Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften 
zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

Uraufführung 'Dreigroschenoper'

 


   ... am 31. August 1928

Während die John-Gay-Fassung unverhohlen das brutale Profitstreben eines Unternehmers durch Spott kritisierte, thematisiert Brecht - schon 1928 - die heute aktueller den je anfallenden kriminellen Unternehmungen der 'Räuber in Großkapital und Banken', die Bestechungsskandale von Staat und Politiker wie Vorständen und Aufsichtsräten, den Waffenhandel und die angezettelten Kriege.

Brecht nimmt in seinen Texten immer wieder Bezug auf die Bibel. Zitate aus ihr werden verwendet, schon Peachum tritt mit einem Morgenlied auf den Lippen vor das Publikum:
"Wach' auf du verrotteter Christ!"

Verbindungen werden hergestellt wie zu jenem Donnerstag, da Jesus von Judas verraten wurde - hier ist es Jenny, die ihren Macheath zum dritten Mal verrät und dem am folgenden Freitag der Tod durch Erhängen droht.

Die Hochzeit im Stall erinnert an Bethlehem und die drei Weisen sind die Leute von Mackie Messer, die mit Gaben zu ihm kommen.

Brecht 'montiert gestohlene' Vorlagen zu einer eigenen Text-Version, die ohne die Komposition von Kurt Weill niemals die Wirkung als 'Stück mit Musik' hätten erzielen können.

Kurt Weill verwendet die unterschiedlichsten Stilrichtungen, auch um sich Brechts Texten anzugleichen - er vermischt in seiner Musik zur 'Dreigroschenoper' Elemente aus Jazz und Tango, Blues und Jahrmarkts-Musik und garniert sie mit ironischen Seitenhieben auf Oper und Operette. Eine Musiknummer, der Morgenchoral des Peachum, wurde aus der Vorlage von Johann Christoph Pepusch übernommen. Einarbeitet sind Balladen nach François Villon (u.a. Ballade, in der Macheath jedermann Abbitte leistet, Ruf aus der Gruft oder Die Zuhälter-Ballade) und Rudyard Kipling (Der Kanonensong).

Nicht nur, dass ein Werk mit so neuartiger Konzeption die Bühnen erobert, es folgen sehr schnell Schallplattenaufnahmen - namhafte Interpreten daran beteiligt.
Die Moritat singen u.a. Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Duke Ellington, Bing Crosby, Errol Garner, Frank Sinatra, Hildegard Knef, Helge Roswaenge, Wolfgang Neuss, René Kollo, Udo Lindenberg und Max Raabe.

Obwohl die Kritiken 1928 teilweise alles andere als wohlwollend - man nennt das Stück eine literarische Leichenschändung oder man spricht von Wagemut, Temperament, Angriffslaune oder wer meint, in dem Stück stehe alles verständnislos der Gegenwart gegenüber. Im Übrigen flüchte man sich in die Vergangenheit.

Die Dreigroschenoper ist gerade heute ein zeitkritisches 'Gesamtkunstwerk', das beim Publikum auch in den Details haften bleibt.

Brecht macht in seinen Anmerkungen zur 'Dreigroschenoper' genaue Vorgaben für die Regie, die Darsteller, das Bühnenbild.
Im Laufe der nunmehr 80 Jahre nach der Uraufführung verändert sich die Sichtweise.

Nach der Machtübernahme Hitlers darf das Stück nicht mehr gegeben werden - doch findet es den Weg in die Öffentlichkeit über die Ausstellung 'Entartete Kunst', bei der Teile von Tonträgern dem Publikum vorgeführt werden - mit entschieden anderem Erfolg, als was die NS-Partei erreichen wollte.

1945 spielt man in Berlin - mit Hubert von Meyerinck als Macheath - zum ersten Mal wieder 'Die Dreigroschenopfer' - 1946 in Prag, 1949 in München, 1954 mit Lotte Lenya als Jenny in New York, 1956 inszeniert Giorgio Strehler in Mailand.

Die so genannte 'DDR' okkupiert das Stück mit der Kritik am Westen, für den Osten sei es museal.
Das 'Neue Deutschland' schreibt, die 'Dreigroschenoper' sei das Werk eines Moralisten, eines Hassers des Bürgertums, doch nicht das Werk eines Marxisten.
Die FAZ meint, sie sei ein klassisches Stück, sie eigne sich wenig für neuere Interpretationen, da der Westen sich selber für intakt halte. So wurde ein Unterhaltungsstück gegeben.

Erst in den späten 60-er Jahren werden beispielsweise Bilder aus Vietnam oder aus der Nazi-Zeit eingefügt und das Augenmerk richtet sich mehr auf die Politik.

Und Regensburg spielte das Stück auf besondere Art und Weise.

 

to top


Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

to top