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zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

Frank Wedekind

   
   ... am 24. Juli 1864 geboren

Der Vater - Gynäkologe Dr. med. Friedrich Wilhelm Wedekind - hatte sich schon früh nach Schloss Lenzburg ins Asyl in die Schweiz zurückgezogen und widmete sich seinen privaten Studien.

Hier schrieb der Sohn Frank - eigentlich Franklin in Anlehnung an Benjamin Franklin einen der Gründer der Vereinigten Staaten - seine ersten Werke wie 'Die junge Welt' - mit denen er sich für eine von Prüderie befreite Liebe einsetzte.

Beruflich tätig war er als Leiter des Marketing bei der Firma Maggi, als Mitarbeiter des Simplizissimus, als Zirkussekretär und als Darsteller in seinen eigenen Werke.

Er glaubte an die Kunst und ihre Möglichkeiten, auf Menschen positiv einzuwirken, er spottete über das durch Zwänge 'verführte Bürgertum'.
Wegen Beleidigung wurde er zu Festungshaft verurteilt - es gelang ihm nicht, die Gesellschaft zur Vernunft in Verbindung mit Sinnlichkeit zu bewegen.

Seine Werke zeigen die Verklemmtheit der Menschen unter dem Druck der sittlichen Vorgaben. Herausragend 'Die Büchse der Pandora' - die 'Lulu', von Alban Berg vertont, und 'Frühlingserwachen' - die Verfilmung von Nuran Calis aus 2010 konnte schon deswegen nicht überzeugen, da die Darsteller einem durch Pubertät geprägten jugendlichen Alter längst entwachsen waren.

Am 23. Februar 1918 - zwei Wochen vor seinem Tode - schreibt er in sein Tagebuch:

 


'Herakles memoriert. Bei Frau Dreßler, die mir mitteilt, daß Anton gestern Abend von England zurückgekommen ist. Bei Hans Carl Müller zum Tee: mit Tilly in den Kammerspielen. Wintermärchen. Mein Bruch macht mir Beschwerden. Ich werde ausfällig. Gehe fort, komme zurück. Wir scheiden in Frieden. T. St. mit Mühsam und seiner Freundin.'

An Tilly
Mit Gewalt reißt mir des Schicksals Wut
Grausam uns von einander
Ob auch jeder sein Liebstes tut
Wir sterben selbander.
Tilly gib mir noch einen Kuss!
Es kommt ja doch, wie es kommen muss.

Du bist jung und dein Herzblut wallt
Mächtig dem Glück entgegen.
Keinem grämlichen Aufenthalt
Widme dich meinetwegen.
Tilly gib mir noch einen Kuss!
es kommt ja doch wie es kommen muss.

Ich bin alt und der Gebrechen Last
Zwingt mich ins Eigenbrödeln
Nimmer wollt ich dem siechen Gast
Ich meine Zeit vertrödeln.
Tilly gib mir noch einen Kuss!
Es kommt ja doch, wie es kommen muss.

 

FW - Die Tagebücher - athänum Verlag

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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