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04.01.2010 - dradio.de

 

 

 

Thema des Tages

Gertrud Fußenegger

 

   ... am 8. Mai 1912 geboren

Die Tochter eines kaiserlich-königlichen Hauptmanns schloss 1930 das Gymnasium in Pilsen ab und studierte in Innsbruck und München Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie.
Ihre Dissertation über den zweiten Teil des altfranzösischen Rosenromans 'Gemeinschaft und Gemeinschaftsbildung im Rosenroman von Jean Clopinel von Meun führte 1934 zum Dr. phil..

Schon 1933 schloss sich der österreichischen NSDAP an und wurde 1934 bestraft, weil sie öffentlich das Horst-Wessel-Lied mit dem Anfangstext
'SA marschiert mit mutig-festem Schritt'
sang und den Hitler-Gruß zeigte.

1935 ging sie ins 'Reich' und dichtete anlässlich des Beitritts Österreichs zum Reich den Hitler-Hymnus:
'Führer des Volkes,
dem es gegeben war,
Tränen der Freude zu locken
aus lange erblindetem Aug'

Trotz dieser Huldigung hatte das Amt Rosenberg für Schrifttumspflege Einwände gegen das Werk.

Insgesamt verfasste Gertrud Fußenegger mehr als 60 Bücher, die in 25 Verlagen veröffentlicht und in elf Sprachen übersetzt wurden.
Dazu gehörten auch Romane, Gedichte und Rezensionen die auch in wichtigen NSDAP-Organen Verbreitung fanden.

Ihr Gedicht 'Stimme der Ostmark' druckte 1938 der 'Völkische Beobachter', was ihr 1945 massive Kritik einbrachte, weil es als Bestätigung vom Anschluss Österreichs und als Verherrlichung Hitlers gesehen wurde.

In ihren 'Reiseaufzeichnungen' schilderte sie Prag mit:

'Einst waren hier unter zehn Menschen fünf Juden zu treffen, die Strumpfbänder und Fahrpläne feilboten, die in kostbaren Pelzen oder geckenhaften Anzügen zum Geschäft und Vergnügen flanierten; und neben ihnen war die Straße von Bettlern bevölkert [...]
Derlei Unfug ist heute in Prag längst verschwunden […].

[Im Gegensatz zu] früher, da die zwar willig geduldete Überfremdung durch Artandere und Entartete Prag ein zuweilen bis zur Verzerrtheit groteskes Aussehen verlieh.'



Und über den Alten Jüdischen Friedhof in Prag schrieb sie:

'Friedhof nennt man diese Stätte? Wir finden uns in einen wüsten Irrgarten versetzt, in ein finsteres und häßliches Labyrinth unzähliger übereinandergetürmter Leichensteine, die in regellosen Massen, schief und gerade, aufrecht und umgestürzt, wie es eben kommt, den schwarzen unbegrünten Grund gleich einer Drachensaat besetzen. Siebenmal – heißt es – liegen hier die Toten übereinander, siebenmal hat man den engen Fleck mit Leichen vollgepfercht. Vergiftet von dem fürchterlichen Gedränge, scheint die Erde hier ihre Gabe verloren zu haben, die ihr übergebenen Leiber zur eigenen reinen Urform aufzulösen und so das Verfallene mit sich selbst zu versöhnen. [...] Hier aber berührt uns der Atem einer fremden, einer feindlichen Welt, einer heimlich noch lauernden Macht, und schaudernd verlassen wir den unseligen Ort.'
 
Rund 50 Jahre später erklärte sie, es tue ihr leid, „viele gute Gedanken verschwendet“ zu haben „auf eine Sache, die dann ein Greuel war“.

Trotz vieler, den Nationalsozialismus bestätigender Texte, wurde sie nach dem Krieg
1961 mit dem Hauptpreis für Ostdeutsches Schrifttum, 1963 mit dem Adalbert-Stifter-Preis,
1969 dem Johan-Peter-Hebel-Preis und
1993 dem Jean-Paul-Preis des Freistaates Bayern
geehrt.

 

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik
um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing