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Aus einem Announcement der Hamburgischen
Staatsoper
Richard Wagner / Der Ring des Nibelungen
Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und
einen Vorabend (1869)
'Die Walküre'
Inszenierung: Claus Guth
Bühnenbild und Kostüme: Christian
Schmidt
Licht: Michael Bauer
Dramaturgie: Hella Bartnig
In der Spielzeit 2007/08 feierte »Das
Rheingold« an der Hamburgischen
Staatsoper Premiere und machte den
Auftakt zum neuen Hamburger »Ring des
Nibelungen« unter Leitung von Simone
Young. Die Wagner-Expertin leitete
bereits in Wien und Berlin die berühmte
Tetralogie; ihr Hamburger »Ring« wird
sich über vier Spielzeiten erstrecken.
Auf »Das Rheingold« folgt »Die Walküre«
am 19. Oktober 2008, »Siegfried« am 18.
Oktober 2009 und »Götterdämmerung« am
17. Oktober 2010. Bereits siebenmal
wurde der komplette Ring-Zyklus auf die
Bühne der Hamburgischen Staatsoper
gebracht, zuletzt 1992/93.
Für die Neuinszenierung »Die Walküre«
ist das Erfolgsduo Claus Guth und
Christian Schmidt verantwortlich, die
das Hamburger Publikum schon mit dem
Vorabend
»Das Rheingold« begeistert haben.
Besetzung |
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Musikalische Leitung
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Simone Young |
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Siegmund |
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Christian Franz |
Hunding |
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Mikhail Petrenko |
Wotan |
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Falk Struckmann |
Sieglinde |
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Heidi Brunner |
Brünnhilde |
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Jennifer Wilson |
Fricka |
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Lilli Paasikivi |
Helmwige |
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Miriam Gordon-Stewart |
Gerhilde |
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Sonja Mühleck |
Ortlinde |
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Katerina Tretyakova |
Waltraute |
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Maria-Cristina Damian |
Siegrune |
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Katja Pieweck |
Roßweiße |
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Renate Spingler |
Grimgerde |
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Ann-Beth Solvang |
Schwertleite |
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Deborah Humble |
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Das große 'los'
- lieblos, phantasielos, geschmacklos
Hamburgische Staatsoper - das gut
gefüllte Haus begrüßt erwartungsfroh
Frau GMD und Intendantin
Simone Young,
lauscht der Schilderung der Flucht und
Verfolgung Siegmunds, dramatisch, aber
nicht unnötig brutal, eine geniale
Filmmusik des ’Herrn des Ringes’.
Auf der Bühne eine mickrig weiße Küche
von ’Hausmeister Krause’, in der ein
hübsches weibliches Wesen in maus-grau
erstarrt vor der Kochplatte steht, bis
der an dieser Stelle von Richard Wagner
nicht vorgesehene Wotan in ’slow-motion’
ihr das Lebenslicht anknipst.
Wohl als Zeichen für Lebensfunktionen
begleitet nun das Stück eine rote
Signallampe, aber "Nicht immer hält das
rote Licht, was es dem Opernfreund
verspricht!“
Eine Art Penner in stein-grau erscheint,
auch in ’slow motion’, setzt sich auf
den Küchenstuhl am bescheidenen
Esstisch, erhält als ’Erquickung’ von
der Hübschen in maus-grau ein Getränk
von den Hamburger Wasserwerken, später
ein Bier aus dem Kühlschrank und erzählt
übelgelaunt seine Geschichte mit
knarziger Charaktertenorstimme, wie sie
einem Herodes wohl ansteht –
Christian Franz
als Siegmund.
Zwei Kinder-Zombies ’umwandeln’ dabei in
’slow motion’ die Bühne.
Die Hübsche in maus-grau, offensichtlich
gedopt von Richard Wagners
narkotisierender Musik verfällt nach und
nach diesem unrasierten Typen mit
wahrscheinlich vom Tragen des Leids
schiefstehender rechter Schulter.
Ein fescher, großer, schlanker Bass -
Mickhail Petrenko
- betritt die Wohnküche, sich wohltönend
als Hunding und Hausherr und Besitzer
der Hübschen, viel Ländereien und
Untergebener “in Höfen reich hausen
dort Sippen, die Hundings Ehre behüten“
vorstellend. Diese Wohnküche wird
wohl nur ein Ausweichquartier sein, bis
das Landhaus fertig ist, wo alles nach
dem neuesten Stand der Technik
eingerichtet sein wird, wie die als
Prototyp fahrende Küchenwand, ein
witziges Allzweckmöbel, beweist.
Unverständlich für uns ZuschauerInnen
weist die in maus-grau gehaltene Hübsche
alle Zärtlichkeiten des feschen Basses
zurück, geht zur Hausapotheke neben dem
Kühlschrank, schüttet K.O.-Tropfen in
sein Bier, das er hastig trinkt, nachdem
ihm der wohl wässrige Eintopf schon
nicht geschmeckt hat.
Hunding legt sich auf den Fußboden – das
Bett ist wohl schon im Neubau – die
wandelnde Wand schirmt ihn ab, ein
’slow-motion-Statist’ platziert Nothung
in die Wand, der Beleuchtungsmeister
lässt einen Scheinwerfer herab –
“siehe, der Lenz lacht in den Saal!“
– und Siegmund zeigt uns überraschend
zärtlich vom Hamburgischen
Staatsorchester begleitet von Simone
Youngs einfühlender Hand wie die
’Winterstürme’ im Pianissimo dem
Wonnemond wichen, so wie es Richard
Wagner auch komponiert hat und wie man
sie sonst ganz selten bis nie hört.
So können wir auch ein wenig
Heidi Brunners
Sieglinde-Jubel “Siegmund - so nenn'
ich dich!“ nachfühlen und sie singt
so beglückend schön, strahlend, beseelt,
jedes Wort ist zu verstehen, jede
Bewegung von natürlicher Anmut, dass man
die Augen schließt, die ’Proll-Küche’
vergisst und von ihrer Stimme und von
Richard Wagners Euphorie-Musik
davongetragen wird.
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In der Pause zwischen erstem und zweiten
Aufzug sieht man vornehme verschlossene
Mienen der Hanseaten, die hannöverschen
Musikfreunde tauschen ratlose Blicke und
wagen vorsichtige Scherze über
ausrangierte Nachkriegsküchenmöbel bzw.
fragen sich, ob auch hier die Krise voll
durchschlug und das Mobiliar wie auch
die Klamotten von der Probebühne weiter
verwendet wurden.
Das Vorspiel zum zweien Aufzug, vom
Meister mit ’impetuosamente’ bezeichnet,
verheißt heftige innere Kämpfe, die nach
seinem Wunsch in einem wilden
Felsengebirge stattfinden sollen.
Stattdessen sehen wir das gut gestylte
Büro des Weltenlenkers, die nach dem
unappetitlich grün-grauen Objekt an der
Wand mit einem weißen Kistchen darauf –
das ist Walhall im Modell – eine Scheibe
ist. Modelle der Wohnküche mit Puppen
darin und das Modell eines Kinderzimmers
mit Hochbetten und vielen Puppen
beweisen die Vorarbeit der
Bühnenbildnerwerkstatt von
Christian Schmidt
wie den Spieltrieb des göttlichen
Hausherrn Wotan,
Falk Struckmann, der sich im
eleganten Anzug in schiefer-grau
präsentiert.
Seinen Befehl, das Ross zu zäumen,
richtet er an eine kolossale Person im
beige-grauen Kampfanzug, seine Tochter
Brünnhilde,
Jennifer Wilson, die gerade auf
der Fensterbank gelandet war und
kraftvoll und punktgenau platziert, ihre
hohen H- und C-Hojohotohos singt.
Nun erscheint Fricka, elegant in
schwarzem Mantel mit Pelzkragen, fein
frisiert und mit gut geputzten Schuhen.
Lili Paasikivi
singt ihre berechtigten Argumente gegen
ihres Gatten wüstes Leben mit Charme,
Energie und koketten Cenerentola- und
Rosina-Kullern in der Stimme, nicht
gerade heldisch ist das hohe Gis bei
"lass auch zertreten“ und das As bei
"die Göttin entweiht er nicht so“,
aber glaubhaft, und sie bewegt sich
straff und selbstbewusst wie Hilary
Clinton.
Siegmunds und Sieglindes inzestuöse
Liebe wird nun ein Ende haben, aber das
Kind aus dieser Verbindung wird von
einfältigem Charakter sein, was
Viehzüchter und zoologische Gärten durch
sorgfältiges Führen eines Herd-Buches
vermeiden.
Der knallharte Diktator Wotan schildert
mit ebenso knallharter Stimme seiner
selbstlos lauschenden Tochter wie er in
seiner Gier, Macht und Liebe
gleichzeitig genießen zu wollen, die
Welt und ihre Ordnung in krummen
Geschäften verzockt hat. Ihm hilft keine
Kapitalspritze aus dem Steuersäckel des
Bundes oder der Länder und so will er
nur noch das Ende. Dies intoniert er
zweimal und in der Generalpause
dazwischen tönt es jugendfrisch und gut
gestützt vom obersten Besucherbalkon:
“Bravo!“, was wohl auch heutigen Bankern
und Verwaltungs- wie Aufsichtsräten
gilt.
Warum aber übernimmt ein deutscher
Bass-Bariton mit offensichtlichen
Verstandeskräften die scheußliche Unart
der amerikanischen Kollegen, an jeden
Klinger-Konsonanten, also m, n, ng und
sogar r ein ö anzuhängen? Darüber gerät
’man–ö’ in ’wahren –ö’ ’Zorn–ö’!
Unter Androhung von Liebesentzug und
schrecklicher Bestrafung bei Ungehorsam
befiehlt Wotan der verschreckten
Tochter, Siegmund, den inzestbehafteten
Halbbruder zu töten. Der Zwischenvorhang
fällt, “zu böser Schlacht schleich’
ich heut so bang“, singt sie in
schwerem Gewissenskonflikt und auch die
Passagen in mittlerer und tiefer Lage
klingen bei Jennifer Wilson gut
abgerundet, dabei auch textverständlich.
Nach dem Umbau scheinen Siegmund und
Sieglinde wohl in die Kanalisation
geraten zu sein, was bei Richard Wagner
eigentlich “Wald und Flur, Fels und
Stein“ sein sollen.
Ein Plafond mit Lichtstreifen und dem
aus dem ersten Aufzug bekannten roten
Licht hängt über ihnen. Heidi Brunner
singt ergreifend Sieglindes
Selbstvorwürfe und so zärtlich wie man
sie noch nie hörte zaubert Simone Young
mit ihrem Staatsorchester Kammermusik
und noch oft an diesem Abend dankt man
ihr, dass man erleben darf, wie oft
Richard Wagner zartes piano vorschreibt.
Dann erscheint Brünnhilde, flankiert von
Zobie-Jünglingen in ’slow-motion’ zur
Todverkündigung “Siegmund! Sieh auf
mich! Ich bin's, der bald du folgst.“
immer sängerisch schwierig diese extrem
tiefe Lage nach den ’Rufen’ am Anfang
des Aktes, die bis zum hohen ’C’ führen.
Über die Wahl der Tempi gehen bei
Dirigenten und Hörern die Meinungen weit
auseinander. Toscanini oder
Knappertsbusch? Boulez oder Levine?
Analysierend durchleuchten oder raunend
genießen?
Simone Joung genießt offensichtlich
selber wie sie Musik macht.
Richard Wagner empfiehlt für diese
vierte Szene ’Sehr feierlich und
gemessen.’
Brünnhildes Herzschlag ist in den Pauken
zu hören, stockend mit Pausen und
Triolen-Stolpern bevor ein weicher
Bläsersatz ihre Anrede an den
Todgeweihten vorbereitet. Da keine
Aktion erforderlich ist, können die
Sänger sich ganz auf ihre vokale Aufgabe
konzentrieren und der Zuhörer nimmt
dankbar die gute musikalische und
textliche Vorbereitung zur Kenntnis.
Siegmund entscheidet sich gegen Walhalls
Heldenparadies für das Leben mit
Sieglinde und da seine Phrasen in
angenehmer Lage geschrieben sind, ahnt
man das natürliche Timbre von Christian
Franz ohne verengenden Druck auf Kehle
und Nase.
Brünnhilde beschließt gerührt gegen den
Befehl des Vaters zu handeln und
Jennifer Wilson ’schmettert’ mühelos das
hohe A für den seligsten Held.
Verängstigt erwacht Sieglinde aus der
Ohnmacht und vermittelt uns ohne zu
outrieren die Wahnvorstellungen ihrer
traumatischen Erlebnisse in der
Vergangenheit. ’Stierhörner’, Blitz und
Donner begleiten den Kampf zwischen dem
feschen Hunding und Siegmund, von dem
man in der dunklen Kanalisation außer
dem Flackern der Lichtstreifen wohl
wegen wetterbedingter Unterspannung
nichts erkennen kann. Mit Wotan und
Fricka kommt etwas Licht auf die Szene,
Siegmund fällt, der nette Hunding auch
und so wird der Fortgang des Stückes zur
Frauensache.
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Die erste Szene des dritten Aufzugs, der
Walkürenritt, ein Hit, ohne den kein
Action-Film auskommt und der es schon
bis zum Handy-Klingelton geschafft hat,
soll eigentlich eine Gruppe sportlich
durchtrainierter Maiden vorführen, die
dazu abgerichtet wurden, ihrem Vater
Wotan die Privatarmee mit kräftigen
Helden aufzufüllen. Regisseur
Claus Guth
und sein Partner, der Bühnen und
Kostümbildner
Christian Schmidt, beleidigen
aber unsere Augen mit einem dreckigen,
schimmeligen Keller in einem
Abbruchhaus, wo eine Schar Mädchen
offensichtlich mit Hospitalismusschäden,
dokumentiert durch Daumenlutschen,
Kopfwackeln, Kissen-Knudeln – ihre
Hochbetten umherrollen und sich hin und
wieder mit ein paar Kampfsportbewegungen
fit halten. Als ’Anstaltskleidung’
tragen sie Hänger mit Rüschen-Röcken in
staub-grau.
Hässlicher geht’s nimmer!
Wie sehr müssen das ’Künstler-Paar’
Guth/Schmidt Frauen offensichtlich
verabscheuen, um sie nur noch als
widerwärtige Karikaturen zu zeigen und
wie hart wird sich wohl Fricka ihren
eleganten schwarzen Mantel erkämpft
haben.
Schließt man die angeekelten Augen, hört
man acht prächtige Stimmen, die auch in
den kurzen Soli die musikalische
Qualität des Hauses beweisen.
Wotan erscheint nun im blauschwarzen
Mantel, beschimpft in schneidendem Ton
das “weichherzige Weibergezücht.“
Brünnhilde stellt sich dem ’wütenden
Wotan’, die Mädchen singen
herzzerreißend “Weh“ – rollen ihre
Gitterbetten hinaus, die Leiter zur
Abbruchkante Oberwelt, auf der die
kolossale Brünnhilde auch in geradezu
entwürdigender Weise ihre gewaltige
Rückfront dem Publikum zugewandt
herumsteigen muss, wird vom Göttervater
hinausgetragen und nun sind die beiden
Himmlischen nach dem Willen von
Regisseur Guth und Bühnenbildner Schmidt
auf ein mieses Niveau herabgezogen in
einer Bruchbude gelandet.
Richard Wagners herrliche Musik für das
letzte Zwiegespräch, in dem der
Heldenbariton und die Hochdramatische
beweisen müssen, ob sie echte
Schwerathleten sind, ist in diesem
Bühnen-Dreckloch so deplaziert, dass
einem plötzlich der Sitz drückt und das
Ende sehnsüchtig erwartet wird.
Mit großer Hochachtung wird wahrgenommen
wie Jennifer Wilson, die letzten Seiten
des höllisch schweren Gesangsparts
bewältigt, und so nimmt sie die
Turandot-gestählten Kräfte zusammen für
das hohe A des ’Zagen’, holt tief
Luft bis in die tiefen des Bauchraumes
und platziert das hohe A für den
’freislichen Felsen’ so konzentriert
und kraftvoll wie Matthias Steiner seine
105 kg, die ihm in Peking die
Goldmedaille brachten.
Nun muss sich die arme Brünnhilde in der
Hocke die Schnürsenkel öffnen und ihre
Latschen ausziehen, in eine schmuddelige
Decke hüllen und ihr Dienst ist beendet.
Und über diesem Brocken Elend singt
Wotan: “Leb wohl du kühnes,
herrliches Kind!“
Diesen wundervollen Schlussgesang hatte
man schon so wunderbar weich und
wohltönend gehört, dass es einem die
Tränen in die Augen trieb, “ach ja,
weißt du noch damals der ……!“
Auf seine Art bewältigte Falk Struckmann
diese mörderisch anstrengende Partie und
kann endlich Loge herbeirufen, um diese
Guth'- / Schmidt’sche ’Hamburger
Walküre-Bude’ abzufackeln.
Aber nichts da mit Feuerzauber – wohl
ein Wackelkontakt bei den Neonröhren
beendet das traurige Spiel.
Das Publikum schreit “Buh“ für die
längst anderswo tätigen ’Kunst-Partner’
Guth/Schmidt, feiert zu recht Simone
Young mit ihrem Staatsorchester und in
feiner Abstufung die Sänger.
MLG
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