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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

20. Februar 1816

'Der Barbier von Sevilla'

 

 
Giovanni Paisiello - vordem Hofkapellmeister der Kaiserin Katharina II. von Russland, danach beim König von Neapel, bis er von Napoleon I. nach Paris geholt wurde - widmete sich dem 'Barbier' von Beaumarschais - dem Ur-Vater dieser italienischen Oper.

Er soll sich nicht gegen eine neue Komposition durch Rossini gewehrt, sondern eher noch Avancen gemacht haben:

 

'Ich zweifle keinesfalls, dass das glänzende Genie des jungen Rivalen dem alten Thema neue Fröhlichkeit verleihen wird.
Ich muss im voraus die herzlichsten Glückwünsche an Rossini wie an alle italienischen Bühnen richten, die in kurzem über eine erste Oper mehr verfügen können.'

(Nach Georg Richard Kruse)
 


Die Rossini-Uraufführung am 20. Februar 1816 wurde von Paisiello-Unterstützern gestört, der Komponist selber soll in einem Brief aus Neapel an einen Freund in Rom gebeten haben, den Durchfall Rossinis eindeutig zu gestalten.

Gleich im ersten Akt während der Ur-Aufführung der Rossini'schen Fassung kam es den Berichten zu Folge zu Zwischenfällen.
Rossini hatte dem Tenor Manuel García, der bei der Uraufführung den Grafen Almaviva sang, gestattet, statt der Arie 'Sieh schon die Morgenröte' eine spanische Weise anzustimmen. Da vergessen wurde, die Gitarre zu stimmen, mit der sich der Sänger begleiten wollte und nun Garcia das Instrument erst einrichten musste, führte das zu Unmut.

Was den Unwillen des Publikums noch erhöhte, war die Tatsache, dass Figaro mit eben derselben Gitarre des Grafen auftrat, um sich bei seiner Kavatine zu begleiten.

Auch die 'Verleumdungsarie' fiel dem Spott anheim, da der Basilio-Sänger an einem Nagel hängenblieb, stürzte und sich das Gesicht blutig schlug.

Als noch eine Katze über die Bühne lief, einen Ausgang suchend, musste unter dem Gelächter des Publikums der Vorhang fallen.
Der zweite Akt gestaltete sich gleich in der Ablehnung des Publikums.

Bei der zweiten Aufführung hörte man wenigstens zu - und das Werk wurde angenommen. Der Siegeslauf war nicht mehr aufzuhalten.

Die erste deutsche Bearbeitung besorgte Ignaz Kollmann, ein 1775 in Graz geborener Schriftsteller. Die Secco-Rezitavie wurden von Theobald Rehbaum ins Deutsche übertragen, zum ersten Mal kamen sie 1890 in einer Aufführung in der Kroll-Oper in Berlin zur Anwendung. Später bearbeitete sie Otto Neitzel, der ab1865 in Berlin an der Neuen Akademie der Tonkunst bei Theodor Kullak und Richard Wüerst Klavierunterricht erhielt.
Von 1873 bis 1875 war er Schüler von Franz Liszt.

1875 schrieb Neitzel in drei Wochen seine Dissertation 'Die ästhetische Grenze der Programmmusik' und wurde zum Dr. phil. promoviert. Anschließend begleitete er als Pianist Pauline Lucca und den Geiger Pablo de Sarasate auf Tourneen.

Neitzel verfasste einem allgemeinen Opernführer und ein Werk über Richard Wagners Opern. Neben eigenen Kompositionen schuf er Klavierbearbeitungen bekannter Werke, etwa 1878 die Bearbeitung der Spanischen Tänze von Sarasate für Klavier. Als Musikschriftsteller schrieb er ein Buch über Saint-Saëns. (1891) Neitzel wollte anregend und unterhaltsam sein, weniger als wissenschaftlich geschulter Kritiker wirken.

Neben Paisiello und Rossini nahmen sich auch deutsche Komponisten des 'Figaro' an, dessen Ur-Fassung 1775 als Sprechstück in Paris uraufgeführt wurde.

Ludwig Benda (1746 - 1792) komponierte ein Singspiel in vier Akten 'Der Barbier von Sevilla' mit einem Text nach Beaumarchais des Schauspielers und Librettisten Friedrich Wilhelm Großmann, das am 7. Mai 1776 Berlin seine Uraufführung.

Auch Johann Abraham Peter Schulz - Dirigent des französischen Theaters in Berlin, war von 1780 bis 1787 Kapellmeister des Prinzen Heinrich in Rheinsberg und von 1787 bis 1795 Hofkapellmeister in Kopenhagen - vertonte den 'Barbier von Sevilla', 1786 in Rheinsberg uraufgeführt.
Besonders bekannt ist Schulz als Komponist der Melodie zu Matthias Claudius' Gedicht „Abendlied“ („Der Mond ist aufgegangen“) sowie des Weihnachtsliedes „Ihr Kinderlein kommet“. Ein weiteres Kirchenlied, durch welches Schulz heute noch einen Bekanntheitsgrad hält, ist
„Wir pflügen und wir streuen“.

Der Franzose Nicolas Isouard schuf einen 'Barbiere di Siviglia' - Text von Giuseppe Petrosellini nach Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais - eine opera buffa in drei Akten, uraufgeführt 1796 in La Valletta auf Malta, im Teatru Manoel.

 

 

 

 

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Dieter Hansing