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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

27. Juli 2019

  • Bemerkungen zur szenischen Umsetzung von

    'Tannhäuser
    oder der Sängerkrieg auf Wartburg
    '

    Große romantische Oper in drei Akten
    von Richard Wagner



    Als Link die Aussagen von

    Richard Wagner: 'Über Tannhäuser'

     

    Zeitlich schon weit vor dem Reinfall mit dem 'Tannhäuser' in Paris im Januar 1863 wollte Richard Wagner das Werk nicht mehr ungeleitet und unkommentiert der Öffentlichkeit zur Aufführung überlassen.
    Daher gab er schon 1852 eine entsprechende Anleitung heraus, wie er sich eine Aufführung seiner großen romantischen Oper vorstellte.






     

       

     

     

       
                     
       

    Screenshot: 3sat - 27.7.2019 - BT-Festspiele

       
     

    Ganz unten!

    Günter Wallraff, der mutige Journalist, mischt sich unter die Ausgebeuteten, die aus Not dem kapitalistischen System ausgeliefert sind. Die führenden Herren des Systems sind gut organisiert - in Männerbünden.

    Das sind exklusive Sportclubs, Burschenschaften, Kirchen, vornehme Gesellschaften, Wohltätigkeits-Clubs  - man kennt sich - man hilft sich.

    Unter der Regenbogenfahne versammelt sich der inzwischen mächtigste Männerbund und beherrscht die Theater mit absoluter Befehlsgewalt, so dass die Hannoversche Neue Presse titelte:
     

    Quelle: Hannoversche Neue Presse
     

    Dass die Mitglieder des Regenbogenbundes über viel Phantasie verfügen, kann man bei den Aufmärschen wie den  'Christopher-Street-Day-Paraden' vielerorts bewundern.

    Phantasie und szenisches Können beweist auch  das Team um Tobias Kratzer beim diesjährigen 'Tannhäuser' in Bayreuth und liefert eine Parodie (griechisch: παρωδία parōdía) von Richard Wagners großer romantischer Oper, die in ihrem Einfallsreichtum in der Übertragung in einen heutigen Krimi keine Langeweile aufkommen lässt.

    Da das heutige Publikum keine fundierte Bildung mehr vermittelt bekommt, amüsiert es sich ausgiebig und bemerkt nicht, was an Werten verloren geht, wenn die Intentionen des Autors 'Die irdische und die himmlische Liebe' - so wie sie Tizian gemalt hat, durch Klamauk überrollt werden.

    Den Darstellern hat das muntere Treiben auf der Bühne des Festspielhauses sicher Spaß gemacht - nur, auf einen Backgroundsound reduziert, ist die Musik von Richard Wagner zu schade.
    Schaltet man den Ton bei der 3sat-Aufzeichnung ab, dann sieht man einen amüsanten Krimi,
    Titel: 'SoKo Bayreuth'.


    In der 'Werkstatt Bayreuth' wird also mal wieder gesägt, gehackt, geschraubt - das Publikum und die Förderer strahlen, denn diese Parodie ist für sie die gültige Aufführung.
    Auf der gleichen Linie lagen in unserem bis zum Leerstand experimentierten Opernhaus Hannover der ekelhafte 'Freischütz'  mit den gleichen deutschlandfeindlichen Versatzstücken: Rammelhase, Stinkefinger, Gartenzwerg, Märchenverspottung, Polizei, Clownerien, die als Probe ablaufend, mit Widerwärtigkeiten z.B. 'Damen-Schlamm-Ringkampf' und vielem mehr gespickte 'Aida', die 'Salome', mit dem unausweichlichen Tuntenball des Judenquintetts, ansonsten zum Gähnen langweilig die Personenführung - und wir Steuerzahler sind gezwungen, das zu finanzieren.

    Zurück zum 'Tannhäuser 2019' in Bayreuth.

    Während des Vorspiels zum ersten Aufzug zeigt man uns mittels eines Drohnenflugs die Welt von oben, dabei viel Wald und mitten drin die Wartburg.
    Sehr voll von besonderer Stimmung und spannend.

    Screenshot: 3sat - 27.7.2019 - BT-Festspiele

    Dann verfolgen wir - immer noch von oben - die Fahrt eines in die Jahre gekommenen Citroen-Lieferwagens über eine endlose Strecke. Dann biegt man links ab.




    Screenshot: 3sat - 27.7.2019 - BT-Festspiele

    Dieses Vehikel ist ein 'Love-Mobil' wie sie an den Ausfallstraßen der Städte stehen, wo die unterste Kategorie der Sexarbeiterinnen den Vertretern der 'Krone der Schöpfung' Erleichterung verschaffen.

    Am Steuer sitzt eine kesse Blondine, neben ihr ein buntgeschminkter Clown, vor ihr wippt der Stinke-finger und auf dem Dach hockt der Rammelhase.
     



    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019

    Es muss getankt werden - natürlich mit dem Schlauch aus einem anderen Fahrzeug geklaut, Tüten mit Essen gehen mit - und der Polizist, der einschreitet, wird von der kessen Blondine überfahren - er kommt so zu Tode. Jedenfalls bleibt er liegen.

    Nun erreicht man eine Rast-Station - ein Knusperhaus.


    Screenshot 3sat Kulturzeit 27.7.2019

    Frau Holda-Holle mit Plumeau, Klapperstörchen und Gartenzwergen.
    Ja, ist das denn Deutschland?

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019

    Die kesse Blondine im Glitzerbody und dicksohligen Kampfstiefeln wirft stimmgewaltig und sängerisch gekonnt dem armen Clown ihre Vorwürfe an den Kopf.

    Ha! Was vernehm ich? Welche tör'ge Klagen!
    Bist du so bald der holden Wunder müde,
    die meine Liebe dir bereitet? - Oder
    wie? Reut es dich so sehr, ein Gott zu sein?
    Hast du so bald vergessen, wie du einst
    gelitten, während jetzt du dich erfreust?

    Die beiden anderen Insassen des Lieferwagens sind eine schwarze 'drag-queen' und ein Kleinwüchsiger, die sich permanent durch ausgelassenes Gehabe um gute Stimmung bemühen.

    Aber der Clown hat die Schnauze voll.

    O Königin, Göttin! Laß mich ziehn!

    Die Fahrt geht weiter. Ziel ist das Festspielhaus in Bayreuth.
    Unterwegs sah man einen, der auf ein Plakat Gasanlage einen Störer klebt, mit dem Hinweis, dass diese wegen mangelndem Interesse geschlossen sei.

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019

    Während der Fahrt schildert die kesse Kampfsportlerin dem armen Clown, wie das ist, wenn alle Türen verschlossen sind und was ihn unter den Menschen und ihrem

    blödem, trübem Wahn

    erwartet und sie lockt

    Kehr wieder, schließt sich dir das Heil!

    Der Clown aber ist bockig und erklärt

    Mein Heil! mein Heil ruht in Maria!

    und steigt mit seinem Seesack - über die Schulter geworfen - aus.

    Es erscheint das Festspielhaus in der Projektion.
    Eine äußerst wohltuend klingende, saubere, angenehme Stimme bringt unseren lärmgeplagten Ohren mit ihrem


    Frau Holda kam aus dem Berg hervor,
    zu ziehen durch Flur und Auen


    eine helle Freude.
    Ein nettes Mädel schiebt ein Fahrrad - bei Richard Wagner: ein junger Hirte. Es ist Katharina Konradi. Ihr wünschen wir das Beste für ihr Leben als Sängerin.

    Eine Gruppe Menschen - elegant gekleidet - strömt von rechts in die Bühnenmitte und geht nach links, den Pilgerchor intonierend, ab.

    Als letzte gut gewandete Nachzügler den Anschluss an den Hauptchor gefunden haben und auch links abgegangen sind, ertönen kieksfrei Hörner und eine Gruppe wohlgestalteter Männer - unter ihnen  ein körperlich ansehnlicher Landgraf - betreten den Rasen vor dem Festspielhaus.

    Als Häufchen Elend liegt Tannhäuser am Boden noch immer im Clownskostüm, wobei die Jungs bei der Bemerkung Biterolfs


    Nach seiner Tracht ein Ritter.

    in schallendes Gelächter ausbrechen.

    Neugierig durchsuchen sie seinen Seesack, finden den Klavierauszug des 'Tannhäuser' und stellen fest:
    "Na, das ist doch der Heldentenor, den wir für den Sängerkrieg brauchen!"

    Also weg mit dem albernen Clows-Fummel und man hört Wolframs Aufforderung


    Bleib bei Elisabeth!

    Diese erscheint hier schon völlig überraschenderweise, haut dem Tannhäuser eine runter und geht ab.

    Es folgt das Sextett,
    Landgraf und die Sänger


    Er kehrt zurück, den wir verloren!
    Ein Wunder hat ihn hergebracht.
    Die ihm den Uebermut beschworen,
    gepriesen sei die holde Macht!
    Nun lausche unsren Hochgesängen
    von neuem der Gepries'nen Ohr'!
    Es tön in frohbelebten Klängen
    das Lied aus jeder Brust hervor!

    Die Herren stürmen nach hinten in Richtung Festspielhaus.

    Links vorn am Portal erscheint, gelenkt von Frau Venus, das Love-Mobil. Mit ihm fährt sie das Absperrgitter um.
     


     

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019


    Beide Begleiter, die Tütü-Tunte vom Dienst, die 'Oscar Matzerat-Nachbildung' steigen aus und hasten den Hügel hinan zum Festspeilhaus.

    Der erste Aufzug ist vorbei.

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    Das Vorspiel zum zweiten Aufzug wird in der 3-Sat-Aufzeichnung mit einem Blick in die Garderobe begonnen.
    Elisabeth bereitet sich auf den Auftritt vor, wirft bei Gehen zur Bühne einen Blick in die Garberobe von Stephen Gould. Der hat inzwischen seine Clows-Maske abgeschminkt.

    Der Inspizient gibt ihr ein Zeichen zum Auftritt. Sie bekreuzigt sich und betritt die Bühne.
    Ihre leuchtende, große Stimme erklingt, von der sie meint, sie sei für die Wagner-Partien gemacht.

    Die 'teure Halle' ist ein mit dunkelbraunem Holz getäfelter Raum, in der Mitte ein erhöhter und indirekt von unten beleuchteter Laufsteg, auf dem ein großer Kronleuchter liegt. Seitlich angeordnet dunkelgraue Sitzbänke für die Gäste des Landgrafen.

    Immer wieder in die 3sat-Aufzeichnung eingeblendet das Inspizientenpult und die Sängerkollegen, auf ihren Auftritt wartend.

    Auf der Szene kniet Tannhäuser vor Elisabeth.


    So stehet auf!
    Nicht sollet hier Ihr knien, denn diese Halle
    ist Euer Königreich. O, stehet auf!
    Nehmt meinen Dank, daß Ihr zurückgekehrt! -
    Wo weiltet ihr so lange?


    Sie bemerkt, dass sich in ihr etwas regt - ein Wunder -, dass sie nicht deuten kann.

    Bald wollt'es mich wie Schmerz durchbeben,
    bald drang's in mich wie jähe Lust:
    Gefühle, die ich nie empfunden!
    Verlangen, das ich nie gekannt!


    Verwirrungen in der Pubertät, Regungen der Hormone.

    Beunruhigt kann sie die Berührung der Hand Tannhäusers nicht ertragen.
    Sie zeigt ihren Arm mit einer Narbe.
    Eine selbstherbeigeführte Ritzung?

    Wolfram nimmt sie tröstend in die Arme, zieht die Ärmel des Kleides über die Narbe.

    Dann gemeinsam

    Elisabeth
    Gepriesen sei die Stunde,
    gepriesen sei die Macht,
    die mir so holde Kunde

    Tannhäuser
    Gepriesen sei die Stunde,
    gepriesen sei die Macht,
    die mir so holde Kunde

    Überwältigt vom Gefühl fallen sich beide in die Arme.
    Elisabeth ringt einen Moment mit sich, wie ihr das passieren konnte.

    Wolfram, immer wieder von Eifersucht geplagt, verlässt die Szene und wird per Video in der Gasse mit sich ringend gezeigt, während um ihn herum der Chor sich auf seinen Auftritt vorbereitet.
    Fleißige 'Stricklieseln' haben für die Chordamen hübsche Haarnetze gehäkelt.

    Der Landgraf betritt die Halle.
    Sein gewaltiges an Josef Greindl orientiertes Bass-Organ ertönt mit


    Dich treff 'ich hier in dieser Halle, die
    so lange du gemieden?


    Trompeten künden den Einzug der Gäste, der Kronleuchter wird emporgezogen, die Chorgesellschaft nimmt die Plätze ein.

    Im Jahr 1972 war in der Inszenierung von Götz Friedrich der 'Einzug der Gäste' ein unvergessliches, ästhetisches, aber hochpolitisches Ereignis.

    In einer anderen Bayreuther Inszenierung gab es nach dem


    Thüringens Fürsten, Landgraf Hermann,

    vor dem unmittelbar nachfolgenden

    Heil!

    eine bedeutungsvolle Generalpause durch den Dirigenten.

    Jetzt aber vertraut der Regisseur mehr einer Außenszene und die im Video gezeigten, im Takt des Einzugsmarsches, wackelnden Pobacken der Frau Venus im Glitzerbody,

     


     

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019

    die mit ihren Genossen, dem Kleinwüchsigen und der in einen Tüll-Tuff gehüllten Drag-Queen, den Balkon des Festspielhauses mittels einer Leiter entern, die hinten am Love-Mobil angehängt war.
    Über sie gelangen sie ins Festspielhaus, schleichen durch die Gänge.

    Frau Venus sperrt eine Chordame ins Klo, fesselt sie, bemächtigt sich deren Perücke, stülpt diese schlecht über ihre eigenen blonden Haare, so dass die unter der Perücke herausschauen, zwängt sich in das Chordamenkostüm und erscheint so in der Sängerhalle, wo sie in der ersten Reihe Platz nimmt und kräftig mitsingt.


     

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019

    Jetzt nutzt Elena Zhidkowa als Frau Venus die Gelegenheit, alles, was geschieht, durch großes Mimen zu kommentieren.

    Ihre beiden Mitstreiter geistern durch die Untergeschosse des Festspielhauses. In einem Verbindungsgang hängen die Fotos aller bisher beschäftigten Dirigenten.
    Vor den Bildern von James Levine und Christian Thielemann macht sie/er bezeichnenderweise liebevoll Halt.

    Eine schöne Harfenistin nimmt an ihrem Instrument Platz, das auf dem Laufsteg eingerichtet ist. Die Sänger positionieren sich davor.
    Der Landgraf erörtert die politische Lage mit den 'grimmen Welfen' und der 'song contest' mit dem Thema 'Liebe' kann beginnen.

    Frau Venus drängelt sich in das 'Quartett der Edelknaben' - ein kleiner Unfug von ihr ist selbstverständlich, auch ihre mimischen Kommentare während Wolframs feierlichem

     
    Blick' ich umher in diesem edlen Kreise,
    welch hoher Anblick macht mein Herz erglühn!


    sind ein Auftritt für sich.

    Tannhäuser ist auf der Hinterbühne so viel Feierlichkeit suspekt. Er stürzt auf den Laufsteg, greift ein und preist eine handfeste Art von Liebe.

    Walther von der Vogelweide weist ihn zurück. Daniel Behle mit jugendlichem Charme kann sich dem harten Griff Tannhäusers nicht entziehen, auch die schöne Harfenistin wird herumgeschleppt und Bitterolf sogar vom Laufsteg geworfen.

    Frau Venus steigt auf der Bühne bei Wolframs


    Du nahst als Gottgesandte,
    ich folg' aus holder Fern', -
    so führst du in die Lande,
    wo ewig strahlt dein Stern.

    aus dem Chordamenkostüm, klettert auf die Sitzbank. schmeißt die Chordamenperücke nach hinten 'ins Volk', verteilt Flyer als Werbung für ihr Etablissement und tanzt im Rhythmus zu

    Tannhäuser [in höchster Verzückung]

    Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen!
    Gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir!
    Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen,
    und jedes holde Wunder stammt von dir.
    Wer dich mit Glut in seinen Arm geschlossen,
    was Liebe ist, kennt er, nun er allein: -
    Armsel'ge, die ihr Liebe nie genossen,
    zieht hin, zieht in den Berg der Venus ein!


    Tannhäuser entledigt sich der Oberbekleidung, der Tüll-Tuff und der Kleinwüchsige geistern über die Bühne und Elisabeth macht mit einem strahlenden hohen H auf dem

    Haltet ein!

    dem Spuk ein Ende.
    Sie erläutert als reine Jungfrau den Willen Gottes: Sühne und Buße.

    Die Gauditruppe Frau Venus mit Tüll-Tuff und der Kleinwüchsige steigen nach vorne aus dem Rahmen. Venus lockt Tannhäuser zu sich,

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019

    küsst ihn wild, der Tüll-Tuff wirft Gold-Flitter über sie.

    Wolfram versucht, Elisabeth zu trösten.
    Großes Ensemble, das zu Tannhäusers


    Erbarm dich mein

    und zum

    Nach Rom! 

    führt.

    Zwei Welten stehen sich in Elisabeth und Venus gegenüber.

    An der Stelle lässt der Regisseur die Chefin, 'Katharina die Grobe', einblenden. Sie wählt die 110 und schon fahren vier Polizeifahrzeuge den Hügel hinauf. Am Festspielhaus lesen sie die Aufforderung Richard Wagners


     

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019

    und sie staunen lange.

    Frau Venus versucht Tannhäuser von sich zu überzeugen: "Ich bin die Richtige!"

     


     

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019


    Dann heißt es 'Zugriff' und wie im richtigen Krimi stürmt die Polizeimannschaft den Tatort, hier das Festspielhaus mit seiner Bühne. Sie reißen hinten den Dekovorhang herunter und warten mit der Maschinenpistole im Anschlag auf das Zeichen des Landgrafen, das beim

    Nach Rom! 
    gegeben wird, um Tannhäuser zu verhaften und gefesselt abzuführen.

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019

    Warum dieses geschieht, bleibt - wie alles in dieser Inszenierung - im Ungefähren, in Jux und Dollerei verborgen.

    Frau Venus eilt besorgt über die Bühne, setzt sich erschöpft auf die Bank, während der Tüll-Tuff die Regenbogenfahne über die Harfe zieht.


     

    Screenshot BT-Festspiele - 3Sat - 27.7.2019

    Dritter Aufzug

    Während der Einleitung zeigt der Regisseur den Kleinwüchsigen vor einem demolierten 'Love-Mobil' am Boden vor einer Kochstelle. Eine Konservendose wird geöffnet und das Gericht in der Blechtrommel zubereitet.

    Elisabeth tritt auf und irrt verlegen in all dem Müll herum, schaut fragend in das Autowrack, dann hockt sie sich neben den Kleinwüchsigen und isst den von ihm angebotenen Brei von seinem Löffel.

    Wolfram beobachtet sie


    Wohl wußt' ich hier sie im Gebet zu finden,
    wie ich so oft sie treffe, wenn ich einsam
    aus wald'ger Höh' mich in das Tal verirre.

    Elisabeth erwartet hier die Rückkehr der Pilger aus Rom.

    Während Wolfram von
    o heil'ger Liebe ew'ge Macht!
    spricht, sieht er einen Haufen zerlumpter Gestalten sich über die Szene verteilen, Erleichtert, denn

    Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen,
    und grüßen froh deine lieblichen Auen.


    lassen sie sich auf der Bühne nieder.
    Elisabeth sucht ihren Tannhäuser, aber


    Er kehret nicht zurück!

    Es bleibt ihr nur Weinen und der Hilferuf

    Allmächt'ge Jungfrau, hör mein Flehen!

    und

    Mach, daß ich rein und engelgleich
    eingehe in dein selig Reich!

    Sie rupft sich das Festgewand vom Leibe. Der prächtige Zopf ist Zottelhaaren gewichen.
    Im Unterrock ist sie "nur ein arm' Weibsbild!"

    Wolfram holt das Clownkostüm aus dem 'Love-Mobil', das Tannhäuser im ersten Aufzug anhatte, stülpt sich dessen rote Perücke auf den Kopf.


    Da überkommt Elisabeth ein Gefühl. Sie küsst Wolfram heftig, zerrt ihn ins 'Love-Mobil' zu einer eindeutigen Nummer.

    Er steigt voller Scham heraus, zieht sich die Perücke herunter und tröstet sich mit


    O du, mein holder Abendstern,
    wohl grüßt' ich immer dich so gern

    Markus Eiche singt mit perfektem Legato.
    Elisabeth verkriecht sich in eine Ecke, der Kleinwüchsige streichelt und tröste sie.

    Während des Nachspiels dreht sich die Bühne und zeigt nun eine Plakatwand mit einer Darstellung einer goldenen Armbanduhr und einem Portrait der 'Drag-Queen'.


    Ein Penner mit langen, zotteligen, ungewaschenen Haaren mit Plastiktüten in der Hand fragt mit kläglicher Stimme

    Ich hörte Harfenschlag - wie klang er traurig!
    Der kam wohl nicht von ihr.

    dann energisch

    Doch such' ich wen, der mir den Weg wohl zeige,
    den Weg, den einst so wunderleicht ich fand --

    Wolfram
    Und welchen Weg?

    Tannhäuser [mit unheimlicher Lüsternheit]
    Den Weg zum Venusberg!

    Er stellt seine Plastiktüten ab und beginnt seinen Bericht aus Rom.

    Es fasziniert, wie viele Farben die Stimme von Stephen Gould besitzt und mit welcher starker Emotion er den Text gestaltet.

    Wolfram hört engagiert zu.
    Er kramt in den Tüten und findet den Klavierauszug der großen romantischen Oper, das wertvollste Dokument von Tannhäusers Identität. Dort steht, was er verbrach.
    Er wirft das teure Stück von sich, der ordentliche Wolfram sammelt die von rausgefetzten Seiten wieder zusammen, während Tannhäuser erschütternd von der Reaktion und Ablehnung durch den seelenlosen Papst berichtet.

    Da erscheint ein Arbeiter:
    Frau Venus als Plakatkleber verkleidet, sucht Werbung anzubringen und lockt:


    Willkommen, ungetreuer Mann!
    Schlug dich die Welt mit Acht und Bann?
    Und findest nirgends du Erbarmen,
    suchst Liebe nun in meinen Armen?


    Tannhäuser wendet sich ab, geht zum Love-Mobil.

    Er hebt mit Wolfram die Leiche Elisabeths heraus, die nach der 'Nummer' mit Wolfram Selbstmord begangen hat.

    Sie legen die blutige Leiche auf den Boden und bedecken sie mit dem Festkleid.

    Der Chor verkündet 'maestoso':

    Alle [in höchster Ergriffenheit]

    Der Gnade Heil ist dem Büßer beschieden,
    er geht nun ein in der Seligen Frieden!

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    Nachwort

    Einschließlich der Pausenclownerien im Park des Festspielhauses muss festgestellt werden, dass die Inszenierung des 'Tannhäuser' durch Tobias Kratzer mit seinen Teamkollegen Rainer Sellmaier, Bühnenbild und Kostüme und Manuel Braun, Video - eine einfallsreiche, unterhaltsame Produktion ist, die das unbedarfte, von Werten nichts wissende Publikum amüsiert, es staunt und meint: "So etwas gab es noch nie!" Und das Schlimmere: "So muss es sein!"

    Ist die Parodie jetzt der Weg, die Oper lebendig zu erhalten?

    Oder wird sie durch die Vorgabe, alles ins Lächerliche zu ziehen, vernichtet?

    Wir alle wissen, dass Macht und Sex den Lauf der Geschichte bestimmen.

    Aber haben wir nicht auch den Auftrag, uns zu kultivieren, zu erziehen, zu veredeln?

    Geist und Verstand über die Funktion der Hormone zu erheben?

    Sie zu leugnen führt zur Frustration und den scheußlichen Übergriffen, wie sie aus den Kirchen bekannt wurden.

    Heuchelei will niemand von uns, aber jeden Impuls der Aggression und Sexualität nachzugeben führt nach

     ... ganz unten!

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    www.bi-opernintendanz.de

     
     

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    Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


    Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

    Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

    Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.


    Dieter Hansing

     
     
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