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... am 31. August 1928
Während die John-Gay-Fassung unverhohlen das brutale Profitstreben
eines
Unternehmers durch Spott kritisierte, thematisiert Brecht - schon 1928 -
die heute aktueller den je anfallenden kriminellen Unternehmungen der
'Räuber in Großkapital und Banken', die Bestechungsskandale von Staat
und Politiker wie Vorständen und Aufsichtsräten, den Waffenhandel und
die angezettelten Kriege.
Brecht nimmt in seinen Texten immer wieder Bezug auf die Bibel. Zitate
aus ihr werden verwendet, schon Peachum tritt mit einem Morgenlied auf
den Lippen vor das Publikum:
"Wach' auf du verrotteter Christ!"
Verbindungen werden hergestellt wie zu jenem Donnerstag, da Jesus von
Judas verraten wurde - hier ist es Jenny, die ihren Macheath zum dritten
Mal verrät und dem am folgenden Freitag der Tod durch Erhängen droht.
Die Hochzeit im Stall erinnert an Bethlehem und die drei Weisen sind die
Leute von Mackie Messer, die mit Gaben zu ihm kommen.
Brecht 'montiert gestohlene' Vorlagen zu einer eigenen Text-Version, die
ohne die Komposition von Kurt Weill niemals die Wirkung als 'Stück mit
Musik' hätten erzielen können.
Kurt Weill verwendet die unterschiedlichsten Stilrichtungen, auch um
sich Brechts Texten anzugleichen - er vermischt in seiner Musik zur
'Dreigroschenoper' Elemente aus Jazz und Tango, Blues und
Jahrmarkts-Musik und garniert sie mit ironischen Seitenhieben auf Oper
und Operette. Eine Musiknummer, der Morgenchoral des Peachum, wurde aus
der Vorlage von Johann Christoph Pepusch übernommen. Einarbeitet sind
Balladen nach François Villon (u.a. Ballade, in der Macheath jedermann
Abbitte leistet, Ruf aus der Gruft oder Die Zuhälter-Ballade) und
Rudyard Kipling (Der Kanonensong).
Nicht nur, dass ein Werk mit so neuartiger Konzeption die Bühnen
erobert, es folgen sehr schnell Schallplattenaufnahmen - namhafte
Interpreten daran beteiligt.
Die Moritat singen u.a. Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Duke
Ellington, Bing Crosby, Errol Garner, Frank Sinatra, Hildegard Knef,
Helge Roswaenge, Wolfgang Neuss, René Kollo, Udo Lindenberg und Max
Raabe.
Obwohl die Kritiken 1928 teilweise alles andere als wohlwollend -
man nennt das Stück eine literarische Leichenschändung oder man spricht
von Wagemut, Temperament, Angriffslaune oder wer meint, in dem Stück
stehe alles verständnislos der Gegenwart gegenüber. Im Übrigen flüchte
man sich in die Vergangenheit.
Die Dreigroschenoper ist gerade heute ein zeitkritisches
'Gesamtkunstwerk', das beim Publikum auch in den Details haften bleibt.
Brecht macht in seinen Anmerkungen zur 'Dreigroschenoper' genaue
Vorgaben für die Regie, die Darsteller, das Bühnenbild.
Im Laufe der nunmehr 80 Jahre nach der Uraufführung verändert sich die
Sichtweise.
Nach der Machtübernahme Hitlers darf das Stück nicht mehr gegeben werden
- doch findet es den Weg in die Öffentlichkeit über die Ausstellung
'Entartete Kunst', bei der Teile von Tonträgern dem Publikum vorgeführt
werden - mit entschieden anderem Erfolg, als was die NS-Partei erreichen
wollte.
1945 spielt man in Berlin - mit Hubert von Meyerinck als Macheath - zum
ersten Mal wieder 'Die Dreigroschenopfer' - 1946 in Prag, 1949 in
München, 1954 mit Lotte Lenya als Jenny in New York, 1956 inszeniert
Giorgio Strehler in Mailand.
Die so genannte 'DDR' okkupiert das Stück mit der Kritik am Westen, für
den Osten sei es museal.
Das 'Neue Deutschland' schreibt, die 'Dreigroschenoper' sei das Werk
eines Moralisten, eines Hassers des Bürgertums, doch nicht das Werk
eines Marxisten.
Die FAZ meint, sie sei ein klassisches Stück, sie eigne sich wenig für
neuere Interpretationen, da der Westen sich selber für intakt halte. So
wurde ein Unterhaltungsstück gegeben.
Erst in den späten 60-er Jahren werden beispielsweise Bilder aus Vietnam
oder aus der Nazi-Zeit eingefügt und das Augenmerk richtet sich mehr auf
die Politik.
Und
Regensburg spielte das Stück auf
besondere Art und Weise.
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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