Wie es uns gefallen hat
 
 


"Putz' und schrubb', du gutes Mädchen"
(Nr. 4, Takt 12 bis 15)

Theater Regensburg 23.09.05

 
      Richard Wagner  
 

Der fliegende Holländer
 

  oder
'Mary und das Putzgeschwader'
 
 

        

 
 
Aus einer Konzertankündigung von 1997

Gunther Schuller dirigiert das New Zeeland Symphonie Orchester. In zwei wichtigen Konzerten lässt er die Musik von Strauss und Brahms mit der Sopran-Solistin Mechthild Gessendorf und dem Pianisten Piers Lane aufleben.
Richard Strauss schuf einige der berühmtesten Heroinen der Oper. Jeder Kenner der Szene ist mit der 'Marschallin' im 'Rosenkavalier', der 'Arabella' und der 'Gräfin' in 'Capriccio' vertraut.
Eine der führenden Interpretinnen dieser Rollen ist die deutsche Sopranistin nun bei ihrem australischen Debüt. ’Der Rosenkavalier’ ist Frau Gessendorf's wichtigste Oper auf vielen internationalen Bühnen, vom Operhaus Zürich bis zur Metropolitan Opera in New York. Sie arbeitet ständig auf den Bühnen Europas, Canada und den Vereinigten Staaten, singt - neben anderen Orchestern - mit dem Chikago Symphonie Orchestra und den Toronto Symphonikern. Jetzt ergibt sich eine seltene Gelegenheit die große Diva zu hören.
 

Am 11. Dezember 1989 stand auf der Bühne der Metropolitan Opera in New York:
Mechthild Gessendorf
als
'Senta'.
Neben ihr:
James Morris - 'Der Holländer', Paul Plishka - 'Daland', 'Erik' - Garry Lakes, die 'Mary' wurde von Judith Christin gesungen und 'Steuermann' war der nun als Tannhäuser, Parsifal, Siegmund oder Tristan an vielen internationalen Häusern gastierende Robert Gambill mit seinem Met-Debüt.
James Levine dirigierte, die Inszenierung stammte von August Everding, das Bühnenbild von Hans Schavernoch.
 
 

Nun muss die damalige 'Senta' der Met vor allen Dingen mit ansehen,
was "Mein Gatte! Mein Gatte!",
 der Regensburger Theaterdirektor Ernö Weil, den Bürgern und Steuerzahlern als Holländer-Inszenierung vorsetzt.

 

Dass mancher 'die Atmosphäre'
in der Stadt nicht verträgt,
ist da wohl kein Wunder.

 

 
         

Auch ein Bariton wird mal krank !
Und das vor allem dann, wenn er überprobiert wird. Noch mal die Szene und noch mal die Szene und noch mal.
Wo ist der Intendant, der hier eingreift.
So gestaltete sich der Spielzeitbeginn 2005 / 2006 am Regensburger Stadttheater zum Problem: Der hauseigene 'Holländer' musste absagen und so war binnen zwei Tagen ein Ersatz zu finden.
Der Einspringer kam, sah und passte, wohl als er erkannte, in welchem Kostüm und in welcher Szenerie er agieren sollte. Angeblich hat er die Stimme verloren, eher wohl die Sprache verschlagen.
Waren es erst Tage, einen zweiten 'Holländer' zu finden, waren es jetzt nur noch Stunden, den dritten aufzutreiben, um die Premiere zu retten.
Offensichtlich hatte man sich auf das Glück verlassen und keinen Bariton 'auf Eis gelegt', der schon die Proben mitmachte und als Cover zur Verfügung stehen konnte.
Regensburg soll doch laut Erklärung des Regensburger Oberbürgermeisters vom 17.3.05 in Zukunft europäischen 2010- Ansprüchen genügen.
 
Rückkehr nach Deutschland
Unmittelbar nach seiner Rückkehr am 12. April 1842 aus dem ersten Pariser Aufenthalt reiste Richard Wagner nach Berlin, um über seinen fliegenden Holländer mit Graf von Redern, dem Intendanten der Berliner Hofoper zu verhandeln.
"[...] dass ich es endlich auf den ersten ruhigen Morgen im Berliner Gasthofe verschob, Euch zu schreiben.[...]"
Der Holländer war in Paris 1839 fertig geworden, die Offerten nach München führten zu keinem Abschluss - man war dort der Meinung, das Thema passe nicht in die Stadt und in Berlin wartete man auf den neuen Intendanten, der selber entscheiden wolle. Nun war Küstner ausgerechnet in München Intendant und ging mit dem Vorurteil dem Holländer gegenüber nach Berlin.

 
Der Holländer in Dresden
Nach dem großen Erfolg der Uraufführung des 'Rienzi' am 20. Oktober 1842 in Dresden forderte die sächsische Hofoper von Berlin - dort nun doch angenommen - die Rechte für den Holländer.
Am 2. Januar 1843 erfolgte die Uraufführung in Dresden - und das Werk fiel durch. Die Dresdner hatten etwas ähnliches wie den im Stile der großen Oper Meyerbeers gehaltenen Rienzi erwartet und bekam etwas völlig Neues. Weder akzeptierte es das Sujet noch die mit diesem verbundene Düsternis. Nach vier Vorstellungen wurde der Holländer abgesetzt.
1844 dann folgte die erste Aufführung in Berlin, 1860 kam Wien hinzu und 1862 nahm Dresden das Werk wieder in den Spielplan.
 

.Bühne Wilhelm Reinking

Die Quellen
Der Holländer - Richard Wagner übernahm das Thema aus Heines Schabelewopski Erzählung und fügte die eigene Erfahrung aus der Seereise auf der Thetis von Pillau nach London zu seiner Version hinzu, kann eigentlich als eine Metapher für das Lebensschiff jedes Menschen gelten. Das Boot, das eigene Ich, in der Umwelt des Stroms des Lebens torkelnd, untertauchend, kenternd oder frei schwimmend, gesteuert durch das eigene Können, dieses bedingt durch Intelligenz, Veranlagung und Erfahrung einzusetzen. Wie singt die Baronin im Wildschütz: "Auf des Lebens raschen Wogen, fliegt mein Schifflein leicht dahin." Weber, auch sein eigener Textdichter, erfasste das Thema und unterlegte es mit fröhlichen Koloraturen.
Abkommen vom Kurs, scheitern erfordert nach Richard Wagner die Erlösung durch Liebe - "bis in den Tod." Erik ist mit "Mein Herz voll Treue bis zum Sterben" nur bereit, bis an die Schwelle zu gehen.
Von Senta fordert der Holländer das Überschreiten dieser und gehen bis in den Tod.

"[...] zur letzten Szene des Stücks, wo auf einer hohen Meerklippe das Weib des fliegenden Holländers, die Frau fliegende Holländerin, verzweiflungsvoll die Hände ringt, während auf dem Meere, auf dem Verdeck seines unheimlichen Schiffes, ihr unglücklicher Gemahl zu schauen ist. Er liebt sie und will sie verlassen, um sie nicht ins Verderben zu ziehen, und er gesteht ihr sein grauenhaftes Schicksal und den schrecklichen Fluch, der auf ihm lastet. Sie aber ruft mit lauter Stimme: Ich war dir treu bis zu dieser Stunde, und ich weiß ein sicheres Mittel, wodurch ich dir meine Treue erhalte bis in den Tod!
Bei diesen Worten stürzt sich das treue Weib ins Meer, und nun ist auch die Verwünschung des fliegenden Holländers zu Ende, er ist erlöst, und wir sehen, wie das gespenstische Schiff in den Abgrund des Meeres versinkt.  [...]"

(Heine, Heinrich - Aus den Memoiren des Herr von Schnabelewopski)

 

Bühne Wilhelm Reinking

Das Thema bei Anderen
Nach Heine beschäftigte sich auch Franz Kafka mit dem Motiv des Lebensschiffs.
Der Jäger Gracchus, der gewissermaßen die Signatur seines Schöpfers trägt, ist bei der Gemsenjagd im Schwarzwald verunglückt. Fröhlich wie die Braut ins Hochzeitskleid schlüpft er ins Totenhemd und streckt sich auf der Bahre aus, die ihn ins Jenseits - die eigentliche Heimat des Menschen tragen wird. Er liegt und wartet, doch "dann geschah das Unglück": die Totenbarke - unverkennbares mythologisches Requisit: denkt man an Charons Boot, das Totenschiff Naglfar oder die Barke des ägyptischen Totengottes Sokar -, der schwimmende Sarg nimmt eine Zeitlang Kurs auf die himmlische Heimat, wird jedoch unversehens abgelenkt, d. h. verfehlt sein Ziel (wie es charakteristisch heißt) und muss fortan auf den "irdischen Gewässern" rastlos und ohne die Aussicht auf Erlösung oder Vernichtung mit dem Wind fahren, "der in den untersten Regionen des Todes bläst".
(Kafka, Franz - Sämtliche Erzählungen - hg. von Paul Raabe, Frankfurt/Main 1970)
Das Dasein bleibt hier erhalten und es gilt nicht, was Richard Wagner Erda im Rheingold sagen lässt: "alles was ist endet." Jedes Dasein endet an sich, wann auch immer, auch unverhofft. Jeder Tag bringt uns dem Ende näher und die verbleibenden Zeit verkürzt sich.

Und je länger es dauert - alt werden ist schön, als sein nicht.
Wann endet es also, wann kommt nach Erlösung von Schuld die Ewigkeit - wann kommt der Lebenskahn zur Ruhe.

Clemens von Brentano schildert in 'Auf dem Rhein' die Fahrt eines Nachens flussabwärts mit einem Knaben und seiner toten Liebsten. Er versucht die geistlichen Gewalten umzustimmen, seiner Liebe Dauer zu verleihen, jedoch der Kahn treibt die Zeit hinab, er "läßt alles Rudern sein, und treibt weiter, bis in die See hinein."
(Brentano, Gesammelte Schriften, 1852)

RW und die Frauen
Der zur Menschheitsarche gewordene 'Fliegende Holländer' - "nirgends ein Grab, nirgends der Tod" - sein Leib ein Sarg aus Fleisch, die Seele darin abgestorben - das Meer lehnt ihn ab "wie oft in Meeres tiefsten Grund / stürzt ich voll Sehnsucht mich hinab".

Der Pakt des Holländers mit dem Teufel, ihn das Kap umfahren zu lassen, alle sieben Jahre an Land gehen zu dürfen, um ein Weib zu frei'n, scheint für den Teufel akzeptabel, aber er scheitert wie im Faust an einem Weib. Wieder muss er wie bei Gretchen auf sein Opfer verzichten, wenn hier Senta sich für den Mann dem Tod gibt.

Interessant wie Wagner den Holländer mit Blaubart in Verbindung bringt, als er alle Frauen, die dieser an sich binden konnte und die mit ihm vor 'dem Ewigen' - also durch kirchliche Trauung vereint waren -  verdirbt, wenn sie 'den Gang in den Tod' mit ihm verweigern.

"Vom Fluch ein Weib allein kann mich erlösen, /
ein Weib, das Treu bis in den Tod mir hält. /
Wohl hast du Treue mir gelobt, - doch vor /
dem Ewigen noch nicht: dies rettet dich! /
Denn wiss', Unsel'ge! welches das Geschick, /
das jene trifft, die mir die Treue brechen: /
Ew'ge Verdammnis ist ihr Los!"

Danach sind alle Frauen, die einmal durch des Holländers Reichtum verführt, mit ihm vor den Altar einer Kirche traten und dann ihr Heil in der Flucht suchten, verdorben in alle Ewigkeit.
Nur Senta, sich ihrer Sendung bewusst, rettet den Holländer vor ewiger Verderbnis durch ihren 'Liebestod'.

Nicht nur im Holländer, sondern auch in anderen seiner Werke stellt Richard Wagner eine Frau zwischen zwei Männer. So sieht sich Elisabeth zwischen Tannhäuser und Wolfram, Isolde zwischen Marke und Tristan, Sieglinde zwischen Hunding und Siegmund, Brünnhilde zischen Siegfried und Gunther als auch Eva zwischen Stolzing und Sachs.
Im eigenen Leben sieht er Mathilde zwischen Otto Wesendonck und sich, Cosima zwischen Bülow und sich.

Hans Hotter als Holländer

Die Regensburger Premiere - Schiff ahoi!
Nach anfänglich mit forschem Tempo vorgetragener Ouvertüre, dann das gewohnte Maß erlangend, bemerkt der aufmerksame Besucher, dass hier ein Detaillist am Pult zu Werke geht. Der neue GMD, Raoul Grüneis, von den Regensburger Insidern sehnsüchtig erwartet, arbeitet musikalische Details heraus wie man es eigentlich nur in den 80ern in Frankfurt beim Gielen-Ring gehört hat. Gleich entsteht der Eindruck: die Orchestermitglieder sind erfreut, endlich mal wieder zeigen zu können, was in ihnen steckt und wofür sie studiert haben.



Die Schwarzen
 
Musikalische Leitung Raoul Grüneis
Inszenierung Jiri Nekvasil
Bühne/Kostüme Daniel Dvorak
Chöre Karl Andreas Mehling
Licht Klaus Herbert Welz
Dramaturgie Christina Schmidt
 

Die Besetzung am 23.9.05

Daland - Martin-Jan Nijhof
Senta - Gail Sullivan
Erik - Ünüsan Koluglu
Mary - Silvia Fichtl
Steuermann  - Brent L. Damkier
Der Holländer - Theodor Carlson
 



 

 
Beim Aufgehen des Vorhangs erblickt der Zuschauer einen undefinierbaren Aufbau. Es lässt sich erahnen, dass - analog der zu spielenden Story - vom Regieteam zumindest ein Schiffskörper gemeint ist. Natürlich könnte es auch im Rahmen des postmodernen Beliebigkeits-Allerlei der Jungfernstieg in Hamburg, die Seeterrasse in Ahlbeck oder sonst eine Uferpromenade - nach dem Motto: 'anything goes' - sein. Nehmen wir an, es handelt sich um eine abgetakelte Fregatte oder einen alten Truppentransporter, vielleicht auch einen betagten Oder-Kahn, der noch seine Dienste tun muss.

Nach den Körper-Bewegungen des stimmgewaltigen Herren-Chores - aus der Musik Richard Wagners abgeleitet - hat der interessierte Besucher des Theaters den Eindruck von hoher See, was allerdings in Anbetracht sehr naher Hochhausfassaden und somit wohl großer Ufernähe, den Schluss zulässt, wonach ein Wirbelsturm, katrin- oder rita-ähnlich, an Land geht.
Die Herren des Chores lehnen sich - in Ölzeug fachgerecht gewandet - in der ersten Szene eben gegen Sturm und Wogen auf, schön an der Reling entlang stehend, mit Blick in Richtung auf den Dirigenten, auf dass kein Zeichen dessen ihnen entgehe.

In fescher Kombination ohne jegliche Regenbekleidung tritt Martin-Jan Nijhof als Daland auf, gibt seine Positionsmeldung mit 'Sandwike ist's' ab, mischt sich unter seine Mannen und winkt gemeinsam mit ihnen ins Publikum. Der Chor applaudiert dem Kapitän wie nach gelungener Landung in einem Charterflieger.
Herr Nijhof ist mit seinem helltimbrierten Bass nicht gerade der Prototyp des dreisten, gewalttätigen und autoritären Vaters, der für Geld seine Tochter auch an den Teufel verhökert. Aber der Sänger versteht es, mit Witz der Rolle eine besondere Note zu geben, wenn er sich z.B. auf die Schenkel klopft und "na komm Töchterchen" lautlos ruft.
Die heute übliche Orchesterstimmung macht es natürlich einem Bass schwer, die komponierten hohen Töne mit Bass-Klang zu erreichen.

In einer feschen Livrée gibt der Steuermann zur Kenntnis, man habe sicheren Grund, dass er sich hierfür wie aus - "Hotel Sacher - Portier" dem Publikum darstellt, lässt die Vermutung zu, es handle sich um den Zahlmeister eines Kreuzfahrtschiffes, der gleichzeitig als Navigator mit dem Senkblei eingesetzt ist.
Brent L. Damkier, bewährter lyrischer Tenor des Hauses Regensburg - z.B. als Tamino oder Nemorino im Einsatz - ist dieser Steuermann, der zunächst von Sorge um das Gelingen gequält, sich mit Diminuendi an den Phrasen-Enden seines Steuermannliedes schwer tut. Mit zunehmender Sicherheit im Umgang mit der Rolle werden ihm auch diese Feinheiten gelingen.
Der Steuermann Damkier schläft ein, vorher fällt ihm noch das Bild der Liebsten - 'Ach, Mädel!' - ins imaginäre Wasser auf der Vorderbühne

Aus dem Sc-'H'-iffsnamen, dem 'H' und zusätzlich aus dem Dunkel erscheint 'der Holländer', ein Supermann soll er sein. In Wirklichkeit ein im letzten Moment aus Weimar angereister Bass-Bariton, der weder Superman noch Holländer im Sinne Richard Wagners und Rudolf Kloibers ist.
Unfair ist es eigentlich, die Leistung von Theodor Carlson zu beurteilen, der nur eines im Sinn hatte, Regensburg, von jetzt auf gleich - nämlich von 11.30 Uhr bis zur Ankunft um 16.00 Uhr - vor einer Absage der Vorstellung zum Beginn der Spielzeit zu bewahren. Immerhin, er hatte die Rolle drauf und kam musikalisch auch ganz gut zurecht. Dass ihm die Dämonie der Figur des Holländers wie auch die stimmliche Durchschlagkraft für die Partie fehlen, sollte nur am Rande erwähnt werden. Eigentlich ist er vom Grundsatz her mit der Partie überfordert und ein bereits deutliches Vibrato - ein Legato sollte nicht wackeln - lässt darauf schließen, dass er seinen Ehrgeiz nicht zügeln kann, sorgfältiger mit seiner Stimme umzugehen und sich mit weniger schweren Partien zu begnügen.
Von ihm geht auch kaum etwas aus, was die Frage beantworten könnte: "was findet Senta später an dem"? Für Daland ist der Ankömmling interessant, denn als 'der Holländer' ihm Schmuck - "kostbare Perlen, edelstes Gestein" - zeigt, hat er flugs die Lupe bereit, mit der er die 'Brillis' genau in Augenschein nehmen kann. Offensichtlich ist Daland Händler im Auftrag von De Beers oder so. Jedenfalls hat wohl jeder Vater gern einen solch betuchten Schwiegersohn in der Familie und Daland hat ja nun auch "ein treues Kind!" als Tochter zu Hause.
Die Sache ist perfekt, das Kind kommt unter die Haube. Martin-Jan Nijhof spielt überzeugend ganz den Großen, den Kenner, der schnell die Ringe des Holländers konfisziert, die dieser ihm entgegenstreckt. Glaubwürdig, sein Tandln mit dem Holländer um Preziosen und die Tochter Senta.

Südwind kommt auf und die Mannschaft zeigt sich erfreut an Deck. Fröhlich wie die Tiller-Girls stehen alle aufgereiht - quasi zum Gruppenfoto - winken schunkelnd dem Publikum im Theater am Bismarckplatz zu.

Da die einaktige Fassung gespielt wird, muss der Herrenchor nun bei offenem Vorhang abgehen und der Damenchor durch die enge Kajütentür auftreten. Dies gelingt.
Entzückend sehen sie aus, die Damen des Chores mit ihren weißen Schürzen und Häubchen - sie sollen wohl so die Kabinenstewardessen dieses aus einem Tanker oder sonstigem Wassergefährt umgebauten Kreuzfahrtschiffes darstellen. Keck singen sie das Lied "Summ' und brumm' du gutes Rädchen", was nun nicht zur Inszenierung passt, heiter wischen und moppen sie fleißig das Deck, beseitigen irgendwelchen Bühnendreck und werden doch immer wieder von Silvia Fichtl vom Pfalztheater Kaiserlautern mit einem nicht sehr aufregenden Altklang als Mary in so einem Art BDM-Kostüm (!) überführt, dass auf der Reling noch Staub liegt. Die eigentlich vorgesehenen Rädchen lässt der Bühnenbildner nur in Form der Rotorblätter eines großen Miefquirls zu.

Dass Richard Wagner mit dem Chor an Spinnrädern, das Zusammenpferchen junger Frauen in eine erzwungenen Gemeinschaft, über Text und Musik etwas Bestimmtes aussagen wollte, interessiert Herren aus "Praha bömisches" nicht. Sie werkeln als Regisseur und Ausstatter um das Stück herum und wollen den Regensburgern eine neue Sicht  präsentieren. Spätestens bei dieser Szene hätte der Regensburger Theaterdirektor Ernö Weil einschreiten müssen, um eine Fehlproduktion zu verhindern. Da aber Herr Dvorak als Ausstatter des Regensburger Holländers, gleichzeitig der Intendant des Prager Nationaltheaters ist, wird Ernö Weil sich natürlich hüten, etwas Kritisches zu sagen, denn schließlich will der sicher in Prag inszenieren und da möchte der ja auch nicht, dass ihm jemand in die Parade fährt.
So nimmt das Elend weiter seinen Lauf.

Gail Sullivan als Dalands treue Tochter, sitzt im weißen (Braut-)Kleid herum, denkt nicht daran, zu spinnen oder zu putzen und zu schrubben, sondern blättert in einem Comic-Heft, singt die Ballade der Senta in g-moll ohne Anstrengung - die hohe Lage einer Sopranpartie machte ihr von je her keine Sorgen, die Mittellage sollte besser geführt sein wie während des Einführungsvortrages, bei dem Frau Sullivan sich besonders bemühte, die Töne schlank zu führen, um ein Wabern der Töne zu vermeiden. Im Spiel auf der Bühne geht dann der Gaul durch, Vorsätze werden über den Haufen geworfen.
Entschlossen sagt Senta ihrem Helden im Geiste die Treue bis in den Tod zu. Noch kennt sie nur das Bild des Angebeteten im 'Heftl', noch hat sie den Gast aus Weimar nicht gesehen und gehört - sie würde wohl anders entscheiden.
Nun, sie will die Vorstellung nicht vorzeitig beenden und fügt sich in ihr Schicksal, zunächst einmal mit Erik zu sprechen, der wie ein Cowboy im Fransenfummel als 'Held der westlichen Welt' oder als Mitglied eines Country-Clubs in Sandwike auftritt. Es soll - Erik, der Jäger - sein.

Ein Herr Ünüsan Kologlu, in mittlerem Alter mit erheblichem Bauchumfang tritt vor Senta hin. Er verfügt über einen ausgeprägten jugendlichen Heldentenor, mit dem er etwas unbesorgt umgeht. Verstünde er es, über seinen Stemmtönen, sich eine große Linie 'oben drüber' zu denken, kämen auch die akzentuierten Töne nicht so vehement hingestellt. Wie bekannt, ist der Erik eine der undankbarsten Partien, eben wegen der permanent hohen Lage. Auch Herr Kologlu tut sich schwer.
Verständlich, dass Senta in dem Falle lieber den Typ aus dem 'Heftl' will - noch hat sie das leibhaftige Holländer-Manderl nicht gesehen, das geschätzte Publikum im Theater am Bismarckplatz weiß aber schon aus dem ersten Akt, wer als Holländer gleich die Szene betreten wird. Der erscheint, sie erschrickt, bricht den Ton ab, und gemäß einem "mir verschlagts die Red'" in diesem Falle wegen des plötzlichen Auftretens des Superman aus Weimar - denkt sie wohl nach dem Motto, "so hab' ich das noch nie gesehn!"
Es entspinnt sich der bekannte Dialog zwischen den beiden Protagonisten. Der Regisseur überlässt beide Sänger ihrem Schicksal, das, im Falle des Holländers und in Bezug auf die Personenführung, in einem gelegentlichen verlegenen Heben der Arme sowie Drehen der Innenflächen der Hände nach außen endet und das auch, als Senta sich mit "... bis in den Tod gelob ich Treu!" outed.

Im eigentlichen dritten Akt darf der Chor das ganze hintere Deck des Musikdampfers füllen, man schwenkt Produkte einer Brauerei, schunkelt zur Musik Richard Wagners bis der Chor der Mannschaft des Holländerschiffes vom Band eingespielt wird. Der Steuermann, nun in einem Matrosenanzug, weicht mit allen Chordamen und Chorherren zurück, als der wilde Cowboy Erik sich mit gesungenem Wort in Form seiner Kavatine "Willst jenen Tag du nicht dich mehr entsinnen" meldet.
Bei dessen "war's nicht die Versich'rung deiner Treu" muss 'der Holländer' aus Weimar noch mal einzuschreiten versuchen. Es gelingt ihm nicht, er geht nach hinten ab, Senta will über die Reling auf die Vorderbühne springen, was glücklicherweise vom Chor verhindert wird, sie reißt sich los, eilt nach hinten, dorthin wo 'der Holländer' in der "Menge im Gedränge" verschwunden ist und erschießt sich, die Bühne dreht sich um 180 Grad und man sieht Frau Sullivan als tote Senta dort wo das 'H' des Holländers aus dem Schriftzug SC-H-IFF'S installiert war, liegen.
Der Vorhang fällt - dass Publikum ist ratlos, applaudiert dann verschämt ob der Erkenntnis, dass es nichts verstanden hat.
Was wollte uns der Regisseur da eigentlich sagen ?

Nur von den Rängen plärren unartikuliert - wie bei 'Mefistofele' schon nach der ersten Szene - offensichtlich eingeschleuste Kinder bei jedem, der zum Applaus auf der Bühne erscheint.
Lächerlich und peinlich das Getue und Gemache. Hier sollte der Regensburger Theaterdirektor einschreiten, um derartige, einseitige gesteuerte Animationsbemühungen zu unterbinden.
 
Sieger des Abends:
1. Chor - Damen wie Herren - gleichermaßen, kraftvoll, prononciert, im Übereifer einige Wackler - es war anzuhören, dass hier das Singen Spaß macht und das zeigte sich im engagierten überzeugenden Spiel.

2. Orchester
War hier Solches jemals zu hören? Großer Klang, dann wieder Töne mit spitzem Pinsel hingetupft. Feinste Nuancen, Figuren freigelegt und so herausgearbeitet, ziseliert die Details - spannend, zuzuhören. Ist das Regensburger Philharmonische Orchester mit seinem GMD Raoul Grüneis auf einem aufregend interessanten Weg nach oben?
Hoffentlich stimmt's. Es wäre den Damen und Herren zu gönnen.
DH