Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften 
zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

"Wann geht der nächste Schwan?"


Bemerkungen zur szenischen Umsetzung von
'Lohengrin'
Große romantische Oper in drei Aufzügen
von Richard Wagner
gegeben an der Nds. Staatsoper Hannover
am 14.9.2025

 

Mitteilung der Nds. Staatsoper Hannover

Zitat
Lohengrin
Romantische Oper von Richard Wagner
Libretto vom Komponisten

Koproduktion mit der Opéra National de Lyon
Einführung: 45 Minuten vor Beginn Deutsch mit deutschen und englischen Übertiteln
  • Musikalische Leitung Stephan Zilias / Mario Hartmuth

  • Inszenierung Richard Brunel

  • Mitarbeit Regie Catherine Ailloud-Nicolas

  • Bühne Anouk Dell'Aiera

  • Kostüme Nathalie Pallandre

  • Licht Laurent Castaingt / Andreas Schmidt

  • Chor Lorenzo Da Rio

  • Dramaturgie Ann-Christine Mecke

  • Xchange Kirsten Corbett

     

  • Heinrich der Vogler, deutscher König Shavleg Armasi

  • Lohengrin Maximilian Schmitt

  • Elsa von Brabant Viktorija Kaminskaite

  • Herzog Gottfried, ihr Bruder Statisterie der Staatsoper Hannover

  • Friedrich von Telramund, brabantischer Graf Grga Peroš

  • Ortrud, seine Gemahlin Ewa Vesin

  • Der Heerrufer des Königs Peter Schöne

  • Vier brabantische Edle Constantin Bauer / Chanhee Cho / Bowen Ding / Dongryeol Kim

  • Vier Edelknaben Daniela Butina / Barbara Carta / Hye Jin Eun / Sandra Firrincieli / Soa Park / Diana Piticas / Clarissa Reif / Eunjeong Song

     

  • Chor der Staatsoper Hannover

  • Extrachor der Staatsoper Hannover

  • Statisterie der Staatsoper Hannover

  • Niedersächsisches Staatsorchester Hannover

Zitatende
Quelle: https://staatstheater-hannover.de/de_DE/programm/lohengrin.1378516
 

Zitat

So, wie Richard Wagners Oper die historische Figur von Heinrich I. mit der Legende um den heiligen Gral verbindet, martialische Chöre mit ätherischen Klängen, verbindet Richard Brunel in seiner Inszenierung die Frage nach dem Zusammenhang von Macht und Gerechtigkeit mit tiefenpsychologisch inspirierten Bildern.













Zitatende
Quelle: Nds Staatstheater GmbH - Fotos wie im Bild angegeben

 

 

Kommentar:

Geradezu anmaßend wie hier Richard
Brunel mit Richard Wagner verglichen wird, gemessen an dem Schmarrn der hinten dabei rauskommt:

So, wie Richard Wagners Oper die historische Figur von Heinrich I. mit der Legende um den heiligen Gral verbindet, [...]
verbindet Richard Brunel in seiner Inszenierung die Frage nach dem Zusammenhang von Macht und Gerechtigkeit mit tiefenpsychologisch inspirierten Bildern.

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Schriftverkehr

                                                                                                                                   

Frau
Ann-Christine Mecke
Dramaturgin an der Niedersächsische Staatsoper Hannover
Opernplatz 1
30175 Hannover

                                                                                                                   16.9.2025

Sehr geehrte Frau Mecke,
der Herr Geschäftsführer der Nds. Staatsoper Hannover beauftragte Herrn Richard Brunel, Richard Wagners romantische Oper 'Lohengrin' in Szene zu setzen.

Er konnte den Auftrag nicht erfüllen, der Versuch misslang.

Um Ihnen die Arbeit in Zukunft bei der zu befürchtenden Wiederaufnahme der Produktion zu erleichtern, stellen wir Fragen zur Ihrer szenischen Umsetzung des Werkes und geben wir Ihnen nachfolgend einige Hinweise zum Thema.

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass unter dem Begriff 'romantisch' folgendes KI-gesteuert zu verstehen ist

Zitat:
"Romantik" bezieht sich sowohl auf die kulturelle Epoche der Romantik (ca. 1795–1848) als auch auf den allgemeinen Begriff für gefühlsbetonte, nicht-rationale Empfindungen, Liebe oder Fantasie, die heute eine Rolle spielen. Die Epoche war eine Reaktion auf die Aufklärung, die Gefühle, Naturverbundenheit, Sehnsucht und das Unbewusste in den Vordergrund rückte, während im heutigen Sprachgebrauch "romantisch" oft für eine gefühlvolle, sentimentale Atmosphäre verwendet wird, etwa in "romantischen Stunden".
Zitatende 
Quelle: Wikipedia

Sie lassen auf dem Besetzungszettel schreiben: "Lohengrin von Richard Wagner".

Da sie auf der Bühne etwas anderes zeigen, als Richard Wagner vorgibt, handelt es sich hier um eine Täuschung der Öffentlichkeit mit allen rechtlichen Konsequenzen.

Hinzu kommen aus unserer Sicht folgende Grundsätzlichkeiten:

Zitat

'Das deutsche Mittelalter in einer prägnanten Farbe' ...

.... meint Richard Wagner - in 'Mein Leben', München, 1989, auf Seite 224 beschrieben - für seinen 'Lohengrin' gefunden zu haben, als er sich sehr sorgfältig mit den ihm zur Verfügung stehenden Quellen für diese romantische Oper auseinandersetzt. Aus der Grimm'schen Sagensammlung übernimmt er die Motive der Halskette, das Verbringen von Kindern in den Wald und die Verwandlung von Menschen in Schwäne. Als Dramaturg erstellt er so aus den mittelalterlichen Dichtungen und tradierten Überlieferungen ein komprimiertes Handlungsgeflecht, das die Figuren in den zeitlichen Rahmen von drei Tagen stellt. Entscheidend ist allerdings, dass die Handlungsstränge ihre Ausgangslage in der Vorgeschichte des Stückes und damit die Entscheidung für den Ablauf in Ortruds realem oder vermeintlichem Anspruch auf das Herzogtum Brabant haben.

Dies ist der Auslöser für das Geschehen auf der Bühne. Ohne die Grundhaltung der Ortrud gäbe es keine Notwendigkeit, Lohengrin erscheinen zu lassen und das Gift des Zweifels in Elsas Herz zu gießen.

Die Figur der Gegenspielerin der weiblichen Lichtgestalt Elsa, 'Die Böse’, ist nicht in allen Quellen zum 'Lohengrin’ gegeben. Sie wird im 'Baierischen Lohengrin' als 'die von Kleve' angeführt: 

Daz maer in allen was nû zart,
wan der einen, der ir wirt gevellet wart
von im ze Antwerf, dô er quam geslichen
Un valt mit tioste den von Kleven,
daz man in verquetschet ûdem ros muost heven,
wan im sîn zesmer arme was entwichen.

Diu sprach nû gar zühhteclîh 'ich hân erbiten kûû
Daz ich den degen hân gesehen,
dem sô gar diu menige kann des lobes iehen
und wie er in dem strît die dicke rûme.'

Sie sprach: 'er tiurt die kristenheit.
Sicherlîch, als ir uns, vrouwe, habt geseit,
sô hât der kristen geloube sîn genozzen.
Und waer er niur dar zuo geborn,
daz sîn lop niht adelshalbe waer verlorn.
sô ist ot er weizwann dort her gevlozzen,

Dáz niemant gewizzen kann, welh ent sîn adel reiche.'
daz wort der herzoginne gie
in daz herze, dâ von sie ein route gevie,
die nam ir ab ein snellclîchiu bleiche.

(Cramer, Thomas: Lohengrin, München, 1971, Vers 692, Seite 535)


War Wagner anfänglich davon ausgegangen, seine Romantische Oper Lohengrin glücklich ausgehen zu lassen, Hermann Francke aus Breslau war einer der Verfechter, so kehrte er auch unterstützt von außen, Adolf Stahr, einer der einflussreichsten Kritiker des Vor- und Nachmärz fand, dass Lohengrin gar keine solche Lichtgestalt sei, denn er verlangt von den Menschen etwas Inhumanes, nämlich Gehorsam gegenüber jemanden, den man gar nicht kennt - zum negativen Ende zurück.

Besonderen Einfluss auf den Schluss des Werkes nahm auch die Gattin des damaligen Intendanten der königlich sächsischen Oper in Dresden, Ida von Lüttichau. Der Lohengrin habe so - eben mit der Abberufung durch den Gral zu enden und nicht anders. (ML Seite 340)

Wagner sah sich als Revolutionär in künstlerischer wie auch in politischer Hinsicht, meinte er doch, in seiner Königstreue, den Monarchen als ersten Republikaner des Staates zu erkennen.
Im Lohengrin vermischt sich Wagners Sicht auf das Mittelalter mit seiner Situation um 1845 als die Prosafassung zum Lohengrin in Marienbad entstand. Eine Revolution habe nach Wagners Ansicht von einer herausragenden Person geleitet zu werden, so projizierte er die Führung dieser Veränderung auf eine Gestalt von oben - hier also des Lohengrin, während das Volk eine passive Masse bleibt, ohne selbst einzugreifen, also nur dem Befehl in voller Sympathie zum 'Führer' zu folgen.

Dies hat zwangsläufig einer Gefühlsüberfrachtung des Verstandes zur Folge, man betrachtet die Welt, erkennt sie als schön, ohne Zuhilfenahme des Intellekts, der diese gefühlsmäßige Erkenntnis in Frage stellen könnte.
Schönheit als unreflektierter Anfang von Wahrheit?

Lohengrin verbietet daher die Nachfrage in Bezug auf seine Person, man habe zu glauben - daraus ergebe sich die Wahrheit.
Die Zeit der Aufklärung widersprach dem Glaubensgedanken und so lässt Wagner die Ortrud als eine Verfechterin des Realismus in der Natur, Elsa verleiten, nachzufragen und eben nicht zu glauben, es werde schon seine Richtigkeit haben, mit der da gekommen ist, denn "wer glaubt, ist nie allein."
Wagner sah sich selber als Künstler in der Gestalt des Lohengrin, der Heilsbringer für die Oper, für das Theater, an den man einfach zu glauben habe

Elsa widersetzt sich den Vorgaben von Lohengrin, nach seiner Person nicht zu fragen, so dass sie Schuld trägt, Lohengrin an der menschlichen Liebe nicht teilhaben lässt, sondern auch noch die Gesellschaft ins Unglück stürzt, da der Segen nun - durch der Rückkehr des Heilsbringers in den Gral - nicht kommen kann.
Elsa also nicht nur die 'Nicht-Erlöserin' im engen Raum der unmittelbar Betroffenen, sondern eben auch für die Menschen als solche.

Durch das Erscheinen Gottfrieds wird die Rückkehr zum alten Schema der Herrschaft eingeleitet. Die Menschen waren und sind nicht so weit, das Heil zu erkennen, das ihnen von einer größeren Macht zuerkannt werden soll

'Ortrud'
Studien zur negativen Frauenfigur im Lohengrin von Richard Wagner

0.1
Einleitung
Der schöpferische Vorgang der Entstehung des Lohengrin mit der Kontrastfigur der Ortrud zur Elsa ist stark geprägt von Richard Wagners persönlichen Lebensumständen. Sie dokumentieren sich in seinen Briefen und in Äußerungen von Zeitzeugen.
Durch die Analyse des dramatischen und musikalischen Materials wird eine kritische Sicht auf die Figur der Ortrud entwickelt, die - bis zum 28. April 1848— verfasst, sich auf 'Sämtlichen Schriften und Dichtungen' von 1871 stützt, somit keine Rezeptionsgeschichte darstellt.
Aussagen aus 'Mein Leben' und in den Tagebüchern Cosimas sind daher in Bezug auf die Entstehung des Lohengrin nur mit dem gebotenen Vorbehalt verwendet, da die zeitliche Distanz, die veränderte Lebenssituation und Cosimas Einfluss zu modifizierter Selbstinterpretation führten.
Verglichen mit den Frauenfiguren Senta, Elisabeth, deren Aufgabe die Erlösung des Mannes ist, stellt Ortrud, durch ihren auf das Praktische, Nächstliegende gerichteten Verstand, einen neuen und für den Übergang in die Mitte des 19. Jahrhunderts gehenden neuen Frauentypus dar. Hier wird auch die Gegensätzlichkeit von Glaube und Zweifel, von Gefühl und Verstand in der Gegenüberstellung von Elsa und Ortrud deutlich.

0.1.1
Stand der Forschung
Vergleicht man die verschiedenen Text- / Partiturausgaben, so fällt auf, welch unterschiedliche Ergebnisse vorgestellt werden. Die bereits zum Teil vorliegende Gesamtausgabe spricht beispielsweise von einer romantischen Oper, während das neueste Textbuch den Begriff fehlen lässt und dieser Tatbestand in einem Nachwort erläutert wird. Eine Vielzahl von Divergenzen besonders in den Regieanweisungen zeigen sich zwischen den einzelnen Ausgaben, obwohl die von Richard Wagner authorisierte Textausgabe von 1871 vorliegt, auf die sich auch die Gesamtausgabe stützt.
Gemessen an der Vielfalt von Literatur zum Thema Richard Wagner, mangelt es bisher an einer neueren kritischen Sicht seines Verhältnisses zu den ihn umgebenden Frauen speziell vor und in der Zeit der Entstehung des Lohengrin und der sich aus der ihm aus der Literatur bekannten Gegebenheiten der Situation der Frau in der griechischen und römischen Antike und germanischen Vorzeit.
Wurde der Lohengrin verschiedentlich ausgeführt, beschäftigen sich mit Richard Wagner als Textdichter nur Wenige. Mit der Ortrud setzt sich nur Hans Mayer detaillierter auseinander. Ansonsten wird die Figur in Enzyklopädien erwähnt und lediglich in Programmheften zu verschiedenen Inszenierungen kurz abgehandelt.
Gender Studien in den Natur-, Rechts- und Geisteswissenschaften haben sich in den letzten Jahren etabliert, auch Opernfiguren in Analysen einbezogen und die Ergebnisse in 'Das Weib der Zukunft' oder 'Man töte dieses Weib' dokumentiert.
Ortrud wird lediglich als Ausnahmegestalt, ohne speziell darauf einzugehen, erwähnt.

1.0
Die Situation der Frau
1.1
Das Patriarchat
Die Polarisierung der Frau in Heilige auf der einen und Hure und Hexe an der anderen Seite - Elisabeth und Venus, Elsa und Ortrud - ergibt sich aus der Entwicklung des Patriarchats. Der sich zwischen 3100 und 600 vor der Zeitenwende entwickelte Umsturz des Mutterrechts war ein Prozess des Übergangs von einer sozialen Struktur auf der Grundlage von Stammesbeziehungen zu einer zur Klassenzugehörigkeit bestimmten Gesellschaftsstruktur und führte zur Instrumentalisierung der Frau als Gebärerin legaler männlicher Erben. Ihrer Entrechtung und Versklavung durch die biblische Genesis, die Frau zur Trägerin der Erbsünde und damit zur Verantwortlichen für alles Übel in der Welt erklärend, wird von den monotheistisch-patriarchalischen Religionen bis heute vertreten.

1.2
Die Stellung der Frau in Deutschland im Vormärz bis 1848
Die Standesordnung, der Glaube an das Gottesgnadentum, die Erziehung zum Gehorsam festigten die gesellschaftlichen Strukturen in den Zeiten der Restauration und verwiesen die Frauen in den engen Bereich der Häuslichkeit, schlossen sie von der Möglichkeit umfassender Bildung und der politischen Betätigung aus. Somit hatten die Frauen auch noch im 19. Jahrhundert kaum Möglichkeiten, frei über ihren Lebensweg zu entscheiden.

Die als Folge der französischen Revolution sich ergebenden Umwälzungen und der Kampf verschiedener Strömungen der deutschen Frauenbewegung wird deutlich in Heinrich Laubes Aussage von 1836 "[...] Ist es nicht ein großer Gedanke, der Welt noch einmal so viel Einwohner zu geben, wenn man die Weiber emanzipiert? [...]" sowie die Einladung der Frauen durch die Liberalen zum Hambacher Fest und die von Robert Blum 1843 in einer Ausgabe von 'Sächsische Vaterlandsblätter bejahte Frage nach der Teilnahme der weiblichen Welt am Staatsleben.

1.3
Richard Wagners Frauenbild
Richard Wagners genetische Prädisposition wurde in einem männerlosen Haushalt in dem Mutter und Schwestern auf den genialen, aber egozentrischen, anspruchsvollen Jugendlichen eingingen, geprägt, womit entwicklungspsychologisch das Fundament für sein biologistisch, reaktionäres Frauenbild gelegt wurde, das er erst nach dem Abschluss der Arbeit am Lohengrin u. a. in 'Eine Mitteilung an meine Freunde', Äußerungen gegenüber Cosima und in seinen letzten Gedanken 'Über das Weibliche im Menschlichen' dokumentiert.

Über das Korrekturlesen der 'Beckerschen Weltgeschichte' wurde Richard Wagner schon als Jugendlicher vertraut mit der französischen Revolution. Durch den Kontakt zu August Röckel und Dr. Hermann Frank erhielt er nach der ersten Pariser Zeit Kenntnis von sozialistischen Gedanken, den Sozialutopien und Erklärungen von Frauenrechten. Ein Briefwechsel zwischen Louise Otto und Richard Wagner zeigt deren Kritik an der Rechtlosigkeit der Frauen. Die sich anbahnende Veränderung der Stellung der Frau in der Gesellschaft musste zwangsläufig auch sein Leben berühren.
Für das Schaffen seines Musiktheaters, die Dramaturgie seiner Werke und die Gestaltung der Frauenrollen wirkt sich besonders Wilhelmine Schröder-Devrient aus, die für die Uraufführung des Lohengrin 1848 als Ortrud besetzt war. Für sie gestaltet er damit eine an der Schwelle zur Emanzipation stehende Frau, der er auch noch die zukunftsweisende Musik zuordnete.

Der Schriftverkehr zwischen Richard Wanger und Minna aus der Zeit der Entstehung des Lohengrin lässt keine eindeutigen Schlüsse zu, dass sein Verhältnis zu seiner Frau hier gestört gewesen sein könnte. Alle Briefe an sie sind in einem herzlichen Tone verfasst, der an sich ein harmonisches Eheleben vermuten lässt. Er schreibt unter Benutzung freundlichster und liebevollster Worte an Minna, sei es nun aus echter Anteilnahme oder — psychologisch verständlich — aus einem schlechten Gewissen heraus, ihren Vorstellungen nach der zeitgemäßen 'Grand Opera' im Sinne der Franzosen mit seinen Werken nach dem Rienzi nicht zu entsprechen.

Ob Umstände in seiner Ehe, eine Trennung von seiner Frau im Sinne der Entfremdung Lohengrin von Elsa, die Basis für die Lohengrin-Dichtung sein können oder sein müssen, kann nur vermutet werden. Einzig Paul Bekker gibt 1924 unbelegt in seinem Buch 'Wagner — Ein Leben im Werk — Äußerungen Richard Wagners wieder, wonach er zur glei¬chen Zeit beklage "[...] andere sind glücklich, sie haben ihre Feinde außer dem Hause, während ich meinen ärgsten Feind mit mir am Tische habe [...]".
Wie die neue Form seiner Werke ist auch für Minna wohl auch die Ortrud als agierende Frau unfassbar, die sich aus der 'Gattung Weib' individualisiert und öffentlich gegen falsch Gericht [..1" protestiert. Hingegen kann sie doch in Elsa die Ideal-Frau erkennen, die sich in ihrer Liebe im Leid sieht, das sie für Lohengrin ertragen möchte.
Richard Wagner wünscht eine Frau an seiner Seite, die in rückhaltloser Öffnung seinen Werken gegenübertritt. Die Natur des Weibes ist nach seiner Auffassung das in Liebe als empfangende und in der Empfängnis vorbehaltlos sich hingebende Weib, das wie Elsa zu Lohengrins Füßen liegt. „Nach Wagners Theorie ist das Weib bisher stärker noch dem natürlichen Gattungsinstinkt unterworfen, als der entschiedener vom naturüberschreitenden Individualverhalten bestimmte Mann — eine Geschlechterunterscheidung, die freilich durch die moderne gesellschaftliche Entwicklung allmählich aufgehoben zu werden scheint."
(Borchmeyer, Dieter, Über das Weibliche im Menschlichen - Richard Wagners Musikdramen, in Vill, Susanne,(Hrsg.) Das Weib der Zukunft, Stuttgart/Weimar, 2000)

2.0
Der Text

2.1
Die Quellen zur Realisation der Ortrud
Richard Wagners Kenntnisse der Dramenliteratur beeinflussen den Aufbau des Lohengrin. Unverkennbar stützen sich Ortrud und Telramund auf Eglantine und Lysiart in Euryanthe von Helmina von Chözy. Die verschmähte Liebe im Falle Eglantines durch Adolar und die Eifersucht Eglantines ist das Motiv für die Große heroisch-romantische Oper' Euryanthe, während — selbst wenn Quellen für den Lohengrin eine verschmähte Liebe und nicht eingehaltenes Eheversprechen vorgeben — dies von Richard Wagner nicht übernommen wird. Ortrud hat bereits vor Beginn der Oper den Erben von Brabant der Freiheit beraubt. Motivgeschichtlich steht die Ortrud in der Tradition der Bösen, deren Zauberfähigkeit Richard Wagner aufgreift. Erst der vermeintliche Brudermord Elsas und deren angebliche geheime Buhlschaft sowie die sich hieraus ergebende Klage Telramunds vor dem König bringen die Handlung in Gang. Weitere Motive das Erscheinen vom gottgesandten Mann, dessen unbekannte Herkunft und Namenlosigkeit sowie das Motiv vom Gottesgericht und der Ehrverlust Telramunds verdichten diese.
Für die Ortrud rezeptiert Richard Wagner aus dem anonymen Baierischen Lohengrin und der Sage von Lohengrin zu Brabant von den Brüdern Grimm die Gräfin bzw. Herzogin von Kleve.
Während in den Quellen von dieser als Auslöserin für die Übertretung des Frageverbots aus Eitelkeit gesprochen wird, entwickelt Richard Wagner für Ortrud und später für Telramund das Motiv des Herrschaftsanpruchs über Brabant „[...] bald würde Radbods alter Fürstenstamm von Neuem grünen und herrschen in Brabant? Bewogst du so mich nicht, von Elsas Hand, der reinen, abzustehn, und dich zum Weib zu nehmen, weil du Radbods letzter Sproß? [...rund hieraus das Motiv des Mordes „[...] Mißglückt's, so bleibt ein Mittel der Gewalt. [...]"
Den emotionalen und beeinflussbaren Telramund macht Ortrud zur eigenen Waffe. Hier übernimmt Richard Wagner die Grundstruktur der Lady in Shakespeares Macbeth, die ihren Mann aus dem verdienten Kämpfer zum Mörder entwickelt.
Zur gleichen Zeit, in der Richard Wagner an der Vertonung der Textdichtung des Lohengrin arbeitet, komponiert Giuseppe Verdi - 1846/47 - den Macbeth für Florenz - der beim Publikum wegen der Neuartigkeit in der dramaturgischen Behandlung und musikalischen Gliederung auf Unverständnis stößt.
Ortrud wird durch Richard Wagner zur zentralen Widersacherin des Systems aus Staat und Kirche - vertreten durch den König - einem sentimentalen Glauben - repräsentiert durch Elsa - und Telramund als durch Ehrbegriffe und Reflexionen gehemmten Krieger.

Aus Albrecht von Scharfenbergs Jüngerem Titurel transferiert Richard Wagner den Hinweis des Kammerweibs an Belaye, Lohengrin ein Stück Fleisch aus dem Körper zu schneiden, um diesen an sich zu binden sowie aus dem Nibelungenepos den Streit der Königinnen vor dem Münster.
Die Schwanrittersage verbindet Richard Wagner mit der historischen Folie von Heinrich I. und bindet Ortrud in die Auswirkungen der Zwangschristianisierung in den Gebieten zwischen Rhein und Weser und die dadurch ausgelösten Konflikte in seinen Lohengrin. Den gläubigen Figuren Lohengrin/Elsa/König/Telramund stellt er die durch Zweifel wissende Ortrud gegenüber. Werden in der Richard Wagner bekannten Schiller'schen Maria Stuart die gegensätzlichen Richtungen innerhalb des christlichen Glaubens dargestellt, entwickelt er im Lohengrin den Konflikt der getauften 'Gläubigen' gegenüber den durch tägliche Anschauung der Vorgänge in der Natur 'Wissenden' und an 'glauben' — als solchem — Zweifelndem.
In der Dramaturgie des Stückes vertieft er den Konflikt Mann/Frau noch, indem er den Zweifel bei Ortrud und nicht bei einem Mann, Friedrich von Telramund, ansiedelt.

2.2
Die Prosafassung und Textdichtung
In der Prosafassung, die bereits die Charakteristika der Ortrud auch in der Sprache enthält, wird in ihrem Falle noch von "einem alten fürstlichen Geschlecht der Sachsen, die vormals hier schon geherrscht" als Herkunftslinie für Ortrud gesprochen. Es ist anzunehmen, dass Richard Wagner wusste, dass sich der Einflussbereich der Sachsen nicht bis Friesland und zur Scheldemündung ausgedehnt hat, er aber zunächst durch die Verbindung zu Sachsen Ortrud in genealogisch die Nähe von Heinrich I. bringen wollte. In der Textdichtung ist dies eliminiert und die Verbindung wird zum Friesland Radbods hergestellt.
Die Prosafassung entstand in Marienbad zwischen dem 11.7. und 4. August 1945, unmittelbar darauf die Textdichtung, die am 27. November 1845 abgeschlossen wurde. Während der weiteren Bearbeitung und Vertonung des Textes wurden Veränderungen angebracht, die Julius Kapp mit ca. 200 beziffert.

2.3
Die Charakterisierung Ortruds im Text
In der Gegenüberstellung von Äußerungen Elsas und Ortruds über sich selbst und solche anderer sowie den Regieanweisungen Richard Wagners werden die Charakterbilder der femme fragile und deren emotionale Traumseligkeit gegenüber der Anti-Ideal-Frau mit deren verstandesmäßiger Nüchternheit deutlich gemacht.
Während das Verhalten von Elsa 'große Verschämtheit, 'träumerische Entrücktheit', 'schwärmerische Verklärung' und in 'überwältigend wonnigem Gefühl zu seinen Füßen' veranschaulicht, zeigen die Schlüsselszenen Ortrud selbstbewusst, nüchtern, kühl, überlegend, und schon im ersten Akt als Frau allein an der Seite des emotionalen Telramund in einer reinen Männerversammlung und in dessen Erzählung als in der Vorgeschichte des Werkes politisch Aktive und femme forte.

Sie verteidigt im zweiten Akt als "wilde Seherin", "in geheimsten Künsten tief erfahren" - durch List, Trug und Heuchelei sowie Infiltration des wankelmütigen Telramund - die Naturgottheiten gegen das der Bevölkerung nördlich und östlich des Rheins durch fränkische Gewalteinwirkung aufoktroyierte Christentum im soziokulturellen Kontext des 10., des 19. und 21. Jahrhunderts.
Da sie im dritten Akt nicht wie Elsa zu Tode kommt, sind weitere Interpretationen möglich, zumal sie sich weiter in einem politisch labilen Raum kurz nach dem Sturmzug der Normannen bis nach Köln, Trier und Mainz bewegt. Und der gesamte Bereich zwischen Nordseeküste und Oder - zum großen Teil nur spärlich besiedelt - ist trotz der brutalen Christianisierungsversuche noch weitgehend dem christlichen Glauben verschlossen.

Richard Wagner wünscht eine Frau an seiner Seite, die in rückhaltloser Öffnung seinen Werken gegenübertritt. Die Natur des Weibes ist nach seiner Auffassung das in Liebe als empfangende und in der Empfängnis vorbehaltlos sich hingebende Weib, das wie Elsa zu Lohengrins Füßen liegt. „Nach Wagners Theorie ist das Weib bisher stärker noch dem natürlichen Gattungsinstinkt unterworfen, als der entschiedener vom naturüberschreitenden Individualverhalten bestimmte Mann — eine Geschlechterunterscheidung, die freilich durch die moderne gesellschaftliche Entwicklung allmählich aufgehoben zu werden scheint."
(Borchmeyer, Dieter, Über das Weibliche im Menschlichen - Richard Wagners Musikdramen, in Vill, Susanne, (Hrsg.) Das Weib der Zukunft, Stuttgart/Weimar, 2000)

3.0
Die Dramenanalyse
3.1
Der Aufbau des Dramas
Richard Wagner gestaltet den Lohengrin als ein dreiaktiges Drama nach den Regeln der Poetik des Aristoteles mit Exposition — Steigernde Handlung — Schürzung des Knotens — Höhepunkt — Wendepunkt — Fallende Handlung — Katastrophe, wobei die Einheit des Ortes, die Einheit der Zeit nicht berücksichtigt wurden.
Die Konstruktion sich durch Symethrie - vergleichbar mit Schillers 'Maria Stuart' - auszeichnet.
Im Gegensatz zu dem epischen Quellen drängt Richard Wagner die Handlung auf einen überschaubaren Zeitraum von drei aufeinanderfolgenden Tage, reduziert die Schauplätze auf drei und gibt damit dem Stück Dichte und Spannung.

3.2
Die Figuren
Obwohl das bürgerliche Trauerspiel von Lessing — Hebbel — Schiller — Goethe schon auf den Bühnen zu finden ist, entnimmt Richard Wagner seine Figuren den Fabeln der ritterlichen Sagenkreise, später der Mythologie. Somit bleibt das wirkungsätethische Postulat der 'Fallhöhe' in Kraft, das den tragischen Sturz des Helden umso tiefer empfinden lässt, je höher dessen sozialer Rang ist.
Das Verhältnis der szenischen Anwesenheit zwischen Protagonisten und Antagonisten íst ausbalanciert, wobei die Hauptfiguren für klar umrissene Begriffe im

Christlichem Glauben
— Elsa: Ritterideal, Gehorsam
— Lohengrin: Reichsrecht
— König: Kriegerehre
— Telramund: Aktivität, 
— Ortrud: Zweifel
stehen.

Die Figurenkonfiguration zeigt die auf der Bühne agierenden Personen, Die Figurenkonstellation die Interaktionen und Beziehungen der Personen zueinander und die Figurenrede die ineinandergreifenden Faktoren der Kommunikation.

3.3
Die Sprache
Der Impuls zur Melodiebildung ist der Text, er wird zur Grundlage des melodischen Ge-halts. Jambische Verse mit unterschiedlicher Anzahl von Hebungen werden von Richard Wagner zu den verschiedenen szenischen Anlässen verwendet:
Für sachliche Aussagen den fünfhebigen Jambus; bei erregter oder feierlicher rede den vierhebigen Jambus; für liedhafte Stellen den dreihebigen Jambus, außerdem bei höchst erregten Gesprächen Stichomythien, Trochäen und wechselnde Jamben. Die Entwick¬lung vom starren Metrum über die Sprachmelodie zur Gesangsmelodie wird bei der Behandlung der Ortrud-Szenen dargestellt.


Die Textdichtung des „Lohengrin“

Die Neuartigkeit des Textes verwirrte die Freunde, denen Richard Wagner am 17. Nov. 1845 im „Engelclub“ in Dresden das Gedicht vorlas. Anwesend waren Schumann, Hiller, Semper, Franck, Hähnel, Rietschel, Julius Schnorr, Pecht, Reinick, Bendemann und Hübner.

„Es wurde gelobt und „effektvoll“ gefunden, auch Schumann war ganz damit einverstanden, nur begriff er die musikalische Form nicht, in welcher ich es ausführen wollte, da er keinerlei Anhalt zu eigentlichen Musiknummern ersah.

Ich machte mir den Spaß, ihm verschiedenes aus meinem Gedicht in der Form von Arien und Kavatinen vorzulesen, worüber er sich lächelnd befriedigt erklärte.“ (R.W. – M.L. S. 339)

Am nächsten Tag schrieb Robert Schumann an Felix Mendelssohn-Bartholdy: „Wagner hat uns zu unserer Überraschung gestern seinen neuen Operntext vorgelegt, Lohengrin – zu meiner doppelten, denn ich trug mich schon seit einem Jahre mit demselben, oder wenigstens einem ähnlichen aus der Zeit der Tafelrunde herum – und muß ihn nun in den Brunnen werfen. Den Meistern gefiel der Text ausnehmend, namentlich den Malern.“

Richard Wagners Doppelbegabung als Dichter und Komponist enthob ihn der Sorge um ein gutes „Libretto“, kannte er doch die Schwächen von Webers „Oberon“ und „Euryanthe“, die trotz hochwertiger Musik nicht glaubhaft aufzuführen sind. Seine Kenntnis der antiken Tragödien und der Dramen Shakespeares waren das Rüstzeug für sein Musikdrama.

„Der Name (libretto = Büchlein, ital.) rührt von dem in Italien seit dem 17. Jh. geübten Brauche her, die Operntexte als handliche „Büchlein“ zu drucken und am Eingang des Theaters zum Mitlesen während der Aufführung an das Publikum zu verkaufen.
(Anna Amalie Abert. M.G.G. Kassel 1960)              

Der Librettist musste vor allem auf eine einfache, klar überschaubare Handlung bedacht sein, die auch in engster Verbindung mit der Komposition noch verständlich blieb, und auf eine Ausdrucksweise, die sich im ganzen gut zur Vertonung eignete.

Ein Libretto ist mithin zwar ein Gebilde aus Worten, aber keine Dichtung. Es bot Gelegenheit zu szenischem Aufwand, wundersamen Erscheinungen, Chören, Aufzügen zur Huldigung des aristokratischen Publikums, jedoch das Handlungsschema blieb sich unabhängig von der Stoffwahl gleich: im Mittelpunkt stehen zwei Liebespaare, deren Schicksale durch Intrigen, Missverständnisse, Verkleidungen und Verwechslungen ineinander verschlungen und wieder entwirrt werden. Feststehende Typen ernster und heiterer Art gruppieren sich um die Hauptfiguren bis nach einer ausgewogenen Abfolge lyrischer, dramatischer, heller und dunkler Szenen mit virtuosen Darbietungen der genau umrissenen Affekte das Publikum sich am „lieto fine“ erfreute.

Die große Revolution setzte einen Schlussstrich unter diese Opernentwicklung., die ohnehin abgeschlossen war. Die neue bürgerliche Gesellschaft verlangte nach ihr gemäßen Stoffen. Nicht mehr mythische, biblische oder antike griechische und römische Heroen standen im Mittelpunkt der Handlung - natürlich gab es Ausnahmen: Rossini: „Moses“, Verdi: „Nabucco“, Berlioz: „Die Trojaner - sondern in Not geratene Verfolgte, hilflosen Frauen, die aus scheinbar unentrinnbaren Gefahren vor wilden Horden, Tyrannen und Räubern im letzten Augenblick gerettet werden.

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Die „Schreckensoper“ war die Schöpfung des Revolutions-Jahrzehnts, die sich bald zur „Rettungsoper“ wandelte, getragen vom Optimismus der Zeit und romantischem Erlösungswillen.

Die rauhen Sujets, die grausigen Sensationen der Moritat wie im typischen Werk von Francois Lesuers „La caverne“ (1793 U.A.), schritten noch eine Weile parallel mit den Opern Glucks, Mozarts und Salieris, waren aber der unverbrauchte Boden auf dem ein neues Musiktheater erwachsen konnte, dessen Höhepunkt Beethovens „Fidelio“ ist. Text: Josef Sonnleithner, Stephan von Brenning u. Georg Friedrich Treitschke. (U.A. erste Fassung 20. Nov. 1805 Wien, Theater a. d. Wien, 2. Fassung 29. März 1806, Theater a. d. Wien, 3. Fassung 23. Mai 1814 Kärntnertortheater, Wien.)

Allein der Kampf um eine gültige Fassung zeigt die Schwierigkeiten eines anspruchsvollen Komponisten mit dem Libretto. Bei Gioacchino Rossini (29. Febr. 1792 - 13. Nov. 1868), den man als den letzten Klassiker bezeichnet, ein anachronistischer Zeitgenosse Richard Wagners, war das Libretto in der Tradition Metastasios das Gerüst für Arien und Ensembles, Rezitative, Szenen, Chöre und Finales. Dennoch trotz eines unreflektiert positiven, jede aufrührerische Geste ausschließenden Verhältnisses zur Tradition zählt Rossini nicht zu den konservativen Komponisten seiner Zeit. Seine naive, naturhafte Begabung, die als jung, neu und unwiderstehlich lebendig empfunden wurde, seine genaue Notation des schmuckvollen Zierrats seiner Melodien und die dynamische Aktivität des Orchesters und seines Kolorits führten zu einer Regeneration der musikalischen Mittel.

Dass Rossini und Wagner, so fremd sie sich waren, Respekt voreinander empfanden, dokumentiert das von Edmond Michotte aufgezeichnete Gespräch vom März 1860, (Im Programmheft der Bayerischen Staatsoper zu „La Cenerentola“, Dezember 1980) in dem Wagner seine Ansicht über die Gleichwertigkeit von Dichtung und Musik darlegt, und der italienische Meister klagt: „Aber ich durfte meine Libretti nicht selbst wählen, sondern bekam sie von den Impresariern zwangsweise. – Wie oft habe ich da nur einen Teil des Szenariums erhalten, immer nur einen Akt, zu dem ich die Musik schreiben musste, ohne die Fortsetzung oder den Schluß des Stoffes zu kennen!“

 Peter Hacks, voll intellektueller Skepsis fragt sich „ob das Libretto überhaupt ein Genre sei. Sicher, irgendetwas ist es. Es ist eine Menge von Worten und geht gelegentlich bei Reclam zu kaufen. Darüber hinaus sind kaum Bestimmungen dieses Dings unternommen worden.“
(Hacks, Peter: Oper, Berlin und Weimar 1975).

In der gegenseitigen Bedingtheit von Dichtung und Musik liegt wohl der Grund, dass es der Literaturwissenschaft schwerfällt, Richard Wagner unter die Dichter zu zählen. Seine schriftstellerischen Arbeiten und vor allem die Beschreibung seiner Jugend in „Mein Leben“ haben jedoch soviel poetische Kraft aufzuweisen, dass der Vergleich mit anderen Dichtern seiner Zeit durchaus angemessen erscheint.

Die Dichtung zu „Lohengrin“ steht gleichsam am Wendepunkt der Stile zwischen romantischer Oper und Musikdrama. Die Ebenen des übersinnlichen, mythischen und märchenhaften wird mit scharf durchdachter Logik und Psychologie verschmolzen, verkörpert in der träumerischen, blind-gläubigen Elsa und der kontrastierenden Figur der rational zielbewußt-politisch agierenden Ortrud.

Die Struktur der Dichtung zeigt ein dreiaktiges Drama.

Der 1. Aufzug ist in 3 Szenen unterteilt.

Der 2. Aufzug ist in 5 Szenen unterteilt.

Der 3. Aufzug ist in 3 Szenen unterteilt.


Ort der Handlung:

1.    Aufzug:                               Am Ufer der Schelde

2.    Aufzug:                               In der Burg von Antwerpen (Palas, Kemenate, Kirche)

3.    Aufzug:     1. Bild:             Brautgemach in der Burg

                           2. Bild:             Am Ufer der Schelde


Zeit der Handlung

1.    Aufzug:                               Morgens bis mittags

2.    Aufzug:      1. Szene:      Nacht

                            2. Szene:      Nacht

                            3. Szene:      Tagesanbruch, Morgen

                            4. Szene:      Vormittag                                                           

3. Aufzug:          1. Szene:      Abend                                                                          

                             2. Szene:      Abend bis in die Nacht                                                             

                             3. Szene:      Tagesanbruch, Morgen

Das Stück spielt also an zwei aufeinander folgenden Tagen.



Die Figuren der Handlung

König Heinrich I.:

Regierte 919 – 936. Einte und sicherte das von Zerfall und von den Ungarneinfällen bedrohte Land. Um auf die desolaten Zustände in seiner Heimat hinzuweisen verknüpfte R. Wagner die Lohengrin-Sage mit den historischen Ereignissen um 933.

Lohengrin:
Sohn und Nachfolger des Gralskönigs Parzival aus dem Sagenkreis um König Artus. Befreite Elsa von Brabant durch einen Sieg im Gottesurteil vom Vorwurf des Brudermordes, scheitert aber an der Härte des Gelübdes, namenlos zu bleiben und kehrt in den Orden ohne Frau und die Möglichkeit einen Erben zu bekommen zurück.

Elsa von Brabant:
Tochter des Herzogs von Brabant, von Telramund und Ortrud des Mordes an ihrem Bruder zugunsten eines Liebhabers angeklagt, wird von Lohengrin, der auf ihre verzweifelte Bitte erscheint, entlastet. Sie bricht das ihr auferlegte Frage-verbot auf Betreiben Ortruds und aus Angst den Geliebten bald wieder zu ver-lieren. Sie scheitert an der Unvereinbarkeit der menschlichen Liebe zu einem Wesen aus göttlichen Sphären.

Herzog Gottfried:
Wurde von Ortrud beseitigt - in einen Schwan verzaubert - von der Gralsritterschaft in die Obhut genommen und kehrt nach Lohengrins Abschied als Thronfolger zurück.

Friedrich von Telramund:
Brabantischer Graf, angesehener Kriegsherr, naher Verwandter des verstorbenen Herzogs und Vormund seiner Kinder. Nachdem Elsa seine Werbung zurückgewiesen hatte vermählte er sich mit Ortrud, deren Pläne, die Herrschaft über Brabant zurückzugewinnen, sich mit seinen Vorhaben decken. Er wird bei dem Versuch, Lohengrins Unverwundbarkeit durch eine Verletzung als Zauber zu enttarnen, von diesem getötet.

Ortrud:
Eine friesische Edle aus dem Haus des Fürsten Radbod, der bis zu seinem Tod im Jahre 719 erbittert gegen die Zwangschristianisierung kämpfte. Sie bekennt sich zur traditionellen Naturreligion und um diese wieder in ihre Rechte einsetzen zu können, bekämpft sie Gottfried, Elsa und Lohengrin mit Verleumdung und psychologischen Mitteln. Sie überlebt.

Vier Edelknaben
Jugendliche im Dienste Elsas.

Sächsische und thüringische Grafen und Edle.
Politische und militärische Partei des Königs.

Der Heerrufer
Herold, praeco, im Dienste König Heinrichs.

Vier brabantische Edle
Gefolgsleute Friedrichs von Telramund. Sie stehen König Heinrich, seinen Kriegsplänen unter der Führung des namenlosen Ritters gegen die Ungarn.
Stehen dem System ablehnend gegenüber, geben aber nach Telramunds Tod im nächtlichen Brautgemach auf.

Brabantische Grafen und Edle
Sie stehen anfangs dem König und Lohengrin skeptisch gegenüber, lassen sich später für den Krieg anwerben.

Edelfrauen
Elsas Bedienstete aus adligen Familien.

Edelknaben
Jugendliche aus adligen Familien.

Nonnen, Frauen, Knechte

Das freie Volk und Unfreie.
 

Die „Ständeklausel“ ist damit von Richard Wagner eingehalten.
Zitatende
Quelle:
Kulturjournal-Regensburg.de
   
     - Gilles, Lang & Partner -
 

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Es stellen sich beim Betrachten der Vorgänge auf der Szene in Hannover folgende Fragen:
 

Warum wird das Vorspiel zum ersten Aufzug szenisch umgesetzt?

Wer ist die Frau, die das Kind unter einer Treppe hoch in ein Obergeschoss zu Bett bringt, die mitgebrachte Leuchte am Kopfende des Bettes abstellt und dann ohne dieselbe ins Dunkle nach rechts entschwindet?
Starke Beleuchtung des Raumes mit der Treppe in ein Obergeschoss, die starke Schlagschatten wirft.

Warum erhebt sich das Kind, warum nimmt er die am Kopfende stehende Lampe und das Kopfkissen und geistert nach links in den Hintergrund der Szene?
Warum dreht die Bühne nach rechts?
Warum wird eine Treppe links am Gebäude, an dessen Wand überdimensionierte Putzlappen aufgehängt sind, sichtbar, auf der eine Frau in weißem Gewand heruntereilt, dem Jungen kosend übers Gesicht streicht, ihn dann mit dem Kissen zu Boden drückt und der Treppe hinwegeilt?

Warum kommt da unten von links eine Gestalt, die den Jungen kosend umfängt, während von links zwei Gestalten - ein Mann, eine Frau - sich dem Jungen nähern.
Warum dreht sie Bühne weiter links herum?
Warum versucht der Mann die Frau zu küssen?
Warum wehrt sie ihn ab?
Warum wird links ein Käfig in dieser Wand gezeigt?
Warum halten links auftretende Männer die Frau fest und schieben sie in den Käfig?
Warum dreht die Bühne weiter links herum?
Warum wird links neben dem Gebäudeteil ein Möbellager - bestehend aus Biertischen und - bänken aus einem Biergarten sichtbar?
Warum rangeln die aufgetretenen Personen miteinander um den Besitz der Bänke, wo doch genügend Sitzgelegenheiten herumliegen?
Warum eilt auf das
Willkommen, willkommen, König, in Brabant!
des Chores eine Person links aus dem Zuschauerraum auf die Bühne?
 

Warum setzt sich die Person beim
als Kampfes Preis gewann ich Frieden auf
neun Jahr -

auf eine der Bierbänke?
Warum setzt sich die Person beim
Nun ist es Zeit, des Reiches Ehr' zu wahren;
eine Krone aus Pappmaschee auf, wie sie vor Jahren als Werbegeschenk von McDonald´s an Kunden verteilt wurde?

Warum wohl drehen sich die Singenden zum
Wohlauf! Mit Gott für Deutschen Reiches Ehr!
nach vorne zum Dirigenten, während die anderen - meist Frauen - nach hinten gewendet bleiben?
Warum dreht die Bühne zum

j
jetzt rede, dass der Drangsal Grund ich weiß.
nun rechts herum?
Warum wird so ein Raum sichtbar, in dem eine Bank an an die Bank gelehnt positioniert ist, auf die beide Personen sich setzen.

Hier gibt der Chronist auf.
Was soll er auch schreiben über den weiteren Fortgang der Handlung dieser Produktion. Zuviel des Kleinkrams, die großen Linien bleiben auf der Strecke.

Und Stefan Arndt von der HAZ äußert sich am 16.9.25 nicht oder kaum über den sängerischen Vortrag.
Lohengrin: Stimmklang wie von Florian Vogt, hier aber wabert die Stimme durch schlechte Führung oder bereits in Mitleidenschaft gezogenes Material.
Elsa: Gerade in der Brautgemachszene werden Töne gewalttätig 'verstärkt'.
Ortrud: Kein Wort zu verstehen, was die Frau da von RWs-Texten tutet.
König: Seit 2006 in HAJ, muss also - egal wie - unter fast allen Umständen beschäftigt werden.
Heerrufer: Typischer dem Valentin langsam entwachsender Bariton.
Telramund: Guter Vertreter des Charakterfachs.

Zilias mit seinem Orchester: laut und vernehmlich.
Chor herausragend, präzise gerade z.B. beim heiklen:
"Seht, welch seltsam Wunder!"

Der Zuschauerraum lichtete sich zusehends, ganze Reihen nach der zweiten Pause leer.
Man verstand die Vorgänge auf der Bühne nicht. Nur krauses Durcheinander wurde gezeigt. Es mag für Lyon reichen. Nicht aber für Hannover nach überstandenem Puhlmann, nach überwundenem Klügl und überlebter Berman erwartet das Publikum hier keinen solchen 'Lohengrin' und - dies zur Warnung - schon gar keinen 'Ring' à la Saarbrücken!

Diejenigen, die hier vorzeitig aus dem Theater gingen, versäumten das Finale mit der Frage:
Wer tötet nun wen und, wenn ja, warum?

Besonders der Schluss ist - um es deutlich zu sagen - genau so dämlich wie der seinerzeit in Regensburg oder der in Braunschweig.


 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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