten werden, wie sie für sich selbst wichtig sind. Da gibt es die Weinfreunde, die Feinschmecker, die Skatfreunde, die Wanderclubs, die Heimatvereine und vieles mehr was der Förderung eines noblen Zieles oder der heiteren Geselligkeit dient.
Daneben gibt es leider auch Zusammenschlüsse von Gleichgesinnten, die anfechtbar und kriminell sind. Großfamilien, die deutsche Gesetze nicht anerkennen, Clubs aller Art, die sich Geschäfte zuschieben, weltweite Bruderschaften, so dass der Kunstfreund sich wundert, wieso eine sexuelle Ausrichtung die Regie dominiert.
Da wird eine solide Kenntnis der Stimmfächer oft genug für eine sensationelle Besetzung ‘gegen das Fach‘ oder sonstigen Unfug geopfert - oder wie ein promovierter Dramaturg meinte als der Erik besetzt werden sollte, aber nur ein leichter Operettentenor vorhanden war:
“Der ist Tenor, der muss das können!“

Für die Sportler kann man nur hoffen, dass sie nicht in die falsche Disziplin gedrängt werden, während sich viele Theaterleiter über die vermeintliche kleinkarierte Pingeligkeit des ‘Kloiber‘ amüsieren.
Wer hat die Kenntnis und den Mut, die allzu Ehrgeizigen zurückzuhalten, dass sie nicht zu früh oder überhaupt ins besser bezahlte schwerere oder gar ins Heldenfach wechseln?
Dann wird gedrückt, gepresst, gestemmt, so dass irgendwann nach einigen Tönen schon geatmet werden muss - leider weiß ich davon und von wem ich berichte.
Bei den überstrapazierten Stimmen, die ein zu schweres Fach aus eigener Fehleinschätzung und des Geldes wegen singen, macht sich ein Anjaulen der Töne und dann ein langsames Vibrato bis hin zur schlimmen ‘Quintenschaukel‘ bemerkbar.

Dem Intendanten ist es egal und der Dirigent ist stolz den ‘Tristan‘, den ‘Ring‘ oder die ‘Elektra‘ dirigiert zu haben.
In einem gut sortierten Ensemble hat jeder seinen Platz und kann sich auch gut behütet entwickeln.
‘Der Kloiber‘ ist ein wertvolles Handbuch, das konsequent benutzt, Irrtümer und viel Leid verhindert.


 

 

Zitat
SOUBRETTE

d'Albert, Tote Augen: Arsinoe
Boieldieu, Weiße Dame: Jenny
Donizetti, Liebestrank: Gianetta
Haydn, Apotheker: Grilletta
Lortzing, Wildschütz:
Gretchen
Waffenschmied: Marie
Opernprobe: Hannchen
Mozart, La finta giardiniera: Serpetta
Figaro: Barbarina
Zauberflöte: Papagena
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Rosaura
Vier Grobiane: Lucieta
 

LYRISCHER KOLORATURSOPRAN
(KOLORATURSOUBRETTE)

Adam, Postillon: Madeleine
Auber, Fra Diavolo: Zerline
Berlioz, Batrice und Benedict: Hero
Bialas, Aucassin und Nicolette: Nicolette
Bizet
, Perlenfischer: Leila
Boieldieu, Weiße Dame: Anna
Britten, Sommernachtstraum: Titania
Cimarosa, Heimliche Ehe: Carolina
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Leonore
Donizetti, Viva la Mamma: Corilla Sartinecchi
Liebestrank: Adina
Lucia di Lammermoor: Lucia
Regimentstochter: Marie
Don Pasquale: Norina
Dvorak, Jakobiner: Terinka
Flotow, Stradella: Leonore
Martha: Lady Harriet
Gluck, Pilger von Mekka: Rezia
Halévy, Jüdin: Prinzessin Eudoxia
Henze, Boulevard Solitude: Manon Lescaut
König Hirsch: Scolatella
Elegie für junge Liebende: Hilda Mack
Bassariden: Antonoe/Proserpina
Englische Katze: Minette
Ligeti, Le Grand Macabre: Chef der Gepopo
Massenet, Manon: Manon
Meyerbeer, Hugenotten: Page
Mozart, La finta semplice: Rosina
Ascanio in Alba: Silvia
La finta giardiniera: Sandrina
Il re pastore: Elisa
Entführung: Blonde
Der Schauspieldirektor: Mlle Silberklang/Mme Herz
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Olympia
Pfitzner, Christ-Elflein: Elflein
Puccini, La Bohème: Musette
Reimann, Melusine: Melusine
Rimskij-Korssakow, Der goldene Hahn: Königin von Sehemacha
Smetana, Zwei Witwen: Karoline
Strauss, Rosenkavalier: Sophie
Ariadne: Zerbinetta
Arabella: Fiaker-Milli
Schweigsame Frau: Aminta
Thomas, Mignon: Philine
Verdi, Rigoletto: Gilda
Maskenball: Oskar
Wagner, Siegfried: Waldvogel
Weber, Abu Hassan: Fatime
Freischütz, Ännchen
Wolf-Ferrari, Susannens Geheimnis: Susanna

DRAMATISCHER KOLORATURSOPRAN

d'Albert, Tote Augen: Myrtocle
Auber, Stumme von Portici: Elvira
Bellini, Norma: Norma
Puritaner: Elvira
Berg, Lulu: Lulu
Berlioz, Benvenuto Cellini: Teresa
Britten, Albert Herring: Miss Wordsworth
Cherubini, Medea: Kreusa
Donizetti, Anna Bolena: Anna Bolena
Glinka, Ruslan und Ludmila: Ludmila
Gounod, Margarethe: Margarethe
Händel, Otto und Theophano: Theophano
Julius Caesar: Cleopatra
Rodelinde: Rodelinde
Hindemith, Cardillac: Cardillacs Tochter
Klebe, Jacobowsky und der Oberst: Marianne Deloupe
Lortzing, Undine: Berthalda
Meyerbeer, Hugenotten: Margarethe
Monteverdi, Krönung der Poppea: Poppea
Mozart, Mitridate: Aspasia
Ascanio in Alba: Venus
Entführung: Konstanze
Don Giovanni: Donna Anna, Donna Elvira
Cosi fan tutte: Fiordiligi
Titus: Vitellia
Zauberflöte: Königin der Nacht
Nicolai, Lustige Weiber: Frau Fluth
Puccini, Manon Lescaut: Manon
Strauss, Helena: Aithra
Daphne: Daphne
Verdi, Nabucco: Abigail
Attila: Odabella
Luise Miller: Luise
Troubadour: Leonore
Traviata: Violetta
Sizilianische Vesper: Herzogin Elena
Falstaff: Alice
Weber, Oberon: Rezia
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane: Felice
Zimmermann, Soldaten: Marie

LYRISCHER SOPRAN

d'Albert, Tiefland: Nuri
Beethoven, Fidelio: Marzelline
Bizet, Carmen: Micaela
Britten, Sommernachtstraum: Helena
Cimarosa, Heimliche Ehe: Lisetta
Cornelius, Barbier: Margiana
Delius, Romeo und Julia auf dem Dorfe: Vrenchen
Donizetti, Viva la Mamma: Luigia Boschi
Egk, Revisor: Marja
Glinka, Ruslan und Ludmila: Gonislawa
Gluck, Betrogener Kadi: Zelmire
Orpheus: Eurydike
Goetz, Der Widerspenstigen Zähmung: Bianca
Haydn, Belohnte Treue: Nenina Hindemith, Mathis der Maler: Regina
Humperdinck, Hänsel und Gretel: Gretel
Janacek, Jenufa: Karolka
Ligeti, Le Grand Macabre: Clitoria
Lortzing, Zar: Marie
Undine: Undine
Opernprobe: Luise
Massenet, Werther: Sophie
Mozart, Bastien: Bastienne
Figaro: Susanna
Don Giovanni: Zerlina
Zauberflöte: Pamina
Mussorgskij, Boris: Xenia
Jahrmarkt von Sorotschinzy: Parassja
Nicolai, Lustige Weiber: Anna
Paisiello, Barbier von Sevilla: Rosina
Pergolesi, Magd als Herrin: Serpina
Pfitzner, Armer Heinrich: Agnes
Palestrina: Ighino
Christ-Elflein: Christkindchen
Puccini, Schwester Angelica: Schwester Genoveva
Gianni Schicchi: Lauretta
Turandot: Liü
Rimskij-Korssakow, Märchen vom Zaren Saltan: Prinzessin Swanhild
Rossini, Tell: Gemmy
Smetana, Verkaufte Braut: Marie
Strauss, Ariadne: Echo
Arabella: Zdenka
Strawinsky, The Rake's Progress: Ann
Telemann, Pimpinone: Vespetta
Wagner, Tannhäuser: Hirt
Rheingold: Wellgunde
Weber, Oberon: Fatime
 

JUGENDLICH-DRAMATISCHER SOPRAN

Berg, Wozzeck: Marie
Boito, Mefistofele: Margarete/Helena
Busoni, Turandot: Turandot
Doktor Faust: Herzogin von Parma
Charpentier, Louise: Louise
Cilea, Adriana Lecouvreur:
Adriana Lecouvreur
Dvorak, Rusalka: Rusalka
Jakobiner: Julia
Egk, Peer Gynt: Solveig
de Falla, Kurzes Leben: Salud
Fortner, Bluthochzeit: Braut
Giordano, André Chénier: Madeleine von Coigny
Glinka, Leben für den Zaren: Antonida
Gluck, Iphigenia (Aulia): Iphigenia
Gounod, Mireille: Mireille
Halévy, Jüdin: Rachel (Recha)
Henze, König Hirsch: Mädchen
Elegie für junge Liebende: Elisabeth Zimmer
Hindemith, Sancta Susanna: Susanna
Cardillac (Originalfassung): Dame
Humperdinck, Königskinder: Gänsemagd
Janacek, Jenufa: Jenufa
Katja Kabanowa: Katja
Kienzl, Evangelimann: Martha
Korngold, Tote Stadt: Marietta
Krenek, Jonny spielt auf: Anita
Marschner, Vampyr: Maiwina/Janthe
Hans Heiling: Anna
Menotti, Konsul: Magda Sorel
Monteverdi, Krönung der Poppea: Drusilla
Mozart, Figaro: Gräfin
Don Giovanni: Donna Elvira
Nono, Intolleranza 1960: Gefährtin
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Giulietta
Orff, Die Kluge: Des Bauern Tochter
Ponchielli, La Gioconda: Gioconda
Puccini, La Bohme: Mimi
Butterfly: Butterfly
Mantel: Georgette
Reimann, Lear: Regan/Cordelia
Rimskij-Korssakow, Märchen vom Zaren Saltan: Zarin Militrissa
Rossini, Tell: Mathilde
Schreker, Der ferne Klang: Grete
Die Gezeichneten: Carlotta Nardi
Smetana, Zwei Witwen: Agnes
Strauss, Feuersnot: Diemut
Elektra: Chrysothemis
Tschaikowskij, Onegin: Tatjana
Pique-Dame: Lisa
Verdi, Nabucco: Fenena
Ernani: Elvira
I due Foscari: Lucrezia Contarini
Räuber: Amalia
Simone Boccanegra: Maria
Otello: Desdemona
Wagner, Rienzi: Irene
Tannhäuser: Elisabeth
Lohengrin: Elsa
Meistersinger: Eva
Rheingold: Freia
Weber, Freischütz: Agathe
Euryanthe: Euryanthe
Wolf, Corregidor: Frasquita
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Eleonora
Vier Grobiane: Marina
Sly: Dolly
Zemlinsky, Kleider machen Leute: Nettchen
 

DRAMATISCHER SOPRAN

d'Albert, Tiefland: Marta
Beethoven, Fidelio: Leonore
Berlioz, Trojaner: Dido
Borodin, Igor: Jaroslawna
Britten, Peter Grimes: Ellen Orford
Albert Herring: Lady Billows Cherubini, Medea: Medea
Gluck, Alkeste: Alkeste
Iphigenia (Tauris): Iphigenia
Hindemith, Cardillac (Neufassung): Erste Sängerin der Oper
Mathis der Maler: Ursula
Janacek, Jenufa: Küsterin
Sache Makropoulos: Emilia Marty
Mascagni, Cavalleria: Santuzza
Meyerbeer, Hugenotten: Valentine
Mussorgskij, Boris: Marina
Orff, Antigonae: Antigonae
Penderecki, Teufel von Loudun: Jeanne
Pfitzner, Armer Heinrich: Hilde
Prokowjew, Liebe zu den drei Orangen: Fata Morgana
Puccini, Tosca: Tosca
Mädchen aus dem goldenen Westen: Minnie
Schwester Angelica: Angelica
Turandot: Turandot
Reimann, Lear: Goneril
Schillings, Mona Lisa: Mona Lisa
Schoeck, Penthesilea: Prothoe
Schönberg, Erwartung: Frau
Schostakowitsch, Lady Macbeth von Mzensk: Katerina Ismailowa
Smetana, Dalibor: Milada
Strauss, Salome: Salome
Elektra: Elektra
Rosenkavalier: Feldmarschallin
Ariadne: Ariadne
Frau ohne Schatten: Färberin
Intermezzo: Christine
Helena: Helena
Arabella: Arabella
Capriccio: Gräfin
Verdi, Macbeth: Lady Macbeth
Maskenball: Amelia
Macht des Schicksals: Leonore
Don Carlos: Elisabeth
Aida: Aida
Wagner, Holländer: Senta
Tannhäuser: Venus Tristan: Isolde
Walküre: Brünnhilde
Siegfried: Brünnhilde
Götterdämmerung: Brünnhilde/Gutrune
Wolf, Corregidor: Mercedes

KOLORATUR-MEZZOSOPRAN

Rossini, Italienerin in Algier: Isabella
Barbier: Rosina
La Cenerentola: Angelina
 

LYRISCHER MEZZOSOPRAN

Bizet, Carmen: Mercedes
Britten, Albert Herring: Nancy Waters
Sommernachtstraum: Hermia
Haydn, Belohnte Treue: Amaranta
Humperdinck, Hänsel und Gretel: Hänsel
Ligeti, Le Grand Macabre: Spermando
Massenet, Werther: Charlotte
Mozart, Bastien: Bastien
Figaro: Cherubin
Cosi fan tutte: Dorabella
Titus: Annius
Nicolai, Lustige Weiber: Frau Reich
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Niklaus
Pfitzner, Palestrina: Silla
Puccini, Butterfly: Suzuki
Strauss, Rosenkavalier: Annina
Ariadne: Dryade
Thomas, Mignon: Mignon
Verdi, Rigoletto: Maddalena
Wagner, Meistersinger: Magdalena
Rheingold: Floßhilde
Götterdämmerung: Wellgunde
Weber, Oberon: Puck
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Beatrice
 

DRAMATISCHER MEZZOSOPRAN

Bartok, Herzog Blaubarts Burg: Judith
Bellini, Norma: Adalgisa
Puritaner: Henrietta von Frankreich
Berg, Lulu: Gräfin Geschwitz
Berlioz, Trojaner: Kassandra
Cilea, Adriana Lecouvreur: Fürstin von Bouillon
Donizetti, Anna Bolena: Johanna Seymour
Dukas, Ariane und Blaubart: Ariane
Einem, Besuch der alten Dame: Claire Zachanassian
Fortner, Bluthochzeit: Mutter
Gluck, Iphigenia (Aulis): Klytämnestra
Henze, Bassariden: Agauel Venus
Humperdinck, Hänsel und Gretel: Mutter
Janacek, Katja Kabanowa: Kabanicha
Marschner, Hans Heiling: Königin der Erdgeister
Menotti, Konsul: Sekretärin
Mussorgskij, Chowanschtschina: Marfa
Jahrmarkt von Sorotschinzy Chiwrja
Nono, Intolleranza 1960: Frau
Ponchielli, La Gioconda: Laura
Puccini, Gianni Schicchi: Zita
Rossini, Tell: Hedwig
Saint-Sans, Samson: Dalila
Schoeck, Penthesilea: Penthesilea/ Meroe
Strauss, Salome: Herodias
Elektra: Klytämnestra
Rosenkavalier: Octavian
Ariadne: Komponist
Frau ohne Schatten: Amme
Arabella: Adelaide
Capriccio: Clairon
Tschaikowskij, Pique-Dame: Gräfin
Verdi, Luise Miller: Amalia
Macht des Schicksals: Preziosilla
Don Carlos: Eboli
Wagner, Rienzi: Adriano
Lohengrin: Ortrud
Tristan: Brangäne
Rheingold: Fricka
Walküre: Fricka
Götterdämmerung: Waltraute
Parsifal: Kundry
Weber, Euryanthe: Eglantine
Zimmermann, Soldaten: Charlote/Stolzius' Mutter

SPIELALT

Auber, Fra Diavolo: Pamela
Britten, Albert Herring: Floret Pike
Cilea, Adriana Lecouvreur: Mademoiselle Dangeville
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Claudia
Egk, Revisor: Anna
de Falla, Kurzes Leben: Großmutter
Flotow, Martha: Nancy
Fortner, Bluthochzeit: Magd/Frau Leonardos
Giordano, André Chénier: Bersi
Gluck, Betrogener Kadi: Fatime
Gounod, Margarethe: Marthe
Mireille: Taven
Haydn, Welt auf dem Monde: Lisetta
Henze, Englische Katze: Babette
Lortzing, Waffenschmied: Irmentraut
Marschner, Hans Heiling: Gertrud
Mascagni, Cavalleria: Lola
Mozart, Figaro: Marcellina
Puccini, Mantel: Frettchen
Reimann, Melusine: Madame Laperouse
Rimskij-Korssakow, Mainacht: Hanna
Märchen vom Zaren Saltan: Muhme Babaricha
Verdi, Falstaff. Meg Page
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane: Margherita

LYRISCHER ALT

Cornelius, Barbier: Bostana
Glinka, Leben für den Zaren: Wanja
Ruslan und Ludmila: Ratmir
Gluck, Orpheus (Wiener Fassung): Orpheus
Haydn, Belohnte Treue: Celia
Kienzl, Evangelimann: Magdalena
Lortzing, Wildschütz: Gräfin
Mozart, Mitridate: Farnace
Puccini, Gianni Schicchi: Ciesca
Verdi, Falstaff: Mrs. Quickly
Wagner, Götterdämmerung: Floßhilde
Holländer: Mary

DRAMATISCHER ALT

d'Albert, Tote Augen: Maria von Magdala
Cherubini, Medea: Neris
Debussy, Pelleas: Genoveva
Dvorak, Rusalka: Hexe
Egk, Peer Gynt: Aase
Fortner, Bluthochzeit: Schwiegermutter Leonardos
Händel, Julius Caesar: Cornelia
Hindemith, Sancta Susanna: Klementia
Humperdinck, Königskinder: Hexe
Janacek, Jenufa: Alte Buryja
Mascagni, Cavalleria: Lucia
Menotti, Konsul: Mutter
Reimann, Melusine: Pythia
Strauss, Daphne: Gaea

CONTRATENOR

Britten, Sommernachtstraum: Oberon
Reimann, Lear: Edgar

SPIELTENOR (TENORBUFFO)

Adam, Postillon: Marquis
Auber, Fra Diavolo: Beppo
Beethoven, Fidelio: Jaquino
Bizet, Carmen: Dancairo/Remendado
Boieldieu, Weiße Dame: Dikson
Busoni, Turandot: Truffaldino
Cornelius, Barbier: Mustapha
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Sichel
Flotow, Stradella: Barbarino
Gluck, Pilger von Mekka: Osmin
Haydn, Apotheker: Mengone
Welt auf dem Monde: Cecco
Humperdinck, Königskinder: Besenbinder
Leoncavallo, Bajazzo: Beppo
Lortzing, Undine: Veit
Waffenschmied: Georg
Mozart, La finta giardiniera: Don Anchise
Entführung: Pedrillo
Figaro: Basilio / Don Curzio
Zauberflöte: Monostatos
Mussorgskij, Boris: Missail
Nicolai, Lustige Weiber: Spärlich
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Andreas/Cochenille/Pitichinaccio/
Franz
Pfitzner, Christ-Elflein: Frieder/ Jochen
Puccini, Tosca: Spoletta
Butterfly: Goro
Mantel: Stockfisch
Turandot: Pang/Pong
Smetana, Verkaufte Braut: Wenzel
Strauss, Rosenkavalier: Valzacchi
Ariadne: Tanzmeister/Scaramuccio
Thomas, Mignon: Friedrich/Laertes
Verdi, Macht des Schicksals: Trabuca
Falstaff. Bardolph
Wagner, Meistersinger: David
Wolf, Corregidor: Pedro

LYRISCHER TENOR

Adam, Postillon: Chapelou
Auber, Stumme von Portici: Alfonso
Fra Diavolo: Lorenzo
Berg, Wozzeck: Andres
Lulu: Maler/Neger
Berlioz, Beatrice und Benedict: Benedict
Bizet, Perlenfischer: Nadir
Boieldieu, Weiße Dame: George Brown
Britten, Albert Herring: Albert Herring
Sommernachtstraum: Lysander
Busoni, Arlecchino: Leandro
Doktor Faust: Herzog von Parma
Cilea, Adriana Lecouvreur: Abbé von Chazenil
Cimarosa, Heimliche Ehe: Paolino
Cornelius, Barbier: Nurredin
Delius, Romeo u. Julia auf dem Dorfe: Sali
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Gotthold
Donizetti, Viva la Mamma: Guglielmo Antolstoinolonoff
Liebestrank: Nemorino
Lucia: Edgardo
Regimentstochter: Tonio
Don Pasquale: Ernesto
Dvorak, Jakobiner: Jiri
Egk, Revisor: Chlestakow
Flotow, Stradella: Stradella
Martha: Lyonel
Fortner, Bluthochzeit: Mond
Gluck, Betrogener Kadi: Nuradin
Pilger von Mekka: Ali
Goetz, Der Widerspenstigen Zähmung: Lucentio
Gounod, Mireille: Vincent
Haydn, Welt auf dem Monde: Ecclitico
Belohnte Treue: Fileno/Lindoro
Henze, Boulevard Solitude: Armand des Grieux
Elegie für junge Liebende: Toni Reischmann
Hindemith, Cardillac (Neufassung): Geselle
Janacek, Katja Kabanowa: Boris
Sache Makropoulos: Janek
Lortzing, Zar: Chateauneuf/Iwanow
Wildschütz: Baron
Opernprobe: Der junge Baron
Martinu, Griechische Passion: Michelis/Yannakos
Massenet, Manon: Des Grieux
Mozart, La finta semplice: Don Polidoro
Ascanio in Alba: Aceste
La finta giardiniera: Belfiore
Idomoneo: Idamantes
Entführung: Belmonte
Schauspieldirektor: Vogelsang
Don Giovanni: Ottavio
Cosi fan tutte: Ferrando
Zauberflöte: Tamino
Nicolai, Lustige Weiber: Fenton
Paisiello, Barbier von Sevilla: Graf Almaviva
Pfitzner, Palestrina: Abdisu/ Bischof von Budoja
Puccini, Manon Lescaut: Edmond
Butterfly: Linkerton
Gianni Schicchi: Rinuccio/Gherardo
Ravel, Spanische Stunde: Gonzaivo
Rossini, Italienerin in Algier: Lindoro
Türke in Italien: Don Narciso
Barbier: Graf
La Cenerentola: Ramiro
Tell: Arnold
Schillings, Mona Lisa: Arrigo
Smetana, Zwei Witwen: Ladislav
Strauss, Schweigsame Frau: Henry Morosus
Daphne: Leukippos
Thomas, Mignon: Wilhelm Meister
Tschaikowskij, Onegin: Lenskij
Verdi, Macbeth: Malcolm
Rigoletto: Herzog
Traviata: Alfred
Othello: Cassio
Falstaff.
Fenton
Wagner, Rienzi: Baroncelli
Holländer: Steuermann
Tannhäuser: Walther
Weber, Abu Hassan: Hassan
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Florindo/Leandro
Vier Grobiane: Filipeto

JUGENDLICHER HELDENTENOR

d'Albert, Tiefland: Pedro
Tote Augen: Galba
Auber, Fra Diavolo: Diavolo
Stumme von Portici: Masaniello
Beethoven, Fidelio: Florestan
Bellini, Norma: Sever
Puritaner: Lord Arthur Talbot
Berg, Lulu: Alwa
Berlioz, Benvenuto Cellini: Benvenuto Cellini
Bizet, Carmen: Don José
Boito, Mefistofele: Faust
Borodin, Fürst Igor: Wladimir Igorewitsch
Britten, Billy Budd: Edward Fairfax Vere
Busoni, Turandot: Kalaf
Doktor Faust: Mephistopheles
Charpentier, Louise: Julien
Cherubini, Medea: Jason
Cilea, Adriana Lecouvreur: Moritz von Sachsen
Dessau, Verurteilung des Lukullus: Lukullus
Donizetti, Anna Bolena: Percy
Lucia: Arthur
Dvorak, Rusalka: Prinz
de Falla, Kurzes Leben: Paco
Giordano, André Chénier: André Chénier
Glinka, Leben für den Zaren: Bogdan Sobinin
Gluck, Orpheus (Pariser Fassung): Orpheus
Alkeste: Admetos
Iphigenia (Aulis): Achilles
Iphigenia (Tauris): Pylades
Gounod, Margarethe: Faust
Halevy, Jüdin: Eleazar
Henze, König Hirsch: König
Bassariden: Dionysos
Hindemith, Cardillac (Original-fassung): Offizier/Kavalier
Cardillac (Neufassung): Junger Kavalier
Mathis der Maler: Hans Schwalb
Humperdinck, Königskinder: Königssohn
Janek, Jenufa: Laca
Katja Kabanowa: Tichon
Sache Makropoulos: Albert Gregor
Kienzl, Evangelimann: Matthias
Klebe, Jacobowsky und der Oberst: Oberst Stjerbinsky
Krenek, Jonny spielt auf: Max
Leoncavallo, Bajazzo: Canio
Lortzing, Undine: Hugo
Marschner, Vampyr: Edgar Aubry
Hans Heiling: Konrad
Martinü, Griechische Passion: Manolios
Meyerbeer, Hugenotten: Raoul
Mascagni, Cavalleria: Turiddu
Mozart, Mitridate: Mithridates
Il re pastore: Alexander
Idomeneo: Idomeneo
Titus: Titus
Mussorgskij, Boris: Grigorij
Chowanschtschina: Fürst Andrej Chowanskj
Jahrmarkt von Sorotschinzy: Gritzko
Nono, Intolleranza 1960: Emigrant
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Hoffmann
Orff, Antigonae: Hämon
Pfitzner, Palestrina: Palestrina
Ponchielli, La Gioconda: Enzo Grimaldo
Prokofjew, Liebe zu den drei Orangen: Prinz
Puccini, Manon Lescaut: Des Grieux
La Bohème: Rudolf
Tosca: Cavaradossi
Mädchen aus dem goldenen Westen: Johnson
Mantel: Henri
Turandot: Kalaf
Reimann, Lear: Edmund
Rimskij-Korssakow, Mainacht: Lewko
Märchen vom Zaren Saltan: Prinz Gwidon
Saint-Sans, Samson: Samson
Schillings, Mona Lisa: Giovanni
Schoeck, Penthesilea: Diomedes
Schostakowitsch, Lady Macbeth von Mzensk: Sergej
Schreker, Der ferne Klang: Fritz
Die Gezeichneten: Alviano Salvago
Smetana, Verkaufte Braut: Hans
Dalibor: Dalibor
Strauss, Salome: Narraboth
Frau ohne Schatten: Kaiser
Intermezzo: Baron
Helena: Menelas
Daphne: Apollo
Capriccio: Flamand
Strawinsky, The Rake's Progress: Tom Rakewell
Verdi, Nabucco: Ismael
Ernani: Ernani
I due Foscari: Jacopo Foscari Attila: Foresto
Macbeth: Macduff
Räuber: Karl
Luise Millcr: Rudolf
Troubadour: Manrico
Sizilianische Vesper: Arrigo
Simone Boccanegra: Adorno
Maskenball: Richard
Macht des Schicksals: Alvaro
Don Carlos: Carlos
Aida: Radamès
Wagner, Holländer: Erik
Lohengrin: Lohengrin
Parsifal: Parsifal
Weber, Freischütz: Max
Euryanthe: Adolar
Oberon: Hüon/Oberon
Wolf-Ferrari, Sly: Sly
Zemlinsky, Kleider machen Leute: Wenzel Strapinski
Florentinische Tragödie: Guido Bardi
Zimmermann, Soldaten: Desportes

HELDENTENOR

Berlioz, Trojaner: Aeneas
Britten, Peter Grimes: Peter Grimes
Egk, Peer Gynt: Der Alte
Einem, Besuch der alten Dame: Bürgermeister
Hindemith, Mathis der Maler: Albrecht von Brandenburg
Korngold, Tote Stadt: Paul
Mussorgskij, Boris: Schujskj
Pfitzner, Armer Heinrich: Heinrich
Strauss, Ariadne: Bacchus
Verdi, Otello: Otello
Wagner, Rienzi: Rienzi
Tannhäuser: Tannhäuser
Tristan: Tristan
Meistersinger: Stolzing
Walküre: Siegmund
Siegfried: Siegfried
Götterdämmerung: Siegfried

CHARAKTERTENOR

Berg, Wozzeck: Hauptmann
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Sturmwald
Henze, Englische Katze: Lord Puff
Massenet, Manon: Guillot
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Spalanzani
Pfitzner, Palestrina: Novagerio
Puccini, Turandot: Altoum
Rossini, Tell: Rudolph
Strauss, Salome: Herodes
Verdi, Falstaff. Dr. Cajus
Wagner, Rheingold: Loge/Mime Siegfried: Mime
Wolf, Corregidor: Corregidor
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane: Riccardo

LYRISCHER BARITON

Auber, Fra Diavolo: Lord Kookburn
Berlioz, Beatrice und Benedict: Claudio
Bialas, Aucassin und Nicolette: Aucassin
Bizet, Perlenfischer: Zurga
Britten, Billy Budd: Billy Budd
Sommernachtstraum: Demetrius
Busoni, Arlecchino: Abbate Cospicuo
Doktor Faust: Des Mädchens Bruder
Donizetti, Viva la Mamma: Stefano
Liebestrank: Belcore
Don Pasquale: Dr. Malatesta
Haydn, Welt auf dem Monde: Ernesto
Belohnte Treue: Perruchetto
Henze, Boulevard Solitude: Lescaut
Humperdinck, Königskinder: Spielmann
Krenek, Jonny spielt auf: Jonny
Lortzing, Waffenschmied: Liebenau
Opernprobe: Johann
Martinu, Griechische Passion: Kostandis
Massenet, Werther: Albert
Mozart, Cosi fan tutte: Guglielmo Zauberflöte: Papageno
Nicolai, Lustige Weiber: Fluth
Paisiello, Barbier von Sevilla: Figaro
Pfitzner, Christ-Elflein: Gumpach
Puccini, Turandot: Ping
Rossini, Barbier: Figaro
La Cenerentola: Dandini
Reimann, Melusine: Graf von Lusignan
Strauss, Ariadne: Harlekin
Schweigsame Frau: Barbier
Verdi, Maskenball: Silvano
Weber, Oberon: Scherasmin
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Lelio

KAVALIERBARITON

Beethoven, Fidelio: Don Fernando
Bellini, Puritaner: Sir Richard Forth
Berlioz, Benvenuto Cellini: Fieramosca
Bizet, Carmen: Escamillo
Cimarosa, Heimliche Ehe: Graf Robinsone
Donizetti, Anna Bolena: Rochefort
Lucia: Ashton
Dvorak, Jakobiner: Bohus
Fortner, Bluthochzeit: Leonardo
Goetz, Der Widerspenstigen Zähmung: Petruchio
Gounod, Margarethe: Valentin Mireille: Ourrias
Henze, Englische Katze: Tom
Korngold, Tote Stadt: Frank
Krenek, Jonny spielt auf: Daniello
Lortzing, Zar: Zar
Wildschütz: Graf
Undine: Kühleborn
Massenet, Manon: Brétigny/Lescaut
Meyerbeer, Hugenotten: Nevers
Mozart, Figaro: Graf
Don Giovanni: Don Giovanni
Mussorgskij, Chowanschtschina: Schaklowitij
Pfitzner, Palestrina: Graf Luna
Puccini, Manon Lescaut: Lescaut
La Bohème: Marcel
Butterfly: Sharpless
Ravel, Spanische Stunde: Ramiro
Schreker, Die Gezeichneten:
Graf Andrea Vitelozzo Tamare
Strauss, Arabella: Mandryka
Capriccio: Graf/Olivier
Tschaikowskij, Onegin: Onegin
Verdi, Räuber: Franz
Maskenball: René
Don Carlos: Posa
Falstaff: Ford
Wagner, Tannhäuser: Wolfram
Wolf-Ferrari, Susannens Geheimnis: Gil
Sly: Graf von Westmoreland
Zemlinsky, Kleider machen Leute: Melchior Böhm
Zimmermann, Soldaten: Stolzius

HELDENBARITON

Bartok, Herzog Blaubarts Burg: Blaubart
Beethoven, Fidelio: Don Pizarro
Berg, Lulu: Dr. Schön/Jack
Borodin, Fürst Igor: Igor
Britten, Peter Grimes: Balstrode
Busoni, Arlecchino: Ser Matteo del Sarto
Doktor Faust: Doktor Faust
Cherubini, Medea: Kreon
Cilea, Adriana Lecouvreur: Michonnet
Debussy, Pelleas: Golo
Egk, Peer Gynt: Peer Gynt
Einem, Besuch der alten Dame: Alfred Ill
Giordano, André Chénier: Girard
Glinka, Ruslan und Ludmila: Ruslan
Gluck, Alkeste: Oberpriester
Iphigenia (Aulis): Agamemnon
Iphigenia (Tauris): Orest/Thoas
Henze, König Hirsch: Statthalter
Elegie für junge Liebende: Gregor Mittenhofer
Bassariden: Pentheus
Hindemith, Cardillac: Cardillac
Mathis der Maler: Mathis
Jank, Sache Makropoulos: Jaroslaw Prus
Klebe, Jacobowsky und der Oberst: Jacobowsky
Leoncavallo, Bajazzo: Tonio
Ligeti, Le Grand Macabre: Nekrotzar
Marschner, Vampyr: Lord Ruthven
Hans Heiling: Heiling
Mascagni, Cavalleria: Alfio
Mozart, Zauberflöte: Sprecher
Mussorgskij, Boris: Boris
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Lindorf/Coppelius/Dapertutto/Mirakel
Orff, Die Kluge: König
Penderecki, Teufel von Loudun: Grandier
Pfitzner, Armer Heinrich: Dietrich
Palestrina: Borromeo
Ponchielli, La Gioconda: Barnaba
Puccini, Mädchen aus dem goldenen Westen: Jack Rance
Mantel: Marcel
Reimann, Lear: König Lear
Rossini, Tell: Tell
Saint-Sans, Samson: Oberpriester
Schillings, Mona Lisa: Francesco
Schoeck, Penthesilea: Achilles
Schönberg, Glückliche Hand:
Mann
Schostakowitsch, Lady Macbeth von Mzensk: Boris Ismailow
Schreker, Die Gezeichneten: Herzog Antoniotto Adorno
Strauss, Feuersnot: Kunrad
Salome:
Jochanaan
Elektra: Orest
Frau ohne Schatten: Barak
Intermezzo: Storch
Helena: Altair
Strawinsky, The Rake's Progress: Nick Shadow
Tschaikowskij, Pique-Dame:
Tomsky
Verdi, Nabucco: Nebukadnezar
Ernani:
Don Carlos
I due Foscari: Francesco Foscari
Attila: Ezio
Macbeth: Macbeth
Luise Miller: Miller
Troubadour: Luna
Sizilianische Vesper: Guido de Montfort
Simone Boccanegra: Simone
Macht des Schicksals: Don Carlos
Aida: Amonasro
Otello: Jago
Falstaff: Falstaff
Wagner, Holländer: Holländer
Lohengrin: 
Telramund/Heerrufer
Tristan: Kurwenal
Meistersinger: Sachs
Rheingold: Wotan
Walküre: Wotan
Siegfried: Wanderer
Götterdämmerung: Gunther
Parsifal: Amfortas/Klingsor
Weber, Euryanthe: Lysiart
Zemlinsky, Florentinische Tragödie:
Simone

CHARAKTERBARITON

d'Albert, Tiefland: Sebastiano/ Moruccio
Tote Augen: Arcesius
Berg, Wozzeck: Wozzeck
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Doktor
Gluck, Pilger von Mekka: Meister Überschwang
Alkeste: Herakles
Humperdinck, Hänsel und Gretel: Besenbinder
Janacek, Jenufa: Altgesell
Kienzl, Evangelimann: Johannes
Pfitzner, Palestrina: Morone/
Avosmediano/Ercole Severolus

Puccini, La Boheme: Schaunard
Tosca: Scarpia
Verdi, Simone Boccanegra: Paolo
Wagner, Meistersinger: Beckmesser
Rheingold: Alberich
Siegfried: Alberich
Wolf, Corregidor: Tio Lucas
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane:
Maurizio

SPIELBASS (BASSBUFFO)

Auber, Fra Diavolo: Giacomo
Berg, Wozzeck: Doktor
Berlioz, Beatrice und Benedict: Somarone
Boieldieu, Weiße Dame: Mac Irton
Cimarosa, Heimliche Ehe: Geronimo
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Stößel
Donizetti, Liebestrank: Dulcamara
Regimentstochter: Sulpiz
Don Pasquale: Pasquale
Dvorak, Jakobiner: Filip
Flotow, Stradella: Malvolina Martha: Lord Tristan
Gluck, Betrogener Kadi: Kadi
Goetz, Der Widerspenstigen Zähmung: Hortensio/Grumio
Haydn, Apotheker: Sempronio
Welt auf dem Monde: Buonafede
Belohnte Treue: Melibeo
Humperdinck, Königskinder: Holzhacker
Lortzing, Wildschütz: Baculus
Undine: Hans
Waffenschmied: Adelhof
Opernprobe: Graf
Mozart, Bastien: Colas
La finta giardiniera.
Nardo
Don Giovanni: Leporello
Cosi fan tutte: Don Alfonso
Mussorgskij, Boris: Warlaam
Orff, Die Kluge: Bauer
Paisiello, Barbier von Sevilla: Bartolo
Pergolesi, Magd als Herrin: Uberto
Puccini, Tosca: Mesner
Ravel, Spanische Stunde: Don Inigo Gomez
Rimskij-Korssakow, Der goldene Hahn: König Dodon
Rossini, Italienerin in Algier: Mustafa
Türke in Italien: Don Geronio
Barbier: Dr. Bartolo
La Cenerentola: Don Magnifico
Strauss, Ariadne: Truffaldin Arabella: Graf Waldner
Schweigsame Frau: Vanuzzi/ Farfallo
Capriccio: La Roche
Telemann, Pimpinone: Pimpinone
Verdi, Maskenball: Tom
Macht des Schicksals: Fra Melitone
Falstaff: Pistol
Wolf, Corregidor: Tonuelo
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Arlecchino

SCHWERER SPIELBASS (SCHWERER BASSBUFFO)

Adam, Postillon: Bijou
Berg, Lulu: Tierbändiger/Rodrigo
Berlioz, Benvenuto Cellini: Giacomo Balducci
Busoni, Arlecchino: Dottore Bornbasto
Turandot: Pantalone
Cornelius, Barbier: Abul Hassan
Donizetti, Viva la Mamma: Mamma Agata
Egk, Revisor: Stadthauptmann
Flotow, Martha: Plumkett
Glinka, Ruslan und Ludmila: Farlaf
Gluck, Pilger von Mekka: Kalender
Gounod, Margarethe: Mephistopheles
Lortzing, Zar: van Bett
Waffenschmied: Stadinger
Mozart, Entführung: Osmin
Mussorgskij, Jahrmarkt von Sorotschinzy: Tscherewik
Nicolai, Lustige Weiber: Falstaff
Pfitzner, Christ-Elflein: Knecht Ruprecht
Puccini, Gianni Schicchi: Gianni Schicchi
Rossini, Barbier: Basilio
Smetana, Verkaufte Braut: Kezal
Strauss, Rosenkavalier: Ochs
Wagner, Holländer: Daland
Wolf, Corregidor: Repela
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Ottavio
Vier Grobiane: Lunardo

CHARAKTERBASS (BASSBARITON)

Boieldieu, Weiße Dame: Gaveston
Flotow, Stradella: Bassi
Goetz, Der Widerspenstigen Zähmung: Baptista
Lortzing, Undine: Tobias Martini, Griechische Passion: Priester Grigoris
Meyerbeer, Hugenotten: St. Bris
Mozart, Figaro: Figaro
Don Giovanni: Masetto
Mussorgskij, Boris: Rangoni
Puccini, Mantel: Maulwurf
Turandot: Timur
Rossini, La Cenerentola: Alidoro Tell: Walther Fürst
Verdi, Luise Miller: Wurm
Rigoletto: Monterone
Simone Boccanegra: Pietro
Wagner, Tannhäuser: Biterolf/ Reinmar
Meistersinger: Kothner
Rheingold: Donner
Götterdämmerung: Alberich
Weber, Freischütz: Kuno
Wolf, Corregidor: Alkalde
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane:
Simon
 

SERIÖSER BASS

d'Albert, Tiefland: Tommaso
Beethoven, Fidelio: Rocco
Bellini, Norma: Orovist
Puritaner: Lord Walter Walton Berlioz, Beatrice und Benedict: Don Pedro
Bizet, Perlenfischer: Nourabad Carmen: Zuniga
Britten, Billy Budd: John Claggart
Busoni, Turandot: Altoum
Doktor Faust: Wagner
Cilea, Adriana Lecouvreur: Fürst von Bouillon
Debussy, Pelleas: Arkel
Donizetti, Anna Bolena: Heinrich VIII.
Lucia: Raimund
Dvorak, Rusalka: Wassermann
Glinka, Leben für den Zaren: Iwan Sussanin
Ruslan und Ludmila: Swetosar
Händel, Julius Caesar: Ptolemüus/ Caesar
Halevy, Jüdin: Kardinal Brogni
Henze, Bassariden: Kadmos
Englische Katze: Arnold
Hindemith, Cardillac (Originalfassung): Goldhändler
Cardillac (Neufassung): Offizier
Mathis der Maler: Lorenz von Pommersfelden
Massenet, Manon: Graf des Grieux
Monteverdi, Krönung der Poppea: Seneca
Mozart, Figaro: Bartolo
Don Giovanni: Komtur Zauberflöte: Sarastro
Mussorgskij, Boris: Pimen Chowanschtschina: Fürst Iwan Chowanskij/Dosifej
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Crespel
Orff, Antigonae: Kreon
Pfitzner, Armer Heinrich: Arzt Palestrina: Papst/Madruscht/
Kardinal von Lothringen
, Christ-Elflein: Tannengreis
Ponchielli, La Gioconda: Alvise Badoero
Prokofjew, Liebe zu den drei Orangen: König Treff
Puccini, Manon Lescaut: Geronte
La Bohème: Collin
Rimskij-Korssakow, Mainacht: Dorfschulze
Märchen vom Zaren Saltan: Zar Saltan
Rossini, La Cenerentola: Alidoro
Tell:
Geßler
Schreker, Die Gezeichneten: Lodovico Nardi
Strauss, Schweigsame Frau: Morosus
Daphne: Peneios
Strawinsky, The Rake's Progress: Trulove
Thomas, Mignon: Lothario
Tschaikowskij, Onegin:
Fürst Gremin
Verdi, Nabucco: Zacharias
Ernani: Don Ruy Gomez de Silva
Attila: Attila
Macbeth: Banquo
Räuber: Maximilian
Luise Miller: Graf
Rigoletto: Sparafucile
Troubadour: Ferrando
Sizilianische Vesper: Giovanni da Procida
Simone Boccanegra: Fiesco
Maskenball: Samuel
Macht des Schicksals: Pater Guardian
Don Carlos: Philipp/Großinquisitor
Aida: Ramphis/König
Otello: Lodovico
Wagner, Tannhäuser: Landgraf
Lohengrin: König Heinrich
Tristan:
Marke
Meistersinger: Pogner
Rheingold: Fasolt/Fafner
Götterdämmerung: Hagen
Parsifal: Gurnemanz
Weber, Freischütz: Kaspar
Euryanthe:
König
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane: Cancian
Zemlinsky, Kleider machen Leute: Amtsrat

Zitatende
Quelle: Rudolf Kloiber – Handbuch der Oper - Bärenreiter - 2019

 

Die Lesung der Partien und ihrer Fächer zeigt auch die unendliche Vielfalt der Opernliteratur und die Erbärmlichkeit der Spielpläne mancher Opernhäuser.

Die wenigen Stücke, von denen die Theaterleiter annehmen, sie seien Publikumsrenner, werden dann auch noch so in ihrer Darbietung auf der Bühne  verfälscht, dass ein gebildetes Publikum sie ablehnt und fern bleibt.

Das ungebildete Publikum amüsiert sich lauthals über jeden seichten Gag, was die Theaterleitung als Erfolg auslegt.
Das geht dann aber doch lieber in ein Pop Konzert.

Die wunderbare Opernkunst muss nicht jedem modischen Trend hinterherlaufen.
Drum soll ein Fußballtrainer das letzte Wort haben.
Jens Keller, Coach des ersten FC Nürnberg:

“Es ist schon Wahnsinn in welcher Welt wir mittlerweile leben, was man alles mitmachen muss, wenn man in der Öffentlichkeit steht!“


Marie-Louise Gilles


 



Thema des Tages
16. Dezember 1740 – vor 280 Jahren –

Kaum auf dem Thron in Preußen wird der Philosoph zum Aggressor

 

Friedrich – mit eben diesem alleinigen Namen ‘Friedrich‘ - war aufgewachsen als eines von 13 Kindern, die sein Vater Friedrich Wilhelm I. mit seiner Frau Sophie Dorothea bekam.
Bis zu seinem sechsten Geburtstag lebte Friedrich gemeinsam mit seiner älteren Schwester Wilhelmine - zu ihr hatte er zeitlebens ein enges Vertrauensverhältnis - die wiederum die älteste überlebende Tochter war, in der Obhut der nur französisch sprechenden Marthe de Roucoulle, einer in Frankreich geborenen Hugenottin, die schon seinen Vater – Friedrich Wilhelm I. – als Gouvernante betreut hatte.

Der König forderte für Friedrich eine strenge militärische und calvinistisch-religiös geprägte Erziehung, die kaum Freiraum für dessen schöngeistige Neigungen ließ.

Die Kinder, verschreckt von den permanenten militärischen Erziehungsmaßnahmen des Vaters, flohen in die Obhut der Mutter, Sophie-Dorothea von Braunschweig-Hannover-Lüneburg, einer gebildeten Frau, die die Neigungen ihres Sohnes Friedrich, sich den schönen Künsten – der Literatur und der Musik – zuzuwenden, förderte und ihn und seine Geschwister vor dem Wüterich als Vater in Schutz nahm.

Friedrichs späterer Erzieher, der Hugenotte J.E.
Duhan de Jandun, setzte sich über die Vorgaben des königlichen Vaters hinweg, und unterrichtete den Kronprinzen auch in Latein, Französisch, Literatur. Als der König davon erfuhr, wurde Duhan verhaftet.
Alles litt unter dem despotischen König, der nicht davor zurückschreckte, seine Untertanen mit Knüppeln zu verdreschen.

 

 

 

Zitat
„… sowie ich eintrete, fasst er mich bei den Haaren, wirft mich zu Boden, und nachdem er seine starken Fäuste auf meine Brust und meinen ganzen Leib erprobt hat, schleppt er mich an das Fenster und legt mir den Vorhangstrick um den Hals.“
Zitatende

Quelle: https://www.welt.de/geschichte/article113882412/Der-Soldatenkoenig-pruegelte-seine-Beamten-zur-Arbeit.html

Als Friedrich begann, Bücher zu sammeln, sich eine Bibliothek aufzubauen – hier waren Werke in französischer Sprache in der Überzahl – versteckte die Mutter diese.

Auch das Flötenspiel, das der Kronprinz bei einem Besuch am sächsischen Hof von August II. in Dresden, kennenlernte und das ihm ab 1728 von Johann Joachim Quantz, dem Flötisten der Kurfürstlich-Sächsischen und Königlich-Polnischen Kapelle gelehrt wurde, was der Soldatenkönig jedoch sofort verbot, unterstützte die Königin ihn und sie verbarg die gemeinsamen Aktivitäten mit seiner Schwester Wilhelmine – sie spielte die Laute - vor dem Vater.

Die Konflikte zwischen dem tyrannischen, nur aufs Militärische und aufs Ökonomische fixierten Vater und dem Kronprinzen spitzen sich immer mehr zu.

Die ständigen Attacken des Vaters führten dazu, dass Friedrich sich entschloss, das Land, den Hof des Vaters zu verlassen und damit auch seinen Anspruch auf den Thron aufzugeben. Er wollte nach England, wo sein Onkel Georg aus dem Hause Hannover als Georg II. König war. Begleiten sollte ihn sein Freund Katte.

 

 

Zitat
Hans Hermann von Katte
... am 06. November 1730 in Küstrin hingerichtet

War es nur Freundschaft oder vermutete der preußische König, Friedrich Wilhelm I., mehr hinter der Beziehung des 26-jährigen Hans Hermann von Katte zu seinem Sohn, dem brandenburgisch preußischen Kronprinzen Friedrich?
Der war gerade 18 Jahre alt und fühlte sich dem erzieherischen Druck des Vaters, des 'Soldatenkönigs', nicht gewachsen, wollte weg vom preußischen Hof und versuchte einen Aufenthalt im 'Zeithainer Lustlager' - einem von August dem Starken veranstalteten Manöver nahe der sächsisch-brandenburgischen Grenze bei Riesa in der Nähe von Meißen - zur Flucht über Frankreich nach England zu nutzen.

Diese wurde entdeckt, Katte hielt zwar nur die Stellung in Potsdam, aber beide wurden verhaftet und wegen Fahnenflucht abgeurteilt, da die beiden Leibpagen des Kronprinzen - hier vor allem der jüngere Bruder des Peter Karl Christoph von Keith - den Fluchtplan aus Angst vor dem König diesen ihm verriet.
Der König verschärfte das Urteil, in der Form, dass Katte am 6. November 1730 hingerichtet wurde und Friedrich des Freundes Exekution ansehen musste.
Eine gnädige Ohnmacht bewahrte ihn vor dem schrecklichen Bild.

König Friedrich Wilhelm I. sah Katte als 'Verführer' seines Sohnes und rächte sich mit dem Todesurteil an den ihm verhassten 'femininen' Neigungen seines Sohnes.
Der britische Historiker Alfred Leslie Rowse (* 4. Dezember 1903 † 3. Oktober 1997) behauptet, Katte sei der 'aktive' Partner einer homosexuellen Beziehung mit Friedrich gewesen.
Katte war tot und Friedrich wurde in der Festung Küstrin in Einzelhaft gehalten.

 


Der Erste Weltkrieg hatte gerade begonnen, da las man folgenden Hinweis:

Katte
Ein Schauspiel in 5 Aufzügen - uraufgeführt am Hoftheater Dresden 6. November 1914, Verfasser der deutsch-nationale Schriftsteller, Dichter und Kunstmaler Hermann Burte
(* 15. Februar 1879 in Maulburg als Hermann Strübe; † 21. März 1960 in Lörrach).

 



 

 

Zitatende - Quelle: : http://www.telezeitung-online.de/Thema_des_Tages_06._November_2020_Katte.htm

Während der Küstriner Haftzeit ging Kronprinz Friedrich in sich, wollte er doch nicht alles aufs Spiel setzen – schaute sich doch der König bereits nach einem anderen Thronfolger innerhalb der Familie um.
Als am 15. August 1731 der König auf der Durchreise nach Sonnenburg - in Küstrin eintraf, fiel Friedrich vor dem König in aller Öffentlichkeit auf die Knie, küsste die Schuhe des Königs und bat seinen Vater um Verzeihung.
Der war beeindruckt, durchschaute das Spiel nicht und Friedrich erhielt die Erlaubnis, die Festung nachmittags zu verlassen und auch die Domänen in der Umgebung zu besichtigen.

Dass der König in Sorge um das Bestehen der Monarchie war, zeigte sich auch darin, dass er Friedrich zur Ehe zwang und dieser 1732 einer Heirat mit der ungeliebten Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern zustimmen musste, was aber nicht zu Nachwuchs für den Thron führte.
Friedrich schenkte seiner zwangsweise Angetrauten später ein Schloss im
Bezirk Lichtenberg vor Berlin mit den Worten: „Hier kann sie schön hausen“ - hiernach Schloss Hohenschönhausen genannt. Weder im Stadtschloss Potsdam, noch in Sanssouci, noch im Neuen Palais war sie jemals willkommen. Als er sie nach Jahren wiedersah, meinte er nur: "Madame ist ziemlich fett geworden.“

Nach der Heirat und nach dem Bezug des Palais in Ruppin, das ihm der Vater in Verbindung mit einer dort stationierten Soldateska zugewiesen hatte, begann er, dort einen eigenen Hof aufzubauen, scharte Wissenschaftler, Künstler um sich und lebte so nach seinen Vorstellungen außerhalb des unmittelbaren Zugriffs des Vaters.

Im Juni 1732 kam Quantz nach Ruppin zur Weiterführung des Flötenunterrichts.
Um eine friedrizianische Hofmusik weiter aufzubauen, berief der Kronprinz Johann Gottlieb Graun von Dresden nach Ruppin.
Am 17. April 1733 kam Franz Benda dorthin, nachdem die Kapelle des Sächsischen Hofes nach dem Tod August II. im Februar 1733 aufgelöst wurde.  

1734 besuchte der ehemals sächsische Konzertmeister und Violinlehrer Pisendel mit einem Sänger den Potsdamer Hof.
Friedrich war von den Darbietungen so angetan, dass er den Wunsch äußerte, selber ein Opernensemble aufzubauen, worin auch Kastraten im Alter von 14 bis 15-Jahren Beschäftigung finden sollten. 1737 schrieb er seiner Schwester Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth, dass er jeden Moment die Ankunft eines solchen Sängers erwarte, der sehr gut sein solle.
Dies kam allerdings nicht zustande, da die Herrschaften zunächst lieber auf hohe Verdienste im nebligen Norden verzichteten und sich mit niedrigem Salär im sonnigen Süden beschieden.

Der Kronprinz hatte nun den Freiraum, den er für seine Studien benötigte. Er las viel, übte das Flötenspiel, komponierte für dieses Instrument und versuchte sich sogar an Orchesterwerken.
Albrecht Wolfgang Graf zu Schaumburg-Lippe überließ er eine Symphonie, die er 1736 komponierte und ging im Begleitschreiben davon aus, dass der Graf die in der Musik ausgedrückten Gedanken entziffern werde.
Der Graf dankte. Die Komposition sei von edlem Geschmack, die Harmonie sei richtig, die Melodik großartig, Mittel- und Bassstimme seien meisterhaft gesetzt.

Eine zweite Symphonie wurde später nach Bückeburg gesandt. Auch die beurteilte der Graf positiv. Diese Symphonie habe ihm noch besser gefallen als die erste, meinte er in seinem Dankschreiben vom 22. Januar 1739.

Im Juni 1736 war der Hof nach Rheinsberg – noch weiter weg vom Preußischen Hof in Potsdam und Berlin – verlegt worden.
Friedrich bezog ein Schloss, das er von den Johann Gottfried Kemmeter und Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff umbauen und erweitern ließ.

 



Foto: dpa/Bernd Settnik / Tagesspiegel

 

 

Zitat
Das Residenzschloss Friedrichs gilt als Musterbau des friderizianischen Rokokos und diente als Vorlage für Potsdam-Sanssouci.
In der kronprinzlichen Kapelle wirkte Carl Philipp Emanuel Bach als Kammer-Cembalist Friedrichs.
Durch den Um- und Ausbau des Schlosses entwickelte sich Rheinsberg zu einer kleinen barocken Residenzstadt.

Zitatende

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Rheinsberg

In Rheinsberg stellte Friedrich seine großen musikalischen Aktivitäten zurück. Er meinte, seinen eigenen Ansprüchen an perfekte Kompositionen nicht genügen zu können, es reiche eben nur zu Flötenkonzerten.

Hier vor den Toren Potsdams entwickelte Friedrich sein Profil als Philosoph auf dem Thron.
Der französische Aufklärer und Philosoph Voltaire gehörte zu den vom Kronprinzen bevorzugten Denkern der Zeit.

Er machte sich Voltaires Ansichten zu eigen, denn fortan erklärte er die Pflege des Talents zu Kunst und  Wissenschaft, darunter der Musik, zur Pflicht des Edelmannes.
Um dem neben Regierungsgeschäften und Exerzieren mit seinen Soldaten noch Zeit für seine geistigen Tätigkeiten zu finden, bedurfte es eines täglichen Ablaufplanes.
Von sechs Uhr morgens bis ein Uhr mittags widmete er sich der Lektüre. Nach der Mittagspause las er bis sieben Uhr in seinen Akten. Zur Entspannung begann dann die Abendmusik, die meist bis neun Uhr dauerte, dann schrieb er Briefe bis es um zehn Uhr zum Abendessen ging.

Mit Voltaire begann er am 8. August 1736 eine Korrespondenz, die bis zum Tod Voltaires 30. Mai 1778 – ohne Unterbrechungen somit auch während der dreijährigen Anwesenheit des Dichters in Potsdam von 1750 bis 1753 – aufrechterhalten wurde.

 

 

 

Zitat
1736 ist der preußische Kronprinz Friedrich 24 Jahre alt.
Sein Fluchtversuch aus Preußen, die Hinrichtung seines Freundes Hans Hermann von Katte, seine Haftstrafe in Küstrin liegen hinter ihm.
Friedrich ist 1736 Regimentskommandeur in Ruppin da er nach anfänglichem Widerstand auch in die Ehe mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern eingewilligt hat, darf er sich mit väterlicher Erlaubnis Schloss Rheinsberg nach seinem Geschmack ausbauen.
In Rheinsberg bei Ruppin lebt es sich 1736 recht angenehm, will sagen unmilitärisch.

Aus Berlin, wohin der Kronprinz zuweilen zum Rapport muss, kommen die  Komponisten Carl Heinrich Graun und Franz Benda zum Musizieren aufs Land.
1736 rudern die kronprinzlichen Freunde Charles Etienne Jordan und Dietrich Freiherr von Keyserlingk die Barke mitsamt philosophierendem Cercle über den Rheinsberger See.
Hans Georg Wenzelslaus Freiherr von Knobelsdorff malt die märkischen Ausflügler.
In Rheinsberg hat Friedrich seine Bibliothek in einem der beiden runden Schlosstürme unterbringen lassen.
In diesem Raum mit antiker Literatur sowie neueren Werken - fast durchweg aus Frankreich - blickt ein Gemälde von der Wand.
Der darauf abgebildete Voltaire ist im Jahre 1736 42 Jahre alt und hatte bereits 1718 bei seinen Namen ‘Francois Marie Arouet der Jüngere‘ die Buchstaben umsortiert, dabei aus dem ‘u‘ ein ‘v‘ und aus dem ‘j‘ ein ‘i‘ gemacht.

Auf dem Theaterzettel seiner erfolgreichen Tragödie ‘Oedipe‘ hatte dann 1718 zum ersten Mal der neue Name des Dichters von ‘Oedipe‘ gestanden: ‘Voltaire‘.

Zitatende
Quelle: Voltaire – Friedrich der Große – Briefwechsel – DTV - 2012

 

1739 verfasste Friedrich die Denkschrift ‘Anti-Machiavell‘, die er als Kritik an der Schrift ‘Der Fürst‘ von Niccolò Machiavelli verstand. Der hatte ausgeführt, der Fürst solle besser gefürchtet als geliebt werden. Friedrich sah es anders: er wolle der „erste Diener des Staates“ und nicht Herrscher ‘von Gottes Gnaden‘ sein.

Mit Schreiben vom 3. Februar 1740 übersandte er Teile des Anti-Machiavell-Textes an Voltaire zur Korrektur.
 

 

 

Zitat
Mein teurer Freund, ich hätte ihnen früher geantwortet, wenn die ärgerliche Lage, in der ich mich befinde, es zugelassen hätte. Trotz der wenigen Zeit, die ich für mich habe, fand ich Möglichkeiten, das Werk über Machiavell, dessen Anfang Sie bekommen haben, zu beenden.
Mit dieser Post bekommen Sie die Hefe meines Tuns, und ich bitte Sie, mich ihre
Kritik wissen zu lassen. Ich bin entschlossen ohne Eigenliebe alles durchzusehen und zu korrigieren, was sie für nicht veröffentlichungswürdig erachten. Ich spreche zu freimütig über alle bedeutenden Fürsten, um gestatten zu können, dass der Antimachiavell unter meinem Namen erscheint. So habe ich mich entschlossen, ihn nach Korrektur als das Werk eines Anonymus drucken zu lassen. Legen sie also Hand an alle Beleidigungen, die Sie für überflüssig halten, und lassen Sie keine Verstöße gegen die Reinheit der Sprache durchgehen.
Zitatende
Quelle: Voltaire – Friedrich der Große – Briefwechsel – DTV – 2012 – Seite 176 - 177

Am 23. Februar 1740 antwortete Voltaire:

 

 

Zitat
Sie gestatten mir, Sie befehlen mir sogar, freimütig zu ihnen zu sprechen, und sie gehören nicht zu den Fürsten, die über Gehorsam erbost sind, nachdem sie befohlen haben, freimütig zu ihnen zu reden. Vielmehr fürchte ich, dass sie sich ihre Wahrheitsliebe von nun an ein wenig mit Eigenliebe vermengen wird.

Ich liebe und ich bewundere den Gehalt des ganzen Werks, und das gibt mir den Mut, Ew. Kgl. Hoheit zu sagen, dass mir einige Kapitel zu lang erscheinen.
[…]
Die meisten Kapitel beginnen Sie mit der Widerlegung dessen, was Machiavell in seinem Kapitel behauptet; doch falls Ew. Kgl. Hoheit die Absicht hegen Machiavell und seine Widerlegung nebeneinander zu drucken, könnte man dann nicht die erwähnten Einleitungen weglassen, die natürlich absolut notwendig werden, wollte man ihr Werk für sich alleine drucken?
Zudem kommt es mir so vor, als verschanze Machiavell sich zuweilen auf einem Terrain und Ew. Kgl. Hoheit rängen ihm auf einem anderen nieder.
[…]
Machiavelli war umgeben von finsteren Exempeln der Schurkerei. Darüber sprechen Ew. Kgl. Hoheit an anderer Stelle; wäre dies nicht die passende? Ist nicht hier der rechte Platz dafür? Ihrem luziden Geiste gebe ich das zu bedenken.
 
Zitatende
Quelle: Voltaire – Friedrich der Große – Briefwechsel – DTV – 2012 – Seite 179 - 180

Im Spiel mit Worten - vornehmlich in französischer Sprache –verfasste Friedrich unzählige Texte, schrieb Dramen und Opernlibretti, diskutierte philosophische Themen, erarbeitete er sich ein hohes musikalisches Wissen und kompositorisches Können.
Er betätigte sich als Flötist und Komponist sowie als Organisator seiner gesamten Hofmusik. Er bestimmte, welche Musik aufgeführt wurde und wer sie vortrug, welche Ausgaben getätigt wurden, ob die Gagen und Sachkosten  angemessen waren und zwar bis ins kleinste Detail, dies alles unter steter, peinlich genauer Kontrolle.
Sein Künstlertum war integraler Teil seiner Würde als König, seines monarchischen Selbstverständnisses.

Kaum Beachtung fand die deutsche Dichtung, das deutsche Schauspiel in der Welt des Kronprinzen und auch später des Königs in und später von Preußen.

Das geradezu zwanghafte Übernehmen der Hofregeln des Ludwig XIV. von Frankreich durch alle europäischen Höfe, führte dazu, dass der Schwerpunkt bei der Erziehung des Kronprinzen durch die französische Gouvernante in der französischen Sprache gesehen wurde, was die deutsche Sprache zurückstellte, so dass sich Kronprinz und späterer König mit dieser sein Leben lang schwertat und sich bewusst oder ungewollt ersatzweise eines unflätigen Kutscherdeutschs bediente.
1768 konnten die Berliner - endlich in einem festen Gebäude - im Komödienhaus im Innenhof der
Behrenstraße 13 Lessings ‘Minna von Barnhelm‘ erleben und am 9. Juni 1771 sah man unter der Leitung von Theaterdirektor Heinrich Gottfried Koch die Uraufführung von Lessings ‘Miss Sara Sampson‘.

Der König nahm Goethe mit seinem ‘Götz von Berlichingen‘ zur Kenntnis, denn der wurde hier 1774 uraufgeführt. 1783 zeigte man zum ersten Mal Lessings
Nathan der Weise.

Kannte er Schiller, dessen ‘Räuber‘ vom 13. Januar 1782 in Mannheim und seine ‘Kabale und Liebe‘, die am 13. April 1784 in
Frankfurt am Main uraufgeführt wurden?

Geprägt wurde das Schauspiel in deutscher Sprache bis in diese Zeit in Deutschland von den Wanderbühnen mit ihren Stehgreifspielen in schnell aufgestellten und wieder abgerissenen und eingepackten Bretterbuden durch:

- Friederike Caroline Neuber bzw. Neuberin (* 9. März 1697 in Reichen-
  bach im Vogtland; † 30. November 1760 in Laubegast bei Dresden)
- Johann Friedrich Schönemann (* 21. Oktober 1704 zu Crossen / Oder;
  † 16. März 1782 in Schwerin),
- Konrad Ernst Ackermann (* 1. Februar 1712 in Schwerin; † 13. Novem-
  ber 1771 in Hamburg)
- Friedrich Ludwig Schröder (* 3. November 1744 in Schwerin; † 3. Sep-
  tember 1816 in Rellingen).

Herausragend hier die Figur des Harlekins, des Hanswurst, den die Neuberin von der Bühne zu verdrängen suchte. Es gelang ihr kaum, denn das Volk wollte sich auf die Schenkel klopfen und johlen. Ein Unterschied zum heutigen Publikum ist nicht zu erkennen.

Zwangsläufig ergaben sich unter den Wandertruppen Rivalitäten, jede versuchte Plätze des Erfolges für sich zu requirieren und zu behalten.
Schönemann sah im Norden sein Einzugsgebiet bedroht, so dass er sein Augenmerk auf Berlin richtete, da dort Kronprinz Friedrich dann doch eine Revision der Schauspiels anstrebte.

 

 

 

Zitat
In Berlin war die deutsche Schauspielkunst durch Friedrichs großer Vorliebe für die französische fortwährend zurückgeblieben.

Die feine Welt besuchte außer den Karnevalsvorstellungen der italienischen Oper nur das französische Theater […] wo zeitweilig die größten Talente der Pariser Bühne, auch Lekain und Aufresme erschienen.

Natürlich blieb das deutsche Theater so nur zur Unterhaltung der unteren Bildungsschichten im Publikum; man verirrte sich aus der besseren Gesellschaft nur dahin, „um einmal tüchtig zu lachen“. Unter den Wanderbühnen, die sich in Berlin zeigten, befand sich auch die Ackermann‘sche […]; ihre acht  Vorstellungen auf dem Rathause machten aber die Wirkung eines Streifzugs, und wenn auf demselben Jahre Franz Schuch ein Generalprivilegium für die preußischen Länder erhielt und länger als sonst in Berlin verwaltete, so war eben damit auch nichts gewonnen. Dieser letzte Ritter der Harlekinaden wurde alt, überließ die Pritsche seinem rohen Sohn, der nach des Vaters Tod 1764 in dessen Rechte eintrat und durch das außerordentliche Glück, das seiner wüsten Wirtschaft anhing, in Stand gesetzt wurde, das sehr bekannt gewordene Theater in der Behrenstraße – [heute Standort der Komischen Oper Berlin – der Verf.] - zu erbauen.
Zitatende

Quelle: Eduard Devrient – Geschichte der Deutschen Schauspielkunst – Henschelverlag Berlin 1967 – Seiten 316 / 350

Erschreckend, dass der Kronprinz, dieser Philosoph und Schöngeist in Preußen – entgegen der Vorgabe des Vaters, keine Angriffskriege zu führen – kaum auf dem Thron beschloss, sich Schlesien anzueignen.

Er war gerade am 24. Januar 1740 28 Jahre alt geworden, als
- der Vater am 31. Mai 1740 mit nur 53 Jahren starb,
- er von dem Tage an die Regentschaft als ‘Friedrich II.‘ übernahm ‚
  er damit ‘König in Preußen‘ und 'Kurfürst von Brandenburg’ wurde, und
- er von da an - für ihn bis dahin Wertvolles-  beiseiteschob.

Am 22. Dezember 1711 war Karl VI. Franz Joseph in Frankfurt am Main zum
römisch-deutschen Kaiser und Erzherzog von Österreich sowie Souverän der übrigen habsburgischen Erblande gewählt worden. Während seiner Regierungszeit war er bestrebt, die ‘Pragmatische Sanktion‘ bei den Herrschern Europas durchzusetzen, um seiner Tochter Maria Theresia die Regentschaft zu ermöglichen.

Am 20. Oktober 1740 starb er in Wien und ‘Friedrich II. in Preußen‘ machte sofort deutlich, dass er die von Karl VI. mit den übrigen Fürsten vereinbarten Regelungen nicht anerkennen werde.
 
Am 11. Dezember 1740 stellte Friedrich II. Österreich ein Ultimatum für die Abtretung Schlesiens an Preußen. Im Gegenzug würde er die ‘Pragmatische Sanktion‘, Maria Theresia als Nachfolgerin anerkennen und den österreichischen Mitregenten Franz I. Stephan, Schwiegersohn des verstorbenen Kaisers Karl VI. und Ehemann von Maria Theresia, bei der Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unterstützen.

Friedrich wartete die Antwort Österreichs nicht ab, sondern setzte am 16. Dezember 1740 – also vor 280 Jahren - ostwärts über die Oder bei Frankfurt, führte eine Armee von 27.000 Soldaten südwärts nach Schlesien hinein, deren protestantischer Teil der Bevölkerung die Preußen als Befreier von religiöser Behinderung durch die katholischen Österreicher begrüßte.

Ein halbes Jahr nach der Übernahme der Macht am 31. Mai 1740 wurde so aus dem Musiker, Dichter und Philosophen ein Aggressor.

Von 1740 bis 1763 führte er drei Kriege um Schlesien, die - mit zeitlichen Unterbrechungen - dreiundzwanzig Jahre dauerten und in ihrem dritten – dem siebenjährigen - Krieg die ganze Welt betrafen.
 



 

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(Preu%C3%9Fen)

Vater Friedrich Wilhelm I. ging zwar in die Geschichte als Soldatenkönig ein, führte aber während seiner Regentschaft von 1713 bis 1740 keine Angriffskriege.

Die einzige Teilnahme der preußischen Armee an einem aktiven Gefecht unter seiner Herrschaft war die am "Großen Nordischen Krieg", und diesen Konflikt mit Schweden in Allianz mit Dänemark und Russland hatte er von seinem Vorgänger (Friedrich I. in Preußen) übernommen.
Sein Sohn, Friedrich II., hingegen nutzte das Heer seines Vaters, um Brandenburg-Preußen die österreichische Provinz Schlesien abzuringen.

Die Kriege um diese Region reihten sich in Folge aneinander:

Der Erste Schlesische Krieg

1740 bis 1742
Friede von Breslau am 11. Juni 1742; Preußen erhält Ober- und Niederschlesien und die Grafschaft Glatz.

Der Zweite Schlesische Krieg

1744 bis 1745

Friede von Dresden am 25. Dezember 1745;
Preußen erhält seine schlesischen Besitzungen bestätigt.

 

 

Thema des Tages
Schlacht bei Hennersdorf am 23. November 1745


Der Zweite Schlesische Krieg näherte sich seinem Ende.
Friedrich II. hatte schon 1740/42 um Schlesien gekämpft und gewonnen.
Maria Theresia gab aber als seine Kontrahentin nicht auf und Schlesien für Österreich nicht verloren.
Ersatzweise drang sie in Bayern ein und okkupierte das Land am 27. Juni 1743, Friedrich musste handeln, da er sich von Süden bedrängt fühlen musste, gewann Partner - außer Russland, das durch Elisabeth I. von Russland regiert wurde und die kein Interesse an einer ausgewogenen Partnerschaft mit Preußen hatte.
Im August 1744 fiel er in Böhmen ein, Österreich wich zurück und verlängerte damit für die nachrückenden Preußen die Versorgungswege.

Der Krieg zog sich hin und erst im Juni 1745 gelang es Preußen bei Hohenfriedberg die Österreicher zu schlagen.
Dann aber marschierten österreichische Truppen in Sachsen ein und es kam zur Schlacht bei Hennersdorf, bei der die sächsischen Truppen aufgerieben wurden und deren Munitionslager den Preußen in die Hände fielen.

Die letzte Schlacht war am 15. Dezember 1745 bei Kesseldorf, der Friede von Dresden vom 25. Dezember 1745 beendete den Zweiten Schlesischen Krieg.

Friedrich nahm aus Sachsen als Beute Geld und Porzellan – und Sänger für seine Oper in Berlin.
Dort zog er als Sieger ein, wurde bejubelt und fortan ‘Friedrich der Große‘ genannt.

 
Dann der Dritte Schlesische Krieg

 - auch als der Siebenjährige Krieg bezeichnet von 1756 bis 1763

Friedensschluss von Hubertusburg am 15.2.1763 zwischen Österreich und Preußen.

Die Zwischenperioden waren geprägt von Unruhen, die nicht nur die europäischen Mächte gegeneinander aufbrachte, darin lag auch der Unabhängigkeitskrieg in Amerika.

Als im Dritten Schlesischen Krieg seit dem Frühjahr 1756 die Koalitionsverbündeten den Aufsteiger Preußen mit starken Kräften von allen Seiten angriffen, suchte Friedrich II. eine Waffenentscheidung gegen den zunächst gefährlichsten Gegner herbeizuführen.
Russische und Österreichische Streitkräfte hatten sich östlich der Oder bei Kunersdorf vereinigt und bedrohten das 50 Km westlich gelegene Berlin.
 

 

 

Der preußische Angriff lief sich fest. Nördlich Kunersdorf konzentrierten sich nun die Kämpfe. Friedrich schickte alle verfügbaren Truppen in die Schlacht, um hier den Durchbruch zu erzwingen.
In einem verlustreichen Ringen begann der Gegner zu wanken. Der Sieg schien zum Greifen nahe. Doch erlahmten nun auch die preußischen Kräfte, welche durch immer neue – vorwiegend russische – Truppen bedrängt wurden.

Nach stundenlangem Ringen wichen die ersten preußischen Regimenter.
Sie mussten den Rückzug antreten. Dabei kam es zu Unordnung und schließlich zur Flucht.

Die Armee Friedrichs war schwer erschüttert und in Auflösung begriffen. Nur mit Not entkam Friedrich selbst der Gefangennahme.

Er musste sich gar vor umherstreifenden feindlichen Soldaten verstecken.
Zutiefst überzeugt davon, den Krieg verloren zu haben und seinen Feinden ausgeliefert zu sein, trug er sich mit Todesgedanken.

Die Österreicher und Russen, schätzten die Lage offensichtlich falsch ein. Anstatt die Reste der preußischen Armee zu zerschlagen und Preußen und vor allem Berlin zu besetzen, verhandelten sie miteinander und berieten, was zu tun sei, zogen dann nach Osten und Süden auf der Ostseite der Oder ab.

Friedrich fing sich wieder, ordnete seine Truppen und schrieb 14 Tage später, am 1. September 1759, seinem Bruder Heinrich:

 

Zitat
„Ich verkündige Ihnen das Mirakel des Hauses Brandenburg. In der Zeit, da der Feind die Oder überschritten hatte und eine zweite Schlacht hätte wagen und den Krieg beendigen können, ist er von Müllrose nach Lieberose marschiert.“
Zitatende

Die Niederlage bei Kunersdorf blieb für Preußen ohne Folgen für den Ausgang des Siebenjährigen Krieges.

Friedrich II. wurden im Verlauf der Schlacht zwei Pferde unter dem Leib erschossen. Eine feindliche Kugel prallte an seiner dadurch legendär gewordenen Tabakdose ab (sie ist ausgestellt in der Waffen- und Schatzkammer der Burg Hohenzollern).

Nur die Kühnheit des Rittmeisters
Joachim Bernhard von Prittwitz rettete ihn vor der Gefangennahme.

Unter den Gefallenen waren der Dichter
Ewald Christian von Kleist sowie die preußischen Generäle:

·        Generalmajor Georg Ludwig von Puttkamer, Husaren-Regiment
Nr. 4

·        Generalleutnant August Friedrich von Itzenplitz, Infanterieregiment Nr. 13

·        Generalmajor Georg Ernst von Klitzing, Infanterieregiment
Nr. 31

Danach folgten die Schlachten

- bei Landeshut am 23. 6. 1760,

- bei Liegnitz am 15.8.1760.

Mit diesen war er in seinem Machtstreben um Schlesien fast an sein und des Landes Ende gelangt.

Der letzte Kampf des Dritten Schlesischen Krieges war der von Torgau an der Elbe, ca. 50 Km nordöstlich von Leipzig am 3.11.1760.
 

 

 

Zitat
Die Schlacht tobte den ganzen Tag.

Es ging darum, die sich auf dem Höhenzug bei Torgau verschanzten Österreicher zu besiegen.

Friedrich gelang es mit seinem Reitergeneral Hans Joachim von Zieten den Feind auf den Höhen zu umzingeln, von allen Seiten anzugreifen und am Ende des Tages die Österreicher zu besiegen.

Friedrich verlor in der Schlacht 25 Prozent seiner Armee, die Gegenseite 30 Prozent.

Die Situation wendete sich grundsätzlich als Elisabeth I. von Russland ihren Neffen Peter als Thronfolger vorsah, was sich aber noch nicht direkt auswirkte.

Da Peter auf persönlicher Basis sehr mit Friedrich sympathisierte, führte er mit ihm schon seit langem einen intensiven Schriftverkehr und stimmte mit dessen Vorstellungen einer zeitgemäßen Staatsführung überein.

Als 'Tante Elisabeth' 1761 starb, folgte der Neffe als Peter III. auf den Thron, er zog die Russen aus dem Krieg mit Preußen zurück, beendete die Kriegshandlungen gegen Friedrich und schloss mit ihm am 5. Mai 1762 den Frieden von St. Petersburg, dem sich am 22. Mai 1762 die Schweden anschlossen.

Damit zerbrach die Koalition und Österreich blieb allein als Gegner Preußens im dritten Schlesischen Krieg übrig. Maria Theresia konnte am 29. Oktober 1762 in der Schlacht bei Freiberg endgültig besiegt werden und Schlesien blieb bei Preußen.

Zitatende

Quelle: http://www.telezeitung-online.de/Thema_des_Tages_03._November_2020_'Torgau'.htm

 

Vom Dritten Schlesischen Krieg waren betroffen:
 

Großbritannien, Preußen, Portugal und Verbündete

Frankreich, Spanien, Österreich, Russland, Schweden und Verbündete

- auf dem Europäischen Kriegsschauplatz
Großbritannien/Kur-Hannover u.a. Alliierte gegen Frankreich
,

- auf dem Amerikanischen Kriegsschauplatz als
 
Siebenjähriger Krieg in Nordamerika

Monongahela Carillon La Belle Famille Québec Beauport Abraham-Ebene Sainte-Foy Restigouche

auf dem Asiatischen Kriegsschauplatz:
Dritter Karnatischer Krieg
Cuddalore – Negapatam – Pondicherry –
Wandiwash
– Manila

Friedrich selber meinte nach Ende der Kampfhandlungen, die Sucht nach Ruhm habe ihn verleitet.
Waren es nicht auch die drei Frauen, denen er als Krieger gegenübertrat und die er schlagen wollte:
- Maria Theresia, die er nur als Königin von Ungarn und als ‘Erzhure‘
  bezeichnete
- die Zarin Elisabeth I. von Russland
und nicht zu vergessen -
- die Pompadour – Mätresse des französischen Königs Ludwig XV.

 https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-81562344.html

Friedrich als Theaterbaumeister und Intendant

Als dann 1740 nach Übernahme der Regentschaft das Engagement internationaler Solisten, durch Zahlung sehr hoher Gagen möglich wurde, widmete er sich der Komposition von Arien oder der Verzierung dieser Gesangstücke anderer Komponisten für seine Sänger. Für diese seine Opernsolisten und auch für die französische Schauspieltruppe schuf er voller Leidenschaft entsprechende Bühnenräume.




 

 

 

Zitat
 

Ein 17-jähriges Wunderkind

– Zum 195. Todestag –
 

 
 

von Dr. Ullrich Westerhagen

Wolfgang Amadeus Mozart galt zu seiner Zeit schon in jungen Jahren in der musikalischen Fachwelt als Wunderkind, 17 Jahre nach dessen Tod erblickte ein anderes Wunderkind das Licht der Welt. Denn die Deutsch-Russin Elisabeth Kulmann wurde nach dem damals in Russland gültigen gregorianischen Kalender am 17. Juli (und nach dem Julianischen am 5. Juli) 1808 in Sankt Petersburg als jüngste Tochter des russischen Offiziers Boris Feodorowitsch Kulmann und dessen deutscher Ehefrau Maria (geborene Rosenberg) geboren.

Auch deren Vater – ebenfalls aus einer Offiziersfamilie stammend – verfügt über deutsche Wurzeln, denn er war der Enkel einer deutschen, aus dem Elsass nach Russland eingewanderten Familie. Elisabeth wuchs dadurch zweisprachig auf. In Sankt Petersburg gab es damals nicht nur eine große deutsche Gemeinde, sondern an der südöstlichen Peripherie dieser Zarenstadt gab es auch ein rein deutsch geprägtes Siedlungsgebiet.

Elisabeth musste in sehr ärmlichen Verhältnissen aufwachsen, denn kurz nach ihrer Geburt verstarb ihr Vater und ihre Mutter musste ihre neun Kinder nun allein durchbringen. Doch trotz aller Armut förderte die Mutter ihr jüngstes Kind, da deren großes Sprachtalent offensichtlich war.

Außer ihren beiden Muttersprachen erlernte Elisabeth bis zu ihrem 15. Lebensjahr sechs weitere Sprachen mit Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Neugriechisch. Zu diesen lebenden Fremdsprachen gesellten sich in den nächsten zwei Jahren auch noch die klassischen Sprachen Latein, Altgriechisch und Kirchenslawisch hinzu.
Mit 17 Jahren beherrschte sie also elf Sprachen! Eine phänomenale Geistesleistung, die nur einem Sprachgenie attestiert werden kann. Nur am Rande und zur Vollständigkeit sei erwähnt, dass sie auch über eine gute Ausbildung in Musik, Zeichnen und Malen verfügte.

Doch der Kreativität dieses Mädchens sind damit noch keine Grenzen gesetzt. Denn schon als Kind widmete sie sich auch der Literatur. Bereits im 11. Lebensjahr erschienen ihre ersten – zunächst in deutscher Sprache – verfassten Verse, wobei sie schon kurz danach in ihren beiden anderen Lieblingssprachen Russisch und Italienisch dichtet und sich außerdem als Übersetzerin in acht verschiedenen Sprachen auf den Gebieten von Fabeln, Lyrik und Dramen einen Namen macht.
Überschwänglich fallen die Stellungnahmen von zeitgenössischen Geistesheroen wie zum Beispiel J. W. von Goethe, Johann Heinrich Voß und Jean Paul sowohl über die Qualität dieser Übersetzungen als auch über die Dichtungen dieses jungen Mädchens aus.

Goethe zum Beispiel beurteilte ihre Gedichte als „vortrefflich“! Elisabeth dichtet innerhalb von nur 6 Jahren mehr als 100.000 Verse (!). Dabei mag es dahingestellt bleiben, ob diese imposante Anzahl, die ihr Biograph Karl Friedrich Großheinrich angibt, den Tatsachen entspricht, verifizierbar ist diese jedoch nicht. Doch stellt sie zumindest ein Indiz dafür dar, wie exorbitant umfangreich die Schaffenskraft dieser jungen Literatin gewesen sein muss.

Auch der Komponist Robert Schumann wird auf das Wunderkind aufmerksam und wird dadurch zu seinem opus 104 inspiriert. Er vertont 7 Texte zu Kunstliedern, welche heute kostbare Raritäten darstellen.

Diese sind:

Viel Glück zur Reise, Schwalben!

Mond, meiner Seele Liebling

Der Zeisig

Du nennst mich armes Mädchen

Reich mir die Hand, oh Wolke

Die letzten Blumen starben

Gekämpft hat meine Barke


Und wieder einmal wird man mit der Tatsache konfrontiert, dass oftmals das erreichte Lebensalter von Genies umgekehrt proportional zu ihrer schöpferischen Kraft sowie ihrem umfangreichen Schaffen steht, welches diese der Menschheit zurücklassen.

So scheint bei etlichen Künstlern ein unerklärliches, nicht nachweisbares Gen vorhanden zu sein, das im Unterbewusstsein suggeriert: „Deine Lebenserwartung ist nur sehr begrenzt! Du musst deshalb die wenigen Jahre, die Dir noch zur Verfügung stehen, mit Deiner schöpferischen Kraft konsequent und sehr effizient nutzen, um Deiner Nachwelt Deinen Impetus, Dein kreatives Können als Vermächtnis zu hinterlassen.“

Exemplarisch seien hinsichtlich eines kurzen Lebensalters bei den Komponisten als schlüssige Beispiele angeführt:

Franz Schubert (31), Wolfgang Amadeus Mozart (35) Henry Purcell (36) und bei den Sängern Fritz Wunderlich (ebenfalls 36 Jahre). Natürlich steht diese These unbeweisbar im Raum. Doch sie gibt Anlass zum Nachdenken. So steht Schuberts Lebensalter von nur 31 Jahren in keinem Verhältnis zu seinem umfangreichen musikalischen Schaffen. Er hat neben Messen, Sinfonien, Opern und Kammermusik allein über 600 Kunstlieder komponiert, mit immer neuen – sich nie wiederholen oder ähnelnden Motiven.

Und Mozart? 40 komponierte Sinfonien, 17 Klaviersonaten, 42 Violinsonaten, 11 Messen, 6 Streichquartette, ungezählte kleinere Werke, 40 Lieder, 31 Serenaden, 43 Instrumentalkonzerte (darunter 25 Klavierkonzerte), 26 Streichkonzerte, 7 Streichquartette, 7 Klaviertrios, 15 Sonatensätze für Orgel, 15 Messen, Vespern, Litaneien, ferner Fantasien, Variationen, Tänze nicht zu vergessen: 23 Opern!

Und es erübrigt sich, in diesem Zusammenhang auch Henry Purcells Lebenswerk auszuführen. Und bei Fritz Wunderlich (im wahrsten Sinne und Bezug zu seinen Namen) die vielen Konzerte und Opernaufführungen weltweit und zusätzlich an Einspielungen, wie da sind Arien und Opern: 46 geistliche Arien, Wiener Lieder: 16 Schlager und Konzerte: 21 Kunst- und Volkslieder: 22 Arien und Lieder: 28 und etliche andere kleinere Kompositionen aus allen Bereichen zu bewundern. Technische Schwierigkeiten zu seiner Zeit eingeschlossen, mit den Einspielungen auf zu schneidende Tonbänder mit zig-fachen Aufnahmewiederholungen. So liefert auch dieser Sänger einen Beweis für diese – nicht zu beweisende – These!

Elisabeth ist in ihrem Alter und ihren tiefgründigen Aussagen sowie dichterischen Empfindungen ihrem Alter weit voraus, was zwei lyrische Gedichte exemplarisch zum Ausdruck bringen. Wobei eine sentimentale und melancholische Grundstimmung deutlich wird, was auch erklärlich ist. Ihre Jugend ist geprägt durch Armut und Leid. Unter dadurch bedingten, begleitenden und sich wiederholenden schmerzhaften Vorfällen verfloss die gesamte Jugendzeit der Dichterin. Wobei ihre einschlägigen schriftlich hinterlassenen Gedanken vorangestellt werden sollen, die wie folgt lauten:

 

Die herrlichsten Gedanken weckt oft die Einsamkeit;

vieles Große reifet im Schoße der Dunkelheit!

  

Die Natur und der Mensch

 

Es senkt das ganze Blumenheer

im Herbst sich in die Erde nieder.

Doch bei des Lenzes Wiederkehr

erscheint viel herrlicher es wieder.

Es senket sich die Sonn‘ ins Meer,

stets wecken sie der Lerche Lieder.

Doch keiner, sinken wir ins Grab,

nimmt uns des Todes Ketten ab.
 

An den Mond

Mond, meiner Seele Liebling,

wie siehst Du heut so blass?

Ist eines seiner Kinder,

o Mond, vielleicht unpass?

 

Kam Dein Gemahl, die Sonne,

vielleicht Dir krank ins Haus? 

Und trittst Du aus der Wohnung,

weinst Deinen Schmerz hier aus.

 

Ach! Guter Mond, ein gleiches

Geschick befiel auch mich.

Drin liegt mir krank die Mutter,

hat mich nur jetzt um sich!

 

Soeben schloss ihr Schlummer

das Aug ein Weilchen zu;

da wich, mein Herz zu stärken,

vom Ort ich ihrer Ruh.

 

Trost sei mir, Mond, dein Anblick,

ich leide nicht allein:

Du bist der Welt Mitherrscher,

und kannst nicht stets dich freun!
 

Und ein treffendes Beispiel für eine enorme Schaffenskraft stellt eben auch das Wunderkind Elisabeth Kulmann dar, das nur die Hälfte des Lebensalters von Mozart erreichte und noch als Kind (nach heutiger Terminologie Heranwachsende) am 1. Dezember 1825 im Alter von nur 17 Jahren erschöpft, ausgemergelt und ausgezehrt starb und in ihrer Heimatstadt ihre letzte Ruhestätte auf dem dortigen smolenskischen Friedhof fand.

 

Ihr Grab ziert ein Denkmal aus carrarischem Marmor, welches die Zarin Alexandra Fjodorowna gemeinsam mit der Großfürstin Helena Palowna gestiftet hat. Mit eingelassenem Blattgold befindet sich die Inschrift in den 11 Sprachen, welches dieses junge und doch so große Mädchen beherrscht hat.  

 



 

Bei der Zarin schließt sich der deutsche Bezug zu der großartigen verstorbenen jugendlichen Dichterin. Denn Prinzessin Charlotte von Preußen, vollständiger Name Friederike Luise Charlotte Wilhelmine von Preußen (* 13. Juli 1798 im Schloss Charlottenburg bei Berlin; † 20. Oktober (jul.) / 1. November  (greg.) in Zarskoje Selo nahe Sankt Petersburg) war ein Mitglied des Hauses Hohenzollern und avancierte durch ihre Heirat mit Zar Nikolaus I. zur Alexandra Fjodorowna Kaiserin bzw. Zarin von Russland.

Schließlich hält die Geschichte noch einen besonderen, nachdenkenswerten Sachverhalt für das Wunderkind Elisabeth in Form eines affinen Lebensviereck mit der Zahl 17 bereit:

·       Sie wurde 17 Jahre nach dem Tod von Wolfgang Amadeus
    Mozart geboren

·       einem Kalendertag 17, nämlich am 17. Juli 1808

·       beherrscht im Alter von 17 Jahren perfekt elf Sprachen

·       und verstarb bereits im jugendlichen Alter von nur 17 Jahren.

Wie der Zufall manchmal im Leben eben so spielt. –

Zitatende

 

 Bildungsauftrag und Freiheit der Kunst

von KS Prof. Dr. Bernd Weikl

„Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder" ist ein Drama von Friedrich Schiller, dem der Autor die Gattungskennzeichnung „Ein Trauerspiel mit Chören" gegeben hat. Die Uraufführung fand am 19. März 1803 in Weimar statt. Hier Exzerpte aus der Stelle: Über den Gebrauch des Chores in der Tragödie:
 

 

 

Zitat
Es ist nicht wahr, was man gewöhnlich behaupten hört, dass das Publikum die Kunst herabzieht; der Künstler zieht das Publikum herab, und zu allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch die Künstler gefallen. Das Publikum braucht nichts als Empfänglichkeit, und diese besitzt es ... Zu dem Höchsten bringt es eine Fähigkeit mit; es erfreut sich an dem Verständigen und Rechten, und wenn es damit angefangen hat, sich mit dem Schlechten zu begnügen, so wird es zuverlässig damit aufhören das Vortreffliche zu fordern, wenn man es ihm erst gegeben hat. ... Aber indem man das Theater ernsthafter behandelt, will man das Vergnügen des Zuschauens nicht aufheben, sondern veredeln. Es soll ein Spiel bleiben, aber ein poetisches. Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken. Die rechte Kunst ist nur diese, welche den höchsten Genuss verschafft".
1
Zitatende


Für die rechte Kunst, die den höchsten Genuss verschaffen soll, hat der Gesetzgeber den staatlichen Bildungsauftrag vorgegeben, der z. B. mit hohen Subventionen die Unkosten der Opernhäuser mitfinanziert. Aber warum fördert in Deutschland der Staat Kunst und Kultur in diesem Umfang und überlässt dies nicht dem Markt? Weil diese „öffentlichen Anlagen und Einrichtungen" aus Sicht des Staates bzw. der Gesellschaft einen hohen gesellschaftlichen Nutzen stiften. Aus genau diesem Grund werden sie mit öffentlichen Mitteln gefördert, da sie ansonsten nicht ausreichend hergestellt bzw. nachgefragt werden können.

In Deutschland ist also der Nutzen von Kunst und Kultur unstrittig - explizit wird jener zum Beispiel in der Bayerischen Verfassung als Ländersache deklariert und dabei genauer definiert: Bildung soll nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden und die Ehrfurcht vor der Würde des Menschen ... im Geiste der Demokratie ... und im Sinne der Völkerversöhnung vermitteln. Herzens- und Charakterbildung als Elemente der Persönlichkeitsentfaltung sind mithin eine Bringschuld der staatlichen Gemeinschaft an sich selbst. 2

Wissenschaftliche Untersuchungen haben längst nachgewiesen, dass dies bei beglückenden Erlebnissen - und zu jenen zählen eben auch Genuss spendende Opernaufführungen der Wagnerschen Musikdramatik - über die Ausschüttung von Endorphinen in bestimmten Feldern unserer grauen Zellen zu dieser gewünschten Persönlichkeitsbildung führen kann und soll. Es handelt sich hier vor allem um eine emotionale Ansprache und nicht primär die wissenschaftliche oder politische Bildung, die uns über eine gefühlsmäßige Wahrnehmung erreichen und zur Ausdifferenzierung der Sinne führen soll. Deshalb ergeht der hoch subventionierte Bildungsauftrag an unsere Theater.

Einigkeit gibt es seit langem bei der Feststellung, dass Musikhören Emotionen hervorbrächte und in der Lage sei, Stimmungen zu verändern. Auch die Unterschiede
der cerebralen Wahrnehmung bei Konsonanz und Dissonanz sind dokumentiert4 und wichtig für zeitgenössische Musik, wenn sich Komponisten wundern, dass ihre Werke von einem breiteren Publikum nicht verstanden werden. Über das nicht erfüllte Aha-Erlebnis, das die Spannung während einer Erwartungshaltung beim Hörer auflösen und in Jubel über eine künstlerische Bühnenleistung enden soll, wird schon in den fünfziger Jahren berichtet.

Der Wiener Kritiker Eduard Hanslick erklärte seinerzeit als typischer „Beckmesser": Das Schöne habe überhaupt keinen Zweck, denn es sei bloße Form, welche zwar nach dem Inhalt zu den verschiedensten Zwecken verwandt werden könne, aber selbst keinen anderen habe, als sich selbst. Unsere Gefühle sollen die Musik erregen und uns abwechselnd mit Andacht, Liebe, Jubel, Wehmut erfüllen? Solche Bestimmung habe aber in Wahrheit weder diese noch eine andere Kunst, weil bei dem wichtigen Nachdruck, welcher unermüdlich auf die durch Musik zu erzielende Sänftigung der menschlichen Leidenschaften gelegt werde man oft nicht wisse, ob von der Tonkunst als von einer polizeilichen, pädagogischen oder medizinischen Maßnahme die Rede sei. Hanslicks L'art pour l'art ..‚ gleicht diese längst überholte Meinung nicht so mancher Auffassung in der heutigen Theaterpraxis?

Ergebnisse psychologischer Langzeitstudien weisen eine Verbindung zwischen Sehen und Handeln nach. Darstellungen von Gewalt ziehen eben nun einmal aggressives Handeln nach sich und bewirken längerfristig eine psychische Abstumpfung, eine Art Desensibilisierung im Hinblick auf Empfindsamkeit oder auf moralisches Aufbegehren gegenüber Gewalt in täglichen Leben. Zumindest können solche Angebote auf den Bühnen nicht den Bildungsauftrag erfüllen.

Sinnliche Erlebnisse sind innere Episoden, die durch sinnliche Reize aus der Außenwelt angeregt werden, indem sie das Tiefengedächtnis mobilisieren. Kunst steht in einem sehr engen Verhältnis zu solchen inneren Episoden, denn sie ist auf besondere Weise dazu angetan, die Phantasie anzuregen und mit Emotionen aufzuladen. Ebenso wenig erstaunlich ist die Feststellung, dass die inneren Vorstellungen von real nicht oder so nicht existierenden Welten die Vorstufe aller Kreativität bilden. Insbesondere bei den darstellenden Künsten, deren Gestalten uno actu erzeugt und wahrgenommen werden muss diese Ebene der inneren Hinwendung sich bilden können. Etwa während eines Konzertes, einer Opernaufführung, weil es sonst kaum zur Übertragung der künstlerischen Botschaft kommen kann. Abweisende, verstörende Vorführungen verhindern dies, denn Unverständnis für Kunst verschließt die Empfänglichkeit für das, was Kunst zu bieten hat. Die Empfänglichkeit des Menschen ist zwar als Potential angeboren, bedarf aber der sorgfältigen Entwicklung, um in einem bestimmten gesellschaftlichen Umfeld wirksam zu werden. Das ist eine genuine Bildungsfrage.

1 Schiller,F.(1997): Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder: Über den
   Gebrauch des Chores in der Tragödie. Deutsche Schillergesellschaft, Marbach-Neckar

2 Artikel 131, 1-3. Bildung und Erziehungsauftrag nach der bayerischen Verfassung

3 Weikl.B (1998): Vom Singen und von anderen Dingen, Kremayr & Scheriau, Wien

4 Koelsch. S.(2006): Investigating emotion with music: an fMRlstudy. Human Brain
   Mapping,27(3), 239-250

   Meyer. L. B. (1956): Emotion and meaning in music. Chicago: University of Chicago Press Hanslick. E.
   (1891): Vom musikalisch Schönen, Leipzig, 6 - 10

   Bendixen.P/Weikl.B (2011): Einführung in die Kultur- und Kunstökonomie, VS Verlag, Wiesbaden



‘Richard Wagners Bild der Frau
in Cosimas Tagebüchern‘

“[...] Mit Blick auf die Frau erkennt Wagner in der Liebe, Hingabe, im Empfang des Willens und der Vernichtung als tätigem Opfer ihre eigentliche Wesensbestimmung.

Diese Vorstellung vom Wesen der Frau ist weitgehend geprägt von einer Psychologisierung eines an sich biologistischen Weltbildes, dessen Affirmationscharakter den bestehenden Machtverhältnissen gegenüber Wagner nicht reflektiert. Er stellt den Mann dar, als das aktive, lebenszeugende Element, die Frau als die passive, die das Leben nicht nur des Kindes, sondern auch ihre eigene Seele und ihren Willen vom Mann empfängt. In dieser Akzentuierung der Passivität der Frau ist von ihrer eigenen Identität kaum die Rede. [...]“
(Susanne Vill, Das Weib der Zukunft, Stuttgart/Weimar, 2000).

In seinen theoretischen und selbsterklärenden Schriften äußert sich Wagner mit Blick auf die Leser über das, was er für das ’Wesen des Weibes’ hielt: Passivität, Unbewusstheit, Hingebungseifer, zur Erlösung des Mannes aus seinem Egoismus, ein Liebesideal zu Lasten der Frau bis zu ihrer Vernichtung. Seine politisch-revolutionären Schriften postulieren eine gerechtere Welt - jedoch nur für Männer.

Sein Verhalten und seine Äußerungen über Frauen, die Cosima in ihren Tagebüchern notiert hat, zeigen ihn reaktionär patriarchalisch, irritiert und ablehnend gegenüber den Bestrebungen der Frauenbewegung. Ortrud, die politische Frau fing schon zu seinen Lebzeiten an, sich zu realisieren und machte ihm Angst.

Die Tagebücher von 1869 – 1883, dem Zeitpunkt von Richard Wagners Tod, “[...] ein treues Protokoll des Zeitgeistes, wie es wohl unverstellter kaum denkbar ist. [...]“
“[...] ihr sollt jede Stunde meines Lebens kennen, damit ihr mich dereinst erkennen könnt, denn sterbe ich früh, so werden die anderen gar wenig über mich euch sagen können, sterbe ich alt, so werde ich wohl nur noch zu schweigen wissen. [...]“
(Martin Gregor-Dellin, / Dietrich Mack, Cosima Wagner, Die Tagebücher, München, 1976).

Ihre Herkunft als Kind der Gräfin d’Agoult und Franz Liszt, deren Verbindung auseinander ging, ihre strenge, kalte Erziehung durch Gouvernanten, ihre verfehlte Ehe mit Hans von Bülow, disponierten ihre Psyche, sich für „[...] den einzigen Freund, den Schutzgeist und Erretter meiner Seele, den Offenbarer alles Edlen und Wahren [...]“ (1.Januar 1869), so wie es Richard Wagner in ‚Oper und Drama’ (1850/1851) von den Frauen fordert „[...] mit der Allgewalt vollsten Hingebungseifers zu lieben. [...]“
(Richard Wagner, Gesammelte Schriften und Dichtungen, Faksimiledruck der Ausgabe von 1887, Moers 1976) (Oper und Drama)

Mit Bewunderung aber auch mit Schaudern lesen wir, was Richard Wagner von ihr erwartete, wie sie oft nach leiser Klage über das Los der armen Weiber sich zur Ordnung der Aufopferung rief und trotzdem nie ihre Würde verlor. Die Lesung der Tagebücher ergänzt durch Briefe unter dem Gesichtspunkt der Bemerkungen über Frauen zeigt ein Spektrum von ernsten, spöttischen, bösartig-patriarchalischen, manchmal auch heiteren Aussprüchen des Genies Richard Wagner zwischen Zeitverhaftung und Antizipation.

Denkende Frauen waren auch in der zweiten Hälfte des 19. Jh. noch zu einem Leben außerhalb der zugewiesenen Geschlechterrolle verurteilt. Daher stimmt es bitter, wenn Cosima am 2. Januar 1869 fragt, ob sie Schopenhauer lesen sollte “[...] Er rät mir davon ab; durch den Mann, durch den Dichter solle die Frau zur Philosophie kommen. Vollkommenes Verständnis meinerseits. [...]“
(Cosima.Tagebücher Bd.
I, S. 23 – im Weiteren ausgewiesen als C.T.)

Spricht er ihr den Verstand ab, Philosophie zu verstehen, oder fürchtet er, durch die pessimistische Weltverneinung Schopenhauers die selbstlose Gefährtin sich entfremdet zu sehen? Obwohl ihr die Fähigkeit zu denken wie jedem Menschen angeboren ist, zuckt sie nach der ablehnenden Antwort auf ihre Frage sofort zurück und begibt sich in die Demutshaltung des vollkommenen Verständnisses.

RW wünscht sich „[...] das Wellenmädchen, das seelenlos durch die Wogen seines Elementes dahinrauscht, bis es durch die Liebe eines Mannes erst die Seele empfängt.“

(Richard Wagner, Gesammelte Schriften und Dichtungen, Faksimiledruck der Ausgabe von 1887, Moers 1976) (Oper und Drama)

Es ist die Angst des Patriarchen vor der intellektuell gleichwertigen Partnerin. Er glaubt sein Revier des abstrakten Denkens verteidigen zu müssen, aber einige Jahrzehnte später werden viele ‚Ortrud-Frauen’ fragen „[...] glaubest du, ich müsste dir nur kriechend nah’n? [...]“ (II, 1)

Gerda Lerner schreibt zu dieser Problematik „[...] das abstrakte Denken und die Entwicklung neuer begrifflicher Modelle, Theoriebildung [...] diese Leistung ist abhängig davon, dass die intellektuelle Ausbildung des Einzelnen auf der Höhe des erreichten Wissensstandes und der höchstentwickelten Traditionen erfolgt und dass der Auszubildende von einer Gruppe gebildeter Menschen akzeptiert wird, die durch Kritik und gegenseitige Anregung für ‚kulturellen Ansporn’ sorgen. [...]“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New York 1995, S. 276)

Keineswegs ist die Grundlage des Denkens das sexuelle Geschlecht, aber die jahrtausendlange Praxis, die ‚Gattung Weib’ von Bildung und Ausbildung auszuschließen, nahm den Frauen die Voraussetzungen, unter denen sich abstraktes Denken entwickeln lässt.

Am 24. Januar 1869 schildert Cosima, wie sie immer „[...] krankhafter empfindsam werde [...]“ und ihr „[...] graut förmlich vor der Gewalt des Genius’, welche die unergründlichen Geheimnisse des Daseins jählings vor uns aufdeckt, wenn ich auch nichts hoch halte und preise als diese göttlich dämonische Gewalt [...]“ nachdem RW aus dem zweiten Akt ‚Tristan’ vorgespielt hatte.

Cosima war in ihrer rückhaltlosen Öffnung für das Narkotikum von Richard Wagner’s Musik das ideale Publikum und wie Elsa dem aus überirdischen Sphären herabgestiegenen Lohengrin zu Füßen liegt und „[...] Leib und Seele frei gibt [...]“ (1. Akt, 2. Szene) sagt sie „[...] zu dem leuchtenden Sternen erfüllten Abgrund zieht es mich an, unwiderstehlich schaue ich hinein und versinke bewusstlos darin.[...]“
(C.T. Bd. I, S. 42-43)

Und Richard Wagner wünscht sich in ‚Eine Mitteilung an meine Freunde’, 1851 bezüglich der Rezeption des Lohengrin „[...] nur der nach seinem höchsten Empfängnisvermögen vollkommen befriedigte Gefühlsmensch, vermag auch den neuen Stoff vollkommen zu begreifen.[...]“
(Richard Wagner, Gesammelte Schriften und Dichtungen, Faksimiledruck der Ausgabe von 1887, Moers 1976)

Dass ihr zum analytischen und strukturellen Aufschlüsseln seiner Werke die Kenntnisse fehlen, beklagt sie mit einem schmerzlichen Ausruf “[...] Wir armen Weiber, die nur lieben können, wohl sind wir zu beklagen, wenn wir des Genius’ Geheimnis ahnen! Und doch was sind wir ohne diese Teilnehmung an dem Genius.[...]“
(C.T. Band I, S. 43)

Es fällt viel Glanz auf sie in der Nähe des schöpferischen Genies, aber sie leidet unter dem Stigma der Bedeutungslosigkeit in einer Welt, die die ’Gattung Weib’ abwertet.

Am 7. Februar 1869 notiert sie “[...] ich könnte mir leicht denken, dass eine andere Zeit mich als religiöse Schwärmerin gesehen hätte – nun hat die Liebe mich erfasst und ganz erfüllt und weiß ich nichts andres und will ich gern darin und darum leiden.[...]“

Elsa, die Ideal-Frau, sehnt sich auch in ihrer Liebe nach Leid, dass sie für Lohengrin ertragen möchte.

„Ach könnt’ ich deiner Wert erscheinen,

müsst’ ich vor dir nicht bloß vergehn;

könnt’ ein Verdienst mich dir vereinen,

dürft ich in Pein für dich mich sehn.!“ (3. Aufzug, 2. Szene)

Warum diese Lust am Leiden? Ist es die seit biblischen Zeiten indoktrinierte These, dass Frau-Sein schon eine ’Ur-Schuld’ ist?

Um die Frage nach Leid und Tod zu beantworten, haben die Autoren der Bibel, der Apostel Paulus, die Kirchenväter, vor allem Augustinus viel Scharfsinn aufgewendet, um Eva und allen Weibern die Schuld dafür aufzubürden. Die Geschichte von Adam, Eva und der Schlange (Moses, 3, 1-7) hat in außergewöhnlichem Umfang die abendländische Kultur beeinflusst und die Frauen im Selbsthass sich selbst entfremdet. Still und gern zu leiden – wie Cosima und Elsa – befiehlt ihnen der Apostel Paulus im 1. Tim, 2, 11 – 15. “[...] Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. Einer Frau gestatte ich nicht, daß sie lehrt auch nicht, dass sie sich über den Mann erhebe, sondern sie sei stille. Denn Adam ist am ersten Tag gemacht, danach Eva. Und Adam ward nicht verführt, und ist der Übertretung verfallen. Sie aber wird selig werden dadurch, dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie bleiben im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung samt der Zucht. [...]“

Dazu schreibt Elaine Pagels “[...] Unter Hinweis auf Evas Sündhaftigkeit kleingeholzt und jedweder eignen Autorität beraubt, bleibt der Frau nichts übrig, als sich unter die Fuchtel ihres Mannes zu bequemen und froh zu sein, dass auch sie vielleicht aus ihrer Sündenschuld errettet wird – vorausgesetzt sie lässt sich nicht gelüsten, aus ihrer angestammten Hausfrau-und-Mutter-Rolle ausbrechen zu wollen. [...]“
(Elaine Pagels, Adam, Eva und die Schlange, Die Theologie der Sünde, Reinbek bei Hamburg, 1991)

 

Ortrud dagegen, unbeeinflusst von jüdisch-christlicher oder griechisch-römischer Frauenverachtung verhält sich kämpferisch und verkündet:

„Mein Leid zu rächen will ich mich vermessen,

was mir gebührt, das will ich nun empfahn.“

(2. Aufzug, 4. Szene)

Damit überschreitet sie die Grenze des Schicklichen, missachtet das Postulat des schweigenden Leidens, das Cosima zwar beklagt, aber nicht zu durchbrechen wagt. Ortrud ist die einzige unter allen Frauengestalten Wagners, die sich aus der ’Gattung Weib’ individualisiert und öffentlich gegen das „[...] falsch Gericht [...]“ protestiert. (2. Aufzug, vierte Szene)

Und die weitere Entwicklung hat ihr Recht gegeben, Klagen und Leiden sind nicht geeignet, Missstände zu beseitigen, auch wenn es unbequem für Patriarchen ist.

Hierzu meint Dieter Borchmeyer: „[...] Nach Wagners Theorie ist das Weib bisher stärker noch dem natürlichen Gattungsinstinkt unterworfen, als der entschiedener vom naturüberschreitenden Individualverhalten bestimmte Mann – eine Geschlechterunterscheidung, die freilich durch die moderne gesellschaftliche Entwicklung allmählich aufgehoben zu werden scheint.[...]“
(Dieter Borchmeyer, Über das Weibliche im Menschlichen in Richard Wagners Musikdramen, in Vill, Susanne, (Hrsg.) Das Weib der Zukunft, Stuttgart/Weimar, 2000)

Dass Richard Wagners patriarchales Wunschdenken, pseudowissenschaftlicher Unsinn, seit der Antike unkritisch wiederholt wird, dokumentiert sich am 22. Juni 1869, als Cosima bei der Betrachtung ihrer fünf Kinder feststellt „[...] in Bezug auf die beiden ältesten, die keinen Zug von mir haben, sagt er, da sähe man, wie das Weib sich verhalte, wie die Erde zur Sonne, sie sei ganz passiv, und nur, was der Mann hineinlegt, kommt heraus; außer wenn die Erde nun selbst in Affekt, in Enthusiasmus gerate, wenn Tellus in Sol sich verliebt, dann wirkt sie auch mit. Die Orientalen betrachten mit Recht das Weib wie den Acker, in welchen sie den Samen legen.[...]“
(C.T. Bd. I., S. 113)

Eigentlich hätte Richard Wagner es besser wissen müssen – allerdings ist nicht schlüssig nachzuweisen, ob er die Mendel'schen Gesetze kannte, nach denen, bereits 1865 vom Augustinerchorherrn Gregor Mendel erkannt, vereinfacht ausgedrückt, das genetische Material von beiden Eltern zu gleichen Teilen weitergegeben wird. Außerdem entdeckte der Naturforscher Karl-Ernst von Baer 1827 das Säugetier-Ei aus dem Eierstock einer Hündin. Er sah als Erster ein reifes Ei unter dem Mikroskop, womit bewiesen war, dass aus dem durch das Sperma befruchtete Ei, das sich in die Gebärmutter einnistet, das neue Wesen entsteht und nicht durch das Sperma allein.

Affekt und Enthusiasmus, Gleichgültigkeit oder Abscheu sind für die Weitergabe von Erbanlagen völlig unerheblich, so wie zahllose ungewollte Schwangerschaften auch heute noch das Leben unwissender oder missbrauchter Frauen belasten.

Dass „[...] die Orientalen [...]“ das Weib als Acker betrachten, geschieht nicht „[...] mit Recht [...]“, sondern ist verbrecherisch. Richard Wagners Bild es Orient ist der bunte Traum von Märchen, in denen schöne Prinzessinnen von edlen Helden geliebt werden. In Wirklichkeit leiden bis heute Millionen von Frauen, rechtlos, besitzlos und stimmlos unter Tschador, Burka, Schleier und Gesichtsmaske, als Kinder verstümmelt, schlecht ernährt, von der Bildung ferngehalten, einem Unbekannten in die Ehe gegeben, bis der Tod sie nach 10 bis 15 Geburten erlöst.

Der Islam begründet die Missachtung der Frauen mit den Worten des Propheten im Koran, Sure 4, Vers 34: “[...] Die Männer sind den Weibern überlegen wegen dessen, was Allah den einen vor den anderen gegeben hat .... Diejenigen [Weiber] aber, für deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet – warnet sie, verbannt sie in die Schlafgemächer und schlagt sie. [...]“
(Der Koran, Reclam Band 4206, Stuttgart, 1961)

Die Exzesse ‚frommer’ Eiferer gegen Frauen schildert Siba Shakib in ihrem Buch ‚Nach Afghanistan kommt Gott nur noch zum Weinen’ (München 2001) in dem sie stellvertretend für das Schicksal der Frauen eines ganzen Volkes die Geschichte der Shirin-Gol aufzeichnete.

Es sollte Pflichtlektüre für Geistliche alle Religionen und Politiker jeder Couleur sein.

Dass die orientalischen und fernöstlichen Staaten sich aus ’religiösen’ Gründen gegen die Anerkennung der Menschenrechte wehren, zeigt ihre Angst, dass aus dem schweigenden Acker lebendige, denkende, kritische, schöpferische Frauen entstehen könnten, die den hohlen Nimbus des Patriarchen enttarnen.

„Der androzentrische Irrtum von dem das gesamte Denken der westlichen Zivilisation – und mehr noch in der islamischen - zutiefst geprägt ist, kann nicht einfach durch das ‚Hinzufügen der Frauen’ wie Heinrich Laube 1836 in 'Liebesbriefe' aufzeigt, korrigiert werden. Zur Richtigstellung ist eine radikale Umstrukturierung des Denkens und der Analyse erforderlich, mit der für allemal die Tatsache anerkannt wird, dass die Menschheit zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen besteht und dass die Erfahrungen, Gedanken und Einsichten beider Geschlechter in jeder verallgemeinernden Aussage über menschliche Wesen repräsentiert sein müssen.“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New York 1995, S. 273)

Und über die Frauenbefreiung und die vorbildliche Stellung der Frau im Orient stellt Cosima am 8. August 1869 fest: „[...] Seroffs zu Tisch; er ein guter freier Mensch, sie hässlich wie die Nacht, interessierte sich für die Frauen-Befreiung, während wir eben gestern, R. und ich, unsere Verabscheuung dieser ‚jetztzeitlichen’ Unsinns aussprachen.[...]“
(C.T., Bd. I, S. 138)

Natürlich ist es leicht, über eine unschöne Frau zu lästern, die ihr Schicksal nicht selber verschuldet hat, daher aber auch Verständnis zeigt für manche überzähligen Töchter, die in früheren Zeiten ins Kloster gesteckt wurden oder in den Familien als geduldete Tanten und verspottete alte Jungfern ihr Dasein fristen mussten, weil sie nichts lernen durften.

Man spürt hinter dieser Bemerkung Cosimas die Einstellung, dass eine Frau ‚hässlich wie die Nacht’ doch froh sein könne, einen Ehemann zu haben und ihrer gottgewollten Aufgabe nahezukommen. Und nun erdreistet sich solch eine Person sich für die Frauenbewegung einzusetzen!

Denn sie hat das typische Aussehen einer alten Jungfer “[...] Häßlich, vertrocknet, unweiblich, würdelos, lächerlich, prüde und gleichzeitig kokett – die Stereotype über Charakter, Aussehen oder Lebensweise der allein stehenden Frau waren ohne Begründung in der Sache in der gesamten Kultur des 19. Jahrhunderts verbreitet.
(Bärbel Kuhn, Familienstand ledig, Habil. Schrift, Köln 2000)

Hatte er vergessen, wie mühsam es für seine zweimal verwitwete Mutter war, ihre sieben Kinder durchzubringen, hatte er vergessen, wie die berufstätigen Schwestern zum Unterhalt der Familie und zu seiner Förderung beitrugen, wenn es in den Tagebüchern Cosimas heißt:
„[...] Richard sagt: “[...] >> Dass Mill sich dafür erklärt, zeigt, dass die Leute heutzutage gar keine Anschauung selbst von den einfachsten Dingen haben, dass sie gar nicht mehr wissen, was eine Mutter ist. Im Orient wissen sie es noch; da wo die Frau angeblich niedriggestellt ist, ist die Mutter heilig. Der Vater ist da, um Mutter und Kind zu beschützen, also das Verhältnis nach außen zu übernehmen; die Frau hat nichts mit der äußeren Welt zu tun. Freilich ist ihr Einfluss unermesslich, doch nicht dadurch, dass sie mit wählt und zur Mannsperson sich macht, die sie doch niemals wird. << [...]“ (C.T. Bd. I, S 138)

Diese Aussage Cosima gegenüber dokumentiert die Rückständigkeit im Denken Richard Wagners, denn John Stuart Mill (1806 – 1873) setzte sich als Volkswirt und liberaler Sozialist in seinem 1869 erschienenen Buch 'Die Hörigkeit der Frau' eben für die Rechte der Frauen ein.

Richard Wagner war es als Patriarch verständlicherweise höchst suspekt, dass ein englischer Philosoph und Soziologe zu gleicher Zeit diese Meinung vertrat und sich für die Erweiterung der Frauenrechte in England einsetzte.

Natürlich ist es bequem, die keusche Jungfrau oder die Mutter in die Heiligkeit zu entrücken; damit ist die Gesellschaft von der Aufgabe befreit, sich um das reale Leben dieser Frauen zu kümmern. Natürlich ist es der Traum eines jeden Patriarchen, willenlos gemachte Frauen, wie man sie auf den Genrebildern der Zeit sieht, allzeit zur Verfügung zu haben.

Gerda Lerner schreibt zur Familienpolitik in Europa und im Orient: „[...] Die patriarchale Familie hat sich als räumlich und zeitlich erstaunlich variabel und sehr überlebensfähig erwiesen. Zum orientalischen Patriarchat gehören Polygamie und das Einschließen der Frauen im Harem; das Patriarchat im klassischen Altertum und seine Entwicklung in Europa hingegen, stütze sich auf Monogamie. Aber in allen seinen Formen machte eine die Frauen benachteiligende Doppelmoral Teil des Systems aus.[...]“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New York 1995, S. 268)

Die Nachfolgerinnen Ortruds, die politischen Frauen, haben sich das Wahlrecht erkämpft und haben sich keineswegs zur ‚Mannsperson’ gemacht. Sie haben paternalistische Dominanz abgeschüttelt und sind weder ‚hässlich wie die Nacht’ noch ‚grauenhaft’.

Drei Eintragungen Cosimas vom Dienstag 12. Oktober, Sonntag 31. Oktober und Freitag 5. November 1869 enthalten Bemerkungen Richard Wagners über Kinder und ihre Erziehung. Anlässlich eines fröhlichen Kindergeburtstags heißt es: “[...] Richard stimmt mich traurig, in dem er an kleinen, unbedeutenden Vorfällen will gewahrt haben, dass es besser sei, kleine Mädchen nicht mit Knaben zusammenzubringen. [...]“   (C.T. Bd. I, S. 159, 165, 167)

Die frühzeitige Trennung von Jungen und Mädchen diente der Einübung der Fremdheit zwischen den Geschlechtern und den festgelegten Rollen. Mädchen sollten ausschließlich dazu erzogen werden, den Männern “[...] zu gefallen und nützlich zu sein, sich bei ihnen beliebt und geehrt zu machen, sie in ihrer Jugend zu erziehen und als Erwachsenen zu umsorgen, ihnen zu raten und sie zu trösten, ihnen das Leben angenehm zu machen und zu versüßen, sind die Pflichten der Frauen zu allen Zeiten, und die muß man sie lehren von Kindheit an [...]“ schreibt J. Rousseau in Emile oder über die Erziehung, (Paderborn 1958, S. 423)

Fremdheit führt zu Angst, Angst führt zu Aggression – Vertrautheit führt zu Verstehen, Verstehen führt zu Frieden. Auch die ’fraternité’ der französischen Revolution schloss die Frauen aus. Die Folgen sind bekannt: Verachtung, Ausbeutung, Vergewaltigung, Tod.

31. Oktober 1869: “[...] Richard schaut Eva lange ins Auge‚ was ist Individualität? Nichts, das sieht man, wenn man in solch Kindergesicht hineinschaut und eine ganze Gattung einem entgegenspricht.[...]“  (C.T. Bd. I, S. 165)

Ein ’Gattungswesen’ ist natürlich ein Mädchen ohne Individualität, das früh getrennt von den Knaben werden soll, um in die Dressur zum Dienen und Schweigen gebracht zu werden.

Individualität gesteht er hingegen seinem Sohn zu, er braucht ja eine vielseitige Erziehung

„[...] Dann nimmt er Siegfried auf den Arm und spielt eine lange Zeit mit ihm; er sagt mir: ‚wir werden Siegfried weggeben müssen, zur Zeit, wo er zum Mann wird, muss er unter Menschen kommen, da muss er die Adversität kennen lernen, sich herumbalgen, die Ungezogenheiten begehen, sonst wird er zum Phantasten, vielleicht zum Crétin, wie wir so etwas an dem König von Bayern sehen. [...]“
(C.T. Bd. I, S. 167)

Die alten Klischees kommen hier wieder hervor, die Mädchen und Knaben auf ihre geschlechtsspezifischen Rollen vorbereiten sollen: dienen oder kämpfen. Zwei Ziele, die die Kinder früh voneinander trennten, ohne Rücksicht auf Eignung. Inzwischen wissen wir längst, dass nicht jedes Mädchen sich zur Hausarbeit drängt und nicht jeder Junge eine wilde Kampfnatur ist.

Bedeutsam ist, dass Richard Wagner bereits hier für seinen gerade einmal vier Monate alten Sohn die entscheiden Weichen der Erziehung stellt, ihn zum ’Mann’ zu machen.

Die schwärmerische Verehrung Richard Wagners für die Griechen idealisierte deren tägliches Leben genauso wie er im Lohengrin ein ideales Mittelalter geschaffen zu haben glaubte. Dass sein Sohn “[...] zum Mann wird [...]“, der Sohn, den er ’Siegfried’ genannt hat, wird für ihn ein Programm, orientiert am griechischen und mittelalterlichen Ideal, dazu den protestantisch, christlichen Regeln, die er im Zusammenleben mit der Familie des Pastor Wetzel in den Jahren 1820 – 1821 und seines Onkels Adolf Wagner, dem Theologen, 1822 verinnerlicht hat.

Siegfried sollte “[...] unter Menschen kommen [...]“ also kein Eigenbrötler und Stubenhocker werden, sondern unter Knaben und jungen Männern wie im griechischen Gymnasion, Bildung und Redekunst erlernen, den Kampf gegen Widrigkeiten üben, den Körper im jugendlichen Kampf stählen, Saufgelage und Bordelle besuchen, dann würde er ein richtiger Mann, der schließlich zum christlichen Hausherrn mit absoluter Gewalt über Weib und Kinder würde.

Obwohl er seit 1864 finanzielle Wohltaten von König Ludwig II. erhielt und auch weiterhin erhalten wird, qualifiziert er ihn am 5. Nov. 1869 ab. Der ’Phantast’ finanziert ihm ein bequemes Leben, ermöglicht ihm schließlich später die Bayreuther Festspiele – ein Realist hätte das wohl niemals getan. Der ’Crétin’ war der homoerotische Schönling, dessen Liebe und pädophile Verehrung der ’Meister’ in der Tradition der griechisch, pädophilen Philosophen gerne entgegennahm.

Hierzu schreibt Josef Rattner “[...] Wagners Erotik bezog sich nicht nur auf Frauen, sondern auch auf Männer, die von ihm fasziniert wurden und in eine fast demütigende Abhängigkeit zu ihm gerieten. Darunter sexuell gehemmte Persönlichkeiten, für die der selbstbewusste Meister zum Idol wurde. Das berühmteste Beispiel dieser Art ist Nietzsche, aber auch H. v. Bülow und Peter Cornelius und natürlich König Ludwig II. wären hier zu nennen.

Ein Grundzug dieser Männerfreundschaften scheint darin zu bestehen, dass Wagner die Menschen danach einteilte, ob sie seinem Werk und ihm selbst nützten oder schadeten. [...]“

(Josef Rattner: Wagner im Lichte der Tiefenpsychologie, in Wagner Handbuch, Stuttgart 1986, S. 783)

Ein legitimer Sohn und Erbe war für den Patriarchen die Gewähr zur Weitergabe seiner Gene, was Siegfried in der Ehe mit Winifred auch vollzog, ohne sich in seinen homosexuellen Neigungen stören zu lassen.

Mit einer eigenartigen Wortkombination beschreibt Richard Wagner am Samstag, den 16. April 1870 seine Vorstellung vom richtigen Verhalten der Frauen, was Cosima mit “[...] Wir sprechen über die Frauen, R. sagt >> Wenn sie eine gewisse ängstliche Bescheidenheit verlieren, etwas andres sein wollen als Gattinnen und Mütter, wie unangenehm und steif werden sie da << [...]“ festhält.  (C.T. Bd. I, S. 220)

Die liebenswerten Frauen sollen also ängstlich sein! Ängstlich sein heißt: sich bedroht fühlen, sich einer Situation nicht gewachsen fühlen, Strafe erwarten, keinen Ausweg wissen.

Angst erzeugt Krankheit, die kränkliche Frau erzeugt im Patriarchen die Überzeugung seiner Überlegenheit, nun kann er sich zu dem hilflosen Wesen hinunterbeugen.

Wenn Elsa im dritten Aufzug, dritte Szene auftritt, beschreibt sie der Männerchor mit:

„Seht Elsa naht, die tugendreiche:

Wie ist ihr Antlitz trüb und bleiche!“

Sie erfüllt damit perfekt die Vorstellung der ängstlichen Bescheidenheit, sie ist tugendhaft, trüb und bleich. Bescheiden soll natürlich auch ein freier Mensch sein, aber in Kombination mit Angst wird Duckmäuserei, wird Kriechertum daraus. Unangenehm steif’ werden die Frauen, die etwas anderes sein wollen als Gattinnen und Mütter. Was sollten sie sonst tun, als sich steif und unnahbar zu geben, um der völligen gesellschaftlichen Ächtung zu entgehen.

Ein genussvolles fröhliches Leben führte nur der Mann, die Ehefrau tauschte Unterwerfung gegen Schutz, unbezahlte Arbeit gegen Unterhalt. Die Alleinstehende, freiwillig oder durch einen Schicksalsschlag Partnerlose war die Zielscheibe von Kritik und Spott, denn Netzwerke von Frauen, die sich gegenseitig helfen, konnten noch nicht aufgebaut werden.

Dazu schreibt Gerda Lerner „[...] Das Verstricktsein der Frauen in familiale Strukturen machte die Entwicklung von Solidarität und Gruppenzusammenhalt äußerst schwer. Jede einzelne Frau war an die männlichen Verwandten in ihrer Herkunftsfamilie durch Beziehungen gebunden, die bestimmte Verpflichtungen enthielten. Die Indoktrination, der sie von ihrer frühen Kindheit an ausgesetzt war, betonte ihre Verpflichtung, nicht nur einen wirtschaftlichen Beitrag zum Einkommen der Familie und in der Hauswirtschaft zu leisten, sondern eine den Interessen der Familie entsprechenden Ehepartner zu akzeptieren.[...]“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New York 1995, S. 271)

Cosimas Eintragung vom Di. 26. April 1870 enthält einen ganzen Katalog von Unrichtigkeiten, Wunschvorstellungen, Vorurteilen und Ängsten.

„[...] R. begann den Tag mit einem Gespräch über die Liebe bei den Griechen, von welcher wir uns keine Vorstellung machen könnten und die, wenn sie nicht in Lasterhaftigkeit unterging, die höchste ästhetische Tendenz zeigte.[...]“   (C.T. Bd. I, S. 224)

Liebe zwischen Mann und Frau war im antiken Griechenland unüblich. Die Frau war eine Sache im Besitz des Mannes, sie sollte den Haushalt führen, Söhne gebären, unsichtbar sein und schweigen. “[...] Das tierisch-göttliche der Griechen [...]“, von dem er drei Tage später spricht, war vielleicht ungetrübt von jüdisch-christlicher Körperfeindlichkeit – die erwähnte „höchste ästhetische Tendenz“, die wir in den Darstellungen kopulierender Paare auf griechischen Vasen betrachten können. Brauchte der Siebenundfünfzigjährige unter dem Vorwand der Ästhetik solche Wunschbilder?  (C.T. Bd. I, S. 225)

Die “[...] Liebe bei den Griechen [...]“, die dunkle Rückseite einer Kultur, die Epen, Dramen, philosophische Denkgebäude, Tempel und Statuen schuf. Eine Kriegergesellschaft, deren einzig gesellschaftlich anerkannte Tätigkeit im Kampf bestand, die die verachtete Arbeit von Sklaven und Frauen verrichten ließ, zu denen keine Gefühlsbindungen bestanden. Dazu lesen wir bei Ernest Bornemann “[...] Da er die Frau nicht als ebenbürtig empfand, gab der Athener ihr auch keine ebenbürtige Erziehung; da er ihr keine ebenbürtige Erziehung gegeben hatte, langweilte sie ihn, und da sie ihn langweilte, flüchtete er zu Hetären, die zumindest ein Minimum an Erziehung genossen hatten. Aber die Hetären erlaubten ihm trotz ihrer geistigen und körperlichen Reize niemals darüber hinwegzukommen, dass sie ja eben doch käufliche Frauen waren. Wenn er also nicht um seines Geldes, sondern seiner selbst willen geliebt werden wollte, bleib ihm nichts anderes übrig, als zu dem alten Sexualideal seiner Vorfahren zurückzukehren: zu dem Knaben, dem er nicht nur Liebe, sondern auch Wissen schenken konnte.
(Ernest Bornemann: Das Patriarchat – Ursprung und Zukunft unseres Gesellschaftssystems, Frankfurt/M., 1979, S. 293)

Am 27. April 1870 sagt Richard Wagner “[...] >> Die Anbetung des Weibes dagegen ist ein ganz neues Moment und trennt uns durchaus von der Antike. Die Germanen verehrten das Weib als etwas Geheimnisvolles, der Natur näheres – wie die Ägypter die Tiere vergötterten – und um ihnen die ganze Heiligkeit zu lassen, wollten sie sie nicht berühren. << [...]“
(C.T. B I. S. 224)

Mit der ‚Anbetung des Weibes’ mischt er einen religiösen Begriff ins menschliche Zusammenleben, der für den Gläubigen nur Gott zukommt und den Frauen nur schaden kann, weil sie ‚angebetet und vergöttert’ genauso außerhalb der Gemeinschaft stehen wie verachtet und versklavt.

Wenn die Germanen die Frauen als geheimnisvoll und naturnah verehrten, so gibt er Ortrud Recht, die das frauenfeindliche Christentum ablehnt. Wenn die respektvolle Scheu den Germanen verbot, ihre Frauen zu “[...] berühren [...]“, zu misshandeln und zu vergewaltigen, spricht alles wieder für Ortrud und die alte Ordnung, wenn sie Telramunds Gewaltsamkeit in die Schranken weist und sagt:

Willst du mir drohn? Mir, einem Weibe drohn?

Weiter heißt es im Tagebuch  “[...] Was aus diesem Kultus geworden ist heute, wo die Frauen seit Avignon und Bibi-Hut sie fordern und daraus den ganzen Emanzipatationsunsinn herleiten – wissen wir.[...]“
(C.T. Bd. I, S. 224)

Einen Kultus zur Anbetung des Weibes hat es nie gegeben, warum sollten die Frauen denn darum kämpfen, aus ihrer unwürdigen Lage herauszukommen, die der Meister, Gift sprühend ‚Emanzipationsunsinn’ nennt. Das Patriarchat zeigt Risse in der Fassade und je älter Richard Wagner wird, desto heftiger klammert er sich an ein Frauenbild, das im Kern schon überwunden ist.

28. Januar 1871: “[...] >> Mein liebes, gutes Weib << ruft mir R. zu am frühen Morgen [...] >> die Natur wollte, dass ich einen Sohn zur Welt brächte, und du Einzige konntest mir diesen Sohn gebären; alles übrige wäre Unsinn und Unding geworden. Dies hat mir die Kraft gegeben, das Unerhörte zu vollbringen und zu ertragen, um uns zu vereinigen. Das muß unser Trost sein, denn der Zweck der Natur geht weit über alles hinaus.<< [...]“.

(C.T. Bd. I, S. 348)

Cosima hatte am 10. April 1865 Wagners erste Tochter Isolde, am 17. Februar 1867 die zweite Tochter Eva und am 6. Juni 1869 endlich den Sohn und Erben Siegfried geboren. Seine Dankbarkeit ist überschwänglich, Cosima ist zur höchsten Stufe der Weiblichkeit emporgehoben, Sinn und Zweck des Lebens der hingebungseifrigen Frau ist erfüllt. Kämpfe, Skandale, Lüge und Betrug ‚das Unerhörte’ haben sie für einander ertragen, aber ohne den Sohn wäre alles ‚Unsinn und Unding’. Nicht die Partnerschaft mit der geliebten Frau war das Wichtigste, sondern ihre Fähigkeit, nach vier Töchtern, die ja nur ‚Gattung’ sind, einen Sohn zur Welt zu bringen. Diese Verengung der weiblichen Fähigkeit ist wahrhaft orientalisch und biblisch, ein Glück für die demutsvolle Frau und der Triumph des Patriarchen.

Und so stellt Wagner wieder sein ‚biologistisches Weltbild’ dar.

“[...] Erscheint uns heute die Idealisierung der hingebenden Unterwerfung des Weibes möglicherweise befremdlich und ist Gegenstand vorzugsweise der feministischen Wagner-Kritik, so ist es interessant und überraschend, dass dieser Aspekt von den zeitgenössischen Wagner-Gegnern kaum oder gar nicht wahrgenommen wurde, war er doch diskurskonform, spiegelte also die herrschende männliche Sicht auf das Weibliche wider [...]“ schreibt Sven Friedrich in ‚Das Weib der Zukunft’ in seinem Artikel‚ ‚Gibt es eine Philosophie des Weiblichen bei Wagner?’

Die feministische Wagner-Kritik ist im Vergleich zu den Exegesen, zu politischen, antisemitischen, philosophischen, religiösen, dramaturgischen und musikalischen Themen kaum bemerkbar, obwohl für Wagner “das Weib“ ein Generalthema in Leben und Werk war. Ist das Thema peinlich, irrelevant, unappetitlich für Wissenschaftler?

Diskurskonform mit dem Zeitgeist zu sein, sei es im Antisemitismus oder in der Frauenverachtung, spricht nicht frei von Schuld. Frauen zu beschimpfen - ein legales Ventil für eigene Unzulänglichkeit – finden wir besonders unangenehm in Schikaneders Zauberflöten-Text, in der Oper, die meist von Lehrern und Eltern als erstes Erlebnis klassischen Musiktheaters für Jugendliche empfohlen wird. Sarastro predigt: “[...] Ein Mann muß eure Herzen leiten, denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis zu schreiten. [...] “ Und die Priester verkünden: “[...] Bewahret euch vor Weibertücken, dies ist des Bundes erste Pflicht. Manch weiser Mann ließ sich berücken, er fehlte, und versah sich’s nicht [...]“. Der Sprecher predigt “[...] Ein Weib tut wenig, plaudert viel, du, Jüngling glaubst dem Zungenspiel?[...]“

Von der Bühne herunter als unfähig, bösartig und überflüssig abqualifiziert zu werden, ist ein Ärgernis für junge Mädchen auch heute noch und die Lust auf Opernbesuche wird wahrlich nicht gefördert.

Richard Wagners Zeitgenosse Albert Lortzing (1801-1851) vom Theaterbetrieb angewidert wie Wagner selber, von Finanznöten geplagt wie Wagner, schrieb viele, anschauliche Briefe und redete seine tüchtige Frau Rosine stets an mit “[...] Mein liebes gutes Weib [...]“ Sie war mit ihrem Haushalt, Schwangerschaften, Geburten, Todesfällen, Umzügen, sparsamem Haushalten in ein zeitgemäßes Frauenleben eingespannt und hatte weder Zeit noch Kraft “[...] aus ihrem Wirkungskreis zu schreiten. [..]“

Die Situation war vergleichbar mit der von Minna und Cosima, jedoch war Lortzing sich nicht zu hehr um Sexuelles beim Namen zu nennen, während Richard Wagner es krampfhaft umschrieb. Im Brief an Philipp Düringer in Dresden lesen wir “[...] Ich leide in Folge zu flott verlebter Tage sehr an Hemoroiden und habe mir vorgenommen mindestens 14 Tage keinen Wein zu trinken.
Fick (durchgestrichen, aber stehengelassen). Grüße Dein gutes Weib von mir.
Leipzig den 27t Aug. 1841 [...]“

An Friedrich Krug in Karlsruhe schrieb Albert Lortzing am 9. Sept. 1842 “[...] Vor etwas zwei Jahren fand sich durch eine kleine Schäkerei mit meiner Gattin noch ein kleiner Spätling bei uns ein, er entfernte sich aber im vorigen Frühjahr auch wieder und somit sei die Loge geschlossen. [...]
(Lortzing, Albert: Sämtliche Briefe, Hrsg. von Irmlind Capelle, Kassel 1995)

Wie der häusliche Bereich des Weibes mit Geburt und Tod von Kindern beurteilt wurde, bezeugt die erschreckende Nüchternheit mit der Lortzing die Entstehung und das Hinscheiden des letzten Kindes und die Beendigung der Sexualität schildert.

Der Sänger, Schauspieler, Librettist, Übersetzer, Theoretiker und Intendant Eduard Devrient (1801-1877) gibt uns in seinen Tagebüchern ein Zeitbild und äußert sich so auch zeitgemäß über die Weiber. Am 15. April 1837 – Richard Wagner ist Musikdirektor in Königsberg, dessen Theater sich wegen Bankrotts der Direktion auflöst. Bald danach verlässt ihn Minna mit dem Kaufmann Dietrich – schreibt Eduard Devrient “[...] In Potsdam, aß mit Weiß zur Nacht. Wir hatten ein interessantes Gespräch über Ehe und Geschlechtsverhältnis. Wir untersuchten, inwiefern die Ehe ein willkürlich bürgerlicher Zwang sei, in wie vielen Beziehungen die Natur sich dagegen sträube und Übelstände herstelle. Dennoch sahen wir uns aus dem Gewirr der Erniedrigung der Weiber, der Zerrüttung aller menschlichen Verhältnisse, in die uns eine natürliche Schrankenlosigkeit stürzen würde, zu dem Gesetz der ehelichen Treue zurückgeführt [...]“

(Eduard Devrient: Aus seinen Tagebüchern, Berlin-Dresden, 1836 – 1852, hrsg. von Rolf Kabel, Weimar 1964), Seite 16).

Diese Bemerkung Devrients und Minnas Flucht aber auch ihre hilflose Rückkehr unter Verzicht auf ein eigenes Leben (19. Okt. 1837) zeigen die widernatürlichen Zwänge des bürgerlichen Patriarchats, die auf der Recht-, Besitz- und Stimmlosigkeit der abhängigen Frauen beruhte, aber ebenso auf der erzwungenen Doppelmoral, in der die Männer zu Heimlichkeiten mit gesundheitlichen Risiken auswichen, die auch Genies wie Schubert, Wolf und Nietzsche dahinrafften.

Den Frauen blieb die Launenhaftigkeit, die Hysterie, der psychische Wahnsinn, der Tod, da sie keine Möglichkeit hatten, wie Männer, ihre Sexualität zu leben.

Am 27. Nov. 1837 sucht Devrient, damals Regisseur und Schauspieler in Berlin, ab 1844 zur Zeit Richard Wagners in Dresden Oberregisseur, nach Methoden, Kolleginnen zu bändigen, die sich bis zu Spitzenpositionen emporgearbeitet hatten. “[...] Wir besprachen die nötigen Maßregeln, um die Laune der Weiber unschädlich für die Bühne zu machen. Eine Reihe von Stücken mit untergeordneten Frauenrollen reichte hin, um die Primadonnen geschmeidig zu machen. [...]“
(Eduard Devrient: Aus seinen Tagebüchern, Berlin-Dresden, 1836 – 1852, hrsg. von Rolf Kabel, Weimar 1964), Seite 29).

Da jede Sängerin vom Wohlwollen der Theaterleitung abhängig war und ist, war und ist es leicht, sie durch Einsatz in kleinen Partien so zu demütigen, dass sie geschmeidig wurden, da es noch keine genossenschaftlich gesicherten Fachverträge gab. Sicherlich hat es auch Primadonnen gegeben, die man heute als ‘Zicken’ abtun würde, aber keine hat ihren mühsam errungenen Platz leichtfertig durch ‚Launen’ aufs Spiel gesetzt. In einem Interview sagte Maria Callas 1970 “[...] Mir geht es um die Kunst, nicht den Kommerz. Solange ich nicht singen kann, was ich will und mit wem ich will, mit denen und für jene, die mich mögen, wie ich bin, singe ich nicht. Verstehen Sie mich recht, ich will das nicht für mich. Wenn das nur um mich ginge, wäre es einfacher, diesen ‚deal’ zu akzeptieren und einzulenken. Ich will es für die Kunst, für die Oper – das höchste Niveau, die gründlichste Arbeit, das beste Ensemble. [...]“
 (Göttliche Stimmen – Lebensberichte berühmter Sängerinnen, hrsg. von Eva Rieger und Monica Stegmann, Frankfurt/M. und Leipzig, 2002, S. 307)

Da im 19. Jahrhundert die Kirche nicht mehr Frauen auf der Bühne verbieten konnte, bot das Theater begabten und mutigen einigen Wenigen, darunter seiner späteren Frau Minna Planer und seinen Schwestern, die Möglichkeit zu einem selbstständigen Leben, bis die Heirat dieses meist beendete. Weibliche Darstellerinnen und Sängerinnen waren nun einmal notwendig, wenn auch die Mütter ehrgeiziger Töchter große Sorgen hatten, wie Eduard Devrients Ehefrau, als die Tochter Marie in den Schauspielberuf drängte. Eduard Devrient notiert am 20. Dez. 1843 “[...] Therese hat recht, dass sie sagt, bei Jünglingen freut man sich eines heftigen Berufsdranges, eines Talents, einer Neigung, die alles andere dahinten lässt, und ein Mädchen, wenn sie Gott mit solch einem Talent geschlagen hat, ist man nahe daran zu verwerfen. [...]“

(Eduard Devrient: Aus seinen Tagebüchern, Berlin-Dresden, 1836 – 1852, hrsg. von Rolf Kabel, Weimar 1964), Seite 196)

Eine Tochter zu verwerfen, wenn sie einen künstlerischen, somit unbürgerlichen Beruf ergreifen will, ist auch heute ein noch nicht gelöstes Problem, aber Widerstand macht stark – ich weiß, wovon ich rede.

Eduard Devrient, der zwar ein gutes Verhältnis zu seiner Frau hatte, erboste sich aber, als sie bezüglich einer Rolle eine Entscheidung für ihn getroffen hatte “[...] man darf Frauen nicht achtundvierzig Stunden allein schalten lassen, wenn nicht die wichtigen Dinge nach Stimmung und Aufregung entschieden werden sollen. [...]“
(Eduard Devrient: Aus seinen Tagebüchern, Berlin-Dresden, 1836 - 1852, hrsg. von Rolf Kabel, Weimar 1964, S. 337)

Dies dokumentiert das immerwährende Vorurteil von der übermäßigen Emotionalität der Frauen, die sie zu vernünftigen Handlungen unfähig macht, da sie von ’Stimmungen’ abhängig sind und vor ’Aufregung’ nicht klar denken, entscheiden und danach handeln können, was jedoch durch die organisatorischen Fähigkeiten jeder auch nur durchschnittlichen Hausfrau widerlegt wird.

Ebenso konform mit dem Zeitgeist äußert sich Richard Wagner über die literarische Tätigkeit von Frauen, und es ist besonders irritierend, wenn er seine Muse des Tristan, die unsterbliche Geliebte Mathilde Wesendonck kritisiert.

Mi. 8. Februar 1871:  “[...] Frau Wesendonck schickt mir ihren ‚Friedrich der Große’; R. tadelt durchaus, dass Frauen sich so auf den Markt bringen, und findet darin ein Zeichen von Geschmacklosigkeit. [...]“  (C.T. Bd. I, S. 353)

Kein Wort über die Qualität des Buches, es genügt allein die Tatsache, dass eine Frau sich mit einer geschichtlichen Persönlichkeit befasst und sich schriftlich äußert, um sie zu diffamieren. Der Ausdruck ’sich auf den Markt bringen’ klingt wie ein Vorwurf der Prostitution, was bei einem schriftlichen Produkt über ein sachliches Thema völlig unangebracht und böswillig ist. Immerhin inspirierten Mathilde Wesendoncks Gedichte ihn zu seinen wundervollen Liedern (1857), ihre Poesie durfte ihm dienen, selbständig denken, schreiben und veröffentlichen durfte sie nicht, das war ein Einbruch in patriarchales Terrain, das auch mit Verleumdung verteidigt werden musste.

Zu den Nöten schreibender Frauen bemerkt Gerda Lerner: „[...] Kreative Frauen, Schriftstellerinnen und Künstlerinnen haben auf eine ähnliche Weise gegen eine zerstörerische Realität angekämpft. Ein Standardwerk der Literaturwissenschaft, das seine Maßstäbe und Definitionen aus der Bibel, den griechischen Klassikern und Milton gewänne, würde zwangsläufig die Signifikanz und Bedeutung der von Frauen geschaffenen Literatur und Kunst ebenso begraben, wie die Historiker das Wirken von Frauen zugeschüttet haben. Die Bemühungen um die Anerkennung der Bedeutung dieses Wirkens und um die Neube-wertung der literarischen und künstlerischen Arbeit von Frauen sind neueren Datums. [...]
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New York 1995, S. 279)

Mit welch merkwürdigen Begründungen Frauen an künstlerischem Schaffen gehindert wurden, mögen noch einige Beispiele aufzeigen:

Fanny Mendelssohn-Hensel - in einem Brief an Felix schrieb J.W. Goethe“[...] Empfiehl mich den würdigen Eltern, der gleichbegabten Schwester und dem vortrefflichen Meister [Carl Friedrich Zelter (1758 – 1832)] [...]“- spielte hervorragend Klavier, dirigierte und komponierte so gut, dass ihr Bruder vieles von ihr unter seinem Namen herausgab, sie aber an der Veröffentlichung hinderte, in der Ansicht “[...] ich halte das Publizieren für etwas Ernsthaftes (es sollte das wenigstens sein) und glaube, man sollte es nur tun, wenn man als Autor sein Leben lang auftreten und dastehen will. Dazu gehört aber eine Reihe von Werken, eins nach dem anderen – von einem oder zweien allein ist nur Verdruß von der Öffentlichkeit zu erwarten, oder es wird ein sogenanntes Manuskript für Freunde, was ich auch nicht liebe. Und zu einer Autorenschaft hat Fanny, wie ich sie kenne, weder Lust noch Beruf – dazu ist sie zu sehr eine Frau, wie es recht ist, sorgt für ihr Haus und denkt weder ans Publikum noch an die musikalische Welt, noch gar an die Musik, außer wenn jener erste Beruf erfüllt ist.[...]“
(Eckart Kleßmann, Die Mendelssohns, Frankfurt/Main und Leipzig, 1993, S. 242)

Wie wenig Felix seine Schwester Fanny und ihr Schaffen kannte – hatte sie doch schon am 23. 3. 1829 den gemeinsamen Freund Carl Klingemann wissen lassen “[...] Daß man übrigens seine elende Weibsnatur jeden Tag, auf jedem Schritt seines Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekommt, ist ein Punkt, der einen in Wut und somit um die Weiblichkeit bringen könnte, wenn nicht dadurch viel Übel ärger würde.  [...]“
(Eckart Kleßmann, Die Mendelssohns, Frankfurt/Main und Leipzig, 1993, S. 243)

In ’Frau und Musik’, wird Clara Wieck zitiert, die mit gesundem Selbstbewusstsein am 21.12.1837 an Robert Schumann schreibt: “[...] Heute war mein zweites Konzert [ihr eigenes op. 7] und abermals ein Triumph. Unter Vielem fand mein Konzert die beste Aufnahme. Du fragst, ob ich es aus eigenem Antrieb spiele – allerdings! Ich spiele es, weil es überall so sehr gefallen und Kenner wie Nichtkenner befriedigt hat. [...]“
(Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S.96)

Was ist wohl schöner als seine Gefühle in Töne kleiden, welcher Trost in trüben Stunden, welcher Genuß, welch schönes Gefühl, so manchem eine heitere Stunde dadurch zu verschaffen! Und welch erhabenes Gefühl, die Kunst so zu treiben, dass man sein Leben dafür lässt. [...]“
(Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S.97).

Nach der Eheschließung mit Robert Schumann am 12. September 1840 schwand ihr Zutrauen zu ihrer Schöpferkraft und am 2. Oktober 1846 äußert sie sich “[...] Es geht doch nichts über das Vergnügen, etwas selbst komponiert zu haben und dann zu hören. Es sind einige hübsche Stellen in dem Trio, und wie ich glaube, ist es auch in der Form ziemlich gelungen [...] natürlich bleibt es immer Frauenzimmerarbeit, bei denen es immer an Kraft und hie und da an der Erfindung fehlt. [...]“
(Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S. 104).

Das Trio op. 17 zählt jedoch zu ihren besten Kompositionen und am 11.5.1985 schreibt sie “[...] Ach hätte ich nur erst das Wochenbett hinter mir, dann muß ich etwas unternehmen – dies Leben halte ich nicht aus. [...]“ (Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S. 106). Johannes Brahms empfiehlt ihr, die Konzerttätigkeit einzustellen, worauf sie am 19.3.1868 mitteilt “[...] ich werde mir aber die Sache bedenken, kann jedoch erst prüfen, wenn ich überhaupt erst weiß, welche Gründe dich bewogen, mir dies alles zu sagen, und warum du es zu einer Zeit tatest, wo es möglicherweise einen Eindruck auf mich machen konnte, der meine Tatkraft gänzlich lähmte [...] das war unüberlegt von dir – mehr will ich nicht sagen. [...]“ und am 15.10.1868 fährt sie fort “[...] Die Ausübung der Kunst ist ja ein großer Teil meines Ichs, es ist mir die Luft, in der ich atme! Hingegen wollte ich lieber hungern, als mit halber Kraft öffentlich wirken [...]“
(Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S 107).

Schöpferischen Frauen, die “[...] elende Weibsnatur vorrücken [...]“, die “[...] Tatkraft lähmen [...]“, dass sie “[...] sich auf den Markt bringen [...]“ ersinnen Väter, Brüder, Freunde, Ehemänner, um die Hierarchie des Patriarchats, das ja schließlich in der göttlichen Offenbarung gerechtfertigt ist, aufrecht zu erhalten. Dafür bescheren sie den Menschen ’heilige Kriege’ und “[...] segenvoll mög’ Gott bei deinem Schwerte stehn [...]“ bei deiner Kanone, Atombombe, deinem Giftgas; alles ist “[...] helle Wehr, heilige Waffe [...]“ gegen Ortruds “[...] List und Heuchelei [...]“ im Kampf ums Überleben, zumindest wird mit Hilfe der Religionen eine Hälfte der Menschheit an wichtigen Entscheidungsprozessen ausgeschaltet.

Elsa, die Ideal-Frau bleibt nach den Regeln der Schicklichkeit selbst unter der Mordanklage stumm (1. Aufzug, 2. Szene) „[...] neigt das Haupt [...], [...] neigt traurig das Haupt [...] oder […] blickt traurig vor sich hin [...]“

Ortrud hingegen, die Böse, tritt zu ihrer öffentlichen Gerichtsschelte (2. Aufzug, 4. Szene) „[...] heftig hervor [...] und trägt ihre Argumente gegen den betrügerischen Feind „[...] mit großer Kraft [...]“ vor.

Am Mi. 21. Juni 1871 hält Cosima ein Tischgespräch fest, während dessen Richard Wagner die Gräfin Pourtalès kritisiert, die den Geiger Joseph Joachim protegierte. Er war bedeutend, aber wohl keine Schönheit, wie es auch Wagner selber nicht war, der aber sehr wohl unzählige finanzielle Wohltaten von Frauen annahm, sie dafür aber auch noch verachtete. Er sagt: „[...] Außerdem sind solche Frauen dem Willen unterworfen, dieser dominiert sie ‚wo habt ihr denn die Augen’ frägt Hamlet, aber die Augen haben hier nichts zu tun, hier waltet etwas Dunkles; der energische Wille, nicht die Intelligenz, nicht die Schönheit, fasziniert das Weib. Vielleicht denkt die Natur, dass hier Schutz zu finden ist, für sie und ihre Brut. [...]“
(C.T., Bd. I, S. 403)

Da Richard Wagner die Gattung ’Menschenweib’ (s. Siegfried 2. Aufzug, 2. Szene) mit den Tiergattungen auf eine Stufe stellt, in denen sich die weiblichen Tiere, die nach erfolgreichen Balz- und Rivalenkämpfen als Stärkste hervorgegangenen zum Geschlechtspartner für gesunde Nachkommen auswählen, diese aber wegen ihrer sinnlosen Aggressivität wieder aus der Gruppe ausweisen, irrt er. Brutpflege und Aufzucht der Jungen geschieht meist durch weibliche Wesen, während die Männchen bis zur nächsten Brunft meist allein oder in Gruppen unter ihresgleichen bleiben.

Auch Männerbünde und Kriegskameradschaften können so ungestört ihren aggressiven Tätigkeiten nachgehen und sich als Helden fühlen und besingen lassen. (Ilias, Nibelungenlied, Shakespeares Königsdramen – heute: Fußballspiele Autorennen, Boxkämpfe usw. und die entsprechende enthusiastische Berichterstattung).

10. Juli 1871 “[...] „Wie wir die hässlichen Bilder über Einzugsfeierlichkeiten in Berlin sehen, sagt R. >> Ja, das bedenken wir gar nicht, was dieser offene Verkehr zwischen Frauen und Männern hervorbringt; dieses im Parkett des Theaters Nebeneinandersitzen, dieses auf der Straße dasselbe Anziehen, was für’s Haus nur berechnet sein müsste; so dass ein jeder das Recht hat, mit dem Lorgnon die Frau anzusehen, die entschieden auch auf der Straße gefallen will; man beachtet gar nicht, welche Grobheit des sinnlichen Verkehrs eingetreten ist. << [...]“
(C.T., Bd. I, S. 412)

Am 18. Januar 1871 war Wilhelm I. in Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert worden. Eine liberalere Ära schien anzubrechen im Geflecht von Bismarcks Bündnispolitik. Die Frauen erkämpften sich den Beginn vom ‚offenen Verkehr zwischen Frauen und Männern’. Die Normalität unter gleichberechtigten Partnern ließ in Europa allerdings noch hundert Jahre auf sich warten.

In ‚Wagner und die Frauen’ schreibt Julius Kapp “[...]  Von Natur mit starker Sinnlichkeit behaftet, hatte Wagner, den, wie er selbst erzählt, schon als kleinen Knaben Berührungen von weiblicher Hand oder das Betasten der schwesterlichen Garderobengegenstände wollüstig erregen konnten, frühzeitig die Geheimnisse der Liebe kennen gelernt. Mit wilder Begier hatte er sich dem sinnlichen Genuss hingegeben, getreu seinem späteren Tannhäuser-Wort: ’Und im Genuss nur kenn ich die Liebe’ [...]“
(Julius Kapp, Wagner und die Frauen, Berlin/Regensburg 1951, S. 373).

Wer in jeder Frau nur ein Sexualobjekt sieht, das sich immer und überall anbietet, sieht in seiner Phantasie auch im harmlosesten Miteinander ein Bordell. ‚Die Grobheit des sinnlichen Verkehrs’ fand im Kopf des Meisters statt, er zückte das ‚Lorgnon [um] die Frau anzusehen.’ Als seine männliche Attraktivität verblasste, wurde alles, was ihm in jungen, leichtsinnigen Jahren Spaß gemacht hatte, zur fixen Idee eines längst vergangenen Frauenbildes und der Sehnsucht nach der ’Sünde’.

“The survival of the fittest“, das Ausleseprinzip der Natur bewegt zum Wettbewerb und zur weiten Streuung der Gene. Auf dem Trieb zur Macht und dem Sexualtrieb gründet die Geschichte. Und der dünne Lack der Kultur verschwindet erschreckend schnell vor den existentiellen Bedürfnissen. Der offene Verkehr zwischen Männern und – Frauen , das “[...] im Parkett des Theaters Nebeneinandersitzen [...]“ – heute eine Selbstverständlichkeit – ist das Ergebnis eines langen Kampfes gegen eine widerwärtige Doppelmoral, deren eine Seite die kirchlich verordnete Askese oder Treue ist, die andre aber Krankheiten unausgelebter Triebe oder das verborgene Leben in den Etablissements käuflicher Befriedigung.

“[...] Weil die Moralheuchelei den offiziellen Verkehr mit der Prostitution verfemt, muss diese die Formen der anständigen Dame annehmen. Wenigstens muß für den oberflächlichen Blick ihre Erwerbstätigkeit kaschiert sein. Heine hat dafür die treffende Charakterisierung in seinem berühmten Vierzeiler geprägt:

‚Blamier mich nicht mein schönes Kind.

Und grüß mich nicht unter den Linden.

Wenn wir nachher zu Hause sind,

wird sich schon alles finden.’
 

(Eduard Fuchs, Illustrierte Sittengeschichte, Frankfurt am Main, 1985, Bd. 6, S. 98)

Frauen wie Ortrud, die Sabine Zurmühl ‚machtbesessen, realitätstüchtig, bestimmend’ nennt, machten ihm Angst, denn sie bewerkstelligten zäh und zielbewusst schließlich den partnerschaftlichen ’offenen Verkehr zwischen Männern und Frauen’.
(Sabine Zurmühl, Visionen und Ideologien von Weiblichkeit in ‚Das Weib der Zukunft’, Stuttgart / Weimar, 2000)

„[...] Solange wie Männer und Frauen die Unterordnung der einen Hälfte der Menschheit unter die andere als ‚natürlich’ betrachten, ist es unmöglich, sich eine Gesellschaft vorzustellen in der Unterschiede nicht zugleich Unterordnung oder Dominanz bedeuten.[...]“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Regensburg, 1995, S. 283).

21. Juli 1871 „[...] Wir kommen auf sogenannte Kulturgedanken, und R. stimmt mir bei, als ich ihm sage, dass ich keine Spur von Sympathie für die Oktroyierung des Christentums habe (Karl der Große und die Sachsen) und ich das ganze entdeckte Amerika darum gebe, dass die armen Urbewohner nicht wären verbrannt und verfolgt worden. Er erzählt von Radbod dem Friesenfürst, der, bereits mit einem Bein im Taufbecken, zurücksprang, als er erfuhr, dass er seinen heidnischen Vater nicht im Himmel treffen würde (Siegmund!); er habe deshalb seine Ortrud aus Radbods Geschlecht stammen lassen, eine schlecht bekehrte Heidin. Die römische Eroberung der Länder viel humaner, sie haben keine Religion aufoktroyiert.[...]“
(CT, Bd. I, S. 418)

Ortrud ist eben keine „[...] schlecht bekehrte Heidin [...]“, sondern überzeugte Anhängerin ihrer alten Naturreligion. Die Eroberung der Welt durch das Christentum zerstörte unwiederbringliche geistige Güter, Orte und Gegenstände der Verehrung, gewachsene und dem Klima angepasste Lebensformen mit der Begründung, ungetaufte Menschen seien unwert des Lebens auf dieser Erde, da sie dem Höllenfeuer verfallen seien.

Karl ‚der Große’ ließ 782 etwa 4.500 Sachsen, die sich nicht zum Christentum bekehren lassen wollten, den Kopf abschlagen.
(K.H. Deschner, opus diaboli, Reinbek, 1987, S. 30)

Die Missionen in Nord- und Osteuropa wurden mit unsäglicher Brutalität durchgeführt und forderten zigtausende Opfer. Die Kreuzzüge (1095 – 1291) allein hinterließen etwa 20 Millionen Tote.

Die Spanier, die karibischen Inseln und Südamerika im Rahmen der Verbreitung des Christentums erobernd, hatten, als sich das 16. Jahrhundert dem Ende zuneigte, mehr als 60 Millionen Ureinwohner umgebracht.
(D. Stannard, American Holocaust, Oxford University Press, 1992)

Dies ist eine späte Rehabilitation von Cosima und danach Richard Wagner ihr beistimmend, der Hass-Figur Ortrud, der ’grauenhaften politischen Frau’ und Anhängerin der alten Ordnung mit den „[...] vermoderten Göttern [...]“.
(Brief Richard Wagner an Franz Liszt vom 30. Januar 1852).

Und ist es ist geradezu rührend wie Richard Wagner plötzlich von seiner Ortrud spricht. Sie, das schwarze Schaf in der Schar seiner opferwilligen, todessüchtigen Lämmer! In den über zwanzig Jahren nach der Erschaffung dieser einmaligen Figur scheint doch ein wenig Verständnis, wenn nicht sogar Sympathie für sie und ihren charakterstarken Ahnherrn erwachsen zu sein. Das Christentum, die Religion aus der nahöstlichen Wüste, die sich zu einem brutalen Machtapparat entwickelte – menschenverachtend, naturzerstörend und frauenfeindlich – sie abzulehnen, hier musste RW seiner Ortrud als „[...] Radbods des Friesenfürsten Spross [...]“ Recht geben.

Eine völlig anders geartete Frau, eine Ausnahmeerscheinung ohne übliche Demutshaltung kreuzt oft Richard Wagners Weg, inspiriert ihn, singt seinen Adriano, die Senta und Venus, leiht ihm Geld, aber ‚Weib’ in seinem Sinne ist sie nicht, selbst als sie ihm im Traum erscheint. Wagner erzählt Cosima am 22. Juli 1871 “[...] >> Dann von der Schröder-Devrient, ich hatte Beziehungen zu ihr. << [...]“  „Welcher Art“ frage ich. >> Wie immer, gar nicht zärtlicher Art; nein, sie hätte mir nie Liebes-Sehnsucht erwecken können, da war nicht genug Verschämtheit mehr da, kein Mysterium, in das man zu dringen gehabt hätte. << [...]“
(C.T. I, S. 419).

Diese Äußerungen seines Unbewussten bestätigen, was er in ’Eine Mitteilung an meine Freunde’ schon 1851 schreibt: “ [...] Ich habe nie einen großherzigeren Menschen im Kampfe mit kleinlicheren Vorstellungen gesehen, als die, welche dieser Frau, durch ihre wiederum notwendige Berührung mit ihrer Umgebung, von Außen zugeführt worden waren. Auf mich wirkte meine innige Theilnahme für dieses künstlerische Weib fast weniger anregend, als peinigend, und zwar peinigend, weil sie mich ohne Befriedigung anregte.“
(Richard Wagner, Sämtliche Schriften und Dichtungen, Bd. VI, S. 277)

Diese starke, selbstbestimmte Frau ist für ihn erotisch unattraktiv, es fehlen ihr die Eigenschaften, die den Beschützerinstinkt ansprechen oder die Lust zur Überwältigung des winselnden Opfers, so wie Hugo von Hofmannsthal im ersten Akt des ‘Rosenkavalier‘ seinen Ochs auf Lerchenau genussvoll die Vergewaltigung einer armen Küchenmagd schildert, die voll “[...] Angst und Scham [...]“ ins Heu gezerrt wird. Wilhelmine Schröder-Devrient “[...] furchtbar großartig [...]“ wie Ortrud peinigt ihn, weil sie seiner Wahnvorstellung vom Gattungswesen Weib, das nur in der Hingabe zum Mann Wert und Individualität erhält, in keiner Weise entspricht. Sie verdient ihr eigenes Geld, sie nahm sich Ehemann und Liebhaber, undenkbar in der Vorstellung eines Patriarchen. Ihre künstlerischen Fähigkeiten jedoch waren unumstritten, heute würde man sie voll Hochachtung eine ’Power-Frau’ nennen.

Auffallend ist, dass Richard Wagner in seinen revolutionären Traktaten und gesellschaftstheoretischen Schriften die zweite Hälfte der Menschheit, die Frauen, nicht eines einzigen Gedankens würdigt. Da sich die Grundmuster seines Denkens schon in den 1830er Jahren verfestigen – die Themen seiner Werke – von Leubald bis Parsifal zeigen ähnliche Tendenzen (siehe Udo Bermbach, ’Der Wahn des Gesamtkunstwerkes’, Frankfurt, 1994) blieb sein Frauenbild erschreckend reaktionär und die Verheißungen von Freiheit, Gerechtigkeit und Glück beziehen sich nur auf die männliche Menschheit. Die Mystifizierung der Frau ohne Blick auf ihr reales Leben entbindet den Patriarchen Richard Wagner von der Pflicht für die Rechtlosen zu kämpfen und jede kleine Erleichterung, die sie sich erarbeiten, kommentiert er mit frömmelnder Empörung.

Cosima notiert am 27. August 1871 “[...] gestern Abend eiferte R. wiederum sehr gegen den Geist der jetzigen Öffentlichkeit, der die Frauen entheiligt und entwürdigt. Die Frau, die sich für die Straße putzt, ein Unding, die konventionelle Galanterie der Männer gegen sie die schlechte Tünche der rohesten Gesinnung. Auch ist er für die Ehen, die Eltern im wahren Interesse der Familie schließen; jetzt will eine jede ganz ihren Roman haben und bildet sich ein, dass dieses Seltenste, worüber Epen gedichtet worden sind, wie Liebe, so das Alltäglichste sei, dass jedem zukomme. [...]“  (C.T., Bd. I, S. 431)

Die freie Wahl der Gattin soll nur dem Mann zustehen, die Tochter wird weiterhin aus finanziellen Gründen in die Ehe gegeben, verkaufte Bräute wie Senta und Evchen, wobei letztere allerdings das Glück hat, dass der fesche Junker Stolzing und nicht Beckmesser sie als Preis gewinnt. Auch für Richard Wagner ist es ein Glück, dass eine Gattin wie Cosima ihm zur Seite stand, die ihm selbstlos diente, sein Genie anbetete, sich selbst auslöschte, er also voll Überzeugung und unbelehrbar am traditionellen Frauenbild festhalten konnte, weil Cosima es ihm vorlebte. Wie anders waren die Postulate des feurigen Weltverbesserers, der in den Volksblättern seines Freundes Röckel schrieb: “[...] Zerstören bis auf die Erinnerung daran will ich jede Spur dieser wahnwitzigen Ordnung der Dinge, die zusammengefügt ist aus Gewalt, Lüge, Sorge, Heuchelei, Not, Jammer, Leiden, Tränen, Betrug und Verbrechen, und der nur selten zuweilen ein Strom unreiner Lust, fast nie ein Strahl reiner Freude entquillt. Zerstört sei alles, was euch bedrückt und leiden macht, und aus den Trümmern dieser alten Welt erstehe eine neue, voll nie geahnten Glücks. [...]“

(In: Udo Bermbach, Der Wahn des Gesamtkunstwerks: Richard Wagners politisch-ästhetische Utopie, S. 78)

Hätte er so zu den Frauen seiner Zeit gesprochen und – politisch aktiv – seine Gedanken verwirklicht, wäre die unselige Geschichte Europas anders verlaufen. So mussten die Frauen mühsam um ihre Rechte kämpfen, bis hundert Jahre später das Helden-Ideal in der größten aller Katastrophen zusammenbrach und die freie und politische Frau nicht mehr ’grauenhaft’ war, sondern überlebensnotwendig wurde.

Dazu schreibt Margarete Mitscherlich “[...] Vielleicht ist vereinfachend zu sagen, daß die Chancen des Friedens darin liegen, dass mehr als fünfzig Prozent der Menschen in der Welt Frauen sind, dass sich ihre Art des Denkens von dem der Männer immer mehr emanzipiert, so dass sie sich nicht mit dem hierarchischen, ausbeuterischen und projizierenden Denken der Männer identifizieren, sondern diese typisch männlichen Werte nicht mehr als Tugenden, sondern als Untugenden für sich und andere zu entlarven vermögen. Haben die Frauen in diesem Jahrhundert nicht mit den beiden letzten Weltkriegen und mit millionenfachem Völkermord den Gipfel dieser so genannten männlichen Tugenden miterlebt, in unserem kulturell angeblich so hochstehenden Europa? [...]“
(Margarethe Mitscherlich: Die Zukunft ist weiblich, Zürich, 1987, S. 23)

Wenn Richard Wagner. fordert “[...] zerstört sei alles, was euch bedrückt und leiden macht [...]“ so findet Cosima im Ertragen von Leiden und Bedrückung die Erfüllung ihrer Lebensrolle, womit sie Richard Wagnerss hierarchisches Patriarchat noch bestärkt. Hierzu wiederum Margarete Mitscherlich “[...] Es gibt gleichsam eine Opfersucht der Frauen, die alles auf sich nimmt, ohne sich dagegen zu wehren. Das kann sogar mit Lust verbunden sein, wie das die Psychoanalyse gezeigt hat [...] Mit der Aufopferung demonstriert man dann sich und anderen, was für ein guter Mensch man ist. [...]“
(Margarete Mitscherlich, Die Zukunft ist Weiblich, Zürich, 1987, S. 63)

Eine bedenkenswert nachdenkliche Äußerung RWs notiert Cosima am Mo., 15. Januar 1872 “[...] >> überall hielt ich Monologe << [...]“. Der Egomane gibt zu, dass seine Liebschaften und die Ehe mit Minna keine Partnerschaften waren. Die Frauen waren zwar fasziniert, aber man blieb sich fremd. Er sagte: “[...] >> es ist mir mit meinen so genannten Liebschaften gerade so ergangen wie mit meiner Heirat; Minna hat mich geheiratet, als ich in einer sehr elenden Lage war, selbst als Dirigent angefochten, durchaus ohne Glanz, und sie war hübsch und sehr gefeiert, und doch bin ich ohne Einfluß auf sie geblieben; so ist es mit den anderen Beziehungen gewesen, es gehörte alles woanders hin, und das einzige Unbegreifliche ist die augenblickliche Macht, die ich ausübte, so dass Minna mich heiratete.<< [...]“ Er fügt noch hinzu: “[...] >> Übrigens hätte niemand zu mir besser gepasst oder besser gehört; du warst die einzige, die mich vervollständigte; überall sonst hielt ich Monologe. << [...]“
(C.T. Bd. I, S. 481)

In ‚Wagner im Lichte der Tiefenpsychologie’ schreibt Josef Rattner “[...] Er wollte im Mittelpunkt stehen, alles haben, bei allen gelten und überall geliebt sein. Daraus wurde später der unbedingte Appell an andere, für seine zügellosen Geldausgaben die notwendigen Mittel bereitzustellen, die unerschütterliche Überzeugung, mehr zu sein und zu können als jeder Rivale auf dem Gebiet der Musik (und anderswo) und ein Verhalten im Liebesleben, das die Schranken bereits bestehender Bindungen in Liebe und Ehe in keiner Weise anzuerkennen bereit war. [...]“
(Richard Wagner Handbuch, Stuttgart 1986, S. 781)

Nur auf sich bezogen, unfähig oder ohne den Willen, auf andere einzugehen, beschreibt Richard Wagner sich als Genie “[...] >> das einzig unbegreifliche [...] die augenblickliche Macht, die ich ausübte [...] überall sonst hielt ich Monologe. << [...]“ wie es auch Lange-Eichbaum charakterisiert. “[...] Fascinans hat das Bestrickende, Bezaubernde und Lockende, das niemals ganz fehlen darf. Der Wert muß von den Menschen deutlich und unmittelbar empfunden werden, sei es in der Nützlichkeit einer Erfindung, sei es in der ästhetischen Wirkung eines Kunstwerkes oder auch im ’Bezaubern’ eines idealen Vorbildes. Das Fascinans kann im Werk (Faust) oder auch in der Person des Genies (Goethe selbst) liegen. Der Verehrer genießt eine schmeichelnde Ich-Erhöhung mit. [...]“
(W. Lange-Eichbaum, W. Kurth, Genie, Irrsinn und Ruhm, München/Basel 1979, S. 160)

Am 7. Juni 1872 reflektiert Richard Wagner wiederum über sein Leben mit Minna “[...] >> Ja, sein Leben kann man nur begreifen, wenn man älter ist. [...] denn betrachtet man mein ganzes Leben, diese Ehe mit Minna, schien da nicht alles verzweifelt, und das Wunder ist eingetreten, freilich auf anderen Wegen und leidensvoller [...] und ich weiß, so freundlich mir diese teilnehmende Bekanntschaft war, ich war immer dem Ausreißen nahe. << [...]“
(C.T. Bd. I, S. 531)

Die Werbung um Minna Planer, die Hübsche und Gefeierte, wie Richard Wagner sie in ’Mein Leben’ beschreibt, zeigt ihn in jugendlicher erotischer Hochform, wohingegen das Objekt seiner Begierde zwar seine Sinnlichkeit genießt, aber die grausame Erfahrung der Verführung mit fünfzehn Jahren und die Last einer als Schwester ausgegebenen, ungewollten Tochter mit sich trägt. Versorgt zu sein als Ehefrau eines angesehenen Kapellmeisters, darauf zu hoffen, gebührt ihr jedes Verständnis.

Obwohl für Cosimas Ohren verfeinert, schildert Richard Wagner in ’Mein Leben’ die erste Begegnung mit Minna und die Zeit der ersten Verliebtheit. Er begegnet ihr Ende Juli 1834 in Bad Lauchstädt, sie war nach dem damaligen Rollengefüge ’die erste Liebhaberin’ in der Schauspieltruppe, er war als Musikdirektor vorgesehen und gerade auf Wohnungssuche. “[...] Der Zufall wollte es, dass schon unter der Tür des bewussten Hauses uns die Verheißene entgegentrat. Ihre Erscheinung und Haltung stand in dem auffallendsten Gegensatze zu all den unangenehmen Eindrücken des Theaters, welche ich soeben an diesem verhängnisvollen Morgen empfangen: von sehr anmutigem und frischem Äußeren, zeichnete sich die junge Schauspielerin durch eine große Gemessenheit und ernste Sicherheit der Bewegungen und des Benehmens aus, welche der Freundlichkeit des Gesichtsausdrucks eine angenehm fesselnde Würde gaben; die sorgsam saubre und dezente Kleidung vollendete den überraschenden  Eindruck der sehr unerwarteten Begegnung. [...]“
(Richard Wagner, Mein Leben, Bd. I, München 1969, S. 96)

Der einundzwanzigjährige Musikdirektor war schnell entflammt, interpretierte jede freundliche Geste Minnas als Liebe. Sie glaubte an sein Talent und erhoffte sich die so sehr ersehnte wohlanständige Häuslichkeit. Unsägliche Not band sie aneinander, völlig unterschiedliche Lebensentwürfe trennten sie von Anfang an, trotz Heirat am 24.11.1836 und so lebten, dachten und fühlten sie auf verschiedenen Ebenen “[...] immer dem Ausreißen nahe  [...]“ Sie durchlebten eine Ehe voll Liebe, Anhänglichkeit, Missverständnis, Streit, Versöhnung, Trennung, völlige Entfremdung, aber obwohl sie sich am 1.11.1862 zum letzten Mal begegneten, unterstützte RW seine Frau bis zu ihrem Tod am 25.1.1866. Und so hat er die Verantwortung für sie und auch für ihre Eltern trotz der Verschiedenheit ihrer beider inneren Entwicklungen nicht aufgegeben.

Es kann nur ein absichtlich getrübter Blick auf die verblasste Vergangenheit sein, um sich vor Cosima als der asketische Kunstjünger zu inszenieren. Seine Werbung um Minna war alles andre als “recht solide“, sondern wahrlich üppiger Trieb, wovon er in ‘Mein Leben‘ fröhlich berichtet.

In der Zeit der Werbung um Minna Planer, von Juli 1834 bis zur Trauung am 24. November 1836 entfacht Richard Wagner ein verbales Feuerwerk, eine mit Tränen durchfeuchtete Suada, der sich die leidgeprüfte junge Frau und angesehene Schauspielerin nach einigen Fluchtversuchen schließlich ergibt. Sein Ziel war es, vor allem seinem ’Engel’ die Selbstständigkeit zu nehmen, war er doch lebenslang der Meinung, das ’Weib’ erhalte erst eine Seele durch den Mann, könne nur in Abhängigkeit vom Mann leben, da es „lieben muß“ und nicht wie Ortrud ein freies und eben auch politisches Wesen sein.

Er schreibt am 6. Mai 1835 an Minna [...] >>Ja, meine Minna, - ich liebe Dich – und bin dabei ein wenig eitel, - sieh – ich bilde mir nun ein, - ich hätte Dir Leben und Seele eingehaucht, die Du früher nicht hattest, - oder die ich wenigstens nicht bei Dir kannte; - << (S.B. I S. 198)

Es ist das Undinen-Motiv der seelenlosen Frauen-Kreatur, das ihn zeitlebens bis einen Tag vor seinem Tod beschäftigt, als er das Rheintöchter-Thema spielt und sagt: [...] >> Ich bin ihnen gut, diesen untergeordneten Wesen der Tiefe, diese(n) sehnsüchtigen. << [...]
(C.T. II S. 1113)

Die Vegetationsgötter, die Elfen und Nixen wurden durch das monotheistische, patriarchale Christentum in Teufel und Böse, zumindest gefährliche Figuren umgewandelt und die Dämologien z.B. von Paracelsus (1493 – 1541), aber auch von Heinrich Heine (1797 – 1856) in seiner Schrift ’Elementargeister’ geschildert. „[...] Die Nixen haben die größte Ähnlichkeit mit den Elfen. Sie sind beide verlockend, anreizend und lieben den Tanz. Die Elfen tanzen auf Moorgründen, grünen Wiesen, freien Waldplätzen und am liebsten unter alten Eichen. Die Nixen tanzen bei Teichen und Flüssen; man sah sie auch wohl auf dem Wasser tanzen, den Vorabend, wenn jemand dort ertrank. Auch kommen sie oft zu den Tanzplätzen der Menschen und tanzen mit ihnen ganz wie unsereins. Die weiblichen Nixen erkennt man an dem Saum ihrer weißen Kleider, der immer feucht ist. Auch wohl an dem feinen Gespinste ihrer Schleier und an der vornehmen Zierlichkeit ihres geheimnisvollen Wesens [...]“
(Heinrich Heine, Sämtliche Werke, Augsburg, 1998, Band III, S. 301)

Betrachtet man das Photo: Minna als Schauspielerin, um 1835 (in: Eva Rieger: Minna und Richard Wagner, Düsseldorf und Zürich, 2003, S. 31) erscheint uns eine bezaubernde junge Frau, die – wäre nicht der angespannt verbitterte Ausdruck um ihren schmallippigen Mund – das Modell für Heines Beschreibung einer Elfe gewesen sein könnte.

Abgesehen von romantischer verbaler Exaltation fällt bei Richard Wagners Werbe-Briefen auf, dass sein Wunsch, sie wie einen gekauften Gegenstand zu ’besitzen’ seinen patriarchalen Anspruch auf das ’Weib’ als Haustier in Menschengestalt, das er in der erotischen Hochphase der Balz mit Kosenamen und Versprechungen überhäufte, dann aber verachten, ausbeuten und vernichten konnte.

Sein Einfallsreichtum an spaßigen und auch herzlichen Anreden wie z.B.: “Herzens-Minel“, “mein liebstes, bestes Minel“, “mein allerbestes Weib“, “meine liebe gute Frau“, “mein gutes Tierchen“, “liebe Mietze“, “gute Minake“, “gute liebe Minna“, “mein armer Muzius“, “gutes Karnikel“, “mein lieber guter Mutz“, “Chère épouse“, “Allerbester Querspahn“, “ungeheuer gescheute Minna“, “Carissima Minna“, “Bestes Mutzigen“, “Theuerste Gattin“, “Engel“, “liebe Kleine“ usw. (in Eva Rieger: Minna und Richard Wagner, Düsseldorf und Zürich, 2003, S. 18) ebenso seine Unterschriften: “Dein gutes Männel“, “komme ja recht balde zu Deinem charmanten Richel“, “Sei von Herzen gegrüßt und geküsst von Deinem treuen, lieben, guten Richel“, “behalte lieb Deinen guten Wassermann“, “Dein herrlicher Mann“, “Dein RRRrrr“, “Dein hübsches Männchen“, “bleibe treu Deinem ganz guten Männel“, “Grüße auch links und rechts und behalte lieb den – der – die – Tugend – selber – ist“, “von Deinem sehr schlechten Manne“, “von Deinem Schwerenöter am Rande des Grabes vor Sehnsucht nach dem Waldschlößchen“ “, vor Allen liebe, achte und verehre Deinen schönen grauen Mann“, “ Dein Ri Ra Richard“ bezeugen die Zärtlichkeit, die er auch seinen tierischen Hausgenossen zugedachte.
(Richard Wagner an Minna Wagner, Erster und Zweiter Band, Schuster und Loeffler, Berlin und Leipzig, 1908)

Seiner Minna und dem ’Menschenweib’ allerdings bis zu deren Begattung durch den Mann die Seele abzuerkennen, übertrifft allerdings noch die Ausgrenzung der jüdisch-christlichen und islamischen Religionsgemeinschaft. Wie schmeichelt es doch dem Patriarchen, wenn ’Undine’ bei Friedrich de la Motte Fouqué sagt: „[...] Eine Seele aber kann unseresgleichen nur durch den innigsten Vereine der Liebe mit einem eures Geschlechtes gewinnen. Nun bin ich beseelt, dir dank ich die Seele, o du unaussprechlich Geliebter, und dir wird ich es danken, wenn du mich nicht mein ganzes Leben hindurch elend machst. [...]“
(Wolfgang Möhring, Hrsg. Undine und ihre Schwestern, München, 1999, S. 102)

Im Oktober 1837 gab Minna in Riga ihre letzten Vorstellungen mit anspruchsvollen Rezitationen und Rollen und erhielt wohlwollende Kritiken. Für das Reisegeld nach Paris verkaufte sie den größten Teil ihrer Theatergarderobe. Dazu bemerkt Eva Rieger: “[...] Damit begrub sie ihre Träume, jemals wieder aufzutreten. Ihre Identität als Schauspielerin war ausgelöscht und das Wenige, das sie nach Paris mitnahm, war vermutlich eine sentimentale Erinnerung an eine bessere Zeit. [...]“
(Eva Rieger: Minna und Richard Wagner, Düsseldorf und Zürich, 2003, S. 70)

Nun war sie der Besitz des Patriarchen. Stimmlos, rechtlos, besitzlos wie alle verheirateten Frauen ihrer Zeit.

Richten sollte hier niemand angesichts der hohen Scheidungsrate in unserer Zeit, der unverbindlichen Lebensabschnittsgefährtin und hemmungsloser Promiskuität. Nur das Wahngebilde: “Wellenmädchen, das seelenlos durch die Wogen seines Elementes dahinrauscht, bis es durch die Liebe eines Mannes seine Seele empfängt,“ hätte ihn nicht tatkräftig auf seinen Fluchten begleiten und in Paris und Zürich unter noch so erbärmlichen Umständen doch ein Zuhause einrichten können.

Freilich sind die Aussagen Richard Wagners, die er Cosima für die Niederschrift von ’Mein Leben’ diktierte, geschönt, freilich berauschte sich der Textverliebte an seinen eigenen Worten, wenn er Briefe schrieb und doch wunderte er sich über die “[...] augenblickliche Macht, die ich ausübte [...]“, jedoch Minna nur als ’freundlich teilnehmende Bekanntschaft’ zu bezeichnen, war wohl als Kompliment für Cosimas selbstlose Anpassungsfähigkeit gedacht, die er, der Patriarch als ihm zustehenden Tribut als selbstverständlich in Anspruch nahm. Die finanziellen und räumlichen Nöte waren vorbei, er war angesehen, Cosima führte für ihn ein großbürgerliches Haus mit erlesenen Gästen, jetzt hatte ’der Meister’ keinen Grund mehr, ’dem Ausreißen nahe zu sein.’

Am 25. Juni 1872 kommt das Gespräch wiederum auf die Ehe mit Minna. “[...] >> Gott << [...]“, sagt R., “[...] >> es war kein üppiger Trieb, sondern ein recht solider, der mich dazu trieb, und wirklich hat mich diese Ehe vor allen aufregenden Beziehungen bewahrt und nur mein künstlerisches Wesen in mir entwickelt; ich war 40 Jahre geworden, ohne an die Möglichkeit von ernsteren Beziehungen zu Frauen wie z. B. die meinige zu der Laussot nur zu glauben; während deines Vaters Seelenkräfte von frühester Zeit an in solchen Verhältnissen angespornt wurden, blieben die meinigen einzig auf meine künstlerische Entwicklung gerichtet! << [...]“
(C.T. Bd. I, S. 539)

Während der Ehe mit Minna, in Magdeburg, Riga, Paris und 1849 - nach der Flucht aus Dresden - waren seine finanziellen Mittel so dürftig, so dass ein Vergleich mit Franz Liszt, dem internationalen Virtuosen, der fürstlich honoriert in höchsten Kreisen zu Hause war und dort die Bekanntschaft reicher, gebildeter Frauen machte, unangebracht ist. Franz Liszt, ein schöner Mann, ein charismatischer, weltgewandter Künstler, ihm fiel es leicht, dass die “[...]Seelenkräfte von frühester Zeit an in solchen Verhältnissen angespornt wurden. [...]“

Die Reihe bedeutender Frauen, die den Lebensweg Franz Liszts begleiteten ist lang. Schöngeistige, reiche Aristokratinnen und begeisterte Schülerinnen umrahmten und vergötterten den Virtuosen, Komponisten, Dirigenten, Lehrer und Wohltäter. Sie hier aufzuzählen ist nicht angebracht, aber nachzulesen in La Mara, Liszt und die Frauen, Leipzig, 1911.

Die längste, innigste, dramatischste Beziehung durchlebte Franz Liszt mit Carolyne Iwanowska, unglücklich verheiratet mit Fürst Sayn-Wittgenstein, die Liszt 1847 kennenlernte. Sie war ihm das Teuerste auf der Welt, sie konnten nicht voneinander lassen und dennoch nicht miteinander leben. Schon als Wunderkind war er der Liebling der Aristokratie, während Richard Wagner und auch Giuseppe Verdi lange ’Galeerenjahre’ durchleben mussten, bis sie die Anerkennung aller Bevölkerungsschichten errangen.

Richard Wagner, kleinwüchsig, von unvollständiger Bildung, brauchte die lange Zeit der Schule des Lebens bis die ’Konservation’ ihn zur künstlerischen Reife führte. Schwankend zwischen altmeisterlichem Gehabe seinen Jüngern, seinen Kindern und Cosima gegenüber und jugendlichem Erlebnishunger war er eine Quelle von Überraschungen.

“[...] >> Freilich << [...]“, sagte er lachend “[...] >> habe ich diese Konservation etwas teuer bezahlt. << [...]“Dies ist natürlich eine Selbstinterpretation, die seine Erlebnisse mit Frauen verschweigt und es ist verwunderlich, dass er mit augenzwinkerndem Vergnügen seine Liebeleien in ’Mein Leben’ ausbreitet, wodurch Cosima von diesen natürlich Kenntnis erhielt.

Eigentlich ist es sogar eine stattliche Zahl von Angeschwärmten, Verehrten, Geliebten, Ausgenützten.
(C.T. Bd. I, S. 539)

Amalie Lehmann erregte 1826 den Knaben durch Berührungen, während er sich schlafend stellte.
(Sven Friedrich: Erlösung durch Liebe – Richard Wagner und die Frauen, Bayreuth, 1995, S. 23)

Leah David, 1828 ein kurzer Schwarm, bis deren Verlobter erschien.
(Sven Friedrich: Erlösung durch Liebe – Richard Wagner und die Frauen, Bayreuth, 1995, S. 23)

Wilhelmine Schröder-Devrient, die beispielhafte Sing-Schauspielerin beeindruckte ihn 1829 als Fidelio-Leonore und wirkte lebenslang auf die Gestaltung seiner Frauenfiguren. (Richard Wagner: Mein Leben - im Weiteren M.L. - ab S. 89 ff)

Marie Löw erfuhr seine Zuneigung 1831. Ihre Töchter Marie und Lilli Lehmann wirkten 1876 bei den ersten Bayreuther Festspielen mit.
(RW, M.L., S. 726)

Jenny Pachta lernte er auf seiner Böhmen-Wanderung 1827 kennen, pries sie als “[...] Ideal von Schönheit [...]“. Als sie aber eine Standesheirat vorzog, stellte er 1832 fest “[...] sie war meiner Liebe nicht wert. [...]“
(RW, M.L., S. 24)

Therese Ringelmann erhielt von Richard Wagner, dem Opernchordirektor in Würzburg, “[...] nach einer jetzt noch unklar gebliebenen Methode  [...]“ Gesangsunterricht. Vor ihren ernsthaften Liebes- und Heiratsabsichten zog er sich zurück.
(RW, M.L., S. 82)

Friederike Galvani, ebenfalls Sängerin am Würzburger Theater, spannte er, beflügelt durch “[...] ein schmeichelhaftes Selbstgefühl  [...]“ dem ersten Oboisten aus, vergaß sie aber wieder bei seinem Weggang aus Würzburg.
(RW, M.L., S. 84)

Jessie Laussot, geb. Taylor, reich und unglücklich verheiratet, gebildet, attraktiv, exaltiert von Richard Wagners Musik beeindruckt, ließ ihn “[...] ganz durch sich selbst, durch das unwillkürliche, helle und nackte erscheinen der Liebe  [...]“ die erotischen Schauer erleben, die er musikalisch so gern beschrieb. Fluchtpläne nach Griechenland und in den Orient scheiterten, da Jessie als unmündige und rechtlose Ehefrau keinen Zugriff auf ihr Vermögen hatte und der gehörnte Ehemann drohte, Wagner eine Kugel durch den Kopf zu schießen. In einem Brief an seine Gönnerin Julie Ritter vom 26. und 27.Juni 1850 verarbeitete er die Affäre wortreich und resümierte “[...] Das weib, das mir erlösung bringen sollte, hat sich als kind bewährt. [...]“

(Richard Wagner, Sämtliche Briefe, Hrsg. Gertrud Strobel und Werner Wolf, Leipzig 1975, Bd. III, S. 318)

Mathilde Wesendonck sah Richard Wagner gemeinsam mit ihrem Mann, Otto Wesendonck, zum ersten Mal in Zürich als Dirigenten eines Beethoven-Konzertes am 20. Januar 1852. Bis zum Bruch der Bekanntschaft förderte das Ehepaar Wesendonck Richard Wagner in großzügiger Weise. Mathilde, hochgebildet und empfindsam wurde Schülerin, Jüngerin, Seelenfreundin und Muse, alles, was er bei der bürgerlich-nüchternen Minna vermisste. Mathilde und Richard Wagner pflegten als Nachbarn im ’Asyl’, dem Gartenhaus der Wesendonck’schen Villa, engen Kontakt und emphatische Briefe wurden ausgetauscht, bis Minna einen solchen, die ’Morgenbeichte’ am 17. April 1858 abfing und den Bruch der Liebesbeziehung zu Mathilde herbeiführte. In den ‘Wesendonck-Liedern’ als Studien zu ’Tristan und Isolde’ hat er ihr ein unsterbliches Denkmal gesetzt und noch in einem Brief an die Gönnerin Eliza Wille vom 5. Juni 1863 schrieb er “[...] Es war der Höhepunkt meines Lebens: die bangen, schön beklommenen Jahre, die ich in dem wachsenden Zauber ihrer Nähe, ihrer Neigung verlebte, enthalten alle Süße meines Lebens. [...]“
(Richard Wagner Briefe, Ausgewählt, eingeleitet und kommentiert von Hanjo Kesting, München, 1983, S. 471)

Seraphine Mauro, sorgte 1861 in Wien für Richard Wagners Wohlergehen. Die Nichte seines Freundes Josef Standhartner, eine südländische Schönheit mit “[...] marmorbleichem Antlitz, das von schwarzen Locken umgeben war, die bis zur vollen Büste herabhingen [...]“ zeigte Entgegenkommen. Die “[...] liebe Puppe [...]“ geriet aber in Vergessenheit und vernichtete seine Briefe.
(Richard Wagner, M.L., S. 683)

Mathilde Maier lernte RW 1862 im Hause Schott kennen und bald bat er die schöne und kluge Tochter eines Notars aus Alzey mehrmals, zuletzt 1864, mit ihm zusammenzuleben. Sie lehnte behutsam ab, blieb ihm aber auch später freundschaftlich verbunden.
(RW, M.L., S. 696)

Friederike Meyer, die Schwester der für Wien vorgesehenen ’Isolde’, Marie-Luise Dustmann, löste Richard Wagner zuliebe ihr Schauspielengagement in Frankfurt. Er fand trotz ihres Mutes, sich zu ihm zu bekennen, in ihr nicht die gleichwertige Partnerin. Sie reiste nach einem Zerwürfnis mit ihrer Schwester aus Wien ab, versöhnte sich mit ihrem ehemaligen Gönner, dem Theaterdirektor Guaita und verschwand aus Richard Wagners Leben.
(RW, M.L., S. 695)

Cosima Liszt lernte Richard Wagner als Fünfzehnjährige am 10. Oktober 1853 bei ihrem Vater anlässlich eines Diners mit dem Eindruck “[...] anhaltender Schüchternheit [...]“ (RW, M.L., S. 516) kennen. Hans von Bülow heiratete Cosima am 18. August 1857, um sich seinem verehrten Lehrer Franz Liszt dankbar zu erweisen. Diese Ehe entsprach zwar der bürgerlichen Konvention, aber Cosima sehnte sich nach einem schöpferischen Mann an ihrer Seite. Sie wurde in Wagners Züricher ’Asyl’ im September 1857 mit der Tristan-Dichtung bekannt, weint, fällt innerlich aufgewühlt Richard Wagner, in welchem sie die Mission ihres Lebens sieht, zu Füßen, plant mit dem jungen Karl Ritter den Freitod. Ihre nächste Begegnung fand 1862 in Biebrich statt. Richard Wagner bemerkte “[...] in Cosimas Mienen denselben Ausdruck, den sie mir damals zu meinem Erstaunen bei jenem Abschied in Zürich gezeigt hatte; nur war diesmal das Ekstatische desselben in heitere Verklärung aufgelöst. Hier war alles Schweigen und Geheimnis [...]“
(RW, M.L., S. 709)

Bei einem Besuch Richard Wagners in Berlin bei von Bülows gestehen sie sich am 28. November 1863 bei einer Kutschfahrt auf der Promenade das Unglück, das sie belastet. “[...] Unter Tränen und Schluchzen besiegelten wir das Bekenntnis, uns gegenseitig anzugehören. [...]“
(RW, M.L., S. 746)

Als Cosima Ende Juni 1864 nach Starnberg kommt, enden die Turbulenzen um Mathilde Wesendonck und Mathilde Maier durch die Entscheidung für das Unabwendbare. Am 10. April 1865 bringt Cosima das erste gemeinsame Kind, Isolde, zur Welt, am 17 Februar 1867 das zweite Kind, Eva, und am 6. Juni 1869 den Sohn Siegfried als drittes. Am 18. Juli 1870 wurde die Ehe mit Hans von Bülow geschieden und am 25. August 1870 wurden Richard Wagner und sie in der protestantischen Kirche von Luzern getraut. Mit der ihr eigenen pathetischen Leidensfähigkeit wurde Cosima die unentbehrliche Vertraute und Stütze des Meisters und ertrug, belastet von der Sorge um den kränkelnden Hans von Bülow die Launen und Affären, erlebte die unglaublichen Schwierigkeiten beim Aufbau des Festspielhauses und der Festspiele. Nach Richard Wagners Tod wurde Cosima die Herrin von Bayreuth. 1908 übergab sie Leitung der Festspiele an Sohn Siegfried. Die jahrelange Selbstaufgabe ließ sie im Alter unduldsam werden, bis sie vor ihrem Tod am 1.4.1930 geradezu versteinerte.

Und noch während der Zeit mit Cosima erlebte Richard Wagner Frauen, die in sein Gefühlsleben eingriffen.

Judith Gautier lernte Richard Wagner am 6. Juni 1869 in Tribschen kennen. Sie war erst 23 Jahre alt, hatte mit 19 Jahren die Noten vom ’Fliegenden Holländer’ in die Hand bekommen und war seit dieser Zeit eine glühende Verehrerin von Wagners Musik. Als Tochter des Dichters Théophile Gautier schrieb sie Artikel und Rezensionen über ‚le plus grand génie musical de notre époque’, worüber Richard Wagner begeistert war. In Tribschen freundeten Cosima und Judith sich an, bis auch Wagner bei ihrer zweiten Begegnung 1876 in Bayreuth von der Schönheit des ’Orkan’, wie Baudelaire sie nannte, hingerissen war und eine Liebesaffäre begann, wobei der Barbier Bernard Schnappauf den geheimen Briefwechsel zwischen Richard Wagner und Judith arrangierte. Am 18. Nov. 1877 schrieb er ihr “[...] Ich schreie nicht, aber in meinen besten Momenten bewahre ich mir eine so süße, wohltuende Sehnsucht, jene Sehnsucht, Sie noch zu umarmen und ihre göttliche Liebe nie zu verlieren. Sie sind mein, nicht wahr? [...]“ Um sich für die schwüle Atmosphäre des Parsifal zu inspirieren, erbat sich Richard Wagner im Dezember 1877 Satin in der Farbe ihres Fleisches, sie aber verhielt sich zurückhaltend. Als entweder Cosima die Korrespondenz entdeckte oder Richard Wagner ihr die Affäre gestand, endete die Korrespondenz im Februar 1878. Im Juli 1882 besuchte Judith anlässlich der Uraufführung des Parsifal Richard Wagner in Bayreuth zum letzten Mal.
(Sven Friedrich: Erlösung durch Liebe – Richard Wagner und die Frauen, Bayreuth, 1995, S. 34 - 36)

Carrie Pringle war eine letzte Schwärmerei Richard Wagners. Sie veranlasste ihn, sich bei den Proben nur noch die Blumenmädchen-Szene des Parsifal anzuschauen. Er scherzte mit den Darstellerinnen und als Carrie Pringle einen kleinen Unfall hatte, wurde sie ins Haus des Forstmeisters Fröhlich gefahren, in die Wahnfriedstraße, nahe Hofgarten. Näheres ist nicht bekannt, da “[...] wir nichts wissen, da uns der Vorfall nur raunend und die seltsame Zuneigung Wagners zu den Blumen in Klingsors Garten auch nur durch die nachträglichen Andeutungen der Tochter Isolde und die Hieroglyphen in den Tagebüchern Cosimas überliefert ist. [...]“
(Martin Gregor-Dellin, Richard Wagner, München 1995, S. 823)

Für den 6. September 1882 hielt Cosima fest “[...] Wir spielen Whist. R. sagt dabei, er habe Sehnsucht nach den Blumenmädchen, er habe ihnen nicht genügend seine Freude an ihnen zeigen können, wenn er auch bei jeder Aufführung laut sein Bravo über das ganze Publikum hinweg zugerufen hat. [...]“   (C.T. Bd. II, S. 999)

Carrie Pringle’s Name fiel wahrscheinlich wieder bei der Besetzungsbesprechung mit Hermann Levi am 5. Februar 1883 in Venedig und es ist möglich, dass sie zum Vorsingen eingeladen wurde. Am Dienstag, 13. Februar 1883 “[...] kam es, dem Zeugnis der Tochter Isolde zufolge, zwischen ihm und Cosima zu einer heftigen Auseinandersetzung, deren Grund die Einladung an Carrie Pringle gewesen sein dürfte, ihn in Venedig zu besuchen. Laut Aussage des des Hausarztes Dr. Keppler hat diese Aufregung sein Ende beschleunigt.
(Martin Gregor-Dellin, Richard Wagner, München 1995, S. 840)  

Entsprach eine Frau seinem fest gefügten Bild, war sie hübsch (wie Minna in ihrer Jugend) war er rasch entflammt, bezauberte durch Galanterie, trotzdem war er von der Minderwertigkeit der Frauen überzeugt wie die Bemerkung vom 15. Juli 1872 zeigt: “[...] R. sagt, der Anblick seines Kopfes [Sohn Siegfried] sei ihm eine reine Wonne, er verstünde, was die Griechen an der männlichen Schönheit so erfreute, Kraft und Intelligenz, die sich darin ausspreche, während in der weiblichen Schönheit nur Sehnsucht sich ausdrücke. [...]“.
(C.T., Bd. I, S. 549).

Hier äußern sich Wunschdenken und Vorurteil des Patriarchen. Ein Knabe ist von Natur stark und intelligent, ein Mädchen, unvollkommen, beschränkt, unfähig, klar zu denken, es sehnt sich nach seiner Vervollständigung durch den Mann. Wenn sich die Betrachtung auf seine Töchter bezog, so hatten ihre Kinderaugen wohl auch Sehnsucht im Blick nach der Liebe ihres Vaters, der den Sohn so offensichtlich bevorzugte, dass sie sich schmerzlich zurückgesetzt fühlen mussten. Schon früh wurden sie in die Zucht genommen, zu schweigen und gefällig zu sein. [s. Jean-Jacques Rousseau: ’Emile’: Sophie] Diese Erziehungsanleitungen steckten tief in den Köpfen und entsprachen genau den Vorstellungen, denen Richard Wagner in seinem Bild von der sehnsuchtsvoll auf den Augenblick der Hingabe wartenden Frauen anhing. Sehr treffend beschreibt Hugo von Hofmannsthal die Verinnerlichung dieser Erziehungsmethoden, wenn er die Sophie im ’Rosenkavalier’ sagen lässt: “[...] Er ist ein Mann, da ist Er was Er bleibt. Ich aber brauch’ erst einen Mann, dass ich was bin. Dafür bin ich dem Mann dann auch gar sehr verschuldet. [...]“ (2. Aufzug, 1. Szene, Schott Klavierauszug S. 180)

Am 30. Juli 1872 erwähnt er wieder seine Ehe mit Minna “[...] >> diese Vergeudung der Lebens- und Seelenkräfte << [...]“, ruft er aus, “[...] >> dieser Unsinn aller Beziehungen; ich muß wirklich glauben, dass ich meiner Mission zu leben habe, denn z.B. in Paris, da ist doch für mich positiv nichts herausgekommen, ich habe mir nichts gewonnen; ich bin nur immer schroffer und schroffer geworden. << [...]“  (C.T. Bd. I, S. 555)

Vor einem Monat noch hatte Richard Wagner seinen Schwiegervater beneidet, dessen ’Seelenkräfte an solchen Verhältnissen angespornt’ wurden, jetzt zieht er es vor, seiner ’Mission zu leben’, ohne Vergeudung der Lebens- und Seelenkräfte. Ein lebendiges Beispiel wie sich die kreativen Impulse der Künstler unterscheiden.

Die liebliche Minna, die schlimmste Zeiten mit ihm ertrug, bis ihre Kräfte erschöpft waren, die Muse Mathilde Wesendonck, Mathilde Maier, an allen entzündeten sich seine schöpferischen Kräfte bis sie verblassten, aber weiterleben als Bausteine der Charaktere von Senta, Elsa, Evchen, Isolde. Es war also durchaus nicht nur Jessie Taylor-Laussot, die ihn entflammte. Schroffer und schroffer wurde er verständlicherweise in seiner erfolglosen Lage voll von Neid und Wut auf die bejubelten bombastischen Opern Meyerbeers. Aber seine Schroffheit machte ihn auch stark, seine Vorstellung vom Theater durchzuhalten und mit bewundernswürdiger Zähigkeit in die Tat umzusetzen.

Am Fr. 6. Dezember 1872 auf den Reisen zur Vorbereitung der Bayreuther Festspiele erregt sich Richard Wagner nach dem Besuch eines Bierhauses in Hannover “[...] darin er zwei ganz unanständige Dirnen als Schenkinnen gefunden; er sagt, was ihn erschrocken hätte, wäre, dass kein Mensch etwas darin gefunden, die Leute von ihren Geschäften gesprochen hätten und diese Gemeinheit als gleichsam zur Sache gehörig unbeachtet gelassen, “[...] >> wie unsere Frauen Chignons usw. diese Provokationsmittel ganz unschuldig anwenden, niemand sich darüber empört, es ist trostlos! Wo soll es auch bei uns herkommen, in unserem Klima, wie soll der Schönheitssinn sich entwickeln! --- Die Griechen sind ein Ausrufungszeichen, die Lotosblume im Teich, wo nun die Frösche quaken, damit müssen wir uns begnügen. So kalt, so roh ist die Sinnlichkeit im Norden, so phantasielos. Ach, es ist ein Ekel. << [...]“ 
(C.T. Bd.
I, S. 608)

’Provokationsmittel’ wie der Chignon, also ’ein Dutt’, an dem die Haare im Nacken festgezurrt wurden, regen den alternden Meister auf.

Der Besuch einer Bierkneipe mit den Erwartungen an ein edles Grand-Hotel zu verbinden zeigt, dass Richard Wagner bei aller Energie Geld und Mitarbeiter für sein Theater zu sammeln jetzt jenseits des sechzigsten Lebensjahres die klare Sicht auf die Realität verliert. Dass die Kunden mit den Dirnen den Geschäftsablauf besprechen, war und ist üblich, solange Männer das Bedürfnis nach käuflicher Befriedigung verspüren und die Liste derer, die sich in Etablissements vergnügt, aber auch infiziert haben, ist lang, denn die rigorose Trennung der Geschlechter, wie sie auch Richard Wagner für erforderlich hielt, lässt kein Liebesleben zu, das beglückt, bereichert, Perversionen und Aggressionen verhindert. In den sorgfältig recherchierten Krankengeschichten in ’Genie, Irrsinn und Ruhm’ (München/Basel 1979) schildern Wilhelm Lange-Eichbaum und Wolfram Kurth die Leidenswege der Verklemmten und Syphilitiker, unter ihnen Freunde und Kollegen Richard Wagners.

Der bekannteste Fall in seinem unmittelbaren Umfeld ist Friedrich Nietzsche (1844-1900). Er infizierte sich 1865 als Student in einem Leipziger Bordell, durchlebte die Krankheit in allen Stadien, auch der euphorischen, die seine Produktivität rauschhaft steigerte, bis zu Paralyse, Demenz und Zusammenbruch. Sein Frauenbild konkretisierte sich in platonischer Verehrung Cosimas und den käuflichen Huren. Dieser unheilvolle Antagonismus vergiftete sowohl die Gesundheit, als auch das gesellschaftliche Leben.

Franz Schubert (1797-1828) war infiziert, Arthur Schopenhauer (1788-1860) wurde durch die Syphilis zum Frauenhasser und Pessimisten, Hugo Wolf (1860-1903) infizierte sich mit 17 Jahren, die Krankheit stimulierte ihn zeitweilig bis er in Geistesverwirrung starb.

Die Gefährdung der Jugendlichen war durch die mangelnde Aufklärung groß – man sprach ja in einer Gesellschaft der Frömmelnden nicht über Sexualität – und Richard Wagner hat wahrlich Glück gehabt, dass er in der „[...] Periode der Jünglings-Flegeljahre, über deren äußerliche Unschönheit und innerliche Leere ich jetzt noch wahrhaft erstaune [...]“ (ML, S 45) sich keine Krankheit zuzog, war er doch in eine Studentenclique geraten und einer seiner Kumpane hatte „[...] bereits ein wüstes leidenschaftliches Leben hinter sich, in welchem Spiel, Trunk, wilde Liebeshändel und stete Duellierbereitschaft den wechsellosen Kanon bildeten. [...]“  (ML, S. 52)

Mit Witz und Schmunzeln schildert er seine Jugendabenteuer, natürlich nur das, was für Cosimas Ohren erträglich war, und so bleiben die aufgeputzten Mädchen, um die es bei den „[...] wilden Liebeshändeln [...]“ ja ging, unerwähnt.

Sich im besten Licht zu zeigen, sich zu schmücken, die körperlichen Reize hervorzuheben, ist eine Eigenschaft, die nur der Asket verneint und den im Tschador eingekerkerten Frauen im Islam verboten ist. Die Wechsel der Mode sind über die Jahrhunderte unbegrenzt einfallsreich und führen das ’Bild der Frau’ in immer neuen Variationen vor. Die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts deformiert die Gestalt der Frau durch Schnürkorsetts, um mit der winzigen Taille zu signalisieren, dass sie leicht zu umfangen und zu zerbrechen ist.

Die Kostümgeschichte des 19. Jahrhunderts zeigt die französische Empire- und die deutsche Biedermeier-Mode mit hoch gerückter Taille und fließenden Stoffen. Nach 1830 wanderte die Taille wieder an ihren natürlichen Platz, die Stoffe waren schwer und die Krinoline, ein Gestell, anfangs aus Rosshaar und Fischbein, später aus Stahlreifen umgab die Frauen wie ein Wall und betonte dadurch noch die eng geschnürte Taille, behinderte natürliche Bewegungen.

Um 1870 plusterte der cul de Paris, ein gepolstertes Halbgestell, das Gesäß der Frauen auf; überall wallten Rüschen, Volants, Schleifen, Spitzen und die Unterröcke kräuselten sich geheimnisvoll um die Füße. In Balltoilette zeigten die Damen weiße Schultern und Decolletée, das aus der geschnürten Taille heraus quoll. Deformierte innere Organe, Tuberkulose, Anämie, die tägliche Qual ins Korsett geschnürt zu werden, waren ein hoher Preis, den die zur Puppe, zum Schaustück zugerichtete Frau zahlte.
(Wolfgang Bruhn – Max Tilke, Kostümgeschichte in Bildern, Tübingen 1955)

Über dieses krankmachende Martyrium des Schnürens hätte sich Richard Wagner aufregen sollen und Frau und Töchter davor bewahren! Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897) warnt und schildert die Folgen „[...] Ist es möglich, dass man so unvernünftigen Aufstellungen Gehör gibt, wie die Zeichnungen im Modejournal aufweisen? An diesem ist es gut nachzuweisen, dass man sich durch die Mode zum Krüppel umwandeln will, dass man nicht bloß krüppelhaft erscheinen, sondern auch sein will [...] Ich nenne das Schnüren grausam, weil es den Körper tyrannisiert und viele tausende mehr oder weniger zu Grunde richtet. Das Traurigste aber bei dieser Mode ist, dass die von dieser Leidenschaft gefesselten in ihrer Blindheit der Überzeugung leben, es sei diese schön und habe gar keine nachteiligen Folgen. [...]“ Dann lässt Kneipp eine ’vernünftige Gräfin’ zu Wort kommen „[...] ich halte dieses Schnüren für etwas den Menschen Entwürdigendes, weil es den Körper verkümmert und ihn sich nicht entwickeln lässt wie der Schöpfer es bestimmt hat. [...] Wie vielfältig ist der Jammer über Anstauungen, über Gewächse im Unterleib, zu deren Hebung die gefährlichsten Operationen vorgenommen werden müssen! Die meisten Personen leben auch nicht lange hernach. Man klagt über Blutstörungen und Blutarmut. Wie soll das Blut noch in den Adern fließen können, wenn der Körper so erbärmlich gebunden wird. [...]“

Weiter sagt Kneipp selber: „[...] Hat man früher die lächerliche Mode des Reifrockes gehabt, so trug man später einen Kamelhöcker auf dem unteren Theile des Rückens, auf den ein paar Affen gemütlich hätten Platz nehmen können. Sollte dieser Kleiderwulst auf dem unteren Rücken etwa stets eine große Hitze bewirken und die so lästigen Hämorrhoiden befördern? [...]“
(Das große Kneippbuch, bearbeitet und herausgegeben von Bonifaz Reile, München/Kempten 1922, S 103 ff)

Eingeklemmt, fest verpackt und freudlos schauen seine Töchter und Cosima aus den Photos und er sehnt sich nach der Schönheit der Griechen.

Die “[...] Lotosblüte im Teich, wo nun die Frösche quaken [...]“ wuchs natürlich auch aus einem Schlamm, den die Romantiker nicht sehen wollten, sondern wie ’Lohengrin’ das Traumbildes idealen Mittelalters, war das romantische Griechenland ein sehnsuchtsvoller Traum, eine Illusion von ’edler Einfalt, stiller Größe’. Er beklagt “[...] >> so kalt so roh ist die Sinnlichkeit im Norden, so phantasielos. Ach, es ist ein Ekel. << [...]“

Am 28. November 1863 hatten Richard Wagner und Cosima geschworen, sich “[...] einzig gegenseitig anzugehören [...]“, am 6.6.1969 hatte Cosima, Siegfried, den Erben, sein drittes Kind geboren.

Nach insgesamt fünf Schwangerschaften und Geburten – einschließlich der beiden Kinder mit Hans von Bülow, Daniela und Blandine – steht heute wohl kaum einem noch so gehorsamen Weib der Sinn danach, sich wie einen ’Lotosblume im Teich’ zu geben oder dem Ehemann als Hetäre zu dienen. Die idealen Körper, die griechische Künstler schufen, täuschten romantische Träumer über das Elend der bis ins 20. Jahrhundert mehr oder weniger rechtlosen Frauen, so wie unsere überbezahlten Models über die Mehrzahl fehlernährter, überarbeiteter Durchschnittsfrauen hinwegtäuschen.

Wenn Richard Wagner die Kälte und Rohheit des Sinnlichkeit im Norden zum Ekeln findet, ist sie eigentlich harmlos gegenüber der Brutalität der antiken Welt oder der Unmenschlichkeit heutiger Theokratien.

Außer den Hetären, die sich zeigen und auch bilden durften, vegetierten in Griechenland die Frauen im geschlossenen Raum des Hauses und hatten nur Wert und Ansehen für den Ehemann, wenn sie unsichtbar und stumm waren.

Die Geschlechtersegregation, die rechtliche Hierarchie zwischen Mann und Frau in der Struktur des patriarchalischen Hauses überliefert in den Gesetzen des Spartaners Lykurg und des Atheners Solon waren für Richard Wagner sicherlich eine willkommene Rechtfertigung seiner lebenslangen Ablehnung von Bildung und Freiheit für Frauen. In voller Übereinstimmung mit Hektor in der Ilias, der die besorgte Andromache anherrscht: „Doch du gehe ins Haus und besorge die eigenen Geschäfte, Webstuhl und Spindel sind’s, und befiehl du den dienenden Mägden, an ihr Werk zu gehen. Der Krieg ist Sache der Männer.“ (Homer: Ilias, Stuttgart, 1979, S. 124) herrscht Wotan das “[...] weichherzige Weibergezücht [...]“ an und bestraft die ungehorsame Brünnhilde mit dem verächtlichen Weiberschicksal “[...] dem herrischen Mann gehorcht sie fortan, am Herde sitzt sie und spinnt, aller Spottenden Ziel und Spiel. [...]“ (Die Walküre, 3. Aufzug, 2. Szene)

Während die edlen ’Männertöter’ (Homer) sich ruhmreich umbringen, stellt das “Ziel und Spiel der Spottenden“ Kleidung her, kocht, wäscht, organisiert den Haushalt, gebiert und zieht Kinder auf. Ein wenig Mitgefühl zeigt Euripides, dessen ’Medea’ sagt

“[...] Von allen, was auf Erden Geist und Leben hat,

Sind doch wir Frauen das Allerunglückseligste.

Mit Gaben ohne Ende müssen wir zuerst

Den Gatten uns erkaufen, ihm als unseren Herrn

Annehmen: dies ist schlimmer noch als jedes Leid.

Dann ist das größte Wagnis, ob er edel ist,

Ob böse: denn unrühmlich ist’s dem Weibe, sich

Vom Mann zu trennen; auch darf es ihn nicht verschmähn. [...]

[...] Sie sagen wohl, wir lebten sicher vor Gefahr

Zu Hause, während sie bestehen der Speere Kampf,

Die Toren: lieber wollte ich dreimal ins Graun

Der Schlacht mich werfen, als gebären einmal nur [...]“

(Euripides: Sämtliche Tragödien, Stuttgart 1984, Bd. II, S 195-196)
 

Einen Sündenbock für alle Übel des Lebens zu finden, gehört zu den unmenschlichsten Eigenheiten des Menschen, um damit von der eigenen Unfähigkeit abzulenken. Immer sind es die anderen, besonders ’Das andere Geschlecht’ (Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht – Sitte und Sexus der Frau, 1951, Reinbek), die für jegliche Art von Niederlagen verantwortlich sind. Heriod rät in ’Werke und Tage’ „[...] Im richtigen Alter führe ein Weib in dein Haus, wenn du nicht mehr viel unter dreißig Jahren oder noch nicht weit darüber bist. Da passt dein Alter zur Heirat. Die Frau aber sei vier Jahre schon mannbar und heirate im fünften. Nimm nur eine Jungfrau, die du rechten Wandel lehren kannst [...]“ Außerdem rät Heriod „[...] Laß dir auch nicht den Sinn vom süßen Geschwätz eines sterzwedelnden Weibes, das auf dein Häuschen aus ist, betören, denn wer einer Frau traut, der traut auch Dieben [...]“
(Barbara Patzek (Hrsg): Quellen zur Geschichte der Frauen, Bd. 1, Antike, Stuttgart, 2000)

Für die Sinnlichkeit war keineswegs die stumm den Oikos verwaltende Hausfrau zuständig, sondern neben den Lustknaben, die Huren und die Hetären, an die wohl Richard Wagner bei seinem Wort von den “Lotosblüten im Teich“ dachte. Klaus Thiele-Dohrmann erwähnt in seinem Buch ‚Hetären, Kurtisanen, Mätressen’ (München 1997, S. 29) eine Rede des Demosthenes, die genau Auskunft über die Aufgaben der Weiber, die laut Richard Wagner ja der “Spottenden Ziel und Spiel“ sind, gibt: “Hetären hält man sich nur zum Vergnügen, Dirnen aber zur täglichen Pflege und Bedienung der Person. Ehrbare Frauen heiratet man dagegen, um ebenbürtige eheliche Kinder zu zeugen und um im Hause eine treue Wächterin zu besitzen [...]“
Während die ehrbare Frau im Verbund der Sippe einen gewissen Schutz genoss, kam die große Menge der Dirnen aus dem Sklavenstand und musste sich auf entwürdigende Art und meist widerwillig im anonymen Halbdunkel ihren Lebensunterhalt verdienen. Nur einigen wenigen Prostituierten gelang es zu einem gewissen Wohlstand zu kommen und durch besonderen Liebreiz und Intelligenz zur Gefährtin bedeutender Männer zu werden. Waren sie gebildet wie Aspasia, die sogar in einem eheähnlichen Verhältnis mit Perikles lebte, wurde als anregende Gesprächspartnerin der männlichen Oberschicht Athens geschätzt und versetzte auf Grund ihrer Redekunst sogar Sokrates in Erstaunen, waren sie doch immer von der Willkür ihrer Gönner abhängig. Auch die schöne Phryne, als Venus von Knidos durch Praxiteles Unsterblichkeit erlangt, wurde reich und berühmt, war aber durch Neider und Frömmler stets gefährdet und musste sich wie Aspasia einem Prozess wegen Gottlosigkeit stellen. Diesen beiden “Lotosblumen im Teich“, mutige, kluge Frauen, gelang es, sich relativ unabhängig zu machen und ihre körperliche Anziehungskraft zielbewusst und mit kühlem Kopf einzusetzen. Aber sie sind Ausnahmeerscheinungen.

Zweifellos sind die Griechen ein ‚Ausrufungszeichen’, aber nie darf vergessen werden, dass ihre kulturellen Leistungen auf der Ausbeutung von Sklaven, der arbeitenden Bevölkerung und der Demütigung der Frauen beruhte. Richard Wagners ’Teich-Metapher’ zeigt anschaulich zwei Lebensformen: die ’Lotosblume im Teich’ und “[...] die früh welkende Blumen [...]“ (Parsifal, 2. Aufzug) angewurzelt im Sumpf, oder die ’Frösche’, die sich frei im Wasser bewegen, laut und vernehmlich quaken. Vor die Wahl gestellt, würden heutige Frauen sicher lieber mit den Fröschen hüpfen und schwimmen – es könnte ja auch ein Prinz in Grimms Märchen ’Der Froschkönig’ unter ihnen sein.

So wie in Richard Wagner die Illusion von einen idealen Griechenland lebt, das es in dem Sinne nie gab, kreiert er sich sein ideales Mittelalter in der Phantasie, aus dem er ‘Tannhäuser‘ und ‘Lohengrin‘ schafft. Die griechischen Frauen lebten auf der Werteskala mit Sklaven und Tieren. Wusste er es nicht längst aus der Zeit seiner jugendlichen Griechenlandstudien? Er wollte es nicht wissen, der ehemalige Revolutionär nährte seine Illusionen und zog sich in seine Theaterwelt und den engen Privatkreis zurück, sein Frauenbild wurde immer reaktionärer. So. 22. Dezember 1872  “[...] R. frühstückt an meinem Bett und sagt mir, wie er nachts darüber nachgedacht hätte, wie wir schon dadurch wie mit einer Kluft von den Griechen getrennt, dass die Frauen bei uns an allem Teil nehmen; dass dadurch in der Literatur der Ton der Galanterien entstanden sei und eigentlich die Wahrhaftigkeit in ihrer Naivität aufhöre. Es sei schlimm, dass das, was man der ausgezeichneten Frau als Huldigung darbringen möchte, in dem man sie in den Kreis der männlichen intellektuellen Beschäftigungen zieht, nun zur Regel für jede Gans geworden sei! Und nun auch jede Gans ein Urteil abgäbe. [...]“   (C.T. Bd. I, S. 614)

Der Ausschluss der Frauen aus dem öffentlichen Leben und von den wichtigen Entscheidungen hat ein Männlichkeitsideal von brutaler Aggressivität geschaffen, das im Laufe der Geschichte Verwüstung und Krieg über die Völker brachte und bis zum Ende des zweiten Weltkrieges noch als heldenhaft gefeiert wurde. Gestützt auf die erzwungene Duldsamkeit der Frauen, Sklaven- und Fronarbeit im Namen göttlicher Gesetze erwuchsen zwar die griechische Kultur, das römische Weltreich, die Dome des Mittelalters, Zeichen vergangener Epochen in die Richard Wagner sich hineinträumte, deren schwarze Rückseiten in der Geschichtsvermittlung aber noch der Aufarbeitung bedürfen.

Gerade Richard Wagner, der von Frauen, die an allem teilnahmen (....E. Wille. J. Ritter, M. Wesendonck, M. v. Meysenbug ….) künstlerisch und finanziell unterstützt wurde, ohne die er nicht überlebt hätte, will er wieder ins Frauenhaus einsperren. Die von ihm beklagte Galanterie in der Literatur konnte sich doch nur als leeres Wortgeklingel für Geschöpfe entwickeln, deren Niedlichkeit in der Jugend gehuldigt wurde, deren zwangsweise leergebliebene Köpfe aber zutiefst verachtet wurden.

Wenn die ausgezeichnete Frau als Huldigung in den Kreis der männlichen intellektuellen Beschäftigungen gnädig zugelassen wird, wer beurteilt, ob sie ausgezeichnet genug ist? Auch wird sie dort stumm im Kreise der schnatternden Ganter sitzen müssen, denn “[...] ein folgsam Kind, gefragt nur spricht [...]“ lässt Richard Wagner Evchen im 2. Akt der ‘Meistersinger‘ sagen. Hat er Frauen schon zu Gattungswesen wie Rind und Schaf herabqualifiziert, gilt seine volle Verachtung den dummen Gänsen, die in den hehren Kreis der Denker eingebrochen sind. Zwar hat die Verhaltensforschung (Konrad Lorenz und seinen Nachfolger/innen) festgestellt, dass sie ein hochkomplexes Sozialverhalten haben, aber der Meister lässt Parsifal von Gurnemanz davonjagen: “[...] und suche dir Gänser die Gans.[...]“ (1. Akt, Schlussszene). Treu folgt Richard Wagner dem Wort des Paulus: ’mulier tacet’ und er ergrimmt, dass nun jede Gans ein Urteil habe. Geschwätz, small talk, hohle Phrasen führen zu nichts als verlorener Zeit, aber konstruktive Gespräche in Familie, Wirtschaft und Politik, wo Frauen ihren gesunden Menschenverstand und ihre emotionale Intelligenz einbringen können, sie hätte der Sozialrevolutionär Richard Wagner postulieren sollen. Seine Figuren, ’das Weib der Zukunft’ aber sind lebensunfähige Phantome. “[...] Sie reagieren auf die Händel und Verträge, die Kämpfe der Männer, sie werden in ihnen aufgerieben – sie sind nicht die Handelnden, Planenden, Aktiven, sondern die Verhandelten. [...]“
(Sabine Zurmühl: ’Visionen und Ideologien von Weiblichkeit’ in Das Weib der Zukunft, Stuttgart, Weimar 2000)

Am So. 20. Juli 1873 hält Cosima eine Bemerkung Richard Wagners fest, die wie das späte Reflektieren seiner Ortrud klingt, die er in seinem Brief an Franz Liszt vom 30. Januar 1852 als Reaktionärin und deren vermoderte Götter in heftiger Weise beschimpft hatte.

„[...] Weiter auf dem Spaziergang gedenken wir dem ‚Mythus von Thor’ und Olaf’s, des Christlichen-König; wie Thor sagt: “Ich sollte mich rächen, und in das Meer verschwinden, so wehmütig, so schön; R. sagt: >> Solche Eindrücke sind es gewesen, die mich gänzlich von der modernen Welt abgewendet haben und die andere aufsuchen lassen. <<“

Wie schön vom deutschen Volk, so persönlich an seinen Göttern gehangen zu haben, sie noch festzuhalten, so lange es nur ging und dann rührend verschwinden [...] lassen; Tannhäuser-Sage, Wotan als Knecht Ruprecht, der Neck, der weint, dass er nicht erlöst sein kann! [...]“
(C.T. Bd. I, S. 708)

Bei Hans Mayer heißt es dazu “[...] Eigenartig ferner, dass Ortruds Ruf nach den heidnischen Göttern negativ gedeutet wird, während Richard Wagner nur wenige Jahre später daran geht, die von Ortrud aufgerufene germanische Götterwelt als Chiffre der bürgerlichen Gesellschaft zu interpretieren und sich selbst darin als ’Wanderer‘ wiederzuerkennen. [...]“
(Hans Mayer: Außenseiter, Frankfurt/M. 1981)

Die Sehnsucht des alternden Patriarchen, der sich zwar von den gesellschaftskritischen Gehalten seiner frühen Werke nicht wirklich distanziert, gilt einer Macht und Autorität, an die er glauben wollte. “Für ihn waren seine revolutionären Impulse Wegmarken zu einer Privatmythologie, in der die späteren Schopenhauer-Reflexe von Weltverneinung und Entsagung Symptome eines Realitätsverlustes werden.
(Ulrich Schreiber: Weltflucht eines traurigen Helden, in Lohengrin, Reinbek 1989)

Auch am 21. September 1873 als die Familie Wagner mit Malvida von Meysenbug “[...] im Uhland liest [...]“, ergibt sich im Gespräch eine späte Rehabilitierung von Ortruds ’entweihten Göttern’ als Richard Wagner bemerkt: „[... ] >> wie lächerlich nimmt sich der heilige Olaf [aus], der mit einem Messbuche nach dem ehrwürdigen, rätsellösenden Greise und Gott wirft ![...] << es muss nicht leicht gewesen sein, meint R., diese Götter aus den Herzen des Volkes zu treiben.[...] “  (C.T. Bd. I, S. 730-731)

Die Kälte des patriarchalen Monoteismus war für das Gemüt des Volkes nur zu ertragen, in dem es die Funktionen der Naturgötter und ihrer Feste im Lauf der Zeit auf ’die Heiligen’ übertrug.

Eine Bemerkung vom 10. November 1873 zeigt, wie tief Cosima und der Großteil ihrer Zeitgenossinnen die geistige Verkrüppelung internalisiert hatte. “R. liest viel in Grimm, aus welchem er das Zitat von Lessing (beim Wort ’denken’), das unser Herz lachen macht, findet: „[...] Eine Frau, die sich mit dem Denken abgibt, sei wie ein Mann, der sich schminkt.[...]“
(C.T. Bd. I, S. 749)  

Heute, 130 Jahre später, sollte man ihnen den Besuch der ’love-parade’ in Berlin empfehlen und anschließend Vorlesungen einer Philosophieprofessorin.

Cosima macht am 19. Dezember 1873 eine Einschränkung bezüglich der Frauenrechte „[...] Ein Band Gedichte von Frau Wesendonck bringt R. und mich beim Frühstück auf die Frage der Frauen-Emanzipation, es ist schwer, da ein gerechtes Urteil zu fällen; da die Lage der Frauen eine derartige ist, dass sie sehr oft darauf angewiesen sind, ihre Familie zu ernähren und wie Männer zu arbeiten, so ist es ihnen nicht zu verdenken, wenn sie auch Männerrechte fordern. Eines begreife ich nicht, dass eine Frau freiwillig, zu ihrem Vergnügen, in die Öffentlichkeit tritt. Es ist mir, als ob die Erfahrungen des Lebens sie immer stiller machen müßten und sie immer mehr auf ihre Hauptaufgabe zurückführen: tüchtige Männer und gute Frauen erziehen. [...]“  (C.T. Bd. I, S. 765)

Diese Aussage besteht aus drei Komponenten. Die erste ist das Vorliegen des Gedichtsbandes von Mathilde – seine “[...] erste und einzige Liebe! [...] (Brief an Eliza Ville vom 5. Juni 1863), von deren poetischen Qualitäten Richard Wagner zeitweise überzeugt war. Er schrieb in seine Tagebuchblätter für sie am 1. Oktober 1858 „[...] Du siehst dein Leid nicht mehr, sondern das Leid der Welt; Du kannst es Dir sogar in keiner andren Form mehr vorstellen, als in der des Leidens der Welt überhaupt. Du bist im edelsten Sinne Dichterin geworden [...]“
Richard Wagner an Mathilde Wesendonck, Leipzig, 1922, Hrsg. Wolfram Golther, S. 105).
Inzwischen macht allerdings Lessings Wort ’Eine Frau, die sich mit dem Denken abgibt, sei wie ein Mann, der sich schminkt’ >> das Herz lachen!<<

Martha Schad schreibt über Mathilde Wesendonk und ihr literarisches Werk „[...] Die ’Wesendonk-Lieder’, das Erstlingswerk der Dichterin Mathilde Wesendonk ist gleichzeitig auch ihr berühmtestes geworden. Sehr persönliche Gedichte, Gedichtsammlungen, Märchen, Theaterstücke folgten,[...]“
(Martha Schad: Meine erste und einzige Liebe, Langen Müller, München 2002, S. 55)

Sie trat mit Conrad Ferdinand Meyer in brieflichen Gedankenaustausch, der vorurteilslos über ihr Trauerspiel ’Edith oder die Schlacht bei Hastings’ nach sieben guten Ratschlägen schrieb, sie habe einen ’fast genialischen Wurf’ getan und, ihr Talent anerkennend, „[...] eine Frau hat einen Schatz entdeckt; wird sie die Kraft und d. Geduld haben, ihn zu heben? [...]“ Richard Wagner ging überhaupt nicht auf die von ihr gesandten Werke ein und qualifizierte sie im Familienkreise mit bissigen Bemerkungen ab. Allerdings schätzte er die Inspiration, die er 1856/57 durch ihre fünf Gedichte erhielt für so wesentlich, dass er an seinem Geburtstag, am 22. Mai 1873 zur Feier der Grundsteinlegung des Festspielhauses in Bayreuth sein Arrangement der ’Träume’ selbst dirigierte.  (C.T. I. Anmerkung S. 1205).

Über die von Frauen verfasste Literatur „[...] ein gerechtes Urteil zu fällen [...]“ hätte Cosima nie gewagt, da sie ihres Mannes ablehnende Ansicht kannte und der, als Mathilde Wesendonck ihr dramatisches Gedicht ’Odysseus’ mit der Widmung an Richard Wagner sandte:

Ziehn hin, mein Lied
Und nimm die heilgen Grüße
Des treuen Herzens mit
Und lege sie zu dessen Füßen nieder,
Der wie Odysseus duldete und litt.

bemerkte >> Eine rechte Blamage << (lacht R.) >> doch ist’s wieder gut, man wird später sehen, was das für Übertreibungen waren, was ich da gefaselt habe.<<  (C.T. II, S. 85)

Im unbarmherzigen Sieb der Zeit wird man “später sehen“, was von allen Kunstproduktionen als Sand durchrieselt oder als hartes Gestein liegen bleibt, aber Richard Wagner gestand keinem ’Weib’ kreative Fähigkeiten zu.

Der zweite Punkt in Cosimas Bemerkung rührt an die katastrophalen Verhältnisse in denen Frauen der unteren Schichten leben mussten. Sie wagt sich mit dieser Äußerung weit vor, da in Richard Wagners Phantasiewelt kein Platz war für schwer arbeitende Bäuerinnen, Heimwerkerinnen, Fabrikarbeiterinnen, denn der Sozialrevolutionär von 1849, der allerdings auch keinen Gedanken daran verschwendet hatte, Recht und Freiheit für Frauen zu fordern, war zum Großbürger geworden. Hatte es in dem von ihm im ‘Lohengrin‘, ‘Tannhäuser‘ und den ‘Meistersingern‘ beschworenem Mittelalter noch selbstständig arbeitende Frauen gegeben, entwertete die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts die Frauenarbeit durch Trennung von Wohn- und Lebensraum und Arbeitsplatz, und zwar sowohl die Haus- und Familienarbeit als auch die Erwerbsarbeit.

In den sozialkritischen Werken von Karl Marx (1818 -1883), Friedrich Engels (1820 – 1895) und August Bebel (1840 – 1913) werden Ursprung, Entwicklung und Folgen des Kapitalismus aus verschiedenen Perspektiven erläutert. Richard Wagner rechnet in der Figur des Alberich im ’Ring des Nibelungen’ mit dem Kapitalisten als dem “schamlosen Alben“ ab. Die Frauenfiguren aber sind biedermeierliche Geschöpfe, reizvoll, dumme Nixen, gehorsame Helden-Seelen-Sammlerinnen, aus Liebe sterbende Opfertiere und eine als zänkisch dargestellte Hüterin der Ordnung und Vernunft, Fricka, die Mezzo-Schwester Ortruds.

Neben den ökonomischen Analysen ist Marx’s ’Das Kapital’ (Hrsg. von Friedrich Engels, Band 1, 1867, Band 2 und 3, 1885 – 1894) eine bittere Anklage gegen die Ausbeutung der arbeitenden Klassen, insbesondere der völlig rechtlosen Kinder und Weiber. Im Kapitel ’die moderne Manufaktur’ zitiert Karl Marx Berichte über öffentliche Gesundheit und Kinderarbeit u.a. „[...] Die Arbeit ist hart und die Sommerhitze steigert noch die Erschöpfung. In einer Ziegelei zu Mosley z.B. machte ein 24-jähriges Mädchen 2000 Ziegel täglich, unterstützt von zwei unerwachsenen Mädchen als Gehilfen, welche den Lehm trugen und die Ziegelsteine aufhäuften. Diese Mädchen schleppten täglich 10 Tonnen die schlüpfrigen Seiten der Ziegelgrube von einer Tiefe von 30 Fuß herauf und über eine Entfernung von 210 Fuß. [...]“
(Karl Marx, Das Kapital, 4. Auflage, Parkland Verlag, Köln 2003, Seite 440)

Arbeit im Bergwerk unter Tage, Arbeit als Lumpensortiererinnen in stickigen Hallen, Arbeit als Näherinnen, Weberinnen, Putzmacherinnen, wie dieses Beispiel zeigt: „[...] Mary Anne Walkley hatte 26 1/2 Stunden ohne Unterlaß gearbeitet, zusammen mit 60 andren Mädchen, je 30 in einem Zimmer, das kaum 1/3 der nötigen Kubikzoll Luft gewährte, während des nachts zwei zu zwei ein Bett teilten in einem der Stinklöcher, in die der Schlafraum durch Bretterwände abgepfercht ward. [...] Diese Mädchen arbeiteten durchschnittlich 16 1/2 Stunden, während der Saison aber oft 30 Stunden ununterbrochen, wobei ihre versagende ’Arbeitskraft’ durch gelegentliche Zufuhr von Cherry, Portwein oder Kaffee flüssig erhalten wird. [...]“  
(Karl Marx, Das Kapital, 4. Auflage, Parkland Verlag, Köln 2003, Seite 250).

Dabei sahen viele männliche Arbeiter die gering bezahlten Arbeiterinnen – Frauen verdienten zum Teil bei gleicher Arbeit nicht einmal 50% des Männerlohnes – über viele Jahre hinweg als Konkurrentinnen und Lohndrückerinnen an.

Die Degradierung der Arbeit zur Ware, das Ansammeln von Kapital als Selbstzweck führen für Marx und Engels zur Umwälzung des Klassensystems, zur Arbeiterrevolution  und es heißt im ’Manifest der kommunistischen Partei’ von 1872 „[...] das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschenden Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.[...]“ Diese Idee endete verhängnisvoll im Stalinismus und im ’real existierenden Sozialismus’, patriarchale Strukturen zum Schaden der Frauen blieben aber erhalten. In ’Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats’ beschreibt Friedrich Engels 1884 die Entwicklung von der gentilen, offenen Gesellschaft zur monogamen Ehe, die einseitig zu Lasten der Frau errichtet wurde. Er bemerkt „[...] Der Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts. Der Mann ergriff das Steuer auch im Hause, die Frau wurde entwürdigt, geknechtet, zur Sklavin seiner Lust und bloßen Werkzeug der Kindererzeugung. Diese erniedrigende Stellung der Frau, wie sie namentlich bei den Griechen der heroischen und noch mehr der klassischen Zeit offen hervortritt, ist allmählich beschönigt und verheuchelt, auch stellenweise in mildere Form gekleidet worden; beseitigt ist sie keineswegs.[...]“ (Dietz-Verlag Berlin, 1952, S 57)

August Bebel beginnt sein Buch ’Die Frau und der Sozialismus’ von 1878 mit den Worten „[...] Frau und Arbeiter haben gemein, Unterdrückte zu sein. Die Formen dieser Unterdrückung haben im Laufe der Zeiten und in den verschiedenen Ländern gewechselt, aber die Unterdrückung blieb [...]“ und z. B, auf S. 551 schreibt er: „[...] als moralisch sahen Griechen und Römer die Sklaverei an, der Feudalherr des Mittelalters die Leibeigenschaft und Hörigkeit. Hochmoralisch erscheint den modernen Kapitalisten das Lohnarbeitsverhältnis, die Ausbeutung der Frauen und die Demoralisation der Kinder durch gewerbliche Arbeit. [...]“

Wenn Cosima es den Frauen nicht verdenkt, dass die, die arbeiten und die Familie ernähren ’Männerrechte’ fordern, dann stellt sie sich an die Seite der Kämpferinnen, die seit Olympe de Gouges (1748 – 1798) nicht nur ’droits de l’homme’, sondern auch ’droits de la femme’ fordern. Aber erst am 10. Dezember 1948 erfolgte die ’Allgemeine Erklärung der Menschenrechte’ durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Durchgesetzt sind sie weltweit noch lange nicht, bilden aber inzwischen den wichtigsten moralischen Grundkonsens des Zusammenlebens.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, so wie ihn Cosima sich wünschte, wurde im ’Gesetz über die Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz’ im Jahr 1980 festgeschrieben. Die Durchsetzung der Chancengleichheit wird aber noch so lange auf sich warten lassen, bis Frauen selbstverständlich um einflussreiche Positionen kämpfen und Männer ebenso selbstverständlich für Kinder und den häuslichen Bereich verantwortlich sind.

Der dritte Teil von Cosimas Bemerkung vom 19. Dezember 1873 scheint wie unter dem strafenden Blick des Patriarchen ausgesprochen worden zu sein. Sie meint, sie begreife nicht, dass eine Frau freiwillig zu ihrem Vergnügen in die Öffentlichkeit tritt. RW lässt in den ‘Meistersingern‘ sein Evchen sagen: “Ein folgsam Kind, gefragt nur spricht’s.“ (2. Aufzug, 2. Szene) und Isolde sagt: “zu schweigen hatt’ ich gelernt.“ (1. Aufzug, 5. Szene)

Wenn es also nach Cosimas Ansicht ginge, gäbe es keine Clara Schumann als Pianistin, keine Sophie Schröder, die Schauspielerin, keine Wilhelmine Schröder-Devrient, die gefeierte Wagner-/Beethoven-Sängerin und die anderen Frauen für die Partien ihres Mannes, die sie ja auch zutiefst verachtete. Schweigen, dulden, dienen, “[...] sie immer stiller machen [...]“ so wie Demokrit verlangt: “Das Weib soll sich nicht um die Rede mühen; denn das ist abscheulich. [...]“ oder wie ein Sprichwort vom Balkan sagt: “Es steht der Frau nicht gut an, den Mund zu öffnen, außer beim Essen.“ Aber angenommen, die Frau sei auch ein Mensch, stuft das Schweigegebot sie wieder auf die Stufe des Tieres zurück, das nicht sprechen kann.

Dann will Cosima sie wieder “[...] auf ihre Hauptaufgabe zurückführen: tüchtige Männer und gute Frauen (zu) erziehen. [...]“ Es stellt sich die Frage, wie eine Bildung und Selbsterfahrung ferngehaltene junge Frauen “[...] frisch aus dem Kloster ist in den heiligen Ehstand kommandiert worden [...]“
(Hugo von Hofmannthal, Der Rosenkavalier, 1. Aufzug, Ziffer 274-275, Marschallin)

Ein tüchtiger Mann hat Kraft, Entschlossenheit, Mut, strebt nach Erfolg, darf sich über öffentliche Anerkennung freuen, und das alles soll ihn ein schwächliches, dummes, verschüchtertes, ängstliches, in sich gekehrtes, im Hause eingesperrtes Mütterchen lehren?

Er wird nur lernen, wie sein Vater, Frauen für zweitrangige Kreaturen zu halten.

Über die Erziehung der Mädchen zu ’guten Frauen’ gibt es unzählige Traktate, natürlich alle von Männern geschrieben, da ja weder Mädchen noch Frauen äußern durften, wie sie ihr Leben nach ihren Fähigkeiten gestalten möchten. Alle Philosophen, Mediziner, Pädagogen, Kleriker wissen bis heute alles über ’die Natur des Weibes’, aber niemand fragt, was sie selbst denkt, fühlt und für ihr Leben plant. Die traditionelle Geschichtsschreibung orientiert sich über Jahrtausende an den Taten ’tüchtiger Männer’, d.h. Kriege, Eroberungen, Machtkämpfe, die bis heute nicht enden. Die Geschichtsschreibung der ’guten Frauen’ wird als wissenschaftliche Disziplin erst seit einigen Jahrzehnten anerkannt und wäre für Richard und Cosima Wagner undenkbar gewesen. Das ’Weib’, in jeder Epoche von Männern neu definiert und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur ’guten Mutter’ stilisiert, sollte Töchter wiederum zu ’guten Müttern’ erziehen. Die alleinige Bestimmung der Frau, deren Eigenschaften Helene Deutsch, die treue Schülerin Sigmund Freuds, mit Passivität, Masochismus und Narzismus beschreibt. Gehorsam, leidensfreudig und selbstgenügsam, so wünschten sich Richard Wagner und seine Zeitgenossen ihre Ehefrau und Cosima quälte sich ab, diesem Bild zu entsprechen, während ’tüchtige’ Frauen wie Mary Wollstonercraft (Ein Plädoyer für die Rechte der Frau, Weimar, 1999) und alle die Frauen, deren Hilde Schmölzer in ihrem Buch ’Revolte der Frauen’ (Verlag Ueberreuter, Wien 1999) gedacht hat, für die Menschenrechte der Frauen unter Einsatz ihres Lebens kämpften.

Die Reduktion des ’Weibes’ auf die Körperfunktionen des Empfangens, Gebärens und Nährens, danach ’gute Frauen’ in diesem Sinne zu erziehen, die Mutterliebe als Instinkt des Weibes wie bei den Tieren anzusehen, ist ein Produkt patriarchalischer Gewalt und wird von der französischen Philosophieprofessorin Elisabeth Badinter in ihrem Buch ’Die Mutterliebe’ (Piper München 1981) widerlegt. Die älteste Waffe des Mannes ist es, die Frau zu vergewaltigen und dann zu verlangen, das Produkt dieses Vorganges lieben zu müssen. Tut sie es nicht, wird sie kriminalisiert.

Cosima verhielt sich gesellschaftskonform. Um der Zukunft willen ist es jedoch besser, ’gute Männer’ und ’tüchtige Frauen’ zu erziehen und sich nicht “immer stiller“ zu machen, sondern laut wie Ortrud zu verlangen: “Was mir gebührt, das will ich nun empfahn!“ (Lohengrin 2. Aufzug, 4. Szene)

Äußerst inkonsequent bedauert er jedoch Minnas Dummheit am 1.4.1874. „[...] >>Ach<<, sagt er >>die Differenz der Intelligenz ist das Schlimmste, verschiedene Charaktere ziehen sich an und ergänzen sich, aber wo die Intelligenz gar nicht mitkann, da demoralisiert sich auch der Charakter.<<“  (C.T. Bd. I, S. 807)

Auf der gleichen Linie liegt seine Äußerung vom 19. Dezember 1874 in Bezug auf die Ehe: “>> Der Mann muß 40 und die Frau 20 sein, sonst gibt es Elend <<“  (C.T. Bd. I, S. 878)

Er verlangte also von einer Frau sexuelle Verfügbarkeit, Dienen im Haushalt zu seiner Behaglichkeit, Fähigkeiten als Mutter und Erzieherin, Fähigkeiten als Sekretärin und Korrespondentin, Fähigkeiten zum gesellschaftlichen Repräsentieren, Fähigkeiten zur Organisation seiner Finanzen, Fähigkeiten zur Organisation eines großbürgerlichen Haushaltes, intelligentes und gemüthaftes Verständnis für seine Genialität als Komponist und Denker, dazu völlige Selbstaufgabe und stummes, rechtloses Nicht-Vorhandensein in der Öffentlichkeit. Die Frage mag erlaubt sein, ob das Wellenmädchen, das seelenlos durch die Wogen dahinrauscht, bis es durch die Liebe eines Mannes erst die Seele empfängt, all diese Aufgaben bewältigen könnte.

Mit Recht flüstert er Cosima am 9. September 1875 zu >> Du liebes Weib, das einzige was ich habe, das einzige Wesen, welches mich verstand und meiner sich erbarmte.<<
(C.T. B. I, S. 934)

Unerwartet – vielleicht ist es eine beginnenden Altersmilde oder die Rücksicht auf die Schwiegermutter – berichtet Cosima über Richard Wagners Reaktionen über ein Buch der Gräfin d’Agoult „[...] R. liest für sich die Geschichte Hollands von meiner Mutter, wo er die Frau sehr herausmerkt, welches ihm aber gefällt. [...]“  (C.T. B. I, S. 1036)

Eine Geschichtsschreibung aus der Sicht der Frauen war ja auch bis in die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts undenkbar, umso mehr verwundert es, dass es “ihm aber gefällt“, statt wie am 8. Februar 1871 Mathilde Wesendoncks ’Friedrich den Großen’ damit abzuqualifizieren, “dass die Frauen sich so auf den Markt bringen.“

Am Ende des Jahres 1877, am Do. 27. Dezember, beschreibt Cosima ihr Glück mit Richard Wagner und ihr Eins-Sein mit der Rolle der liebenden Frau. “[...] Wenn wir abends uns trennen und er mir die heilig ernsten Worte der Liebe sagt, so vergehe ich und frage mich, wie ich das Glück verdiente. Verstummen möchte ich, verschwinden, nichts wissen, nichts hören, außer ihm dienen, ihm! Ein wahres Grauen erfasst mich, denke ich an die Welt, und dass Larven und Fratzen zwischen diesen Einklang, dieses Leben treten könnten – Aufführungen, Konzerte, reisen, alles eine Qual, nur hier in dem bergenden Haus ihm helfen, ihn ertragen zu lassen, und mit ihm dann von dieser Welt scheiden ![...]“  (C.T. Bd. I, S. 1100)

Die Zergliederung der ganzheitlichen Wirklichkeit in “[...] die Welt [...]“ vor der sie ein Grauen erfasst und dem “[...] bergenden Haus [...]“, also der männlichen Welt des beruflichen Kampfes und der häuslichen Welt des Weibes, der sie vom Patriarchen Richard Wagner zugeordnet wurde, war ein Produkt der Geschlechtertheorien, die beginnend mit Rousseaus Reflexionen zur Mädchenerziehung durch Zwang zur Unterordnung und Gefälligkeit, der brutalen Ablehnung von Olympe de Gouges’ ’Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin’, Kants galante Verbrämung der Zweitrangigkeit und Subalternität der Frau, Fichtes Staatslehre, in der die Frau “[...] durch ihre Verheiratung ganz vernichtet [...]“ wird, Schellings Vergleich des Weibes mit der Pflanze und dem Mann mit dem Tier, die auf das Ganze der Natur erweiterte Geschlechtermetaphysik der romantischen Naturphilosophen (Joh. W. Ritter, H. Steffen, Joseph Görres) sind weitschweifige Reflexionen zur ontologischen Geschlechterdifferenz und nur in Abstraktion vom konkreten Frauenbild eben gültig. Die reale Frau musste wie Cosima das Leben bewältigen, wurde aber von Denkern und Poeten nicht wahrgenommen.

Richard Wagners Frauenbild war zeitkonform, wurde aber durch Cosimas uneingeschränkte Liebe im Lauf der Jahre gemildert. Seine Affären hatten ihn inspiriert und so war 1877 Judith Gautier seine letzte große Amour, die ihn in schöpferische Stimmung für Parsifal versetzte. Ein verdorbener Magen am 16. August 1878 lässt Cosima klagen “[...] dass ich meinen moralischen Mut von ehemals ganz verloren und ihn nicht abmahnte, >>so<< sagt R. >>ich habe dich also ganz zertrümmert, ganz umgeknetet? << Ich: Ich hoffe es. [...]“
(C.T. Bd.
II, S. 161)

Der Konflikt zwischen der Vernunft, die ihn vor unzuträglichem Essen hätte warnen sollen und ihrem Gehorsam, dem Schmuck des echten ’Weibes’ wirkt sich zwar unangenehm für Richard Wagners Gesundheit aus, befriedigt aber beide, ihre Rollen als der männliche Skulpteur und weibliche Knetmasse erfüllt zu haben. Am 9. September 1878 kommt die Sprache wieder auf Minna und Richard Wagner bekräftigt seine Ansicht vom 1. April 1874, dass “[...] >> vor allem zur guten Ehe Gleichheit der Intelligenz notwendig sei, ja überhaupt zum Verkehr, viel eher als die Gleichheit der Charaktere, die selbst gar nicht gut sei, bringt ihn auf Minna, welche entschieden durch ihre Beschränktheit zu allen ihren üblen Eigenschaften gekommen sei. <<[...]“ Minna war hübsch und begehrenswert, sehnte sich wie er, der bis zu seinem Lebensende geistig tätige Frauen verabscheute, aber er beklagt nicht, dass “[...] das Mißtrauen über sie gekommen durch die Unfähigkeit, R. zu folgen. [...]“
(C.T. Bd. II, S. 172)

Intelligent zu sein und sich gleichzeitig unterwürfig zertrümmern und umkneten zu lassen war Cosimas Leistung, aber um den Preis ihrer Herrschsucht den Mitarbeitern gegenüber.

Verblüffend ist, dass Richard Wagner am 14. September 1878 ein Kapitel des politischen Schriftstellers und Zeitgenossen Constantin Frantz über die ’Wahl der Frauen für’s Parlament‘ ohne Kommentar vorliest und “[...] wir sind alle erstaunt über die schöne klare Sprache, die Tiefe und Originalität der Gedanken. [...]“.  (C.T. Bd. II, S. 175)

Fand er sich allmählich mit der Tatsache ab, dass die Frauen nicht ohne Teilnahme an der Politik in ihrer ’Beschränktheit’ verharren würden und das ’politische Weib’ doch nicht so ’grauenhaft’ ist, wie er Ortrud am 30. Januar 1852 beschimpft hatte? Ähnliches lässt sich vermuten, als er die kluge Freundin des Hauses, Malvida von Meysenbug am 27. September 1878 mit den Worten verabschiedete “[...] Gott behüte dich Malvida, du bist [...] emanzipiert [...]“.  (C.T. Bd. II, S 184)

Den Tonfall dieser Äußerung, sei er angewidert, ironisch oder widerwillig bewundernd können wir natürlich nicht nachvollziehen, aber er hat – wie auch immer – dieser großartigen Frau Freiheit zugestanden.

In sein altes Klischee zurückfallend verunglimpft er literarisch tätige Frauen am 23. November 1878 und sagt “[...] >> diese Tätigkeit schiene mit einem gewissen, ihnen eigentümlichen krankhaften Zustand zusammenzuhängen, es sei eine Art der unbefriedigten Gefallsucht, sie zögen den Blau-Strumpf dann an, um durch den Geist zu herrschen. << [...]“ (C.T. Bd. II, S. 238)

Hier steht Rousseaus’s Erziehungsprogramm für die Frau wieder auf: “[...] Die ganze Erziehung der Frauen muss sich also auf die Männer beziehen, ihnen gefallen, ihnen nützlich sein, sich von ihnen lieben und ehren lassen, sie aufziehen, solange sie jung sind, sie umsorgen, wenn sie groß sind, ihnen raten, sie trösten, ihnen das Leben angenehm und süß machen, das sind die Pflichten der Frauen zu allen Zeiten, und das muss man sie von Kindheit an lehren. [...]“
(Jean-Jacques Rousseau, Emil oder über die Erziehung, 5. Buch, Seite 423, Paderborn, 1961)

Wenn eine Frau also schriftlich etwas zu sagen sich erkühnt, was nicht nur die Männer des Familienkreises betrifft, ist es ein “[...] krankhafter Zustand [...]“ und “[...] unbefriedigte Gefallsucht [...]“. Um wie viel besser beurteilt er die still leidende Figaro-Gräfin, wozu Cosima am 28. Januar 1879 schreibt “[...] Dann nehmen wir ’Figaros Hochzeit’ wieder vor, und zwar von Anfang an bis zu der Arie der Gräfin, von welcher R. sagt, sie sei auch so schön, weil sie nicht weiter ging als sie sollte, eine vornehme Frau bei der Toilette, in dem Spiegel sich sehend und sagend: was ist das alles – die wehmütige Elegance. [...]“
(C.T. Bd. II, S. 298)

Rechtlos, eingesperrt, den Launen des Grafen ausgesetzt, der sich alle möglichen Abenteuer leisten kann, ist sie die Ideal-Frau, die “[...] einsam in trüben Tagen [...]“ dahinlebt und “[...] nicht weiter ging als sie sollte [...]“. Geradezu rührend ist Cosimas Eintragung von 5. März 1879 über die ’Furchtbarkeit einer gewissen Welt’ in welcher die Frauen nicht geachtet werden, und die grauenhaftesten Dinge besprochen werden. “[...] R. sagt >> bis in späten Jahren bin ich mir wie ein dummer Junge vorgekommen, weil ich so vieles nicht kannte, von dem ich nun durch diesen und jenen reden hörte. Daß solch eine Welt vorhanden, mache ich die ideale Kunst zu etwas Gespenstischem, meine ich.<< und ich sage ihm, dass das Gefühl einer unbekannten, aber erahnten Perversität mich mit Melancholie von je erfüllt habe und dass, wenn ich von dieser Perversität hätte Kenntnis erhalten müssen, ich, glaube ich, zum Selbstmord getrieben worden wäre. [...]“.  (C.T. Bd. II, S. 312)

Die Kaltblütigkeit, mit der ehrsame Väter ihre Töchter aus finanziellen, familiären oder dynastischen Gründen in ungewollte Ehen zwangen, liegt nicht weit vom Wege, auf dem Frauen ihre Körper für Geld verkaufen. Natürlich hat Cosima dieses Milieu nicht kennen gelernt, während Richard seine wilden Studentenjahre wohl vergessen hat und sich in der Welt seiner idealen Gespenster sein Märchenreich erbaute.

Auch die Vernichtung Gretchens im Faust ist nur Anlass zu einer sentimentalen Betrachtung “[...] R. erging sich über die Schönheit des Schlusses des ersten Teiles, wie sie, ganz ihn liebend, von ihm sich scheidet, um einer höheren Bestimmung für ihn sich zu weihen. Ob Goethe schon den Plan des Schlusses gefasst? Wir neigen dazu, es zu glauben. [...]“
(C.T. Bd.
II, S. 319)

Wenn ein alternder Wissenschaftler zu seiner Verjüngung ein anständiges Mädchen verführt, schwängert, sie dem Hohn der Gesellschaft preisgibt und sie, nachdem sie aus Verzweiflung ihr Neugeborenes getötet hat, im Wahnsinn stirbt, reagiert die kultivierte Gesellschaft mit Rührung statt mit Zorn, das Leben der vielen tausend von ihren Dienstherren abhängigen Mädchen zu verbessern.  (Zitat Bärbel Kuhn)

Wie unerschütterlich Richard Wagner an seiner Meinung festhält, dass Frauen für geistige Arbeit ungeeignet sind, dokumentiert eine Äußerung vom 28. April 1879 “[...] Das jüngst erschienene Buch von Malvida dagegen will R. nicht lesen, er sagt zu Tisch >>Ich lese kein Buch von einer Frau, bis du schreibst.<< - er blickt aber doch in ein Kapitel, legt das Buch aber bald beiseite, dieses Philosophieren sei ihm unangenehm >>schließlich sind es doch alle Materialisten << von Schopenhauer nähmen sie die Ethik, das erste Buch verstünden sie nicht.  (C.T. Bd. II, S 338-339)

Am nächsten Tag wird diese Aussage vervollständigt. Cosima fragt sich, warum die Werke; prosaische und dichterische, der Frauen so eigentümlich trocken seien, R. antwortet: >>Weil es etwas Gemachtes ist, wenn eine Frau schreibt, von Natur aus liebt oder hasst sie, während es des Mannes natürlicher Ausdruck ist, zu schreiben.<< [...]“  (C.T. Bd. II, S. 339)

Wie in seinem Brief über Ortrud vom 30. Januar 1852 er sie anklagt als “[...] ein Weib, das die Liebe nicht kennt. Hiermit ist alles, und das Furchtbarste gesagt. [...]“ Ortruds Hauptinteresse gilt der Politik, Malvida von Maysenbug ist Schriftstellerin, andere Frauen erkämpfen sich Zugang zu Ausbildung und Berufstätigkeit.

Das Phantom vom nur auf den Mann fixierte Weib beginnt sich aufzulösen und der Patriarch grollt am 6. Mai 1879 sogar gegen Medea, die starke Frau aus der Sage “[...] >> Ich kann diese wütenden Weiber nicht leiden << [...]“.  (C.T. Bd. II, S. 343)

Am 19. Juni 1879 sucht Richard Wagner in den Märchen von ‘1001 Nacht‘, in ‘Wilhelm Tell‘ und in seiner Ehe mit Minna nach Beweisen, dass es “[...] >> der Frau nur durch ihr Opfer möglich ist, [...] auch in den niedrigsten Verhältnissen [...] einen unendlichen Einfluss aus[zu]üben.<< [...]“ Und voll Angst und Wut fährt er fort “[...]>> Die Frauen denken, da die Männer nichts wert sind, können sie eine Welt für sich einrichten.<< [...]“ (C.T. Bd. II, S. 369)

Das wird keine vernünftige Frau tun wollen, sondern Geschlechterdemokratie, in der jeder und jede seine und ihre Fähigkeiten einbringt. Dies nicht erkennen wollend, kommt im Familienkreise immer wieder die Frage der Frauenemanzipation zur Sprache, die Richard Wagner noch bis zum letzten Atemzug beschäftigt und die, wenn es auch noch 100 Jahre in Deutschland dauert, zu seinem Verdruss nicht aufzuhalten war. Am 6. Juli 1879 lobt er die Porzia im ’Kaufmann von Venedig’ “[...]>> aber die ließ es sich doch vom Advokaten sagen, was sie tun sollte.<< [...]“ (C.T. Bd. II, S. 377)

Lag es an der Überzeugungskraft der Schriften von Constantin Frantz, der die Frage der Emanzipation der Frauen “[...] auch so schön behandelt [...]“ (C.T. Bd. II, S. 337) war es Dankbarkeit gegen Cosima, der er am 4. August 1879 zugestand “[...] >>das häusliche Leben, wie ich es zustande gebracht, konnte ich nur durch dich <<[...]“, dass er sich soweit überwand am 5. August 1879 seinen Kindern in Erinnerung an seine Schwestern zuzugeben “[...] sie seinen viel tüchtiger als die Brüder gewesen [...]“ und auch daß Minna in ’Marie Tudor’ und ’Angelo’ “[...] sehr rührend gewesen sei [...]“ kann nur verwundern. (C.T. Bd. II, S. 393)

Geradezu prüde äußert er sich am 29. September 1879 “[...] von der Darstellung des weiblichen Körpers, den R. keinen Gegenstand findet, weil er die Natur-Bestimmung zu deutlich ausdrückt [...]“ (C.T. Bd. II, S. 416) aber die zur Schau getragene Vermummung der Frau führte zu einem blühenden Geschäft mit Akt-Bildern, seit der Erfindung der Photographie durch L.J.M. Daguerre im Jahre 1837 als Ventil der heuchlerischen Doppelmoral der Zeit. Wie sehr er sich das ’imaginierte Weib’, fern von der Realität geschaffen hatte, zeigt sich am 3. Oktober 1879. “[...] R. sagt >>Ich kann eigentlich mit keiner Frau sprechen, jetzt könnte man sagen, du habest mich verwöhnt; früher aber habe ich sie nie gekannt.<< [...] Ich sage ihm scherzend: Er sei zu produktiv, daher wirkten die Menschen nicht in ihrer wahren Art auf ihn, er konstruiere sie sich, wenn gut, enttäuschten sie ihn, wenn schlimm, dann bleiben sie ihm fremd! [...]“ (C.T. Bd. II, S. 108)

Feinsinnig in ein Kompliment gekleidet, zeigt Cosima ihm wie weit er sich von der Realität entfernt hat. Er konstruiert die seiner Meinung nach ’ideale Frau’ – opferfreudig, todessüchtig – das ideale Mittelalter voll edler Menschen, bestraft im ’Ring’ die Materialisten mit Weltuntergang, er wurde von Cosima verwöhnt, die möglichst aller zermürbenden Alltäglichkeiten von ihm fernhielt, er maßte sich harte Urteile über Frauen an und stellt jetzt verwirrt fest, dass er sie nicht kennt und er nicht einmal mit ihnen sprechen kann.

Die philosophischen, anthropologischen, medizinischen und rechtlichen Weiblichkeitsentwürfe seit der Errichtung des Patriarchats differieren zwar in Nuancen, hatten aber immer das Ziel, den weiblichen Menschen, weil vermeintlich körperlich schwächer auch als geistig inferior von Bildung und öffentlicher Machtausübung fernzuhalten. Trauriger Höhepunkt sind die Schriften von Möbius und Weininger um 1900, die bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts in die Gesetzgebung und künstlerische Gestaltung des ’Weibes’ mit den Gedanken Richard Wagners fortwirkten.

(s. Unseld, Man töte dieses Weib) Zitate Möbius, Weininger, Unseld)

Seine biologistische, in die moralische Kategorie übertragene Weiblichkeitsvorstellung dokumentiert Richard Wagner am 2. April 1880 “[...] Nach dem Mittagessen kommt das Gespräch auf die überlegene Schönheit der Männchen über die Weibchen in der Tierwelt, R. sagt >> Die Weibchen sträuben sich, das Männchen muß durch seine Schönheit es verrückt machen. Aus dieser Scheu entwickelte sich die weibliche Tugend der Schamhaftigkeit <<. Ich frage ihn, ob man nicht auch den Erlösungs-Gedanken in Zusammenhang mit diesem Sträuben des Weibchens bringen könne? R. >> Wenn man sehr tief geht, ja.<< [...]“ Die Partnerwahl zur Aufrechterhaltung der Gattung in der Tierwelt geschieht je nach Bedarf in unterschiedlichster Weise, je nachdem es sich um einzeln oder im Sozialverband lebende Wesen handelt. Richard Wagner dachte wohl an das Prunkgefieder von Pfauen- oder Fasanenmännchen, deren Weibchen, um beim Brüten unauffällig zu sein, ihr Gefieder im Lauf der Evolution der Umgebung angepasst haben. Werbe- und Balzrituale dienen der hormonellen Harmonisierung und haben mit der anerzogenen Schamhaftigkeit beim Menschen nichts zu tun. Schämen soll sich nur der, der Unrecht begangen hat, aber Richard Wagner postuliert von den Frauen die sog. Tugend der Schamhaftigkeit nur dafür, dass sie Frauen sind. Das Frausein ist also schon ein Unrecht, weil die Frau in der jüdisch-christlich-moslemischen Tradition die Trägerin der Erbsünde ist und mit ihren körperlichen Reizen den Mann ins Verderben stürzt.

Zitate: Elaine Pagels, Desmond Morris, S. 208) (Mars und Venus)

Diese Problematik handelt Richard Wagner in allen seinen Bühnenwerken ab, in dem die Frauen den Opfertod zur Erlösung des Mannes sterben müssen.

Wenn Richard Wagner, der sich durch Cosimas Überhöhung und sein fortschreitendes Alter einer weltentrückten, asexuellen Heiligkeit nähert, am 15. Juni 1880 Bilder von Teniers und Rembrandt betrachtend, in Protest gegen Rubens sich ergeht, denn [...] die Frauen mit der “[...] >> gemeinen trägen Sinnlichkeit << [...]“ sind ihm widerwärtig und er findet ganz in ihm den Zögling der Jesuiten [...] noch mehr als früher vor der natürlichen, üppigen Weiblichkeit erschrickt, die keineswegs wie seine Konstrukte “[...] tugendreiche, trüb und bleiche [...]“, sondern gesund, saftig und fröhlich sind, ist nur folgerichtig. C.T. Bd. II, S. 546)

Von einer Gesichtsrose geplagt, bemängelt er am 27. Juli 1880 die scheußlichen Geldgeschäfte der Männer der eleganten Welt und “[...] >> den dummen Blick, den man von so einer Frau bekäme, wenn man sie für etwas begeistern wollte <<[...]“, (C.T. Bd. II, S. 578) während er bissigen Humor verrät bei der Lektüre des ’Werther’ dass Lotte wohl kaum es hätte [...] ertragen haben, fünfzig Jahre lang den Werther sich verzehren zu sehen, wäre jedes Jahr Mama geworden und hätte ihn so als Schmachtlappen neben sich gerne gehabt. [...]“
(C.T. Bd. II, S. 597)

’Der Schwung’ der großen Gefühle ist eben nicht über Jahrzehnte durchzuhalten. Am 18. Oktober 1880 drückt er seine Abneigung gegen rauchende Frauen aus “[...] es käme aber von den Männern her, die neben einer Frau rauchten und überhaupt von der unrichtigen Stellung der Frauen [...]“ (C.T. Bd. II, S. 612)


Dass Raucher stören, darüber können wir mit Richard Wagner einig sein, aber ob er die ’unrichtige Stellung der Frau’ neben dem Mann als eine solche ansieht und es für angemessen hält, wenn die Frau untertänig wie in anderen Religionen hinter ihm hertrottet, kann zumindest vermutet werden. Jedoch bittet er Cosima am 23. November 1880, sie “[...] möchte bleiben hübsch, heiter, lustig. [...]“ (C.T. Bd. II, S 625)

Nach dem ’Parsifal’ plant Richard Wagner ’Die Sieger’, nach dem christlichen Werk noch ein buddhistisches. 6. Januar 1881 “[...] Wir sprechen davon, dass ungefähr dasselbe Thema (die Erlösung des Weibes) in beiden, Parsifal und Sieger behandelt würde. >> Es ist noch gar nicht zu ermessen, welche Wirkung der dritte Akt von P., wenn er gut gegeben wird, machen wird. <<< [...]“ (C.T. Bd. II, S. 659)

Das Weib ’entsündigt und erlöst’, in diesem Falle Kundry, muss bei Richard Wagner natürlich sterben. Seit Wielands Inszenierung darf sie als Hoffnungsträgerin in die erstarrte Männerwelt eintreten – und auch ich durfte es so in der Inszenierung von Hans-Peter Lehmann.

Am gleichen Tag ruft er aus “[...]>> die Männer sind elende Soldaten, die Frauen repräsentieren noch das einzige, woran man sich wenden kann in idealen Sachen; wenn man da auch auf Leder trifft, ist es entsetzlich. <<[...]“ (C.T. Bd. II, S. 659)

Der große Traum von der idealen, von der Kunst veredelten Welt, kann aber keinesfalls realisiert werden, wenn Richard Wagner, der Vordenker dieser Welt alle seine Frauen umbringt, statt ihnen Erlösung von ihrer Unterjochung zu gewähren und sie als beispielhafte, freie Wesen an seiner Utopie mitwirken zu lassen. Anja Silja schreibt hierzu: “[...] Die Frauen bei Wagner leben in einer Traumwelt. Es gibt fast keine reale Figur in seinen Opern, alle sind Traumgestalten: Elsa, Elisabeth, Senta, selbst Isolde. Die einzige Ausnahme ist Evchen in den Meistersingern. Sie haben keine normalen Schicksale. [...]“
(Anja Silja: Die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren in ‚Das Weib der Zukunft’, Stuttgart 2000)

Wie resigniert sich Wagner in den von Cosima gestalteten Familienkreis zurückzieht, beweist eine Äußerung vom 21. Januar 1881. “[...] Bei Tisch führt uns das Gespräch auf verschiedene Frauen, und R. resümiert seine Abneigung gegen sie also >> Sehr begabt, sie haben aber keine Seele, manche Männer aber auch nicht. - Kein Mensch kann mir etwas sein, deshalb habe ich mir eine Familie angeschafft, und nur wer der Familie sich einfügt, ist mir etwas.<< [...]“ (C.T. Bd. I, S. 671)

Er, der Patriarch kann sich jetzt in seinem Kreise behaglich fühlen, den ‘Parsifal‘, das Alterswerk vollenden, die finanzielle Situation ist zumindest befriedigend durch Tantiemen und die Großzügigkeit König Ludwig II. geregelt.

Aber immer noch mischen sich in seiner Ansicht über den Stand der Frauen die Traumvorstellung vom Orient und der Situation im Abendland. Cosima hält seine Äußerung vom 22. Januar 1881 fest “[...] Gestern wie ich die Mitteilung machte, dass Gobin.[au] eine böse Frau gehabt, ergeht sich R. darüber, wie schrecklich es sei, dass ein in der Jugend empfundenes Bedürfnis nach Ergänzung nun das ganze Leben hindurch als Elend geschleppt würde. Er erwähnt diese naive Scheidung bei den Orientalen, und wie falsch die Stellung der Frau bei uns sei, einerseits die Form ritterlicher Anbetung, und dabei die geringschätzigste Meinung von ihr.<< [...]“ (C.T. Bd. I, S. 673)

Richard Wagner hat sich natürlich nie die Mühe gemacht – jedenfalls gibt es darüber keine schlüssigen Nachweise – die Grausamkeit islamischer Gesetze gegen Frauen kennen zu lernen.

Nach Afghanistan kommt Gott nur zum Weinen, die dem Mann die ’naive Scheidung’ erlauben, die Frau aber der Steinigung oder unvorstellbarem Elend preisgeben. An der Polarisierung der Frau in Heilige, Hohe Frau des Minnegesangs und hirnlos-tierisch dahinlebenden Gattungswesen hat er in seinen Opernfiguren und theoretischen Schriften intensiv mitgearbeitet. Daher ist es besonders seltsam, dass er diese Zustände beklagt.

(s. hierzu Bennent, Heidemarie: Galanterie und Verachtung, Frankfurt/M., 1985

Am 9. Februar 1881 gedenkt Richard Wagner mit überraschender Sympathie Wilhelmine Schröder-Devrients “[...] >> Was soll ich darauf sagen, alles war Leben, Seele, Wärme und ein Ausdruck der Freude, wie ich ihn nur bei Cosima gesehen habe. << [...]“ Ihr Bild verklärte sich und er gedenkt auch Judith Gautiers. “[...] >> Gegenüber all den Steifheiten war sie mir damals 1876 durch ihre natürliche Wärme sehr angenehm.<< [...]“ (C.T. Bd. II, S. 687)

Beide waren Quellen der Inspiration, wenn auch der Schröder-Devrient, wie er früher bemerkte, die “[...] ängstliche Verschämtheit  [...]“ fehlte.

“[...] Zufrieden mit dem Erfolg des ’Lohengrin’ konnte Richard Wagner als Kompliment zitieren “[...] >> O gönne mir, dass mit Entzücken ich deinen Atem sauge ein !<< Wir besprechen dann Lohengrin: Elsa’s Entsetzen, wie sie hört, dass er von Glanz und Wonnen kommt ! >> Ein hübsches Sujet <<, sagt er scherzend. Auch hat es die Nation anerkannt. [...]“
(C.T. Bd.
II, 721)

Richard Wagner wiederholt sich, wenn er am 19. April tadelt “[...] >> die Malerei hielt er auf Irrwegen, wenn sie den weiblichen Körper, der nicht eigentlich ästhetisch schön sei, nackt wiedergebe. <<  [...]“ (C.T. Bd. II, S. 728)

Und als witzige Umschreibung für seine sexuellen Rauschzustände nennt er sie am 27. Juni 1881 “[...] >> Ich war nie verliebt, wenn der große Teufel losgeht, << sagt er zu mir sich wendend >> das ist etwas anderes, das ist keine Verliebtheit, das hört dann auch nicht auf. << [...]“ (C.T. Bd. II, S. 753)

Und am 14.  Juli 1881 ergeht er sich in Vergleichen von schönen und hässlichen Frauen, die „[...] ihm etwas Furchtbares sei[en], wenn nicht ein Strom von Güte ihr aus dem Gesichte einem entgegenschaue.<< [...]“ (C.T. Bd. II, S. 762)

Unbeirrt hält Richard Wagner an seiner Meinung fest, dass künstlerische Betätigung für Frauen abzulehnen ist. Dies ist umso erstaunlicher als seine Schwestern – zwar nur als reproduzierende - Künstlerinnen – und hier besonders Rosalie zum Erhalt des Haushalts in Leipzig beitrugen, wenn sie ihn nicht gänzlich bestritten. Und Minna hätte ihre uneheliche Tochter Natalie kaum durchbringen können, wenn sie nicht in Magdeburg als arrivierte Darstellerin hätte tätig sein können.

Am 15. Juli 1881 erklärt er “[...] Eine Frau, die ein Atelier hat, ist etwas Schreckliches. Eine schriftstellernde ist schlimm genug, aber man spricht, man schreibt Briefe, daraus ergibt sich das übrige, wenn auch eine Frau mit eigner Arbeitsstube, Bibliothek, zu vergleichende Bücher auch schrecklich ist, aber das Malen, ein so spezifischer Beruf, mir gräulich. [...]“

Dies ist noch einmal ein grimmiges Auflehnen des Patriarchen gegen kreative Frauen, während er am 31. Juli 1881 Goethe lobt und seine „[...] Vorliebe für tüchtige, wahrhaft kräftige Frauen wie Dorothea und Elisabeth (’Götz’). >> So muss auch die deutsche Frau sein – denn ein indisches Wesen wird sie doch nie.<< [...]“  (C.T. Bd. II, S. 772)

Allerdings wäre seinem Werk auch nicht gedient gewesen, wäre Cosima nach seinem Tod verbrannt worden. In der Milde des Rückblicks äußert er sich am 21. September 1881 “[...] Beim Kaffee hatten wir viel über Minna gesprochen, ihre Schönheit anerkennend und dass ein richtiger Instinkt R. zu ihr geführt >> damit waren alle Dummheiten für mich abgeschnitten und dachte ich nur an arbeiten. << [...]“ Und er beklagt sie, dass sie ihn geheiratet.
(C.T. Bd. II, S. 797)  

Das sind unerwartete Töne des Verständnisses für die Frau, die all die Jahre der Armut mit ihm ertragen hat und die er bisher meist als bösartig und beschränkt schilderte.

Das konstruierte ’ewig Weibliche’ gerät ins Wanken, wenn er sich an einen Aufruf der Schröder Schröder-Devrient erinnert. “[...] >> Ach! Was wissen sie davon, Sie Ehe-Krüppel <<  [...]“ - (C.T. Bd. II, S. 814)  und er stellt fest “[...] >> die Sorge wird nicht aufhören, die Kinder ziehen uns immer wieder hinein, die Mädchen am meisten, die mit fremden Existenzen sich mischen müssen. <<  [...]“  (C.T. Bd. II, S. 815)

Auch den unbelehrbaren Theoretiker holt die Realität ein und Richard Wagner, der in seinen Töchtern früher – seiner Theorie gemäß – nur die Gattung sah, stellt fest, dass sie doch unterschiedliche Charaktere haben und es bereitet ihm Sorge, dass sie, die kein Eigenleben führen dürfen, sich im heiratsfähigen Alter “[...] mit fremden Existenzen mischen müssen. [...]“ also auf Gedeih und Verderb an einen Mann gekettet werden und am 28. Oktober 1881 stellt er fest “[...] das Wesen des Weibes sei das Mitleid mit dem alles nach außen verfechtenden Mann. Wenn nun der Mann verkomme, höre das Mitleid auf, und die Frau würde hart [...]“  (C.T. Bd. II, S. 816)

Hartnäckig repetiert Richard Wagner seine Vorstellung vom Weibe und der erwarteten Selbstaufgabe dieses bis zum Opfertod, um in irrationalem Überschwang ein Phantom zu konservieren. Hierzu bemerkt Heidemarie Bennent “[...] Wenn die Aufrechterhaltung der idyllischen Vorstellungen vom häuslichen Glück trotz einer gegenläufigen Realität für lange Zeit möglich blieb, so nur auf einer sozialen Entrechtung der Frau, die eingefangen im Ghetto den Schein von Freiheit und Mühelosigkeit um die Zwänge wirkte. [...]“

(Bennent, Heidemarie: Galanterie und Verachtung, Frankfurt/M. 1985)

Am 27. November 1881 beobachten Cosima und Richard Wagner eine auf einer Terrasse allein frühstückende Frau und diskutieren, ob die Einsamkeit der Frau glücklicher sei als die des Mannes . R. sagt “[...] >> Was willst du, die einsamen Zeiten waren meine besten, Luzern, Venedig << Das bringt uns auf Minna und ihr Leid, da sie keinerlei Freude und Genuß vom Umgang mit R. haben konnte und nur Angst und Bangigkeit vor der absoluten Entfremdung, nachdem das Elend sie nahegebracht, z.B. wenn ein wenig Geld eingenommen wurde, eine Art Heiterkeit entstand. [...]“  (C.T. Bd. II, S. 832)

Den veredelnden Einfluss Cosimas verdeutlicht eine Äußerung Richard Wagners, der am 30. November 1881 erzählt, dass Minnas ewige Aufgeregtheit ihn ganz ruhig gemacht habe, denn “[...] >> Es war keine Leidenschaft im Spiel, das tiefste Innere war nicht berührt << [...]“ und “[...] >> Bei dir wird es immer seltener, aber wenn es kommt, dann ist auch alles aus, dann hat das Leben ein Ende. << [...]“  (C.T. Bd. II, S. 835)

Er fürchtet sich also, wieder in den Zustand der Entfremdung und Kälte zu verfallen, der ihn mit Minna entzweite. In den Memoiren der Mdme. de Réussat lesend gibt er am 24. Dezember 1881 zu, dass sie vorzüglich beobachtet habe und so ein Werk sei ihm “[...] mehr Wert als Mommsen, Pommsen und wie sie hießen. [...]“ Cosima sagt “[...] dass eine Frau mir besser geeignet dünke als ein Mann in dieser Weise zu beobachten und [zu] schildern, sagt er: >> Ja, die Frauen haben mehr Sinn für das Wahrhaftige. << [...]“ (C.T. Bd. II, S. 856)

Auch am 8. Februar 1882 beim Gespräch [...] über Macht der Frauen über Männer sagt R. >> Ja, bei der Eitelkeit fassen sie sie. << Und er meint, dass im Orient schon eine bessere Form des Verhältnisses gefunden worden war. (C.T. Bd. II, S. 888)

Die fixe Idee gibt er nicht auf, der Traum des Patriarchen von den immer willenlos verfügbaren Frauen, ohne geringstes Interesse am Elend ihres Lebens. Wenn auch humoristisch zankt Richard Wagner am 26. Februar 1882 die Kinder aus, die vielen “[...] >> unnützen Mädchen <<, die immer unterhalten sein wollten [...]“  (C.T. Bd. II, S. 898)

In der Zeit als Mädchenbildung im Lesen von Trivialromanen “[...] Als ich noch Richardson gelesen  [...]“ (Tschaikowsky: Eugen Onegin) und den Künsten, den zukünftigen – hoffentlich – gut situierten Ehemann zu unterhalten, begrenzt war, machten sie freilich den Anschein des Unnützen und alle Eltern waren froh, wenn sie endlich ’unter der Haube’ waren. Am 28. März 1882 beschäftigen sich Cosima und Richard Wagner mit dem Lohengrin. Sie notiert: “[...] Ich lese die Dichtung von Lohengrin, und R. entsinnt sich, da´, wie er bei seiner Schwester Luise sie Laube vorgelesen, dieser von der Entwickelung des zweiten Aktes meinte: Es sei alles gut, aber man müsse Ortrud mit Zauberkünsten im Hintergrunde sehen; der seelische Vorgang war ihm nichts. << [...]“  (C.T. Bd. II, S. 919)

Es ist erschreckend, wenn ein gebildeter Mann wie Heinrich Laube, Ortrud auf das Niveau einer simplen Märchenhexe, die im Topf einen Sudel aus Kröten und Schlangen kocht, herabziehen will. Wie die musikalische Analyse zeigt, ist ihr Einfluss auf den “[...] seelischen Vorgang [...]“ ihrer Feinde und Telramunds subtil, allgegenwärtig, überzeugend und stark. Das macht ihre Einzigartigkeit unter allen Frauenfiguren Richard Wagners aus.

Am 5. April 1882 ein Gespräch über “[...] sein Thema: männlich und weiblich; da er es Männchen und Weibchen nennt, frage ich scherzhaft: ich käme gut dabei weg? >> Im zweiten Teil deines Lebens, im ersten nicht, denn in der Liebe des Weibes zum Manne erkenne ich die erste Brechung des Willens, in der Sehnsucht – wie Schopenhauer es so schön sagt – den Heiland zu erzeugen. << Ich erinnere an Diotima, im Schönen sich wiederzugebären, >> gewiß << sagt R. >> hat Platon es gewußt, er beging nur das Unrecht, konstruktiv sein zu wollen << [...]“  (C.T. Bd. II, S. 924)

Die strikte Trennung der Geschlechter und der von Männern beschriebenen und erwünschten Eigenschaften des ’Weibes’ thematisiert Richard Wagner an wechselnden Beispielen immer wieder, und das Wunschdenken von der “[...] Brechung des Willens  [...]“ in der Liebe ist genauso verhängnisvoll wie die Brechung des Willens in der Erziehung. Einen Willen zu brechen ist ein Gewaltakt aus dem weder Sehnsucht noch ein Heiland hervorgehen kann. Keine Frau kann Sehnsucht nach ihrem Gewalttäter empfinden, die Konvention, die Richard Wagner nicht als solche erkennen will und für das Wesen des ’Weibes’ hält, zwingt sie ihr aufgezwungenes Los zu ertragen, da sie keine Möglichkeit zur freien Entscheidung hat. In diesem Zusammenhang Schopenhauer, den Philosophen der übelsten Frauenverachtung zu zitieren kann nur das Ergebnis selektiven Lesens in blinder Verehrung sein. So bezeichnet Schopenhauer in Band sechs seiner Sämtlichen Werke Frauen als “[...] Verderb der modernen Gesellschaft  [...]“, die den nach Gleichmut und Weitsicht strebenden Bürgermann aus seiner Bahn schleudern, um ihn so schließlich vor den Ruin zu führen. Sie sind leichtfertig, vergnügungssüchtig, verschwenderisch, verschlagen, liebeshungrig, vernunftsschwach, ausbeuterisch, äffisch und kokett, ja selbst diebisch und meineidisch. Er postuliert die Einführung der Polygamie, denn “[...] dadurch wird das Weib auf ihren richtigen und natürlichen Standpunkt, als subordiniertes Wesen, zurückgeführt, und die Dame, dies Monstrum Europäischer Civilisation und christlich-germanischer Dummheit, mit ihren lächerlichen Ansprüchen auf Respekt und Verehrung, kommt aus der Welt und es gibt nur noch Weiber, aber auch keine unglücklichen Weiber mehr, von welchen jetzt Europa voll ist. (Bennent, Heidemarie: Galanterie und Verachtung, Frankfurt/M. 1985, S. 193) Warum Europa voll von unglücklichen Weibern war, interessierte weder Arthur Schopenhauer, noch Richard Wagner.

Kurze, aber heftige Bemerkungen über die Mächtigkeit des Geschlechtertriebes äußert Richard Wagner am 25. April 1882 (C.T. Bd. II, S. 938) und es fesseln ihn in einer Novelle von E.T.A. Hoffmann am 26. April 1882 die Gespräche der Separationsbrüder in Bezug auf >> Männlich und weiblich <<  (C.T. Bd. II, S. 939) überall sucht er nach wie vor Beweise für seine Theorie über die Bestimmung des ’Weibes’. Dazu passt auch seine Äußerung über das Geschlechterverhältnis bei Shakespeare: “[...] >> Den Vorwurf der Naivität der Natur in Konflikt mit der bürgerlichen Gesellschaft gab es nicht << [...]“ Die Restriktionen gegen die Frauen im 16. und 17. Jahrhundert, selbst wenn sie noch nicht so ausgeklügelt waren wie im 19. Jahrhundert zu leugnen, ist einfach falsch und beweist wiederum Richard Wagners eingeengte Sicht. Am 13. Oktober 1882 stellt er fest es “[...] sei doch merkwürdig, dass, während man für die Männer den Verstand vindiciere, in der Sage sie immer eigentlich dumm wären. Tristan, Siegfried >> die Frau nimmt es eben furchtbar ernst mit dem einen Punkt <<  [...]“  C.T. Bd. II, S. 1023)

Helden, die sich in Abenteuer stürzen, haben das Fürchten nie gelernt, nie mahnte eine Erda sie, in Sorg’ und Furcht zu sinnen, nie fluchte ein Alberich, dass die Sorge ihn sehre und der Neid ihn nage. Tollkühn sind sie und das imponiert wohl den Frauen, wie Richard Wagner meint. Mag der Held einen plumpen Drachen töten können, die Finte Melots und der in den Rücken gestoßene Speer Hagens bringt ihn um. Das Nazi-Reich mit seiner Inszenierung des Helden und den Millionen Heldentoten haben diesem Kult der Dummheit ein grauenhaftes Ende bereitet und die Frauen haben sich auf ihre eigenen Kräfte verlassen müssen, (Zitat: I. Bruns: Als Vater aus dem krieg heimkehrte) andere Traum-Männer aufgebaut. Erfolgreiche, smarte Manager, sexy Filmstars oder Pop-Idole erregen die Phantasie. Die ’Hauruck-Helden’, der ’Haudrauf’ (Sabine Zurmühl über Siegfried, Stuttgart, 2000) wanderte als ’Batman’ und ’Terminator’ nach Hollywood; unterschiedliche Frauen – für Richard Wagner undenkbar – finden unterschiedliche Männer attraktiv oder als heutiges höchstes Kompliment ’süß’ – auch für Richard Wagner undenkbar. Immer wieder erinnert er sich an seine Zeit mit Minna, und am 28. Oktober 1882 erzählt er, dass Minna ihm einmal gedroht habe, sich dem Trunke zu ergeben. “[...] >> Mit dem, was man hasst, geeint zu sein, von dem, was man liebt, getrennt, daraus besteht eigentlich diese Welt, das hat diese Paläste eingegeben und all den Pomp, um sich darüber zu täuschen. << [...]“ - (C.T. Bd. II, S. 1035)

Und am nächsten Tag, dem 29. Oktober 1882 träumt er von Minna und “[...] gedenkt in Folge dessen ihres Benehmens in Königsberg und der grauenhaft rohen Behandlung – Vorwürfe – die ihm seitens der Mutter Minnas in Dresden darauf wurde. Es sei das erste Mal, dass er etwas so Rohes erfahren habe, es sei entsetzlich gewesen. [...]“  (C.T. Bd. II, S. 1035)

Sein Lebenskonflikt, die ideale Welt der Kunst, das willenlos lieben müssende Phantom-Weib und die Realität von Armut und Unbildung, die sich heftig und fordernd artikuliert – quält ihn auch in den späten Jahren sogar im Traum. In einem Aufsatz, den er am 1. November 1882 beendet, schreibt er “[...] >> Wer kann ein Leben lang mit offenen Sinnen und freien Herzen in diese Welt des durch Lug, Trug und Heuchelei organisierten Mordes und Raubes blicken, ohne zu Zeiten mit schaudervollem Ekel sich von ihr abwenden zu müssen? Wohin trifft dann sein Blick? Gar oft wohl in die Tiefe des Todes. << [...]“
(
https://onlinemerker.com/bernd-weikl-richard-wagner-revolutionaer-und-mystiker/

Aus dem einstigen Revolutionär war der Weltflüchtige geworden, der jedoch noch Pläne hat, noch zehn Jahre leben will, bis sein Sohn die Bayreuther Festspiele übernehmen kann. Am 16. und 17. November 1882 notiert Cosima Gespräche über ‘Lohengrin‘, das liebende Weib und “[...] >> wie schön Goethe das demütig Dienende als einen Teil des Idealischen [...] dargestellt hat. <<  [...]“  (C.T. Bd. II, S. 1050)

Demut, der Mut zum Dienen kann aber nur aus Freiwilligkeit erwachsen. Die Reduktion der Frau auf ihre Sexualfunktionen und die Brutpflege, die rechtlose Abhängigkeit von Vater und Ehegatte als das “[...] Idealische  [...]“ zu sanktionieren, musste seitens der Frauen Gegendruck in Richtung Freiheit hervorrufen, eine Tatsache, die Richard Wagner voll Abscheu und Angst beobachtete. Daher auch die Bemerkung von 17. Dezember 1882 “[...] eine Witwe müsse keinen eigenen Hausstand haben, entweder mit ihren Kindern leben oder in’s Kloster gehen. Auch die Witwer, sagt er zu meinem Vater [...]“ hält Cosima fest.
(C.T. Bd. II, S. 1072)

Dass er, der Protestant, das Kloster empfiehlt, ist ziemlich unlogisch, aber vielleicht würden ihm die Lösungen ’heutiger frommer Moslems’ behagen, die in Algerien alleinstehenden Frauen die Kehlen durchschneiden, in Indien unnütze Frauen mit Salzsäure verätzen oder mit Benzin übergießen und anzünden

Am 6. Januar 1883, nach dem Erhalt eines positiven Berichts von den Aufführungen des ’Ring’ in Wien“[...] R. spricht dann über seine verschiedenen Stoffe, immer ‘Lohengrin‘ als den allertraurigsten findend; er erzählt auch von dem Vorschlag Lüttichau’s: Tannhäuser in Rom Verzeihung finden lassen und Elisabeth heiraten. << [...]“ (C.T. Bd.II, S. 609)

Die Konvention des ’lieto fine’ oder der ’mariage’, um das Publikum auch nach den grausigsten Aufregungen einer Oper vergnügt und beruhigt nach Hause zu schicken, hielt sich hartnäckig, ist aber keine Lösung, da nach der Hochzeit die Probleme erst beginnen. ‘Lohengrin‘, das Drama der Unvereinbarkeit zweier Welten, kann logischerweise nur tragisch enden, selbst wenn in einigen Sagen und Dichtungen Elsa die Frage nach Nam’ und Art erst nach einigen glücklichen Ehejahren stellt. Richard Wagners dramaturgischer Sinn tat recht, das Spiel zu verkürzen.
9. Januar 1883, nachdem Cosima beschrieben hatte, wie zornig RW über die vielen Besucher war “[...] Als Curiosum will ich noch erwähnen, dass das schwarze Auge und die schwarzen Haare unserer Freundin (Marie Dönhof) R. unfraulich sind. [...]“ Immer wieder denkt er an die Frauen in seinem Leben, ist wieder guter Laune, scherzt und tanzt und – von früheren Beziehungen sprechend, meint R., er schäme sich ihrer, ; wie ich R. sage, dass man solcher großherzigen Täuschungen sich nie zu schämen habe, sagt er >> Ich habe immer wenig sprechen lassen – wenn ich hätte sprechen lassen, dann wär’s freilich auch nicht hübsch gewesen. << [...]“  - (C.T. Bd. II, S. 1090)

Ein Egomane wie er konnte nicht zuhören, sein Redestrom war berüchtigt, seine Aufsätze sind ungeheurer wortreich, seine Musikdramen überlang. Mein verehrter Lehrer, Regisseur und späterer Intendant, Prof. Günter Roth, nannte es treffend:
“Die Geschwätzigkeit des sächsischen Meisters.“

Von Herzanfällen gepeinigt, die die Ärzte falsch diagnostizieren, plant er eine Abhandlung über sein Thema und sagt am 26. Januar 1883 zu Cosima “[...] er wisse nicht, ob er seine künftige Abhandlung als ’Das Weibliche im Menschlichen’ oder ’Das Ewige im Weiblichen’ betiteln werde.

Er erregt sich öfters über die jetzige Kleidung der Frauen, während er die Kleidung des Directoire sehr hübsch findet.

Eine Photographie betrachtend rief er aus: >> Wenn ich einen Staat zu regieren hätte, da würdet ihr so herumlaufen! << Er sagt: >> in einen Harem höchstens gehören solche gekleideten Frauen. <<  (C.T. Bd. II, S. 1102)

Es mag ihm gefallen haben, dass sie mit ihren zarten Stoffen von der klassisch – griechischen Tracht inspiriert war.

In den letzten Tagen seines Lebens träumt er von seinen ’Ehemaligen’ und erzählt Cosima am 11. Februar 1883, dass er die Schröder-Devrient im Traum gesehen “[...] >> All mein Weibsen geht jetzt an mir vorüber. << Am gleichen Tag – um 12 Uhr kommt er zu mir und meldet, dass er seine Arbeit begonnen, und zwar so stark gepfeffert, dass Wolzogen. es wohl nicht würde drucken wollen. Er liest mir die erste Seite vor und meint, die Motive seien klar genug herausgestellt! << [...]“  (C.T. Bd. II, S. 1111)

Cosimas letzte Eintragung ist vom 12. Februar 1883 wie R. zu ihr sagt “[...] >> Ich sprach mit dir << sagt er und umarmt mich lange und zärtlich >> Alle 5000 Jahre glückt es << Ich sprach von den Undinen, die sich nach einer Seele sehnen und nachdem er die Rheintöchter-Klage gespielt hat >> Ich bin ihnen gut, diesen untergeordneten Wesen der Tiefe, diese[n] sehnsüchtigen. << [...]“  (C.T. Bd. II, S. 1112 – 1113)

Am 13. Februar schreibt Richard Wagner an dem Aufsatz ’Über das Weibliche im Menschlichen’. Nach den letzten Worten “Gleichwohl geht der Prozess der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe – Tragik –“ erleidet er einen Herzanfall und stirbt gegen 15.30 Uhr in Cosimas Armen. Sie, die sein Leben organisierte, das Drama seines Lebens zwischen Zeitverhaftung und Utopie begleitete, sie, das ’Allerseelenweib’, das eine übermenschliche Arbeitsleistung vollbrachte, erhielt als unmündiges ’Weib’ einen Vormund, für uns heute ein empörender Gedanke.

Freilich diente sie einem Genie, aber dieses Genie hielt unnachgiebig an seiner Vorstellung von den “untergeordneten Wesen, diesen sehnsüchtigen“ fest. Sie vermochte es, die Identifizierung mit der Rolle der liebenden Opferbereitschaft durchzuhalten, sich emotional zu geben, aber rational zu denken, Schwäche vorzugeben und Stärke zu verbergen, dadurch erfüllte sie Richard Wagners und der Gesellschaft Forderungen.

Die exstatischen Zuckungen, unter denen die Emanzipation des Weibes vor sich ging, waren zwei Weltkriege, von denen der zweite, mit von ’Führer’ und seinen  Gesinnungsgenossen missbräuchlich benutzten ‘Lohengrin‘-Symbolen den weltweiten Zusammenbruch des Heldentums, unbeschreiblichem Elend, aber den Frauen das Erwachen zur Selbstbestimmung brachte, weil die Not es erforderte.

Ortrud, die Kontrastfigur, die Richard Wagner in seiner Angst vor der intakten Frau musikalisch mit seiner Meinung nach negativen, aber in die Zukunft weisenden Mitteln ausstattete, ist das prophetische Geschöpf, das statt wie alle anderen einen sinnlosen Tod zu sterben, uns angesichts eines hybriden, rücksichtslos die Natur ausbeutenden Kapitalismus und der immer verheerenderen Katastrophen das Wort von den „entweihten Göttern“ zuruft.

Marie-Louise Gilles


 



Aus den Medien

Bemerkungen von Dr. Klaus Billand
in
‘Der neue Merker‘ Wien zur ‘Carmen‘ in Hannover

 

Zitat
HANNOVER: CARMEN – Premiere am 24. Oktober 2020

‘Der neue Merker‘

- 28.10.2020 |
Oper international


Evgenia Asanova. Foto: Sandra Then

Ist das noch Oper?!

Die Staatsoper Hannover, schon länger für unkonventionelle Darbietungen bekannt, die nicht immer den größten Publikumszuspruch ernten, kam Ende Oktober mit einer Neuinszenierung der „Carmen“ von Georges Bizet heraus. Das Programmheft ist übertitelt mit „CARMEN, Georges Bizet/Marius Felix Lange“, als seien beide Komponisten gleichwertig an der musikalischen Gestaltung des Stückes beteiligt. Regie führte Barbora Horáková, mit dramaturgischer Unterstützung durch Martin Mutschler. Im Innern des Heftes erfährt man dann, dass es sich um eine musikalische „Neubearbeitung“ des Bizet-Klassikers durch Marius Felix Lange handelt, weil der 52-jährige Komponist, der als Geiger mit „Carmen“-Fantasien von Pablo de Sarasate und Franz Waxmann aufwuchs,
eine Diskrepanz entdeckte zwischen dem Leben, welches, auf Prosper Mérimées Novelle basierend, eigentlich in der Oper erzählt werden soll, und den Mitteln, mit denen das geschieht.

Lange will den Protagonisten Carmen und Don José etwas von ihrer spezifischen Identität zurückgeben. Das wäre wohl eher die Sache der Regisseurin gewesen. Hier kommt es aber musikalisch zum Ausdruck, beziehungsweise soll es kommen, indem Lange nicht nur diverse und harmonisch unpassende Versatzstücke in die Bizetsche Partitur hineinkomponiert, sondern selbst bekannteste, geschlossenste und auch beliebteste Nummern wie die Musik zur Habanera und zur Blumenarie, um nur zwei prominente Beispiele zu nennen, mit Dissonanzen unterspielt, ja, man könnte auch sagen „unterspült“. Dazu benutzt er in erster Linie das Vibraphon und Röhrenglocken, die nach seiner Ansicht „weitere Klangfarben“ erzeugen, aber auch ein riesiges Xylophon, sowie das Schlagwerk. Die drei erstgenannten Instrumente, deren Verzicht es wohl selbst bei den geltenden Hygiene-Vorschriften im Graben erlaubt hätte, ein paar Streicher mehr als die gerade einmal vier Geigen, zwei Bratschen und zwei Celli zu platzieren (insgesamt nur 21 Musiker!), sorgten dafür, dass der Zuhörer sich zu keinem Zeitpunkt der Integrität der von ihm erwarteten Musik Bizets sicher sein konnte. Entsprechend dünn war auch der Streicherklang, wofür der ansonsten umsichtig agierende Stephan Zilias am Pult des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover wohl eher nichts konnte.


Foto: Sandra Then.

Der Streicherklang war in dieser Produktion aber eigentlich auch gar nicht so wichtig. Denn was Barbora Horáková auf der Bühne von Thilo Ullrich, mit den Kostümen von Eva-Maria von Acker, dem Licht von Sascha Zauner und der Choreographie von James Rosental abzog, wich deutlich von dem ab, was – immer noch – unter der Kunstgattung Oper verstanden wird. Mit der eigentlich gar nicht so abwegigen Idee, das Stück in der Springsteenschen „darkness at the edge of town“, also in einer Art Bronx oder Soho spielen zu lassen, in einem alten verlassenen Stadion, wo man noch das verblichene Basketballfeld erkennen kann. Hier geht es mit den sich dort herumtreibenden jungen Leuten, gesellschaftlichen Underdogs, hoch her. Sergio Verde sorgt auf einer hochgestellten Leinwand ähnlich wie Frank Castorf  das Geschehen mitzufilmen und zusätzliche Szenen einzublenden. Die ominösen Kameraleute, eine sich mittlerweile immer mehr abnutzende postmoderne Stereotype des Regietheaters, huschen also auch wieder mal störend durch das Geschehen. Ganz amüsant war aber der Einfall, dass Carmen einmal vor dem eingeblendeten Werbe-Stier des spanischen 30-prozentigen Brandys Osborne singen darf, wenigstens noch ein wenn auch kommerzieller Anflug von einem allerdings auch schon etwas klischeehaften Spanien-Kolorit.
Statt des Chores läuft aus Hygienegründen eine Balletttruppe mit Mundschutz auf, die neben akrobatischen Einzelleistungen gleichwohl sehr laut wird und am Ende des Torero-Liedes sogar aus voller Kehle mitbrüllen darf und dabei einen nahezu unerträglich kakophonen Geräuschpegel erzielt! Hinzu kommt allerhand Müll, der herumsteht oder durch die Gegend fliegt, Bierkästen, Autoreifen, Ölfässer, ein shopping cart, ungeachtet musikalischer Gegebenheiten hupende Motorroller – alles so schon oft gesehen, aber dadurch nicht besser. „Carmen“ in the gutter…

Zusätzlich dürfen Don José, und wie man erst im Laufe der Arbeit an der Produktion feststellte, vorwiegend aus Gleichberechtigungsgründen auch Carmen ein Lied aus ihrer Heimat singen – er eines aus dem Baskenland, sie eines im zigeunerischen Caló. Der des Programmheftes unkundige Zuseher muss wohl raten, was das soll, zumal es die Musik von Bizet unterbricht, um nicht „durchbricht“ zu sagen. Zu allem unkompositorischen Überfluss lassen zudem zwei Sprecher immer wieder Carmens und Don Josés Gedanken über Lautsprecher erklingen. Könnte es nicht sein, dass man über diese auch etwas, wenn nicht sogar viel, über die Komposition Bizets erfahren kann – oder will man sich nicht die Mühe machen, diese in nachvollziehbare Handlung umzusetzen?! Das wäre eigentlich die Aufgabe eines das Werk und seine Rezeption bestens kennenden Regisseurs.

Stattdessen wird die arme Micaela zum Zeichen ihrer Unerwünschtheit gleich mit dem Dreck beschmissen und mit einem Messer bedroht. Natürlich soll das zeigen, dass eine Rückkehr Don Josés in seine Vergangenheit, zu der er ja immer wieder tendiert, zugunsten einer klaren Entscheidung für Carmen und die Zigeuner verhindert werden soll – ein Ausdruck der Freiheit, um die es hier geht. Da darf er unterdessen auch Zuniga erschießen, als Eifersuchtstat und Zeichen seiner nun ins Kriminelle abdriftenden Freiheit, ähnlich wie er später Carmen umbringt. Freilich raucht Zuniga im Sterben schnell noch eine E-Zigarette – so leicht löst man sich in diesem Milieu von seinen Lastern nicht!

In Carmens Tod ortet das Regieteam allerdings einen „Femizid“, weil sie entgegen dem Besitzanspruch des Mannes – in seiner „toxischen Maskulinität“ – auf ihrer Freiheit besteht, als femininer „outlaw“. Sie ist nicht zuletzt aufgrund ihrer Herkunft, die ihr jeglichen sozialen Aufstieg versagt, für den Dramaturgen Mutschler ein Beispiel für „das mehr als latente Ausgeliefertsein der Frau.“ Da haben wir sie also wieder, die klassische Opferrolle der Frau. Dabei ist eigentlich in den bei weitem am meisten zu sehenden „Carmen“-Inszenierungen und wohl auch bei Bizet selbst der Mann das Opfer. Denn Carmen hat durch ihren unbeugsamen Freiheitsdrang eine enorme Souveränität – auch über sich selbst, während Don José sich selbst zum Opfer macht, weil er sich zwischen einem durch Erziehung naheliegenden konventionellen Lebenskonzept – symbolisiert durch Micaela – und Carmen nicht entscheiden kann. Daran scheitert er am Ende und bringt ihr den Tod, weil er sich diese Schwäche und sein Versagen nicht eingestehen kann. Erst da ist auch sie dann wirklich Opfer.

Die blutjunge Russin Evgenia Asanova gab die Carmen als aufreizender Teeny mit einem schon recht guten Mezzo und schönen Klangfarben. Der Mexikaner Rodrigo Porras Garulo spielte einen engagierten und emphatischen Don José und ließ mit seinem kraftvollen Tenor erkennen, dass er einmal Bariton war. Germán Olvera, ebenfalls aus Mexiko, sang den Escamillo mit ansprechendem, nicht zu großem Bariton. Der stimmliche Star des Abends war aber unzweifelhaft Barno Ismatullaeva aus Usbekistan, die der Micaela mit ihrem leuchtenden Sopran nahezu himmlische, facettenreiche und lyrische Töne verlieh und dabei auch noch große Empathie vermittelte. Frasquita war bei Mercedes Arcuri und Mercedes bei Nina von Essen gut aufgehoben. Yannick Spanier sang den Zuniga mit einem klangvollen Bass.

Wenn das, was man an diesem Abend in Hannover erlebte, noch Oper sein soll und der Trend, hemmungslos in Partituren einzubrechen und sie nach Belieben umzuschreiben und hinzu zu komponieren, weiter gehen sollte, dann steht es schlecht um diese weltweit so beliebte Kunstgattung. Und das ist, was die Oper am wenigsten im Moment der Corona-bedingt geschlossenen Opernhäuser braucht. Man sah und hörte in Hannover stattdessen ein Potpourri aus dramatischem Theater, Oper und Musical, eine Mischform, die nicht überzeugen konnte, es vielleicht auch gar nicht wollte. Im Focus stand wohl, etwas „ganz Neues“ zu machen, weil nur das Neue noch interessant ist und Aufmerksamkeit sowie Aufregung erzeugt. Dass das „Alte“ schon fast an der Perfektion liegt – nicht umsonst gehört die „Carmen“ wohl zu den beliebtesten fünf Opern überhaupt – spielt dabei keine Rolle. Daran im vorgegebenen kompositorischen Rahmen auch szenisch phantasievoll zu arbeiten, wäre wohl auch zu „konservativ“ und vermessen… In jedem Falle ist der Intendanz zu raten, bei solchen „Verinszenierungen“ zumindest dem Abo-Publikum einen Vorabdruck des Programmheftes mit den Aufsätzen des leading teams per E-Mail zu übermitteln, sodass es sich etwas auf das Kommende einstellen kann.

Im Übrigen müsste sich, wenn dieser Trend einreißt, der öffentliche Subventionsgeber, in diesem Falle das Bundesland Niedersachsen, Gedanken machen – und es ist zu hoffen, dass an der relevanten Stelle die erforderliche Fachkompetenz vorhanden ist – ob die Höhe der jährlichen Subventionen noch den angegebenen Kunstgattungen entspricht. Der Etat für die Oper müsste dann wohl überdacht werden


Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand

Angesichts des Erlebten machte ich nach der Vorstellung auf der Treppe der Oper eine kleine Publikumsbefragung. Interessanterweise sagten zwei voneinander völlig unabhängige ältere Damen auf die Frage, ob, beziehungsweise wie es ihnen gefallen habe: „Gewöhnungsbedürftig, sehr gewöhnungsbedürftig!“ Auf die zweite Frage, ob sie nochmals in eine Vorstellung dieser „Carmen“ gehen würden, kam ein resolutes „Nein, einmal reicht!“ Die zweite meinte sogar auf meine Frage speziell nach dem musikalischen Eindruck im Weggehen: „Ach, die Leute sind doch heute schon froh, wenn sie überhaupt noch eine bekannte Melodie hören…“ Ist das Opernpublikum in seinen Ansprüchen wirklich schon so weit gesunken?
Klaus Billand

 

Zitatende



Errata

In Heft Nr. 31 hatten wir behauptet, Eva Marton sei am 18. Juni 1920 geboren.
Das richtige Geburtsdatum ist der 18. Juni 1943.
Wir bitten um Entschuldigung.

 

 

In Nr. 33 waren unter Vincezo Bellini nicht alle Opern aufgeführt.
Hier sind alle nun – nach Heinz Wagner ‘Der große Opernführer‘ - zusammengefasst:

Adelson und Salvini, Bianca und Fernando, Der Pirat, Zaira, Die Fremde, Capulet und Montague, Die Nachtwandlerin, Norma, Beatrice von Tenda, Die Puritaner

Wir danken für die Hinweise, die wir aus der Leserschaft erhielten.

 

 

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Richard-Wagner-Vereine,
Feuilletons von Tageszeitungen

RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover
RA Markus von Hohenhau, Fachanwalt für IT-Recht, Regensburg
RA Prof. Dr. Ernst Fricke, Fachanwalt für Bühnenrecht, München/Landshut

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Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir meist auf Differenzierung und geschlechtsneutrale Formulierung. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
 

 

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Dieter Hansing