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Nr. 34
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Offener Brief an die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz
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14.11.2020
Sehr
geehrte Frau Ministerpräsidentin,
bei
Ausbruch der Covic19 Pandemie in Deutschland während des
vergangenen Frühjahrs wurden der Bevölkerung strenge
Einschränkungen auferlegt, die von ihr mehrheitlich
akzeptiert wurden, da man sie von deren Notwendigkeit
überzeugen konnte. Inzwischen hat man gelernt, dass es
wesentlich darauf ankommt zu untersuchen, wo Infektionsherde
entstehen, die bekämpft werden müssen, und wo keine
Ansteckungsgefahr besteht, so dass man dort unter Einhaltung
bestimmter Vorsichtsmaßnahmen auf einschneidende
Verordnungen verzichten kann. Letzteres sollte eigentlich
unter anderem für Theater, Konzertsäle, Museen und andere
kulturellen Einrichtungen gelten, in denen auf vorbildliche
Weise Vorkehrungen zur Einhaltung aller erforderlichen
Hygienemaßnahmen getroffen wurden, mit dem Erfolg, dass an
diesen Stätten nachweislich keine Infektionen mit dem
Covic19 - Virus aufgetreten sind. In Kenntnis dieser
unbestrittenen Tatsache wichen maßgebliche Politiker zur
Begründung von Theaterschließungen – unter ihnen auch die
Frau Bundeskanzlerin in einer Fragestunde – auf die
Behauptung aus, dass durch das zu der Aufführung Kommen und
das wieder nach Hause Zurückkehren eine gefährliche Häufung
von Kontakten entstünde. Diese Behauptung ist in keiner
Weise verifiziert, geht an der Realität vorbei und wirkt
geradezu absurd, wenn man sich vor Augen führt, dass
Schülerinnen und Schüler – zusammengepfercht – in
überfüllten Bussen transportiert werden, oder dass Reisende
in voll ausgelasteten IC-Zügen, in denen keine Sitzplätze
gesperrt sind, ohne Sicherheitsabstand nebeneinander oder
sich gegenüber sitzen, um nur zwei Beispiele anzuführen.
Wenn trotz
alledem Maßnahmen, wie Verbote von Theater- und
Konzertaufführungen, ergehen, riskieren die Regierungen von
Bund und Ländern damit, dass in der Öffentlichkeit die
Überzeugung von der Sinnhaftigkeit so mancher Maßnahmen zur
Eindämmung der Corona-Pandemie schwindet, und mit ihr auch
das Vertrauen, das ihnen bisher entgegengebracht wurde.
Helfen Sie
daher bitte, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, bevor es
zu spät ist, einen verhängnisvollen, zweifachen Schaden
abzuwenden: Den, der die Politik durch eine nachlassende
Akzeptanz von Seiten eines großen Teiles der Bevölkerung
erleidet, und den, der der Kultur, vornehmlich dem Theater-
und Konzertwesen, unnötiger- und ungerechtfertigterweise
zugefügt wird.
Mit
freundlichen Grüßen
Dr. Peter
Brenner
Ehemaliger
Intendant des Staatstheaters Darmstadt (von 1984 bis 1991)
und
Intendant
des Staatstheaters Mainz (von 1991 bis 1999)
Zitatende |
Kommentar
Bei allen Versuchen, dem
heutigen Theater durch Widersprechen, durch Eingaben, schnell noch -
so im letzten Moment - einen Status zu verleihen, der unterstreicht,
dass die Einrichtungen für das Funktionieren des Systems
erforderlich sind, muss bedacht werden, dass die Politik das Theater
– ob nun Schauspiel und Oper, Operette, Musical - nicht interessiert
und jetzt schon gar nicht, da die Gelder knapp werden.
Das Thema ist zu klebrig, es könnte ja den eigenen Aufstieg –
vielleicht in den Bundestag - behindern.
Also Finger weg davon!
Im Falle der ‘Freischütz‘-Kritik an der Oper Hannover meinte der
Fraktionsvorsitzende der CDU Hannover zu der von uns initiierten
Diskussion: „Nun ist aber genug mit Oper!“
Das Theater gehört nicht zu den systemrelevanten Einrichtungen eines
Staates -
so die Klarstellung selbst des Geschäftsführers des Deutschen
Bühnenvereins in einer Sendung des DLF am 11.11.2020 ab 10.08 Uhr.
Für diese Einordnung trägt es selbst die Schuld.
Die Theater sind zu Amüsierbuden degeneriert.
Dem Anspruch, zur Bildung beizutragen, werden sie nicht gerecht.
Eine Anfrage unseres Büros an den Bühnenverein, ob das Theater einen
Bildungsauftrag habe, wurde nicht beantwortet. Man wollte sich wohl
den Rücken freihalten und sich nicht festlegen, denn im Falle
‘Bildungsauftrag‘ hätte man ja beim Inszenieren Rücksicht auf das
Stück und das Publikum nehmen müssen..
Mit der jetzigen und wohl noch länger anhaltenden Krise wird das
Publikum dem Theater völlig entwöhnt.
Vertrieben wurde und wird es durch verfälschende Inszenierungen.
Siehe die Bemerkungen zur ‘Carmen‘ ab Seite 88 in dieser Ausgabe.
Nun werden die Stücke auf Querschnitte reduziert.
Beispiel 1:
Da lief ein ‘Giovanni‘ ohne Rezitative in einer Stunde und fünfzig
Minuten..
Wiederaufnahme ‘Tristan‘: das Stück fing nach dem
Vorspiel erst bei Isoldes „Mir Erkoren, Mir Verloren“ an - die ganze
Szene Isolde-Brangäne am Beginn gestrichen -, riesige Auslassungen
in den folgenden Aufzügen.
‘Don Karlos‘ - 1. Teil: ca. eine Stunde vierzig Minuten, 2. Teil:
ca. fünfundfünfzig Minuten
Beispiel 2: ‘Die Zauberflöte‘ - ohne Knabenszenen, Chor vom Band.
Kommentar aus der Finanzszene:
Es geht doch auch so! Warum fünf Stunden ‘Tristan‘, wenn auch drei
Stunden reichen.
Das führt in jedem Fall zur Forderung nach Kürzung der Subventionen!
Nun stehen die
Theater ohne Systemrelevanz mit dem Rücken an der Wand. Sie finden
sich in der Rubrik ‘Freizeitgestaltung‘ mit u.a. Wattebaustoßen oder
Bordellbesuch eingestuft.
Daraufhin: Großes Lamento, die Theater hätten doch einen
Bildungsauftrag.
Dieser wurde aber bisher nicht erwähnt bzw. in Abrede gestellt,
hinderte der doch daran, Stücke durch ‘modische‘ Inszenierungen zu
verfälschen.
Jetzt will man so schnell als möglich einem doch vorhandenen
Bildungsauftrag entsprechen.
HAZ – 26.11.2020
– Seite 23
Wenn Werte durch entstellende Inszenierungen verloren gehen, weil
nicht der Wille des Autors umgesetzt, sondern sein Werk verfälscht
wird wie z.B. bei Kleist’schen ‘Zerbrochnen Krug‘ am
Staatsschauspiel in Hannover oder der ‘Tosca‘ an der Staatsoper in
Hannover, dann ist das Theater tatsächlich keine systemrelevante
Einrichtung, da ihm selber das fehlt, was es weitervermitteln soll.
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BLICK IN DIE
GLASKUGEL
Kultur nach
Corona
Momentan
ist das Infektionsgeschehen zwar eher wieder bedrohlich -
aber irgendwann wird Corona hinter uns liegen. Bleibt die
Frage, ob die Pandemie Schwachstellen unserer Gesellschaft
offen-gelegt hat? Und wie es „danach" weitergeht? Wird es
eine Neujustierung von Kulturpolitik geben? Ein Blick in die
Glaskugel. Die Kanzlerin hat Recht: Wir alle wünschen uns in
eine Normalität von Vor-Corona-Zeiten zurück. Aber gerade in
Kulturfragen könnte Skepsis angebracht sein. Wird ihr
Stellenwert danach derselbe sein wie zuvor? Oder sich in
anderer Form präsentieren und gar noch steigen? Die
Verklärung der „Krise als Chance" ist dabei zum banalen
Grundrauschen verkommen. Jenseits dessen sind verschiedene
Szenarien für eine Zeit „nach Corona" denkbar - wann auch
immer das sein wird:
Ohne die
Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern gibt es keine Kunst.
Die Gemeinden und Bundesländer als Träger der allermeisten
Theater und Opernhäuser haben auch nach einem Ende der
Pandemie mit sinkenden Steuereinnahmen zu kämpfen - nur der
Bund selbst scheint davon nicht ganz so stark betroffen. Auf
die Kommunen werden in der Folge sehr komplexe
Zuwendungsverhandlungen zukommen, vielen öffentliche Theater
in kleineren Städten, die Kinder- und Jugendtheater, aber
auch Mehrspartenhäuser in manchen Bundesländern droht der
Kahlschlag. Dieses Szenario bleibt auch nicht ohne Folgen
für freie Künstlerinnen und Künstler. Manche von ihnen haben
sich offenbar schon während der Pandemie anderweitig
beruflich orientiert. Die sachsen-anhaltische Staatskanzlei
jedenfalls äußerte im September eine entsprechende
Vermutung, nachdem ein Stipendienprogramm für Künstlerinnen
und Künstler nur zu etwa einem Viertel ausgeschöpft worden
war.
Am meisten
gefährdet sind die Privattheater, die keine oder kaum
öffentliche Zuwendungen erhalten, weil sie ganz überwiegend
von eigenen Einnahmen leben, die jetzt ausbleiben. Aber auch
die Aussichten für die Häuser in öffentlicher Trägerschaft
sind bedrohlich, wenn sich bewahrheitet, was sich schon
während der Pandemie andeutete: Beim Personal wird massiv
abgebaut, was zunächst vor allem den Einsatz von Gästen
betrifft. Da oder dort wird in diesem Szenario über
Spartenschließungen und Zusammenlegung von Theatern
diskutiert.
Verschärft wird die Situation noch durch einen nachwirkenden
Effekt der Coronakrise: Der Anteil der Bevölkerung, der
Kulturangebote besucht, wird zunächst - aus Sorge um die
Gesundheit – kleiner sein als bislang. Das Publikum
rekrutiert sich zudem noch stärker aus denjenigen, die
bereits ein hohes Interesse an den Angeboten mitbringen und
über die ökonomischen Ressourcen für einen Besuch verfügen.
Kulturschaffende – insbesondere Solo-Selbstständige - sind
einerseits Leidtragende und könnten doch andererseits
zugleich die Gesellschaft weiter entwickeln: Wie können wir
unser Leben sozial und ökologisch verträglich führen? Wie
lassen sich Menschen zu Verhaltensänderungen motivieren? Wie
können wir die Beantwortung solcher Fragen in einer
zerstrittenen Gesellschaft ermöglichen? Braucht es dazu
nicht kulturelle Werkzeuge? Kurzum: Kultur ist Diskurs- und
Demokratievoraussetzung und als solche unverzichtbar.
Als Theater
und Opernhäuser im Frühjahr geschlossen werden mussten,
hatten sich in den Folgemonaten manche Institutionen und
auch Einzelpersonen mit Streamingangeboten beholfen. Die
Angebote auf Youtube, Instagram, Facebook oder sonstigen
Portalen dienten der Selbstvergewisserung, natürlich dem
Marketing, als auch der ständigen Erinnerung: Ja, es gibt
sie noch, die Theater, Konzerthäuser, Museen - selbst, wenn
sie gerade geschlossen sind. Was im Netz sichtbar wurde, war
letztlich ein Verweis auf die irgendwann wieder erfahrbare
Realität. „Nach" Corona bleibt zu klären, welches Verhältnis
digital und analog, Aura und Abbild zueinander haben werden.
Die Corona-Erfahrungen könnten dazu beigetragen haben, den
Wert der realen Theatererfahrung wieder neu zu erkennen und
zugleich die Chancen der Digitalität zu nutzen. Schon vor
der Krise gab es im Kulturbereich Überlegungen und Ansätze
zur Nutzung neuer technischer Möglichkeiten, unter anderem
am Theater Dortmund (siehe Bühnengenossenschaft 3/16 & 3/18)
oder am Staatstheater Augsburg, wo mit
Virtual-Reality-Inszenierungen experimentiert wurde.
Digitale Formate, so lautet weiterhin die Hoffnung, erhöht
die Reichweite kultureller Angebote und macht diese für mehr
Menschen zugänglich. Im Kern bleibt aber wahr: Digitale
Projekte können analoge Formate begleiten, aber nicht
ersetzen. Ebenso eindeutig darf es die künstlerische
Leistung nicht umsonst geben, auch nicht im digitalen Raum.
So wie eine Eintrittskarte fürs Theater oder eine Oper
gekauft wird, muss das auch für digitale Formate möglich
sein. Den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern muss
Wertschätzung entgegengebracht werden - und auch an
vermeintlich altmodische Dinge wie das Urheberrecht ist zu
denken. Idealerweise sollten bei all diesen neuen Konzepten
die technischen Grundlagen nicht in der Hand großer Konzerne
liegen, die sich nicht um europäisches Steuerrecht kümmern.
Offene Software und Open-Source-Lösungen stehen für
demokratische Standards.
Corona hat
die digitale Umgestaltung zwar nicht hervorgebracht, ihr
jedoch unfreiwillig ganz neue Dynamik verliehen. Die völlig
neuartigen Arbeitsbedingungen in der Krise mit ihrer
Dominanz des Digitalen wird von manchen auch für die Zeit
nach der Pandemie als große Chance gesehen: Anstatt zwischen
analogen und digitalen Inhalten zu unterscheiden, könnten
beide Bereiche zusammen gedacht werden und sich gegenseitig
verzahnen.
Verzahnung
traditioneller Kultur mit einer Vielfalt von digitalen
Formaten führt langfristig zu einer Demokratisierung von
Kultur. Dazu später mehr.
Die
Pandemie hat gezeigt, wie instabil das System Kultur ist.
Auf der einen Seite klang Kulturstaatsministerin Monika
Grütters (CDU) schon im Juli irgendwie nach Pfeifen im
Walde, als sie als Folge der Krise „eine neue Wertschätzung
für Kultur" erhoffte: „Wir alle spüren, wie
viel-Lebensqualität uns ohne Kultur verloren geht, wie sehr
wir Kunst, Musik und Poesie nötig haben, auch, um Antworten
auf die verstörenden Fragen des Daseins zu erhalten."
Andererseits diagnostizierte sie im gleichen Interview: „Je
länger die Rückkehr zur Normalität dauert, desto
dramatischer wird die Lage für die Künstlerinnen und
Künstler" - wovon Betroffene ein Lied singen können.
Grütters: „Corona hat gezeigt, wie krisenanfällig ihr
Lebensmodell ist", weshalb neu gedacht werden müsse:
„Künstlerinnen und Künstler müssen von ihrer Arbeit leben
können!" Darauf hätte man auch ohne eine Pandemie kommen
können.
Die
Ministerin reklamiert Systemrelevanz, weil wir „Theater und
Konzerthäuser nicht nur als Kulturorte, sondern auch als
soziale Orte brauchen, an denen wir mit anderen Menschen
zusammenkommen und uns austauschen", weshalb Kultur
fundamental für unsere Demokratie sei. Kaum jemand wird ihr
widersprechen - es stellt sich aber gerade nach Ende der
Krise die Frage nach den praktischen Folgen. Werden
Künstlerinnen und Künstler jetzt angemessen bezahlt? Was
sind im Bereich der Kultur staatliche Pflichtaufgaben -
startet hierzu jetzt eine gesellschaftliche und politische
Debatte? Hat Corona womöglich gar die von mancher Seite
geforderte neue radikale Experimentierfreudigkeit hin zu
mehr Publikumsorientierung befördert? Braucht Kultur
vielleicht sogar so etwas wie einen Perspektivenwechsel, der
stärker den von Kulturangeboten bisher nicht erreichten Teil
der Öffentlichkeit in den Blick nimmt, ohne ausschließlich
unter Kommerzaspekten zu agieren?
Mit dem
vermeintlichen Gegensatz von Kunst und Kultur einerseits und
Sozialem oder Sport andererseits könnte es dann vorbei sein.
Kommunale Kämmerer und Finanzpolitiker würden erkennen, dass
sich entsprechende Haushaltsposten nicht gegeneinander
ausspielen lassen. Christoph Dittrich, Präsident der
Kulturstiftung Sachsen, hätte Recht behalten, weil er schon
vor Monaten diese Konkurrenz bestritt: „Wenn uns die
Corona-Krise irgendwas gelehrt hat, ist es dieses
unglaublich symbiotische Verhältnis der kompletten
Kulturbranche."
Corona
könnte so zum Anlass für eine demokratischere Kulturpolitik
geworden sein. Nach Einschätzung des Berliner Instituts for
Cultural Governance dominierte dieses Feld bisher eher die
Kulturverwaltung, nicht die Politik. Das Berliner Denklabor
plädiert für kooperative Strukturen, in denen
kulturpolitische Themen mit Kunst- und Kulturschaffenden und
Zivilgesellschaft verhandelt, problematisiert und in Politik
umgesetzt werden kann. Vorstellbar wären Kulturbeiräte,
Runde Tische oder ähnliche Austauschformate zwischen den
Akteuren.
Aber Obacht: Bei all dem darf Kunstfreiheit nicht beschädigt
werden; auch nach der Krise muss sie unantastbar bleiben.
Einflussversuche von Seiten politischer Institutionen
bleiben toxisch.
Unabhängig
davon wäre möglich, dass auch Politik und Verwaltung die
Krise genutzt haben - als Impulsgeber für überfällige
Veränderungen. Warum nicht manche starren
Zuwendungsrichtlinien flexibilisieren, um bedarfsorientiert
Förderkulissen zu sichern? Dass das möglich ist, hat das
Berliner Kulturstaatsministerium während der Pandemie
bereits gezeigt. Warum nicht die strengen Regelungen des
Haushaltsrechts etwa gegen Rücklagenbildungen von Vereinen
und Institutionen wenigstens an die Möglichkeiten anpassen,
die die Abgabenordnung einräumt?
ZURÜCK IN DER REALITÄT
In der
bitteren Alltäglichkeit mit ihrem Infektionsgeschehen steht
uns ein wahrscheinlich unerfreulicher Winter bevor. Niemand
weiß, wie sich die laufende Spielzeit weiter entwickelt. Die
Behörde der Kulturstaatsministerin (BKM) hat unter der
Überschrift „Neustart Kultur« ein Programm von 1 Milliarde
Euro aufgelegt, von denen ein Teil bereits zielgenau
abgeflossen ist. Die Unterstützung richtet sich insbesondere
an jene Institutionen, Unternehmen und Organisationen, die
nicht vornehmlich öffentlich gefördert sind. Trotzdem müssen
viele um ihre wirtschaftliche Existenz bangen.
Selbst der Bund der Steuerzahler, sonst nicht unbedingt als
theaterfreundlich aufgefallen, warnt in einem Schreiben
seines bayerischen Landesvorsitzenden Rolf von Hohenhau an
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor einem „Kollaps" und
verweist auf immer bessere Hygienekonzepte: »Es nützt
nichts, den Künstlern, Geld anzubieten, dafür, dass sie
nicht auftreten. Der künstlerische Bereich definiert sich
über die Möglichkeit, seine Begabung vor Publikum unter
Beweis zu stellen.« Alles andere als ein gangbarer Weg
scheint gerade am Oldenburgischen Staatstheater probiert zu
werden: Weil, so die Pressestelle, ein Verzicht auf
körperliche Nähe auf Bühne künstlerisch nur schwer
vorstellbar sei, habe sich das gesamte künstlerische Team
der Opernproduktion „Don Pasquale" im September in eine
freiwillige Probenquarantäne begeben. Das Pilotprojekt finde
in enger Abstimmung mit dem örtlichen Gesundheitsministerium
und dem niedersächsischen Kultusministerium statt. Fragen
bleiben trotzdem: Wie freiwillig ist „freiwillig"? Kann ein
Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine „freiwillige"
Quarantäne nahelegen - für niedrige Gagen? Was passiert,
wenn das Experiment schiefgeht? Wohl eher kein Modell für
andere. Aber über eine Zeit nach der Pandemie muss das
Nachdenken erlaubt sein.
Jörg
Rowohlt
Zitatende |
Quelle:
FACHBLATT DER GENOSSENSCHAFT DEUTSCHER
BÜHNEN-ANGEHÖRIGER 11/20 – Seite 6 - 9
Hochleistungssport
Spiel und Kampfsport und Oper
haben vieles gemeinsam.
Erfolgreiche Sportler und Sänger verfügen über einen gesunden
strapazierfähigen Körper, der darauf brennt, gefordert zu werden,
Der Körperbau ist unterschiedlich und befähigt z.B. zum Laufen als
Leichtathlet oder als Schwerathlet zum Kugelstoßen, zum
Hammerwerfen, zum Ringen usw.
Bei den Sängern kann man meist schon am Körperbau erkennen, für
welche Partien sie grundsätzlich geeignet sind.
Die zierliche Soubrette, die weich weibliche Lyrische und jugendlich
Dramatische, die kompakte starke Heldin, der flinke kleine Buffo,
der elegante lyrische Bariton, der große stark knochige Held - alle
diese Typen sind Vertreter unterschiedlicher Stimmfächer
vergleichbar mit Sportdisziplinen.
Aus großer Erfahrung und Verantwortung wird der Sportlehrer
leistungsstarke Kinder und Jugendliche für die geeignete Sportart
den Vereinen zum Breitensport empfehlen, sangesfreudige Schüler
werden Mitglied im Chor und lernen dort vom Blatt zu singen, sich in
den Klang einzuordnen, die eigene Stimme kennenzulernen, Harmonien
vorauszuhören, Disziplin und vieles mehr.
Je mehr sich ein Sportler, ein Sänger individualisiert wird er ein
Spezialtraining oder Gesangsstunden erhalten.
Sporthochschule und Musikhochschule sind der nächste Schritt.
Gesunder Körper, Fleiß, Siegeswille sind sowohl für Sportler als
auch für Sänger Voraussetzung für eine dauerhafte Karriere.
Viel Verantwortung liegt bei den Lehrern in der Schule, die von
pädagogischen Ethos erfüllt, Talente erkennen und fördern sollen.
Für mich war im Gymnasium das Geräteturnen nichts als grausame
Folter, während ich während des Studiums an der Folkwanghochschule
nicht genug bekam vom Training in er Tanzabteilung. Und die äußerst
nützlichen Pilates-Übungen, die ich dort erlernte, praktiziere ich
täglich.
Natürlich sind exzellente Spitzensportler manchmal von der Aura des
Außergewöhnlichen umgeben - aber für Sänger ist sie unerlässlich.
Der Siegeswille muss mit dem Ausdruckswillen koordiniert sein, sonst
ist die noch so nette Singerei nur für den Hausgebrauch geeignet.
Die Einordnung in die richtige Sportart, das richtige ‘Fach‘ ist
eine schwierige Entscheidung die aber von erfahrenen Lehrern und von
verantwortungsvollen Theaterleitern richtig gehandhabt werden muss.
Auch überragt der künstlerische Ausdruckswille die rein sportliche
Tätigkeit um eine unfassbare Dimension.
Die Komponisten - als Kenner der menschlichen Natur - haben die
Figuren ihrer Werke - abgesehen von modischen Strömungen der Zeit -
mit Bedacht für hohe, mittlere oder tiefe, für leichte oder schwere
Stimmen komponiert.
Wir nehmen das als gegeben hin, aber Mozart, Wagner, Puccini,
Strauss saßen auch einmal vor einem leeren Blatt Papier.
Die akustische und optische Imagination - wie zum Beispiel eine
Figaro Gräfin oder eine 'Rosenkavalier'-Marschallin zu klingen und
auszusehen haben, kann man vom Komponisten vom Intendanten und vom
Regisseur erwarten, aber um sich zu profilieren und ins Gerede zu
bringen, von der Presse beachtet zu werden, um Erfolg zu haben, um
viel Geld zu verdienen, kennt der Egoismus der Regisseure und vieler
Theaterleiter keine Grenzen der Fürsorgepflicht und Menschlichkeit.
Da aber die meisten Intendanten heute aus der Gilde der Dramaturgen
stammen, also reine Schreibtischtäter sind, von denen der
unvergessene Praktiker Prof. Günter Roth behauptete, sie könnten
nicht einmal von rechts nach links über die Bühne gehen, fehlt ihnen
der Zugang zur harten schweißtreibenden Arbeit der Sänger, für die
ihnen meist ein nasegerümpftes „IGITT“ ins Gesicht geschrieben
steht.
Bei Einführungsveranstaltungen für
das Publikum wird dieses mit einem kataklysmischen Wortschwall
eingeschüchtert, sodass niemand noch so drängende Fragen nach dem
bevorstehenden Regie Unsinn zu stellen wagt.
Aber wohl dem Theater, dessen
Dramaturgen das tun, was sie sollen, nämlich Stücke einzuplanen, die
den Möglichkeiten des Hauses angemessen sind, ein großes Publikum
ins Haus holen und lesenswerte Programmhefte gestalten.
Zu derzeitigen publikumsvertreibenden Regie-Hybris passt aus der
Welt des Sports ein Wort des FC Bayern-Helden Thomas Müller:
„Das ist nicht das Niveau, das wir
spielen wollen!“
HAZ 9. März 2020 Seite 17.
Wenn eine Theaterleitung seine Sänger nach amerikanischem Vorbild
als Material für ‘hire and fire‘ behandelt, ist es inhuman und aufs
Schärfste abzulehnen.
Wenn die Schreibtischtäter wüssten, welche sportliche
Willensleistung hinter den schweren Phrasen steckt, die sich
aufbauen und dann im Spitzenton ihren Höhepunkt finden!
Der Vergleich mit Anlauf und Hochsprung liegt nahe.
Über das rein Sportliche hinaus, hat aber der Spitzenton die Aussage
von äußerster emotionaler Spannung und Erregung der Figur zum
Inhalt. Diese Spannung teilt sich dem Publikum mit und kann es
geradezu in Raserei versetzen, wie etwas das ‘vincero‘ in der
‘Nessun dorma Arie‘ aus Turandot.
Aber glücklicherweise besteht die Oper nicht nur aus
Hochtonakrobatik oder Hochgeschwindigkeitskoloraturen so
bewundernswert sie als sportliches Ereignis auch sein mögen.
Die Ausdruckskraft eines beseelten Tons, der zu Herzen geht, ist für
die, die Ohren haben zu hören, genau so wertvoll wie alles Getöse
der sportlichen Spitzentöne.
Warum schämen wir uns dafür, dass außer dem Business und dem
Finanzreichtum der innere Reichtum an Schönheit, Zärtlichkeit,
Innigkeit Werte sind, die das Leben lebenswert machen. Die Masse
allerdings, die bei Pop und Rock selbstzufrieden mitgröhlt und im
Zweiertakt mitstampft, müssen wir zur Kenntnis nehmen als eine
Mehrheit, die bei der entsprechenden Fanatisierung auch schnell
wieder in den Marschtritt verfällt.
Um den Theaterleitern in ihrer Unkenntnis über die stimmlichen und
körperlichen Gegebenheiten der Sänger zu Hilfe zu kommen, schrieb
Dr. Rudolf Kloiber, Musikwissenschaftler und Dirigent, laut
Bühnenjahrbuch 1940, 1. Kapellmeister am Theater der Ostmark
Regensburg, wohnhaft Sternbergstraße 23, Telefon 5316 - 1973 das
‘Handbuch der Oper‘.
Er wusste also wie viel Unheil durch falsche Besetzung angerichtet
werden kann.
Als ich seine Witwe kennenlernte, erfuhr ich, welche endlosen
Schwierigkeiten Dr. Kloiber hatte, für sein so wichtiges Handbuch
einen Verlag zu finden.
Er schreibt im Vorwort
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Zitat
Die Ausführungen
dieses Buches erstrecken sich auf alle Gattungen von
Bühnenstücken, bei denen eine Handlung ganz oder überwiegend
durch musikalische Mittel in Verbindung mit dem gesungenen
Wort gestaltet ist also auf Oper, Musikdramen, Singspiele,
musikalische Lustspiele, szenische Oratorien, dramatische
Kantaten, Intermezzi - nicht aber auf Operetten, Musicals,
Ballette, Schauspiel und Inzidenzmusik.
Der erste Abschnitt befasst sich mit detaillierten
Beschreibungen derjenigen Werke, welche an den Opernbühnen
laufend im Repertoire stehen und von Zeit zu Zeit immer
wieder einmal zur Aufführung gelangen und die auch teilweise
in Rundfunk- und Schallplatten Aufzeichnungen zu hören sind.
Aus dem Gegenwartsschaffen sind vor allem die Schöpfungen
berücksichtigt, die auf dem Gebiet des musikalischen
Theaters neue Entwicklungstendenzen aufzeigen und daher ein
aktuelles Interesse beanspruchen.
Bei den Ausführungen über die einzelnen Werke sind die
Aufgabenkreise sämtliche an einer Opernaufführung
beteiligten künstlerischen Kräfte berücksichtigt.
Anschließend folgen Betrachtungen über pragmatische
Besetzungsfragen.
Ein Fachpartien-Verzeichnis für alle Stimmgattungen die zur
Orientierung über Einsatzmöglichkeiten der Sänger in Werken
von Monteverdi bis Richard Strauss.
Weiterhin bietet ein operngeschichtlicher Abriss die
Möglichkeiten, sich kurz über die historisch stilistische
Entwicklung des musikalischen Dramas und der Oper zu
informieren.
In dem abschließenden Kapitel werden in alphabetischer
Reihenfolge Opernkomponisten aus dem gesamten europäischen
Kulturraum aufgezählt, deren Werke teils in historischer
Sicht Erwähnung verdienen, teils im Musikleben unserer Zeit
verankert sind.
Bei den einzelnen Autoren sind die Lebensdaten sowie eine
kurze stilistische Charakterisierung ihres Werkes, außerdem
die Anzahl und die Titel der erfolgreichen Opern,
verzeichnet.
In Klammern angeführte Jahreszahlen und Ortsnamen bedeuten
Jahr und Ort der Uraufführung, alleinstehende Jahreszahlen
das Jahr der Entstehung.
Werke heiteren Inhalts erfahren die Bezeichnung ‘k.O‘
(komische Oper), einaktige Stücke den Zusatz ‘E‘.
Weitere Angaben vermerken die Angaben der Textautoren,
Neuausgaben und Neubearbeitungen, markante Textübersetzungen
sowie die Verlage, von denen das Aufführungsmaterial bezogen
werden kann.
Bei Komponisten, deren Werke ausführlich behandelt sind,
erscheint diese lexikalische Angabe im ersten Abschnitt
unmittelbar unter dem Namen des Autors.
München, 1973 – Dr. Rudolf Kloiber
Zitatende |
Viele Jahre fehlte ‘Der
Kloiber‘ in keinem Schrank eines Intendantenbüros und die
fachkundige Erweiterung durch Dr. Wulf Konold und Robert Maschka
machten das Handbuch unentbehrlich.
Die Einteilung in Fächer haben die Sänger begleitet und vor
Überforderung bewahrt. Natürlich verändert sich der menschliche
Körper und damit auch die Stimme.
Ein behutsamer Fachwechsel kann stattfinden. Ich selbst erhielt von
meinem Münchener Chef, Joseph Keilberth, den Rat - nachdem er mich
wie vor jeder ‘Salome‘-Vorstellung als Page begrüßt hatte: “Die
Beine sind da, da kann ich ja anfangen“ und auf meine Frage, was ich
weiter machen soll: „Geh‘ an ein kleines Haus und sing dich durchs
Repertoire!“
Wie weise!
Wann welche Partie dem Leistungsstand und Alter angemessen ist,
sollte zum Allgemeinwissen eines Intendanten und Dirigenten gehören.
Wie weit entfernt von der Ethik des wunderbaren Satzes, den Barack
in der ‘Frau ohne Schatten‘ singt:
“Mir anvertraut, dass ich sie hege“ -
ist das Verhalten einiger Theaterleiter.
Natürlich ist es angenehm, einem Freundeskreis anzugehören, in dem
ähnlich gesellschaftliche Interessen vertreten werden, wie sie für
sich selbst wichtig sind. Da gibt es die Weinfreunde, die
Feinschmecker, die Skatfreunde, die Wanderclubs, die Heimatvereine
und vieles mehr was der Förderung eines noblen Zieles oder der
heiteren Geselligkeit dient.
Daneben gibt es leider auch Zusammenschlüsse von Gleichgesinnten,
die anfechtbar und kriminell sind. Großfamilien, die deutsche
Gesetze nicht anerkennen, Clubs aller Art, die sich Geschäfte
zuschieben, weltweite Bruderschaften, so dass der Kunstfreund sich
wundert, wieso eine sexuelle Ausrichtung die Regie dominiert.
Da wird eine solide Kenntnis der Stimmfächer oft genug für eine
sensationelle Besetzung ‘gegen das Fach‘ oder sonstigen Unfug
geopfert - oder wie ein promovierter Dramaturg meinte als der Erik
besetzt werden sollte, aber nur ein leichter Operettentenor
vorhanden war:
“Der ist Tenor, der muss das können!“
Für die Sportler kann man nur hoffen, dass sie nicht in die falsche
Disziplin gedrängt werden, während sich viele Theaterleiter über die
vermeintliche kleinkarierte Pingeligkeit des ‘Kloiber‘ amüsieren.
Wer hat die Kenntnis und den Mut, die allzu Ehrgeizigen
zurückzuhalten, dass sie nicht zu früh oder überhaupt ins besser
bezahlte schwerere oder gar ins Heldenfach wechseln?
Dann wird gedrückt, gepresst, gestemmt, so dass irgendwann nach
einigen Tönen schon geatmet werden muss - leider weiß ich davon und
von wem ich berichte.
Bei den überstrapazierten Stimmen, die ein zu schweres Fach aus
eigener Fehleinschätzung und des Geldes wegen singen, macht sich ein
Anjaulen der Töne und dann ein langsames Vibrato bis hin zur
schlimmen ‘Quintenschaukel‘ bemerkbar.
Dem Intendanten ist es egal und der Dirigent ist stolz den
‘Tristan‘, den ‘Ring‘ oder die ‘Elektra‘ dirigiert zu haben.
In einem gut sortierten Ensemble hat jeder seinen Platz und kann
sich auch gut behütet entwickeln.
‘Der Kloiber‘ ist ein wertvolles Handbuch, das konsequent benutzt,
Irrtümer und viel Leid verhindert.
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Zitat
SOUBRETTE
d'Albert,
Tote Augen: Arsinoe
Boieldieu, Weiße Dame: Jenny
Donizetti, Liebestrank: Gianetta
Haydn, Apotheker: Grilletta
Lortzing, Wildschütz:
Gretchen
Waffenschmied: Marie
Opernprobe:
Hannchen
Mozart,
La finta giardiniera: Serpetta
Figaro:
Barbarina
Zauberflöte: Papagena
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Rosaura
Vier
Grobiane: Lucieta
LYRISCHER KOLORATURSOPRAN
(KOLORATURSOUBRETTE)
Adam,
Postillon: Madeleine
Auber, Fra Diavolo: Zerline
Berlioz, Batrice und Benedict: Hero
Bialas,
Aucassin und Nicolette: Nicolette
Bizet,
Perlenfischer: Leila
Boieldieu, Weiße Dame: Anna
Britten, Sommernachtstraum: Titania
Cimarosa,
Heimliche Ehe: Carolina
Dittersdorf, Doktor
und Apotheker: Leonore
Donizetti,
Viva la Mamma: Corilla Sartinecchi
Liebestrank: Adina
Lucia di
Lammermoor: Lucia
Regimentstochter: Marie
Don Pasquale:
Norina
Dvorak,
Jakobiner: Terinka
Flotow, Stradella: Leonore
Martha: Lady
Harriet
Gluck,
Pilger von Mekka: Rezia
Halévy, Jüdin: Prinzessin Eudoxia
Henze, Boulevard Solitude: Manon Lescaut
König Hirsch:
Scolatella
Elegie für
junge Liebende: Hilda Mack
Bassariden:
Antonoe/Proserpina
Englische Katze: Minette
Ligeti,
Le Grand Macabre: Chef der Gepopo
Massenet,
Manon: Manon
Meyerbeer, Hugenotten: Page
Mozart, La finta semplice: Rosina
Ascanio in Alba:
Silvia
La finta
giardiniera: Sandrina
Il re pastore: Elisa
Entführung:
Blonde
Der
Schauspieldirektor: Mlle Silberklang/Mme Herz
Offenbach,
Hoffmanns Erzählungen: Olympia
Pfitzner,
Christ-Elflein: Elflein
Puccini, La Bohème: Musette
Reimann, Melusine: Melusine
Rimskij-Korssakow, Der goldene Hahn: Königin von
Sehemacha
Smetana,
Zwei Witwen: Karoline
Strauss, Rosenkavalier: Sophie
Ariadne: Zerbinetta
Arabella:
Fiaker-Milli
Schweigsame Frau: Aminta
Thomas, Mignon: Philine
Verdi,
Rigoletto: Gilda
Maskenball:
Oskar
Wagner,
Siegfried: Waldvogel
Weber,
Abu Hassan: Fatime
Freischütz,
Ännchen
Wolf-Ferrari, Susannens Geheimnis: Susanna
DRAMATISCHER KOLORATURSOPRAN
d'Albert,
Tote Augen: Myrtocle
Auber, Stumme von Portici: Elvira
Bellini,
Norma: Norma
Puritaner:
Elvira
Berg,
Lulu: Lulu
Berlioz,
Benvenuto Cellini: Teresa
Britten,
Albert Herring: Miss Wordsworth
Cherubini,
Medea: Kreusa
Donizetti, Anna Bolena: Anna Bolena
Glinka,
Ruslan und Ludmila: Ludmila
Gounod,
Margarethe: Margarethe
Händel, Otto und Theophano: Theophano
Julius Caesar:
Cleopatra
Rodelinde: Rodelinde
Hindemith,
Cardillac: Cardillacs Tochter
Klebe,
Jacobowsky und der Oberst: Marianne Deloupe
Lortzing, Undine: Berthalda
Meyerbeer, Hugenotten: Margarethe
Monteverdi, Krönung
der Poppea: Poppea
Mozart,
Mitridate: Aspasia
Ascanio in Alba: Venus
Entführung: Konstanze
Don Giovanni:
Donna Anna, Donna Elvira
Cosi fan
tutte: Fiordiligi
Titus:
Vitellia
Zauberflöte: Königin der Nacht
Nicolai,
Lustige Weiber: Frau Fluth
Puccini,
Manon Lescaut: Manon
Strauss, Helena: Aithra
Daphne:
Daphne
Verdi,
Nabucco: Abigail
Attila:
Odabella
Luise Miller:
Luise
Troubadour:
Leonore
Traviata:
Violetta
Sizilianische
Vesper: Herzogin Elena
Falstaff:
Alice
Weber,
Oberon: Rezia
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane: Felice
Zimmermann,
Soldaten: Marie
LYRISCHER SOPRAN
d'Albert,
Tiefland: Nuri
Beethoven, Fidelio: Marzelline
Bizet, Carmen: Micaela
Britten,
Sommernachtstraum: Helena
Cimarosa,
Heimliche Ehe: Lisetta
Cornelius, Barbier:
Margiana
Delius, Romeo und Julia auf dem Dorfe: Vrenchen
Donizetti, Viva la
Mamma: Luigia Boschi
Egk,
Revisor: Marja
Glinka,
Ruslan und Ludmila: Gonislawa
Gluck,
Betrogener Kadi: Zelmire
Orpheus: Eurydike
Goetz,
Der Widerspenstigen Zähmung: Bianca
Haydn,
Belohnte Treue: Nenina Hindemith, Mathis der Maler:
Regina
Humperdinck, Hänsel
und Gretel: Gretel
Janacek,
Jenufa: Karolka
Ligeti,
Le Grand Macabre: Clitoria
Lortzing,
Zar: Marie
Undine:
Undine
Opernprobe:
Luise
Massenet,
Werther: Sophie
Mozart,
Bastien: Bastienne
Figaro:
Susanna
Don
Giovanni: Zerlina
Zauberflöte: Pamina
Mussorgskij, Boris:
Xenia
Jahrmarkt von Sorotschinzy: Parassja
Nicolai,
Lustige Weiber: Anna
Paisiello, Barbier von Sevilla: Rosina
Pergolesi, Magd als
Herrin: Serpina
Pfitzner,
Armer Heinrich: Agnes
Palestrina: Ighino
Christ-Elflein: Christkindchen
Puccini,
Schwester Angelica: Schwester Genoveva
Gianni
Schicchi: Lauretta
Turandot: Liü
Rimskij-Korssakow,
Märchen vom Zaren Saltan: Prinzessin Swanhild
Rossini,
Tell: Gemmy
Smetana,
Verkaufte Braut: Marie
Strauss, Ariadne: Echo
Arabella: Zdenka
Strawinsky,
The Rake's Progress: Ann
Telemann,
Pimpinone: Vespetta
Wagner, Tannhäuser: Hirt
Rheingold: Wellgunde
Weber,
Oberon: Fatime
JUGENDLICH-DRAMATISCHER SOPRAN
Berg,
Wozzeck: Marie
Boito,
Mefistofele: Margarete/Helena
Busoni,
Turandot: Turandot
Doktor Faust: Herzogin von Parma
Charpentier,
Louise: Louise
Cilea, Adriana Lecouvreur:
Adriana
Lecouvreur
Dvorak,
Rusalka: Rusalka
Jakobiner: Julia
Egk,
Peer Gynt: Solveig
de Falla,
Kurzes Leben: Salud
Fortner, Bluthochzeit: Braut
Giordano, André Chénier: Madeleine von Coigny
Glinka,
Leben für den Zaren: Antonida
Gluck,
Iphigenia (Aulia): Iphigenia
Gounod,
Mireille: Mireille
Halévy, Jüdin: Rachel (Recha)
Henze, König Hirsch: Mädchen
Elegie für
junge Liebende: Elisabeth Zimmer
Hindemith,
Sancta Susanna: Susanna
Cardillac (Originalfassung):
Dame
Humperdinck,
Königskinder: Gänsemagd
Janacek,
Jenufa: Jenufa
Katja
Kabanowa: Katja
Kienzl,
Evangelimann: Martha
Korngold, Tote Stadt: Marietta
Krenek, Jonny spielt auf: Anita
Marschner, Vampyr: Maiwina/Janthe
Hans
Heiling: Anna
Menotti,
Konsul: Magda Sorel
Monteverdi, Krönung der Poppea: Drusilla
Mozart,
Figaro: Gräfin
Don
Giovanni: Donna Elvira
Nono, Intolleranza 1960: Gefährtin
Offenbach,
Hoffmanns Erzählungen: Giulietta
Orff,
Die Kluge: Des Bauern Tochter
Ponchielli,
La Gioconda: Gioconda
Puccini,
La Bohme: Mimi
Butterfly: Butterfly
Mantel:
Georgette
Reimann,
Lear: Regan/Cordelia
Rimskij-Korssakow, Märchen vom Zaren Saltan: Zarin
Militrissa
Rossini,
Tell: Mathilde
Schreker,
Der ferne Klang: Grete
Die Gezeichneten: Carlotta Nardi
Smetana,
Zwei Witwen: Agnes
Strauss, Feuersnot: Diemut
Elektra:
Chrysothemis
Tschaikowskij, Onegin: Tatjana
Pique-Dame:
Lisa
Verdi,
Nabucco: Fenena
Ernani: Elvira
I due Foscari:
Lucrezia Contarini
Räuber: Amalia
Simone Boccanegra:
Maria
Otello: Desdemona
Wagner,
Rienzi: Irene
Tannhäuser: Elisabeth
Lohengrin: Elsa
Meistersinger: Eva
Rheingold:
Freia
Weber,
Freischütz: Agathe
Euryanthe:
Euryanthe
Wolf,
Corregidor: Frasquita
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Eleonora
Vier
Grobiane: Marina
Sly:
Dolly
Zemlinsky, Kleider
machen Leute: Nettchen
DRAMATISCHER SOPRAN
d'Albert,
Tiefland: Marta
Beethoven, Fidelio: Leonore
Berlioz,
Trojaner: Dido
Borodin,
Igor: Jaroslawna
Britten,
Peter Grimes: Ellen Orford
Albert Herring:
Lady Billows Cherubini, Medea: Medea
Gluck,
Alkeste: Alkeste
Iphigenia (Tauris):
Iphigenia
Hindemith,
Cardillac (Neufassung): Erste Sängerin der Oper
Mathis der Maler: Ursula
Janacek,
Jenufa: Küsterin
Sache
Makropoulos: Emilia Marty
Mascagni,
Cavalleria: Santuzza
Meyerbeer, Hugenotten: Valentine
Mussorgskij, Boris:
Marina
Orff,
Antigonae: Antigonae
Penderecki, Teufel von Loudun: Jeanne
Pfitzner,
Armer Heinrich: Hilde
Prokowjew, Liebe zu den drei Orangen: Fata Morgana
Puccini,
Tosca: Tosca
Mädchen aus
dem goldenen Westen: Minnie
Schwester
Angelica: Angelica
Turandot: Turandot
Reimann,
Lear: Goneril
Schillings, Mona Lisa: Mona Lisa
Schoeck,
Penthesilea: Prothoe
Schönberg, Erwartung: Frau
Schostakowitsch, Lady Macbeth von Mzensk:
Katerina Ismailowa
Smetana,
Dalibor: Milada
Strauss,
Salome: Salome
Elektra:
Elektra
Rosenkavalier: Feldmarschallin
Ariadne: Ariadne
Frau ohne
Schatten: Färberin
Intermezzo: Christine
Helena: Helena
Arabella:
Arabella
Capriccio: Gräfin
Verdi,
Macbeth: Lady Macbeth
Maskenball: Amelia
Macht des
Schicksals: Leonore
Don Carlos: Elisabeth
Aida:
Aida
Wagner,
Holländer: Senta
Tannhäuser: Venus Tristan: Isolde
Walküre:
Brünnhilde
Siegfried: Brünnhilde
Götterdämmerung: Brünnhilde/Gutrune
Wolf,
Corregidor: Mercedes
KOLORATUR-MEZZOSOPRAN
Rossini,
Italienerin in Algier: Isabella
Barbier:
Rosina
La
Cenerentola:
Angelina
LYRISCHER MEZZOSOPRAN
Bizet,
Carmen: Mercedes
Britten,
Albert Herring: Nancy Waters
Sommernachtstraum: Hermia
Haydn, Belohnte Treue: Amaranta
Humperdinck, Hänsel
und Gretel: Hänsel
Ligeti,
Le Grand Macabre: Spermando
Massenet,
Werther: Charlotte
Mozart, Bastien: Bastien
Figaro:
Cherubin
Cosi fan
tutte: Dorabella
Titus:
Annius
Nicolai,
Lustige Weiber: Frau Reich
Offenbach,
Hoffmanns Erzählungen: Niklaus
Pfitzner,
Palestrina: Silla
Puccini,
Butterfly: Suzuki
Strauss, Rosenkavalier: Annina
Ariadne: Dryade
Thomas,
Mignon: Mignon
Verdi,
Rigoletto: Maddalena
Wagner, Meistersinger: Magdalena
Rheingold:
Floßhilde
Götterdämmerung: Wellgunde
Weber,
Oberon: Puck
Wolf-Ferrari,
Neugierige Frauen: Beatrice
DRAMATISCHER MEZZOSOPRAN
Bartok,
Herzog Blaubarts Burg: Judith
Bellini,
Norma: Adalgisa
Puritaner: Henrietta von Frankreich
Berg,
Lulu: Gräfin Geschwitz
Berlioz, Trojaner: Kassandra
Cilea, Adriana Lecouvreur: Fürstin von Bouillon
Donizetti,
Anna Bolena: Johanna Seymour
Dukas,
Ariane und Blaubart: Ariane
Einem,
Besuch der alten Dame: Claire Zachanassian
Fortner,
Bluthochzeit: Mutter
Gluck, Iphigenia (Aulis): Klytämnestra
Henze,
Bassariden: Agauel Venus
Humperdinck, Hänsel und Gretel: Mutter
Janacek,
Katja Kabanowa: Kabanicha
Marschner, Hans
Heiling: Königin der Erdgeister
Menotti,
Konsul: Sekretärin
Mussorgskij, Chowanschtschina: Marfa
Jahrmarkt
von Sorotschinzy Chiwrja
Nono,
Intolleranza 1960: Frau
Ponchielli, La Gioconda: Laura
Puccini,
Gianni Schicchi: Zita
Rossini, Tell: Hedwig
Saint-Sans, Samson: Dalila
Schoeck, Penthesilea: Penthesilea/ Meroe
Strauss,
Salome: Herodias
Elektra: Klytämnestra
Rosenkavalier: Octavian
Ariadne: Komponist
Frau ohne
Schatten: Amme
Arabella: Adelaide
Capriccio:
Clairon
Tschaikowskij, Pique-Dame: Gräfin
Verdi,
Luise Miller: Amalia
Macht des Schicksals: Preziosilla
Don Carlos:
Eboli
Wagner,
Rienzi: Adriano
Lohengrin:
Ortrud
Tristan:
Brangäne
Rheingold: Fricka
Walküre:
Fricka
Götterdämmerung: Waltraute
Parsifal: Kundry
Weber,
Euryanthe: Eglantine
Zimmermann, Soldaten: Charlote/Stolzius' Mutter
SPIELALT
Auber,
Fra Diavolo: Pamela
Britten, Albert Herring: Floret Pike
Cilea,
Adriana Lecouvreur: Mademoiselle Dangeville
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Claudia
Egk,
Revisor: Anna
de Falla,
Kurzes Leben: Großmutter
Flotow,
Martha: Nancy
Fortner,
Bluthochzeit: Magd/Frau Leonardos
Giordano,
André Chénier: Bersi
Gluck, Betrogener Kadi: Fatime
Gounod, Margarethe: Marthe
Mireille:
Taven
Haydn,
Welt auf dem Monde: Lisetta
Henze,
Englische Katze: Babette
Lortzing, Waffenschmied: Irmentraut
Marschner, Hans
Heiling: Gertrud
Mascagni,
Cavalleria: Lola
Mozart, Figaro: Marcellina
Puccini, Mantel: Frettchen
Reimann, Melusine: Madame Laperouse
Rimskij-Korssakow,
Mainacht: Hanna
Märchen vom
Zaren Saltan: Muhme Babaricha
Verdi,
Falstaff. Meg Page
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane: Margherita
LYRISCHER ALT
Cornelius, Barbier:
Bostana
Glinka, Leben für den Zaren: Wanja
Ruslan und
Ludmila: Ratmir
Gluck, Orpheus (Wiener Fassung): Orpheus
Haydn,
Belohnte Treue: Celia
Kienzl, Evangelimann: Magdalena
Lortzing,
Wildschütz: Gräfin
Mozart, Mitridate: Farnace
Puccini, Gianni Schicchi: Ciesca
Verdi, Falstaff: Mrs. Quickly
Wagner, Götterdämmerung: Floßhilde
Holländer:
Mary
DRAMATISCHER ALT
d'Albert,
Tote Augen: Maria von Magdala
Cherubini,
Medea: Neris
Debussy, Pelleas: Genoveva
Dvorak, Rusalka: Hexe
Egk,
Peer Gynt: Aase
Fortner,
Bluthochzeit: Schwiegermutter Leonardos
Händel,
Julius Caesar: Cornelia
Hindemith, Sancta Susanna: Klementia
Humperdinck,
Königskinder: Hexe
Janacek,
Jenufa: Alte Buryja
Mascagni, Cavalleria: Lucia
Menotti, Konsul: Mutter
Reimann, Melusine: Pythia
Strauss, Daphne: Gaea
CONTRATENOR
Britten,
Sommernachtstraum: Oberon
Reimann,
Lear: Edgar
SPIELTENOR (TENORBUFFO)
Adam,
Postillon: Marquis
Auber,
Fra Diavolo: Beppo
Beethoven, Fidelio: Jaquino
Bizet, Carmen: Dancairo/Remendado
Boieldieu, Weiße
Dame: Dikson
Busoni, Turandot: Truffaldino
Cornelius, Barbier: Mustapha
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Sichel
Flotow,
Stradella: Barbarino
Gluck, Pilger von Mekka: Osmin
Haydn, Apotheker: Mengone
Welt auf
dem Monde: Cecco
Humperdinck,
Königskinder: Besenbinder
Leoncavallo,
Bajazzo: Beppo
Lortzing, Undine: Veit
Waffenschmied: Georg
Mozart,
La finta giardiniera: Don Anchise
Entführung:
Pedrillo
Figaro:
Basilio / Don Curzio
Zauberflöte: Monostatos
Mussorgskij, Boris: Missail
Nicolai, Lustige Weiber: Spärlich
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Andreas/Cochenille/Pitichinaccio/
Franz
Pfitzner,
Christ-Elflein: Frieder/ Jochen
Puccini,
Tosca: Spoletta
Butterfly: Goro
Mantel:
Stockfisch
Turandot:
Pang/Pong
Smetana,
Verkaufte Braut: Wenzel
Strauss,
Rosenkavalier: Valzacchi
Ariadne: Tanzmeister/Scaramuccio
Thomas,
Mignon: Friedrich/Laertes
Verdi,
Macht des Schicksals: Trabuca
Falstaff.
Bardolph
Wagner,
Meistersinger: David
Wolf, Corregidor: Pedro
LYRISCHER TENOR
Adam,
Postillon: Chapelou
Auber, Stumme von Portici: Alfonso
Fra
Diavolo: Lorenzo
Berg,
Wozzeck: Andres
Lulu:
Maler/Neger
Berlioz,
Beatrice und Benedict: Benedict
Bizet,
Perlenfischer: Nadir
Boieldieu, Weiße Dame: George Brown
Britten,
Albert Herring: Albert Herring
Sommernachtstraum: Lysander
Busoni,
Arlecchino: Leandro
Doktor Faust: Herzog von Parma
Cilea,
Adriana Lecouvreur: Abbé von Chazenil
Cimarosa,
Heimliche Ehe: Paolino
Cornelius, Barbier:
Nurredin
Delius, Romeo u. Julia auf dem Dorfe: Sali
Dittersdorf, Doktor
und Apotheker: Gotthold
Donizetti, Viva la
Mamma: Guglielmo Antolstoinolonoff
Liebestrank: Nemorino
Lucia: Edgardo
Regimentstochter: Tonio
Don Pasquale:
Ernesto
Dvorak,
Jakobiner: Jiri
Egk,
Revisor: Chlestakow
Flotow,
Stradella: Stradella
Martha: Lyonel
Fortner,
Bluthochzeit: Mond
Gluck, Betrogener Kadi: Nuradin
Pilger von
Mekka: Ali
Goetz,
Der Widerspenstigen Zähmung: Lucentio
Gounod,
Mireille: Vincent
Haydn,
Welt auf dem Monde: Ecclitico
Belohnte
Treue: Fileno/Lindoro
Henze, Boulevard Solitude: Armand des Grieux
Elegie für
junge Liebende: Toni Reischmann
Hindemith,
Cardillac (Neufassung): Geselle
Janacek,
Katja Kabanowa: Boris
Sache
Makropoulos: Janek
Lortzing,
Zar: Chateauneuf/Iwanow
Wildschütz:
Baron
Opernprobe:
Der junge Baron
Martinu, Griechische Passion: Michelis/Yannakos
Massenet,
Manon: Des Grieux
Mozart, La finta semplice: Don Polidoro
Ascanio in
Alba: Aceste
La finta
giardiniera: Belfiore
Idomoneo: Idamantes
Entführung: Belmonte
Schauspieldirektor: Vogelsang
Don Giovanni: Ottavio
Cosi fan
tutte: Ferrando
Zauberflöte: Tamino
Nicolai,
Lustige Weiber: Fenton
Paisiello, Barbier von Sevilla: Graf Almaviva
Pfitzner,
Palestrina: Abdisu/ Bischof von Budoja
Puccini,
Manon Lescaut: Edmond
Butterfly: Linkerton
Gianni
Schicchi: Rinuccio/Gherardo
Ravel,
Spanische Stunde: Gonzaivo
Rossini,
Italienerin in Algier: Lindoro
Türke in
Italien: Don Narciso
Barbier: Graf
La
Cenerentola: Ramiro
Tell:
Arnold
Schillings, Mona
Lisa: Arrigo
Smetana, Zwei Witwen: Ladislav
Strauss, Schweigsame Frau: Henry Morosus
Daphne:
Leukippos
Thomas,
Mignon: Wilhelm Meister
Tschaikowskij,
Onegin: Lenskij
Verdi, Macbeth: Malcolm
Rigoletto: Herzog
Traviata:
Alfred
Othello:
Cassio
Falstaff.
Fenton
Wagner,
Rienzi: Baroncelli
Holländer: Steuermann
Tannhäuser: Walther
Weber,
Abu Hassan: Hassan
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Florindo/Leandro
Vier
Grobiane: Filipeto
JUGENDLICHER HELDENTENOR
d'Albert,
Tiefland: Pedro
Tote Augen:
Galba
Auber,
Fra Diavolo: Diavolo
Stumme von Portici: Masaniello
Beethoven,
Fidelio: Florestan
Bellini, Norma: Sever
Puritaner: Lord
Arthur Talbot
Berg, Lulu: Alwa
Berlioz,
Benvenuto Cellini: Benvenuto Cellini
Bizet,
Carmen: Don José
Boito,
Mefistofele: Faust
Borodin, Fürst Igor: Wladimir Igorewitsch
Britten,
Billy Budd: Edward Fairfax Vere
Busoni,
Turandot: Kalaf
Doktor Faust:
Mephistopheles
Charpentier, Louise: Julien
Cherubini, Medea: Jason
Cilea,
Adriana Lecouvreur: Moritz von Sachsen
Dessau,
Verurteilung des Lukullus: Lukullus
Donizetti, Anna
Bolena: Percy
Lucia: Arthur
Dvorak,
Rusalka: Prinz
de Falla,
Kurzes Leben: Paco
Giordano, André Chénier: André Chénier
Glinka,
Leben für den Zaren: Bogdan Sobinin
Gluck,
Orpheus (Pariser Fassung): Orpheus
Alkeste:
Admetos
Iphigenia
(Aulis): Achilles
Iphigenia (Tauris):
Pylades
Gounod, Margarethe: Faust
Halevy, Jüdin: Eleazar
Henze,
König Hirsch: König
Bassariden: Dionysos
Hindemith,
Cardillac (Original-fassung): Offizier/Kavalier
Cardillac (Neufassung): Junger Kavalier
Mathis der
Maler: Hans Schwalb
Humperdinck, Königskinder: Königssohn
Janek,
Jenufa: Laca
Katja
Kabanowa: Tichon
Sache
Makropoulos: Albert Gregor
Kienzl,
Evangelimann: Matthias
Klebe, Jacobowsky und der Oberst: Oberst
Stjerbinsky
Krenek, Jonny spielt auf: Max
Leoncavallo, Bajazzo: Canio
Lortzing, Undine: Hugo
Marschner, Vampyr: Edgar Aubry
Hans
Heiling: Konrad
Martinü,
Griechische Passion: Manolios
Meyerbeer,
Hugenotten: Raoul
Mascagni, Cavalleria: Turiddu
Mozart, Mitridate: Mithridates
Il re pastore:
Alexander
Idomeneo:
Idomeneo
Titus: Titus
Mussorgskij,
Boris: Grigorij
Chowanschtschina: Fürst Andrej Chowanskj
Jahrmarkt
von Sorotschinzy: Gritzko
Nono,
Intolleranza 1960: Emigrant
Offenbach,
Hoffmanns Erzählungen: Hoffmann
Orff,
Antigonae: Hämon
Pfitzner,
Palestrina: Palestrina
Ponchielli,
La Gioconda: Enzo Grimaldo
Prokofjew, Liebe zu
den drei Orangen: Prinz
Puccini,
Manon Lescaut: Des Grieux
La Bohème:
Rudolf
Tosca:
Cavaradossi
Mädchen aus
dem goldenen Westen: Johnson
Mantel:
Henri
Turandot:
Kalaf
Reimann,
Lear: Edmund
Rimskij-Korssakow, Mainacht: Lewko
Märchen vom
Zaren Saltan: Prinz Gwidon
Saint-Sans, Samson:
Samson
Schillings, Mona Lisa: Giovanni
Schoeck, Penthesilea: Diomedes
Schostakowitsch, Lady Macbeth von Mzensk: Sergej
Schreker,
Der ferne Klang: Fritz
Die Gezeichneten: Alviano Salvago
Smetana,
Verkaufte Braut: Hans
Dalibor: Dalibor
Strauss,
Salome: Narraboth
Frau ohne
Schatten: Kaiser
Intermezzo: Baron
Helena:
Menelas
Daphne: Apollo
Capriccio:
Flamand
Strawinsky, The Rake's Progress: Tom Rakewell
Verdi,
Nabucco: Ismael
Ernani: Ernani
I due Foscari:
Jacopo Foscari Attila: Foresto
Macbeth:
Macduff
Räuber: Karl
Luise Millcr:
Rudolf
Troubadour: Manrico
Sizilianische Vesper: Arrigo
Simone Boccanegra: Adorno
Maskenball:
Richard
Macht des
Schicksals: Alvaro
Don Carlos: Carlos
Aida: Radamès
Wagner,
Holländer: Erik
Lohengrin: Lohengrin
Parsifal:
Parsifal
Weber,
Freischütz: Max
Euryanthe:
Adolar
Oberon:
Hüon/Oberon
Wolf-Ferrari, Sly: Sly
Zemlinsky, Kleider
machen Leute: Wenzel Strapinski
Florentinische Tragödie: Guido Bardi
Zimmermann,
Soldaten: Desportes
HELDENTENOR
Berlioz,
Trojaner: Aeneas
Britten,
Peter Grimes: Peter Grimes
Egk,
Peer Gynt: Der Alte
Einem,
Besuch der alten Dame: Bürgermeister
Hindemith, Mathis
der Maler: Albrecht von Brandenburg
Korngold, Tote Stadt: Paul
Mussorgskij, Boris: Schujskj
Pfitzner, Armer Heinrich: Heinrich
Strauss,
Ariadne: Bacchus
Verdi,
Otello: Otello
Wagner,
Rienzi: Rienzi
Tannhäuser: Tannhäuser
Tristan: Tristan
Meistersinger: Stolzing
Walküre: Siegmund
Siegfried:
Siegfried
Götterdämmerung: Siegfried
CHARAKTERTENOR
Berg,
Wozzeck: Hauptmann
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Sturmwald
Henze,
Englische Katze: Lord Puff
Massenet,
Manon: Guillot
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Spalanzani
Pfitzner,
Palestrina: Novagerio
Puccini, Turandot: Altoum
Rossini, Tell: Rudolph
Strauss,
Salome: Herodes
Verdi,
Falstaff. Dr. Cajus
Wagner, Rheingold: Loge/Mime Siegfried:
Mime
Wolf,
Corregidor: Corregidor
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane: Riccardo
LYRISCHER BARITON
Auber,
Fra Diavolo: Lord Kookburn
Berlioz,
Beatrice und Benedict: Claudio
Bialas,
Aucassin und Nicolette: Aucassin
Bizet,
Perlenfischer: Zurga
Britten, Billy Budd: Billy Budd
Sommernachtstraum: Demetrius
Busoni,
Arlecchino: Abbate Cospicuo
Doktor
Faust: Des Mädchens Bruder
Donizetti, Viva la
Mamma: Stefano
Liebestrank: Belcore
Don
Pasquale: Dr. Malatesta
Haydn, Welt auf dem Monde: Ernesto
Belohnte
Treue: Perruchetto
Henze, Boulevard Solitude: Lescaut
Humperdinck,
Königskinder: Spielmann
Krenek,
Jonny spielt auf: Jonny
Lortzing,
Waffenschmied: Liebenau
Opernprobe:
Johann
Martinu,
Griechische Passion: Kostandis
Massenet,
Werther: Albert
Mozart, Cosi fan tutte: Guglielmo Zauberflöte:
Papageno
Nicolai,
Lustige Weiber: Fluth
Paisiello, Barbier von Sevilla: Figaro
Pfitzner,
Christ-Elflein: Gumpach
Puccini, Turandot: Ping
Rossini,
Barbier: Figaro
La
Cenerentola: Dandini
Reimann, Melusine: Graf von Lusignan
Strauss,
Ariadne: Harlekin
Schweigsame
Frau: Barbier
Verdi, Maskenball: Silvano
Weber, Oberon: Scherasmin
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Lelio
KAVALIERBARITON
Beethoven,
Fidelio: Don Fernando
Bellini, Puritaner: Sir Richard Forth
Berlioz,
Benvenuto Cellini: Fieramosca
Bizet,
Carmen: Escamillo
Cimarosa, Heimliche Ehe: Graf Robinsone
Donizetti,
Anna Bolena: Rochefort
Lucia:
Ashton
Dvorak,
Jakobiner: Bohus
Fortner, Bluthochzeit: Leonardo
Goetz, Der Widerspenstigen Zähmung: Petruchio
Gounod,
Margarethe: Valentin Mireille: Ourrias
Henze,
Englische Katze: Tom
Korngold, Tote Stadt: Frank
Krenek,
Jonny spielt auf: Daniello
Lortzing, Zar: Zar
Wildschütz:
Graf
Undine:
Kühleborn
Massenet,
Manon: Brétigny/Lescaut
Meyerbeer,
Hugenotten: Nevers
Mozart, Figaro: Graf
Don
Giovanni: Don Giovanni
Mussorgskij, Chowanschtschina: Schaklowitij
Pfitzner,
Palestrina: Graf Luna
Puccini, Manon Lescaut: Lescaut
La Bohème: Marcel
Butterfly:
Sharpless
Ravel,
Spanische Stunde: Ramiro
Schreker, Die Gezeichneten:
Graf
Andrea Vitelozzo Tamare
Strauss, Arabella: Mandryka
Capriccio:
Graf/Olivier
Tschaikowskij, Onegin: Onegin
Verdi, Räuber: Franz
Maskenball:
René
Don Carlos:
Posa
Falstaff: Ford
Wagner,
Tannhäuser: Wolfram
Wolf-Ferrari, Susannens Geheimnis: Gil
Sly:
Graf von Westmoreland
Zemlinsky, Kleider
machen Leute: Melchior Böhm
Zimmermann, Soldaten: Stolzius
HELDENBARITON
Bartok,
Herzog Blaubarts Burg: Blaubart
Beethoven, Fidelio:
Don Pizarro
Berg, Lulu: Dr. Schön/Jack
Borodin, Fürst Igor: Igor
Britten,
Peter Grimes: Balstrode
Busoni, Arlecchino: Ser Matteo del Sarto
Doktor
Faust: Doktor Faust
Cherubini, Medea: Kreon
Cilea,
Adriana Lecouvreur: Michonnet
Debussy,
Pelleas: Golo
Egk,
Peer Gynt: Peer Gynt
Einem, Besuch der alten Dame: Alfred Ill
Giordano,
André Chénier: Girard
Glinka, Ruslan und Ludmila: Ruslan
Gluck,
Alkeste: Oberpriester
Iphigenia (Aulis): Agamemnon
Iphigenia (Tauris): Orest/Thoas
Henze,
König Hirsch: Statthalter
Elegie für junge Liebende: Gregor Mittenhofer
Bassariden:
Pentheus
Hindemith,
Cardillac: Cardillac
Mathis der Maler:
Mathis
Jank,
Sache Makropoulos: Jaroslaw Prus
Klebe,
Jacobowsky und der Oberst: Jacobowsky
Leoncavallo, Bajazzo: Tonio
Ligeti, Le Grand Macabre: Nekrotzar
Marschner, Vampyr: Lord Ruthven
Hans Heiling:
Heiling
Mascagni, Cavalleria: Alfio
Mozart, Zauberflöte: Sprecher
Mussorgskij, Boris: Boris
Offenbach, Hoffmanns Erzählungen: Lindorf/Coppelius/Dapertutto/Mirakel
Orff,
Die Kluge: König
Penderecki, Teufel von Loudun: Grandier
Pfitzner,
Armer Heinrich: Dietrich
Palestrina:
Borromeo
Ponchielli, La
Gioconda: Barnaba
Puccini,
Mädchen aus dem goldenen Westen: Jack Rance
Mantel:
Marcel
Reimann,
Lear: König Lear
Rossini,
Tell: Tell
Saint-Sans,
Samson: Oberpriester
Schillings, Mona Lisa: Francesco
Schoeck, Penthesilea: Achilles
Schönberg, Glückliche Hand:
Mann
Schostakowitsch,
Lady Macbeth von Mzensk: Boris
Ismailow
Schreker,
Die Gezeichneten: Herzog Antoniotto
Adorno
Strauss,
Feuersnot: Kunrad
Salome: Jochanaan
Elektra: Orest
Frau ohne Schatten: Barak
Intermezzo: Storch
Helena:
Altair
Strawinsky,
The Rake's Progress: Nick Shadow
Tschaikowskij, Pique-Dame:
Tomsky
Verdi,
Nabucco: Nebukadnezar
Ernani: Don Carlos
I due
Foscari: Francesco Foscari
Attila: Ezio
Macbeth:
Macbeth
Luise Miller:
Miller
Troubadour: Luna
Sizilianische
Vesper: Guido de Montfort
Simone
Boccanegra: Simone
Macht des Schicksals: Don Carlos
Aida:
Amonasro
Otello: Jago
Falstaff: Falstaff
Wagner,
Holländer: Holländer
Lohengrin: Telramund/Heerrufer
Tristan: Kurwenal
Meistersinger: Sachs
Rheingold: Wotan
Walküre: Wotan
Siegfried: Wanderer
Götterdämmerung: Gunther
Parsifal: Amfortas/Klingsor
Weber,
Euryanthe: Lysiart
Zemlinsky, Florentinische Tragödie:
Simone
CHARAKTERBARITON
d'Albert, Tiefland:
Sebastiano/ Moruccio
Tote Augen: Arcesius
Berg, Wozzeck: Wozzeck
Dittersdorf, Doktor und Apotheker: Doktor
Gluck, Pilger von Mekka:
Meister Überschwang
Alkeste: Herakles
Humperdinck, Hänsel und
Gretel: Besenbinder
Janacek, Jenufa:
Altgesell
Kienzl, Evangelimann:
Johannes
Pfitzner, Palestrina: Morone/
Avosmediano/Ercole Severolus
Puccini, La Boheme: Schaunard
Tosca:
Scarpia
Verdi,
Simone Boccanegra: Paolo
Wagner, Meistersinger:
Beckmesser
Rheingold: Alberich
Siegfried: Alberich
Wolf,
Corregidor: Tio Lucas
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane:
Maurizio
SPIELBASS (BASSBUFFO)
Auber, Fra Diavolo:
Giacomo
Berg, Wozzeck: Doktor
Berlioz, Beatrice und
Benedict: Somarone
Boieldieu, Weiße Dame:
Mac Irton
Cimarosa, Heimliche Ehe:
Geronimo
Dittersdorf, Doktor und
Apotheker: Stößel
Donizetti, Liebestrank:
Dulcamara
Regimentstochter: Sulpiz
Don Pasquale: Pasquale
Dvorak, Jakobiner: Filip
Flotow, Stradella:
Malvolina Martha: Lord Tristan
Gluck, Betrogener Kadi:
Kadi
Goetz, Der Widerspenstigen Zähmung:
Hortensio/Grumio
Haydn, Apotheker: Sempronio
Welt auf dem Monde: Buonafede
Belohnte Treue: Melibeo
Humperdinck, Königskinder: Holzhacker
Lortzing, Wildschütz:
Baculus
Undine: Hans
Waffenschmied: Adelhof
Opernprobe: Graf
Mozart,
Bastien: Colas
La finta
giardiniera. Nardo
Don Giovanni: Leporello
Cosi fan tutte: Don Alfonso
Mussorgskij, Boris: Warlaam
Orff, Die Kluge: Bauer
Paisiello, Barbier von
Sevilla: Bartolo
Pergolesi, Magd als
Herrin: Uberto
Puccini, Tosca: Mesner
Ravel, Spanische Stunde:
Don Inigo Gomez
Rimskij-Korssakow, Der goldene Hahn: König
Dodon
Rossini, Italienerin in
Algier: Mustafa
Türke in Italien: Don Geronio
Barbier: Dr. Bartolo
La Cenerentola: Don Magnifico
Strauss, Ariadne:
Truffaldin Arabella: Graf Waldner
Schweigsame Frau: Vanuzzi/ Farfallo
Capriccio: La Roche
Telemann, Pimpinone:
Pimpinone
Verdi, Maskenball: Tom
Macht des Schicksals: Fra
Melitone
Falstaff: Pistol
Wolf,
Corregidor: Tonuelo
Wolf-Ferrari, Neugierige Frauen: Arlecchino
SCHWERER SPIELBASS (SCHWERER
BASSBUFFO)
Adam, Postillon: Bijou
Berg, Lulu:
Tierbändiger/Rodrigo
Berlioz, Benvenuto Cellini: Giacomo Balducci
Busoni,
Arlecchino: Dottore Bornbasto
Turandot:
Pantalone
Cornelius,
Barbier: Abul Hassan
Donizetti, Viva la Mamma: Mamma Agata
Egk, Revisor:
Stadthauptmann
Flotow, Martha: Plumkett
Glinka, Ruslan und
Ludmila: Farlaf
Gluck, Pilger von Mekka:
Kalender
Gounod,
Margarethe: Mephistopheles
Lortzing,
Zar: van Bett
Waffenschmied: Stadinger
Mozart, Entführung: Osmin
Mussorgskij, Jahrmarkt von Sorotschinzy:
Tscherewik
Nicolai, Lustige Weiber:
Falstaff
Pfitzner, Christ-Elflein: Knecht Ruprecht
Puccini,
Gianni Schicchi: Gianni Schicchi
Rossini,
Barbier: Basilio
Smetana, Verkaufte Braut:
Kezal
Strauss, Rosenkavalier: Ochs
Wagner, Holländer: Daland
Wolf, Corregidor:
Repela
Wolf-Ferrari, Neugierige
Frauen: Ottavio
Vier Grobiane: Lunardo
CHARAKTERBASS (BASSBARITON)
Boieldieu, Weiße Dame:
Gaveston
Flotow, Stradella:
Bassi
Goetz, Der
Widerspenstigen Zähmung: Baptista
Lortzing, Undine:
Tobias Martini, Griechische Passion: Priester
Grigoris
Meyerbeer,
Hugenotten: St. Bris
Mozart, Figaro: Figaro
Don
Giovanni: Masetto
Mussorgskij, Boris: Rangoni
Puccini, Mantel: Maulwurf
Turandot:
Timur
Rossini, La Cenerentola:
Alidoro Tell: Walther Fürst
Verdi, Luise Miller:
Wurm
Rigoletto: Monterone
Simone Boccanegra: Pietro
Wagner, Tannhäuser: Biterolf/ Reinmar
Meistersinger: Kothner
Rheingold: Donner
Götterdämmerung: Alberich
Weber, Freischütz:
Kuno
Wolf,
Corregidor: Alkalde
Wolf-Ferrari, Vier Grobiane:
Simon
SERIÖSER BASS
d'Albert,
Tiefland: Tommaso
Beethoven, Fidelio: Rocco
Bellini,
Norma: Orovist
Puritaner:
Lord Walter Walton Berlioz, Beatrice und Benedict:
Don Pedro
Bizet,
Perlenfischer: Nourabad Carmen: Zuniga
Britten,
Billy Budd: John Claggart
Busoni, Turandot: Altoum
Doktor Faust: Wagner
Cilea,
Adriana Lecouvreur: Fürst von Bouillon
Debussy,
Pelleas: Arkel
Donizetti,
Anna Bolena: Heinrich VIII.
Lucia:
Raimund
Dvorak, Rusalka:
Wassermann
Glinka, Leben für den Zaren: Iwan Sussanin
Ruslan und Ludmila: Swetosar
Händel, Julius Caesar: Ptolemüus/ Caesar
Halevy, Jüdin:
Kardinal Brogni
Henze, Bassariden: Kadmos
Englische Katze: Arnold
Hindemith, Cardillac (Originalfassung):
Goldhändler
Cardillac (Neufassung):
Offizier
Mathis der Maler: Lorenz von
Pommersfelden
Massenet, Manon: Graf
des Grieux
Monteverdi, Krönung der
Poppea: Seneca
Mozart, Figaro:
Bartolo
Don Giovanni: Komtur
Zauberflöte: Sarastro
Mussorgskij, Boris:
Pimen Chowanschtschina: Fürst Iwan Chowanskij/Dosifej
Offenbach, Hoffmanns
Erzählungen: Crespel
Orff, Antigonae: Kreon
Pfitzner,
Armer Heinrich: Arzt Palestrina:
Papst/Madruscht/
Kardinal von Lothringen,
Christ-Elflein: Tannengreis
Ponchielli,
La Gioconda: Alvise Badoero
Prokofjew,
Liebe zu den drei Orangen: König
Treff
Puccini,
Manon Lescaut: Geronte
La Bohème: Collin
Rimskij-Korssakow, Mainacht: Dorfschulze
Märchen vom Zaren Saltan: Zar
Saltan
Rossini,
La Cenerentola: Alidoro
Tell: Geßler
Schreker,
Die Gezeichneten: Lodovico Nardi
Strauss,
Schweigsame Frau: Morosus
Daphne:
Peneios
Strawinsky,
The Rake's Progress: Trulove
Thomas,
Mignon: Lothario
Tschaikowskij, Onegin: Fürst
Gremin
Verdi,
Nabucco: Zacharias
Ernani:
Don Ruy Gomez de Silva
Attila:
Attila
Macbeth:
Banquo
Räuber:
Maximilian
Luise Miller:
Graf
Rigoletto:
Sparafucile
Troubadour: Ferrando
Sizilianische Vesper: Giovanni da Procida
Simone
Boccanegra: Fiesco
Maskenball: Samuel
Macht des
Schicksals: Pater Guardian
Don Carlos:
Philipp/Großinquisitor
Aida:
Ramphis/König
Otello: Lodovico
Wagner,
Tannhäuser: Landgraf
Lohengrin: König Heinrich
Tristan: Marke
Meistersinger: Pogner
Rheingold: Fasolt/Fafner
Götterdämmerung: Hagen
Parsifal: Gurnemanz
Weber,
Freischütz: Kaspar
Euryanthe: König
Wolf-Ferrari,
Vier Grobiane: Cancian
Zemlinsky,
Kleider machen Leute: Amtsrat
Zitatende
Quelle: Rudolf Kloiber – Handbuch der Oper - Bärenreiter -
2019 |
Die Lesung der Partien
und ihrer Fächer zeigt auch die unendliche Vielfalt der Opernliteratur
und die Erbärmlichkeit der Spielpläne mancher Opernhäuser.
Die wenigen Stücke, von denen die Theaterleiter annehmen, sie seien
Publikumsrenner, werden dann auch noch so in ihrer Darbietung auf der
Bühne verfälscht, dass ein gebildetes Publikum sie ablehnt und fern
bleibt.
Das ungebildete Publikum amüsiert sich lauthals über jeden seichten Gag,
was die Theaterleitung als Erfolg auslegt.
Das geht dann aber doch lieber in ein Pop Konzert.
Die wunderbare Opernkunst muss nicht jedem modischen Trend
hinterherlaufen.
Drum soll ein Fußballtrainer das letzte Wort haben.
Jens Keller, Coach des ersten FC Nürnberg:
“Es ist schon Wahnsinn in welcher Welt wir
mittlerweile leben, was man alles mitmachen muss, wenn man in der
Öffentlichkeit steht!“
Marie-Louise Gilles
Thema des Tages
16. Dezember 1740 – vor 280 Jahren –
Kaum auf dem Thron in Preußen wird der Philosoph zum Aggressor
Friedrich – mit
eben diesem alleinigen Namen ‘Friedrich‘ - war aufgewachsen als eines
von 13 Kindern, die sein Vater Friedrich Wilhelm I. mit seiner Frau
Sophie
Dorothea bekam.
Bis zu seinem sechsten Geburtstag lebte Friedrich gemeinsam mit seiner
älteren Schwester Wilhelmine - zu ihr hatte er zeitlebens ein enges
Vertrauensverhältnis - die wiederum die älteste überlebende Tochter war,
in der Obhut der nur französisch sprechenden Marthe de Roucoulle, einer
in Frankreich geborenen Hugenottin, die schon seinen Vater – Friedrich
Wilhelm I. – als Gouvernante betreut hatte.
Der König forderte für Friedrich eine strenge militärische und
calvinistisch-religiös geprägte Erziehung, die kaum Freiraum für dessen
schöngeistige Neigungen ließ.
Die Kinder, verschreckt von den permanenten militärischen
Erziehungsmaßnahmen des Vaters, flohen in die Obhut der Mutter,
Sophie-Dorothea von Braunschweig-Hannover-Lüneburg, einer gebildeten
Frau, die die Neigungen ihres Sohnes Friedrich, sich den schönen Künsten
– der Literatur und der Musik – zuzuwenden, förderte und ihn und seine
Geschwister vor dem Wüterich als Vater in Schutz nahm.
Friedrichs späterer Erzieher, der Hugenotte J.E.
Duhan de Jandun, setzte sich
über die Vorgaben des königlichen Vaters hinweg, und unterrichtete den
Kronprinzen auch in Latein, Französisch, Literatur. Als der König davon
erfuhr, wurde Duhan verhaftet.
Alles litt unter dem despotischen König, der nicht davor
zurückschreckte, seine Untertanen mit Knüppeln zu verdreschen.
|
|
Zitat
„… sowie ich eintrete,
fasst er mich bei den Haaren, wirft mich zu Boden, und nachdem
er seine starken Fäuste auf meine Brust und meinen ganzen Leib
erprobt hat, schleppt er mich an das Fenster und legt mir den
Vorhangstrick um den Hals.“
Zitatende |
Quelle:
https://www.welt.de/geschichte/article113882412/Der-Soldatenkoenig-pruegelte-seine-Beamten-zur-Arbeit.html
Als Friedrich begann, Bücher zu sammeln, sich
eine Bibliothek aufzubauen – hier waren Werke in französischer Sprache
in der Überzahl – versteckte die Mutter diese.
Auch das Flötenspiel, das der Kronprinz bei einem Besuch am sächsischen
Hof von August II. in Dresden, kennenlernte und das ihm ab 1728 von
Johann Joachim Quantz, dem Flötisten der Kurfürstlich-Sächsischen und
Königlich-Polnischen Kapelle gelehrt wurde, was der Soldatenkönig jedoch
sofort verbot, unterstützte die Königin ihn und sie verbarg die
gemeinsamen Aktivitäten mit seiner Schwester Wilhelmine – sie spielte
die Laute - vor dem Vater.
Die Konflikte zwischen dem tyrannischen, nur aufs Militärische und aufs
Ökonomische fixierten Vater und dem Kronprinzen spitzen sich immer mehr
zu.
Die ständigen Attacken des Vaters führten
dazu, dass Friedrich sich entschloss, das Land, den Hof des Vaters zu
verlassen und damit auch seinen Anspruch auf den Thron aufzugeben. Er
wollte nach England, wo sein Onkel Georg aus dem Hause Hannover als
Georg II. König war. Begleiten sollte ihn sein Freund Katte.
|
|
Zitat
Hans Hermann von Katte
... am 06.
November 1730 in Küstrin hingerichtet
War es nur
Freundschaft oder vermutete der preußische König, Friedrich
Wilhelm I., mehr hinter der Beziehung des 26-jährigen Hans
Hermann von Katte zu seinem Sohn, dem brandenburgisch
preußischen Kronprinzen Friedrich?
Der war gerade 18 Jahre alt und fühlte sich dem erzieherischen
Druck des Vaters, des 'Soldatenkönigs', nicht gewachsen, wollte
weg vom preußischen Hof und versuchte einen Aufenthalt im 'Zeithainer
Lustlager' - einem von August dem Starken veranstalteten Manöver
nahe der sächsisch-brandenburgischen Grenze bei Riesa in der
Nähe von Meißen - zur Flucht über Frankreich nach England zu
nutzen.
Diese wurde
entdeckt, Katte hielt zwar nur die Stellung in Potsdam, aber
beide wurden verhaftet und wegen Fahnenflucht abgeurteilt, da
die beiden Leibpagen des Kronprinzen - hier vor allem der
jüngere Bruder des Peter Karl Christoph von Keith - den
Fluchtplan aus Angst vor dem König diesen ihm verriet.
Der König verschärfte das Urteil, in der Form, dass Katte am 6.
November 1730 hingerichtet wurde und Friedrich des Freundes
Exekution ansehen musste.
Eine gnädige Ohnmacht bewahrte ihn vor dem schrecklichen Bild.
König Friedrich Wilhelm I. sah Katte als 'Verführer' seines
Sohnes und rächte sich mit dem Todesurteil an den ihm verhassten
'femininen' Neigungen seines Sohnes.
Der britische Historiker Alfred Leslie Rowse (* 4. Dezember 1903
† 3. Oktober 1997) behauptet, Katte sei der 'aktive' Partner
einer homosexuellen Beziehung mit Friedrich gewesen.
Katte war tot und Friedrich wurde in der Festung Küstrin in
Einzelhaft gehalten.
Der
Erste Weltkrieg hatte gerade begonnen, da las man
folgenden Hinweis:
Katte
Ein Schauspiel in 5 Aufzügen
- uraufgeführt am Hoftheater Dresden 6. November 1914,
Verfasser der deutsch-nationale Schriftsteller, Dichter
und Kunstmaler Hermann Burte
(* 15. Februar 1879 in Maulburg als Hermann Strübe; †
21. März 1960 in Lörrach).
|
|
Zitatende - Quelle: :
http://www.telezeitung-online.de/Thema_des_Tages_06._November_2020_Katte.htm
Während der Küstriner
Haftzeit ging Kronprinz Friedrich in sich, wollte er doch nicht alles
aufs Spiel setzen – schaute sich doch der König bereits nach einem
anderen Thronfolger innerhalb der Familie um.
Als am 15. August 1731 der König auf der Durchreise nach Sonnenburg - in
Küstrin eintraf, fiel Friedrich vor dem König in aller Öffentlichkeit
auf die Knie, küsste die Schuhe des Königs und bat seinen Vater um
Verzeihung.
Der war beeindruckt, durchschaute das Spiel nicht und Friedrich erhielt
die Erlaubnis, die Festung nachmittags zu verlassen und auch die Domänen
in der Umgebung zu besichtigen.
Dass der König in Sorge
um das Bestehen der Monarchie war, zeigte sich auch darin, dass er
Friedrich zur Ehe zwang und dieser 1732 einer Heirat mit der ungeliebten
Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern zustimmen musste, was aber
nicht zu Nachwuchs für den Thron führte.
Friedrich schenkte seiner zwangsweise Angetrauten später ein Schloss im
Bezirk Lichtenberg vor
Berlin mit den Worten:
„Hier kann sie schön hausen“ - hiernach Schloss Hohenschönhausen
genannt. Weder im Stadtschloss Potsdam, noch in Sanssouci, noch im Neuen
Palais war sie jemals willkommen. Als er sie nach Jahren wiedersah,
meinte er nur: "Madame ist ziemlich fett geworden.“
Nach der Heirat und nach dem Bezug des Palais in Ruppin, das ihm
der Vater in Verbindung mit einer dort stationierten Soldateska
zugewiesen hatte, begann er, dort einen eigenen Hof aufzubauen, scharte
Wissenschaftler, Künstler um sich und lebte so nach seinen Vorstellungen
außerhalb des unmittelbaren Zugriffs des Vaters.
Im Juni 1732 kam Quantz nach Ruppin
zur Weiterführung des Flötenunterrichts.
Um eine friedrizianische Hofmusik weiter aufzubauen, berief der
Kronprinz Johann Gottlieb Graun von Dresden nach Ruppin.
Am 17. April 1733 kam Franz Benda dorthin, nachdem die Kapelle des
Sächsischen Hofes nach dem Tod August II. im Februar 1733 aufgelöst
wurde.
1734 besuchte der ehemals sächsische Konzertmeister und Violinlehrer
Pisendel mit einem Sänger den Potsdamer Hof.
Friedrich war von den Darbietungen so angetan, dass er den Wunsch
äußerte, selber ein Opernensemble aufzubauen, worin auch Kastraten im
Alter von 14 bis 15-Jahren Beschäftigung finden sollten. 1737 schrieb er
seiner Schwester Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth, dass er jeden
Moment die Ankunft eines solchen Sängers erwarte, der sehr gut sein
solle.
Dies kam allerdings nicht zustande, da die Herrschaften zunächst lieber
auf hohe Verdienste im nebligen Norden verzichteten und sich mit
niedrigem Salär im sonnigen Süden beschieden.
Der Kronprinz hatte nun den Freiraum, den er für seine Studien
benötigte. Er las viel, übte das Flötenspiel, komponierte für dieses
Instrument und versuchte sich sogar an Orchesterwerken.
Albrecht Wolfgang Graf zu Schaumburg-Lippe überließ er eine Symphonie,
die er 1736 komponierte und ging im Begleitschreiben davon aus, dass der
Graf die in der Musik ausgedrückten Gedanken entziffern werde.
Der Graf dankte. Die Komposition sei von edlem Geschmack, die Harmonie
sei richtig, die Melodik großartig, Mittel- und Bassstimme seien
meisterhaft gesetzt.
Eine zweite Symphonie wurde später
nach Bückeburg gesandt. Auch die beurteilte der Graf positiv. Diese
Symphonie habe ihm noch besser gefallen als die erste, meinte er in
seinem Dankschreiben vom 22. Januar 1739.
Im Juni 1736 war der Hof nach
Rheinsberg – noch weiter weg vom Preußischen Hof in Potsdam und Berlin –
verlegt worden.
Friedrich bezog ein Schloss, das er von den Johann Gottfried Kemmeter
und Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff umbauen und erweitern ließ.
Foto: dpa/Bernd Settnik / Tagesspiegel
|
|
Zitat
Das Residenzschloss Friedrichs gilt als
Musterbau des friderizianischen Rokokos und diente als Vorlage
für Potsdam-Sanssouci.
In der kronprinzlichen Kapelle wirkte Carl Philipp Emanuel Bach
als Kammer-Cembalist Friedrichs.
Durch den Um- und Ausbau des Schlosses entwickelte sich
Rheinsberg zu einer kleinen barocken Residenzstadt.
Zitatende |
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rheinsberg
In Rheinsberg stellte Friedrich
seine großen musikalischen Aktivitäten zurück. Er meinte, seinen eigenen
Ansprüchen an perfekte Kompositionen nicht genügen zu können, es reiche
eben nur zu Flötenkonzerten.
Hier vor den Toren Potsdams entwickelte Friedrich sein Profil als
Philosoph auf dem Thron.
Der französische Aufklärer und Philosoph Voltaire gehörte zu den vom
Kronprinzen bevorzugten Denkern der Zeit.
Er machte sich Voltaires Ansichten zu eigen, denn fortan erklärte er die
Pflege des Talents zu Kunst und Wissenschaft, darunter der Musik, zur
Pflicht des Edelmannes.
Um dem neben Regierungsgeschäften und Exerzieren mit seinen Soldaten
noch Zeit für seine geistigen Tätigkeiten zu finden, bedurfte es eines
täglichen Ablaufplanes.
Von sechs Uhr morgens bis ein Uhr mittags widmete er sich der Lektüre.
Nach der Mittagspause las er bis sieben Uhr in seinen Akten. Zur
Entspannung begann dann die Abendmusik, die meist bis neun Uhr dauerte,
dann schrieb er Briefe bis es um zehn Uhr zum Abendessen ging.
Mit Voltaire begann er am 8. August 1736 eine Korrespondenz, die bis zum
Tod Voltaires 30. Mai 1778 – ohne Unterbrechungen somit auch während der
dreijährigen Anwesenheit des Dichters in Potsdam von 1750 bis 1753 –
aufrechterhalten wurde.
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Zitat
1736 ist der preußische
Kronprinz Friedrich 24 Jahre alt.
Sein Fluchtversuch aus Preußen, die Hinrichtung seines Freundes
Hans Hermann von Katte, seine Haftstrafe in Küstrin liegen
hinter ihm.
Friedrich ist 1736 Regimentskommandeur in Ruppin da er nach
anfänglichem Widerstand auch in die Ehe mit Elisabeth Christine
von Braunschweig-Bevern eingewilligt hat, darf er sich mit
väterlicher Erlaubnis Schloss Rheinsberg nach seinem Geschmack
ausbauen.
In Rheinsberg bei Ruppin lebt es sich 1736 recht angenehm, will
sagen unmilitärisch.
Aus Berlin, wohin der Kronprinz zuweilen zum Rapport muss,
kommen die Komponisten Carl Heinrich Graun und Franz Benda zum
Musizieren aufs Land.
1736 rudern die kronprinzlichen Freunde Charles Etienne Jordan
und Dietrich Freiherr von Keyserlingk die Barke mitsamt
philosophierendem Cercle über den Rheinsberger See.
Hans Georg Wenzelslaus Freiherr von Knobelsdorff malt die
märkischen Ausflügler.
In Rheinsberg hat Friedrich seine Bibliothek in einem der beiden
runden Schlosstürme unterbringen lassen.
In diesem Raum mit antiker Literatur sowie neueren Werken - fast
durchweg aus Frankreich - blickt ein Gemälde von der Wand.
Der darauf abgebildete Voltaire ist im Jahre 1736 42 Jahre alt
und hatte bereits 1718 bei seinen Namen ‘Francois Marie Arouet
der Jüngere‘ die Buchstaben umsortiert, dabei aus dem ‘u‘ ein
‘v‘ und aus dem ‘j‘ ein ‘i‘ gemacht.
Auf dem Theaterzettel seiner erfolgreichen Tragödie ‘Oedipe‘
hatte dann 1718 zum ersten Mal der neue Name des Dichters von
‘Oedipe‘ gestanden: ‘Voltaire‘.
Zitatende
Quelle: Voltaire –
Friedrich der Große – Briefwechsel – DTV - 2012 |
1739 verfasste Friedrich die
Denkschrift ‘Anti-Machiavell‘, die er als Kritik an der Schrift ‘Der
Fürst‘ von Niccolò Machiavelli verstand. Der hatte ausgeführt, der Fürst
solle besser gefürchtet als geliebt werden. Friedrich sah es anders: er
wolle der „erste Diener des Staates“ und nicht Herrscher ‘von Gottes
Gnaden‘ sein.
Mit Schreiben vom 3. Februar 1740 übersandte er Teile des
Anti-Machiavell-Textes an Voltaire zur Korrektur.
|
|
Zitat
Mein teurer Freund, ich
hätte ihnen früher geantwortet, wenn die ärgerliche Lage, in der
ich mich befinde, es zugelassen hätte. Trotz der wenigen Zeit,
die ich für mich habe, fand ich Möglichkeiten, das Werk über
Machiavell, dessen Anfang Sie bekommen haben, zu beenden.
Mit dieser Post bekommen Sie die Hefe meines Tuns, und ich bitte
Sie, mich ihre
Kritik wissen zu lassen. Ich bin
entschlossen ohne Eigenliebe alles durchzusehen und zu
korrigieren, was sie für nicht veröffentlichungswürdig erachten.
Ich spreche zu freimütig über alle bedeutenden Fürsten, um
gestatten zu können, dass der Antimachiavell unter meinem Namen
erscheint. So habe ich mich entschlossen, ihn nach Korrektur als
das Werk eines Anonymus drucken zu lassen. Legen sie also Hand
an alle Beleidigungen, die Sie für überflüssig halten, und
lassen Sie keine Verstöße gegen die Reinheit der Sprache
durchgehen.
Zitatende
Quelle: Voltaire –
Friedrich der Große – Briefwechsel – DTV – 2012 – Seite 176 -
177 |
Am 23. Februar 1740
antwortete Voltaire:
|
|
Zitat
Sie gestatten mir, Sie
befehlen mir sogar, freimütig zu ihnen zu sprechen, und sie
gehören nicht zu den Fürsten, die über Gehorsam erbost sind,
nachdem sie befohlen haben, freimütig zu ihnen zu reden.
Vielmehr fürchte ich, dass sie sich ihre Wahrheitsliebe von nun
an ein wenig mit Eigenliebe vermengen wird.
Ich liebe und ich bewundere den Gehalt des ganzen Werks, und das
gibt mir den Mut, Ew. Kgl. Hoheit zu sagen, dass mir einige
Kapitel zu lang erscheinen.
[…]
Die meisten Kapitel beginnen Sie mit der Widerlegung dessen, was
Machiavell in seinem Kapitel behauptet; doch falls Ew. Kgl.
Hoheit die Absicht hegen Machiavell und seine Widerlegung
nebeneinander zu drucken, könnte man dann nicht die erwähnten
Einleitungen weglassen, die natürlich absolut notwendig werden,
wollte man ihr Werk für sich alleine drucken?
Zudem kommt es mir so vor, als verschanze Machiavell sich
zuweilen auf einem Terrain und Ew. Kgl. Hoheit rängen ihm auf
einem anderen nieder.
[…]
Machiavelli war umgeben von finsteren Exempeln der Schurkerei.
Darüber sprechen Ew. Kgl. Hoheit an anderer Stelle; wäre dies
nicht die passende? Ist nicht hier der rechte Platz dafür? Ihrem
luziden Geiste gebe ich das zu bedenken.
Zitatende
Quelle: Voltaire –
Friedrich der Große – Briefwechsel – DTV – 2012 – Seite 179 -
180 |
Im Spiel mit Worten - vornehmlich in
französischer Sprache –verfasste Friedrich unzählige Texte, schrieb
Dramen und Opernlibretti, diskutierte philosophische Themen, erarbeitete
er sich ein hohes musikalisches Wissen und kompositorisches Können.
Er betätigte sich als Flötist und Komponist sowie als Organisator seiner
gesamten Hofmusik. Er bestimmte, welche Musik aufgeführt wurde und wer
sie vortrug, welche Ausgaben getätigt wurden, ob die Gagen und
Sachkosten angemessen waren und zwar bis ins kleinste Detail, dies
alles unter steter, peinlich genauer Kontrolle.
Sein Künstlertum war integraler Teil seiner Würde als König, seines
monarchischen Selbstverständnisses.
●
Kaum Beachtung fand die deutsche Dichtung, das deutsche
Schauspiel in der Welt des Kronprinzen und auch später des Königs in und
später von Preußen.
Das geradezu zwanghafte Übernehmen der Hofregeln des Ludwig XIV. von
Frankreich durch alle europäischen Höfe, führte dazu, dass der
Schwerpunkt bei der Erziehung des Kronprinzen durch die französische
Gouvernante in der französischen Sprache gesehen wurde, was die deutsche
Sprache zurückstellte, so dass sich Kronprinz und späterer König mit
dieser sein Leben lang schwertat und sich bewusst oder ungewollt
ersatzweise eines unflätigen Kutscherdeutschs bediente.
1768 konnten die Berliner - endlich in einem festen Gebäude - im
Komödienhaus im Innenhof der
Behrenstraße 13 Lessings ‘Minna
von Barnhelm‘ erleben und am 9. Juni 1771 sah man unter der Leitung von
Theaterdirektor Heinrich Gottfried Koch die Uraufführung von Lessings
‘Miss Sara Sampson‘.
Der König nahm Goethe mit seinem ‘Götz von Berlichingen‘ zur Kenntnis,
denn der wurde hier 1774 uraufgeführt. 1783 zeigte man zum ersten Mal
Lessings
Nathan der Weise.
Kannte er Schiller, dessen ‘Räuber‘ vom 13. Januar 1782 in Mannheim und
seine ‘Kabale und Liebe‘, die am 13. April 1784 in
Frankfurt am Main uraufgeführt
wurden?
Geprägt wurde das Schauspiel in deutscher Sprache bis in diese Zeit in
Deutschland von den Wanderbühnen mit ihren Stehgreifspielen in schnell
aufgestellten und wieder abgerissenen und eingepackten Bretterbuden
durch:
- Friederike Caroline Neuber bzw. Neuberin (* 9. März 1697 in Reichen-
bach im Vogtland; † 30. November 1760 in Laubegast bei Dresden)
- Johann Friedrich Schönemann (* 21. Oktober 1704 zu Crossen / Oder;
† 16. März 1782 in Schwerin),
- Konrad Ernst Ackermann (* 1. Februar 1712 in Schwerin; † 13. Novem-
ber 1771 in Hamburg)
- Friedrich Ludwig Schröder (* 3. November 1744 in Schwerin; † 3. Sep-
tember 1816 in Rellingen).
Herausragend hier die Figur des Harlekins, des Hanswurst, den die
Neuberin von der Bühne zu verdrängen suchte. Es gelang ihr kaum, denn
das Volk wollte sich auf die Schenkel klopfen und johlen. Ein
Unterschied zum heutigen Publikum ist nicht zu erkennen.
Zwangsläufig ergaben sich unter den Wandertruppen Rivalitäten, jede
versuchte Plätze des Erfolges für sich zu requirieren und zu behalten.
Schönemann sah im Norden sein Einzugsgebiet bedroht, so dass er sein
Augenmerk auf Berlin richtete, da dort Kronprinz Friedrich dann doch
eine Revision der Schauspiels anstrebte.
|
|
Zitat
In Berlin war die
deutsche Schauspielkunst durch Friedrichs großer Vorliebe für
die französische fortwährend zurückgeblieben.
Die feine Welt besuchte außer
den Karnevalsvorstellungen der italienischen Oper nur das
französische Theater […] wo zeitweilig die größten Talente der
Pariser Bühne, auch Lekain und Aufresme erschienen.
Natürlich blieb das deutsche
Theater so nur zur Unterhaltung der unteren Bildungsschichten im
Publikum; man verirrte sich aus der besseren Gesellschaft nur
dahin, „um einmal tüchtig zu lachen“. Unter den Wanderbühnen,
die sich in Berlin zeigten, befand sich auch die Ackermann‘sche
[…]; ihre acht Vorstellungen auf dem Rathause machten aber die
Wirkung eines Streifzugs, und wenn auf demselben Jahre Franz
Schuch ein Generalprivilegium für die preußischen Länder erhielt
und länger als sonst in Berlin verwaltete, so war eben damit
auch nichts gewonnen. Dieser letzte Ritter der Harlekinaden
wurde alt, überließ die Pritsche seinem rohen Sohn, der nach des
Vaters Tod 1764 in dessen
Rechte eintrat und durch das außerordentliche Glück, das seiner
wüsten Wirtschaft anhing, in Stand gesetzt wurde, das sehr
bekannt gewordene Theater in der Behrenstraße – [heute Standort
der Komischen Oper Berlin – der Verf.] - zu erbauen.
Zitatende |
Quelle: Eduard
Devrient – Geschichte der Deutschen Schauspielkunst – Henschelverlag
Berlin 1967 – Seiten 316 / 350
●
Erschreckend,
dass der Kronprinz, dieser Philosoph und Schöngeist in Preußen –
entgegen der Vorgabe des Vaters, keine Angriffskriege zu führen – kaum
auf dem Thron beschloss, sich Schlesien anzueignen.
Er war gerade am 24. Januar 1740 28 Jahre alt geworden, als
- der Vater am 31. Mai 1740 mit nur 53 Jahren starb,
- er von dem Tage an die Regentschaft als ‘Friedrich II.‘ übernahm ‚
er damit ‘König in Preußen‘ und 'Kurfürst von Brandenburg’ wurde, und
- er von da an - für ihn bis dahin Wertvolles- beiseiteschob.
Am 22. Dezember 1711 war Karl VI. Franz Joseph in Frankfurt am Main zum
römisch-deutschen Kaiser und
Erzherzog von Österreich sowie Souverän
der übrigen
habsburgischen Erblande gewählt worden.
Während seiner Regierungszeit war er bestrebt, die ‘Pragmatische
Sanktion‘ bei den Herrschern Europas durchzusetzen, um seiner Tochter
Maria Theresia die Regentschaft zu ermöglichen.
Am 20. Oktober 1740 starb er in Wien und
‘Friedrich II. in Preußen‘ machte sofort deutlich, dass er die von Karl
VI. mit den übrigen Fürsten vereinbarten Regelungen nicht anerkennen
werde.
Am 11. Dezember 1740 stellte Friedrich II. Österreich ein Ultimatum für
die Abtretung Schlesiens an Preußen. Im Gegenzug würde er die
‘Pragmatische Sanktion‘, Maria Theresia als Nachfolgerin anerkennen und
den österreichischen Mitregenten Franz I. Stephan, Schwiegersohn des
verstorbenen Kaisers Karl VI. und Ehemann von Maria Theresia, bei der
Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
unterstützen.
Friedrich wartete die Antwort Österreichs nicht ab, sondern setzte am
16. Dezember 1740 – also vor 280 Jahren - ostwärts über die Oder bei
Frankfurt, führte eine Armee von 27.000 Soldaten südwärts nach Schlesien
hinein, deren protestantischer Teil der Bevölkerung die Preußen als
Befreier von religiöser Behinderung durch die katholischen Österreicher
begrüßte.
Ein halbes Jahr nach der Übernahme der Macht am 31. Mai 1740 wurde so
aus dem Musiker, Dichter und Philosophen ein Aggressor.
Von 1740 bis 1763 führte er drei
Kriege um Schlesien, die - mit zeitlichen Unterbrechungen -
dreiundzwanzig Jahre dauerten und in ihrem dritten – dem siebenjährigen
- Krieg die ganze Welt betrafen.
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(Preu%C3%9Fen)
Vater Friedrich Wilhelm I. ging zwar
in die Geschichte als Soldatenkönig ein, führte aber während seiner
Regentschaft von 1713 bis 1740 keine Angriffskriege.
Die einzige Teilnahme der
preußischen Armee an einem aktiven Gefecht unter seiner Herrschaft war
die am "Großen Nordischen Krieg", und diesen Konflikt mit Schweden in
Allianz mit Dänemark und Russland hatte er von seinem Vorgänger
(Friedrich I. in Preußen) übernommen.
Sein Sohn, Friedrich II., hingegen nutzte das Heer seines Vaters, um
Brandenburg-Preußen die österreichische Provinz Schlesien abzuringen.
Die Kriege um diese Region reihten
sich in Folge aneinander:
Der Erste Schlesische Krieg
1740 bis 1742
Friede von Breslau am 11. Juni 1742; Preußen erhält Ober- und
Niederschlesien und die Grafschaft Glatz.
Der Zweite Schlesische Krieg
1744 bis 1745
Friede von Dresden am 25. Dezember
1745;
Preußen erhält seine schlesischen Besitzungen bestätigt.
|
|
Thema des Tages
Schlacht bei Hennersdorf am 23. November 1745
Der Zweite Schlesische Krieg näherte sich seinem Ende.
Friedrich II. hatte schon 1740/42 um Schlesien gekämpft und
gewonnen.
Maria Theresia gab aber als seine Kontrahentin nicht auf und
Schlesien für Österreich nicht verloren.
Ersatzweise drang sie in Bayern ein und okkupierte das Land am
27. Juni 1743, Friedrich musste handeln, da er sich von Süden
bedrängt fühlen musste, gewann Partner - außer Russland, das
durch Elisabeth I. von Russland regiert wurde und die kein
Interesse an einer ausgewogenen Partnerschaft mit Preußen hatte.
Im August 1744 fiel er in Böhmen ein, Österreich wich zurück und
verlängerte damit für die nachrückenden Preußen die
Versorgungswege.
Der Krieg zog sich hin und erst im Juni 1745 gelang es Preußen
bei Hohenfriedberg die Österreicher zu schlagen.
Dann aber marschierten österreichische Truppen in Sachsen ein
und es kam zur Schlacht bei Hennersdorf, bei der die sächsischen
Truppen aufgerieben wurden und deren Munitionslager den Preußen
in die Hände fielen.
Die letzte Schlacht war am 15. Dezember 1745 bei Kesseldorf, der
Friede von Dresden vom 25. Dezember 1745 beendete den Zweiten
Schlesischen Krieg.
Friedrich nahm aus Sachsen als Beute Geld und Porzellan – und
Sänger für seine Oper in Berlin.
Dort
zog er als Sieger ein, wurde bejubelt
und fortan ‘Friedrich der Große‘ genannt. |
Dann der Dritte Schlesische Krieg
- auch als der Siebenjährige Krieg
bezeichnet von 1756 bis 1763
Friedensschluss von Hubertusburg am
15.2.1763 zwischen Österreich und Preußen.
Die Zwischenperioden waren geprägt
von Unruhen, die nicht nur die europäischen Mächte gegeneinander
aufbrachte, darin lag auch der Unabhängigkeitskrieg in Amerika.
Als im
Dritten Schlesischen Krieg seit dem Frühjahr 1756 die
Koalitionsverbündeten den Aufsteiger Preußen mit starken Kräften von
allen Seiten angriffen, suchte Friedrich II. eine Waffenentscheidung
gegen den zunächst gefährlichsten Gegner herbeizuführen.
Russische und Österreichische Streitkräfte hatten sich östlich der Oder
bei Kunersdorf vereinigt und bedrohten das 50 Km westlich gelegene
Berlin.
|
Der
preußische Angriff lief sich fest. Nördlich Kunersdorf
konzentrierten sich nun die Kämpfe. Friedrich schickte alle
verfügbaren Truppen in die Schlacht, um hier den Durchbruch zu
erzwingen.
In einem verlustreichen Ringen begann der Gegner zu wanken. Der
Sieg schien zum Greifen nahe. Doch erlahmten nun auch die
preußischen Kräfte, welche durch immer neue – vorwiegend
russische – Truppen bedrängt wurden.
Nach stundenlangem Ringen wichen die ersten preußischen
Regimenter.
Sie mussten den Rückzug antreten. Dabei kam es zu Unordnung und
schließlich zur Flucht.
Die Armee Friedrichs war schwer erschüttert und in Auflösung
begriffen. Nur mit Not entkam Friedrich selbst der
Gefangennahme.
Er musste sich gar vor umherstreifenden feindlichen Soldaten
verstecken.
Zutiefst überzeugt davon, den Krieg verloren zu haben und seinen
Feinden ausgeliefert zu sein, trug er sich mit Todesgedanken.
Die Österreicher und Russen, schätzten die Lage offensichtlich
falsch ein. Anstatt die Reste der preußischen Armee zu
zerschlagen und Preußen und vor allem Berlin zu besetzen,
verhandelten sie miteinander und berieten, was zu tun sei, zogen
dann nach Osten und Süden auf der Ostseite der Oder ab.
Friedrich fing sich wieder, ordnete seine Truppen und schrieb 14
Tage später, am 1. September 1759, seinem Bruder Heinrich:
|
Zitat
„Ich verkündige Ihnen das Mirakel des Hauses
Brandenburg. In der Zeit, da der Feind die Oder
überschritten hatte und eine zweite Schlacht hätte wagen
und den Krieg beendigen können, ist er von Müllrose nach
Lieberose marschiert.“
Zitatende |
Die
Niederlage bei Kunersdorf blieb für Preußen ohne Folgen für den
Ausgang des Siebenjährigen Krieges.
Friedrich II. wurden im
Verlauf der Schlacht zwei Pferde unter dem Leib erschossen. Eine
feindliche Kugel prallte an seiner dadurch legendär gewordenen
Tabakdose ab (sie ist
ausgestellt in der Waffen- und Schatzkammer der
Burg Hohenzollern).
Nur die Kühnheit des Rittmeisters
Joachim Bernhard von Prittwitz
rettete ihn vor der Gefangennahme.
Unter den Gefallenen waren der Dichter
Ewald Christian von Kleist
sowie die preußischen Generäle:
·
Generalmajor
Georg Ludwig
von Puttkamer,
Husaren-Regiment
Nr. 4
·
Generalleutnant
August
Friedrich von Itzenplitz,
Infanterieregiment Nr. 13
·
Generalmajor
Georg Ernst
von Klitzing,
Infanterieregiment
Nr. 31 |
Danach folgten die Schlachten
- bei Landeshut am 23. 6. 1760,
- bei Liegnitz am 15.8.1760.
Mit diesen war er in seinem
Machtstreben um Schlesien fast an sein und des Landes Ende gelangt.
Der letzte Kampf des Dritten
Schlesischen Krieges war der von Torgau an der Elbe, ca. 50 Km
nordöstlich von Leipzig am 3.11.1760.
|
|
Zitat
Die Schlacht tobte den
ganzen Tag.
Es ging
darum, die sich auf dem Höhenzug bei Torgau verschanzten
Österreicher zu besiegen.
Friedrich
gelang es mit seinem Reitergeneral Hans Joachim von Zieten den
Feind auf den Höhen zu umzingeln, von allen Seiten anzugreifen
und am Ende des Tages die Österreicher zu besiegen.
Friedrich
verlor in der Schlacht 25 Prozent seiner Armee, die Gegenseite
30 Prozent.
Die
Situation wendete sich grundsätzlich als Elisabeth I. von
Russland ihren Neffen Peter als Thronfolger vorsah, was sich
aber noch nicht direkt auswirkte.
Da Peter
auf persönlicher Basis sehr mit Friedrich sympathisierte, führte
er mit ihm schon seit langem einen intensiven Schriftverkehr und
stimmte mit dessen Vorstellungen einer zeitgemäßen Staatsführung
überein.
Als 'Tante
Elisabeth' 1761 starb, folgte der Neffe als Peter III. auf den
Thron, er zog die Russen aus dem Krieg mit Preußen zurück,
beendete die Kriegshandlungen gegen Friedrich und schloss mit
ihm am 5. Mai 1762 den Frieden von St. Petersburg, dem sich am
22. Mai 1762 die Schweden anschlossen.
Damit
zerbrach die Koalition und Österreich blieb allein als Gegner
Preußens im dritten Schlesischen Krieg übrig. Maria Theresia
konnte am 29. Oktober 1762 in der Schlacht bei Freiberg
endgültig besiegt werden und Schlesien blieb bei Preußen.
Zitatende |
Quelle:
http://www.telezeitung-online.de/Thema_des_Tages_03._November_2020_'Torgau'.htm
Vom Dritten Schlesischen Krieg
waren betroffen:
Großbritannien,
Preußen,
Portugal und Verbündete
Frankreich,
Spanien,
Österreich,
Russland,
Schweden und Verbündete
- auf dem Europäischen Kriegsschauplatz
Großbritannien/Kur-Hannover
u.a.
Alliierte gegen
Frankreich,
- auf dem Amerikanischen Kriegsschauplatz als
Siebenjähriger Krieg in Nordamerika
Monongahela
–
Carillon –
La Belle Famille –
Québec –
Beauport –
Abraham-Ebene –
Sainte-Foy –
Restigouche
auf dem Asiatischen Kriegsschauplatz:
Dritter Karnatischer Krieg
Cuddalore – Negapatam – Pondicherry –
Wandiwash
– Manila
Friedrich selber meinte nach Ende
der Kampfhandlungen, die Sucht nach Ruhm habe ihn verleitet.
Waren es nicht auch die drei Frauen, denen er als Krieger gegenübertrat
und die er schlagen wollte:
- Maria Theresia, die er nur als Königin von Ungarn und als ‘Erzhure‘
bezeichnete
- die Zarin Elisabeth I. von Russland
und nicht zu vergessen -
- die Pompadour – Mätresse des französischen Königs Ludwig XV.
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-81562344.html
●
Friedrich als Theaterbaumeister und
Intendant
Als dann 1740 nach Übernahme der Regentschaft das Engagement
internationaler Solisten, durch Zahlung sehr hoher Gagen möglich wurde,
widmete er sich der Komposition von Arien oder der Verzierung dieser
Gesangstücke anderer Komponisten für seine Sänger. Für diese seine
Opernsolisten und auch für die französische Schauspieltruppe schuf er
voller Leidenschaft entsprechende Bühnenräume.
|
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Zitat
Ein 17-jähriges Wunderkind
– Zum 195. Todestag –
von Dr. Ullrich Westerhagen
Wolfgang Amadeus Mozart
galt zu seiner Zeit schon in jungen Jahren in der musikalischen Fachwelt
als Wunderkind, 17 Jahre nach dessen Tod erblickte ein anderes
Wunderkind das Licht der Welt. Denn die Deutsch-Russin Elisabeth Kulmann
wurde nach dem damals in Russland gültigen gregorianischen Kalender am
17. Juli (und nach dem Julianischen am 5. Juli) 1808 in Sankt Petersburg
als jüngste Tochter des russischen Offiziers Boris Feodorowitsch Kulmann
und dessen deutscher Ehefrau Maria (geborene Rosenberg) geboren.
Auch deren Vater – ebenfalls aus einer Offiziersfamilie stammend –
verfügt über deutsche Wurzeln, denn er war der Enkel einer deutschen,
aus dem Elsass nach Russland eingewanderten Familie. Elisabeth wuchs
dadurch zweisprachig auf. In Sankt Petersburg gab es damals nicht nur
eine große deutsche Gemeinde, sondern an der südöstlichen Peripherie
dieser Zarenstadt gab es auch ein rein deutsch geprägtes
Siedlungsgebiet.
Elisabeth musste in
sehr ärmlichen Verhältnissen aufwachsen, denn kurz nach ihrer Geburt
verstarb ihr Vater und ihre Mutter musste ihre neun Kinder nun allein
durchbringen. Doch trotz aller Armut förderte die Mutter ihr jüngstes
Kind, da deren großes Sprachtalent offensichtlich war.
Außer ihren beiden
Muttersprachen erlernte Elisabeth bis zu ihrem 15. Lebensjahr sechs
weitere Sprachen mit Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch,
Portugiesisch und Neugriechisch. Zu diesen lebenden Fremdsprachen
gesellten sich in den nächsten zwei Jahren auch noch die klassischen
Sprachen Latein, Altgriechisch und Kirchenslawisch hinzu.
Mit 17 Jahren beherrschte sie also elf Sprachen! Eine phänomenale
Geistesleistung, die nur einem Sprachgenie attestiert werden kann. Nur
am Rande und zur Vollständigkeit sei erwähnt, dass sie auch über eine
gute Ausbildung in Musik, Zeichnen und Malen verfügte.
Doch der Kreativität
dieses Mädchens sind damit noch keine Grenzen gesetzt. Denn schon als
Kind widmete sie sich auch der Literatur. Bereits im 11. Lebensjahr
erschienen ihre ersten – zunächst in deutscher Sprache – verfassten
Verse, wobei sie schon kurz danach in ihren beiden anderen
Lieblingssprachen Russisch und Italienisch dichtet und sich außerdem als
Übersetzerin in acht verschiedenen Sprachen auf den Gebieten von Fabeln,
Lyrik und Dramen einen Namen macht.
Überschwänglich fallen die Stellungnahmen von zeitgenössischen
Geistesheroen wie zum Beispiel J. W. von Goethe, Johann Heinrich Voß und
Jean Paul sowohl über die Qualität dieser Übersetzungen als auch über
die Dichtungen dieses jungen Mädchens aus.
Goethe zum Beispiel
beurteilte ihre Gedichte als „vortrefflich“! Elisabeth dichtet innerhalb
von nur 6 Jahren mehr als 100.000 Verse (!). Dabei mag es dahingestellt
bleiben, ob diese imposante Anzahl, die ihr Biograph Karl Friedrich
Großheinrich angibt, den Tatsachen entspricht, verifizierbar ist diese
jedoch nicht. Doch stellt sie zumindest ein Indiz dafür dar, wie
exorbitant umfangreich die Schaffenskraft dieser jungen Literatin
gewesen sein muss.
Auch der Komponist
Robert Schumann wird auf das Wunderkind aufmerksam und wird dadurch zu
seinem opus 104 inspiriert. Er vertont 7 Texte zu Kunstliedern, welche
heute kostbare Raritäten darstellen.
Diese sind:
Viel Glück zur Reise, Schwalben!
Mond, meiner Seele Liebling
Der Zeisig
Du nennst mich armes Mädchen
Reich mir die Hand, oh Wolke
Die letzten Blumen starben
Gekämpft hat meine Barke
Und wieder einmal wird man mit der Tatsache konfrontiert, dass oftmals
das erreichte Lebensalter von Genies umgekehrt proportional zu ihrer
schöpferischen Kraft sowie ihrem umfangreichen Schaffen steht, welches
diese der Menschheit zurücklassen.
So scheint bei etlichen
Künstlern ein unerklärliches, nicht nachweisbares Gen vorhanden zu sein,
das im Unterbewusstsein suggeriert: „Deine Lebenserwartung ist nur sehr
begrenzt! Du musst deshalb die wenigen Jahre, die Dir noch zur Verfügung
stehen, mit Deiner schöpferischen Kraft konsequent und sehr effizient
nutzen, um Deiner Nachwelt Deinen Impetus, Dein kreatives Können als
Vermächtnis zu hinterlassen.“
Exemplarisch seien
hinsichtlich eines kurzen Lebensalters bei den Komponisten als
schlüssige Beispiele angeführt:
Franz Schubert (31),
Wolfgang Amadeus Mozart (35) Henry Purcell (36) und bei den Sängern
Fritz Wunderlich (ebenfalls 36 Jahre). Natürlich steht diese These
unbeweisbar im Raum. Doch sie gibt Anlass zum Nachdenken. So steht
Schuberts Lebensalter von nur 31 Jahren in keinem Verhältnis zu seinem
umfangreichen musikalischen Schaffen. Er hat neben Messen, Sinfonien,
Opern und Kammermusik allein über 600 Kunstlieder komponiert, mit immer
neuen – sich nie wiederholen oder ähnelnden Motiven.
Und Mozart? 40
komponierte Sinfonien, 17 Klaviersonaten, 42 Violinsonaten, 11 Messen, 6
Streichquartette, ungezählte kleinere Werke, 40 Lieder, 31 Serenaden, 43
Instrumentalkonzerte (darunter 25 Klavierkonzerte), 26 Streichkonzerte,
7 Streichquartette, 7 Klaviertrios, 15 Sonatensätze für Orgel, 15
Messen, Vespern, Litaneien, ferner Fantasien, Variationen, Tänze nicht
zu vergessen: 23 Opern!
Und es erübrigt sich,
in diesem Zusammenhang auch Henry Purcells Lebenswerk auszuführen. Und
bei Fritz Wunderlich (im wahrsten Sinne und Bezug zu seinen Namen) die
vielen Konzerte und Opernaufführungen weltweit und zusätzlich an
Einspielungen, wie da sind Arien und Opern: 46 geistliche Arien, Wiener
Lieder: 16 Schlager und Konzerte: 21 Kunst- und Volkslieder: 22 Arien
und Lieder: 28 und etliche andere kleinere Kompositionen aus allen
Bereichen zu bewundern. Technische Schwierigkeiten zu seiner Zeit
eingeschlossen, mit den Einspielungen auf zu schneidende Tonbänder mit
zig-fachen Aufnahmewiederholungen. So liefert auch dieser Sänger einen
Beweis für diese – nicht zu beweisende – These!
Elisabeth ist in ihrem
Alter und ihren tiefgründigen Aussagen sowie dichterischen Empfindungen
ihrem Alter weit voraus, was zwei lyrische Gedichte exemplarisch zum
Ausdruck bringen. Wobei eine sentimentale und melancholische
Grundstimmung deutlich wird, was auch erklärlich ist. Ihre Jugend ist
geprägt durch Armut und Leid. Unter dadurch bedingten, begleitenden und
sich wiederholenden schmerzhaften Vorfällen verfloss die gesamte
Jugendzeit der Dichterin. Wobei ihre einschlägigen schriftlich
hinterlassenen Gedanken vorangestellt werden sollen, die wie folgt
lauten:
Die herrlichsten
Gedanken weckt oft die Einsamkeit;
vieles Große reifet im
Schoße der Dunkelheit!
Die Natur und der Mensch
Es senkt das ganze Blumenheer
im Herbst sich in die Erde nieder.
Doch bei des Lenzes Wiederkehr
erscheint viel herrlicher es wieder.
Es senket sich die Sonn‘ ins Meer,
stets wecken sie der Lerche Lieder.
Doch keiner, sinken wir ins Grab,
nimmt uns des Todes Ketten ab.
An den Mond
Mond, meiner Seele Liebling,
wie siehst Du heut so blass?
Ist eines seiner Kinder,
o Mond, vielleicht unpass?
Kam Dein Gemahl, die Sonne,
vielleicht Dir krank ins Haus?
Und trittst Du aus der Wohnung,
weinst Deinen Schmerz
hier aus.
Ach! Guter Mond, ein gleiches
Geschick befiel auch mich.
Drin liegt mir krank die Mutter,
hat mich nur jetzt um sich!
Soeben schloss ihr Schlummer
das Aug ein Weilchen zu;
da wich, mein Herz zu stärken,
vom Ort ich ihrer Ruh.
Trost sei mir, Mond, dein Anblick,
ich leide nicht allein:
Du bist der Welt Mitherrscher,
und kannst nicht stets dich freun!
Und ein treffendes
Beispiel für eine enorme Schaffenskraft stellt eben auch das Wunderkind
Elisabeth Kulmann dar, das nur die Hälfte des Lebensalters von Mozart
erreichte und noch als Kind (nach heutiger Terminologie Heranwachsende)
am 1. Dezember 1825 im Alter von nur 17 Jahren erschöpft, ausgemergelt
und ausgezehrt starb und in ihrer Heimatstadt ihre letzte Ruhestätte auf
dem dortigen smolenskischen Friedhof fand.
Ihr Grab ziert ein
Denkmal aus carrarischem Marmor, welches die Zarin Alexandra Fjodorowna
gemeinsam mit der Großfürstin Helena Palowna gestiftet hat. Mit
eingelassenem Blattgold befindet sich die Inschrift in den 11 Sprachen,
welches dieses junge und doch so große Mädchen beherrscht hat.
Bei der Zarin schließt sich
der deutsche Bezug zu der großartigen verstorbenen jugendlichen
Dichterin. Denn Prinzessin Charlotte von Preußen, vollständiger Name
Friederike Luise Charlotte Wilhelmine von Preußen (*
13. Juli
1798 im
Schloss Charlottenburg
bei
Berlin; †
20. Oktober (jul.) /
1. November
(greg.) in
Zarskoje Selo
nahe
Sankt Petersburg)
war ein Mitglied des Hauses
Hohenzollern
und avancierte durch ihre Heirat mit Zar
Nikolaus I.
zur Alexandra Fjodorowna Kaiserin bzw. Zarin von Russland.
Schließlich hält die
Geschichte noch einen besonderen, nachdenkenswerten Sachverhalt für das
Wunderkind Elisabeth in Form eines affinen Lebensviereck mit der Zahl 17
bereit:
·
Sie wurde 17
Jahre nach dem Tod von Wolfgang Amadeus
Mozart geboren
·
einem
Kalendertag 17, nämlich am 17. Juli 1808
·
beherrscht im
Alter von 17 Jahren perfekt elf Sprachen
·
und verstarb
bereits im jugendlichen Alter von nur 17 Jahren.
Wie der Zufall manchmal im
Leben eben so spielt. –
Zitatende |
Bildungsauftrag
und Freiheit der Kunst
von KS Prof. Dr. Bernd Weikl
„Die Braut von Messina
oder die feindlichen Brüder" ist ein Drama von Friedrich Schiller, dem
der Autor die Gattungskennzeichnung „Ein Trauerspiel mit Chören" gegeben
hat. Die Uraufführung fand am 19. März 1803 in Weimar statt. Hier
Exzerpte aus der Stelle: Über den Gebrauch des Chores in der Tragödie:
|
|
Zitat
Es ist nicht wahr, was man gewöhnlich behaupten hört, dass das
Publikum die Kunst herabzieht; der Künstler zieht das Publikum
herab, und zu allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch
die Künstler gefallen. Das Publikum braucht nichts als
Empfänglichkeit, und diese besitzt es ... Zu dem Höchsten bringt
es eine Fähigkeit mit; es erfreut sich an dem Verständigen und
Rechten, und wenn es damit angefangen hat, sich mit dem
Schlechten zu begnügen, so wird es zuverlässig damit aufhören
das Vortreffliche zu fordern, wenn man es ihm erst gegeben hat.
... Aber indem man das Theater ernsthafter behandelt, will man
das Vergnügen des Zuschauens nicht aufheben, sondern veredeln.
Es soll ein Spiel bleiben, aber ein poetisches. Alle Kunst ist
der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere und keine
ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken. Die rechte
Kunst ist nur diese, welche den höchsten Genuss verschafft".
1
Zitatende |
Für die rechte Kunst, die den höchsten Genuss verschaffen soll, hat der
Gesetzgeber den staatlichen Bildungsauftrag vorgegeben, der z. B. mit
hohen Subventionen die Unkosten der Opernhäuser mitfinanziert. Aber
warum fördert in Deutschland der Staat Kunst und Kultur in diesem Umfang
und überlässt dies nicht dem Markt? Weil diese „öffentlichen Anlagen und
Einrichtungen" aus Sicht des Staates bzw. der Gesellschaft einen hohen
gesellschaftlichen Nutzen stiften. Aus genau diesem Grund werden sie mit
öffentlichen Mitteln gefördert, da sie ansonsten nicht ausreichend
hergestellt bzw. nachgefragt werden können.
In Deutschland ist also
der Nutzen von Kunst und Kultur unstrittig - explizit wird jener zum
Beispiel in der Bayerischen Verfassung als Ländersache deklariert und
dabei genauer definiert: Bildung soll nicht nur Wissen und Können
vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden und die Ehrfurcht vor
der Würde des Menschen ... im Geiste der Demokratie ... und im Sinne der
Völkerversöhnung vermitteln. Herzens- und Charakterbildung als Elemente
der Persönlichkeitsentfaltung sind mithin eine Bringschuld der
staatlichen Gemeinschaft an sich selbst. 2
Wissenschaftliche
Untersuchungen haben längst nachgewiesen, dass dies bei beglückenden
Erlebnissen - und zu jenen zählen eben auch Genuss spendende
Opernaufführungen der Wagnerschen Musikdramatik - über die Ausschüttung
von Endorphinen in bestimmten Feldern unserer grauen Zellen zu dieser
gewünschten Persönlichkeitsbildung führen kann und soll. Es handelt sich
hier vor allem um eine emotionale Ansprache und nicht primär die
wissenschaftliche oder politische Bildung, die uns über eine
gefühlsmäßige Wahrnehmung erreichen und zur Ausdifferenzierung der Sinne
führen soll. Deshalb ergeht der hoch subventionierte Bildungsauftrag an
unsere Theater.
Einigkeit gibt es seit
langem bei der Feststellung, dass Musikhören Emotionen hervorbrächte und
in der Lage sei, Stimmungen zu verändern. Auch die Unterschiede
der cerebralen Wahrnehmung bei Konsonanz und Dissonanz sind
dokumentiert4 und wichtig für zeitgenössische Musik, wenn sich
Komponisten wundern, dass ihre Werke von einem breiteren Publikum nicht
verstanden werden. Über das nicht erfüllte Aha-Erlebnis, das die
Spannung während einer Erwartungshaltung beim Hörer auflösen und in
Jubel über eine künstlerische Bühnenleistung enden soll, wird schon in
den fünfziger Jahren berichtet.
Der Wiener Kritiker
Eduard Hanslick erklärte seinerzeit als typischer „Beckmesser": Das
Schöne habe überhaupt keinen Zweck, denn es sei bloße Form, welche zwar
nach dem Inhalt zu den verschiedensten Zwecken verwandt werden könne,
aber selbst keinen anderen habe, als sich selbst. Unsere Gefühle sollen
die Musik erregen und uns abwechselnd mit Andacht, Liebe, Jubel, Wehmut
erfüllen? Solche Bestimmung habe aber in Wahrheit weder diese noch eine
andere Kunst, weil bei dem wichtigen Nachdruck, welcher unermüdlich auf
die durch Musik zu erzielende Sänftigung der menschlichen Leidenschaften
gelegt werde man oft nicht wisse, ob von der Tonkunst als von einer
polizeilichen, pädagogischen oder medizinischen Maßnahme die Rede sei.
Hanslicks L'art pour l'art ..‚ gleicht diese längst überholte Meinung
nicht so mancher Auffassung in der heutigen Theaterpraxis?
Ergebnisse
psychologischer Langzeitstudien weisen eine Verbindung zwischen Sehen
und Handeln nach. Darstellungen von Gewalt ziehen eben nun einmal
aggressives Handeln nach sich und bewirken längerfristig eine psychische
Abstumpfung, eine Art Desensibilisierung im Hinblick auf Empfindsamkeit
oder auf moralisches Aufbegehren gegenüber Gewalt in täglichen Leben.
Zumindest können solche Angebote auf den Bühnen nicht den
Bildungsauftrag erfüllen.
Sinnliche Erlebnisse
sind innere Episoden, die durch sinnliche Reize aus der Außenwelt
angeregt werden, indem sie das Tiefengedächtnis mobilisieren. Kunst
steht in einem sehr engen Verhältnis zu solchen inneren Episoden, denn
sie ist auf besondere Weise dazu angetan, die Phantasie anzuregen und
mit Emotionen aufzuladen. Ebenso wenig erstaunlich ist die Feststellung,
dass die inneren Vorstellungen von real nicht oder so nicht
existierenden Welten die Vorstufe aller Kreativität bilden. Insbesondere
bei den darstellenden Künsten, deren Gestalten uno actu erzeugt und
wahrgenommen werden muss diese Ebene der inneren Hinwendung sich bilden
können. Etwa während eines Konzertes, einer Opernaufführung, weil es
sonst kaum zur Übertragung der künstlerischen Botschaft kommen kann.
Abweisende, verstörende Vorführungen verhindern dies, denn Unverständnis
für Kunst verschließt die Empfänglichkeit für das, was Kunst zu bieten
hat. Die Empfänglichkeit des Menschen ist zwar als Potential angeboren,
bedarf aber der sorgfältigen Entwicklung, um in einem bestimmten
gesellschaftlichen Umfeld wirksam zu werden. Das ist eine genuine
Bildungsfrage.
1 Schiller,F.(1997): Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder:
Über den
Gebrauch des Chores in der Tragödie. Deutsche Schillergesellschaft,
Marbach-Neckar
2 Artikel 131, 1-3. Bildung und Erziehungsauftrag nach der bayerischen
Verfassung
3 Weikl.B (1998): Vom Singen und von anderen Dingen, Kremayr & Scheriau,
Wien
4 Koelsch. S.(2006):
Investigating emotion with music: an fMRlstudy. Human Brain
Mapping,27(3), 239-250
Meyer. L. B. (1956):
Emotion and meaning in music. Chicago: University of Chicago Press
Hanslick. E.
(1891): Vom
musikalisch Schönen, Leipzig, 6 - 10
Bendixen.P/Weikl.B (2011): Einführung in die Kultur- und Kunstökonomie,
VS Verlag, Wiesbaden
‘Richard Wagners Bild der Frau
in Cosimas Tagebüchern‘
“[...] Mit Blick auf
die Frau erkennt Wagner in der Liebe, Hingabe, im Empfang des Willens
und der Vernichtung als tätigem Opfer ihre eigentliche Wesensbestimmung.
Diese Vorstellung vom Wesen der Frau ist weitgehend geprägt von einer
Psychologisierung eines an sich biologistischen Weltbildes, dessen
Affirmationscharakter den bestehenden Machtverhältnissen gegenüber
Wagner nicht reflektiert. Er stellt den Mann dar, als das aktive,
lebenszeugende Element, die Frau als die passive, die das Leben nicht
nur des Kindes, sondern auch ihre eigene Seele und ihren Willen vom Mann
empfängt. In dieser Akzentuierung der Passivität der Frau ist von ihrer
eigenen Identität kaum die Rede. [...]“
(Susanne Vill, Das Weib der Zukunft, Stuttgart/Weimar, 2000).
In seinen theoretischen
und selbsterklärenden Schriften äußert sich Wagner mit Blick auf die
Leser über das, was er für das ’Wesen des Weibes’ hielt: Passivität,
Unbewusstheit, Hingebungseifer, zur Erlösung des Mannes aus seinem
Egoismus, ein Liebesideal zu Lasten der Frau bis zu ihrer Vernichtung.
Seine politisch-revolutionären Schriften postulieren eine gerechtere
Welt - jedoch nur für Männer.
Sein Verhalten und
seine Äußerungen über Frauen, die Cosima in ihren Tagebüchern notiert
hat, zeigen ihn reaktionär patriarchalisch, irritiert und ablehnend
gegenüber den Bestrebungen der Frauenbewegung. Ortrud, die politische
Frau fing schon zu seinen Lebzeiten an, sich zu realisieren und machte
ihm Angst.
Die Tagebücher von
1869 – 1883, dem Zeitpunkt von Richard Wagners Tod, “[...] ein treues
Protokoll des Zeitgeistes, wie es wohl unverstellter kaum denkbar ist.
[...]“
“[...] ihr sollt jede Stunde meines Lebens kennen, damit ihr mich
dereinst erkennen könnt, denn sterbe ich früh, so werden die anderen gar
wenig über mich euch sagen können, sterbe ich alt, so werde ich wohl nur
noch zu schweigen wissen. [...]“
(Martin Gregor-Dellin, / Dietrich Mack, Cosima Wagner, Die
Tagebücher, München, 1976).
Ihre Herkunft als Kind
der Gräfin d’Agoult und Franz Liszt, deren Verbindung auseinander ging,
ihre strenge, kalte Erziehung durch Gouvernanten, ihre verfehlte Ehe mit
Hans von Bülow, disponierten ihre Psyche, sich für „[...] den einzigen
Freund, den Schutzgeist und Erretter meiner Seele, den Offenbarer alles
Edlen und Wahren [...]“ (1.Januar 1869), so wie es Richard Wagner in
‚Oper und Drama’ (1850/1851) von den Frauen fordert „[...] mit der
Allgewalt vollsten Hingebungseifers zu lieben. [...]“
(Richard Wagner, Gesammelte Schriften und Dichtungen, Faksimiledruck der
Ausgabe von 1887, Moers 1976) (Oper und Drama)
Mit Bewunderung aber
auch mit Schaudern lesen wir, was Richard Wagner von ihr erwartete, wie
sie oft nach leiser Klage über das Los der armen Weiber sich zur Ordnung
der Aufopferung rief und trotzdem nie ihre Würde verlor. Die Lesung der
Tagebücher ergänzt durch Briefe unter dem Gesichtspunkt der Bemerkungen
über Frauen zeigt ein Spektrum von ernsten, spöttischen,
bösartig-patriarchalischen, manchmal auch heiteren Aussprüchen des
Genies Richard Wagner zwischen Zeitverhaftung und Antizipation.
Denkende Frauen waren
auch in der zweiten Hälfte des 19. Jh. noch zu einem Leben außerhalb der
zugewiesenen Geschlechterrolle verurteilt. Daher stimmt es bitter, wenn
Cosima am 2. Januar 1869 fragt, ob sie Schopenhauer lesen sollte “[...]
Er rät mir davon ab; durch den Mann, durch den Dichter solle die Frau
zur Philosophie kommen. Vollkommenes Verständnis meinerseits.
[...]“
(Cosima.Tagebücher Bd. I, S. 23 – im Weiteren
ausgewiesen als C.T.)
Spricht er ihr den
Verstand ab, Philosophie zu verstehen, oder fürchtet er, durch die
pessimistische Weltverneinung Schopenhauers die selbstlose Gefährtin
sich entfremdet zu sehen? Obwohl ihr die Fähigkeit zu denken wie jedem
Menschen angeboren ist, zuckt sie nach der ablehnenden Antwort auf ihre
Frage sofort zurück und begibt sich in die Demutshaltung des
vollkommenen Verständnisses.
RW wünscht sich „[...]
das Wellenmädchen, das seelenlos durch die Wogen seines Elementes
dahinrauscht, bis es durch die Liebe eines Mannes erst die Seele
empfängt.“
(Richard Wagner,
Gesammelte Schriften und Dichtungen, Faksimiledruck der Ausgabe von
1887, Moers 1976) (Oper und Drama)
Es ist die Angst des
Patriarchen vor der intellektuell gleichwertigen Partnerin. Er glaubt
sein Revier des abstrakten Denkens verteidigen zu müssen, aber einige
Jahrzehnte später werden viele ‚Ortrud-Frauen’ fragen „[...] glaubest
du, ich müsste dir nur kriechend nah’n? [...]“ (II, 1)
Gerda Lerner schreibt
zu dieser Problematik „[...] das abstrakte Denken und die Entwicklung
neuer begrifflicher Modelle, Theoriebildung [...] diese Leistung ist
abhängig davon, dass die intellektuelle Ausbildung des Einzelnen auf der
Höhe des erreichten Wissensstandes und der höchstentwickelten
Traditionen erfolgt und dass der Auszubildende von einer Gruppe
gebildeter Menschen akzeptiert wird, die durch Kritik und gegenseitige
Anregung für ‚kulturellen Ansporn’ sorgen. [...]“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New
York 1995, S. 276)
Keineswegs ist die
Grundlage des Denkens das sexuelle Geschlecht, aber die jahrtausendlange
Praxis, die ‚Gattung Weib’ von Bildung und Ausbildung auszuschließen,
nahm den Frauen die Voraussetzungen, unter denen sich abstraktes Denken
entwickeln lässt.
Am 24. Januar 1869
schildert Cosima, wie sie immer „[...] krankhafter empfindsam werde
[...]“ und ihr „[...] graut förmlich vor der Gewalt des Genius’, welche
die unergründlichen Geheimnisse des Daseins jählings vor uns aufdeckt,
wenn ich auch nichts hoch halte und preise als diese göttlich dämonische
Gewalt [...]“ nachdem RW aus dem zweiten Akt ‚Tristan’ vorgespielt
hatte.
Cosima war in ihrer
rückhaltlosen Öffnung für das Narkotikum von Richard Wagner’s Musik das
ideale Publikum und wie Elsa dem aus überirdischen Sphären
herabgestiegenen Lohengrin zu Füßen liegt und „[...] Leib und Seele frei
gibt [...]“ (1. Akt, 2. Szene) sagt sie „[...] zu dem leuchtenden
Sternen erfüllten Abgrund zieht es mich an, unwiderstehlich schaue ich
hinein und versinke bewusstlos darin.[...]“
(C.T. Bd. I, S. 42-43)
Und Richard Wagner
wünscht sich in ‚Eine Mitteilung an meine Freunde’, 1851 bezüglich der
Rezeption des Lohengrin „[...] nur der nach seinem höchsten
Empfängnisvermögen vollkommen befriedigte Gefühlsmensch, vermag auch den
neuen Stoff vollkommen zu begreifen.[...]“
(Richard Wagner, Gesammelte Schriften und Dichtungen, Faksimiledruck der
Ausgabe von 1887, Moers 1976)
Dass ihr zum
analytischen und strukturellen Aufschlüsseln seiner Werke die Kenntnisse
fehlen, beklagt sie mit einem schmerzlichen Ausruf “[...] Wir armen
Weiber, die nur lieben können, wohl sind wir zu beklagen, wenn wir des
Genius’ Geheimnis ahnen! Und doch was sind wir ohne diese Teilnehmung an
dem Genius.[...]“
(C.T. Band I, S. 43)
Es fällt viel Glanz auf
sie in der Nähe des schöpferischen Genies, aber sie leidet unter dem
Stigma der Bedeutungslosigkeit in einer Welt, die die ’Gattung Weib’
abwertet.
Am 7. Februar 1869
notiert sie “[...] ich könnte mir leicht denken, dass eine andere Zeit
mich als religiöse Schwärmerin gesehen hätte – nun hat die Liebe mich
erfasst und ganz erfüllt und weiß ich nichts andres und will ich gern
darin und darum leiden.[...]“
Elsa, die Ideal-Frau,
sehnt sich auch in ihrer Liebe nach Leid, dass sie für Lohengrin
ertragen möchte.
„Ach könnt’ ich deiner Wert erscheinen,
müsst’ ich vor dir nicht bloß vergehn;
könnt’ ein Verdienst mich dir vereinen,
dürft ich in Pein für dich mich sehn.!“ (3.
Aufzug, 2. Szene)
Warum diese Lust am
Leiden? Ist es die seit biblischen Zeiten indoktrinierte These, dass
Frau-Sein schon eine ’Ur-Schuld’ ist?
Um die Frage nach Leid
und Tod zu beantworten, haben die Autoren der Bibel, der Apostel Paulus,
die Kirchenväter, vor allem Augustinus viel Scharfsinn aufgewendet, um
Eva und allen Weibern die Schuld dafür aufzubürden. Die Geschichte von
Adam, Eva und der Schlange (Moses, 3, 1-7) hat in außergewöhnlichem
Umfang die abendländische Kultur beeinflusst und die Frauen im
Selbsthass sich selbst entfremdet. Still und gern zu leiden – wie Cosima
und Elsa – befiehlt ihnen der Apostel Paulus im 1. Tim, 2, 11 – 15.
“[...] Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. Einer Frau
gestatte ich nicht, daß sie lehrt auch nicht, dass sie sich über den
Mann erhebe, sondern sie sei stille. Denn Adam ist am ersten Tag
gemacht, danach Eva. Und Adam ward nicht verführt, und ist der
Übertretung verfallen. Sie aber wird selig werden dadurch, dass sie
Kinder zur Welt bringt, wenn sie bleiben im Glauben und in der Liebe und
in der Heiligung samt der Zucht. [...]“
Dazu schreibt Elaine
Pagels “[...] Unter Hinweis auf Evas Sündhaftigkeit kleingeholzt und
jedweder eignen Autorität beraubt, bleibt der Frau nichts übrig, als
sich unter die Fuchtel ihres Mannes zu bequemen und froh zu sein, dass
auch sie vielleicht aus ihrer Sündenschuld errettet wird – vorausgesetzt
sie lässt sich nicht gelüsten, aus ihrer angestammten
Hausfrau-und-Mutter-Rolle ausbrechen zu wollen. [...]“
(Elaine Pagels, Adam, Eva und die Schlange, Die Theologie der Sünde,
Reinbek bei Hamburg, 1991)
Ortrud dagegen,
unbeeinflusst von jüdisch-christlicher oder griechisch-römischer
Frauenverachtung verhält sich kämpferisch und verkündet:
„Mein Leid zu rächen will ich mich
vermessen,
was mir gebührt, das will ich nun empfahn.“
(2. Aufzug, 4. Szene)
Damit überschreitet
sie die Grenze des Schicklichen, missachtet das Postulat des
schweigenden Leidens, das Cosima zwar beklagt, aber nicht zu
durchbrechen wagt. Ortrud ist die einzige unter allen Frauengestalten
Wagners, die sich aus der ’Gattung Weib’ individualisiert und öffentlich
gegen das „[...] falsch Gericht [...]“ protestiert. (2. Aufzug, vierte
Szene)
Und die weitere
Entwicklung hat ihr Recht gegeben, Klagen und Leiden sind nicht
geeignet, Missstände zu beseitigen, auch wenn es unbequem für
Patriarchen ist.
Hierzu meint Dieter
Borchmeyer: „[...] Nach Wagners Theorie ist das Weib bisher stärker noch
dem natürlichen Gattungsinstinkt unterworfen, als der entschiedener vom
naturüberschreitenden Individualverhalten bestimmte Mann – eine
Geschlechterunterscheidung, die freilich durch die moderne
gesellschaftliche Entwicklung allmählich aufgehoben zu werden
scheint.[...]“
(Dieter Borchmeyer, Über das Weibliche im Menschlichen in Richard
Wagners Musikdramen, in Vill, Susanne, (Hrsg.) Das Weib der
Zukunft, Stuttgart/Weimar, 2000)
Dass Richard Wagners
patriarchales Wunschdenken, pseudowissenschaftlicher Unsinn, seit der
Antike unkritisch wiederholt wird, dokumentiert sich am 22. Juni 1869,
als Cosima bei der Betrachtung ihrer fünf Kinder feststellt „[...] in
Bezug auf die beiden ältesten, die keinen Zug von mir haben, sagt er, da
sähe man, wie das Weib sich verhalte, wie die Erde zur Sonne, sie sei
ganz passiv, und nur, was der Mann hineinlegt, kommt heraus; außer wenn
die Erde nun selbst in Affekt, in Enthusiasmus gerate, wenn Tellus in
Sol sich verliebt, dann wirkt sie auch mit. Die Orientalen betrachten
mit Recht das Weib wie den Acker, in welchen sie den Samen legen.[...]“
(C.T. Bd. I., S. 113)
Eigentlich hätte
Richard Wagner es besser wissen müssen – allerdings ist nicht schlüssig
nachzuweisen, ob er die Mendel'schen Gesetze kannte, nach denen, bereits
1865 vom Augustinerchorherrn Gregor Mendel erkannt, vereinfacht
ausgedrückt, das genetische Material von beiden Eltern zu gleichen
Teilen weitergegeben wird. Außerdem entdeckte der Naturforscher
Karl-Ernst von Baer 1827 das Säugetier-Ei aus dem Eierstock einer
Hündin. Er sah als Erster ein reifes Ei unter dem Mikroskop, womit
bewiesen war, dass aus dem durch das Sperma befruchtete Ei, das sich in
die Gebärmutter einnistet, das neue Wesen entsteht und nicht durch das
Sperma allein.
Affekt und
Enthusiasmus, Gleichgültigkeit oder Abscheu sind für die Weitergabe von
Erbanlagen völlig unerheblich, so wie zahllose ungewollte
Schwangerschaften auch heute noch das Leben unwissender oder
missbrauchter Frauen belasten.
Dass „[...] die
Orientalen [...]“ das Weib als Acker betrachten, geschieht nicht „[...]
mit Recht [...]“, sondern ist verbrecherisch. Richard Wagners Bild es
Orient ist der bunte Traum von Märchen, in denen schöne Prinzessinnen
von edlen Helden geliebt werden. In Wirklichkeit leiden bis heute
Millionen von Frauen, rechtlos, besitzlos und stimmlos unter Tschador,
Burka, Schleier und Gesichtsmaske, als Kinder verstümmelt, schlecht
ernährt, von der Bildung ferngehalten, einem Unbekannten in die Ehe
gegeben, bis der Tod sie nach 10 bis 15 Geburten erlöst.
Der Islam begründet
die Missachtung der Frauen mit den Worten des Propheten im Koran, Sure
4, Vers 34: “[...] Die Männer sind den Weibern überlegen wegen dessen,
was Allah den einen vor den anderen gegeben hat .... Diejenigen [Weiber]
aber, für deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet – warnet sie, verbannt
sie in die Schlafgemächer und schlagt sie. [...]“
(Der Koran, Reclam Band 4206, Stuttgart, 1961)
Die Exzesse ‚frommer’
Eiferer gegen Frauen schildert Siba Shakib in ihrem Buch ‚Nach
Afghanistan kommt Gott nur noch zum Weinen’ (München 2001) in dem sie
stellvertretend für das Schicksal der Frauen eines ganzen Volkes die
Geschichte der Shirin-Gol aufzeichnete.
Es sollte
Pflichtlektüre für Geistliche alle Religionen und Politiker jeder
Couleur sein.
Dass die
orientalischen und fernöstlichen Staaten sich aus ’religiösen’ Gründen
gegen die Anerkennung der Menschenrechte wehren, zeigt ihre Angst, dass
aus dem schweigenden Acker lebendige, denkende, kritische, schöpferische
Frauen entstehen könnten, die den hohlen Nimbus des Patriarchen
enttarnen.
„Der androzentrische
Irrtum von dem das gesamte Denken der westlichen Zivilisation – und mehr
noch in der islamischen - zutiefst geprägt ist, kann nicht einfach durch
das ‚Hinzufügen der Frauen’ wie Heinrich Laube 1836 in 'Liebesbriefe'
aufzeigt, korrigiert werden. Zur Richtigstellung ist eine radikale
Umstrukturierung des Denkens und der Analyse erforderlich, mit der für
allemal die Tatsache anerkannt wird, dass die Menschheit zu gleichen
Teilen aus Männern und Frauen besteht und dass die Erfahrungen, Gedanken
und Einsichten beider Geschlechter in jeder verallgemeinernden Aussage
über menschliche Wesen repräsentiert sein müssen.“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New
York 1995, S. 273)
Und über die
Frauenbefreiung und die vorbildliche Stellung der Frau im Orient stellt
Cosima am 8. August 1869 fest: „[...] Seroffs zu Tisch; er ein guter
freier Mensch, sie hässlich wie die Nacht, interessierte sich für die
Frauen-Befreiung, während wir eben gestern, R. und ich, unsere
Verabscheuung dieser ‚jetztzeitlichen’ Unsinns aussprachen.[...]“
(C.T., Bd. I, S. 138)
Natürlich ist es
leicht, über eine unschöne Frau zu lästern, die ihr Schicksal nicht
selber verschuldet hat, daher aber auch Verständnis zeigt für manche
überzähligen Töchter, die in früheren Zeiten ins Kloster gesteckt wurden
oder in den Familien als geduldete Tanten und verspottete alte Jungfern
ihr Dasein fristen mussten, weil sie nichts lernen durften.
Man spürt hinter
dieser Bemerkung Cosimas die Einstellung, dass eine Frau ‚hässlich wie
die Nacht’ doch froh sein könne, einen Ehemann zu haben und ihrer
gottgewollten Aufgabe nahezukommen. Und nun erdreistet sich solch eine
Person sich für die Frauenbewegung einzusetzen!
Denn sie hat das
typische Aussehen einer alten Jungfer “[...] Häßlich, vertrocknet,
unweiblich, würdelos, lächerlich, prüde und gleichzeitig kokett – die
Stereotype über Charakter, Aussehen oder Lebensweise der allein
stehenden Frau waren ohne Begründung in der Sache in der gesamten Kultur
des 19. Jahrhunderts verbreitet.
(Bärbel Kuhn, Familienstand ledig, Habil. Schrift, Köln 2000)
Hatte er vergessen,
wie mühsam es für seine zweimal verwitwete Mutter war, ihre sieben
Kinder durchzubringen, hatte er vergessen, wie die berufstätigen
Schwestern zum Unterhalt der Familie und zu seiner Förderung beitrugen,
wenn es in den Tagebüchern Cosimas heißt:
„[...] Richard sagt: “[...] >> Dass Mill sich dafür erklärt, zeigt, dass
die Leute heutzutage gar keine Anschauung selbst von den einfachsten
Dingen haben, dass sie gar nicht mehr wissen, was eine Mutter ist. Im
Orient wissen sie es noch; da wo die Frau angeblich niedriggestellt ist,
ist die Mutter heilig. Der Vater ist da, um Mutter und Kind zu
beschützen, also das Verhältnis nach außen zu übernehmen; die Frau hat
nichts mit der äußeren Welt zu tun. Freilich ist ihr Einfluss
unermesslich, doch nicht dadurch, dass sie mit wählt und zur Mannsperson
sich macht, die sie doch niemals wird. << [...]“ (C.T.
Bd. I, S 138)
Diese Aussage Cosima
gegenüber dokumentiert die Rückständigkeit im Denken Richard Wagners,
denn John Stuart Mill (1806 – 1873) setzte sich als Volkswirt und
liberaler Sozialist in seinem 1869 erschienenen Buch 'Die Hörigkeit
der Frau' eben für die Rechte der Frauen ein.
Richard Wagner war es
als Patriarch verständlicherweise höchst suspekt, dass ein englischer
Philosoph und Soziologe zu gleicher Zeit diese Meinung vertrat und sich
für die Erweiterung der Frauenrechte in England einsetzte.
Natürlich ist es
bequem, die keusche Jungfrau oder die Mutter in die Heiligkeit zu
entrücken; damit ist die Gesellschaft von der Aufgabe befreit, sich um
das reale Leben dieser Frauen zu kümmern. Natürlich ist es der Traum
eines jeden Patriarchen, willenlos gemachte Frauen, wie man sie auf den
Genrebildern der Zeit sieht, allzeit zur Verfügung zu haben.
Gerda Lerner schreibt
zur Familienpolitik in Europa und im Orient: „[...] Die patriarchale
Familie hat sich als räumlich und zeitlich erstaunlich variabel und sehr
überlebensfähig erwiesen. Zum orientalischen Patriarchat gehören
Polygamie und das Einschließen der Frauen im Harem; das Patriarchat im
klassischen Altertum und seine Entwicklung in Europa hingegen, stütze
sich auf Monogamie. Aber in allen seinen Formen machte eine die Frauen
benachteiligende Doppelmoral Teil des Systems aus.[...]“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New
York 1995, S. 268)
Die Nachfolgerinnen
Ortruds, die politischen Frauen, haben sich das Wahlrecht erkämpft und
haben sich keineswegs zur ‚Mannsperson’ gemacht. Sie haben
paternalistische Dominanz abgeschüttelt und sind weder ‚hässlich wie die
Nacht’ noch ‚grauenhaft’.
Drei Eintragungen
Cosimas vom Dienstag 12. Oktober, Sonntag 31. Oktober und Freitag 5.
November 1869 enthalten Bemerkungen Richard Wagners über Kinder und ihre
Erziehung. Anlässlich eines fröhlichen Kindergeburtstags heißt es:
“[...] Richard stimmt mich traurig, in dem er an kleinen, unbedeutenden
Vorfällen will gewahrt haben, dass es besser sei, kleine Mädchen nicht
mit Knaben zusammenzubringen. [...]“ (C.T. Bd.
I, S. 159, 165, 167)
Die frühzeitige
Trennung von Jungen und Mädchen diente der Einübung der Fremdheit
zwischen den Geschlechtern und den festgelegten Rollen. Mädchen sollten
ausschließlich dazu erzogen werden, den Männern “[...] zu gefallen und
nützlich zu sein, sich bei ihnen beliebt und geehrt zu machen, sie in
ihrer Jugend zu erziehen und als Erwachsenen zu umsorgen, ihnen zu raten
und sie zu trösten, ihnen das Leben angenehm zu machen und zu versüßen,
sind die Pflichten der Frauen zu allen Zeiten, und die muß man sie
lehren von Kindheit an [...]“ schreibt J. Rousseau in Emile oder über
die Erziehung, (Paderborn 1958, S. 423)
Fremdheit führt zu
Angst, Angst führt zu Aggression – Vertrautheit führt zu Verstehen,
Verstehen führt zu Frieden. Auch die ’fraternité’ der französischen
Revolution schloss die Frauen aus. Die Folgen sind bekannt: Verachtung,
Ausbeutung, Vergewaltigung, Tod.
31. Oktober 1869:
“[...] Richard schaut Eva lange ins Auge‚ was ist Individualität?
Nichts, das sieht man, wenn man in solch Kindergesicht hineinschaut und
eine ganze Gattung einem entgegenspricht.[...]“ (C.T.
Bd. I, S. 165)
Ein ’Gattungswesen’ ist
natürlich ein Mädchen ohne Individualität, das früh getrennt von den
Knaben werden soll, um in die Dressur zum Dienen und Schweigen gebracht
zu werden.
Individualität gesteht
er hingegen seinem Sohn zu, er braucht ja eine vielseitige Erziehung
„[...] Dann nimmt er
Siegfried auf den Arm und spielt eine lange Zeit mit ihm; er sagt mir:
‚wir werden Siegfried weggeben müssen, zur Zeit, wo er zum Mann wird,
muss er unter Menschen kommen, da muss er die Adversität kennen lernen,
sich herumbalgen, die Ungezogenheiten begehen, sonst wird er zum
Phantasten, vielleicht zum Crétin, wie wir so etwas an dem König von
Bayern sehen. [...]“
(C.T. Bd. I, S. 167)
Die alten Klischees
kommen hier wieder hervor, die Mädchen und Knaben auf ihre
geschlechtsspezifischen Rollen vorbereiten sollen: dienen oder kämpfen.
Zwei Ziele, die die Kinder früh voneinander trennten, ohne Rücksicht auf
Eignung. Inzwischen wissen wir längst, dass nicht jedes Mädchen sich zur
Hausarbeit drängt und nicht jeder Junge eine wilde Kampfnatur ist.
Bedeutsam ist, dass
Richard Wagner bereits hier für seinen gerade einmal vier Monate alten
Sohn die entscheiden Weichen der Erziehung stellt, ihn zum ’Mann’ zu
machen.
Die schwärmerische
Verehrung Richard Wagners für die Griechen idealisierte deren tägliches
Leben genauso wie er im Lohengrin ein ideales Mittelalter geschaffen zu
haben glaubte. Dass sein Sohn “[...] zum Mann wird [...]“, der Sohn, den
er ’Siegfried’ genannt hat, wird für ihn ein Programm, orientiert am
griechischen und mittelalterlichen Ideal, dazu den protestantisch,
christlichen Regeln, die er im Zusammenleben mit der Familie des Pastor
Wetzel in den Jahren 1820 – 1821 und seines Onkels Adolf Wagner, dem
Theologen, 1822 verinnerlicht hat.
Siegfried sollte “[...]
unter Menschen kommen [...]“ also kein Eigenbrötler und Stubenhocker
werden, sondern unter Knaben und jungen Männern wie im griechischen
Gymnasion, Bildung und Redekunst erlernen, den Kampf gegen Widrigkeiten
üben, den Körper im jugendlichen Kampf stählen, Saufgelage und Bordelle
besuchen, dann würde er ein richtiger Mann, der schließlich zum
christlichen Hausherrn mit absoluter Gewalt über Weib und Kinder würde.
Obwohl er seit 1864
finanzielle Wohltaten von König Ludwig II. erhielt und auch weiterhin
erhalten wird, qualifiziert er ihn am 5. Nov. 1869 ab. Der ’Phantast’
finanziert ihm ein bequemes Leben, ermöglicht ihm schließlich später die
Bayreuther Festspiele – ein Realist hätte das wohl niemals getan. Der
’Crétin’ war der homoerotische Schönling, dessen Liebe und pädophile
Verehrung der ’Meister’ in der Tradition der griechisch, pädophilen
Philosophen gerne entgegennahm.
Hierzu schreibt Josef
Rattner “[...] Wagners Erotik bezog sich nicht nur auf Frauen, sondern
auch auf Männer, die von ihm fasziniert wurden und in eine fast
demütigende Abhängigkeit zu ihm gerieten. Darunter sexuell gehemmte
Persönlichkeiten, für die der selbstbewusste Meister zum Idol wurde. Das
berühmteste Beispiel dieser Art ist Nietzsche, aber auch H. v. Bülow und
Peter Cornelius und natürlich König Ludwig II. wären hier zu nennen.
Ein Grundzug dieser
Männerfreundschaften scheint darin zu bestehen, dass Wagner die Menschen
danach einteilte, ob sie seinem Werk und ihm selbst nützten oder
schadeten. [...]“
(Josef Rattner:
Wagner im Lichte der Tiefenpsychologie, in Wagner Handbuch,
Stuttgart 1986, S. 783)
Ein legitimer Sohn und
Erbe war für den Patriarchen die Gewähr zur Weitergabe seiner Gene, was
Siegfried in der Ehe mit Winifred auch vollzog, ohne sich in seinen
homosexuellen Neigungen stören zu lassen.
Mit einer eigenartigen
Wortkombination beschreibt Richard Wagner am Samstag, den 16. April 1870
seine Vorstellung vom richtigen Verhalten der Frauen, was Cosima mit
“[...] Wir sprechen über die Frauen, R. sagt >> Wenn sie eine gewisse
ängstliche Bescheidenheit verlieren, etwas andres sein wollen als
Gattinnen und Mütter, wie unangenehm und steif werden sie da << [...]“
festhält. (C.T. Bd. I, S. 220)
Die liebenswerten
Frauen sollen also ängstlich sein! Ängstlich sein heißt: sich bedroht
fühlen, sich einer Situation nicht gewachsen fühlen, Strafe erwarten,
keinen Ausweg wissen.
Angst erzeugt
Krankheit, die kränkliche Frau erzeugt im Patriarchen die Überzeugung
seiner Überlegenheit, nun kann er sich zu dem hilflosen Wesen
hinunterbeugen.
Wenn Elsa im dritten
Aufzug, dritte Szene auftritt, beschreibt sie der Männerchor mit:
„Seht Elsa naht, die tugendreiche:
Wie ist ihr Antlitz trüb und bleiche!“
Sie erfüllt damit
perfekt die Vorstellung der ängstlichen Bescheidenheit, sie ist
tugendhaft, trüb und bleich. Bescheiden soll natürlich auch ein freier
Mensch sein, aber in Kombination mit Angst wird Duckmäuserei, wird
Kriechertum daraus. Unangenehm steif’ werden die Frauen, die etwas
anderes sein wollen als Gattinnen und Mütter. Was sollten sie sonst tun,
als sich steif und unnahbar zu geben, um der völligen gesellschaftlichen
Ächtung zu entgehen.
Ein genussvolles
fröhliches Leben führte nur der Mann, die Ehefrau tauschte Unterwerfung
gegen Schutz, unbezahlte Arbeit gegen Unterhalt. Die Alleinstehende,
freiwillig oder durch einen Schicksalsschlag Partnerlose war die
Zielscheibe von Kritik und Spott, denn Netzwerke von Frauen, die sich
gegenseitig helfen, konnten noch nicht aufgebaut werden.
Dazu schreibt Gerda
Lerner „[...] Das Verstricktsein der Frauen in familiale Strukturen
machte die Entwicklung von Solidarität und Gruppenzusammenhalt äußerst
schwer. Jede einzelne Frau war an die männlichen Verwandten in ihrer
Herkunftsfamilie durch Beziehungen gebunden, die bestimmte
Verpflichtungen enthielten. Die Indoktrination, der sie von ihrer frühen
Kindheit an ausgesetzt war, betonte ihre Verpflichtung, nicht nur einen
wirtschaftlichen Beitrag zum Einkommen der Familie und in der
Hauswirtschaft zu leisten, sondern eine den Interessen der Familie
entsprechenden Ehepartner zu akzeptieren.[...]“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New
York 1995, S. 271)
Cosimas Eintragung vom
Di. 26. April 1870 enthält einen ganzen Katalog von Unrichtigkeiten,
Wunschvorstellungen, Vorurteilen und Ängsten.
„[...] R. begann den
Tag mit einem Gespräch über die Liebe bei den Griechen, von welcher wir
uns keine Vorstellung machen könnten und die, wenn sie nicht in
Lasterhaftigkeit unterging, die höchste ästhetische Tendenz
zeigte.[...]“ (C.T. Bd. I, S. 224)
Liebe zwischen Mann und
Frau war im antiken Griechenland unüblich. Die Frau war eine Sache im
Besitz des Mannes, sie sollte den Haushalt führen, Söhne gebären,
unsichtbar sein und schweigen. “[...] Das tierisch-göttliche der
Griechen [...]“, von dem er drei Tage später spricht, war vielleicht
ungetrübt von jüdisch-christlicher Körperfeindlichkeit – die erwähnte
„höchste ästhetische Tendenz“, die wir in den Darstellungen
kopulierender Paare auf griechischen Vasen betrachten können. Brauchte
der Siebenundfünfzigjährige unter dem Vorwand der Ästhetik solche
Wunschbilder? (C.T. Bd. I, S. 225)
Die
“[...] Liebe bei den Griechen [...]“, die dunkle Rückseite einer
Kultur, die Epen, Dramen, philosophische Denkgebäude, Tempel und Statuen
schuf. Eine Kriegergesellschaft, deren einzig gesellschaftlich
anerkannte Tätigkeit im Kampf bestand, die die verachtete Arbeit von
Sklaven und Frauen verrichten ließ, zu denen keine Gefühlsbindungen
bestanden. Dazu lesen wir bei Ernest Bornemann “[...] Da er die Frau
nicht als ebenbürtig empfand, gab der Athener ihr auch keine ebenbürtige
Erziehung; da er ihr keine ebenbürtige Erziehung gegeben hatte,
langweilte sie ihn, und da sie ihn langweilte, flüchtete er zu Hetären,
die zumindest ein Minimum an Erziehung genossen hatten. Aber die Hetären
erlaubten ihm trotz ihrer geistigen und körperlichen Reize niemals
darüber hinwegzukommen, dass sie ja eben doch käufliche Frauen waren.
Wenn er also nicht um seines Geldes, sondern seiner selbst willen
geliebt werden wollte, bleib ihm nichts anderes übrig, als zu dem alten
Sexualideal seiner Vorfahren zurückzukehren: zu dem Knaben, dem er nicht
nur Liebe, sondern auch Wissen schenken konnte.
(Ernest Bornemann: Das Patriarchat – Ursprung und Zukunft unseres
Gesellschaftssystems, Frankfurt/M., 1979, S. 293)
Am 27. April 1870 sagt
Richard Wagner “[...] >> Die Anbetung des Weibes dagegen ist ein ganz
neues Moment und trennt uns durchaus von der Antike. Die Germanen
verehrten das Weib als etwas Geheimnisvolles, der Natur näheres – wie
die Ägypter die Tiere vergötterten – und um ihnen die ganze Heiligkeit
zu lassen, wollten sie sie nicht berühren. << [...]“
(C.T. B I. S. 224)
Mit der ‚Anbetung des
Weibes’ mischt er einen religiösen Begriff ins menschliche
Zusammenleben, der für den Gläubigen nur Gott zukommt und den Frauen nur
schaden kann, weil sie ‚angebetet und vergöttert’ genauso außerhalb der
Gemeinschaft stehen wie verachtet und versklavt.
Wenn die Germanen die
Frauen als geheimnisvoll und naturnah verehrten, so gibt er Ortrud
Recht, die das frauenfeindliche Christentum ablehnt. Wenn die
respektvolle Scheu den Germanen verbot, ihre Frauen zu “[...] berühren
[...]“, zu misshandeln und zu vergewaltigen, spricht alles wieder für
Ortrud und die alte Ordnung, wenn sie Telramunds Gewaltsamkeit in die
Schranken weist und sagt:
Willst du mir drohn? Mir, einem Weibe drohn?
Weiter heißt es im
Tagebuch “[...] Was aus diesem Kultus geworden ist heute, wo die Frauen
seit Avignon und Bibi-Hut sie fordern und daraus den ganzen
Emanzipatationsunsinn herleiten – wissen wir.[...]“
(C.T. Bd. I, S. 224)
Einen Kultus zur
Anbetung des Weibes hat es nie gegeben, warum sollten die Frauen denn
darum kämpfen, aus ihrer unwürdigen Lage herauszukommen, die der
Meister, Gift sprühend ‚Emanzipationsunsinn’ nennt. Das Patriarchat
zeigt Risse in der Fassade und je älter Richard Wagner wird, desto
heftiger klammert er sich an ein Frauenbild, das im Kern schon
überwunden ist.
28. Januar 1871: “[...]
>> Mein liebes, gutes Weib << ruft mir R. zu am frühen Morgen [...] >>
die Natur wollte, dass ich einen Sohn zur Welt brächte, und du Einzige
konntest mir diesen Sohn gebären; alles übrige wäre Unsinn und Unding
geworden. Dies hat mir die Kraft gegeben, das Unerhörte zu vollbringen
und zu ertragen, um uns zu vereinigen. Das muß unser Trost sein, denn
der Zweck der Natur geht weit über alles hinaus.<< [...]“.
(C.T. Bd. I, S. 348)
Cosima hatte am 10.
April 1865 Wagners erste Tochter Isolde, am 17. Februar 1867 die zweite
Tochter Eva und am 6. Juni 1869 endlich den Sohn und Erben Siegfried
geboren. Seine Dankbarkeit ist überschwänglich, Cosima ist zur höchsten
Stufe der Weiblichkeit emporgehoben, Sinn und Zweck des Lebens der
hingebungseifrigen Frau ist erfüllt. Kämpfe, Skandale, Lüge und Betrug
‚das Unerhörte’ haben sie für einander ertragen, aber ohne den Sohn wäre
alles ‚Unsinn und Unding’. Nicht die Partnerschaft mit der geliebten
Frau war das Wichtigste, sondern ihre Fähigkeit, nach vier Töchtern, die
ja nur ‚Gattung’ sind, einen Sohn zur Welt zu bringen. Diese Verengung
der weiblichen Fähigkeit ist wahrhaft orientalisch und biblisch, ein
Glück für die demutsvolle Frau und der Triumph des Patriarchen.
Und so stellt Wagner
wieder sein ‚biologistisches Weltbild’ dar.
“[...] Erscheint uns
heute die Idealisierung der hingebenden Unterwerfung des Weibes
möglicherweise befremdlich und ist Gegenstand vorzugsweise der
feministischen Wagner-Kritik, so ist es interessant und überraschend,
dass dieser Aspekt von den zeitgenössischen Wagner-Gegnern kaum oder gar
nicht wahrgenommen wurde, war er doch diskurskonform, spiegelte also die
herrschende männliche Sicht auf das Weibliche wider [...]“ schreibt Sven
Friedrich in ‚Das Weib der Zukunft’ in seinem Artikel‚ ‚Gibt es eine
Philosophie des Weiblichen bei Wagner?’
Die feministische
Wagner-Kritik ist im Vergleich zu den Exegesen, zu politischen,
antisemitischen, philosophischen, religiösen, dramaturgischen und
musikalischen Themen kaum bemerkbar, obwohl für Wagner “das Weib“ ein
Generalthema in Leben und Werk war. Ist das Thema peinlich, irrelevant,
unappetitlich für Wissenschaftler?
Diskurskonform mit dem
Zeitgeist zu sein, sei es im Antisemitismus oder in der
Frauenverachtung, spricht nicht frei von Schuld. Frauen zu beschimpfen -
ein legales Ventil für eigene Unzulänglichkeit – finden wir besonders
unangenehm in Schikaneders Zauberflöten-Text, in der Oper, die meist von
Lehrern und Eltern als erstes Erlebnis klassischen Musiktheaters für
Jugendliche empfohlen wird. Sarastro predigt: “[...] Ein Mann muß eure
Herzen leiten, denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis
zu schreiten. [...] “ Und die Priester verkünden: “[...] Bewahret euch
vor Weibertücken, dies ist des Bundes erste Pflicht. Manch weiser Mann
ließ sich berücken, er fehlte, und versah sich’s nicht [...]“. Der
Sprecher predigt “[...] Ein Weib tut wenig, plaudert viel, du, Jüngling
glaubst dem Zungenspiel?[...]“
Von der Bühne herunter
als unfähig, bösartig und überflüssig abqualifiziert zu werden, ist ein
Ärgernis für junge Mädchen auch heute noch und die Lust auf Opernbesuche
wird wahrlich nicht gefördert.
Richard Wagners
Zeitgenosse Albert Lortzing (1801-1851) vom Theaterbetrieb angewidert
wie Wagner selber, von Finanznöten geplagt wie Wagner, schrieb viele,
anschauliche Briefe und redete seine tüchtige Frau Rosine stets an mit
“[...] Mein liebes gutes Weib [...]“ Sie war mit ihrem Haushalt,
Schwangerschaften, Geburten, Todesfällen, Umzügen, sparsamem Haushalten
in ein zeitgemäßes Frauenleben eingespannt und hatte weder Zeit noch
Kraft “[...] aus ihrem Wirkungskreis zu schreiten. [..]“
Die Situation war
vergleichbar mit der von Minna und Cosima, jedoch war Lortzing sich
nicht zu hehr um Sexuelles beim Namen zu nennen, während Richard Wagner
es krampfhaft umschrieb. Im Brief an Philipp Düringer in Dresden lesen
wir “[...] Ich leide in Folge zu flott verlebter Tage sehr an Hemoroiden
und habe mir vorgenommen mindestens 14 Tage keinen Wein zu trinken.
Fick (durchgestrichen, aber stehengelassen). Grüße Dein gutes Weib von
mir.
Leipzig den 27t Aug. 1841 [...]“
An Friedrich Krug in Karlsruhe schrieb Albert Lortzing am 9. Sept. 1842
“[...] Vor etwas zwei Jahren fand sich durch eine kleine Schäkerei mit
meiner Gattin noch ein kleiner Spätling bei uns ein, er entfernte sich
aber im vorigen Frühjahr auch wieder und somit sei die Loge geschlossen.
[...]
(Lortzing, Albert: Sämtliche Briefe, Hrsg. von Irmlind Capelle,
Kassel 1995)
Wie der häusliche
Bereich des Weibes mit Geburt und Tod von Kindern beurteilt wurde,
bezeugt die erschreckende Nüchternheit mit der Lortzing die Entstehung
und das Hinscheiden des letzten Kindes und die Beendigung der Sexualität
schildert.
Der Sänger,
Schauspieler, Librettist, Übersetzer, Theoretiker und Intendant Eduard
Devrient (1801-1877) gibt uns in seinen Tagebüchern ein Zeitbild und
äußert sich so auch zeitgemäß über die Weiber. Am 15. April 1837 –
Richard Wagner ist Musikdirektor in Königsberg, dessen Theater sich
wegen Bankrotts der Direktion auflöst. Bald danach verlässt ihn Minna
mit dem Kaufmann Dietrich – schreibt Eduard Devrient “[...] In Potsdam,
aß mit Weiß zur Nacht. Wir hatten ein interessantes Gespräch über Ehe
und Geschlechtsverhältnis. Wir untersuchten, inwiefern die Ehe ein
willkürlich bürgerlicher Zwang sei, in wie vielen Beziehungen die Natur
sich dagegen sträube und Übelstände herstelle. Dennoch sahen wir uns aus
dem Gewirr der Erniedrigung der Weiber, der Zerrüttung aller
menschlichen Verhältnisse, in die uns eine natürliche Schrankenlosigkeit
stürzen würde, zu dem Gesetz der ehelichen Treue zurückgeführt [...]“
(Eduard Devrient:
Aus seinen Tagebüchern, Berlin-Dresden, 1836 – 1852, hrsg. von Rolf
Kabel, Weimar 1964), Seite 16).
Diese Bemerkung
Devrients und Minnas Flucht aber auch ihre hilflose Rückkehr unter
Verzicht auf ein eigenes Leben (19. Okt. 1837) zeigen die
widernatürlichen Zwänge des bürgerlichen Patriarchats, die auf der
Recht-, Besitz- und Stimmlosigkeit der abhängigen Frauen beruhte, aber
ebenso auf der erzwungenen Doppelmoral, in der die Männer zu
Heimlichkeiten mit gesundheitlichen Risiken auswichen, die auch Genies
wie Schubert, Wolf und Nietzsche dahinrafften.
Den Frauen blieb die
Launenhaftigkeit, die Hysterie, der psychische Wahnsinn, der Tod, da sie
keine Möglichkeit hatten, wie Männer, ihre Sexualität zu leben.
Am 27. Nov. 1837 sucht
Devrient, damals Regisseur und Schauspieler in Berlin, ab 1844 zur Zeit
Richard Wagners in Dresden Oberregisseur, nach Methoden, Kolleginnen zu
bändigen, die sich bis zu Spitzenpositionen emporgearbeitet hatten.
“[...] Wir besprachen die nötigen Maßregeln, um die Laune der Weiber
unschädlich für die Bühne zu machen. Eine Reihe von Stücken mit
untergeordneten Frauenrollen reichte hin, um die Primadonnen geschmeidig
zu machen. [...]“
(Eduard Devrient: Aus seinen Tagebüchern, Berlin-Dresden, 1836 –
1852, hrsg. von Rolf Kabel, Weimar 1964), Seite 29).
Da jede Sängerin vom
Wohlwollen der Theaterleitung abhängig war und ist, war und ist es
leicht, sie durch Einsatz in kleinen Partien so zu demütigen, dass sie
geschmeidig wurden, da es noch keine genossenschaftlich gesicherten
Fachverträge gab. Sicherlich hat es auch Primadonnen gegeben, die man
heute als ‘Zicken’ abtun würde, aber keine hat ihren mühsam errungenen
Platz leichtfertig durch ‚Launen’ aufs Spiel gesetzt. In einem Interview
sagte Maria Callas 1970 “[...] Mir geht es um die Kunst, nicht den
Kommerz. Solange ich nicht singen kann, was ich will und mit wem ich
will, mit denen und für jene, die mich mögen, wie ich bin, singe ich
nicht. Verstehen Sie mich recht, ich will das nicht für mich. Wenn das
nur um mich ginge, wäre es einfacher, diesen ‚deal’ zu akzeptieren und
einzulenken. Ich will es für die Kunst, für die Oper – das höchste
Niveau, die gründlichste Arbeit, das beste Ensemble. [...]“
(Göttliche Stimmen – Lebensberichte berühmter Sängerinnen, hrsg.
von Eva Rieger und Monica Stegmann, Frankfurt/M. und Leipzig, 2002, S.
307)
Da im 19. Jahrhundert
die Kirche nicht mehr Frauen auf der Bühne verbieten konnte, bot das
Theater begabten und mutigen einigen Wenigen, darunter seiner späteren
Frau Minna Planer und seinen Schwestern, die Möglichkeit zu einem
selbstständigen Leben, bis die Heirat dieses meist beendete. Weibliche
Darstellerinnen und Sängerinnen waren nun einmal notwendig, wenn auch
die Mütter ehrgeiziger Töchter große Sorgen hatten, wie Eduard Devrients
Ehefrau, als die Tochter Marie in den Schauspielberuf drängte. Eduard
Devrient notiert am 20. Dez. 1843 “[...] Therese hat recht, dass sie
sagt, bei Jünglingen freut man sich eines heftigen Berufsdranges, eines
Talents, einer Neigung, die alles andere dahinten lässt, und ein
Mädchen, wenn sie Gott mit solch einem Talent geschlagen hat, ist man
nahe daran zu verwerfen. [...]“
(Eduard Devrient:
Aus seinen Tagebüchern, Berlin-Dresden, 1836 – 1852, hrsg. von Rolf
Kabel, Weimar 1964), Seite 196)
Eine Tochter zu
verwerfen, wenn sie einen künstlerischen, somit unbürgerlichen Beruf
ergreifen will, ist auch heute ein noch nicht gelöstes Problem, aber
Widerstand macht stark – ich weiß, wovon ich rede.
Eduard Devrient, der
zwar ein gutes Verhältnis zu seiner Frau hatte, erboste sich aber, als
sie bezüglich einer Rolle eine Entscheidung für ihn getroffen hatte
“[...] man darf Frauen nicht achtundvierzig Stunden allein schalten
lassen, wenn nicht die wichtigen Dinge nach Stimmung und Aufregung
entschieden werden sollen. [...]“
(Eduard Devrient: Aus seinen Tagebüchern, Berlin-Dresden, 1836 -
1852, hrsg. von Rolf Kabel, Weimar 1964, S. 337)
Dies dokumentiert das
immerwährende Vorurteil von der übermäßigen Emotionalität der Frauen,
die sie zu vernünftigen Handlungen unfähig macht, da sie von
’Stimmungen’ abhängig sind und vor ’Aufregung’ nicht klar denken,
entscheiden und danach handeln können, was jedoch durch die
organisatorischen Fähigkeiten jeder auch nur durchschnittlichen Hausfrau
widerlegt wird.
Ebenso konform mit dem
Zeitgeist äußert sich Richard Wagner über die literarische Tätigkeit von
Frauen, und es ist besonders irritierend, wenn er seine Muse des
Tristan, die unsterbliche Geliebte Mathilde Wesendonck kritisiert.
Mi. 8. Februar 1871:
“[...] Frau Wesendonck schickt mir ihren ‚Friedrich der Große’; R.
tadelt durchaus, dass Frauen sich so auf den Markt bringen, und findet
darin ein Zeichen von Geschmacklosigkeit. [...]“ (C.T.
Bd. I, S. 353)
Kein Wort über die
Qualität des Buches, es genügt allein die Tatsache, dass eine Frau sich
mit einer geschichtlichen Persönlichkeit befasst und sich schriftlich
äußert, um sie zu diffamieren. Der Ausdruck ’sich auf den Markt bringen’
klingt wie ein Vorwurf der Prostitution, was bei einem schriftlichen
Produkt über ein sachliches Thema völlig unangebracht und böswillig ist.
Immerhin inspirierten Mathilde Wesendoncks Gedichte ihn zu seinen
wundervollen Liedern (1857), ihre Poesie durfte ihm dienen, selbständig
denken, schreiben und veröffentlichen durfte sie nicht, das war ein
Einbruch in patriarchales Terrain, das auch mit Verleumdung verteidigt
werden musste.
Zu den Nöten
schreibender Frauen bemerkt Gerda Lerner: „[...] Kreative Frauen,
Schriftstellerinnen und Künstlerinnen haben auf eine ähnliche Weise
gegen eine zerstörerische Realität angekämpft. Ein Standardwerk der
Literaturwissenschaft, das seine Maßstäbe und Definitionen aus der
Bibel, den griechischen Klassikern und Milton gewänne, würde
zwangsläufig die Signifikanz und Bedeutung der von Frauen geschaffenen
Literatur und Kunst ebenso begraben, wie die Historiker das Wirken von
Frauen zugeschüttet haben. Die Bemühungen um die Anerkennung der
Bedeutung dieses Wirkens und um die Neube-wertung der literarischen und
künstlerischen Arbeit von Frauen sind neueren Datums. [...]
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/M., New
York 1995, S. 279)
Mit welch merkwürdigen
Begründungen Frauen an künstlerischem Schaffen gehindert wurden, mögen
noch einige Beispiele aufzeigen:
Fanny
Mendelssohn-Hensel - in einem Brief an Felix schrieb J.W. Goethe“[...]
Empfiehl mich den würdigen Eltern, der gleichbegabten Schwester und dem
vortrefflichen Meister [Carl Friedrich Zelter (1758 – 1832)] [...]“-
spielte hervorragend Klavier, dirigierte und komponierte so gut, dass
ihr Bruder vieles von ihr unter seinem Namen herausgab, sie aber an der
Veröffentlichung hinderte, in der Ansicht “[...] ich halte das
Publizieren für etwas Ernsthaftes (es sollte das wenigstens sein) und
glaube, man sollte es nur tun, wenn man als Autor sein Leben lang
auftreten und dastehen will. Dazu gehört aber eine Reihe von Werken,
eins nach dem anderen – von einem oder zweien allein ist nur Verdruß von
der Öffentlichkeit zu erwarten, oder es wird ein sogenanntes Manuskript
für Freunde, was ich auch nicht liebe. Und zu einer Autorenschaft hat
Fanny, wie ich sie kenne, weder Lust noch Beruf – dazu ist sie zu sehr
eine Frau, wie es recht ist, sorgt für ihr Haus und denkt weder ans
Publikum noch an die musikalische Welt, noch gar an die Musik, außer
wenn jener erste Beruf erfüllt ist.[...]“
(Eckart Kleßmann, Die Mendelssohns, Frankfurt/Main und Leipzig,
1993, S. 242)
Wie wenig Felix seine
Schwester Fanny und ihr Schaffen kannte – hatte sie doch schon am 23. 3.
1829 den gemeinsamen Freund Carl Klingemann wissen lassen “[...] Daß man
übrigens seine elende Weibsnatur jeden Tag, auf jedem Schritt seines
Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekommt, ist ein Punkt,
der einen in Wut und somit um die Weiblichkeit bringen könnte, wenn
nicht dadurch viel Übel ärger würde. [...]“
(Eckart Kleßmann, Die Mendelssohns, Frankfurt/Main und Leipzig,
1993, S. 243)
In ’Frau und Musik’,
wird Clara Wieck zitiert, die mit gesundem Selbstbewusstsein am
21.12.1837 an Robert Schumann schreibt: “[...] Heute war mein zweites
Konzert [ihr eigenes op. 7] und abermals ein Triumph. Unter Vielem fand
mein Konzert die beste Aufnahme. Du fragst, ob ich es aus eigenem
Antrieb spiele – allerdings! Ich spiele es, weil es überall so sehr
gefallen und Kenner wie Nichtkenner befriedigt hat. [...]“
(Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S.96)
Was ist wohl schöner als seine Gefühle in Töne kleiden, welcher Trost in
trüben Stunden, welcher Genuß, welch schönes Gefühl, so manchem eine
heitere Stunde dadurch zu verschaffen! Und welch erhabenes Gefühl, die
Kunst so zu treiben, dass man sein Leben dafür lässt. [...]“
(Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S.97).
Nach der Eheschließung mit Robert Schumann am 12. September 1840 schwand
ihr Zutrauen zu ihrer Schöpferkraft und am 2. Oktober 1846 äußert sie
sich “[...] Es geht doch nichts über das Vergnügen, etwas selbst
komponiert zu haben und dann zu hören. Es sind einige hübsche Stellen in
dem Trio, und wie ich glaube, ist es auch in der Form ziemlich gelungen
[...] natürlich bleibt es immer Frauenzimmerarbeit, bei denen es immer
an Kraft und hie und da an der Erfindung fehlt. [...]“
(Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S. 104).
Das Trio op. 17 zählt
jedoch zu ihren besten Kompositionen und am 11.5.1985 schreibt sie
“[...] Ach hätte ich nur erst das Wochenbett hinter mir, dann muß ich
etwas unternehmen – dies Leben halte ich nicht aus. [...]“ (Frau und
Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S. 106). Johannes Brahms
empfiehlt ihr, die Konzerttätigkeit einzustellen, worauf sie am
19.3.1868 mitteilt “[...] ich werde mir aber die Sache bedenken, kann
jedoch erst prüfen, wenn ich überhaupt erst weiß, welche Gründe dich
bewogen, mir dies alles zu sagen, und warum du es zu einer Zeit tatest,
wo es möglicherweise einen Eindruck auf mich machen konnte, der meine
Tatkraft gänzlich lähmte [...] das war unüberlegt von dir – mehr will
ich nicht sagen. [...]“ und am 15.10.1868 fährt sie fort “[...] Die
Ausübung der Kunst ist ja ein großer Teil meines Ichs, es ist mir die
Luft, in der ich atme! Hingegen wollte ich lieber hungern, als mit
halber Kraft öffentlich wirken [...]“
(Frau und Musik, hrsg. von Eva Rieger, Kassel 1990, S 107).
Schöpferischen Frauen,
die “[...] elende Weibsnatur vorrücken [...]“, die “[...] Tatkraft
lähmen [...]“, dass sie “[...] sich auf den Markt bringen [...]“
ersinnen Väter, Brüder, Freunde, Ehemänner, um die Hierarchie des
Patriarchats, das ja schließlich in der göttlichen Offenbarung
gerechtfertigt ist, aufrecht zu erhalten. Dafür bescheren sie den
Menschen ’heilige Kriege’ und “[...] segenvoll mög’ Gott bei deinem
Schwerte stehn [...]“ bei deiner Kanone, Atombombe, deinem Giftgas;
alles ist “[...] helle Wehr, heilige Waffe [...]“ gegen Ortruds “[...]
List und Heuchelei [...]“ im Kampf ums Überleben, zumindest wird mit
Hilfe der Religionen eine Hälfte der Menschheit an wichtigen
Entscheidungsprozessen ausgeschaltet.
Elsa, die Ideal-Frau
bleibt nach den Regeln der Schicklichkeit selbst unter der Mordanklage
stumm (1. Aufzug, 2. Szene) „[...] neigt das Haupt [...], [...] neigt
traurig das Haupt [...] oder […] blickt traurig vor sich hin [...]“
Ortrud hingegen, die
Böse, tritt zu ihrer öffentlichen Gerichtsschelte (2. Aufzug, 4. Szene)
„[...] heftig hervor [...] und trägt ihre Argumente gegen den
betrügerischen Feind „[...] mit großer Kraft [...]“ vor.
Am Mi. 21. Juni 1871
hält Cosima ein Tischgespräch fest, während dessen Richard Wagner die
Gräfin Pourtalès kritisiert, die den Geiger Joseph Joachim protegierte.
Er war bedeutend, aber wohl keine Schönheit, wie es auch Wagner selber
nicht war, der aber sehr wohl unzählige finanzielle Wohltaten von Frauen
annahm, sie dafür aber auch noch verachtete. Er sagt: „[...] Außerdem
sind solche Frauen dem Willen unterworfen, dieser dominiert sie ‚wo habt
ihr denn die Augen’ frägt Hamlet, aber die Augen haben hier nichts zu
tun, hier waltet etwas Dunkles; der energische Wille, nicht die
Intelligenz, nicht die Schönheit, fasziniert das Weib. Vielleicht denkt
die Natur, dass hier Schutz zu finden ist, für sie und ihre Brut. [...]“
(C.T., Bd. I, S. 403)
Da Richard Wagner die
Gattung ’Menschenweib’ (s. Siegfried 2. Aufzug, 2. Szene) mit den
Tiergattungen auf eine Stufe stellt, in denen sich die weiblichen Tiere,
die nach erfolgreichen Balz- und Rivalenkämpfen als Stärkste
hervorgegangenen zum Geschlechtspartner für gesunde Nachkommen
auswählen, diese aber wegen ihrer sinnlosen Aggressivität wieder aus der
Gruppe ausweisen, irrt er. Brutpflege und Aufzucht der Jungen geschieht
meist durch weibliche Wesen, während die Männchen bis zur nächsten
Brunft meist allein oder in Gruppen unter ihresgleichen bleiben.
Auch Männerbünde und
Kriegskameradschaften können so ungestört ihren aggressiven Tätigkeiten
nachgehen und sich als Helden fühlen und besingen lassen. (Ilias,
Nibelungenlied, Shakespeares Königsdramen – heute: Fußballspiele
Autorennen, Boxkämpfe usw. und die entsprechende enthusiastische
Berichterstattung).
10. Juli 1871 “[...]
„Wie wir die hässlichen Bilder über Einzugsfeierlichkeiten in Berlin
sehen, sagt R. >> Ja, das bedenken wir gar nicht, was dieser offene
Verkehr zwischen Frauen und Männern hervorbringt; dieses im Parkett des
Theaters Nebeneinandersitzen, dieses auf der Straße dasselbe Anziehen,
was für’s Haus nur berechnet sein müsste; so dass ein jeder das Recht
hat, mit dem Lorgnon die Frau anzusehen, die entschieden auch auf der
Straße gefallen will; man beachtet gar nicht, welche Grobheit des
sinnlichen Verkehrs eingetreten ist. << [...]“
(C.T., Bd. I, S. 412)
Am 18. Januar 1871 war
Wilhelm I. in Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert worden. Eine
liberalere Ära schien anzubrechen im Geflecht von Bismarcks
Bündnispolitik. Die Frauen erkämpften sich den Beginn vom ‚offenen
Verkehr zwischen Frauen und Männern’. Die Normalität unter
gleichberechtigten Partnern ließ in Europa allerdings noch hundert Jahre
auf sich warten.
In ‚Wagner und die
Frauen’ schreibt Julius Kapp “[...] Von Natur mit starker Sinnlichkeit
behaftet, hatte Wagner, den, wie er selbst erzählt, schon als kleinen
Knaben Berührungen von weiblicher Hand oder das Betasten der
schwesterlichen Garderobengegenstände wollüstig erregen konnten,
frühzeitig die Geheimnisse der Liebe kennen gelernt. Mit wilder Begier
hatte er sich dem sinnlichen Genuss hingegeben, getreu seinem späteren
Tannhäuser-Wort: ’Und im Genuss nur kenn ich die Liebe’ [...]“
(Julius Kapp, Wagner und die Frauen, Berlin/Regensburg 1951, S.
373).
Wer in jeder Frau nur
ein Sexualobjekt sieht, das sich immer und überall anbietet, sieht in
seiner Phantasie auch im harmlosesten Miteinander ein Bordell. ‚Die
Grobheit des sinnlichen Verkehrs’ fand im Kopf des Meisters statt, er
zückte das ‚Lorgnon [um] die Frau anzusehen.’ Als seine männliche
Attraktivität verblasste, wurde alles, was ihm in jungen, leichtsinnigen
Jahren Spaß gemacht hatte, zur fixen Idee eines längst vergangenen
Frauenbildes und der Sehnsucht nach der ’Sünde’.
“The survival of the
fittest“, das Ausleseprinzip der Natur bewegt zum Wettbewerb und zur
weiten Streuung der Gene. Auf dem Trieb zur Macht und dem Sexualtrieb
gründet die Geschichte. Und der dünne Lack der Kultur verschwindet
erschreckend schnell vor den existentiellen Bedürfnissen. Der offene
Verkehr zwischen Männern und – Frauen , das “[...] im Parkett des
Theaters Nebeneinandersitzen [...]“ – heute eine Selbstverständlichkeit
– ist das Ergebnis eines langen Kampfes gegen eine widerwärtige
Doppelmoral, deren eine Seite die kirchlich verordnete Askese oder Treue
ist, die andre aber Krankheiten unausgelebter Triebe oder das verborgene
Leben in den Etablissements käuflicher Befriedigung.
“[...] Weil die
Moralheuchelei den offiziellen Verkehr mit der Prostitution verfemt,
muss diese die Formen der anständigen Dame annehmen. Wenigstens muß für
den oberflächlichen Blick ihre Erwerbstätigkeit kaschiert sein. Heine
hat dafür die treffende Charakterisierung in seinem berühmten Vierzeiler
geprägt:
‚Blamier mich nicht mein schönes Kind.
Und grüß mich nicht unter den Linden.
Wenn wir nachher zu Hause sind,
wird sich schon alles finden.’
(Eduard Fuchs,
Illustrierte Sittengeschichte, Frankfurt am Main, 1985, Bd. 6, S.
98)
Frauen wie Ortrud, die
Sabine Zurmühl ‚machtbesessen, realitätstüchtig, bestimmend’ nennt,
machten ihm Angst, denn sie bewerkstelligten zäh und zielbewusst
schließlich den partnerschaftlichen ’offenen Verkehr zwischen Männern
und Frauen’.
(Sabine Zurmühl, Visionen und Ideologien von Weiblichkeit in ‚Das
Weib der Zukunft’, Stuttgart / Weimar, 2000)
„[...] Solange wie
Männer und Frauen die Unterordnung der einen Hälfte der Menschheit unter
die andere als ‚natürlich’ betrachten, ist es unmöglich, sich eine
Gesellschaft vorzustellen in der Unterschiede nicht zugleich
Unterordnung oder Dominanz bedeuten.[...]“
(Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, Regensburg, 1995,
S. 283).
21. Juli 1871 „[...]
Wir kommen auf sogenannte Kulturgedanken, und R. stimmt mir bei, als ich
ihm sage, dass ich keine Spur von Sympathie für die Oktroyierung des
Christentums habe (Karl der Große und die Sachsen) und ich das ganze
entdeckte Amerika darum gebe, dass die armen Urbewohner nicht wären
verbrannt und verfolgt worden. Er erzählt von Radbod dem Friesenfürst,
der, bereits mit einem Bein im Taufbecken, zurücksprang, als er erfuhr,
dass er seinen heidnischen Vater nicht im Himmel treffen würde
(Siegmund!); er habe deshalb seine Ortrud aus Radbods Geschlecht stammen
lassen, eine schlecht bekehrte Heidin. Die römische Eroberung der Länder
viel humaner, sie haben keine Religion aufoktroyiert.[...]“
(CT, Bd. I, S. 418)
Ortrud ist eben keine
„[...] schlecht bekehrte Heidin [...]“, sondern überzeugte Anhängerin
ihrer alten Naturreligion. Die Eroberung der Welt durch das Christentum
zerstörte unwiederbringliche geistige Güter, Orte und Gegenstände der
Verehrung, gewachsene und dem Klima angepasste Lebensformen mit der
Begründung, ungetaufte Menschen seien unwert des Lebens auf dieser Erde,
da sie dem Höllenfeuer verfallen seien.
Karl ‚der Große’ ließ
782 etwa 4.500 Sachsen, die sich nicht zum Christentum bekehren lassen
wollten, den Kopf abschlagen.
(K.H. Deschner, opus diaboli, Reinbek, 1987, S. 30)
Die Missionen in Nord-
und Osteuropa wurden mit unsäglicher Brutalität durchgeführt und
forderten zigtausende Opfer. Die Kreuzzüge (1095 – 1291) allein
hinterließen etwa 20 Millionen Tote.
Die Spanier, die
karibischen Inseln und Südamerika im Rahmen der Verbreitung des
Christentums erobernd, hatten, als sich das 16. Jahrhundert dem Ende
zuneigte, mehr als 60 Millionen Ureinwohner umgebracht.
(D. Stannard, American Holocaust, Oxford University Press, 1992)
Dies ist eine späte
Rehabilitation von Cosima und danach Richard Wagner ihr beistimmend, der
Hass-Figur Ortrud, der ’grauenhaften politischen Frau’ und Anhängerin
der alten Ordnung mit den „[...] vermoderten Göttern [...]“.
(Brief Richard Wagner an Franz Liszt vom 30. Januar 1852).
Und ist es ist geradezu
rührend wie Richard Wagner plötzlich von seiner Ortrud spricht.
Sie, das schwarze Schaf in der Schar seiner opferwilligen,
todessüchtigen Lämmer! In den über zwanzig Jahren nach der Erschaffung
dieser einmaligen Figur scheint doch ein wenig Verständnis, wenn nicht
sogar Sympathie für sie und ihren charakterstarken Ahnherrn erwachsen zu
sein. Das Christentum, die Religion aus der nahöstlichen Wüste, die sich
zu einem brutalen Machtapparat entwickelte – menschenverachtend,
naturzerstörend und frauenfeindlich – sie abzulehnen, hier musste RW
seiner Ortrud als „[...] Radbods des Friesenfürsten Spross [...]“ Recht
geben.
Eine völlig anders
geartete Frau, eine Ausnahmeerscheinung ohne übliche Demutshaltung
kreuzt oft Richard Wagners Weg, inspiriert ihn, singt seinen Adriano,
die Senta und Venus, leiht ihm Geld, aber ‚Weib’ in seinem Sinne ist sie
nicht, selbst als sie ihm im Traum erscheint. Wagner erzählt Cosima am
22. Juli 1871 “[...] >> Dann von der Schröder-Devrient, ich hatte
Beziehungen zu ihr. << [...]“ „Welcher Art“ frage ich. >> Wie immer,
gar nicht zärtlicher Art; nein, sie hätte mir nie Liebes-Sehnsucht
erwecken können, da war nicht genug Verschämtheit mehr da, kein
Mysterium, in das man zu dringen gehabt hätte. << [...]“
(C.T. I, S. 419).
Diese Äußerungen seines Unbewussten bestätigen, was er in ’Eine
Mitteilung an meine Freunde’ schon 1851 schreibt: “ [...] Ich habe nie
einen großherzigeren Menschen im Kampfe mit kleinlicheren Vorstellungen
gesehen, als die, welche dieser Frau, durch ihre wiederum notwendige
Berührung mit ihrer Umgebung, von Außen zugeführt worden waren. Auf mich
wirkte meine innige Theilnahme für dieses künstlerische Weib fast
weniger anregend, als peinigend, und zwar peinigend, weil sie mich ohne
Befriedigung anregte.“
(Richard Wagner, Sämtliche Schriften und Dichtungen, Bd. VI, S. 277)
Diese starke,
selbstbestimmte Frau ist für ihn erotisch unattraktiv, es fehlen ihr die
Eigenschaften, die den Beschützerinstinkt ansprechen oder die Lust zur
Überwältigung des winselnden Opfers, so wie Hugo von Hofmannsthal im
ersten Akt des ‘Rosenkavalier‘ seinen Ochs auf Lerchenau genussvoll die
Vergewaltigung einer armen Küchenmagd schildert, die voll “[...] Angst
und Scham [...]“ ins Heu gezerrt wird. Wilhelmine Schröder-Devrient
“[...] furchtbar großartig [...]“ wie Ortrud peinigt ihn, weil sie
seiner Wahnvorstellung vom Gattungswesen Weib, das nur in der Hingabe
zum Mann Wert und Individualität erhält, in keiner Weise entspricht. Sie
verdient ihr eigenes Geld, sie nahm sich Ehemann und Liebhaber,
undenkbar in der Vorstellung eines Patriarchen. Ihre künstlerischen
Fähigkeiten jedoch waren unumstritten, heute würde man sie voll
Hochachtung eine ’Power-Frau’ nennen.
Auffallend ist, dass
Richard Wagner in seinen revolutionären Traktaten und
gesellschaftstheoretischen Schriften die zweite Hälfte der Menschheit,
die Frauen, nicht eines einzigen Gedankens würdigt. Da sich die
Grundmuster seines Denkens schon in den 1830er Jahren verfestigen – die
Themen seiner Werke – von Leubald bis Parsifal zeigen ähnliche Tendenzen
(siehe Udo Bermbach, ’Der Wahn des Gesamtkunstwerkes’, Frankfurt,
1994) blieb sein Frauenbild erschreckend reaktionär und die Verheißungen
von Freiheit, Gerechtigkeit und Glück beziehen sich nur auf die
männliche Menschheit. Die Mystifizierung der Frau ohne Blick auf ihr
reales Leben entbindet den Patriarchen Richard Wagner von der Pflicht
für die Rechtlosen zu kämpfen und jede kleine Erleichterung, die sie
sich erarbeiten, kommentiert er mit frömmelnder Empörung.
Cosima notiert am 27.
August 1871 “[...] gestern Abend eiferte R. wiederum sehr gegen den
Geist der jetzigen Öffentlichkeit, der die Frauen entheiligt und
entwürdigt. Die Frau, die sich für die Straße putzt, ein Unding, die
konventionelle Galanterie der Männer gegen sie die schlechte Tünche der
rohesten Gesinnung. Auch ist er für die Ehen, die Eltern im wahren
Interesse der Familie schließen; jetzt will eine jede ganz ihren Roman
haben und bildet sich ein, dass dieses Seltenste, worüber Epen gedichtet
worden sind, wie Liebe, so das Alltäglichste sei, dass jedem zukomme.
[...]“ (C.T., Bd. I, S. 431)
Die freie Wahl der
Gattin soll nur dem Mann zustehen, die Tochter wird weiterhin aus
finanziellen Gründen in die Ehe gegeben, verkaufte Bräute wie Senta und
Evchen, wobei letztere allerdings das Glück hat, dass der fesche Junker
Stolzing und nicht Beckmesser sie als Preis gewinnt. Auch für Richard
Wagner ist es ein Glück, dass eine Gattin wie Cosima ihm zur Seite
stand, die ihm selbstlos diente, sein Genie anbetete, sich selbst
auslöschte, er also voll Überzeugung und unbelehrbar am traditionellen
Frauenbild festhalten konnte, weil Cosima es ihm vorlebte. Wie anders
waren die Postulate des feurigen Weltverbesserers, der in den
Volksblättern seines Freundes Röckel schrieb: “[...] Zerstören bis auf
die Erinnerung daran will ich jede Spur dieser wahnwitzigen Ordnung der
Dinge, die zusammengefügt ist aus Gewalt, Lüge, Sorge, Heuchelei, Not,
Jammer, Leiden, Tränen, Betrug und Verbrechen, und der nur selten
zuweilen ein Strom unreiner Lust, fast nie ein Strahl reiner Freude
entquillt. Zerstört sei alles, was euch bedrückt und leiden macht, und
aus den Trümmern dieser alten Welt erstehe eine neue, voll nie geahnten
Glücks. [...]“
(In: Udo Bermbach, Der
Wahn des Gesamtkunstwerks: Richard Wagners politisch-ästhetische Utopie,
S. 78)
Hätte er so zu den
Frauen seiner Zeit gesprochen und – politisch aktiv – seine Gedanken
verwirklicht, wäre die unselige Geschichte Europas anders verlaufen. So
mussten die Frauen mühsam um ihre Rechte kämpfen, bis hundert Jahre
später das Helden-Ideal in der größten aller Katastrophen zusammenbrach
und die freie und politische Frau nicht mehr ’grauenhaft’ war, sondern
überlebensnotwendig wurde.
Dazu schreibt Margarete
Mitscherlich “[...] Vielleicht ist vereinfachend zu sagen, daß die
Chancen des Friedens darin liegen, dass mehr als fünfzig Prozent der
Menschen in der Welt Frauen sind, dass sich ihre Art des Denkens von dem
der Männer immer mehr emanzipiert, so dass sie sich nicht mit dem
hierarchischen, ausbeuterischen und projizierenden Denken der Männer
identifizieren, sondern diese typisch männlichen Werte nicht mehr als
Tugenden, sondern als Untugenden für sich und andere zu entlarven
vermögen. Haben die Frauen in diesem Jahrhundert nicht mit den beiden
letzten Weltkriegen und mit millionenfachem Völkermord den Gipfel dieser
so genannten männlichen Tugenden miterlebt, in unserem kulturell
angeblich so hochstehenden Europa? [...]“
(Margarethe Mitscherlich: Die Zukunft ist weiblich, Zürich, 1987,
S. 23)
Wenn Richard Wagner.
fordert “[...] zerstört sei alles, was euch bedrückt und leiden macht
[...]“ so findet Cosima im Ertragen von Leiden und Bedrückung die
Erfüllung ihrer Lebensrolle, womit sie Richard Wagnerss hierarchisches
Patriarchat noch bestärkt. Hierzu wiederum Margarete Mitscherlich “[...]
Es gibt gleichsam eine Opfersucht der Frauen, die alles auf sich nimmt,
ohne sich dagegen zu wehren. Das kann sogar mit Lust verbunden sein, wie
das die Psychoanalyse gezeigt hat [...] Mit der Aufopferung demonstriert
man dann sich und anderen, was für ein guter Mensch man ist. [...]“
(Margarete Mitscherlich, Die Zukunft ist Weiblich, Zürich, 1987,
S. 63)
Eine bedenkenswert
nachdenkliche Äußerung RWs notiert Cosima am Mo., 15. Januar 1872 “[...]
>> überall hielt ich Monologe << [...]“. Der Egomane gibt zu, dass seine
Liebschaften und die Ehe mit Minna keine Partnerschaften waren. Die
Frauen waren zwar fasziniert, aber man blieb sich fremd. Er sagte:
“[...] >> es ist mir mit meinen so genannten Liebschaften gerade so
ergangen wie mit meiner Heirat; Minna hat mich geheiratet, als ich in
einer sehr elenden Lage war, selbst als Dirigent angefochten, durchaus
ohne Glanz, und sie war hübsch und sehr gefeiert, und doch bin ich ohne
Einfluß auf sie geblieben; so ist es mit den anderen Beziehungen
gewesen, es gehörte alles woanders hin, und das einzige Unbegreifliche
ist die augenblickliche Macht, die ich ausübte, so dass Minna mich
heiratete.<< [...]“ Er fügt noch hinzu: “[...] >> Übrigens hätte niemand
zu mir besser gepasst oder besser gehört; du warst die einzige, die mich
vervollständigte; überall sonst hielt ich Monologe. << [...]“
(C.T. Bd. I, S. 481)
In ‚Wagner im Lichte
der Tiefenpsychologie’ schreibt Josef Rattner “[...] Er wollte im
Mittelpunkt stehen, alles haben, bei allen gelten und überall geliebt
sein. Daraus wurde später der unbedingte Appell an andere, für seine
zügellosen Geldausgaben die notwendigen Mittel bereitzustellen, die
unerschütterliche Überzeugung, mehr zu sein und zu können als jeder
Rivale auf dem Gebiet der Musik (und anderswo) und ein Verhalten im
Liebesleben, das die Schranken bereits bestehender Bindungen in Liebe
und Ehe in keiner Weise anzuerkennen bereit war. [...]“
(Richard Wagner Handbuch, Stuttgart 1986, S. 781)
Nur auf sich bezogen,
unfähig oder ohne den Willen, auf andere einzugehen, beschreibt Richard
Wagner sich als Genie “[...] >> das einzig unbegreifliche [...] die
augenblickliche Macht, die ich ausübte [...] überall sonst hielt ich
Monologe. << [...]“ wie es auch Lange-Eichbaum charakterisiert. “[...]
Fascinans hat das Bestrickende, Bezaubernde und Lockende, das niemals
ganz fehlen darf. Der Wert muß von den Menschen deutlich und unmittelbar
empfunden werden, sei es in der Nützlichkeit einer Erfindung, sei es in
der ästhetischen Wirkung eines Kunstwerkes oder auch im ’Bezaubern’
eines idealen Vorbildes. Das Fascinans kann im Werk (Faust) oder auch in
der Person des Genies (Goethe selbst) liegen. Der Verehrer genießt eine
schmeichelnde Ich-Erhöhung mit. [...]“
(W. Lange-Eichbaum, W. Kurth, Genie, Irrsinn und Ruhm,
München/Basel 1979, S. 160)
Am 7. Juni 1872
reflektiert Richard Wagner wiederum über sein Leben mit Minna “[...] >>
Ja, sein Leben kann man nur begreifen, wenn man älter ist. [...] denn
betrachtet man mein ganzes Leben, diese Ehe mit Minna, schien da nicht
alles verzweifelt, und das Wunder ist eingetreten, freilich auf anderen
Wegen und leidensvoller [...] und ich weiß, so freundlich mir diese
teilnehmende Bekanntschaft war, ich war immer dem Ausreißen nahe. <<
[...]“
(C.T. Bd. I, S. 531)
Die Werbung um Minna Planer, die Hübsche und Gefeierte, wie Richard
Wagner sie in ’Mein Leben’ beschreibt, zeigt ihn in jugendlicher
erotischer Hochform, wohingegen das Objekt seiner Begierde zwar seine
Sinnlichkeit genießt, aber die grausame Erfahrung der Verführung mit
fünfzehn Jahren und die Last einer als Schwester ausgegebenen,
ungewollten Tochter mit sich trägt. Versorgt zu sein als Ehefrau eines
angesehenen Kapellmeisters, darauf zu hoffen, gebührt ihr jedes
Verständnis.
Obwohl für Cosimas
Ohren verfeinert, schildert Richard Wagner in ’Mein Leben’ die erste
Begegnung mit Minna und die Zeit der ersten Verliebtheit. Er begegnet
ihr Ende Juli 1834 in Bad Lauchstädt, sie war nach dem damaligen
Rollengefüge ’die erste Liebhaberin’ in der Schauspieltruppe, er war als
Musikdirektor vorgesehen und gerade auf Wohnungssuche. “[...] Der Zufall
wollte es, dass schon unter der Tür des bewussten Hauses uns die
Verheißene entgegentrat. Ihre Erscheinung und Haltung stand in dem
auffallendsten Gegensatze zu all den unangenehmen Eindrücken des
Theaters, welche ich soeben an diesem verhängnisvollen Morgen empfangen:
von sehr anmutigem und frischem Äußeren, zeichnete sich die junge
Schauspielerin durch eine große Gemessenheit und ernste Sicherheit der
Bewegungen und des Benehmens aus, welche der Freundlichkeit des
Gesichtsausdrucks eine angenehm fesselnde Würde gaben; die sorgsam
saubre und dezente Kleidung vollendete den überraschenden Eindruck der
sehr unerwarteten Begegnung. [...]“
(Richard Wagner, Mein Leben, Bd. I, München 1969, S. 96)
Der
einundzwanzigjährige Musikdirektor war schnell entflammt, interpretierte
jede freundliche Geste Minnas als Liebe. Sie glaubte an sein Talent und
erhoffte sich die so sehr ersehnte wohlanständige Häuslichkeit.
Unsägliche Not band sie aneinander, völlig unterschiedliche
Lebensentwürfe trennten sie von Anfang an, trotz Heirat am 24.11.1836
und so lebten, dachten und fühlten sie auf verschiedenen Ebenen “[...]
immer dem Ausreißen nahe [...]“ Sie durchlebten eine Ehe voll Liebe,
Anhänglichkeit, Missverständnis, Streit, Versöhnung, Trennung, völlige
Entfremdung, aber obwohl sie sich am 1.11.1862 zum letzten Mal
begegneten, unterstützte RW seine Frau bis zu ihrem Tod am 25.1.1866.
Und so hat er die Verantwortung für sie und auch für ihre Eltern trotz
der Verschiedenheit ihrer beider inneren Entwicklungen nicht aufgegeben.
Es kann nur ein
absichtlich getrübter Blick auf die verblasste Vergangenheit sein, um
sich vor Cosima als der asketische Kunstjünger zu inszenieren. Seine
Werbung um Minna war alles andre als “recht solide“, sondern wahrlich
üppiger Trieb, wovon er in ‘Mein Leben‘ fröhlich berichtet.
In der Zeit der Werbung
um Minna Planer, von Juli 1834 bis zur Trauung am 24. November 1836
entfacht Richard Wagner ein verbales Feuerwerk, eine mit Tränen
durchfeuchtete Suada, der sich die leidgeprüfte junge Frau und
angesehene Schauspielerin nach einigen Fluchtversuchen schließlich
ergibt. Sein Ziel war es, vor allem seinem ’Engel’ die Selbstständigkeit
zu nehmen, war er doch lebenslang der Meinung, das ’Weib’ erhalte erst
eine Seele durch den Mann, könne nur in Abhängigkeit vom Mann leben, da
es „lieben muß“ und nicht wie Ortrud ein freies und eben auch
politisches Wesen sein.
Er schreibt am 6. Mai
1835 an Minna [...] >>Ja, meine Minna, - ich liebe Dich – und bin dabei
ein wenig eitel, - sieh – ich bilde mir nun ein, - ich hätte Dir Leben
und Seele eingehaucht, die Du früher nicht hattest, - oder die ich
wenigstens nicht bei Dir kannte; - << (S.B. I S. 198)
Es ist das
Undinen-Motiv der seelenlosen Frauen-Kreatur, das ihn zeitlebens bis
einen Tag vor seinem Tod beschäftigt, als er das Rheintöchter-Thema
spielt und sagt: [...] >> Ich bin ihnen gut, diesen untergeordneten
Wesen der Tiefe, diese(n) sehnsüchtigen. << [...]
(C.T. II S. 1113)
Die Vegetationsgötter,
die Elfen und Nixen wurden durch das monotheistische, patriarchale
Christentum in Teufel und Böse, zumindest gefährliche Figuren
umgewandelt und die Dämologien z.B. von Paracelsus (1493 – 1541), aber
auch von Heinrich Heine (1797 – 1856) in seiner Schrift
’Elementargeister’ geschildert. „[...] Die Nixen haben die größte
Ähnlichkeit mit den Elfen. Sie sind beide verlockend, anreizend und
lieben den Tanz. Die Elfen tanzen auf Moorgründen, grünen Wiesen, freien
Waldplätzen und am liebsten unter alten Eichen. Die Nixen tanzen bei
Teichen und Flüssen; man sah sie auch wohl auf dem Wasser tanzen, den
Vorabend, wenn jemand dort ertrank. Auch kommen sie oft zu den
Tanzplätzen der Menschen und tanzen mit ihnen ganz wie unsereins. Die
weiblichen Nixen erkennt man an dem Saum ihrer weißen Kleider, der immer
feucht ist. Auch wohl an dem feinen Gespinste ihrer Schleier und an der
vornehmen Zierlichkeit ihres geheimnisvollen Wesens [...]“
(Heinrich Heine, Sämtliche Werke, Augsburg, 1998, Band III, S. 301)
Betrachtet man das
Photo: Minna als Schauspielerin, um 1835 (in: Eva Rieger: Minna und
Richard Wagner, Düsseldorf und Zürich, 2003, S. 31) erscheint uns
eine bezaubernde junge Frau, die – wäre nicht der angespannt verbitterte
Ausdruck um ihren schmallippigen Mund – das Modell für Heines
Beschreibung einer Elfe gewesen sein könnte.
Abgesehen von
romantischer verbaler Exaltation fällt bei Richard Wagners Werbe-Briefen
auf, dass sein Wunsch, sie wie einen gekauften Gegenstand zu ’besitzen’
seinen patriarchalen Anspruch auf das ’Weib’ als Haustier in
Menschengestalt, das er in der erotischen Hochphase der Balz mit
Kosenamen und Versprechungen überhäufte, dann aber verachten, ausbeuten
und vernichten konnte.
Sein Einfallsreichtum
an spaßigen und auch herzlichen Anreden wie z.B.: “Herzens-Minel“, “mein
liebstes, bestes Minel“, “mein allerbestes Weib“, “meine liebe gute
Frau“, “mein gutes Tierchen“, “liebe Mietze“, “gute Minake“, “gute liebe
Minna“, “mein armer Muzius“, “gutes Karnikel“, “mein lieber guter Mutz“,
“Chère épouse“, “Allerbester Querspahn“, “ungeheuer gescheute Minna“,
“Carissima Minna“, “Bestes Mutzigen“, “Theuerste Gattin“, “Engel“,
“liebe Kleine“ usw. (in Eva Rieger: Minna und Richard Wagner,
Düsseldorf und Zürich, 2003, S. 18) ebenso seine Unterschriften: “Dein
gutes Männel“, “komme ja recht balde zu Deinem charmanten Richel“, “Sei
von Herzen gegrüßt und geküsst von Deinem treuen, lieben, guten Richel“,
“behalte lieb Deinen guten Wassermann“, “Dein herrlicher Mann“, “Dein
RRRrrr“, “Dein hübsches Männchen“, “bleibe treu Deinem ganz guten Männel“,
“Grüße auch links und rechts und behalte lieb den – der – die – Tugend –
selber – ist“, “von Deinem sehr schlechten Manne“, “von Deinem
Schwerenöter am Rande des Grabes vor Sehnsucht nach dem Waldschlößchen“
“, vor Allen liebe, achte und verehre Deinen schönen grauen Mann“, “
Dein Ri Ra Richard“ bezeugen die Zärtlichkeit, die er auch seinen
tierischen Hausgenossen zugedachte.
(Richard Wagner an Minna Wagner, Erster und Zweiter Band, Schuster und
Loeffler, Berlin und Leipzig, 1908)
Seiner Minna und dem
’Menschenweib’ allerdings bis zu deren Begattung durch den Mann die
Seele abzuerkennen, übertrifft allerdings noch die Ausgrenzung der
jüdisch-christlichen und islamischen Religionsgemeinschaft. Wie
schmeichelt es doch dem Patriarchen, wenn ’Undine’ bei Friedrich de la
Motte Fouqué sagt: „[...] Eine Seele aber kann unseresgleichen nur durch
den innigsten Vereine der Liebe mit einem eures Geschlechtes gewinnen.
Nun bin ich beseelt, dir dank ich die Seele, o du unaussprechlich
Geliebter, und dir wird ich es danken, wenn du mich nicht mein ganzes
Leben hindurch elend machst. [...]“
(Wolfgang Möhring, Hrsg. Undine und ihre Schwestern, München,
1999, S. 102)
Im Oktober 1837 gab
Minna in Riga ihre letzten Vorstellungen mit anspruchsvollen
Rezitationen und Rollen und erhielt wohlwollende Kritiken. Für das
Reisegeld nach Paris verkaufte sie den größten Teil ihrer
Theatergarderobe. Dazu bemerkt Eva Rieger: “[...] Damit begrub sie ihre
Träume, jemals wieder aufzutreten. Ihre Identität als Schauspielerin war
ausgelöscht und das Wenige, das sie nach Paris mitnahm, war vermutlich
eine sentimentale Erinnerung an eine bessere Zeit. [...]“
(Eva Rieger: Minna und Richard Wagner, Düsseldorf und Zürich,
2003, S. 70)
Nun war sie der Besitz
des Patriarchen. Stimmlos, rechtlos, besitzlos wie alle verheirateten
Frauen ihrer Zeit.
Richten sollte hier
niemand angesichts der hohen Scheidungsrate in unserer Zeit, der
unverbindlichen Lebensabschnittsgefährtin und hemmungsloser
Promiskuität. Nur das Wahngebilde: “Wellenmädchen, das seelenlos durch
die Wogen seines Elementes dahinrauscht, bis es durch die Liebe eines
Mannes seine Seele empfängt,“ hätte ihn nicht tatkräftig auf seinen
Fluchten begleiten und in Paris und Zürich unter noch so erbärmlichen
Umständen doch ein Zuhause einrichten können.
Freilich sind die
Aussagen Richard Wagners, die er Cosima für die Niederschrift von ’Mein
Leben’ diktierte, geschönt, freilich berauschte sich der Textverliebte
an seinen eigenen Worten, wenn er Briefe schrieb und doch wunderte er
sich über die “[...] augenblickliche Macht, die ich ausübte [...]“,
jedoch Minna nur als ’freundlich teilnehmende Bekanntschaft’ zu
bezeichnen, war wohl als Kompliment für Cosimas selbstlose
Anpassungsfähigkeit gedacht, die er, der Patriarch als ihm zustehenden
Tribut als selbstverständlich in Anspruch nahm. Die finanziellen und
räumlichen Nöte waren vorbei, er war angesehen, Cosima führte für ihn
ein großbürgerliches Haus mit erlesenen Gästen, jetzt hatte ’der
Meister’ keinen Grund mehr, ’dem Ausreißen nahe zu sein.’
Am 25. Juni 1872 kommt
das Gespräch wiederum auf die Ehe mit Minna. “[...] >> Gott << [...]“,
sagt R., “[...] >> es war kein üppiger Trieb, sondern ein recht solider,
der mich dazu trieb, und wirklich hat mich diese Ehe vor allen
aufregenden Beziehungen bewahrt und nur mein künstlerisches Wesen in mir
entwickelt; ich war 40 Jahre geworden, ohne an die Möglichkeit von
ernsteren Beziehungen zu Frauen wie z. B. die meinige zu der Laussot nur
zu glauben; während deines Vaters Seelenkräfte von frühester Zeit an in
solchen Verhältnissen angespornt wurden, blieben die meinigen einzig auf
meine künstlerische Entwicklung gerichtet! << [...]“
(C.T. Bd. I, S. 539)
Während der Ehe mit
Minna, in Magdeburg, Riga, Paris und 1849 - nach der Flucht aus Dresden
- waren seine finanziellen Mittel so dürftig, so dass ein Vergleich mit
Franz Liszt, dem internationalen Virtuosen, der fürstlich honoriert in
höchsten Kreisen zu Hause war und dort die Bekanntschaft reicher,
gebildeter Frauen machte, unangebracht ist. Franz Liszt, ein schöner
Mann, ein charismatischer, weltgewandter Künstler, ihm fiel es leicht,
dass die “[...]Seelenkräfte von frühester Zeit an in solchen
Verhältnissen angespornt wurden. [...]“
Die Reihe bedeutender
Frauen, die den Lebensweg Franz Liszts begleiteten ist lang.
Schöngeistige, reiche Aristokratinnen und begeisterte Schülerinnen
umrahmten und vergötterten den Virtuosen, Komponisten, Dirigenten,
Lehrer und Wohltäter. Sie hier aufzuzählen ist nicht angebracht, aber
nachzulesen in La Mara, Liszt und die Frauen, Leipzig, 1911.
Die längste,
innigste, dramatischste Beziehung durchlebte Franz Liszt mit Carolyne
Iwanowska, unglücklich verheiratet mit Fürst Sayn-Wittgenstein, die
Liszt 1847 kennenlernte. Sie war ihm das Teuerste auf der Welt, sie
konnten nicht voneinander lassen und dennoch nicht miteinander leben.
Schon als Wunderkind war er der Liebling der Aristokratie, während
Richard Wagner und auch Giuseppe Verdi lange ’Galeerenjahre’ durchleben
mussten, bis sie die Anerkennung aller Bevölkerungsschichten errangen.
Richard Wagner,
kleinwüchsig, von unvollständiger Bildung, brauchte die lange Zeit der
Schule des Lebens bis die ’Konservation’ ihn zur künstlerischen Reife
führte. Schwankend zwischen altmeisterlichem Gehabe seinen Jüngern,
seinen Kindern und Cosima gegenüber und jugendlichem Erlebnishunger war
er eine Quelle von Überraschungen.
“[...] >> Freilich <<
[...]“, sagte er lachend “[...] >> habe ich diese Konservation etwas
teuer bezahlt. << [...]“Dies ist natürlich eine Selbstinterpretation,
die seine Erlebnisse mit Frauen verschweigt und es ist verwunderlich,
dass er mit augenzwinkerndem Vergnügen seine Liebeleien in ’Mein Leben’
ausbreitet, wodurch Cosima von diesen natürlich Kenntnis erhielt.
Eigentlich ist es sogar
eine stattliche Zahl von Angeschwärmten, Verehrten, Geliebten,
Ausgenützten.
(C.T. Bd. I, S. 539)
Amalie Lehmann
erregte 1826 den Knaben durch Berührungen, während er sich schlafend
stellte.
(Sven Friedrich: Erlösung durch Liebe – Richard Wagner und die Frauen,
Bayreuth, 1995, S. 23)
Leah David, 1828
ein kurzer Schwarm, bis deren Verlobter erschien.
(Sven Friedrich: Erlösung durch Liebe – Richard Wagner und die Frauen,
Bayreuth, 1995, S. 23)
Wilhelmine
Schröder-Devrient, die beispielhafte Sing-Schauspielerin
beeindruckte ihn 1829 als Fidelio-Leonore und wirkte lebenslang auf die
Gestaltung seiner Frauenfiguren. (Richard Wagner: Mein Leben - im
Weiteren M.L. - ab S. 89 ff)
Marie Löw erfuhr
seine Zuneigung 1831. Ihre Töchter Marie und Lilli Lehmann wirkten 1876
bei den ersten Bayreuther Festspielen mit.
(RW, M.L., S. 726)
Jenny Pachta
lernte er auf seiner Böhmen-Wanderung 1827 kennen, pries sie als “[...]
Ideal von Schönheit [...]“. Als sie aber eine Standesheirat vorzog,
stellte er 1832 fest “[...] sie war meiner Liebe nicht wert. [...]“
(RW, M.L., S. 24)
Therese Ringelmann
erhielt von Richard Wagner, dem Opernchordirektor in Würzburg, “[...]
nach einer jetzt noch unklar gebliebenen Methode [...]“
Gesangsunterricht. Vor ihren ernsthaften Liebes- und Heiratsabsichten
zog er sich zurück.
(RW, M.L., S. 82)
Friederike Galvani,
ebenfalls Sängerin am Würzburger Theater, spannte er, beflügelt durch
“[...] ein schmeichelhaftes Selbstgefühl [...]“ dem ersten Oboisten
aus, vergaß sie aber wieder bei seinem Weggang aus Würzburg.
(RW, M.L., S. 84)
Jessie Laussot,
geb. Taylor, reich und unglücklich verheiratet, gebildet, attraktiv,
exaltiert von Richard Wagners Musik beeindruckt, ließ ihn “[...] ganz
durch sich selbst, durch das unwillkürliche, helle und nackte erscheinen
der Liebe [...]“ die erotischen Schauer erleben, die er musikalisch so
gern beschrieb. Fluchtpläne nach Griechenland und in den Orient
scheiterten, da Jessie als unmündige und rechtlose Ehefrau keinen
Zugriff auf ihr Vermögen hatte und der gehörnte Ehemann drohte, Wagner
eine Kugel durch den Kopf zu schießen. In einem Brief an seine Gönnerin
Julie Ritter vom 26. und 27.Juni 1850 verarbeitete er die Affäre
wortreich und resümierte “[...] Das weib, das mir erlösung bringen
sollte, hat sich als kind bewährt. [...]“
(Richard Wagner,
Sämtliche Briefe, Hrsg. Gertrud Strobel und Werner Wolf, Leipzig
1975, Bd. III, S. 318)
Mathilde Wesendonck
sah Richard Wagner gemeinsam mit ihrem Mann, Otto Wesendonck, zum ersten
Mal in Zürich als Dirigenten eines Beethoven-Konzertes am 20. Januar
1852. Bis zum Bruch der Bekanntschaft förderte das Ehepaar Wesendonck
Richard Wagner in großzügiger Weise. Mathilde, hochgebildet und
empfindsam wurde Schülerin, Jüngerin, Seelenfreundin und Muse, alles,
was er bei der bürgerlich-nüchternen Minna vermisste. Mathilde und
Richard Wagner pflegten als Nachbarn im ’Asyl’, dem Gartenhaus der
Wesendonck’schen Villa, engen Kontakt und emphatische Briefe wurden
ausgetauscht, bis Minna einen solchen, die ’Morgenbeichte’ am 17. April
1858 abfing und den Bruch der Liebesbeziehung zu Mathilde herbeiführte.
In den ‘Wesendonck-Liedern’ als Studien zu ’Tristan und Isolde’ hat er
ihr ein unsterbliches Denkmal gesetzt und noch in einem Brief an die
Gönnerin Eliza Wille vom 5. Juni 1863 schrieb er “[...] Es war der
Höhepunkt meines Lebens: die bangen, schön beklommenen Jahre, die ich in
dem wachsenden Zauber ihrer Nähe, ihrer Neigung verlebte, enthalten alle
Süße meines Lebens. [...]“
(Richard Wagner Briefe, Ausgewählt, eingeleitet und kommentiert von
Hanjo Kesting, München, 1983, S. 471)
Seraphine Mauro,
sorgte 1861 in Wien für Richard Wagners Wohlergehen. Die Nichte seines
Freundes Josef Standhartner, eine südländische Schönheit mit “[...]
marmorbleichem Antlitz, das von schwarzen Locken umgeben war, die bis
zur vollen Büste herabhingen [...]“ zeigte Entgegenkommen. Die “[...]
liebe Puppe [...]“ geriet aber in Vergessenheit und vernichtete seine
Briefe.
(Richard Wagner, M.L., S. 683)
Mathilde Maier
lernte RW 1862 im Hause Schott kennen und bald bat er die schöne und
kluge Tochter eines Notars aus Alzey mehrmals, zuletzt 1864, mit ihm
zusammenzuleben. Sie lehnte behutsam ab, blieb ihm aber auch später
freundschaftlich verbunden.
(RW, M.L., S. 696)
Friederike Meyer,
die Schwester der für Wien vorgesehenen ’Isolde’, Marie-Luise Dustmann,
löste Richard Wagner zuliebe ihr Schauspielengagement in Frankfurt. Er
fand trotz ihres Mutes, sich zu ihm zu bekennen, in ihr nicht die
gleichwertige Partnerin. Sie reiste nach einem Zerwürfnis mit ihrer
Schwester aus Wien ab, versöhnte sich mit ihrem ehemaligen Gönner, dem
Theaterdirektor Guaita und verschwand aus Richard Wagners Leben.
(RW, M.L., S. 695)
Cosima Liszt
lernte Richard Wagner als Fünfzehnjährige am 10. Oktober 1853 bei ihrem
Vater anlässlich eines Diners mit dem Eindruck “[...] anhaltender
Schüchternheit [...]“ (RW, M.L., S. 516) kennen. Hans von Bülow
heiratete Cosima am 18. August 1857, um sich seinem verehrten Lehrer
Franz Liszt dankbar zu erweisen. Diese Ehe entsprach zwar der
bürgerlichen Konvention, aber Cosima sehnte sich nach einem
schöpferischen Mann an ihrer Seite. Sie wurde in Wagners Züricher ’Asyl’
im September 1857 mit der Tristan-Dichtung bekannt, weint, fällt
innerlich aufgewühlt Richard Wagner, in welchem sie die Mission ihres
Lebens sieht, zu Füßen, plant mit dem jungen Karl Ritter den Freitod.
Ihre nächste Begegnung fand 1862 in Biebrich statt. Richard Wagner
bemerkte “[...] in Cosimas Mienen denselben Ausdruck, den sie mir damals
zu meinem Erstaunen bei jenem Abschied in Zürich gezeigt hatte; nur war
diesmal das Ekstatische desselben in heitere Verklärung aufgelöst. Hier
war alles Schweigen und Geheimnis [...]“
(RW, M.L., S. 709)
Bei einem Besuch Richard Wagners in Berlin bei von Bülows gestehen sie
sich am 28. November 1863 bei einer Kutschfahrt auf der Promenade das
Unglück, das sie belastet. “[...] Unter Tränen und Schluchzen
besiegelten wir das Bekenntnis, uns gegenseitig anzugehören. [...]“
(RW, M.L., S. 746)
Als Cosima Ende Juni 1864 nach Starnberg kommt, enden die Turbulenzen um
Mathilde Wesendonck und Mathilde Maier durch die Entscheidung für das
Unabwendbare. Am 10. April 1865 bringt Cosima das erste gemeinsame Kind,
Isolde, zur Welt, am 17 Februar 1867 das zweite Kind, Eva, und am 6.
Juni 1869 den Sohn Siegfried als drittes. Am 18. Juli 1870 wurde die Ehe
mit Hans von Bülow geschieden und am 25. August 1870 wurden Richard
Wagner und sie in der protestantischen Kirche von Luzern getraut. Mit
der ihr eigenen pathetischen Leidensfähigkeit wurde Cosima die
unentbehrliche Vertraute und Stütze des Meisters und ertrug, belastet
von der Sorge um den kränkelnden Hans von Bülow die Launen und Affären,
erlebte die unglaublichen Schwierigkeiten beim Aufbau des
Festspielhauses und der Festspiele. Nach Richard Wagners Tod wurde
Cosima die Herrin von Bayreuth. 1908 übergab sie Leitung der Festspiele
an Sohn Siegfried. Die jahrelange Selbstaufgabe ließ sie im Alter
unduldsam werden, bis sie vor ihrem Tod am 1.4.1930 geradezu
versteinerte.
Und noch während der
Zeit mit Cosima erlebte Richard Wagner Frauen, die in sein Gefühlsleben
eingriffen.
Judith Gautier
lernte Richard Wagner am 6. Juni 1869 in Tribschen kennen. Sie war erst
23 Jahre alt, hatte mit 19 Jahren die Noten vom ’Fliegenden Holländer’
in die Hand bekommen und war seit dieser Zeit eine glühende Verehrerin
von Wagners Musik. Als Tochter des Dichters Théophile Gautier schrieb
sie Artikel und Rezensionen über ‚le plus grand génie musical de notre
époque’, worüber Richard Wagner begeistert war. In Tribschen freundeten
Cosima und Judith sich an, bis auch Wagner bei ihrer zweiten Begegnung
1876 in Bayreuth von der Schönheit des ’Orkan’, wie Baudelaire sie
nannte, hingerissen war und eine Liebesaffäre begann, wobei der Barbier
Bernard Schnappauf den geheimen Briefwechsel zwischen Richard Wagner und
Judith arrangierte. Am 18. Nov. 1877 schrieb er ihr “[...] Ich schreie
nicht, aber in meinen besten Momenten bewahre ich mir eine so süße,
wohltuende Sehnsucht, jene Sehnsucht, Sie noch zu umarmen und ihre
göttliche Liebe nie zu verlieren. Sie sind mein, nicht wahr? [...]“ Um
sich für die schwüle Atmosphäre des Parsifal zu inspirieren, erbat sich
Richard Wagner im Dezember 1877 Satin in der Farbe ihres Fleisches, sie
aber verhielt sich zurückhaltend. Als entweder Cosima die Korrespondenz
entdeckte oder Richard Wagner ihr die Affäre gestand, endete die
Korrespondenz im Februar 1878. Im Juli 1882 besuchte Judith anlässlich
der Uraufführung des Parsifal Richard Wagner in Bayreuth zum letzten
Mal.
(Sven Friedrich: Erlösung durch Liebe – Richard Wagner und die Frauen,
Bayreuth, 1995, S. 34 - 36)
Carrie Pringle
war eine letzte Schwärmerei Richard Wagners. Sie veranlasste ihn, sich
bei den Proben nur noch die Blumenmädchen-Szene des Parsifal
anzuschauen. Er scherzte mit den Darstellerinnen und als Carrie Pringle
einen kleinen Unfall hatte, wurde sie ins Haus des Forstmeisters
Fröhlich gefahren, in die Wahnfriedstraße, nahe Hofgarten. Näheres ist
nicht bekannt, da “[...] wir nichts wissen, da uns der Vorfall nur
raunend und die seltsame Zuneigung Wagners zu den Blumen in Klingsors
Garten auch nur durch die nachträglichen Andeutungen der Tochter Isolde
und die Hieroglyphen in den Tagebüchern Cosimas überliefert ist. [...]“
(Martin Gregor-Dellin, Richard Wagner, München 1995, S. 823)
Für den 6. September
1882 hielt Cosima fest “[...] Wir spielen Whist. R. sagt dabei, er habe
Sehnsucht nach den Blumenmädchen, er habe ihnen nicht genügend seine
Freude an ihnen zeigen können, wenn er auch bei jeder Aufführung laut
sein Bravo über das ganze Publikum hinweg zugerufen hat.
[...]“ (C.T. Bd. II, S. 999)
Carrie Pringle’s Name
fiel wahrscheinlich wieder bei der Besetzungsbesprechung mit Hermann
Levi am 5. Februar 1883 in Venedig und es ist möglich, dass sie zum
Vorsingen eingeladen wurde. Am Dienstag, 13. Februar 1883 “[...] kam es,
dem Zeugnis der Tochter Isolde zufolge, zwischen ihm und Cosima zu einer
heftigen Auseinandersetzung, deren Grund die Einladung an Carrie Pringle
gewesen sein dürfte, ihn in Venedig zu besuchen. Laut Aussage des des
Hausarztes Dr. Keppler hat diese Aufregung sein Ende beschleunigt.
(Martin Gregor-Dellin, Richard Wagner, München 1995, S. 840)
Entsprach eine Frau
seinem fest gefügten Bild, war sie hübsch (wie Minna in ihrer Jugend)
war er rasch entflammt, bezauberte durch Galanterie, trotzdem war er von
der Minderwertigkeit der Frauen überzeugt wie die Bemerkung vom 15. Juli
1872 zeigt: “[...] R. sagt, der Anblick seines Kopfes [Sohn Siegfried]
sei ihm eine reine Wonne, er verstünde, was die Griechen an der
männlichen Schönheit so erfreute, Kraft und Intelligenz, die sich darin
ausspreche, während in der weiblichen Schönheit nur Sehnsucht sich
ausdrücke. [...]“.
(C.T., Bd. I, S. 549).
Hier äußern sich
Wunschdenken und Vorurteil des Patriarchen. Ein Knabe ist von Natur
stark und intelligent, ein Mädchen, unvollkommen, beschränkt, unfähig,
klar zu denken, es sehnt sich nach seiner Vervollständigung durch den
Mann. Wenn sich die Betrachtung auf seine Töchter bezog, so hatten ihre
Kinderaugen wohl auch Sehnsucht im Blick nach der Liebe ihres Vaters,
der den Sohn so offensichtlich bevorzugte, dass sie sich schmerzlich
zurückgesetzt fühlen mussten. Schon früh wurden sie in die Zucht
genommen, zu schweigen und gefällig zu sein. [s. Jean-Jacques Rousseau:
’Emile’: Sophie] Diese Erziehungsanleitungen steckten tief in den Köpfen
und entsprachen genau den Vorstellungen, denen Richard Wagner in seinem
Bild von der sehnsuchtsvoll auf den Augenblick der Hingabe wartenden
Frauen anhing. Sehr treffend beschreibt Hugo von Hofmannsthal die
Verinnerlichung dieser Erziehungsmethoden, wenn er die Sophie im
’Rosenkavalier’ sagen lässt: “[...] Er ist ein Mann, da ist Er was Er
bleibt. Ich aber brauch’ erst einen Mann, dass ich was bin. Dafür bin
ich dem Mann dann auch gar sehr verschuldet. [...]“ (2. Aufzug, 1.
Szene, Schott Klavierauszug S. 180)
Am 30. Juli 1872
erwähnt er wieder seine Ehe mit Minna “[...] >> diese Vergeudung der
Lebens- und Seelenkräfte << [...]“, ruft er aus, “[...] >> dieser Unsinn
aller Beziehungen; ich muß wirklich glauben, dass ich meiner Mission zu
leben habe, denn z.B. in Paris, da ist doch für mich positiv nichts
herausgekommen, ich habe mir nichts gewonnen; ich bin nur immer
schroffer und schroffer geworden. << [...]“ (C.T.
Bd. I, S. 555)
Vor einem Monat noch
hatte Richard Wagner seinen Schwiegervater beneidet, dessen
’Seelenkräfte an solchen Verhältnissen angespornt’ wurden, jetzt zieht
er es vor, seiner ’Mission zu leben’, ohne Vergeudung der Lebens- und
Seelenkräfte. Ein lebendiges Beispiel wie sich die kreativen Impulse der
Künstler unterscheiden.
Die liebliche Minna,
die schlimmste Zeiten mit ihm ertrug, bis ihre Kräfte erschöpft waren,
die Muse Mathilde Wesendonck, Mathilde Maier, an allen entzündeten sich
seine schöpferischen Kräfte bis sie verblassten, aber weiterleben als
Bausteine der Charaktere von Senta, Elsa, Evchen, Isolde. Es war also
durchaus nicht nur Jessie Taylor-Laussot, die ihn entflammte. Schroffer
und schroffer wurde er verständlicherweise in seiner erfolglosen Lage
voll von Neid und Wut auf die bejubelten bombastischen Opern Meyerbeers.
Aber seine Schroffheit machte ihn auch stark, seine Vorstellung vom
Theater durchzuhalten und mit bewundernswürdiger Zähigkeit in die Tat
umzusetzen.
Am Fr. 6. Dezember 1872
auf den Reisen zur Vorbereitung der Bayreuther Festspiele erregt sich
Richard Wagner nach dem Besuch eines Bierhauses in Hannover “[...] darin
er zwei ganz unanständige Dirnen als Schenkinnen gefunden; er sagt, was
ihn erschrocken hätte, wäre, dass kein Mensch etwas darin gefunden, die
Leute von ihren Geschäften gesprochen hätten und diese Gemeinheit als
gleichsam zur Sache gehörig unbeachtet gelassen, “[...] >> wie unsere
Frauen Chignons usw. diese Provokationsmittel ganz unschuldig anwenden,
niemand sich darüber empört, es ist trostlos! Wo soll es auch bei uns
herkommen, in unserem Klima, wie soll der Schönheitssinn sich
entwickeln! --- Die Griechen sind ein Ausrufungszeichen, die Lotosblume
im Teich, wo nun die Frösche quaken, damit müssen wir uns begnügen. So
kalt, so roh ist die Sinnlichkeit im Norden, so phantasielos. Ach, es
ist ein Ekel. << [...]“
(C.T. Bd. I, S. 608)
’Provokationsmittel’ wie der Chignon, also ’ein Dutt’, an dem die Haare
im Nacken festgezurrt wurden, regen den alternden Meister auf.
Der Besuch einer
Bierkneipe mit den Erwartungen an ein edles Grand-Hotel zu verbinden
zeigt, dass Richard Wagner bei aller Energie Geld und Mitarbeiter für
sein Theater zu sammeln jetzt jenseits des sechzigsten Lebensjahres die
klare Sicht auf die Realität verliert. Dass die Kunden mit den Dirnen
den Geschäftsablauf besprechen, war und ist üblich, solange Männer das
Bedürfnis nach käuflicher Befriedigung verspüren und die Liste derer,
die sich in Etablissements vergnügt, aber auch infiziert haben, ist
lang, denn die rigorose Trennung der Geschlechter, wie sie auch Richard
Wagner für erforderlich hielt, lässt kein Liebesleben zu, das beglückt,
bereichert, Perversionen und Aggressionen verhindert. In den sorgfältig
recherchierten Krankengeschichten in ’Genie, Irrsinn und Ruhm’
(München/Basel 1979) schildern Wilhelm Lange-Eichbaum und Wolfram Kurth
die Leidenswege der Verklemmten und Syphilitiker, unter ihnen Freunde
und Kollegen Richard Wagners.
Der bekannteste Fall in
seinem unmittelbaren Umfeld ist Friedrich Nietzsche (1844-1900). Er
infizierte sich 1865 als Student in einem Leipziger Bordell, durchlebte
die Krankheit in allen Stadien, auch der euphorischen, die seine
Produktivität rauschhaft steigerte, bis zu Paralyse, Demenz und
Zusammenbruch. Sein Frauenbild konkretisierte sich in platonischer
Verehrung Cosimas und den käuflichen Huren. Dieser unheilvolle
Antagonismus vergiftete sowohl die Gesundheit, als auch das
gesellschaftliche Leben.
Franz Schubert
(1797-1828) war infiziert, Arthur Schopenhauer (1788-1860) wurde durch
die Syphilis zum Frauenhasser und Pessimisten, Hugo Wolf (1860-1903)
infizierte sich mit 17 Jahren, die Krankheit stimulierte ihn zeitweilig
bis er in Geistesverwirrung starb.
Die Gefährdung der
Jugendlichen war durch die mangelnde Aufklärung groß – man sprach ja in
einer Gesellschaft der Frömmelnden nicht über Sexualität – und Richard
Wagner hat wahrlich Glück gehabt, dass er in der „[...] Periode der
Jünglings-Flegeljahre, über deren äußerliche Unschönheit und innerliche
Leere ich jetzt noch wahrhaft erstaune [...]“ (ML, S 45) sich keine
Krankheit zuzog, war er doch in eine Studentenclique geraten und einer
seiner Kumpane hatte „[...] bereits ein wüstes leidenschaftliches Leben
hinter sich, in welchem Spiel, Trunk, wilde Liebeshändel und stete
Duellierbereitschaft den wechsellosen Kanon bildeten. [...]“ (ML, S.
52)
Mit Witz und Schmunzeln
schildert er seine Jugendabenteuer, natürlich nur das, was für Cosimas
Ohren erträglich war, und so bleiben die aufgeputzten Mädchen, um die es
bei den „[...] wilden Liebeshändeln [...]“ ja ging, unerwähnt.
Sich im besten Licht zu
zeigen, sich zu schmücken, die körperlichen Reize hervorzuheben, ist
eine Eigenschaft, die nur der Asket verneint und den im Tschador
eingekerkerten Frauen im Islam verboten ist. Die Wechsel der Mode sind
über die Jahrhunderte unbegrenzt einfallsreich und führen das ’Bild der
Frau’ in immer neuen Variationen vor. Die zweite Hälfte des neunzehnten
Jahrhunderts deformiert die Gestalt der Frau durch Schnürkorsetts, um
mit der winzigen Taille zu signalisieren, dass sie leicht zu umfangen
und zu zerbrechen ist.
Die Kostümgeschichte
des 19. Jahrhunderts zeigt die französische Empire- und die deutsche
Biedermeier-Mode mit hoch gerückter Taille und fließenden Stoffen. Nach
1830 wanderte die Taille wieder an ihren natürlichen Platz, die Stoffe
waren schwer und die Krinoline, ein Gestell, anfangs aus Rosshaar und
Fischbein, später aus Stahlreifen umgab die Frauen wie ein Wall und
betonte dadurch noch die eng geschnürte Taille, behinderte natürliche
Bewegungen.
Um 1870 plusterte der
cul de Paris, ein gepolstertes Halbgestell, das Gesäß der Frauen auf;
überall wallten Rüschen, Volants, Schleifen, Spitzen und die Unterröcke
kräuselten sich geheimnisvoll um die Füße. In Balltoilette zeigten die
Damen weiße Schultern und Decolletée, das aus der geschnürten Taille
heraus quoll. Deformierte innere Organe, Tuberkulose, Anämie, die
tägliche Qual ins Korsett geschnürt zu werden, waren ein hoher Preis,
den die zur Puppe, zum Schaustück zugerichtete Frau zahlte.
(Wolfgang Bruhn – Max Tilke, Kostümgeschichte in Bildern,
Tübingen 1955)
Über dieses
krankmachende Martyrium des Schnürens hätte sich Richard Wagner aufregen
sollen und Frau und Töchter davor bewahren! Pfarrer Sebastian Kneipp
(1821-1897) warnt und schildert die Folgen „[...] Ist es möglich, dass
man so unvernünftigen Aufstellungen Gehör gibt, wie die Zeichnungen im
Modejournal aufweisen? An diesem ist es gut nachzuweisen, dass man sich
durch die Mode zum Krüppel umwandeln will, dass man nicht bloß
krüppelhaft erscheinen, sondern auch sein will [...] Ich nenne das
Schnüren grausam, weil es den Körper tyrannisiert und viele tausende
mehr oder weniger zu Grunde richtet. Das Traurigste aber bei dieser Mode
ist, dass die von dieser Leidenschaft gefesselten in ihrer Blindheit der
Überzeugung leben, es sei diese schön und habe gar keine nachteiligen
Folgen. [...]“ Dann lässt Kneipp eine ’vernünftige Gräfin’ zu Wort
kommen „[...] ich halte dieses Schnüren für etwas den Menschen
Entwürdigendes, weil es den Körper verkümmert und ihn sich nicht
entwickeln lässt wie der Schöpfer es bestimmt hat. [...] Wie vielfältig
ist der Jammer über Anstauungen, über Gewächse im Unterleib, zu deren
Hebung die gefährlichsten Operationen vorgenommen werden müssen! Die
meisten Personen leben auch nicht lange hernach. Man klagt über
Blutstörungen und Blutarmut. Wie soll das Blut noch in den Adern fließen
können, wenn der Körper so erbärmlich gebunden wird. [...]“
Weiter sagt Kneipp
selber: „[...] Hat man früher die lächerliche Mode des Reifrockes
gehabt, so trug man später einen Kamelhöcker auf dem unteren Theile des
Rückens, auf den ein paar Affen gemütlich hätten Platz nehmen können.
Sollte dieser Kleiderwulst auf dem unteren Rücken etwa stets eine große
Hitze bewirken und die so lästigen Hämorrhoiden befördern? [...]“
(Das große Kneippbuch, bearbeitet und herausgegeben von Bonifaz
Reile, München/Kempten 1922, S 103 ff)
Eingeklemmt, fest
verpackt und freudlos schauen seine Töchter und Cosima aus den Photos
und er sehnt sich nach der Schönheit der Griechen.
Die “[...] Lotosblüte
im Teich, wo nun die Frösche quaken [...]“ wuchs natürlich auch aus
einem Schlamm, den die Romantiker nicht sehen wollten, sondern wie
’Lohengrin’ das Traumbildes idealen Mittelalters, war das romantische
Griechenland ein sehnsuchtsvoller Traum, eine Illusion von ’edler
Einfalt, stiller Größe’. Er beklagt “[...] >> so kalt so roh ist die
Sinnlichkeit im Norden, so phantasielos. Ach, es ist ein Ekel. << [...]“
Am 28. November 1863
hatten Richard Wagner und Cosima geschworen, sich “[...] einzig
gegenseitig anzugehören [...]“, am 6.6.1969 hatte Cosima, Siegfried, den
Erben, sein drittes Kind geboren.
Nach insgesamt fünf
Schwangerschaften und Geburten – einschließlich der beiden Kinder mit
Hans von Bülow, Daniela und Blandine – steht heute wohl kaum einem noch
so gehorsamen Weib der Sinn danach, sich wie einen ’Lotosblume im Teich’
zu geben oder dem Ehemann als Hetäre zu dienen. Die idealen Körper, die
griechische Künstler schufen, täuschten romantische Träumer über das
Elend der bis ins 20. Jahrhundert mehr oder weniger rechtlosen Frauen,
so wie unsere überbezahlten Models über die Mehrzahl fehlernährter,
überarbeiteter Durchschnittsfrauen hinwegtäuschen.
Wenn Richard Wagner die
Kälte und Rohheit des Sinnlichkeit im Norden zum Ekeln findet, ist sie
eigentlich harmlos gegenüber der Brutalität der antiken Welt oder der
Unmenschlichkeit heutiger Theokratien.
Außer den Hetären, die
sich zeigen und auch bilden durften, vegetierten in Griechenland die
Frauen im geschlossenen Raum des Hauses und hatten nur Wert und Ansehen
für den Ehemann, wenn sie unsichtbar und stumm waren.
Die
Geschlechtersegregation, die rechtliche Hierarchie zwischen Mann und
Frau in der Struktur des patriarchalischen Hauses überliefert in den
Gesetzen des Spartaners Lykurg und des Atheners Solon waren für Richard
Wagner sicherlich eine willkommene Rechtfertigung seiner lebenslangen
Ablehnung von Bildung und Freiheit für Frauen. In voller Übereinstimmung
mit Hektor in der Ilias, der die besorgte Andromache anherrscht: „Doch
du gehe ins Haus und besorge die eigenen Geschäfte, Webstuhl und Spindel
sind’s, und befiehl du den dienenden Mägden, an ihr Werk zu gehen. Der
Krieg ist Sache der Männer.“ (Homer: Ilias, Stuttgart, 1979, S.
124) herrscht Wotan das “[...] weichherzige Weibergezücht [...]“ an und
bestraft die ungehorsame Brünnhilde mit dem verächtlichen
Weiberschicksal “[...] dem herrischen Mann gehorcht sie fortan, am Herde
sitzt sie und spinnt, aller Spottenden Ziel und Spiel. [...]“ (Die
Walküre, 3. Aufzug, 2. Szene)
Während die edlen
’Männertöter’ (Homer) sich ruhmreich umbringen, stellt das “Ziel und
Spiel der Spottenden“ Kleidung her, kocht, wäscht, organisiert den
Haushalt, gebiert und zieht Kinder auf. Ein wenig Mitgefühl zeigt
Euripides, dessen ’Medea’ sagt
“[...] Von allen, was
auf Erden Geist und Leben hat,
Sind doch wir Frauen
das Allerunglückseligste.
Mit Gaben ohne Ende
müssen wir zuerst
Den Gatten uns
erkaufen, ihm als unseren Herrn
Annehmen: dies ist
schlimmer noch als jedes Leid.
Dann ist das größte
Wagnis, ob er edel ist,
Ob böse: denn
unrühmlich ist’s dem Weibe, sich
Vom Mann zu trennen;
auch darf es ihn nicht verschmähn. [...]
[...] Sie sagen wohl,
wir lebten sicher vor Gefahr
Zu Hause, während sie
bestehen der Speere Kampf,
Die Toren: lieber
wollte ich dreimal ins Graun
Der Schlacht mich
werfen, als gebären einmal nur [...]“
(Euripides:
Sämtliche Tragödien, Stuttgart 1984, Bd. II, S 195-196)
Einen Sündenbock für
alle Übel des Lebens zu finden, gehört zu den unmenschlichsten
Eigenheiten des Menschen, um damit von der eigenen Unfähigkeit
abzulenken. Immer sind es die anderen, besonders ’Das andere Geschlecht’
(Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht – Sitte und Sexus der Frau,
1951, Reinbek), die für jegliche Art von Niederlagen verantwortlich
sind. Heriod rät in ’Werke und Tage’ „[...] Im richtigen Alter führe ein
Weib in dein Haus, wenn du nicht mehr viel unter dreißig Jahren oder
noch nicht weit darüber bist. Da passt dein Alter zur Heirat. Die Frau
aber sei vier Jahre schon mannbar und heirate im fünften. Nimm nur eine
Jungfrau, die du rechten Wandel lehren kannst [...]“ Außerdem rät Heriod
„[...] Laß dir auch nicht den Sinn vom süßen Geschwätz eines
sterzwedelnden Weibes, das auf dein Häuschen aus ist, betören, denn wer
einer Frau traut, der traut auch Dieben [...]“
(Barbara Patzek (Hrsg): Quellen zur Geschichte der Frauen, Bd. 1,
Antike, Stuttgart, 2000)
Für die Sinnlichkeit
war keineswegs die stumm den Oikos verwaltende Hausfrau zuständig,
sondern neben den Lustknaben, die Huren und die Hetären, an die wohl
Richard Wagner bei seinem Wort von den “Lotosblüten im Teich“ dachte.
Klaus Thiele-Dohrmann erwähnt in seinem Buch ‚Hetären, Kurtisanen,
Mätressen’ (München 1997, S. 29) eine Rede des Demosthenes, die
genau Auskunft über die Aufgaben der Weiber, die laut Richard Wagner ja
der “Spottenden Ziel und Spiel“ sind, gibt: “Hetären hält man sich nur
zum Vergnügen, Dirnen aber zur täglichen Pflege und Bedienung der
Person. Ehrbare Frauen heiratet man dagegen, um ebenbürtige eheliche
Kinder zu zeugen und um im Hause eine treue Wächterin zu besitzen [...]“
Während die ehrbare Frau im Verbund der Sippe einen gewissen Schutz
genoss, kam die große Menge der Dirnen aus dem Sklavenstand und musste
sich auf entwürdigende Art und meist widerwillig im anonymen Halbdunkel
ihren Lebensunterhalt verdienen. Nur einigen wenigen Prostituierten
gelang es zu einem gewissen Wohlstand zu kommen und durch besonderen
Liebreiz und Intelligenz zur Gefährtin bedeutender Männer zu werden.
Waren sie gebildet wie Aspasia, die sogar in einem eheähnlichen
Verhältnis mit Perikles lebte, wurde als anregende Gesprächspartnerin
der männlichen Oberschicht Athens geschätzt und versetzte auf Grund
ihrer Redekunst sogar Sokrates in Erstaunen, waren sie doch immer von
der Willkür ihrer Gönner abhängig. Auch die schöne Phryne, als Venus von
Knidos durch Praxiteles Unsterblichkeit erlangt, wurde reich und
berühmt, war aber durch Neider und Frömmler stets gefährdet und musste
sich wie Aspasia einem Prozess wegen Gottlosigkeit stellen. Diesen
beiden “Lotosblumen im Teich“, mutige, kluge Frauen, gelang es, sich
relativ unabhängig zu machen und ihre körperliche Anziehungskraft
zielbewusst und mit kühlem Kopf einzusetzen. Aber sie sind
Ausnahmeerscheinungen.
Zweifellos sind die
Griechen ein ‚Ausrufungszeichen’, aber nie darf vergessen werden, dass
ihre kulturellen Leistungen auf der Ausbeutung von Sklaven, der
arbeitenden Bevölkerung und der Demütigung der Frauen beruhte. Richard
Wagners ’Teich-Metapher’ zeigt anschaulich zwei Lebensformen: die
’Lotosblume im Teich’ und “[...] die früh welkende Blumen [...]“
(Parsifal, 2. Aufzug) angewurzelt im Sumpf, oder die ’Frösche’, die sich
frei im Wasser bewegen, laut und vernehmlich quaken. Vor die Wahl
gestellt, würden heutige Frauen sicher lieber mit den Fröschen hüpfen
und schwimmen – es könnte ja auch ein Prinz in Grimms Märchen ’Der
Froschkönig’ unter ihnen sein.
So wie in Richard
Wagner die Illusion von einen idealen Griechenland lebt, das es in dem
Sinne nie gab, kreiert er sich sein ideales Mittelalter in der
Phantasie, aus dem er ‘Tannhäuser‘ und ‘Lohengrin‘ schafft. Die
griechischen Frauen lebten auf der Werteskala mit Sklaven und Tieren.
Wusste er es nicht längst aus der Zeit seiner jugendlichen
Griechenlandstudien? Er wollte es nicht wissen, der ehemalige
Revolutionär nährte seine Illusionen und zog sich in seine Theaterwelt
und den engen Privatkreis zurück, sein Frauenbild wurde immer
reaktionärer. So. 22. Dezember 1872 “[...] R. frühstückt an meinem Bett
und sagt mir, wie er nachts darüber nachgedacht hätte, wie wir schon
dadurch wie mit einer Kluft von den Griechen getrennt, dass die Frauen
bei uns an allem Teil nehmen; dass dadurch in der Literatur der Ton der
Galanterien entstanden sei und eigentlich die Wahrhaftigkeit in ihrer
Naivität aufhöre. Es sei schlimm, dass das, was man der ausgezeichneten
Frau als Huldigung darbringen möchte, in dem man sie in den Kreis der
männlichen intellektuellen Beschäftigungen zieht, nun zur Regel für jede
Gans geworden sei! Und nun auch jede Gans ein Urteil abgäbe. [...]“
(C.T. Bd. I, S. 614)
Der Ausschluss der
Frauen aus dem öffentlichen Leben und von den wichtigen Entscheidungen
hat ein Männlichkeitsideal von brutaler Aggressivität geschaffen, das im
Laufe der Geschichte Verwüstung und Krieg über die Völker brachte und
bis zum Ende des zweiten Weltkrieges noch als heldenhaft gefeiert wurde.
Gestützt auf die erzwungene Duldsamkeit der Frauen, Sklaven- und
Fronarbeit im Namen göttlicher Gesetze erwuchsen zwar die griechische
Kultur, das römische Weltreich, die Dome des Mittelalters, Zeichen
vergangener Epochen in die Richard Wagner sich hineinträumte, deren
schwarze Rückseiten in der Geschichtsvermittlung aber noch der
Aufarbeitung bedürfen.
Gerade Richard Wagner,
der von Frauen, die an allem teilnahmen (....E. Wille. J. Ritter, M.
Wesendonck, M. v. Meysenbug ….) künstlerisch und finanziell unterstützt
wurde, ohne die er nicht überlebt hätte, will er wieder ins Frauenhaus
einsperren. Die von ihm beklagte Galanterie in der Literatur konnte sich
doch nur als leeres Wortgeklingel für Geschöpfe entwickeln, deren
Niedlichkeit in der Jugend gehuldigt wurde, deren zwangsweise
leergebliebene Köpfe aber zutiefst verachtet wurden.
Wenn die ausgezeichnete
Frau als Huldigung in den Kreis der männlichen intellektuellen
Beschäftigungen gnädig zugelassen wird, wer beurteilt, ob sie
ausgezeichnet genug ist? Auch wird sie dort stumm im Kreise der
schnatternden Ganter sitzen müssen, denn “[...] ein folgsam Kind,
gefragt nur spricht [...]“ lässt Richard Wagner Evchen im 2. Akt der
‘Meistersinger‘ sagen. Hat er Frauen schon zu Gattungswesen wie Rind und
Schaf herabqualifiziert, gilt seine volle Verachtung den dummen Gänsen,
die in den hehren Kreis der Denker eingebrochen sind. Zwar hat die
Verhaltensforschung (Konrad Lorenz und seinen Nachfolger/innen)
festgestellt, dass sie ein hochkomplexes Sozialverhalten haben, aber der
Meister lässt Parsifal von Gurnemanz davonjagen: “[...] und suche dir
Gänser die Gans.[...]“ (1. Akt, Schlussszene). Treu folgt Richard Wagner
dem Wort des Paulus: ’mulier tacet’ und er ergrimmt, dass nun jede Gans
ein Urteil habe. Geschwätz, small talk, hohle Phrasen führen zu nichts
als verlorener Zeit, aber konstruktive Gespräche in Familie, Wirtschaft
und Politik, wo Frauen ihren gesunden Menschenverstand und ihre
emotionale Intelligenz einbringen können, sie hätte der
Sozialrevolutionär Richard Wagner postulieren sollen. Seine Figuren,
’das Weib der Zukunft’ aber sind lebensunfähige Phantome. “[...] Sie
reagieren auf die Händel und Verträge, die Kämpfe der Männer, sie werden
in ihnen aufgerieben – sie sind nicht die Handelnden, Planenden,
Aktiven, sondern die Verhandelten. [...]“
(Sabine Zurmühl: ’Visionen und Ideologien von Weiblichkeit’ in
Das Weib der Zukunft, Stuttgart, Weimar 2000)
Am So. 20. Juli 1873
hält Cosima eine Bemerkung Richard Wagners fest, die wie das späte
Reflektieren seiner Ortrud klingt, die er in seinem Brief an Franz Liszt
vom 30. Januar 1852 als Reaktionärin und deren vermoderte Götter in
heftiger Weise beschimpft hatte.
„[...] Weiter auf dem
Spaziergang gedenken wir dem ‚Mythus von Thor’ und Olaf’s, des
Christlichen-König; wie Thor sagt: “Ich sollte mich rächen, und in das
Meer verschwinden, so wehmütig, so schön; R. sagt: >> Solche Eindrücke
sind es gewesen, die mich gänzlich von der modernen Welt abgewendet
haben und die andere aufsuchen lassen. <<“
Wie schön vom deutschen
Volk, so persönlich an seinen Göttern gehangen zu haben, sie noch
festzuhalten, so lange es nur ging und dann rührend verschwinden [...]
lassen; Tannhäuser-Sage, Wotan als Knecht Ruprecht, der Neck, der weint,
dass er nicht erlöst sein kann! [...]“
(C.T. Bd. I, S. 708)
Bei Hans Mayer heißt es
dazu “[...] Eigenartig ferner, dass Ortruds Ruf nach den heidnischen
Göttern negativ gedeutet wird, während Richard Wagner nur wenige Jahre
später daran geht, die von Ortrud aufgerufene germanische Götterwelt als
Chiffre der bürgerlichen Gesellschaft zu interpretieren und sich selbst
darin als ’Wanderer‘ wiederzuerkennen. [...]“
(Hans Mayer: Außenseiter, Frankfurt/M. 1981)
Die Sehnsucht des
alternden Patriarchen, der sich zwar von den gesellschaftskritischen
Gehalten seiner frühen Werke nicht wirklich distanziert, gilt einer
Macht und Autorität, an die er glauben wollte. “Für ihn waren seine
revolutionären Impulse Wegmarken zu einer Privatmythologie, in der die
späteren Schopenhauer-Reflexe von Weltverneinung und Entsagung Symptome
eines Realitätsverlustes werden.
(Ulrich Schreiber: Weltflucht eines traurigen Helden, in
Lohengrin, Reinbek 1989)
Auch am 21. September
1873 als die Familie Wagner mit Malvida von Meysenbug “[...] im Uhland
liest [...]“, ergibt sich im Gespräch eine späte Rehabilitierung von
Ortruds ’entweihten Göttern’ als Richard Wagner bemerkt: „[... ] >> wie
lächerlich nimmt sich der heilige Olaf [aus], der mit einem Messbuche
nach dem ehrwürdigen, rätsellösenden Greise und Gott wirft ![...] << es
muss nicht leicht gewesen sein, meint R., diese Götter aus den Herzen
des Volkes zu treiben.[...] “ (C.T. Bd. I, S.
730-731)
Die Kälte des
patriarchalen Monoteismus war für das Gemüt des Volkes nur zu ertragen,
in dem es die Funktionen der Naturgötter und ihrer Feste im Lauf der
Zeit auf ’die Heiligen’ übertrug.
Eine Bemerkung vom 10.
November 1873 zeigt, wie tief Cosima und der Großteil ihrer
Zeitgenossinnen die geistige Verkrüppelung internalisiert hatte. “R.
liest viel in Grimm, aus welchem er das Zitat von Lessing (beim Wort
’denken’), das unser Herz lachen macht, findet: „[...] Eine Frau, die
sich mit dem Denken abgibt, sei wie ein Mann, der sich schminkt.[...]“
(C.T. Bd. I, S. 749)
Heute, 130 Jahre später, sollte man ihnen den Besuch der ’love-parade’
in Berlin empfehlen und anschließend Vorlesungen einer
Philosophieprofessorin.
Cosima macht am 19.
Dezember 1873 eine Einschränkung bezüglich der Frauenrechte „[...] Ein
Band Gedichte von Frau Wesendonck bringt R. und mich beim Frühstück auf
die Frage der Frauen-Emanzipation, es ist schwer, da ein gerechtes
Urteil zu fällen; da die Lage der Frauen eine derartige ist, dass sie
sehr oft darauf angewiesen sind, ihre Familie zu ernähren und wie Männer
zu arbeiten, so ist es ihnen nicht zu verdenken, wenn sie auch
Männerrechte fordern. Eines begreife ich nicht, dass eine Frau
freiwillig, zu ihrem Vergnügen, in die Öffentlichkeit tritt. Es ist mir,
als ob die Erfahrungen des Lebens sie immer stiller machen müßten und
sie immer mehr auf ihre Hauptaufgabe zurückführen: tüchtige Männer und
gute Frauen erziehen. [...]“ (C.T. Bd. I, S.
765)
Diese Aussage besteht
aus drei Komponenten. Die erste ist das Vorliegen des Gedichtsbandes von
Mathilde – seine “[...] erste und einzige Liebe! [...] (Brief an Eliza
Ville vom 5. Juni 1863), von deren poetischen Qualitäten Richard Wagner
zeitweise überzeugt war. Er schrieb in seine Tagebuchblätter für sie am
1. Oktober 1858 „[...] Du siehst dein Leid nicht mehr, sondern das Leid
der Welt; Du kannst es Dir sogar in keiner andren Form mehr vorstellen,
als in der des Leidens der Welt überhaupt. Du bist im edelsten Sinne
Dichterin geworden [...]“
Richard Wagner an Mathilde Wesendonck, Leipzig, 1922, Hrsg. Wolfram
Golther, S. 105).
Inzwischen macht allerdings Lessings Wort ’Eine Frau, die sich mit dem
Denken abgibt, sei wie ein Mann, der sich schminkt’ >> das Herz
lachen!<<
Martha Schad schreibt
über Mathilde Wesendonk und ihr literarisches Werk „[...] Die ’Wesendonk-Lieder’,
das Erstlingswerk der Dichterin Mathilde Wesendonk ist gleichzeitig auch
ihr berühmtestes geworden. Sehr persönliche Gedichte, Gedichtsammlungen,
Märchen, Theaterstücke folgten,[...]“
(Martha Schad: Meine erste und einzige Liebe, Langen Müller,
München 2002, S. 55)
Sie trat mit Conrad
Ferdinand Meyer in brieflichen Gedankenaustausch, der vorurteilslos über
ihr Trauerspiel ’Edith oder die Schlacht bei Hastings’ nach sieben guten
Ratschlägen schrieb, sie habe einen ’fast genialischen Wurf’ getan und,
ihr Talent anerkennend, „[...] eine Frau hat einen Schatz entdeckt; wird
sie die Kraft und d. Geduld haben, ihn zu heben? [...]“ Richard Wagner
ging überhaupt nicht auf die von ihr gesandten Werke ein und
qualifizierte sie im Familienkreise mit bissigen Bemerkungen ab.
Allerdings schätzte er die Inspiration, die er 1856/57 durch ihre fünf
Gedichte erhielt für so wesentlich, dass er an seinem Geburtstag, am 22.
Mai 1873 zur Feier der Grundsteinlegung des Festspielhauses in Bayreuth
sein Arrangement der ’Träume’ selbst dirigierte. (C.T. I. Anmerkung S.
1205).
Über die von Frauen verfasste Literatur „[...] ein gerechtes Urteil zu
fällen [...]“ hätte Cosima nie gewagt, da sie ihres Mannes ablehnende
Ansicht kannte und der, als Mathilde Wesendonck ihr dramatisches Gedicht
’Odysseus’ mit der Widmung an Richard Wagner sandte:
Ziehn hin, mein Lied
Und nimm die heilgen Grüße
Des treuen Herzens mit
Und lege sie zu dessen Füßen nieder,
Der wie Odysseus duldete und litt.
bemerkte >> Eine
rechte Blamage << (lacht R.) >> doch ist’s wieder gut, man wird später
sehen, was das für Übertreibungen waren, was ich da gefaselt habe.<<
(C.T. II, S. 85)
Im unbarmherzigen Sieb der Zeit wird man “später sehen“, was von allen
Kunstproduktionen als Sand durchrieselt oder als hartes Gestein liegen
bleibt, aber Richard Wagner gestand keinem ’Weib’ kreative Fähigkeiten
zu.
Der zweite Punkt in
Cosimas Bemerkung rührt an die katastrophalen Verhältnisse in denen
Frauen der unteren Schichten leben mussten. Sie wagt sich mit dieser
Äußerung weit vor, da in Richard Wagners Phantasiewelt kein Platz war
für schwer arbeitende Bäuerinnen, Heimwerkerinnen, Fabrikarbeiterinnen,
denn der Sozialrevolutionär von 1849, der allerdings auch keinen
Gedanken daran verschwendet hatte, Recht und Freiheit für Frauen zu
fordern, war zum Großbürger geworden. Hatte es in dem von ihm im
‘Lohengrin‘, ‘Tannhäuser‘ und den ‘Meistersingern‘ beschworenem
Mittelalter noch selbstständig arbeitende Frauen gegeben, entwertete die
Industrialisierung des 19. Jahrhunderts die Frauenarbeit durch Trennung
von Wohn- und Lebensraum und Arbeitsplatz, und zwar sowohl die Haus- und
Familienarbeit als auch die Erwerbsarbeit.
In den sozialkritischen Werken von Karl Marx (1818 -1883), Friedrich
Engels (1820 – 1895) und August Bebel (1840 – 1913) werden Ursprung,
Entwicklung und Folgen des Kapitalismus aus verschiedenen Perspektiven
erläutert. Richard Wagner rechnet in der Figur des Alberich im ’Ring des
Nibelungen’ mit dem Kapitalisten als dem “schamlosen Alben“ ab. Die
Frauenfiguren aber sind biedermeierliche Geschöpfe, reizvoll, dumme
Nixen, gehorsame Helden-Seelen-Sammlerinnen, aus Liebe sterbende
Opfertiere und eine als zänkisch dargestellte Hüterin der Ordnung und
Vernunft, Fricka, die Mezzo-Schwester Ortruds.
Neben den
ökonomischen Analysen ist Marx’s ’Das Kapital’ (Hrsg. von Friedrich
Engels, Band 1, 1867, Band 2 und 3, 1885 – 1894) eine bittere Anklage
gegen die Ausbeutung der arbeitenden Klassen, insbesondere der völlig
rechtlosen Kinder und Weiber. Im Kapitel ’die moderne Manufaktur’
zitiert Karl Marx Berichte über öffentliche Gesundheit und Kinderarbeit
u.a. „[...] Die Arbeit ist hart und die Sommerhitze steigert noch die
Erschöpfung. In einer Ziegelei zu Mosley z.B. machte ein 24-jähriges
Mädchen 2000 Ziegel täglich, unterstützt von zwei unerwachsenen Mädchen
als Gehilfen, welche den Lehm trugen und die Ziegelsteine aufhäuften.
Diese Mädchen schleppten täglich 10 Tonnen die schlüpfrigen Seiten der
Ziegelgrube von einer Tiefe von 30 Fuß herauf und über eine Entfernung
von 210 Fuß. [...]“
(Karl Marx, Das Kapital, 4. Auflage, Parkland Verlag, Köln 2003,
Seite 440)
Arbeit im Bergwerk
unter Tage, Arbeit als Lumpensortiererinnen in stickigen Hallen, Arbeit
als Näherinnen, Weberinnen, Putzmacherinnen, wie dieses Beispiel zeigt:
„[...] Mary Anne Walkley hatte 26 1/2 Stunden ohne Unterlaß gearbeitet,
zusammen mit 60 andren Mädchen, je 30 in einem Zimmer, das kaum 1/3 der
nötigen Kubikzoll Luft gewährte, während des nachts zwei zu zwei ein
Bett teilten in einem der Stinklöcher, in die der Schlafraum durch
Bretterwände abgepfercht ward. [...] Diese Mädchen arbeiteten
durchschnittlich 16 1/2 Stunden, während der Saison aber oft 30 Stunden
ununterbrochen, wobei ihre versagende ’Arbeitskraft’ durch gelegentliche
Zufuhr von Cherry, Portwein oder Kaffee flüssig erhalten wird. [...]“
(Karl Marx, Das Kapital, 4. Auflage, Parkland Verlag, Köln 2003,
Seite 250).
Dabei sahen viele männliche Arbeiter die gering bezahlten Arbeiterinnen
– Frauen verdienten zum Teil bei gleicher Arbeit nicht einmal 50% des
Männerlohnes – über viele Jahre hinweg als Konkurrentinnen und
Lohndrückerinnen an.
Die Degradierung der
Arbeit zur Ware, das Ansammeln von Kapital als Selbstzweck führen für
Marx und Engels zur Umwälzung des Klassensystems, zur
Arbeiterrevolution und es heißt im ’Manifest der kommunistischen
Partei’ von 1872 „[...] das Proletariat wird seine politische Herrschaft
dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen,
alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als
herrschenden Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und
die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.[...]“
Diese Idee endete verhängnisvoll im Stalinismus und im ’real
existierenden Sozialismus’, patriarchale Strukturen zum Schaden der
Frauen blieben aber erhalten. In ’Der Ursprung der Familie, des
Privateigentums und des Staats’ beschreibt Friedrich Engels 1884 die
Entwicklung von der gentilen, offenen Gesellschaft zur monogamen Ehe,
die einseitig zu Lasten der Frau errichtet wurde. Er bemerkt „[...] Der
Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des
weiblichen Geschlechts. Der Mann ergriff das Steuer auch im Hause, die
Frau wurde entwürdigt, geknechtet, zur Sklavin seiner Lust und bloßen
Werkzeug der Kindererzeugung. Diese erniedrigende Stellung der Frau, wie
sie namentlich bei den Griechen der heroischen und noch mehr der
klassischen Zeit offen hervortritt, ist allmählich beschönigt und
verheuchelt, auch stellenweise in mildere Form gekleidet worden;
beseitigt ist sie keineswegs.[...]“ (Dietz-Verlag Berlin, 1952, S 57)
August Bebel beginnt
sein Buch ’Die Frau und der Sozialismus’ von 1878 mit den Worten „[...]
Frau und Arbeiter haben gemein, Unterdrückte zu sein. Die Formen dieser
Unterdrückung haben im Laufe der Zeiten und in den verschiedenen Ländern
gewechselt, aber die Unterdrückung blieb [...]“ und z. B, auf S. 551
schreibt er: „[...] als moralisch sahen Griechen und Römer die Sklaverei
an, der Feudalherr des Mittelalters die Leibeigenschaft und Hörigkeit.
Hochmoralisch erscheint den modernen Kapitalisten das
Lohnarbeitsverhältnis, die Ausbeutung der Frauen und die Demoralisation
der Kinder durch gewerbliche Arbeit. [...]“
Wenn Cosima es den
Frauen nicht verdenkt, dass die, die arbeiten und die Familie ernähren
’Männerrechte’ fordern, dann stellt sie sich an die Seite der
Kämpferinnen, die seit Olympe de Gouges (1748 – 1798) nicht nur ’droits
de l’homme’, sondern auch ’droits de la femme’ fordern. Aber erst am 10.
Dezember 1948 erfolgte die ’Allgemeine Erklärung der Menschenrechte’
durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Durchgesetzt sind
sie weltweit noch lange nicht, bilden aber inzwischen den wichtigsten
moralischen Grundkonsens des Zusammenlebens.
Gleicher Lohn für
gleiche Arbeit, so wie ihn Cosima sich wünschte, wurde im ’Gesetz über
die Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz’ im Jahr 1980
festgeschrieben. Die Durchsetzung der Chancengleichheit wird aber noch
so lange auf sich warten lassen, bis Frauen selbstverständlich um
einflussreiche Positionen kämpfen und Männer ebenso selbstverständlich
für Kinder und den häuslichen Bereich verantwortlich sind.
Der dritte Teil von
Cosimas Bemerkung vom 19. Dezember 1873 scheint wie unter dem strafenden
Blick des Patriarchen ausgesprochen worden zu sein. Sie meint, sie
begreife nicht, dass eine Frau freiwillig zu ihrem Vergnügen in die
Öffentlichkeit tritt. RW lässt in den ‘Meistersingern‘ sein Evchen
sagen: “Ein folgsam Kind, gefragt nur spricht’s.“ (2. Aufzug, 2. Szene)
und Isolde sagt: “zu schweigen hatt’ ich gelernt.“ (1. Aufzug, 5. Szene)
Wenn es also nach
Cosimas Ansicht ginge, gäbe es keine Clara Schumann als Pianistin, keine
Sophie Schröder, die Schauspielerin, keine Wilhelmine Schröder-Devrient,
die gefeierte Wagner-/Beethoven-Sängerin und die anderen Frauen für die
Partien ihres Mannes, die sie ja auch zutiefst verachtete. Schweigen,
dulden, dienen, “[...] sie immer stiller machen [...]“ so wie Demokrit
verlangt: “Das Weib soll sich nicht um die Rede mühen; denn das ist
abscheulich. [...]“ oder wie ein Sprichwort vom Balkan sagt: “Es steht
der Frau nicht gut an, den Mund zu öffnen, außer beim Essen.“ Aber
angenommen, die Frau sei auch ein Mensch, stuft das Schweigegebot sie
wieder auf die Stufe des Tieres zurück, das nicht sprechen kann.
Dann will Cosima sie
wieder “[...] auf ihre Hauptaufgabe zurückführen: tüchtige Männer und
gute Frauen (zu) erziehen. [...]“ Es stellt sich die Frage, wie eine
Bildung und Selbsterfahrung ferngehaltene junge Frauen “[...] frisch aus
dem Kloster ist in den heiligen Ehstand kommandiert worden [...]“
(Hugo von Hofmannthal, Der Rosenkavalier, 1. Aufzug, Ziffer
274-275, Marschallin)
Ein tüchtiger Mann hat Kraft, Entschlossenheit, Mut, strebt nach Erfolg,
darf sich über öffentliche Anerkennung freuen, und das alles soll ihn
ein schwächliches, dummes, verschüchtertes, ängstliches, in sich
gekehrtes, im Hause eingesperrtes Mütterchen lehren?
Er wird nur lernen,
wie sein Vater, Frauen für zweitrangige Kreaturen zu halten.
Über die Erziehung
der Mädchen zu ’guten Frauen’ gibt es unzählige Traktate, natürlich alle
von Männern geschrieben, da ja weder Mädchen noch Frauen äußern durften,
wie sie ihr Leben nach ihren Fähigkeiten gestalten möchten. Alle
Philosophen, Mediziner, Pädagogen, Kleriker wissen bis heute alles über
’die Natur des Weibes’, aber niemand fragt, was sie selbst denkt, fühlt
und für ihr Leben plant. Die traditionelle Geschichtsschreibung
orientiert sich über Jahrtausende an den Taten ’tüchtiger Männer’, d.h.
Kriege, Eroberungen, Machtkämpfe, die bis heute nicht enden. Die
Geschichtsschreibung der ’guten Frauen’ wird als wissenschaftliche
Disziplin erst seit einigen Jahrzehnten anerkannt und wäre für Richard
und Cosima Wagner undenkbar gewesen. Das ’Weib’, in jeder Epoche von
Männern neu definiert und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur
’guten Mutter’ stilisiert, sollte Töchter wiederum zu ’guten Müttern’
erziehen. Die alleinige Bestimmung der Frau, deren Eigenschaften Helene
Deutsch, die treue Schülerin Sigmund Freuds, mit Passivität, Masochismus
und Narzismus beschreibt. Gehorsam, leidensfreudig und selbstgenügsam,
so wünschten sich Richard Wagner und seine Zeitgenossen ihre Ehefrau und
Cosima quälte sich ab, diesem Bild zu entsprechen, während ’tüchtige’
Frauen wie Mary Wollstonercraft (Ein Plädoyer für die Rechte der Frau,
Weimar, 1999) und alle die Frauen, deren Hilde Schmölzer in ihrem Buch
’Revolte der Frauen’ (Verlag Ueberreuter, Wien 1999) gedacht hat, für
die Menschenrechte der Frauen unter Einsatz ihres Lebens kämpften.
Die Reduktion des
’Weibes’ auf die Körperfunktionen des Empfangens, Gebärens und Nährens,
danach ’gute Frauen’ in diesem Sinne zu erziehen, die Mutterliebe als
Instinkt des Weibes wie bei den Tieren anzusehen, ist ein Produkt
patriarchalischer Gewalt und wird von der französischen
Philosophieprofessorin Elisabeth Badinter in ihrem Buch ’Die
Mutterliebe’ (Piper München 1981) widerlegt. Die älteste Waffe des
Mannes ist es, die Frau zu vergewaltigen und dann zu verlangen, das
Produkt dieses Vorganges lieben zu müssen. Tut sie es nicht, wird sie
kriminalisiert.
Cosima verhielt sich
gesellschaftskonform. Um der Zukunft willen ist es jedoch besser, ’gute
Männer’ und ’tüchtige Frauen’ zu erziehen und sich nicht “immer stiller“
zu machen, sondern laut wie Ortrud zu verlangen: “Was mir gebührt, das
will ich nun empfahn!“ (Lohengrin 2. Aufzug, 4. Szene)
Äußerst inkonsequent
bedauert er jedoch Minnas Dummheit am 1.4.1874. „[...] >>Ach<<, sagt er
>>die Differenz der Intelligenz ist das Schlimmste, verschiedene
Charaktere ziehen sich an und ergänzen sich, aber wo die Intelligenz gar
nicht mitkann, da demoralisiert sich auch der Charakter.<<“ (C.T.
Bd. I, S. 807)
Auf der gleichen Linie
liegt seine Äußerung vom 19. Dezember 1874 in Bezug auf die Ehe: “>> Der
Mann muß 40 und die Frau 20 sein, sonst gibt es Elend <<“ (C.T. Bd. I,
S. 878)
Er verlangte also von
einer Frau sexuelle Verfügbarkeit, Dienen im Haushalt zu seiner
Behaglichkeit, Fähigkeiten als Mutter und Erzieherin, Fähigkeiten als
Sekretärin und Korrespondentin, Fähigkeiten zum gesellschaftlichen
Repräsentieren, Fähigkeiten zur Organisation seiner Finanzen,
Fähigkeiten zur Organisation eines großbürgerlichen Haushaltes,
intelligentes und gemüthaftes Verständnis für seine Genialität als
Komponist und Denker, dazu völlige Selbstaufgabe und stummes, rechtloses
Nicht-Vorhandensein in der Öffentlichkeit. Die Frage mag erlaubt sein,
ob das Wellenmädchen, das seelenlos durch die Wogen dahinrauscht, bis es
durch die Liebe eines Mannes erst die Seele empfängt, all diese Aufgaben
bewältigen könnte.
Mit Recht flüstert er
Cosima am 9. September 1875 zu >> Du liebes Weib, das einzige was
ich habe, das einzige Wesen, welches mich verstand und meiner sich
erbarmte.<<
(C.T. B. I, S. 934)
Unerwartet – vielleicht
ist es eine beginnenden Altersmilde oder die Rücksicht auf die
Schwiegermutter – berichtet Cosima über Richard Wagners Reaktionen über
ein Buch der Gräfin d’Agoult „[...] R. liest für sich die Geschichte
Hollands von meiner Mutter, wo er die Frau sehr herausmerkt, welches ihm
aber gefällt. [...]“ (C.T. B. I, S. 1036)
Eine
Geschichtsschreibung aus der Sicht der Frauen war ja auch bis in die
zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts undenkbar, umso mehr
verwundert es, dass es “ihm aber gefällt“, statt wie am 8. Februar 1871
Mathilde Wesendoncks ’Friedrich den Großen’ damit abzuqualifizieren,
“dass die Frauen sich so auf den Markt bringen.“
Am Ende des Jahres
1877, am Do. 27. Dezember, beschreibt Cosima ihr Glück mit Richard
Wagner und ihr Eins-Sein mit der Rolle der liebenden Frau. “[...] Wenn
wir abends uns trennen und er mir die heilig ernsten Worte der Liebe
sagt, so vergehe ich und frage mich, wie ich das Glück verdiente.
Verstummen möchte ich, verschwinden, nichts wissen, nichts hören, außer
ihm dienen, ihm! Ein wahres Grauen erfasst mich, denke ich an die Welt,
und dass Larven und Fratzen zwischen diesen Einklang, dieses Leben
treten könnten – Aufführungen, Konzerte, reisen, alles eine Qual, nur
hier in dem bergenden Haus ihm helfen, ihn ertragen zu lassen, und mit
ihm dann von dieser Welt scheiden ![...]“ (C.T. Bd.
I, S. 1100)
Die Zergliederung der
ganzheitlichen Wirklichkeit in “[...] die Welt [...]“ vor der sie ein
Grauen erfasst und dem “[...] bergenden Haus [...]“, also der männlichen
Welt des beruflichen Kampfes und der häuslichen Welt des Weibes, der sie
vom Patriarchen Richard Wagner zugeordnet wurde, war ein Produkt der
Geschlechtertheorien, die beginnend mit Rousseaus Reflexionen zur
Mädchenerziehung durch Zwang zur Unterordnung und Gefälligkeit, der
brutalen Ablehnung von Olympe de Gouges’ ’Erklärung der Rechte der Frau
und Bürgerin’, Kants galante Verbrämung der Zweitrangigkeit und
Subalternität der Frau, Fichtes Staatslehre, in der die Frau “[...]
durch ihre Verheiratung ganz vernichtet [...]“ wird, Schellings
Vergleich des Weibes mit der Pflanze und dem Mann mit dem Tier, die auf
das Ganze der Natur erweiterte Geschlechtermetaphysik der romantischen
Naturphilosophen (Joh. W. Ritter, H. Steffen, Joseph Görres) sind
weitschweifige Reflexionen zur ontologischen Geschlechterdifferenz und
nur in Abstraktion vom konkreten Frauenbild eben gültig. Die reale Frau
musste wie Cosima das Leben bewältigen, wurde aber von Denkern und
Poeten nicht wahrgenommen.
Richard Wagners
Frauenbild war zeitkonform, wurde aber durch Cosimas uneingeschränkte
Liebe im Lauf der Jahre gemildert. Seine Affären hatten ihn inspiriert
und so war 1877 Judith Gautier seine letzte große Amour, die ihn in
schöpferische Stimmung für Parsifal versetzte. Ein verdorbener Magen am
16. August 1878 lässt Cosima klagen “[...] dass ich meinen moralischen
Mut von ehemals ganz verloren und ihn nicht abmahnte, >>so<< sagt R.
>>ich habe dich also ganz zertrümmert, ganz umgeknetet? << Ich: Ich
hoffe es. [...]“
(C.T. Bd. II, S. 161)
Der Konflikt zwischen
der Vernunft, die ihn vor unzuträglichem Essen hätte warnen sollen und
ihrem Gehorsam, dem Schmuck des echten ’Weibes’ wirkt sich zwar
unangenehm für Richard Wagners Gesundheit aus, befriedigt aber beide,
ihre Rollen als der männliche Skulpteur und weibliche Knetmasse erfüllt
zu haben. Am 9. September 1878 kommt die Sprache wieder auf Minna und
Richard Wagner bekräftigt seine Ansicht vom 1. April 1874, dass “[...]
>> vor allem zur guten Ehe Gleichheit der Intelligenz notwendig sei, ja
überhaupt zum Verkehr, viel eher als die Gleichheit der Charaktere, die
selbst gar nicht gut sei, bringt ihn auf Minna, welche entschieden durch
ihre Beschränktheit zu allen ihren üblen Eigenschaften gekommen sei.
<<[...]“ Minna war hübsch und begehrenswert, sehnte sich wie er, der bis
zu seinem Lebensende geistig tätige Frauen verabscheute, aber er beklagt
nicht, dass “[...] das Mißtrauen über sie gekommen durch die
Unfähigkeit, R. zu folgen. [...]“
(C.T. Bd. II, S. 172)
Intelligent zu sein und
sich gleichzeitig unterwürfig zertrümmern und umkneten zu lassen war
Cosimas Leistung, aber um den Preis ihrer Herrschsucht den Mitarbeitern
gegenüber.
Verblüffend ist, dass
Richard Wagner am 14. September 1878 ein Kapitel des politischen
Schriftstellers und Zeitgenossen Constantin Frantz über die ’Wahl der
Frauen für’s Parlament‘ ohne Kommentar vorliest und “[...] wir sind alle
erstaunt über die schöne klare Sprache, die Tiefe und Originalität der
Gedanken. [...]“. (C.T. Bd. II, S. 175)
Fand er sich allmählich
mit der Tatsache ab, dass die Frauen nicht ohne Teilnahme an der Politik
in ihrer ’Beschränktheit’ verharren würden und das ’politische Weib’
doch nicht so ’grauenhaft’ ist, wie er Ortrud am 30. Januar 1852
beschimpft hatte? Ähnliches lässt sich vermuten, als er die kluge
Freundin des Hauses, Malvida von Meysenbug am 27. September 1878 mit den
Worten verabschiedete “[...] Gott behüte dich Malvida, du bist [...]
emanzipiert [...]“. (C.T. Bd. II, S 184)
Den Tonfall dieser
Äußerung, sei er angewidert, ironisch oder widerwillig bewundernd können
wir natürlich nicht nachvollziehen, aber er hat – wie auch immer –
dieser großartigen Frau Freiheit zugestanden.
In sein altes Klischee
zurückfallend verunglimpft er literarisch tätige Frauen am 23. November
1878 und sagt “[...] >> diese Tätigkeit schiene mit einem gewissen,
ihnen eigentümlichen krankhaften Zustand zusammenzuhängen, es sei eine
Art der unbefriedigten Gefallsucht, sie zögen den Blau-Strumpf dann an,
um durch den Geist zu herrschen. << [...]“ (C.T. Bd.
II, S. 238)
Hier steht Rousseaus’s
Erziehungsprogramm für die Frau wieder auf: “[...] Die ganze Erziehung
der Frauen muss sich also auf die Männer beziehen, ihnen gefallen, ihnen
nützlich sein, sich von ihnen lieben und ehren lassen, sie aufziehen,
solange sie jung sind, sie umsorgen, wenn sie groß sind, ihnen raten,
sie trösten, ihnen das Leben angenehm und süß machen, das sind die
Pflichten der Frauen zu allen Zeiten, und das muss man sie von Kindheit
an lehren. [...]“
(Jean-Jacques Rousseau, Emil oder über die Erziehung, 5. Buch, Seite
423, Paderborn, 1961)
Wenn eine Frau also
schriftlich etwas zu sagen sich erkühnt, was nicht nur die Männer des
Familienkreises betrifft, ist es ein “[...] krankhafter Zustand [...]“
und “[...] unbefriedigte Gefallsucht [...]“. Um wie viel besser
beurteilt er die still leidende Figaro-Gräfin, wozu Cosima am 28. Januar
1879 schreibt “[...] Dann nehmen wir ’Figaros Hochzeit’ wieder vor, und
zwar von Anfang an bis zu der Arie der Gräfin, von welcher R. sagt, sie
sei auch so schön, weil sie nicht weiter ging als sie sollte, eine
vornehme Frau bei der Toilette, in dem Spiegel sich sehend und sagend:
was ist das alles – die wehmütige Elegance. [...]“
(C.T. Bd. II, S. 298)
Rechtlos, eingesperrt,
den Launen des Grafen ausgesetzt, der sich alle möglichen Abenteuer
leisten kann, ist sie die Ideal-Frau, die “[...] einsam in trüben Tagen
[...]“ dahinlebt und “[...] nicht weiter ging als sie sollte [...]“.
Geradezu rührend ist Cosimas Eintragung von 5. März 1879 über die
’Furchtbarkeit einer gewissen Welt’ in welcher die Frauen nicht geachtet
werden, und die grauenhaftesten Dinge besprochen werden. “[...] R. sagt
>> bis in späten Jahren bin ich mir wie ein dummer Junge vorgekommen,
weil ich so vieles nicht kannte, von dem ich nun durch diesen und jenen
reden hörte. Daß solch eine Welt vorhanden, mache ich die ideale Kunst
zu etwas Gespenstischem, meine ich.<< und ich sage ihm, dass das Gefühl
einer unbekannten, aber erahnten Perversität mich mit Melancholie von je
erfüllt habe und dass, wenn ich von dieser Perversität hätte Kenntnis
erhalten müssen, ich, glaube ich, zum Selbstmord getrieben worden wäre.
[...]“. (C.T. Bd. II, S. 312)
Die Kaltblütigkeit, mit
der ehrsame Väter ihre Töchter aus finanziellen, familiären oder
dynastischen Gründen in ungewollte Ehen zwangen, liegt nicht weit vom
Wege, auf dem Frauen ihre Körper für Geld verkaufen. Natürlich hat
Cosima dieses Milieu nicht kennen gelernt, während Richard seine wilden
Studentenjahre wohl vergessen hat und sich in der Welt seiner idealen
Gespenster sein Märchenreich erbaute.
Auch die Vernichtung
Gretchens im Faust ist nur Anlass zu einer sentimentalen Betrachtung
“[...] R. erging sich über die Schönheit des Schlusses des ersten
Teiles, wie sie, ganz ihn liebend, von ihm sich scheidet, um einer
höheren Bestimmung für ihn sich zu weihen. Ob Goethe schon den Plan des
Schlusses gefasst? Wir neigen dazu, es zu glauben.
[...]“
(C.T. Bd. II, S. 319)
Wenn ein alternder
Wissenschaftler zu seiner Verjüngung ein anständiges Mädchen verführt,
schwängert, sie dem Hohn der Gesellschaft preisgibt und sie, nachdem sie
aus Verzweiflung ihr Neugeborenes getötet hat, im Wahnsinn stirbt,
reagiert die kultivierte Gesellschaft mit Rührung statt mit Zorn, das
Leben der vielen tausend von ihren Dienstherren abhängigen Mädchen zu
verbessern. (Zitat Bärbel Kuhn)
Wie unerschütterlich
Richard Wagner an seiner Meinung festhält, dass Frauen für geistige
Arbeit ungeeignet sind, dokumentiert eine Äußerung vom 28. April 1879
“[...] Das jüngst erschienene Buch von Malvida dagegen will R. nicht
lesen, er sagt zu Tisch >>Ich lese kein Buch von einer Frau, bis du
schreibst.<< - er blickt aber doch in ein Kapitel, legt das Buch aber
bald beiseite, dieses Philosophieren sei ihm unangenehm >>schließlich
sind es doch alle Materialisten << von Schopenhauer nähmen sie die
Ethik, das erste Buch verstünden sie nicht. (C.T. Bd. II, S 338-339)
Am nächsten Tag wird
diese Aussage vervollständigt. Cosima fragt sich, warum die Werke;
prosaische und dichterische, der Frauen so eigentümlich trocken seien,
R. antwortet: >>Weil es etwas Gemachtes ist, wenn eine Frau schreibt,
von Natur aus liebt oder hasst sie, während es des Mannes natürlicher
Ausdruck ist, zu schreiben.<< [...]“ (C.T. Bd.
II, S. 339)
Wie in seinem Brief
über Ortrud vom 30. Januar 1852 er sie anklagt als “[...] ein Weib, das
die Liebe nicht kennt. Hiermit ist alles, und das Furchtbarste gesagt.
[...]“ Ortruds Hauptinteresse gilt der Politik, Malvida von Maysenbug
ist Schriftstellerin, andere Frauen erkämpfen sich Zugang zu Ausbildung
und Berufstätigkeit.
Das Phantom vom nur auf
den Mann fixierte Weib beginnt sich aufzulösen und der Patriarch grollt
am 6. Mai 1879 sogar gegen Medea, die starke Frau aus der Sage “[...] >>
Ich kann diese wütenden Weiber nicht leiden << [...]“. (C.T. Bd. II, S.
343)
Am 19. Juni 1879 sucht Richard Wagner in den Märchen von ‘1001 Nacht‘,
in ‘Wilhelm Tell‘ und in seiner Ehe mit Minna nach Beweisen, dass es
“[...] >> der Frau nur durch ihr Opfer möglich ist, [...] auch in den
niedrigsten Verhältnissen [...] einen unendlichen Einfluss aus[zu]üben.<<
[...]“ Und voll Angst und Wut fährt er fort “[...]>> Die Frauen denken,
da die Männer nichts wert sind, können sie eine Welt für sich
einrichten.<< [...]“ (C.T. Bd. II, S. 369)
Das wird keine vernünftige Frau tun wollen, sondern
Geschlechterdemokratie, in der jeder und jede seine und ihre Fähigkeiten
einbringt. Dies nicht erkennen wollend, kommt im Familienkreise immer
wieder die Frage der Frauenemanzipation zur Sprache, die Richard Wagner
noch bis zum letzten Atemzug beschäftigt und die, wenn es auch noch 100
Jahre in Deutschland dauert, zu seinem Verdruss nicht aufzuhalten war.
Am 6. Juli 1879 lobt er die Porzia im ’Kaufmann von Venedig’ “[...]>>
aber die ließ es sich doch vom Advokaten sagen, was sie tun sollte.<<
[...]“ (C.T. Bd. II, S. 377)
Lag es an der
Überzeugungskraft der Schriften von Constantin Frantz, der die Frage der
Emanzipation der Frauen “[...] auch so schön behandelt [...]“ (C.T. Bd.
II, S. 337) war es Dankbarkeit gegen Cosima, der er am 4. August 1879
zugestand “[...] >>das häusliche Leben, wie ich es zustande gebracht,
konnte ich nur durch dich <<[...]“, dass er sich soweit überwand am 5.
August 1879 seinen Kindern in Erinnerung an seine Schwestern zuzugeben
“[...] sie seinen viel tüchtiger als die Brüder gewesen [...]“ und auch
daß Minna in ’Marie Tudor’ und ’Angelo’ “[...] sehr rührend gewesen sei
[...]“ kann nur verwundern. (C.T. Bd. II, S.
393)
Geradezu prüde äußert
er sich am 29. September 1879 “[...] von der Darstellung des weiblichen
Körpers, den R. keinen Gegenstand findet, weil er die Natur-Bestimmung
zu deutlich ausdrückt [...]“ (C.T. Bd. II, S. 416) aber die zur Schau
getragene Vermummung der Frau führte zu einem blühenden Geschäft mit
Akt-Bildern, seit der Erfindung der Photographie durch L.J.M. Daguerre
im Jahre 1837 als Ventil der heuchlerischen Doppelmoral der Zeit. Wie
sehr er sich das ’imaginierte Weib’, fern von der Realität geschaffen
hatte, zeigt sich am 3. Oktober 1879. “[...] R. sagt >>Ich kann
eigentlich mit keiner Frau sprechen, jetzt könnte man sagen, du habest
mich verwöhnt; früher aber habe ich sie nie gekannt.<< [...] Ich sage
ihm scherzend: Er sei zu produktiv, daher wirkten die Menschen nicht in
ihrer wahren Art auf ihn, er konstruiere sie sich, wenn gut,
enttäuschten sie ihn, wenn schlimm, dann bleiben sie ihm fremd! [...]“
(C.T. Bd. II, S. 108)
Feinsinnig in ein
Kompliment gekleidet, zeigt Cosima ihm wie weit er sich von der Realität
entfernt hat. Er konstruiert die seiner Meinung nach ’ideale Frau’ –
opferfreudig, todessüchtig – das ideale Mittelalter voll edler Menschen,
bestraft im ’Ring’ die Materialisten mit Weltuntergang, er wurde von
Cosima verwöhnt, die möglichst aller zermürbenden Alltäglichkeiten von
ihm fernhielt, er maßte sich harte Urteile über Frauen an und stellt
jetzt verwirrt fest, dass er sie nicht kennt und er nicht einmal mit
ihnen sprechen kann.
Die philosophischen,
anthropologischen, medizinischen und rechtlichen Weiblichkeitsentwürfe
seit der Errichtung des Patriarchats differieren zwar in Nuancen, hatten
aber immer das Ziel, den weiblichen Menschen, weil vermeintlich
körperlich schwächer auch als geistig inferior von Bildung und
öffentlicher Machtausübung fernzuhalten. Trauriger Höhepunkt sind die
Schriften von Möbius und Weininger um 1900, die bis in die vierziger
Jahre des 20. Jahrhunderts in die Gesetzgebung und künstlerische
Gestaltung des ’Weibes’ mit den Gedanken Richard Wagners fortwirkten.
(s. Unseld, Man töte
dieses Weib) Zitate Möbius, Weininger, Unseld)
Seine biologistische,
in die moralische Kategorie übertragene Weiblichkeitsvorstellung
dokumentiert Richard Wagner am 2. April 1880 “[...] Nach dem Mittagessen
kommt das Gespräch auf die überlegene Schönheit der Männchen über die
Weibchen in der Tierwelt, R. sagt >> Die Weibchen sträuben sich, das
Männchen muß durch seine Schönheit es verrückt machen. Aus dieser Scheu
entwickelte sich die weibliche Tugend der Schamhaftigkeit <<. Ich frage
ihn, ob man nicht auch den Erlösungs-Gedanken in Zusammenhang mit diesem
Sträuben des Weibchens bringen könne? R. >> Wenn man sehr tief geht,
ja.<< [...]“ Die Partnerwahl zur Aufrechterhaltung der Gattung in der
Tierwelt geschieht je nach Bedarf in unterschiedlichster Weise, je
nachdem es sich um einzeln oder im Sozialverband lebende Wesen handelt.
Richard Wagner dachte wohl an das Prunkgefieder von Pfauen- oder
Fasanenmännchen, deren Weibchen, um beim Brüten unauffällig zu sein, ihr
Gefieder im Lauf der Evolution der Umgebung angepasst haben. Werbe- und
Balzrituale dienen der hormonellen Harmonisierung und haben mit der
anerzogenen Schamhaftigkeit beim Menschen nichts zu tun. Schämen soll
sich nur der, der Unrecht begangen hat, aber Richard Wagner postuliert
von den Frauen die sog. Tugend der Schamhaftigkeit nur dafür, dass sie
Frauen sind. Das Frausein ist also schon ein Unrecht, weil die Frau in
der jüdisch-christlich-moslemischen Tradition die Trägerin der Erbsünde
ist und mit ihren körperlichen Reizen den Mann ins Verderben stürzt.
Zitate:
Elaine Pagels, Desmond Morris, S. 208) (Mars und Venus)
Diese Problematik
handelt Richard Wagner in allen seinen Bühnenwerken ab, in dem die
Frauen den Opfertod zur Erlösung des Mannes sterben müssen.
Wenn Richard Wagner,
der sich durch Cosimas Überhöhung und sein fortschreitendes Alter einer
weltentrückten, asexuellen Heiligkeit nähert, am 15. Juni 1880 Bilder
von Teniers und Rembrandt betrachtend, in Protest gegen Rubens sich
ergeht, denn [...] die Frauen mit der “[...] >> gemeinen trägen
Sinnlichkeit << [...]“ sind ihm widerwärtig und er findet ganz in ihm
den Zögling der Jesuiten [...] noch mehr als früher vor der natürlichen,
üppigen Weiblichkeit erschrickt, die keineswegs wie seine Konstrukte
“[...] tugendreiche, trüb und bleiche [...]“, sondern gesund, saftig und
fröhlich sind, ist nur folgerichtig. C.T. Bd. II, S. 546)
Von einer Gesichtsrose
geplagt, bemängelt er am 27. Juli 1880 die scheußlichen Geldgeschäfte
der Männer der eleganten Welt und “[...] >> den dummen Blick, den man
von so einer Frau bekäme, wenn man sie für etwas begeistern wollte
<<[...]“, (C.T. Bd. II, S. 578) während er bissigen Humor verrät bei der
Lektüre des ’Werther’ dass Lotte wohl kaum es hätte [...] ertragen
haben, fünfzig Jahre lang den Werther sich verzehren zu sehen, wäre
jedes Jahr Mama geworden und hätte ihn so als Schmachtlappen neben sich
gerne gehabt. [...]“
(C.T. Bd. II, S. 597)
’Der Schwung’ der
großen Gefühle ist eben nicht über Jahrzehnte durchzuhalten. Am 18.
Oktober 1880 drückt er seine Abneigung gegen rauchende Frauen aus “[...]
es käme aber von den Männern her, die neben einer Frau rauchten und
überhaupt von der unrichtigen Stellung der Frauen [...]“
(C.T. Bd. II, S. 612)
Dass Raucher stören, darüber können wir mit Richard Wagner einig sein,
aber ob er die ’unrichtige Stellung der Frau’ neben dem Mann als eine
solche ansieht und es für angemessen hält, wenn die Frau untertänig wie
in anderen Religionen hinter ihm hertrottet, kann zumindest vermutet
werden. Jedoch bittet er Cosima am 23. November 1880, sie “[...] möchte
bleiben hübsch, heiter, lustig. [...]“ (C.T. Bd.
II, S 625)
Nach dem ’Parsifal’
plant Richard Wagner ’Die Sieger’, nach dem christlichen Werk noch ein
buddhistisches. 6. Januar 1881 “[...] Wir sprechen davon, dass ungefähr
dasselbe Thema (die Erlösung des Weibes) in beiden, Parsifal und Sieger
behandelt würde. >> Es ist noch gar nicht zu ermessen, welche Wirkung
der dritte Akt von P., wenn er gut gegeben wird, machen wird. <<<
[...]“ (C.T. Bd. II, S. 659)
Das Weib ’entsündigt
und erlöst’, in diesem Falle Kundry, muss bei Richard Wagner natürlich
sterben. Seit Wielands Inszenierung darf sie als Hoffnungsträgerin in
die erstarrte Männerwelt eintreten – und auch ich durfte es so in der
Inszenierung von Hans-Peter Lehmann.
Am gleichen Tag ruft er
aus “[...]>> die Männer sind elende Soldaten, die Frauen repräsentieren
noch das einzige, woran man sich wenden kann in idealen Sachen; wenn man
da auch auf Leder trifft, ist es entsetzlich.
<<[...]“ (C.T. Bd. II, S. 659)
Der große Traum von der
idealen, von der Kunst veredelten Welt, kann aber keinesfalls realisiert
werden, wenn Richard Wagner, der Vordenker dieser Welt alle seine Frauen
umbringt, statt ihnen Erlösung von ihrer Unterjochung zu gewähren und
sie als beispielhafte, freie Wesen an seiner Utopie mitwirken zu lassen.
Anja Silja schreibt hierzu: “[...] Die Frauen bei Wagner leben in einer
Traumwelt. Es gibt fast keine reale Figur in seinen Opern, alle sind
Traumgestalten: Elsa, Elisabeth, Senta, selbst Isolde. Die einzige
Ausnahme ist Evchen in den Meistersingern. Sie haben keine normalen
Schicksale. [...]“
(Anja Silja: Die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren in ‚Das
Weib der Zukunft’, Stuttgart 2000)
Wie resigniert sich
Wagner in den von Cosima gestalteten Familienkreis zurückzieht, beweist
eine Äußerung vom 21. Januar 1881. “[...] Bei Tisch führt uns das
Gespräch auf verschiedene Frauen, und R. resümiert seine Abneigung gegen
sie also >> Sehr begabt, sie haben aber keine Seele, manche Männer aber
auch nicht. - Kein Mensch kann mir etwas sein, deshalb habe ich mir eine
Familie angeschafft, und nur wer der Familie sich einfügt, ist mir
etwas.<< [...]“ (C.T. Bd. I, S. 671)
Er, der Patriarch kann
sich jetzt in seinem Kreise behaglich fühlen, den ‘Parsifal‘, das
Alterswerk vollenden, die finanzielle Situation ist zumindest
befriedigend durch Tantiemen und die Großzügigkeit König Ludwig II.
geregelt.
Aber immer noch mischen
sich in seiner Ansicht über den Stand der Frauen die Traumvorstellung
vom Orient und der Situation im Abendland. Cosima hält seine Äußerung
vom 22. Januar 1881 fest “[...] Gestern wie ich die Mitteilung machte,
dass Gobin.[au] eine böse Frau gehabt, ergeht sich R. darüber, wie
schrecklich es sei, dass ein in der Jugend empfundenes Bedürfnis nach
Ergänzung nun das ganze Leben hindurch als Elend geschleppt würde. Er
erwähnt diese naive Scheidung bei den Orientalen, und wie falsch die
Stellung der Frau bei uns sei, einerseits die Form ritterlicher
Anbetung, und dabei die geringschätzigste Meinung von ihr.<<
[...]“ (C.T. Bd. I, S. 673)
Richard Wagner hat sich
natürlich nie die Mühe gemacht – jedenfalls gibt es darüber keine
schlüssigen Nachweise – die Grausamkeit islamischer Gesetze gegen Frauen
kennen zu lernen.
Nach Afghanistan kommt
Gott nur zum Weinen, die dem Mann die ’naive Scheidung’ erlauben, die
Frau aber der Steinigung oder unvorstellbarem Elend preisgeben. An der
Polarisierung der Frau in Heilige, Hohe Frau des Minnegesangs und
hirnlos-tierisch dahinlebenden Gattungswesen hat er in seinen
Opernfiguren und theoretischen Schriften intensiv mitgearbeitet. Daher
ist es besonders seltsam, dass er diese Zustände beklagt.
(s. hierzu Bennent,
Heidemarie: Galanterie und Verachtung, Frankfurt/M., 1985
Am 9. Februar 1881
gedenkt Richard Wagner mit überraschender Sympathie Wilhelmine
Schröder-Devrients “[...] >> Was soll ich darauf sagen, alles war Leben,
Seele, Wärme und ein Ausdruck der Freude, wie ich ihn nur bei Cosima
gesehen habe. << [...]“ Ihr Bild verklärte sich und er gedenkt auch
Judith Gautiers. “[...] >> Gegenüber all den Steifheiten war sie mir
damals 1876 durch ihre natürliche Wärme sehr angenehm.<<
[...]“ (C.T. Bd. II, S. 687)
Beide waren Quellen der
Inspiration, wenn auch der Schröder-Devrient, wie er früher bemerkte,
die “[...] ängstliche Verschämtheit [...]“ fehlte.
“[...] Zufrieden mit
dem Erfolg des ’Lohengrin’ konnte Richard Wagner als Kompliment zitieren
“[...] >> O gönne mir, dass mit Entzücken ich deinen Atem sauge ein !<<
Wir besprechen dann Lohengrin: Elsa’s Entsetzen, wie sie hört, dass er
von Glanz und Wonnen kommt ! >> Ein hübsches Sujet <<, sagt er
scherzend. Auch hat es die Nation anerkannt. [...]“
(C.T. Bd. II, 721)
Richard Wagner
wiederholt sich, wenn er am 19. April tadelt “[...] >> die Malerei hielt
er auf Irrwegen, wenn sie den weiblichen Körper, der nicht eigentlich
ästhetisch schön sei, nackt wiedergebe. << [...]“ (C.T. Bd. II, S. 728)
Und als witzige Umschreibung für seine sexuellen Rauschzustände nennt er
sie am 27. Juni 1881 “[...] >> Ich war nie verliebt, wenn der große
Teufel losgeht, << sagt er zu mir sich wendend >> das ist etwas anderes,
das ist keine Verliebtheit, das hört dann auch nicht auf. << [...]“
(C.T. Bd. II, S. 753)
Und am 14. Juli 1881
ergeht er sich in Vergleichen von schönen und hässlichen Frauen, die
„[...] ihm etwas Furchtbares sei[en], wenn nicht ein Strom von Güte ihr
aus dem Gesichte einem entgegenschaue.<< [...]“ (C.T.
Bd. II, S. 762)
Unbeirrt hält Richard
Wagner an seiner Meinung fest, dass künstlerische Betätigung für Frauen
abzulehnen ist. Dies ist umso erstaunlicher als seine Schwestern – zwar
nur als reproduzierende - Künstlerinnen – und hier besonders Rosalie zum
Erhalt des Haushalts in Leipzig beitrugen, wenn sie ihn nicht gänzlich
bestritten. Und Minna hätte ihre uneheliche Tochter Natalie kaum
durchbringen können, wenn sie nicht in Magdeburg als arrivierte
Darstellerin hätte tätig sein können.
Am 15. Juli 1881
erklärt er “[...] Eine Frau, die ein Atelier hat, ist etwas
Schreckliches. Eine schriftstellernde ist schlimm genug, aber man
spricht, man schreibt Briefe, daraus ergibt sich das übrige, wenn auch
eine Frau mit eigner Arbeitsstube, Bibliothek, zu vergleichende Bücher
auch schrecklich ist, aber das Malen, ein so spezifischer Beruf, mir
gräulich. [...]“
Dies ist noch einmal
ein grimmiges Auflehnen des Patriarchen gegen kreative Frauen, während
er am 31. Juli 1881 Goethe lobt und seine „[...] Vorliebe für tüchtige,
wahrhaft kräftige Frauen wie Dorothea und Elisabeth (’Götz’). >> So muss
auch die deutsche Frau sein – denn ein indisches Wesen wird sie doch
nie.<< [...]“ (C.T. Bd. II, S. 772)
Allerdings wäre seinem
Werk auch nicht gedient gewesen, wäre Cosima nach seinem Tod verbrannt
worden. In der Milde des Rückblicks äußert er sich am 21. September 1881
“[...] Beim Kaffee hatten wir viel über Minna gesprochen, ihre Schönheit
anerkennend und dass ein richtiger Instinkt R. zu ihr geführt >> damit
waren alle Dummheiten für mich abgeschnitten und dachte ich nur an
arbeiten. << [...]“ Und er beklagt sie, dass sie ihn geheiratet.
(C.T. Bd. II, S. 797)
Das sind unerwartete
Töne des Verständnisses für die Frau, die all die Jahre der Armut mit
ihm ertragen hat und die er bisher meist als bösartig und beschränkt
schilderte.
Das konstruierte ’ewig
Weibliche’ gerät ins Wanken, wenn er sich an einen Aufruf der Schröder
Schröder-Devrient erinnert. “[...] >> Ach! Was wissen sie davon, Sie
Ehe-Krüppel << [...]“ - (C.T. Bd. II, S. 814) und er stellt fest
“[...] >> die Sorge wird nicht aufhören, die Kinder ziehen uns immer
wieder hinein, die Mädchen am meisten, die mit fremden Existenzen sich
mischen müssen. << [...]“ (C.T. Bd. II, S.
815)
Auch den unbelehrbaren
Theoretiker holt die Realität ein und Richard Wagner, der in seinen
Töchtern früher – seiner Theorie gemäß – nur die Gattung sah, stellt
fest, dass sie doch unterschiedliche Charaktere haben und es bereitet
ihm Sorge, dass sie, die kein Eigenleben führen dürfen, sich im
heiratsfähigen Alter “[...] mit fremden Existenzen mischen müssen.
[...]“ also auf Gedeih und Verderb an einen Mann gekettet werden und am
28. Oktober 1881 stellt er fest “[...] das Wesen des Weibes sei das
Mitleid mit dem alles nach außen verfechtenden Mann. Wenn nun der Mann
verkomme, höre das Mitleid auf, und die Frau würde hart [...]“ (C.T.
Bd. II, S. 816)
Hartnäckig repetiert Richard Wagner seine Vorstellung vom Weibe und der
erwarteten Selbstaufgabe dieses bis zum Opfertod, um in irrationalem
Überschwang ein Phantom zu konservieren. Hierzu bemerkt Heidemarie
Bennent “[...] Wenn die Aufrechterhaltung der idyllischen Vorstellungen
vom häuslichen Glück trotz einer gegenläufigen Realität für lange Zeit
möglich blieb, so nur auf einer sozialen Entrechtung der Frau, die
eingefangen im Ghetto den Schein von Freiheit und Mühelosigkeit um die
Zwänge wirkte. [...]“
(Bennent, Heidemarie: Galanterie und Verachtung, Frankfurt/M. 1985)
Am 27. November 1881
beobachten Cosima und Richard Wagner eine auf einer Terrasse allein
frühstückende Frau und diskutieren, ob die Einsamkeit der Frau
glücklicher sei als die des Mannes . R. sagt “[...] >> Was willst du,
die einsamen Zeiten waren meine besten, Luzern, Venedig << Das bringt
uns auf Minna und ihr Leid, da sie keinerlei Freude und Genuß vom Umgang
mit R. haben konnte und nur Angst und Bangigkeit vor der absoluten
Entfremdung, nachdem das Elend sie nahegebracht, z.B. wenn ein wenig
Geld eingenommen wurde, eine Art Heiterkeit entstand. [...]“ (C.T. Bd.
II, S. 832)
Den veredelnden Einfluss Cosimas verdeutlicht eine Äußerung Richard
Wagners, der am 30. November 1881 erzählt, dass Minnas ewige
Aufgeregtheit ihn ganz ruhig gemacht habe, denn “[...] >> Es war keine
Leidenschaft im Spiel, das tiefste Innere war nicht berührt << [...]“
und “[...] >> Bei dir wird es immer seltener, aber wenn es kommt, dann
ist auch alles aus, dann hat das Leben ein Ende. << [...]“ (C.T. Bd.
II, S. 835)
Er fürchtet sich also, wieder in den Zustand der Entfremdung und Kälte
zu verfallen, der ihn mit Minna entzweite. In den Memoiren der Mdme. de
Réussat lesend gibt er am 24. Dezember 1881 zu, dass sie vorzüglich
beobachtet habe und so ein Werk sei ihm “[...] mehr Wert als Mommsen,
Pommsen und wie sie hießen. [...]“ Cosima sagt “[...] dass eine Frau mir
besser geeignet dünke als ein Mann in dieser Weise zu beobachten und
[zu] schildern, sagt er: >> Ja, die Frauen haben mehr Sinn für das
Wahrhaftige. << [...]“ (C.T. Bd. II, S. 856)
Auch am 8. Februar 1882
beim Gespräch [...] über Macht der Frauen über Männer sagt R. >> Ja, bei
der Eitelkeit fassen sie sie. << Und er meint, dass im Orient schon eine
bessere Form des Verhältnisses gefunden worden war. (C.T.
Bd. II, S. 888)
Die fixe Idee gibt er
nicht auf, der Traum des Patriarchen von den immer willenlos verfügbaren
Frauen, ohne geringstes Interesse am Elend ihres Lebens. Wenn auch
humoristisch zankt Richard Wagner am 26. Februar 1882 die Kinder aus,
die vielen “[...] >> unnützen Mädchen <<, die immer unterhalten sein
wollten [...]“ (C.T. Bd. II, S. 898)
In der Zeit als
Mädchenbildung im Lesen von Trivialromanen “[...] Als ich noch
Richardson gelesen [...]“ (Tschaikowsky: Eugen Onegin) und den Künsten,
den zukünftigen – hoffentlich – gut situierten Ehemann zu unterhalten,
begrenzt war, machten sie freilich den Anschein des Unnützen und alle
Eltern waren froh, wenn sie endlich ’unter der Haube’ waren. Am 28. März
1882 beschäftigen sich Cosima und Richard Wagner mit dem Lohengrin. Sie
notiert: “[...] Ich lese die Dichtung von Lohengrin, und R. entsinnt
sich, da´, wie er bei seiner Schwester Luise sie Laube vorgelesen,
dieser von der Entwickelung des zweiten Aktes meinte: Es sei alles gut,
aber man müsse Ortrud mit Zauberkünsten im Hintergrunde sehen; der
seelische Vorgang war ihm nichts. << [...]“ (C.T.
Bd. II, S. 919)
Es ist erschreckend,
wenn ein gebildeter Mann wie Heinrich Laube, Ortrud auf das Niveau einer
simplen Märchenhexe, die im Topf einen Sudel aus Kröten und Schlangen
kocht, herabziehen will. Wie die musikalische Analyse zeigt, ist ihr
Einfluss auf den “[...] seelischen Vorgang [...]“ ihrer Feinde und
Telramunds subtil, allgegenwärtig, überzeugend und stark. Das macht ihre
Einzigartigkeit unter allen Frauenfiguren Richard Wagners aus.
Am 5. April 1882 ein
Gespräch über “[...] sein Thema: männlich und weiblich; da er es
Männchen und Weibchen nennt, frage ich scherzhaft: ich käme gut dabei
weg? >> Im zweiten Teil deines Lebens, im ersten nicht, denn in der
Liebe des Weibes zum Manne erkenne ich die erste Brechung des Willens,
in der Sehnsucht – wie Schopenhauer es so schön sagt – den Heiland zu
erzeugen. << Ich erinnere an Diotima, im Schönen sich wiederzugebären,
>> gewiß << sagt R. >> hat Platon es gewußt, er beging nur das Unrecht,
konstruktiv sein zu wollen << [...]“ (C.T. Bd.
II, S. 924)
Die strikte Trennung
der Geschlechter und der von Männern beschriebenen und erwünschten
Eigenschaften des ’Weibes’ thematisiert Richard Wagner an wechselnden
Beispielen immer wieder, und das Wunschdenken von der “[...] Brechung
des Willens [...]“ in der Liebe ist genauso verhängnisvoll wie die
Brechung des Willens in der Erziehung. Einen Willen zu brechen ist ein
Gewaltakt aus dem weder Sehnsucht noch ein Heiland hervorgehen kann.
Keine Frau kann Sehnsucht nach ihrem Gewalttäter empfinden, die
Konvention, die Richard Wagner nicht als solche erkennen will und für
das Wesen des ’Weibes’ hält, zwingt sie ihr aufgezwungenes Los zu
ertragen, da sie keine Möglichkeit zur freien Entscheidung hat. In
diesem Zusammenhang Schopenhauer, den Philosophen der übelsten
Frauenverachtung zu zitieren kann nur das Ergebnis selektiven Lesens in
blinder Verehrung sein. So bezeichnet Schopenhauer in Band sechs seiner
Sämtlichen Werke Frauen als “[...] Verderb der modernen Gesellschaft
[...]“, die den nach Gleichmut und Weitsicht strebenden Bürgermann aus
seiner Bahn schleudern, um ihn so schließlich vor den Ruin zu führen.
Sie sind leichtfertig, vergnügungssüchtig, verschwenderisch,
verschlagen, liebeshungrig, vernunftsschwach, ausbeuterisch, äffisch und
kokett, ja selbst diebisch und meineidisch. Er postuliert die Einführung
der Polygamie, denn “[...] dadurch wird das Weib auf ihren richtigen und
natürlichen Standpunkt, als subordiniertes Wesen, zurückgeführt, und die
Dame, dies Monstrum Europäischer Civilisation und
christlich-germanischer Dummheit, mit ihren lächerlichen Ansprüchen auf
Respekt und Verehrung, kommt aus der Welt und es gibt nur noch Weiber,
aber auch keine unglücklichen Weiber mehr, von welchen jetzt Europa voll
ist. (Bennent, Heidemarie: Galanterie und Verachtung,
Frankfurt/M. 1985, S. 193) Warum Europa voll von unglücklichen Weibern
war, interessierte weder Arthur Schopenhauer, noch Richard Wagner.
Kurze, aber heftige
Bemerkungen über die Mächtigkeit des Geschlechtertriebes äußert Richard
Wagner am 25. April 1882 (C.T. Bd. II, S. 938) und es fesseln ihn in
einer Novelle von E.T.A. Hoffmann am 26. April 1882 die Gespräche der
Separationsbrüder in Bezug auf >> Männlich und weiblich << (C.T. Bd.
II, S. 939) überall sucht er nach wie vor Beweise für seine Theorie über
die Bestimmung des ’Weibes’. Dazu passt auch seine Äußerung über das
Geschlechterverhältnis bei Shakespeare: “[...] >> Den Vorwurf der
Naivität der Natur in Konflikt mit der bürgerlichen Gesellschaft gab es
nicht << [...]“ Die Restriktionen gegen die Frauen im 16. und 17.
Jahrhundert, selbst wenn sie noch nicht so ausgeklügelt waren wie im 19.
Jahrhundert zu leugnen, ist einfach falsch und beweist wiederum Richard
Wagners eingeengte Sicht. Am 13. Oktober 1882 stellt er fest es “[...]
sei doch merkwürdig, dass, während man für die Männer den Verstand
vindiciere, in der Sage sie immer eigentlich dumm wären. Tristan,
Siegfried >> die Frau nimmt es eben furchtbar ernst mit dem einen Punkt
<< [...]“ C.T. Bd. II, S. 1023)
Helden, die sich in
Abenteuer stürzen, haben das Fürchten nie gelernt, nie mahnte eine Erda
sie, in Sorg’ und Furcht zu sinnen, nie fluchte ein Alberich, dass die
Sorge ihn sehre und der Neid ihn nage. Tollkühn sind sie und das
imponiert wohl den Frauen, wie Richard Wagner meint. Mag der Held einen
plumpen Drachen töten können, die Finte Melots und der in den Rücken
gestoßene Speer Hagens bringt ihn um. Das Nazi-Reich mit seiner
Inszenierung des Helden und den Millionen Heldentoten haben diesem Kult
der Dummheit ein grauenhaftes Ende bereitet und die Frauen haben sich
auf ihre eigenen Kräfte verlassen müssen, (Zitat: I. Bruns: Als Vater
aus dem krieg heimkehrte) andere Traum-Männer aufgebaut. Erfolgreiche,
smarte Manager, sexy Filmstars oder Pop-Idole erregen die Phantasie. Die
’Hauruck-Helden’, der ’Haudrauf’ (Sabine Zurmühl über Siegfried,
Stuttgart, 2000) wanderte als ’Batman’ und ’Terminator’ nach Hollywood;
unterschiedliche Frauen – für Richard Wagner undenkbar – finden
unterschiedliche Männer attraktiv oder als heutiges höchstes Kompliment
’süß’ – auch für Richard Wagner undenkbar. Immer wieder erinnert er sich
an seine Zeit mit Minna, und am 28. Oktober 1882 erzählt er, dass Minna
ihm einmal gedroht habe, sich dem Trunke zu ergeben. “[...] >> Mit dem,
was man hasst, geeint zu sein, von dem, was man liebt, getrennt, daraus
besteht eigentlich diese Welt, das hat diese Paläste eingegeben und all
den Pomp, um sich darüber zu täuschen. << [...]“ - (C.T.
Bd. II, S. 1035)
Und am nächsten Tag,
dem 29. Oktober 1882 träumt er von Minna und “[...] gedenkt in Folge
dessen ihres Benehmens in Königsberg und der grauenhaft rohen Behandlung
– Vorwürfe – die ihm seitens der Mutter Minnas in Dresden darauf wurde.
Es sei das erste Mal, dass er etwas so Rohes erfahren habe, es sei
entsetzlich gewesen. [...]“ (C.T. Bd. II, S.
1035)
Sein Lebenskonflikt,
die ideale Welt der Kunst, das willenlos lieben müssende Phantom-Weib
und die Realität von Armut und Unbildung, die sich heftig und fordernd
artikuliert – quält ihn auch in den späten Jahren sogar im Traum. In
einem Aufsatz, den er am 1. November 1882 beendet, schreibt er “[...] >>
Wer kann ein Leben lang mit offenen Sinnen und freien Herzen in diese
Welt des durch Lug, Trug und Heuchelei organisierten Mordes und Raubes
blicken, ohne zu Zeiten mit schaudervollem Ekel sich von ihr abwenden zu
müssen? Wohin trifft dann sein Blick? Gar oft wohl in die Tiefe des
Todes. << [...]“
(https://onlinemerker.com/bernd-weikl-richard-wagner-revolutionaer-und-mystiker/
Aus dem einstigen
Revolutionär war der Weltflüchtige geworden, der jedoch noch Pläne hat,
noch zehn Jahre leben will, bis sein Sohn die Bayreuther Festspiele
übernehmen kann. Am 16. und 17. November 1882 notiert Cosima Gespräche
über ‘Lohengrin‘, das liebende Weib und “[...] >> wie schön Goethe das
demütig Dienende als einen Teil des Idealischen [...] dargestellt hat.
<< [...]“ (C.T. Bd. II, S. 1050)
Demut, der Mut zum Dienen kann aber nur aus Freiwilligkeit erwachsen.
Die Reduktion der Frau auf ihre Sexualfunktionen und die Brutpflege, die
rechtlose Abhängigkeit von Vater und Ehegatte als das “[...] Idealische
[...]“ zu sanktionieren, musste seitens der Frauen Gegendruck in
Richtung Freiheit hervorrufen, eine Tatsache, die Richard Wagner voll
Abscheu und Angst beobachtete. Daher auch die Bemerkung von 17. Dezember
1882 “[...] eine Witwe müsse keinen eigenen Hausstand haben, entweder
mit ihren Kindern leben oder in’s Kloster gehen. Auch die Witwer, sagt
er zu meinem Vater [...]“ hält Cosima fest.
(C.T. Bd. II, S. 1072)
Dass er, der Protestant, das Kloster empfiehlt, ist ziemlich unlogisch,
aber vielleicht würden ihm die Lösungen ’heutiger frommer Moslems’
behagen, die in Algerien alleinstehenden Frauen die Kehlen
durchschneiden, in Indien unnütze Frauen mit Salzsäure verätzen oder mit
Benzin übergießen und anzünden
Am 6. Januar 1883, nach
dem Erhalt eines positiven Berichts von den Aufführungen des ’Ring’ in
Wien“[...] R. spricht dann über seine verschiedenen Stoffe, immer
‘Lohengrin‘ als den allertraurigsten findend; er erzählt auch von dem
Vorschlag Lüttichau’s: Tannhäuser in Rom Verzeihung finden lassen und
Elisabeth heiraten. << [...]“ (C.T. Bd.II, S. 609)
Die Konvention des
’lieto fine’ oder der ’mariage’, um das Publikum auch nach den
grausigsten Aufregungen einer Oper vergnügt und beruhigt nach Hause zu
schicken, hielt sich hartnäckig, ist aber keine Lösung, da nach der
Hochzeit die Probleme erst beginnen. ‘Lohengrin‘, das Drama der
Unvereinbarkeit zweier Welten, kann logischerweise nur tragisch enden,
selbst wenn in einigen Sagen und Dichtungen Elsa die Frage nach Nam’ und
Art erst nach einigen glücklichen Ehejahren stellt. Richard Wagners
dramaturgischer Sinn tat recht, das Spiel zu verkürzen.
9. Januar 1883, nachdem Cosima beschrieben hatte, wie zornig RW über die
vielen Besucher war “[...] Als Curiosum will ich noch erwähnen, dass das
schwarze Auge und die schwarzen Haare unserer Freundin (Marie Dönhof) R.
unfraulich sind. [...]“ Immer wieder denkt er an die Frauen in seinem
Leben, ist wieder guter Laune, scherzt und tanzt und – von früheren
Beziehungen sprechend, meint R., er schäme sich ihrer, ; wie ich R.
sage, dass man solcher großherzigen Täuschungen sich nie zu schämen
habe, sagt er >> Ich habe immer wenig sprechen lassen – wenn ich hätte
sprechen lassen, dann wär’s freilich auch nicht hübsch gewesen. <<
[...]“ - (C.T. Bd. II, S. 1090)
Ein Egomane wie er
konnte nicht zuhören, sein Redestrom war berüchtigt, seine Aufsätze sind
ungeheurer wortreich, seine Musikdramen überlang. Mein verehrter Lehrer,
Regisseur und späterer Intendant, Prof. Günter Roth, nannte es treffend:
“Die Geschwätzigkeit des sächsischen Meisters.“
Von Herzanfällen
gepeinigt, die die Ärzte falsch diagnostizieren, plant er eine
Abhandlung über sein Thema und sagt am 26. Januar 1883 zu Cosima “[...]
er wisse nicht, ob er seine künftige Abhandlung als ’Das Weibliche im
Menschlichen’ oder ’Das Ewige im Weiblichen’ betiteln werde.
Er erregt sich öfters
über die jetzige Kleidung der Frauen, während er die Kleidung des
Directoire sehr hübsch findet.
Eine Photographie
betrachtend rief er aus: >> Wenn ich einen Staat zu regieren hätte, da
würdet ihr so herumlaufen! << Er sagt: >> in einen Harem höchstens
gehören solche gekleideten Frauen. << (C.T. Bd.
II, S. 1102)
Es mag ihm gefallen
haben, dass sie mit ihren zarten Stoffen von der klassisch –
griechischen Tracht inspiriert war.
In den letzten Tagen
seines Lebens träumt er von seinen ’Ehemaligen’ und erzählt Cosima am
11. Februar 1883, dass er die Schröder-Devrient im Traum gesehen “[...]
>> All mein Weibsen geht jetzt an mir vorüber. << Am gleichen Tag – um
12 Uhr kommt er zu mir und meldet, dass er seine Arbeit begonnen, und
zwar so stark gepfeffert, dass Wolzogen. es wohl nicht würde drucken
wollen. Er liest mir die erste Seite vor und meint, die Motive seien
klar genug herausgestellt! << [...]“ (C.T. Bd.
II, S. 1111)
Cosimas letzte
Eintragung ist vom 12. Februar 1883 wie R. zu ihr sagt “[...] >> Ich
sprach mit dir << sagt er und umarmt mich lange und zärtlich >> Alle
5000 Jahre glückt es << Ich sprach von den Undinen, die sich nach einer
Seele sehnen und nachdem er die Rheintöchter-Klage gespielt hat >> Ich
bin ihnen gut, diesen untergeordneten Wesen der Tiefe, diese[n]
sehnsüchtigen. << [...]“ (C.T. Bd. II, S. 1112 – 1113)
Am 13. Februar schreibt
Richard Wagner an dem Aufsatz ’Über das Weibliche im Menschlichen’. Nach
den letzten Worten “Gleichwohl geht der Prozess der Emanzipation des
Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe – Tragik –“
erleidet er einen Herzanfall und stirbt gegen 15.30 Uhr in Cosimas
Armen. Sie, die sein Leben organisierte, das Drama seines Lebens
zwischen Zeitverhaftung und Utopie begleitete, sie, das
’Allerseelenweib’, das eine übermenschliche Arbeitsleistung vollbrachte,
erhielt als unmündiges ’Weib’ einen Vormund, für uns heute ein
empörender Gedanke.
Freilich diente sie
einem Genie, aber dieses Genie hielt unnachgiebig an seiner Vorstellung
von den “untergeordneten Wesen, diesen sehnsüchtigen“ fest. Sie
vermochte es, die Identifizierung mit der Rolle der liebenden
Opferbereitschaft durchzuhalten, sich emotional zu geben, aber rational
zu denken, Schwäche vorzugeben und Stärke zu verbergen, dadurch erfüllte
sie Richard Wagners und der Gesellschaft Forderungen.
Die exstatischen
Zuckungen, unter denen die Emanzipation des Weibes vor sich ging, waren
zwei Weltkriege, von denen der zweite, mit von ’Führer’ und seinen
Gesinnungsgenossen missbräuchlich benutzten ‘Lohengrin‘-Symbolen den
weltweiten Zusammenbruch des Heldentums, unbeschreiblichem Elend, aber
den Frauen das Erwachen zur Selbstbestimmung brachte, weil die Not es
erforderte.
Ortrud, die
Kontrastfigur, die Richard Wagner in seiner Angst vor der intakten Frau
musikalisch mit seiner Meinung nach negativen, aber in die Zukunft
weisenden Mitteln ausstattete, ist das prophetische Geschöpf, das statt
wie alle anderen einen sinnlosen Tod zu sterben, uns angesichts eines
hybriden, rücksichtslos die Natur ausbeutenden Kapitalismus und der
immer verheerenderen Katastrophen das Wort von den „entweihten Göttern“
zuruft.
Marie-Louise Gilles
Aus den Medien
Bemerkungen von
Dr. Klaus Billand
in
‘Der neue Merker‘ Wien zur ‘Carmen‘ in Hannover
|
Zitat
HANNOVER: CARMEN – Premiere am 24.
Oktober 2020
–
‘Der neue Merker‘‘
- 28.10.2020 |
Oper international
Evgenia Asanova. Foto: Sandra Then
Ist das
noch Oper?!
Die
Staatsoper Hannover, schon länger für unkonventionelle
Darbietungen bekannt, die nicht immer den größten
Publikumszuspruch ernten, kam Ende Oktober mit einer
Neuinszenierung der „Carmen“ von Georges Bizet heraus.
Das Programmheft ist übertitelt mit „CARMEN, Georges
Bizet/Marius Felix Lange“, als seien beide Komponisten
gleichwertig an der musikalischen Gestaltung des Stückes
beteiligt. Regie führte Barbora Horáková, mit
dramaturgischer Unterstützung durch Martin Mutschler. Im
Innern des Heftes erfährt man dann, dass es sich um eine
musikalische „Neubearbeitung“ des Bizet-Klassikers durch
Marius Felix Lange handelt, weil der 52-jährige Komponist,
der als Geiger mit „Carmen“-Fantasien von Pablo de Sarasate und
Franz Waxmann aufwuchs,
eine Diskrepanz entdeckte zwischen dem Leben, welches, auf
Prosper Mérimées Novelle basierend, eigentlich in der Oper
erzählt werden soll, und den Mitteln, mit denen das geschieht.
Lange will den Protagonisten Carmen und Don José etwas von ihrer
spezifischen Identität zurückgeben. Das wäre wohl eher die Sache
der Regisseurin gewesen. Hier kommt es aber musikalisch zum
Ausdruck, beziehungsweise soll es kommen, indem Lange nicht nur
diverse und harmonisch unpassende Versatzstücke in die Bizetsche
Partitur hineinkomponiert, sondern selbst bekannteste,
geschlossenste und auch beliebteste Nummern wie die Musik zur
Habanera und zur Blumenarie, um nur zwei prominente Beispiele zu
nennen, mit Dissonanzen unterspielt, ja, man könnte auch sagen
„unterspült“. Dazu benutzt er in erster Linie das Vibraphon und
Röhrenglocken, die nach seiner Ansicht „weitere Klangfarben“
erzeugen, aber auch ein riesiges Xylophon, sowie das Schlagwerk.
Die drei erstgenannten Instrumente, deren Verzicht es wohl
selbst bei den geltenden Hygiene-Vorschriften im Graben erlaubt
hätte, ein paar Streicher mehr als die gerade einmal vier
Geigen, zwei Bratschen und zwei Celli zu platzieren (insgesamt
nur 21 Musiker!), sorgten dafür, dass der Zuhörer sich zu keinem
Zeitpunkt der Integrität der von ihm erwarteten Musik Bizets
sicher sein konnte. Entsprechend dünn war auch der
Streicherklang, wofür der ansonsten umsichtig agierende
Stephan Zilias am Pult des Niedersächsischen
Staatsorchesters Hannover wohl eher nichts konnte.
Foto: Sandra Then.
Der
Streicherklang war in dieser Produktion aber eigentlich auch gar
nicht so wichtig. Denn was Barbora Horáková auf der Bühne von
Thilo Ullrich, mit den Kostümen von Eva-Maria von Acker,
dem Licht von Sascha Zauner und der Choreographie von
James Rosental abzog, wich deutlich von dem ab, was – immer
noch – unter der Kunstgattung Oper verstanden wird. Mit der
eigentlich gar nicht so abwegigen Idee, das Stück in der
Springsteenschen „darkness at the edge of town“, also in
einer Art Bronx oder Soho spielen zu lassen, in einem alten
verlassenen Stadion, wo man noch das verblichene Basketballfeld
erkennen kann. Hier geht es mit den sich dort herumtreibenden
jungen Leuten, gesellschaftlichen Underdogs, hoch her. Sergio
Verde sorgt auf einer hochgestellten Leinwand ähnlich wie
Frank Castorf das Geschehen mitzufilmen und zusätzliche Szenen
einzublenden. Die ominösen Kameraleute, eine sich mittlerweile
immer mehr abnutzende postmoderne Stereotype des Regietheaters,
huschen also auch wieder mal störend durch das Geschehen. Ganz
amüsant war aber der Einfall, dass Carmen einmal vor dem
eingeblendeten Werbe-Stier des spanischen 30-prozentigen Brandys
Osborne singen darf, wenigstens noch ein wenn auch
kommerzieller Anflug von einem allerdings auch schon etwas
klischeehaften Spanien-Kolorit.
Statt des Chores läuft aus Hygienegründen eine Balletttruppe mit
Mundschutz auf, die neben akrobatischen Einzelleistungen
gleichwohl sehr laut wird und am Ende des Torero-Liedes sogar
aus voller Kehle mitbrüllen darf und dabei einen nahezu
unerträglich kakophonen Geräuschpegel erzielt! Hinzu kommt
allerhand Müll, der herumsteht oder durch die Gegend fliegt,
Bierkästen, Autoreifen, Ölfässer, ein shopping cart, ungeachtet
musikalischer Gegebenheiten hupende Motorroller – alles so schon
oft gesehen, aber dadurch nicht besser. „Carmen“ in the
gutter…
Zusätzlich
dürfen Don José, und wie man erst im Laufe der Arbeit an der
Produktion feststellte, vorwiegend aus
Gleichberechtigungsgründen auch Carmen ein Lied aus ihrer Heimat
singen – er eines aus dem Baskenland, sie eines im
zigeunerischen Caló. Der des Programmheftes unkundige Zuseher
muss wohl raten, was das soll, zumal es die Musik von Bizet
unterbricht, um nicht „durchbricht“ zu sagen. Zu allem
unkompositorischen Überfluss lassen zudem zwei Sprecher immer
wieder Carmens und Don Josés Gedanken über Lautsprecher
erklingen. Könnte es nicht sein, dass man über diese auch etwas,
wenn nicht sogar viel, über die Komposition Bizets erfahren kann
– oder will man sich nicht die Mühe machen, diese in
nachvollziehbare Handlung umzusetzen?! Das wäre eigentlich die
Aufgabe eines das Werk und seine Rezeption bestens kennenden
Regisseurs.
Stattdessen wird die arme Micaela zum Zeichen ihrer
Unerwünschtheit gleich mit dem Dreck beschmissen und mit einem
Messer bedroht. Natürlich soll das zeigen, dass eine Rückkehr
Don Josés in seine Vergangenheit, zu der er ja immer wieder
tendiert, zugunsten einer klaren Entscheidung für Carmen und die
Zigeuner verhindert werden soll – ein Ausdruck der Freiheit, um
die es hier geht. Da darf er unterdessen auch Zuniga erschießen,
als Eifersuchtstat und Zeichen seiner nun ins Kriminelle
abdriftenden Freiheit, ähnlich wie er später Carmen umbringt.
Freilich raucht Zuniga im Sterben schnell noch eine E-Zigarette
– so leicht löst man sich in diesem Milieu von seinen Lastern
nicht!
In Carmens Tod ortet das Regieteam allerdings einen „Femizid“,
weil sie entgegen dem Besitzanspruch des Mannes – in seiner
„toxischen Maskulinität“ – auf ihrer Freiheit besteht, als
femininer „outlaw“. Sie ist nicht zuletzt aufgrund ihrer
Herkunft, die ihr jeglichen sozialen Aufstieg versagt, für den
Dramaturgen Mutschler ein Beispiel für „das mehr als latente
Ausgeliefertsein der Frau.“ Da haben wir sie also wieder,
die klassische Opferrolle der Frau. Dabei ist eigentlich in den
bei weitem am meisten zu sehenden „Carmen“-Inszenierungen und
wohl auch bei Bizet selbst der Mann das Opfer. Denn Carmen hat
durch ihren unbeugsamen Freiheitsdrang eine enorme Souveränität
– auch über sich selbst, während Don José sich selbst zum Opfer
macht, weil er sich zwischen einem durch Erziehung naheliegenden
konventionellen Lebenskonzept – symbolisiert durch Micaela – und
Carmen nicht entscheiden kann. Daran scheitert er am Ende und
bringt ihr den Tod, weil er sich diese Schwäche und sein
Versagen nicht eingestehen kann. Erst da ist auch sie dann
wirklich Opfer.
Die blutjunge Russin Evgenia Asanova gab die Carmen als
aufreizender Teeny mit einem schon recht guten Mezzo und schönen
Klangfarben. Der Mexikaner Rodrigo Porras Garulo spielte
einen engagierten und emphatischen Don José und ließ mit seinem
kraftvollen Tenor erkennen, dass er einmal Bariton war.
Germán Olvera, ebenfalls aus Mexiko, sang den Escamillo mit
ansprechendem, nicht zu großem Bariton. Der stimmliche Star des
Abends war aber unzweifelhaft Barno Ismatullaeva aus
Usbekistan, die der Micaela mit ihrem leuchtenden Sopran nahezu
himmlische, facettenreiche und lyrische Töne verlieh und dabei
auch noch große Empathie vermittelte. Frasquita war bei
Mercedes Arcuri und Mercedes bei Nina von Essen gut
aufgehoben. Yannick Spanier sang den Zuniga mit einem
klangvollen Bass.
Wenn das, was man an diesem Abend in Hannover erlebte, noch Oper
sein soll und der Trend, hemmungslos in Partituren einzubrechen
und sie nach Belieben umzuschreiben und hinzu zu komponieren,
weiter gehen sollte, dann steht es schlecht um diese weltweit so
beliebte Kunstgattung. Und das ist, was die Oper am wenigsten im
Moment der Corona-bedingt geschlossenen Opernhäuser braucht. Man
sah und hörte in Hannover stattdessen ein Potpourri aus
dramatischem Theater, Oper und Musical, eine Mischform, die
nicht überzeugen konnte, es vielleicht auch gar nicht wollte. Im
Focus stand wohl, etwas „ganz Neues“ zu machen, weil nur das
Neue noch interessant ist und Aufmerksamkeit sowie Aufregung
erzeugt. Dass das „Alte“ schon fast an der Perfektion liegt –
nicht umsonst gehört die „Carmen“ wohl zu den beliebtesten fünf
Opern überhaupt – spielt dabei keine Rolle. Daran im
vorgegebenen kompositorischen Rahmen auch szenisch phantasievoll
zu arbeiten, wäre wohl auch zu „konservativ“ und vermessen… In
jedem Falle ist der Intendanz zu raten, bei solchen
„Verinszenierungen“ zumindest dem Abo-Publikum einen Vorabdruck
des Programmheftes mit den Aufsätzen des leading teams per
E-Mail zu übermitteln, sodass es sich etwas auf das Kommende
einstellen kann.
Im Übrigen müsste sich, wenn dieser Trend einreißt, der
öffentliche Subventionsgeber, in diesem Falle das Bundesland
Niedersachsen, Gedanken machen – und es ist zu hoffen, dass an
der relevanten Stelle die erforderliche Fachkompetenz vorhanden
ist – ob die Höhe der jährlichen Subventionen noch den
angegebenen Kunstgattungen entspricht. Der Etat für die Oper
müsste dann wohl überdacht werden
Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand
Angesichts des
Erlebten machte ich nach der Vorstellung auf der Treppe der Oper
eine kleine Publikumsbefragung. Interessanterweise sagten zwei
voneinander völlig unabhängige ältere Damen auf die Frage, ob,
beziehungsweise wie es ihnen gefallen habe:
„Gewöhnungsbedürftig, sehr gewöhnungsbedürftig!“ Auf die zweite
Frage, ob sie nochmals in eine Vorstellung dieser „Carmen“ gehen
würden, kam ein resolutes „Nein, einmal reicht!“ Die zweite
meinte sogar auf meine Frage speziell nach dem musikalischen
Eindruck im Weggehen: „Ach, die Leute sind doch heute schon
froh, wenn sie überhaupt noch eine bekannte Melodie hören…“ Ist
das Opernpublikum in seinen Ansprüchen wirklich schon so weit
gesunken?
Klaus Billand |
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Zitatende
Errata
In Heft Nr. 31 hatten wir
behauptet, Eva Marton sei am 18. Juni 1920 geboren.
Das richtige Geburtsdatum ist der 18. Juni 1943.
Wir bitten um Entschuldigung.
In Nr. 33 waren
unter Vincezo Bellini nicht alle Opern aufgeführt.
Hier sind alle nun – nach Heinz Wagner ‘Der große Opernführer‘ -
zusammengefasst:
Adelson und Salvini, Bianca und Fernando, Der Pirat, Zaira, Die
Fremde, Capulet und Montague, Die Nachtwandlerin, Norma, Beatrice von
Tenda, Die Puritaner
Wir danken für die Hinweise,
die wir aus der Leserschaft erhielten.
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