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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages:

'Holländer' in Würzburg - RWVI

 

 

 

 

Abge-KUPFER-t: Wagners Urenkelin inszeniert

 


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1839 flieht Richard Wagner mit Minna von Riga über die Ostsee und den Kanal nach London. Dabei erlebt er diese Seereise mit Hemmnissen und Erzählungen der Mannschaft, die ihn mit Heines Vorlage direkt auf das Thema des fliegenden Holländers führt. Es ist bei Richard Wagner ein ganz naturalistisches Thema, das unter dem Einfluss der Spukgeschichten des 19. Jahrhunderts geprägt wurde.
Katharina Wagner nimmt sich nun des Werks ihres Urgroßvaters am Würzburger Theater an und krempelt die Handlung derart um, wobei das Stück RWs vom Text und der Szene her nicht mehr erkennbar war und die Inszenierung glanzvoll in den Teich ging.

 

Der versierte Theatermacher Reinhold Röttger setzte wohl auch auf widersprüchliche Aufnahme dieser Erstinszenierung, die sein Haus in die Spalten der Presse bringen würde, hatte aber wohl mit einer derartigen Saalschlacht nicht gerechnet.
Interessant, dass sich Frau Wagner dem Buhgeschrei des Publikums nicht allein stellte, sondern immer nur im Schutz des Ensembles vor den Vorhang trat.
Das Publikum war vom Ausgang der Arbeit zu überrascht, sonst hätte es wohl Lebensmittel - möglichst faule - mitgebracht und es wären wohl Tomaten oder Eier als Wurfgeschosse verwendet worden. Man kann ja die Musik vom Band rückwärts laufen lassen und einen eigenen Raver-Text drunterlegen.
Szenisch wurde dem Dekonstruktivismus-Affen gehörig Zucker gegeben. Es stellt sich aber die Frage, wieweit darf eine weitgehend theaterunerfahrene 24-Jährige ein Werk der Theatergeschichte durch Versatzstücke aus daily soaps derart verändern?
Es sei allenfalls mal arrivierten Regisseuren zugestanden, Experimente zu wagen, dass aber ein völliger Newcomer - außer der Mitarbeit im Bayreuther Festspielhaus und Praktika u.a. bei Kupfer an der Lindenoper hat sie ja wohl nichts vorzuweisen - ein so komplexes Werk in Szene und in den Sand setzen darf.
Aber man ist ja Wagner, nur wie sagte der große Fritz Kortner einst: "Jude allein reicht nicht" und hier angewendet, stimmt dann "Der Name Wagner allein ist nicht genug." Frau Katharina ist kein Wieland, eher doch künstlerisch der Spross ihres Vaters Wolfgang. Hoffentlich kommt sie bald drauf und beschränkt sich auf das Organisieren und lässt beim Inszenieren andere sich die Finger verbrennen.

Mächtig klingen unter der Leitung von GMD
Daniel Klajner aus dem Graben die Fluten des Orchesters mit der Ouvertüre und der Eingangschor zeigt deutlich Qualität des Würzburger Männer-Chormannschaft. Kraftvoller und runder Klang, keine dünnen Einzelstimmen, sondern eine schön singende Männermasse, auf Präzision studiert von Chorleiter Markus Popp. Daland - Kristof Borisewitz - ein Hehler, Schnepper, Bauernfänger und wie sich später herausstellt auch Menschenhändler und Zuhälter, kommt in die Kneipe und fordert mit kernig klingendem Bass den am Tresen sitzenden Steuermann auf, Wacht zu halten, wobei dieser - Albrecht Kludszuweit - als leichter Tenor - mehr Buffo - mit etwas eng geführter Stimme ungewohnte Diminuendi ausführend - feststellt, man habe sicheren Grund. Wohl klar, es sei denn die Strandkneipe ist auf Sand gebaut. Kein Sturm, kein Schiff. Sandwike heißt die Bucht. Auftritt Holländer, mit Koffer die Treppe herunter in die Kneipe steigend, das Heimatlose, das Unbehauste symbolisierend, die sehr an Lillas Pastias Kaschemme im 2. Akt Carmen erinnert. Und, oh Freude, die Frist ist zwar um, aber wie der Mann - Ralf Lukas - das singt!!! Enthusiasmiert über diesen Wohlklang, das Timbre und die fabelhafte Technik, die ein Legato ermöglicht, wie man es bei einem fliegenden Holländer lange nicht gehört hat. Dezent spielt er den 'armen Mann', sich wieder mal einem Weib anvertrauend, zur Erlösung. Leider hat er die Rechnung ohne Katharina Wagner gemacht, doch davon später. Daland kommt und zeigt dem Holländer eine Barbie Puppe und behauptet, seine Tochter, die er gern haben könne, sähe auch so aus. Der Holländer ist die Rumfahrerei leid und sagt zu, die Tochter Dalands - unbesehen - zu freien. Diese sitzt nun nicht mit ihrem Spinngenossinnen - kraftvoll und präzise der Damenchor auch bei den Lachern nach "den Nebenbuhler von der Wand" - wie vom Urgroßvater RW vorgesehen in einer Spinnstube, sondern - ganz modern - in einem Computerraum mit laufenden Magnetspeicherbändern. Die Damen bekommen wohl einen Kurs über Bits und Bytes oder einen Fortbildungslehrgang des Arbeitsamtes als 'Dorfentwickler', denn sie hocken sehr aufmerksam an Tischchen und kritzeln in ihre Hefte. Mary - Daphne Becka - großgewachsene Gouvernante - mit schönem runden geradem Alt - doziert und spinnt fort, wie man bei Katharina Wagner halt so ohne Spinnrad spinnen tut. Senta denkt nicht dran, zu kritzeln, statt dessen geht sie herum und zeigt den weißblond-perückten Kolleginnen einen Steckbrief. Da dieser groß genug kopiert wurde, stellt der Zuschauer auch im Rang fest, dass es sich nicht um den RWs handelt, sondern um das Konterfei dieses so fabelhaft singenden Baritons. Es ist verständlich, dass Senta lieber diesen edlen Bariton in Form des Holländers zu Hause haben möchte als einen windigen Tenor, den Jäger Erik. Joneva Kaylen - eine sehr-wohl-proportionierte Dame - stöckelt als Senta in einem lutschbonbonrosafarbigen Leibchen einher und singt mit einem Tremolo, das weit nach unten ausschlägt, so dass die Töne zu tief klingen. Sie spielt eine kesse Jule - kein Sehnen nach dem Heil, das dem Holländer einst könne werden. Erik - Gilbert Mata - kommt und zeigt, dass er mit der hohen Lage dieser Heldentenorpartie gut zurecht kommt. Die Stimme sitzt hoch, hat aber dadurch nicht viel Verbindung zum Brustvolumen, was sich wohl aber noch richten lässt. Ein großer Mensch, dem der Max und später vielleicht 'alle Helden' Freude machen könnten.

Die Sache nimmt nun bei Katharina Wagner so ihren Lauf, dass Daland seiner Tochter eine blonde Perücke überstülpt, damit sie der dem Holländer vorgezeigten Barbie Puppe eben ähnelt und weil es ja auch heißt und da wird RW wieder ernst genommen: "Blondes Mädchen, sei ihm treu". Nur sind Barbies schlank und rank und die Senta sieht mit dem rosa Hemdchen und den nun blonden Haaren aus wie Miss Piggie.
Das schreckt den Holländer nicht.
Er bekommt einen neuen Pass und die Sache ist geritzt.

Im dritten Akt wieder die Seemannskneipe. Die Norweger sitzen an Biertischen und freuen sich über das Gelingen ihres Matrosenchores. Die holländischen Seeleute schweigen abgesondert um des Tisches Rund und "trinken nicht, sie singen nicht - in ihrem Schiffe brennt kein Licht." Was Wunder, von Schiff war in der ganzen Produktion nichts zu sehen. Plötzlich kommt Erik, der kein richtiger Jäger, sondern ein Menschenjäger ist, setzt seinen Plüschhund 'Kommissar Rex' auf den obersten Treppenabsatz und kontrolliert die Pässe der holländischen Matrosen. Alles in Ordnung. Auch der vom Holländer ist so gut gefälscht worden, dass er ohne Beanstandung bleibt. Das Gespräch Senta Erik ähnelt sehr der Schlussszene in Carmen. Hier rangeln Senta und Erich nun auch und als nun der Holländer dazwischentritt, schlägt sich Senta gleich auf seine Seite.

Aber, bei Katharina Wagner wird der Holländer von zwei gewichtigen Chorherren 'drschloagn' und Senta, die ihn wenigstens nach Meister RW Vorgabe hier in Würzburg durch einen Stich mit einem Brotmesser in ihre eigene Brust ihn nachträglich erlösen will, wird von Daland dran gehindert. Er nimmt Senta das Messer ab, sie bleibt am Leben und kann vom Vater nun weiterverhökert werden.
Der letzte Ton war kaum verklungen als ein Buhgeschrei losging, das dann in eine Saalschlacht ausartete.

Pros und Contras wogten auf und ab. Ein szenischer Reinfall war es trotz interessanter Ideen und darob teilweiser Zustimmung. Solisten und Orchesterleiter erschienen vor dem Vorhang sichtlich genervt. Freude wollte nicht aufkommen, doch, der Holländer strahlte, weil man seine großartige Leistung besonders akklamierte.

Dieter Hansing

 

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
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Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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