Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 

 

 

Theater Regensburg
Spielzeit 2002 / 2003

Charles Lewinsky

'FREUNDE, DAS LEBEN IST LEBENSWERT'

...komödiantische Züge?

In seinem Buch 'Dein ist mein ganzes Herz' schildert Günther Schwarberg die Vernichtung jüdischer Künstler, die glaubten, in Österreich sicher zu sein. Der Anschluss an das Deutsche Reich gab den Nazis die Möglichkeit, aufzuräumen mit intellektuellen und vor allem den Juden unter ihnen, z.B. Fritz Löhner-Beda der Textdichter so vieler Operettenlieder. Im Oktober 1942 kommt Löhner nach Auschwitz, am 4. Dezember wird er dort erschlagen.

Der Autor von "Du traumschöne Perle der Südsee" , "Ich hab' ein Diwanpüppchen, süß und reizend wie du" , "Will dir die Welt zu Füßen legen" , "Es ist so schön am Abend bummeln zu gehn" , "Toujor l'amour", "Du bist Meine Sonne", "Meine Lippen , die küssen so heiß" und all die anderen aus der großen Operettenzeit, kommt mit seinen Texten in dem Stück "Freunde, das Leben ist lebenswert" von Charles Lewinsky zu Wort.

Michael Suttner singt - manchmal etwas zu buffonesk im Spiel - begleitet von seinem Salonorchester - was ist Max Raabe neben ihm, kein Wunder, dass keine Sau sich für den interessiert, hat man Michael Suttner gehört - mit schöner Phrasierung große Bögen und 'mit Schmackes' des richtigen Operetten-Tenors die Melodien der Meister wie Paul Ahraham und Franz Lehar.

Die Entwicklung seiner voluminösen und in allen Lagen schön timbrierten Stimme und seines Selbstverständnisses ist beachtens-

wert, bedenkt man noch den 'Dancairo' in Pforzheim und das Konzert seinerzeit im Gasteig in München.

Geht es kontrolliert so weiter, findet er schnell ein größeres Haus.

Dass man die Uraufführung des Stückes der Judenvernichtung aus dem Jahr 2001 nun zwei Jahre später ausgerechnet hier meint nachspielen zu müssen, ist völlig unverständlich, da das Theater Regensburg gerade mal vor 7 Jahren mit diesem Thema so grandios baden gegangen ist. Das Haus ist - wie damals - nicht in der Lage - und schon garnicht mit einer Frau Orsky als Regisseurin, das Grauen eines KZ auf die Bühne zu bringen. Das haben wir doch alles schon gehabt, die komödiantischen Züge oder Herrn Heuberger als SS-Mann. Er ist etwas molliger geworden, sonst wie 1995.

Warum verhindert der Oberspielleiter, der letztlich durch die Pleite von 'Hermann kommt' Schauspielchef wurde, die Peinlichkeit dieser Art der Darstellung nicht?

Allerdings gibt das Stück Textpassagen vor, der sich der Regisseur kaum entziehen kann und damit in die Falle einer zu lockeren Darstellung läuft. Hinzu kommt, dass es äußerst schwierig ist, Atmosphäre in einem großen Raum zu schaffen - in Film und TV ist das viel einfacher zu bewerkstelligen.

Die Zuschauer reagieren gequält auf die Judenwitze und einer derartigen Produktion folgen zu müssen, stimmen aber jeder musikalischen Einlage heftig zu und reagieren damit ihre Beklemmung, ab. Dass dies vor allem an Michael Suttner lag, ist unbestritten - wenn er auch durch das lange Sitzen im Laufe des Abends stimmlich müde wird, sich immer wieder hochreißen muss, obwohl der Kreislauf ohne eigenes Spiel auf der Bühne, schon auf Schlaf eingestellt ist - aber letztlich an den Melodien und an den fabelhaften Texten von Fritz Löhner-Beda, in Auschwitz von Nazis hingemordet.

Bedenklich ist allerdings, dass es der Aufführung eines solches Stückes bedarf, Operettenmelodien einem Theaterpublikum zu bieten, als gäbe es keine Spielplangestaltung eines Intendanten. Allerdings gibt es kaum Regisseure, die leichte Muse auf die Szene zu bringen, auch unter dem anderen Aspekt, wo sind die typischen Operettendiven und Tenöre; Buffi und Soubretten sind schon eher da.
(Dieter Hansing)

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Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing