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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

Wilhelmine Schröder-Devrient
 

     ... am 06. Dezember 1804 geboren

Schon als Kind stand sie auf der Bühne, spielte neben ihrer Mutter Sophie Schröder am Burgtheater in Wien, ging mit ihr nach Dresden.
1823 heiratete die damals Achtzehnjährige den Schauspieler Carl August Devrient. Sohn Friedrich wurde 1827 in Dresden geboren, mit ihm spielte der Vater häufig gemeinsam.
1828 ließ er sich von Wilhelmine scheiden; sie arbeiteten aber bis 1834 weiterhin zusammen.

 

Für Richard Wagner war sie der Prototyp der dramatischen Sängerin - speziell - des dramatischen Soprans und damit stand sie Modell für alle Brünnhilden, die Isolde, die Kundry. - Sie gestaltete die Senta, die Venus auf der Bühne und brachte sie mit Richard Wagners dramaturgischen Vorgaben in Einklang.

Er erlebte sie als Fidelio-Leonore auf dem Höhepunkt ihrer Künstler-Laufbahn - 'jugendlich, schön und warm, wie nie seitdem auf der Bühne mir ein Weib erscheinen sollte.'
Wörtlich notierte er:
“ Ein sehr junges Mädchen gab die Leonore; diese Sängerin schien sich aber schon in so früher Jugend mit dem Genius Beethoven's vermählt zu haben. Mit welcher Gluth, mit welcher Poesie, wie tief erschütternd stellte sie dieß außerordentliche Weib dar!“

[Sämtliche Schriften und Dichtungen: Erster Band, S. 184. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 217 (vgl. Wagner-SuD Bd. 1, S. 105)]

Nach dem Gastspiel schrieb er ihr in einem Brief, gab den im Hotel ab, dass von dem Tage an sein Leben seine Bedeutung erhalten habe und wenn sie je dereinst in der Kunstwelt seinen Namen rühmlich genannt hören sollte, sie sich erinnern möge, dass sie an diesem Abend ihn zu dem gemacht habe, was er schwöre zu werden wolle.

Als die Schröder-Devrient dann 1842 in Dresden den Adriano in Wagners 'Rienzi' sang, zitierte sie nach der Vorstellung aus Wagners Brief, den sie - da er ihr offensichtlich etwas bedeutete - aufbewahrt hatte.

In Bezug auf die Isolde schrieb er an König Ludwig II.:
Frau Schnorr übertrifft Alles, was ich erwarten konnte: ich wüsste keine für diese Aufgabe ihr an die Seite stellen zu können: sie ruft mir lebhaft mein Jugendvorbild, die berühmte Wilhelmine Schröder-Devrient zurück. Von ihr wird man lernen können, was eine Tragödin ist!


Quelle: [Briefe und Briefwechsel in Einzelausgaben: König Ludwig II und Richard Wagner: Briefwechsel, S. 754 / 755. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 24381 (vgl. BW-Ludwig II. Bd. 1, S. 89)]

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Und Eduard Devrient zeichnete in seinen Tagebüchern diverse Bemerkungen – nicht gerade schmeichelhafte - über seine Schwägerin Wilhelmine auf:

23. Juli 1839

 

Frau Schröder-Devrient war bei uns bis ½ 9, sehr wohl aussehend und angenehm. Therese [Ehefrau von Eduard Devrient] war entzückt von ihr. Es ist eine schöne Natur in ihr verhunzt.

 

 

 

23. Mai 1842

 

Abends ’Werner’. Küstner kam auf die Bühne, machte mir Komplimente und schwatzte noch allerlei. Die Schröder-Devrient trat zu uns und fuhr ihm im Gespräch stets über den Mund, verhöhnte ihn; er ließ es lachend geschehn.

 

 

 

28. Mai 1843

 

Besuch von der Schröder-Devrient. Ich liebe diesen Theaterton der Unterhaltung nicht, noch weniger die zynischen Redensarten, die man kaum einem Manne zugute hält. Ihr Gesang schubertscher Lieder war mir auch viel zu manirieert gewaltsam. Sie ist für die Kunst voll redlichen Eifers, eine tüchtige, großartig geschnittene, aber mir persönlich nicht wohltuende Natur.

 

 

 

23. Februar 1844

 

Abends im Theater ’Der fliegende Holländer’ gehört. […] Die Schröder ist allerdings in eine pathetische Manier verfallen, gibt ihre Momente, die von je  große Wirkungen machten, jetzt überall hin wie kleine Münze. Das nor-
dische Fischermädchen Senta war wenig charakterisiert zwischen ihr und Norma, Armida usw. war in Haltung und Bewegung kein Unterschied. Den ganzen Abend ausgebreitete, viel über den Kopf erhobene Arme. Für das Publikum aber war genug da, es zum Entzücken zu verpflichten; aber sie ist nur einmal abgeurteilt, sie sei alt, habe keine Stimme mehr usw. Dies wundervolle Talent muß auf der Höhe seiner Kraft hier nah am Ausladen stehn. So fand ich die Stimmung im Publikum. Und für solch Lumpenpack gibt man nun sein Leben hin.

 

 

 

29. Februar 1844

 

Zu Hause fand ich die Schröder-Devrient, die aus Leibeskräften zuredete, nach Dresden zu kommen, und Lüttichau gegen alle Beschuldigungen in Schutz nahm. Sie behauptete, dass gerade meine Natur die der seinigen zusagende sei, dass er meiner bedürfe, dass er selbst aus Eigensinn, da er meine Berufung gemacht, mich in jeder Weise auf dem Posten erhalten werde. Das ist ungefähr, was ich mir auch im Stillen sage, aber wird es sich erfüllen. Wüsste ich das, nichts sollte mich von Dresden zurückhalten.

 

 

 

19. März 1844

 

Ich trieb mich im Theater eine Stunde lang umher, geriet in die Garderobe der Schröder-Devrient, der ich erzählte, dass ich die Oberregie auch über die Dresdener Oper übernehme, wofür sie mir an den Hals flog und mich abküsste, dass ich ganz verdutzt stand.

 

 

 

19. März 1845

 

Abends Carl – er war unerwartet angekommen – und Fritz bei uns. Wir waren ganz munter im Austausch von Erinnerungen aus unserer Kinderzeit. Zuletzt teilt Carl mir allein seine Absicht mit, von seiner geschiedenen Frau Wilhelmine Schröder-Devrient gewisse Erziehungsgelder zu reklamieren. Mir ekelt vor dieser stets wiederkehrenden Rupferei. Er wollte von mir Nachweise und Erklärungen, die zu befürchtende Gegenreklamation entkräften zu sollten. Ich hatte ihm solche nicht zu geben und suchte ihn von seiner Absicht abzubringen zu Ehren unseres Namens. Er scheint, er wird die Suche ruhen lassen.

 

 

 

6. November 1845

 

Abends im Theater ’Fidelio’. Tote, geistlose Aufführung, selbst die Schröder-Devrient war komödiantisch allgemein und sang nicht gut.

 

 

 

16. Februar 1846

 

Abends mit Marie in ’Alceste’. Frau Schröder-Devrient in vieler Hinsicht vortrefflich, aber sie war nicht einmal sicher in der Partie, fehlte in wichtigen Momenten, hatte also auch die Rolle durchaus nicht reiflich studiert, wodurch sie nun in ihrer gewohnten monoton pathetischen Manier hinging. Alle Momente des fortreißenden Ungetüms der Leidenschaft blieben aus, sie verschleppte die Tempi, weil ihre Stimme nicht frisch anschlägt – welch ein Abstand gegen die Milder!

 

 

 

27. März 1946

 

Abends mit Terese und Marie die Schröder-Devrient als Lucrezia Borgia gesehen. Es ist nicht anders, dies große Talent ist kalt geworden und steht jetzt außerhalb ihrer Darstellungen, zeigt eine Reihe von Akzenten und Stellungen, die sie in ihrer guten Zeit erfunden, und die ihr von dieser als beifallswürdig bekannt sind. Die Momente der äußersten Leidenschaft sind immer noch durch ihre Energie erschütternd.

 

 

 

6. Februar 1847

 

Abends in ’Acosta’ gespielt. Danach war Schauspielerball. Ich saß zwischen Frau Schröder-Devrient und Kapellmeister Wagner, mit dem ich viel über den Entwicklungsprozess des deutschen Geistes und des deutschen Dramas sprach.

 

 

 

24. Februar 1847

 

Abends ’Iphigenie in Aulis’ gehört. Wagner hat schöne Blasinstrumente dazu gesetzt und den Schluss sehr schön geändert. Der 2. und 3. Akt prachtvoll. Tichatscheck, Frau Wagner [Johanna Wagner, Nichte von Richard Wagner] exzellent gesungen, die Schröder-Devrient erst im letzen Akte, aber da auch in voller Größe. Mitterwurer als Agamemnon nobel, aber matt; er bleibt zu sehr hinter der Aufgabe zurück.

 

 

 

9. Juni 1847

 

Abends bei Hillers. Die Schröder-Devrient machte mir lange Vorwürfe, dass ich die Regie aufgegeben und damit das Beispiel eine besseren Leitung für ganz Deutschland, sprach dann von ihrem Aufgeben der hiesigen Verhältnisse und beschwerte sich gerade über Wagners durchgreifende Leitung bei der Oper, derer es sich nun einmal energisch annimmt, während sie bedauert, dass meine Leitung vorüber sei. Welche Konfusion in diesen Köpfen vor bloßer Selbstsucht.

 

 

 

18. August 1848

 

Mit Therese und Marie [Tochter von Eduard Devrient] auf der Ausstellung. Bega’s Portrait von der Schröder-Devrient ist ein Meisterwerk. Wie hat er die ganze Geschichte des Weibes in der schönsten Weise auf dies Gesicht geprägt.

 Richard Wagner, der in finanzieller Hinsicht anfangs seines Lebens stets Klamme musste, als Wilhelmine Schröder-Devrient im August 1846 einen alten Schuldschein einklagte, bei der Hofintendanz in Dresden ein Darlehen von fünftausend Talern aufnehmen, rückzahlbar in zehn Jahresraten bei fünfprozentiger Verzinsung.

Wilhelmine Schröder-Devrient, sang seinen Adriano, die Senta und die Venus in den Dresdner Uraufführungen von ’Rienzi’, ’Fliegender Holländer’ und ’Tannhäuser’; seit 1850 mit dem Gutsbesitzer H. v. Bock verheirtet, der vierzehn Jahre jünger war als sie und dem sie in seine livländische Heimat folgte.

1849 beteiligte sie sich nicht unmittelbar aktiv am Aufstand in Dresden, doch wurde sie zeitweilig verhaftet und musste das Land verlassen.

Die Amouren, die sie sich erlaubte, ruinierten ihre finanziellen Möglichkeiten und die vielen Auftritte in dramatischen Rollen überforderten ihre Möglichkeiten, dass sie sich stimmlich schadete. Später meinte Richard Wagner:

Nein! Sie hatte gar keine »Stimme«; aber sie wußte so schön mit ihrem Athem umzugehen und eine wahrhaftige weibliche Seele durch ihn so wundervoll tönend ausströmen zu lassen, daß man dabei weder an Singen noch an Stimme dachte!“

(Richard Wagner: ’Über Schauspieler und Sänger’, Leipzig 1872)

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Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
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Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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