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Siebzig Jahre vor der
Uraufführung von Verdis 'Otello' am 5. Feb. 1887 erschien ein anderer 'Moro
di Venezia' auf einer Bühne der Welt.
Gioacchino Rossini hatte schon 1815 einen Auftrag für eine neue Oper
erhalten - der Vertrag kam erst 1816 zustande - die für den 10. Oktober
1816 vorgesehene Uraufführung konnte nicht stattfinden, da Rossini nicht
fertig geworden war.
Das Libretto wich stark von Shakespeares Original ab, da es üblich war,
sich an aktuellen Bearbeitungen zu orientieren, um dem neuen Werk auf
dem Markt einen günstigeren Start zu sichern.
In dieser Fassung von Francesco Maria Berio nach Jean Francois Ducis und
Giovanni Carlo Cosenza ist Desdemona nur die heimliche Braut des Otello,
während Rodrigo der Sohn des Dogen um sie wirbt. Jago, neidet dem Otello
den Kriegserfolg bei Cypern und verbindet sich mit Rodrigo, die Ehe
Otello-Desdemona zu verhindern. Elmiro, Vater Desdemonas, bittet seine
Tochter sich für ein Fest als Braut zu schmücken. Hier nun fordert er
Desdemona auf, Rodrigo, dem Sohn des Dogen das Ja-Wort zu geben. Otello
erscheint und verkündet, Desdemona habe sich ihm versprochen. An
Desdemonas Treue zweifelt er - Jago schürt dieses Gefühl und aus diesem
heraus ersticht er die Braut in deren Schlafzimmer. Rodrigo und Elmiro
kommen, Desdemona freizugeben, da sie von Jagos Intrige erfuhren, zu
spät.
Nach dem großen
Erfolg seiner 'Aida' wollte Verdi sich eigentlich von der Komposition
zurückziehen. Der Geschäftsmann und Verleger Giulio Riccordi veranlasste
den Librettisten Arrigo Boito bei Verdi vorstellig zu werden und ihm den
Shakespeare-Stoff näherzubringen.
Verdi hatte sich immer für den großen englischen Dramaturgen
interessiert und so war sein 'Macbetto' schon der Einstieg in diesen
Bereich, einen 'Lear' wollte er, den 'Falstaff' realisierte er.
Nach langem Zögern gelang es Boito, das Interesse Verdis zu wecken und
Anfang 1887 fand die Uraufführung in der Scala statt.
Sie dokumentierte die Abwendung von der Nummern-Oper, die gerade Verdi
lange Zeit seines Schaffens beibehielt - 'Rigoletto', 'Traviata',
'Troubadour', 'Ballo' als Beispiele - eine Annäherung an Wagner wurde
ihm mit dem Oello sogleich vorgeworfen.
Arrigo Boito -
Textdichter des 'Otello', Sohn einer polnischen Gräfin und eines
italienischen Miniaturmalers - war der führende Kopf der 'Scapagliatura',
einer Vereinigung, die entsprechend dem ein Jahrhundert vorher
geschehenen 'Sturm-und-Drang' die Kunst Italiens europäisieren wollte.
Nach der Übernahme britischer Schauerdramen führte die italienischen
Oper zu einer Entfesselung von Leidenschaften.
Boito - musikalisch begabt, immerhin komponierte er einen 'Mefistofele'
und einen 'Nerone' - sah mit der 1859 von ihm gegründeten 'Società del
Quartetto' die Notwendigkeit, mit der die in Italien vorherrschenden
Stellung der Oper zu brechen.
Neben den Opern von Giuseppe Verdi wurden zu der Zeit auch die Werke
Richard Wagners aufgeführt: ’Lohengrin’ 1871 in Bologna, ’Tannhäuser’
1872, ’Rienzi’ 1874, ’Holländer’ 1877, der ’Ring’ 1883 in Venedig,
’Tristan’ 1888 in Bologna, ’Meistersinger’ 1889 an der Scala.
Boito, der ’Rienzi’, ’Holländer’ und ’Tristan’ ins italienische
übersetzte, war nach seiner Studienreise 1862 beeindruckt von Richard
Wagners Wirken auf die italienische Halbinsel zurückgekehrt und wurde
dort der Promotor für Wagner.
Boito wollte Italien aus seiner Operseligkeit befreien und stellte - als
er seine eigenen Grenzen nach dem Misserfolg des 'Mefistofele' 1868
erkannte, sein Talent ganz in den Dienst seine Mitbewerbers Verdi
stellte.
Der
gefürchtete Kritiker Hanslick fuhr nicht zur Premiere des 'Otello', um
sich nicht vom Kolorit Italiens beeinflussen zu lassen, studierte den
Klavierauszug, besuchte später eine Repertoirevorstellung und schrieb,
Verdi sei doch ein Musiker, von dem man verlange, dass Musik und Text
übereinstimmten, aber die Musik etwas eigenes haben müsse. Das
abgelieferte musikalische Bild reichte Hanslick nicht.
Das Werk trat trotzdem einen Siegeslauf um die Welt an.
Zeitlich unmittelbar nach der Scala spielten Venedig, Buenos Aires,
Chicago und San Franzisco, Nizza, Baltimore den 'Otello'.
Für Paris wurde eine französische Übersetzung von Boito und Camille du
Locle verfasst, Verdi nahm Änderungen vor und passte dem
Publikumsgeschmack entsprechend, ein Ballett in das 3. Finale ein.
1861 war Wagner mit seinem 'Tannhäuser' eben wegen des Balletts im 1.
Akt statt im 2. Akt wie von Abonnenten des Jockey Clubs gefordert
gescheitert.
1888 kam der 'Otello' zum ersten Mal in New York heraus, ab 1909 sang
Leo Slezak die Titelpartie, die Inszenierung von Jules Speck wurde bis
1937 gespielt, bis eine von Herbert Graf sie ablöste.
Die Rolle des 'Otello' fordert einen Heldentenor, den in all den Jahren
nach der Uraufführung nur wenige wie
Leo
Slezak 1920 als Otello – Foto cantabile-subito.de
…
oder Lauritz Melchior, Max
Lorenz, Hans Beirer, Hans Hopf, Mario del Monaco, Placido Domingo, José
Cura zur Verfügung hatten, ohne dass deren Stimme wegen Überforderung
Schaden nahm.
Screenshot: Nds. Staatsoper Hannover GmbG
Kommentar zur Produktion durch die
Nds. Staatsoper Hannover GmbH
Alles schon dagewesen:
Kauft jemand das Programmheft nicht, fragt er sich gleich beim Aufgehen
des Vorhangs:
„Was soll das?“
Shakespeare und Boito verweisen auf ihre Quelle. Danach spielt das Stück
im 15. Jahrhundert auf Cypern.
Otello, der Anführer der venezianischen Flotte hat eine Seeschlacht
gegen die Türken gewonnen und befindet sich kurz vor dem Ziel, dem Hafen
von Nicosia.
Ging der Kampf gegen die Feinde siegreich zu Ende, so hat das
venezianische Schiff den Hafen wegen tobenden Wetters noch nicht
erreicht:
Doch da nähert sich das Schiff dem Hafen und das an der Pier stehende
Volk jubelt:
Seht das Segel! Die Galeere!
Bei Shakespeare und Boito überwindet es die Felsklippen am Strand und
läuft in den sicheren Hafen ein.
Nichts von dem in Hannover:
Hier: Vogelgezwitscher, ein Zimmer, links ein von hinten erleuchtetes
Fenster mit einer Jalousette. Rechts neben dem Fester ein Kühlschrank.
Links der Mitte der Bühne ein Tisch, ein Stuhl, rechts auf dem Boden
eine Isoliermatte mit einem Plumeau und einem Kopfkissen.
Ein Mann mittleren Alters, im Bademantel schaut zum Fenster hinaus, dann
steigt er mit einem Gewehr über den Stuhl auf den Tisch.
Die Bühnenrückwand fährt hoch. Männer stehen da. Weitere Bühnenrückwände
werden bis zur Hinterbühne hochgefahren, der Chor kann sich von hinten
kommend frei nach vorne bewegen, gelangt bis an das erste Bühnenfeld.
Auf dem Tisch der Mann mit einem Gewehr, er steigt herunter und hört
sich das Singen des den Chores an:
Die schreckliche Finsternis
birst in Flammen und erlischt
in noch tieferer Nacht!!
Er beugt sich erschpft über den Tisch, stützt sich mit den Armen ab und
singt:
Freut euch! Der Stolz der Muselmanen
liegt begraben im Meer!
Der Ruhm ist unser und des Himmels!
Nach unseren Waffen besiegte sie noch der Sturm!
Und da merkt der unbedarfte Zuschauer: das
ist ja der Otello, der Mann da in den Hausschuhen in dem Bademantel.
Otello legt sich über den Tisch – der Chor singt in unmittelbarer Nähe
des Tenors sein
Vittoria! Vittoria!
Sterminio! Sterminio!
Dispersi, distrutti, sepolti nell’orrido
tumulto piombar!
Vittoria! Vittoria!
Vittoria! Vittoria!
so laut, dass der mit dem Oberkörper über
dem Tisch liegend wie am Ende seiner Kräfte wirkt.
In Hannover sieht so ein glorreicher Held aus, der eben in einer
Seeschlacht einen großen Sieg gegen die Muselmanen gewann.
Der Chor, froh seine Passagen gut und ohne zu
klappern über die Rampe gebracht zu haben, geht nach hinten eiligst ab,
denn es wird schon eine rückwärtige Trennwand herunter gefahren. Es
bleiben zwei Fensterelemente offen.
Auch in diesem Bühnenteil jeweils ein Tisch, ein Stuhl, ein Kühlschrank,
wie auch im ersten Bühnensegment vorne.
Otello im Bademantel ist nach rechts
gegangen, auf dem Tisch im zweiten Bühnesegment sitzt einer (das soll
der Rodrigo sein) und am Fenster neben dem Kühlschrank steht einer (der
Jago). Der fängt gleich an zu intrigieren, stichelt
Nur ein Narr
ertränkt sich aus Liebe zu einer Frau!
Und er gibt ja unumwunden zu, dass er den
Mohren hasst.
Wenn der schwache Liebesschwur eines Weibes
kein allzu starker Knoten ist für meinen Witz
oder für die Hölle –
dann schwör ich, dieses Weib wird dein!
Hör, wiewohl ich vorgeb, ihn zu lieben,
hass ich den Mohren.
(Cassio tritt auf und geht zu einer Gruppe von Soldaten.)
Und ein Grund meines Hasses ist der dort, sieh!
(Zeigt auf Cassio.)
Der aufgeputzte Hauptmann
hat meinen Rang geraubt, den Rang,
den ich in hundert guten Schlachten
mir verdient hab;
das war Othellos Wille,
und ich bleibe bei seiner Mohrenhoheit
nur Fähnrich!
Verwirrung für das Publikum, denn es ist kein
Mohr zu sehen.
Es heißt nach den neuesten Vorgaben, dass nur ein Mohr einen Mohren
spielen darf, dass kein Hetero einen Schwulen spielen darf, dass der
Eleazar in der ’Jüdin’ nur von einem Juden dargestellt werden darf..
Also, was nun?
Man lässt einen Weißen den Mohren spielen – entgegen den Vorgaben.
Aber man hat wohl keinen Tenor gefunden, der den Otello singen kann und
auch noch schwarz ist.
Da hatte Regensburg Glück: 1994 sang ein dunkelhäutiger Tenor, nämlich
Moises Parker, die Titelrolle.
Foto:
Main-Post
Jago insistiert weiter bei Rodrigo, der ist
darob ganz verzweifelt, wirft sich über den Tisch
Warum er so exaltiert tut; niemand kann es sagen:
Der weiße Otello ist rechts auf der Bühne zu
sehen und eben von rechts nähert sich dem tisch Tin der Mitte ein
Jüngling, der setzt sich – ohne dazu aufgefordert zu werden an den Tisch
und kramt in Akten.
Rechts auf der Bühne stehen Papierkörbe, deren Inhalt jetzt für das
Feuer der Freude!
des Chores angezündet werden.
Für den Auftritt des Chores von hinten durch die Mitte – Otello rutscht
über den Boden, wo es doch ein Freudenlied ist – (Geheimnis eines
Dramaturgengehirns) - wurden die hinteren Deckwände hochgezogen, so dass
jetzt fünf Bühnensegmente zu sehen sind, alle mit der selben
Adjustierung: Fenster, daneben Kühlschrank, in der Mitte Tisch und
Stuhl.
Der weiße Otello setzt sich in der Mitte der
Bühne auf die Isoliermatte, knudelt sich das Kissen zurecht und hört dem
Chor zu,
Fuoco di gioia, (rip.) rapido brilla!
Splende, s’oscura, palpita, oscilla,
l’ultimo guizzo lampeggia e muor.
- der im Hintergrund zur Musik ein Tänzchen
wagt und langsam nach hinten durch die Mitte abgeht.
Vorne am ersten Tisch bleiben Jago, Rodrigo und Cassion – die
gelegentlich miteinander Rangeln, bis Jago vom Kühlschrank Trinkgefäße
nimmt und sie auf den Tisch knallt zum
Ein kleines Tröpfchen kann ein jeder vertragen
drum, trinke mit mir, trinke mit mir!
Der Deckvorhang zum drittten Segment hebt
sich langsam, dahinter wird der Chor sichtbar, der dort schon auf seinen
Einsatz wartete.
Statt sich volllaufen zu lasen, spielt man
mit Revolvern und mit denen Russischroulette.
Aufgestachelt vom Chor mit seinem
Trinke, trinke, trinke mit mir!
steigt Cassio auf den Stuhl und drückt den Revolver in die Luft ab.
Es hätte ihn getroffen, hätte er die Pistole an die Schläfe gesetzt.
Montano, der die ganze Zeit rechts stand und in den Chor schaute, meint
nun zu Cassio:
die Wache erwartet Euch an der Mole
Cassio torkelt, fält hin, ein wildes Graufe
spielt sich in der Mitte der Bühne vor dem Chor, der sich
sicherheitshalber mal auf den Boden warf, ab,
Dann Auftritt
OTHELLO
Nieder mit den Schwertern!
(Die Kämpfenden halten ein.)
Holla! Was geht hier vor?
Bin ich bei den Sarazenen?
Jago soll Auskunft geben, was hier los war.
Der redet sich mit einem
Non so...
raus,
Otello degradiert
Cassio, du bist nicht länger Hauptmann!
schickt alle raus, die Ruhe in der
Stadt wiederherzustellen.
Um diesen Abgang zu vermeiden, wird der
Dekovorhang zum zweiten Bühnensegment runtergeslassen und Otello bleibt
allein auf der Szene. Grell scheint Licht durch das Fenser links in der
Wand neben dem Kühlschrank.
Otello legt sich auf seine Isoliermatte.
Die Gaze, die den Zuschauerraum von der Bühne
trennte –die Sänger mussten also gegen diese ’Wand’ ansingen’ - wird
hochgezogen.
Von rechts stöckelt eine Frau herein, in
großkariertem Mantel, sie stöckelt in die Bühnenmitte, hebt einen
umgefallenen Stuhl auf, legt die Einkaufstüte auf den Tisch, geht zum
Fenster, schaut hinaus in das grelle Tageslicht, wärend Otello singt
Nun in der nächtgen Stille, verliert sich jeder Ton
(Hier zeigt sich wieder, wie das Hannoversche Publikum von der
Hannoverschen Theaterleitung eingeschätzt wird: Die sind ja doof, denen
können wir ja das nächtliche Liebesduett im prallen Sonnenschein
präsentieren.!)
Desdemona legt den Matel ab, hängt diesen
über den wieder aufgerichteten Stuhl und geht nach rechts zu Otello
hinüber. Die beiden umarmen sich. Man geht zum Tisch in der Mitte der
Bühne.
Erschöpft lässt sich Otello auf dem
bereitstehenden Stuhl nieder, wärend sie antwortet
DESDEMONA
Mein stolzer Krieger! Wie viele Qualen,
wie viele traurige Seufzer und wie viele Hoffnungen
haben uns zu diesen zarten Umarmungen geführt!
O wie süß ist dieses traute Zwiegespräch!
Für das
Als du mir von deinem Leben im Exil erzähltest
und das Folgende geht sie zum Fenster, rutscht neben dem Kühlschrank
auf den Boden und wartet darauf, dass sie hinter ihn treten kann,
während er sein
Ich beschrieb das Getöse der Waffen, den Kampf
und den kühnen Vorstoß in die tödliche Scharte;
den Angriff; die Hände, wie grässliches Gewächs gekrallt
in das Mauerwerk zwischen sausenden Pfeilen!
Er erschrickt, als er sie hinter sich gewahr wird und droht ihr mit
erhobenem linken Arm. Sie duckt sich weg und schlängelt sich mit ihrem
Dann führtest du
mich in schimmernde Wüsten,
zum brennenden Sand, zu deiner Heimaterde,
beschriebst mir die qualvolle Marter
und die Ketten und die Pein der Sklaverei.
an der Wand nach
links entlang zum Fenster, hält sich am Kühlschrank fest.
Dort fixiert Otello sie, zieht sie zu sich auf den Hocker, auf den er
sich gesetzt hat.
Dann für das
Und du liebtest
mich um meines Unglücks willen,
und ich liebte dich für dein Mitleid!
geht er vorn um den
Tisch herum, setzt sich erschöpft auf den Stuhl rechts.
Während des
Tale è il gaudio dell’anima che temo,
temo che più non mi sarà concesso
quest’attimo divino
nell’ignoto avvenir del mio destino
hebt Desdemona den
runtergefallenen Einkaufsbeutel auf, nimmt die leeren Bierdosen vom
Kühlschrank, steckt sie in den Beutel und rennt geradezu nach rechts in
Richtung zum Ausgang, im Vorbeigehen faltet die Decke auf der Iso-Matte
zusammen und geht wieder nach rechts zur Tür.
Otello legt sich auf die Iso-Matte, hebt den
Arm in ihre Richtung, sie nähert sich der Iso-Matte, bleibt neben ihr
stehen, währed seines
un bacio
ancora un bacio!
dreht er sich zur Seite, sie geht nach links zum Stuhl, nimmt ihren
Mantel, zieht ihn an und bei der Zeitansage
Sieh, schon wollen die Plejaden
den Saum des Meeres küssen.
und Desdemonas
Ja, spät zur Nacht ist’s
– wobei hier alles in
strahlendem Sonnenlicht, durch das linke Fenster eindringend – gesungen
wird - stöckelt sie ungerührt hinter Otello
zur Tür nach rechts, kehrt noch einmal in die Mitte zum Tisch zurück,
nimmt von dort den Haustürschlüssel – vieleicht auch Autoschlüssel, das
kann man aus dem ersten Rang nicht ausmachen - mit, den sie da vergessen
hatte und nach Otellos
Komm, Venus soll uns führen
und ihrem
Otello
verlässt Desdemona während des Nachspiels mit knallenden
Stöckelabsätzen die Bühne nach rechts, während sich Otello auf der
Iso-Matte aufrecht sitzend verzeifelt die Haare rauft.
Ende 1. Akt und für ihn spärlicher
Beifal, eine Gruppe im Rang versucht Stimmung zu machen. Als die aber
merken, dass das Publikum nicht mitzieht, lassen sie das
applausheischende Geschrei sein.
Zweiter Akt
Die Bühne
bleibt offen.
Otello erhebt sich, geht nach rechts zur Tür, öffnet sie, der
Trennvorhang fährt hoch, gibt das zweite Bühnensegment frei, Otello
öffnet in diesem auch die Tür rechts, bliebt hinten an der Trennwand
stehen und setzt sich dann an das hintere Tischchen im zweiten
Bühnensegment.
Cassio sürzt von rechts auf die Bühne, offentsichtlich erregt,
verweifelt wegen der Degradierung.
Jago meint, er, Cassio, werde bald zurückkehren zu seiner Bianca
altiero capitano, coll’elsa d’oro
e col balteo fregiato
Cassio zweifelt.
JAGO
Hör, was ich dir sage!
Du musst wissen, dass Desdemona
die Herrin unseres Herren ist,
er lebt nur für sie.
Bitte sie um Beistand, sie ist großherzig
und wird für dich sprechen,
und die Verzeihung ist dir sicher.
CASSIO
Aber wie kann ich mit ihr sprechen?
Die beiden Herren
setzten gegenüber an das Tischchen und Jago erläutert, dass Desdemona ja
immer mittags mit seiner Frau Emilia spazieren geht und da könne er sie
doch ganz einfach ansprechen und sie bitten, bei Otello um Gnade für
sich zu bitten.
Und mit einem
Geh’
schickt er Cassio fort.
Dann Jago mit seinem
Geh’ nur, ich erkenne dein Ziel schon
Zunächst bleibt er am Tisch sitzen, dann springt er auf, rennt nach
links zum Fenster, reißt ungestüm die Jalousette hoch, stützt sich aufs
Fensterbrett, schaut zum Fenster hinaus.und
deckt seine Hintergedanken mit
Ich glaube an einen Gott
auf, während derer er
die Szene mit deutlichen Gesten und Gängen füllt.
An der Bühnenrückwand weiter sitzend: Otello in zeitweise über den Tisch
gebeugter Haltung, dann reglos auf den neben ihm stehenden Kühlschrank
starrend.
Beim
Und dann? Und dann?
auf dem Stuhl am
Tisch sitzend, lacht Jago beim
La Morte è il
Nulla,
laut schallend, steht auf und breitet zum
è vecchia fola il Ciel
die Arme breit befallsheischend
(der übrigens nicht kommt) aus und lacht weiter über sich links zum
Fentster gehend.
Während der Schlussphase des Credo ist Otello vom Stuhl im zweiten
Bühnensgment aufgestanden und hat sich zu Boden fallen lassen.
Das zweite Trennsegment wird hochgefahren, zeigt die dritte ‘Camera
obscura‘, in die Desdemona von rechts auftretend auf die Bühne kam -
wieder im Karomantel – (hat die Frau des venezianischen Staathalteres
auf Cypern nichts anderes als diesen Manel anzuziehen und so schlecht –
immerhin stehen 70 Millionen dem Staatstheater Hannover jährlich zur
Verfügung, dass die erste Sopranistin immer den gleichen Fummel tragen
muss?), - wieder mit einer Einkaufstüte, die sie nun in den auch im
dritten Bühnensegment links bereitstehenden Külschrank entleert.
.
Dann, hinten im dritetn Bühnensegment, Auftritt Cassio von rechts – wenn
er einen Momet schneller gewesen wäre, hätte er auf dem selben Weg vor
Desedemona auf der Bühne sein können, aber so kommt er gerade zu Jagos
vorne links gesungenem
Eccola!... Cassio... a te!
Quest’è il momento.
Aufgeregt torkelt Cassio hinten vor Desdemona herum, setzt sich auf den
bereitstehenden Stuhl, steht wieder auf, diskutiert mit Desdemona, geht
aber dann nach rechts ab, wärend vorne links Jago seine Intrige mit
[…]
Nun muss Othello
hierherkommen!
Hilf, Satan, hilf meinem Plan!
[…]
Mir genügt ein einziger Strahl dieses Lächeln,
um Otello ins Verderben zu ziehen!
spinnt und sich hierzu aufs Fensterbrett vorne links hockt.
Das trennende Vorhangteil fährt zwischen zweitem und dritten
Bühnensegment herunter, Otello hat sich vom Boden – wo er ja seit dem
Ende des Credos herumlag – erhoben und Jago - vorne links auf den Tisch
gelehnt, beantwortet Otellos Frage:
Der da eben von meiner Frau weggeht, ist das Cassio?
[…]
Ich glaube, es war
Cassio.
JAGO
Hütet Euch, gnädiger Herr, vor Eifersucht!
Sie ist ein Ungeheuer, trüb, fahl,
blind, das mit seinem Gift
sich selbst vergiftet, heftiger Schmerz
zerfleischt ihm den Busen!
[…]
Die ehrlichen, edlen Herzen erkennen
oft nicht den Betrug, seid wachsam!
Prüft Desdemonas Rede,
ein Wort kann das Vertrauen bestärken
oder den Verdacht bestätigen!
Währenddessen wird
der Trennvorhang zwischen zweitem Bühnensegment und Hinterbühne
hochgefahren und gibt dem Chor die Möglichkeit, frei aus ins Publikum zu
singen:
Dove guardi splendono
raggi, avvampan cuori,
dove passi scendono
nuvole di fiori.
Die Bühne wird stark
von allen Seiten erhellt, man schlendert auf der Bühne herum, schießt
Knallfrösche ab, aus denen Luftschlangen herunterrieseln, die Otello -
in seinem Bademantel - zwischen den Chorherrschaften herumgehend,
erschrecken.
Es werden Plakate hochgehoben, auf denen etwas auf englisch geschrieben
steht, wohl um diplomatische Beziehungen zu irgendwem zu verbessern.
Die Beleuchtung auf
der Bühne wechselt, wird abgedunkelt. Das Licht durch die linken Fenster
wird hierzu eingefahren, damit Schlagschatten auf den Bühnenwänden
entstehen können.
Otello torkelt durch die aufgestellten
Chorherrschaften, fällt zu Boden, die Bühne wird wieder erhellt, damit
der Chor - rückwärts nach hinten gehend - die Bühne wieder verlassen
kann, ohne zu stolpern.
Eine hellgewandete Dame – es ist Desdemona - ist vorne beim
herumliegende Otello stehen geblieben für ein
Splende il cielo, danza
l’aura, olezza il fior...
[…]
... Gioia, amor, speranza
canton nel mio cuor.
Der Trennwand zwischen dem zweiten und
dritten Bühnensgment wird herunterefahren.
Übrig bleiben die hellgewandete Desdemona, der am Boden hockende Otello,
Jago und links eine Dame, hier die Emilia, die Frau von Jago und
Bedienstete bei Desdemona, singen soll. Bevor sie dies tut, räumt sie
erstmal verschiedene rumstehende Sachen in den Kühlschrank, stöbert ein
Tuch aus dem offenne Fenster, ohne zu schauen, ob nicht gerade unter dem
Fenster jemand vorbeigeht, der die Krümel nun auf den Kopf bekommt. Dann
nimmt sie einen Besen, kehrt Bühnstaub zusammen, wobei die Gefahr von
Staubwolken nicht gebannt wird, die sich auf die Stimmbänder setzen und
die Stimmritzen verstopfen können. (Kommödienstadl in der Nds.
Staatsoper Hannover)
Jago zieht sich das Jakett aus, Desdemona hockt sich in dem hellen Kleid
auf den staubigen Bühnenboden, neigt sich zu Otello und meint:
Für einen Mann, der unter deinem Zorn leidet,
möchte ich bei dir bitten.
Als Otello hört, dass Cassio gemeint ist, für
den Desdemona bittet, muss er ansichhalten und statt Anwort zu geben,
auf ihre Frage
Warum dieser herbe Ton in deiner Stimme?
Welcher Kummer bedrückt dich?
meint er lapidar:
Mir brennen die
Schläfen.
Dies löst nun eine gefährliche Kettenreaktion
aus, denn nun beginnt die Sache mit dem Schnupftuch.
Ihres, aus der Tasche über dem Stuhl im ersten Bühnensegment
hängend,will Desdemona um Otellos Kopf binden, um zur Linderung der
Kopfschmerzen beizutragen. Er nimmt es, schmeißt es auf den Boden, wo
Emilia gerade sauber gekehrt hat. Die steht ganz erschrocken hinten an
der Trennwand, geht nach links hinüber und hebt das Schnupftuch auf. Von
links hat sich Jago ihr genähert und verlangt von Emilia
Gib mir das Tuch,
das du aufgehoben hast!
Nach langem hin und her und mit dem
Schnupftuchherumgewedele, nimmt er es ihr während einer Knutschszene
hinten links am Tisch ab.
Wärend dessen hat Otello mit einer Rausschmeißergeste Desdemona
bedeutet, dass sie durch die von ihm rechts aufgehaltene Türe
verschwinden soll. Sie nimmt ihren Mantel (wieder den schon bekannten
karierten) vom Stuhl in der Mitte (- dem Beoachter nicht erinnerlich,
wie und wann er im Laufe des Abends er dorthin gekommen ist). Dies
festzustellen, müsste eine zweite Vorstellung besucht werden. Das fehlte
noch!
Desdemona schmiegt sich an Otello, Emilia nimmt rechts ihren Mantel (-
wieder dem Beobachter nicht erinnerlich, wie und wann er im Laufe des
Anbends dorthin gekommen ist), Jago wedelt triumpfierend mit dem
Schnupfttuch und das Licht wird wieder hochgefahren.
Die beiden Damen verlassen die Bühne nach
rechts, die ein im ersten, die zweite im zweiten Bühnensegment.
Jetzt JAGO links vor dem Tisch am Stuhl sitzend
Mit diesen Fäden web ich
den Beweis der sündigen Liebe.
In Cassios Wohnung will ich es lassen.
Der Trennvorhang zwischen erstem und zweitem
Segment wird heruntergefahren, Otello bleibt allein im ersen
Bühnensegment in vollem Sonnenglast durch das Fenster links, für sein
Ora e per sempre addio, sante memorie,
addio sublimi incanti del pensier!
Addio schiere fulgenti, addio vittorie,
dardi volanti e volanti corsier!
Addio, addio vessillo trionfale e pio!
e diane squillanti in sul mattin!
Clamori e canti di battaglia, addio!
Della gloria d’Otello è questo il fin!
Irgendwas schüttet er auf den Tisch, die Dose bleibt liegen, das Licht
wird heruntergefahren, der Trennvorhang zum zweiten Bühnensegment wird
hochgehoben und da liegt Jago am Boden, zwischen einigen Mannen, die
nach hinten schauen.
Die Situation ist nicht mehr zu kontrollieren, denn das Schnupftuch tut
seine Wirkung
JAGO
Saht Ihr manchmal in den Händen Desdemonas
ein Tuch, bestickt mit Blumen
und zarter als ein Schleier?
OTHELLO
Das ist das Taschentuch, das ich ihr gab,
das erste Liebespfand.
JAGO
Dieses Taschentuch, gestern – dessen bin ich sicher –
sah ich es in den Händen Cassios.
Die herumstehenden Mannen verteilen sich auf der Bühne – setzen sich da
hin, stehen dort rum.
Otello hat sich hierfür den Bademantel ausgezogen und mit Jagos Hilfe
einen Uniformrock übergezogen. In dem steigt er auf den Tisch, salutiert
sich wohl selbst, denn nun schafft er sein
Ah! sangue! sangue! sangue!
Jago hat erreicht, was er wollte. Otello zu verunsichern, ihn in Panik
zu stürzen, ihn vom klaren Denken abzubringen, ihn in emotionales Chaos
zu stürzen.
Jetzt steigt Jago über den Hocker hinauf zu Otello auf den Tisch und der
zweite Akt endet mit dem gemeinsamen
Sì, pel ciel
marmoreo giuro!
Per le attorte
folgori, ecc.
Dio vendicator!
Dritter Akt
Der Vorhang hebt sich. Eine von der Requisite als unaufgeräumte
Spielstätte hergerichtete Bühne. Überall liegt etwas am Boden, obwohl
doch Emilia zum Schluss des zweiten Aktes den Boden so sorgfältig
abgekehrt hatte.
Hier jetzt umgefallene Stühle, selbst der Kühlschrank im vierten
Bühnensegment liegt umgefallen am Boden.
Im Bühnenhintergrund raucht irgendwas, jedenfalls steigen
Qualmwolken auf.
Otello von rechts.
JAGO
Die Hafenwache meldet
das Schiff aus Venedig,
das die Gesandten nach Zypern bringt.
OTHELLO
Es ist gut.
Sprich weiter.
JAGO
Ich bring Cassio hierher, und mit schlauen
Fragen verleit ich ihn zum Schwatzen
Ihr verbergt Euch
dort,
ergründet sein Verhalten,
seine Worte, Mienen und Gesten.
Seid geduldig,
sonst entgeht Euch der Beweis.
Da kommt Desdemona. Ihr müsst Euch verstellen
ich gehe.
Von rechts Desdemona. Otello nimmt ihr den
großkarierten Mantel ab, hängt ihn orentlich neben der Tür an die Wand,
geleitet sie zum Tisch im zweiten Bühnesegment, sie setzt sicht, hängt
ihre Umhängetache über die Lehne.
Otello setzt sich ihr gegenüber für das Gespräch bis hin zu seinem
Schon wieder befällt mich meine Schwäche.
Bind mir die Stirn.
Er will nicht das Tuch, was sie ihm reicht,
er will das, was er ihr schenkte, denn in dem lebe ein Zauber
Hüte dich! Es zu
verlieren
oder zu verschenken bringt Unheil!
Voller Aufregung, das dumme Taschentuch nicht zu finden, kramt sie
noch mal in ihrer Umhängetasche. Otello entreißt ihr die, schütten den
In halt auf den Boden:
kein Taschentuch.
Um ihn von der Taschentuchaffäre abzulenken, fängt sie nun
ausgerechnet wieder mit Cassio an, der ja das rote Tuch für Otello ist,
sie bittet für den degradierten Hauptmann – und hierfür hinter ihr
hereingeschlichen: Jago.
Sie redet von Cassio, Otello
schmettert ihr ein
Il fazzoletto!
entgegen.
Die Sache eskaliert:
OTELLO
Che? non sei forse
una vil cortigiana?
Desdemona weicht nach rechts zur Tür aus, muss beim rückwärtsgehen
aufpassen, nicht über dass Graffel am Boden zu stolpern, das auf Geheiß
der Regie und der Dramaturgie dort ausgebreitet wurde.
Sie öffnet rechts die Tür, will ihm entkommen, er schnappt sie sich und
schmeißt sie auf den Boden
Jago schaut im Hintergrund interessiert zu, zieht sich aber langsam
rückwärts schreitend in den Schatten der Hinterbühne zurück.
Otello hebt Desdemona vom Boden auf, er nimmt
sie in den Arm, man wagt ein paar gemeinsame Tanzschritte.
Da, sein nächster Wutausbruch, sie greift nach ihrem Mantel neben der
Tür, will hinaus, da sieht sie, dass Otello zu Boden gesunken ist, sie
eilt hinüber zu ihm.
Für
DESDEMONAS
Ah! Ich bin nicht, was dieses
abscheuliche Wort besagt!
Otello wirft sie auf den Stuhl und meint
Reicht mir noch einmal Eure
elfenbeinerne Hand:
Ich will Euch Abbitte tun.
Ich hielt Euch für – verzeiht,
wenn mein Gedanke arg ist –
für jene gemeine Dirne,
die Othellos Gattin ist.
Er will auf sie einschlagen, sie weicht zurück
an die Tür und kann entfliehen.
Otello, voller Verzweiflung, zurück zum
Tisch, reißt das Tischtuch mit allem, was auf dem Tisch steht, herunter
und bricht hinter dem Tisch zusammen. Er kriecht auf die Vorderbühne für
sein
Erloschen ist die Sonne,
das Lächeln, das Licht,
das mich belebte, das mich selig machte
Von rechts Jago, umfasst den sich
wieder erhoben habenden Otello, hebt den Tisch aus dem zweiten
Bühnensegment ins erste, richtet die Sitzgelegenheit und läuft wieder
nach rechts.
Von rechts Auftritt Cassio und
JAGO
Vieni; l’aula è deserta.
T’inoltra, o Capitano.
CASSIO
Questo nome d’onor
suona ancor vano per me.
JAGO
Nur Mut! Deine Sache ist in guten Händen;
der Sieg ist dir sicher.
CASSIO
Ich glaubte, hier Desdemona zu finden.
JAGO
Erwarte sie.
Cassio geht nach links zum Tisch, zieht sich
das Jackett aus und setzt sich auf den Tisch, Jago hatte vom Kühlschrank
Dosen geholt.
Rechts im Hintergrund: Otello, er kommt
näher, um das Gespräch von Cassio mit Jago zu belauschen.
Hier gilt es zu bemerken, dass zwei Tenöre von der Regie zusammengeführt
werden, die nach Motto agieren:
Huch, ich kann dich garnicht sehen.
Die Szene ist in dem hellen Lich aus vier Fenstern links an der
Seite so spektakulär, dass man rufen möchte:
Otello, pass auf, das Krokodil!
Unbeschreiblich, geradezu dämlich, was dem Publikum von der
Hannover’schen Theaterleitung geboten wird!
Die Peinlichkeit endet bei
Otello
Verrat!
Verrat! Verrat!
Den Beweis,
den furchtbaren Beweis
zeigst du der Sonne!
Fanfaren!
Die Ankunft des Schiffes aus Venedig.
Cassio zieht sich sein Jakett an und geht nach rechts durch die Tür ab.
Auftritt von dort Mannen, die die Bühne für den empfang der
venezianischen Delegation herrichtend..
Otello hat sich auch eine Uniformjacke übergezogen und erwartet die
Delegierten.
JAGO
[…]
Da kommen die Gesandten.
Empfangt sie,
doch um Argwohn zu vermeiden,
sollte sich Desdemona den Herren zeigen.
OTELLO
Ja, führ sie her!
Der Chor
strömt von hinten durch die Mitte herein und beginnt sein
Viva! Evviva!
Viva il Leone di San Marco!
Die Bühne erstrahlt im hellsten Rampenlicht,
man salutiert sich gegenseitig zu und wartet auf
LODOVICO
(tenendo una pergamena avvoltata in mano)
con suo
Il Doge ed il Senato salutano
l’eroe trionfatore di Cipro.
Io reco nelle vostre mani
il messaggio dogale.
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LODOVICO
(mit einer versiegelten Pergamentrolle in der Hand) mit
seinem
Der Doge und der Rat der Zehn
grüßen den siegreichen Helden von Zypern.
Ich gebe in Eure Hand
die Botschaft des Dogen.
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Otello setzt sich an den Tisch, um die
Botschaft zu lesen, da betritt Desedemona – wieder in den großkarierten
Mantel gehüllt - durch die Tür rechts die Szene und singt:
Emilia, eine dunkle Wolke
verfinstert Othellos Sinn
und mein Schicksal.
Sie bleibt in der Tür stehen und
fängt wieder von Cassio an, der vom Botschafter vermisst wird.
JAGO
Othello zürnt ihm.
DESDEMONA
Ich glaube, er wird Gnade finden
Sie stöckelt auf ihren hohen
Absätzen in die Nähe des Tisches, wo Otello noch die Botschaft studiert,
worin steht, dass Otello nach Venedig ins Hauptquartier zurückgerufen
wird. Nun steht er auf und verkündet
OTHELLO
... und wählt als meinen Nachfolger in Zypern
einen Mann, der unter meinem Banner kämpfte:
Cassio.
Damit ist wieder einer ausgebootet:
JAGO (überrascht, für sich)
Hölle und Tod!
Desdemona hatte sich dem Tisch genähert, geht auf Otello am Fenster (die
Jalousetten übrigens alle schiefhängend in ihren Führungsleisten) zu,
der greift sie am Arm, zerrt sie in die Mitte und schleudert sie zu
Boden
Zu Boden! Und heule!
Große Überraschung:
Nicht Desdemona stürzt zu Boden, sondern sie stößt Otello hinab.
Ihr Text
Am Boden! Ja! Im niederen Staub!
Geschlagen! So lieg ich hier!
Ich weine – geschüttelt vom Schauder
meiner sterbenden Seele!
stimmt nun überhaupt nicht mehr mit der Action auf der Szene
überein, denn sie steht da auf ihren hochhackigen Schuhen, in dem
karierten Mantel und Otello liegt am Boden.
Die sie umgebenden Ensemblemitglieder sehen nun, wie sie sich auf die
Knie niederlässt für ihr
Quel sol sereno e vivido
che allieta il ciel e il mare,
non può sciugar le amare stille
del mio dolor,
le amare stille del mio dolor!
Bei
LODOVICO
Egil la man funerea...
erhebt sie sich, nimmt ihre Umhängetasche vom Boden und geht rechts zur
Tür.
Jago, der links am hell erleuchteten Fenster stand, beugt sich nun zum
noch immer am Boden liegenden Otello hinab, redet auf ihn ein.
Der zieht sich am Tisch empor, geht torkelnd auf Desdemona nach rechts
zu, sie hebt abwehrend die Hand, er geht weiter auf sie zu, da verlässt
sie die Bühne und Wärter kommen herein, schieben Otello zum Tisch, legen
ihn quer darüber, fesseln ihn und gehen mit ihm nach rechts auf die Tür
zu. Da erscheint noch einmal Desdemona, versucht den einen Wärter zu
beeinflussen, der gerade eine Durchsage per Funk macht. Otello beendet
mit seinem
Anima mia, ti maledico!
die Szene.
Er wird nach rechts abgeführt. Desdemona schaut zu und geht hinter der
Gruppe ab.
Der Trennvorhang zum zweien Segment fährt herunter.
MÄNNERSTIMMEN
(Bühnenmusik)
Hoch! Hoch Othello!
Heil dem Löwen von Venedig!
Jago allein links am hell erleuchteten Fenster, setzt sich,
trinkt wohl Flüssiges aus einer Dose, zerdrückt sie und meint:
Da seht den Löwen!
Vierter Akt
Nach einer Pause von ca. 3 Minuten, während
derer das Orchester die Instrument nachstimt, was die Vorstellung
zereisst, zeigt sich die Bühne mit zwei Segmenten. Leichtes Tageslicht
scheit durch die beiden Fenster, die Jalousetten wurden in der
Umbaupause wieder repariert.
Zu sehen ist links, statt des dort sonst immer stehenden Kühlschrankes
ein Sessel, in der Mitte ein großes Bett.
Im vorderen Bühnensegment links neben dem Fenster der obligate
Kühlschrank, ein Tisch, ein Stuhl, ein Hocker.
Rechts neben dem Bett auf einem ausgelegten Bettvorleger zwei Kinder.
Sie hantieren mit Spielsachen herum.
Emilia ordnet irgend etwas am Tisch, geht zum
Kühlschrank, holt eine Flasche heraus, gießt etwas in ein Trinkgefäß,
schaut zu Desdemona, die links neben dem Bett steht und sich dort mit
etwas beschäftigt, Emilia bringt die Flasche wieder in den Kühlschrank.
Desdemona läuft für
Emilia, ich bitte dich,
leg auf mein Bett
mein weißes Brautkleid
auf Emilia zu, umarmt sie, geht zum Fester,
schiebt die Jalousette zur Seite, um hinauszuschauen.
Für das
Mia madre aveva una povera ancella,
innamorata e bella;
era il suo nome Barbara;
läuft sie nach rechst zu den Kindern auf dem
Bettvorleger.
Emilia steht links am Fenster des zweiten Bühnesegments und schaut
hinaus.
Desdemona geht mit den Kindern zum Tisch, sie
setzen sich um ihn, sie steht wieder auf, geht um den Tisch herum, hockt
sich rechts zu den Kindern für das
O Weide! Weide! Weide!
Sie saß, den Kopf auf die Brust geneigt.
Weide! Weide! Weide!
Singt, singt!
Die Trauerweide soll mein Kranz sein!
Die Kinder laufen
nach rechts, verschwinden in der rechten Tür,
das Mädel kommt wieder heraus, läuft zu Desdemona, die ihre Phrase
Il salce funebre sarà la mia ghirlanda.
Scendean l’aucelli a vol dai rami cupi
verso quel dolce canto.
E gli occhi suoi piangean tanto, tanto,
da impietosir le rupi.”
singt.
Die Kinder im Bett,
dann die Kinder auf dem Bettvorleger, dann wieder im Bett.
Zum
Ah! Emilia, Emilia, addio!
geleitet Desdemona Emilia zur Tür rechts, die zieht ihren Mantel an
und geht durch die Tür rechts ab.
Dort an der Tür singt Desdemona ihr
Ave Maria!
Sie schließt die Tür ab, schaltet die Hauptbeleuchtung aus, nur
durch die Fester links scheint Licht herein.
Sie legt sich zu den Kindern aufs Bett.
Zum Klopfen und ihrem
Wer ist da?
läuft der Junge zur Tür, öffnet sie.
Otello tritt auf und schaltete die Hauptbeleuchtung wieder ein.
Er hebt die Kleine auf den Arm, setzt sie wieder ab, streicht ihr
über den Kopf und fragt Desdemona
Habt ihr heute schon zur Nacht gebetet?
Für die kommende Auseinandersetzung schiebt sie die Kinder nach
rechts durch die Tür im zweiten Bühnesegment ab, während Otello neben
der Tür im ersten Segment ein Gewehr holt und zum Tisch geht.
Von dort treibt er Desdemona während der verbalen Auseinandersetzung um
Cassio über die Bühne, sie flieht ins Bett.
Otello erstickt sie mit dem Gewehr.
Auftritt Emilia durch
die erste Tür rechts mit der Botschaft, dass Cassio Rodrigo getötet hat
und lebt.
Dann stürzt sie von der Bühne ab, ruft:
Otello hat Desdemona getötet!
Die Trennwand zum
dritten Bühnensegment und zur Hinterbühne hoch, dort stehen
Mannschaften.
Mit dem
La spada a me!
entwaffnet man Otello. Es folgt das
Jeder Knabe kann mein Schwert mir entreißen
Das Trennelement zum zweiten Bühnensegment
fährt herunter. Otello vor diesem lässt den Morgenmantel Desdemonas auf
den Boden fallen, kniet sich zu ihm hin, dann legt er sich beim
un bacio... un bacio ancora...
ah!... un’altro bacio...
Da kommt von rechts durch die erste Tür Desdemona, mit Einkaufstüte,
sie stöckelt laut mit den hohen Absätzen auf den Bühnenboden knallend
nach links, schaut auf den am Boden liegenden Otello, geht zum Tisch,
legt die Einkaufstüte ab und schaut reglos in Richtung Otello am Boden.
Licht aus, auch die Rahmenbeleuchtung der Bühne.
Der Vorhang fällt schnell.
Fazit
Die Grundidee zum Stück wird auf eine Sammlung Prosa des
italienischen Autors Giovanni Battista Giraldi Cinzio zurückgeführt, die
er während seiner Lebenszeit von 1504 bis
30. Dezember 1573 in Ferrara verfasste und auf die Shakespeare
zurückgriff.
Eines dieser Prosastücke befasst sich mit einem Hauptmann Cristoforo
Moro, der in eine Eifersuchtsaffäre in Bezug auf seine Ehefrau Disdemona
hineingezogen wird, wobei Shakespeare der Zentralfigur eine dunkle
Hautfarbe verleiht und damit die Rassenfrage anspricht und diese zum
zentralen Thema des Außenseiters macht.
Wie sind die Rollen angelegt?
Wer ist Desdemona, wer ist Otello?
Und wer ist die treibende Kraft?
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Zitat
Ist Jago das Böse?
Wer oder was
ist Jago? Interessant ist das starke Gefühl, welches man schon
mit Wissen gleich- setzen kann, dass Jago, selbst wenn er
befördert worden wäre, wieder unzufrieden geworden wäre. Er
hätte sich ein neues Ziel seiner Wünsche gesucht und bei
Nichterfüllung dieses Wun- sches genauso gekränkt und bösartig
reagiert, wie es von Verdi (und Shakespeare) dargestellt wird.
Selbst wenn alle Wünsche Jagos sich erfüllen würden und er am
Ende der Herrscher der Welt wäre, würde er in einem finalen
endzeitlichen Feuerwerk die ganze Welt aus Bosheit und Wut
zerstören.
Jago erscheint damit nicht als Mensch. Viele Autoren (z.B.
Bachmann), ja sogar Boito selbst haben zwar sein Mensch-Sein
immer wieder betont, seine Darstellung in der Oper Verdis ist
aber eher die eines Prinzips. Ähnlich wie Desdemona nicht als
Mensch dargestellt wird, sondern als Prinzip des Guten, der
Barmherzigkeit, der Liebe und Duldsamkeit. Jago ist das Prinzip
des Bösen, des Zerstörerischen, des immer mehr Wollens. Damit
deutet die Figur des Jago in die Richtung Mephistos. Seine Taten
wirken unmenschlich, denn kein normaler Mensch vermag so viel
Böses in solchen Intrigen zu spinnen, nur weil er nicht
befördert wurde. Er handelt „nicht schurkisch, sondern
bestialisch, wenn das nicht ein zu gelinder Ausdruck wäre“
Jago w
i l l böse sein und weiß, dass er böse ist. Er
steht damit im Kontrast zu vielen anderen tragischen Helden
Shakespeares und anderer Bühnenautoren. Weder Shakespeares
Macbeth noch Hamlet wollen böse sein. Die Situation in denen
sich beide befinden, führt aber zu Tragik und damit zum Bösen
durch die Umstände und durch falsches, nicht angemessenes
Handeln bzw. Nicht-Handeln der Helden. Als weiteres Beispiel
kann der griechische Sagenheld Ödipus dienen, auch er will nicht
böse handeln, kann aber im Rahmen seiner Möglichkeiten nicht
anders und wird damit schuldlos schuldig. Selbst bei dem
Antihelden Richard III. unterlässt es Shakespeare nicht, die
Gründe für dessen Bösartigkeit in einem Monolog zu benennen.
Jago aber ist anders. Ist er damit das Böse?
Zitatende
Quelle:
https://www.grin.com/document/457723 |
Betrachtet man das an der Staatsoper Hannover Gesehene,
stellen sich unter anderen folgende Fragen:
•
Warum hat man nicht die aktuelle Situation in Bezug auf
‚Black Lives Matter’ zugrunde gelegt, wenn man überhaupt
verheutigen wollte?.
• Warum
wird Otello als ’torkelnder Tatel’ von Anfang an
gezeigt, was nicht Boitos Rollenvorstellung und somit nicht
dem gesungenen Text entsprechen kann?
• Warum
wird Desdemona als ’rasante Tante’ vorgeführt, die
nicht rollendeckend überzeugen kann? Bei Boito soll gera-
de sie zum herrisch auftretenden Otello das sanfte Gegen-
teil sein, das von ihrer Umwelt in den Schmutz gezogen
wird.
• Was
sollen die beiden Kinder? Warum nur zwei?
Warum hat man nicht zu ihnen noch Hunde, Katzen, Meer-
schweinchen, Karnickel auf die Bühne gebeten, wenn man
damit den Erfolg einer Produktion sicherstellen kann, wie
es im Theater Regensburg im Programmheft von Taboris
'Mein Kampf' bei der Nennung des auf der Bühne mitspie-
lenden Geflügels hieß:
"Wir danken Frau Islinger für die Hühner!"
• Warum betritt
Desdemona – nach dem Otello in der Vor-
stellung am 21.11.2021 versuchte, sich mit einem Revol-
ver zu töten (er knickste nur, außerdem bewegte sich der
Sänger auch nach diesem wohl technisch verunglückten
Schuss noch, richtet das Kopfkissen und legt sich nieder) –
während der letzten Takte von rechts aus der Tür kommen
noch einmal die Bühne, stelzt zum Tisch in der Mitte der
Bühne, legt ihren Einkaufsbeutel auf ihm ab und schaut
betreten zu Otello am Boden?
Und hier noch ein Text der Nds. Staatsoper Hannover:
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Zitat
Otello
Dramma lirico von Giuseppe Verdi
Ein Mann, beruflich in angesehener
gesellschaftlicher Position, privat beneideter Gatte einer
schönen Frau, in der Abwärtsspirale. Im Irrglauben der
Verteidigung zerstört er Schritt für Schritt sein persönliches
Leben, seine berufliche Stellung und seine große Liebe. Am Ende
wird Otello zum eifersüchtigen Mörder an seiner unschuldigen
Ehefrau. Warum? Der Krieg hinterlässt nicht nur tote Feinde, er
traumatisiert auch den Sieger. Otellos Kriegserlebnisse lassen
ihn nicht los. Das Vertrauen in andere Menschen, Voraussetzung
für ein ziviles Zusammenleben, kehrt nicht zurück. Die Liebe
seiner Frau Desdemona kann nicht verhindern, dass Otellos
Soldatenperspektive auch in der Ehe zum persönlichen
Selbstverteidigungswahn wird. Was ihm im Beruf Orden und
Würdigung einbringt, macht ihn im zivilen Leben zum Mörder
seiner Frau. Otellos Tragik ist, Täter und Opfer gleichermaßen
zu sein. Die Gesellschaft, deren Wohlstand er als Soldat
sicherte, sieht teils gleichgültig, teils verurteilend seinem
zerstörerischen Verhalten im Privaten zu – sie lässt den
Menschen Otello zugrunde gehen. Giuseppe Verdis Oper formuliert
den Vorwurf der Doppelmoral schonungslos.
So 06.02.
um 16:00 Uhr
Zitatende
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Quelle Nds. Staatsoper Hannover GmbH
Das Stück gibt diese
Darstellung überhaupt nicht her.
Nichts von diesem Dramaturgengeschwafel kann der Zuschauer erkennen.
Diese verfälschte Darstellung des Werkes erschließ sich nicht.
Daher die Empfehlung an die Nds. Staatsoper Hannover:
Licht aus!
Vorhang runter!
Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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