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Abge-KUPFER-t: Wagners Urenkelin inszeniert
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1839 flieht Richard
Wagner mit Minna von Riga über die Ostsee und den Kanal
nach London. Dabei erlebt er diese Seereise mit Hemmnissen
und Erzählungen der Mannschaft, die ihn mit Heines Vorlage
direkt auf das Thema des fliegenden Holländers führt. Es
ist bei Richard Wagner ein ganz naturalistisches Thema,
das unter dem Einfluss der Spukgeschichten des 19.
Jahrhunderts geprägt wurde.
Katharina Wagner nimmt sich nun des Werks ihres
Urgroßvaters am Würzburger Theater an und krempelt die
Handlung derart um, wobei das Stück RWs vom Text und der
Szene her nicht mehr erkennbar war und die Inszenierung
glanzvoll in den Teich ging.
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Der versierte Theatermacher
Reinhold Röttger
setzte wohl auch auf widersprüchliche Aufnahme dieser
Erstinszenierung, die sein Haus in die Spalten der Presse
bringen würde, hatte aber wohl mit einer derartigen
Saalschlacht nicht gerechnet.
Interessant, dass sich Frau Wagner dem Buhgeschrei des
Publikums nicht allein stellte, sondern immer nur im
Schutz des Ensembles vor den Vorhang trat.
Das Publikum war vom Ausgang der Arbeit zu überrascht,
sonst hätte es wohl Lebensmittel - möglichst faule -
mitgebracht und es wären wohl Tomaten oder Eier als
Wurfgeschosse verwendet worden. Man kann ja die Musik vom
Band rückwärts laufen lassen und einen eigenen Raver-Text
drunterlegen.
Szenisch wurde dem Dekonstruktivismus-Affen gehörig Zucker
gegeben. Es stellt sich aber die Frage, wieweit darf eine
weitgehend theaterunerfahrene 24-Jährige ein Werk der
Theatergeschichte durch Versatzstücke aus daily soaps
derart verändern?
Es sei allenfalls mal arrivierten Regisseuren zugestanden,
Experimente zu wagen, dass aber ein völliger Newcomer -
außer der Mitarbeit im Bayreuther Festspielhaus und
Praktika u.a. bei Kupfer an der Lindenoper hat sie ja wohl
nichts vorzuweisen - ein so komplexes Werk in Szene und in
den Sand setzen darf.
Aber man ist ja Wagner, nur wie sagte der große Fritz
Kortner einst: "Jude allein reicht nicht" und hier
angewendet, stimmt dann "Der Name Wagner allein ist nicht
genug." Frau Katharina ist kein Wieland, eher doch
künstlerisch der Spross ihres Vaters Wolfgang. Hoffentlich
kommt sie bald drauf und beschränkt sich auf das
Organisieren und lässt beim Inszenieren andere sich die
Finger verbrennen.
Mächtig klingen unter der Leitung von GMD
Daniel Klajner
aus dem Graben die Fluten des Orchesters mit der Ouvertüre
und der Eingangschor zeigt deutlich Qualität des
Würzburger Männer-Chormannschaft. Kraftvoller und runder
Klang, keine dünnen Einzelstimmen, sondern eine schön
singende Männermasse, auf Präzision studiert von
Chorleiter Markus Popp. Daland -
Kristof Borisewitz
- ein Hehler, Schnepper, Bauernfänger und wie sich später
herausstellt auch Menschenhändler und Zuhälter, kommt in
die Kneipe und fordert mit kernig klingendem Bass den am
Tresen sitzenden Steuermann auf, Wacht zu halten, wobei
dieser - Albrecht
Kludszuweit - als
leichter Tenor - mehr Buffo - mit etwas eng geführter
Stimme ungewohnte Diminuendi ausführend - feststellt, man
habe sicheren Grund. Wohl klar, es sei denn die
Strandkneipe ist auf Sand gebaut. Kein Sturm, kein Schiff.
Sandwike heißt die Bucht. Auftritt Holländer, mit Koffer
die Treppe herunter in die Kneipe steigend, das
Heimatlose, das Unbehauste symbolisierend, die sehr an
Lillas Pastias Kaschemme im 2. Akt Carmen erinnert. Und,
oh Freude, die Frist ist zwar um, aber wie der Mann -
Ralf Lukas
- das singt!!! Enthusiasmiert über diesen Wohlklang, das
Timbre und die fabelhafte Technik, die ein Legato
ermöglicht, wie man es bei einem fliegenden Holländer
lange nicht gehört hat. Dezent spielt er den 'armen Mann',
sich wieder mal einem Weib anvertrauend, zur Erlösung.
Leider hat er die Rechnung ohne Katharina Wagner gemacht,
doch davon später. Daland kommt und zeigt dem Holländer
eine Barbie Puppe und behauptet, seine Tochter, die er
gern haben könne, sähe auch so aus. Der Holländer ist die
Rumfahrerei leid und sagt zu, die Tochter Dalands -
unbesehen - zu freien. Diese sitzt nun nicht mit ihrem
Spinngenossinnen - kraftvoll und präzise der Damenchor
auch bei den Lachern nach "den Nebenbuhler von der Wand" -
wie vom Urgroßvater RW vorgesehen in einer Spinnstube,
sondern - ganz modern - in einem Computerraum mit
laufenden Magnetspeicherbändern. Die Damen bekommen wohl
einen Kurs über Bits und Bytes oder einen
Fortbildungslehrgang des Arbeitsamtes als
'Dorfentwickler', denn sie hocken sehr aufmerksam an
Tischchen und kritzeln in ihre Hefte. Mary -
Daphne Becka
- großgewachsene Gouvernante - mit schönem runden geradem
Alt - doziert und spinnt fort, wie man bei Katharina
Wagner halt so ohne Spinnrad spinnen tut. Senta denkt
nicht dran, zu kritzeln, statt dessen geht sie herum und
zeigt den weißblond-perückten Kolleginnen einen
Steckbrief. Da dieser groß genug kopiert wurde, stellt der
Zuschauer auch im Rang fest, dass es sich nicht um den RWs
handelt, sondern um das Konterfei dieses so fabelhaft
singenden Baritons. Es ist verständlich, dass Senta lieber
diesen edlen Bariton in Form des Holländers zu Hause haben
möchte als einen windigen Tenor, den Jäger Erik.
Joneva Kaylen
- eine sehr-wohl-proportionierte Dame - stöckelt als Senta
in einem lutschbonbonrosafarbigen Leibchen einher und
singt mit einem Tremolo, das weit nach unten ausschlägt,
so dass die Töne zu tief klingen. Sie spielt eine kesse
Jule - kein Sehnen nach dem Heil, das dem Holländer einst
könne werden. Erik -
Gilbert Mata
- kommt und zeigt, dass er mit der hohen Lage dieser
Heldentenorpartie gut zurecht kommt. Die Stimme sitzt
hoch, hat aber dadurch nicht viel Verbindung zum
Brustvolumen, was sich wohl aber noch richten lässt. Ein
großer Mensch, dem der Max und später vielleicht 'alle
Helden' Freude machen könnten.
Die Sache nimmt nun bei Katharina Wagner so ihren Lauf,
dass Daland seiner Tochter eine blonde Perücke überstülpt,
damit sie der dem Holländer vorgezeigten Barbie Puppe eben
ähnelt und weil es ja auch heißt und da wird RW wieder
ernst genommen: "Blondes Mädchen, sei ihm treu". Nur sind
Barbies schlank und rank und die Senta sieht mit dem rosa
Hemdchen und den nun blonden Haaren aus wie Miss Piggie.
Das schreckt den Holländer nicht.
Er bekommt einen neuen Pass und die Sache ist geritzt.
Im dritten Akt wieder die Seemannskneipe. Die Norweger
sitzen an Biertischen und freuen sich über das Gelingen
ihres Matrosenchores. Die holländischen Seeleute schweigen
abgesondert um des Tisches Rund und "trinken nicht, sie
singen nicht - in ihrem Schiffe brennt kein Licht." Was
Wunder, von Schiff war in der ganzen Produktion nichts zu
sehen. Plötzlich kommt Erik, der kein richtiger Jäger,
sondern ein Menschenjäger ist, setzt seinen Plüschhund
'Kommissar Rex' auf den obersten Treppenabsatz und
kontrolliert die Pässe der holländischen Matrosen. Alles
in Ordnung. Auch der vom Holländer ist so gut gefälscht
worden, dass er ohne Beanstandung bleibt. Das Gespräch
Senta Erik ähnelt sehr der Schlussszene in Carmen. Hier
rangeln Senta und Erich nun auch und als nun der Holländer
dazwischentritt, schlägt sich Senta gleich auf seine
Seite.
Aber, bei Katharina Wagner wird der Holländer von zwei
gewichtigen Chorherren 'drschloagn' und Senta, die ihn
wenigstens nach Meister RW Vorgabe hier in Würzburg durch
einen Stich mit einem Brotmesser in ihre eigene Brust ihn
nachträglich erlösen will, wird von Daland dran gehindert.
Er nimmt Senta das Messer ab, sie bleibt am Leben und kann
vom Vater nun weiterverhökert werden.
Der letzte Ton war kaum verklungen als ein Buhgeschrei
losging, das dann in eine Saalschlacht ausartete. |
Pros und Contras wogten auf und ab. Ein szenischer
Reinfall war es trotz interessanter Ideen und darob
teilweiser Zustimmung. Solisten und Orchesterleiter
erschienen vor dem Vorhang sichtlich genervt. Freude
wollte nicht aufkommen, doch, der Holländer strahlte, weil
man seine großartige Leistung besonders akklamierte.
Dieter Hansing |
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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