Man zeige an diesem Nachmittag
des 9.6.2024 das Requiem von Verdi - meint ein neuer Dramaturg
namens Menne.
Die hannoversche Staatsoper führe es nicht rein konzertant auf,
sondern szenisch, schließlich habe Verdi sein Werk von 1874
nicht nur als Konzertstück gesehen. Sehr bald sei es in der
Scala in Mailand zur Aufführung gekommen.
Verdi habe schließlich auch opernmäßig gedacht und so habe man
sich entschlossen, die Regisseuren, die mit ihrer Inszenierung
des ’Mefistofele’ in Hannover nicht gerade Furore machte, wieder
zu engagieren.
Dies war ein Fehler, denn sie griff nun bei der szenischen
Umsetzung dieser Totenmesse völlig daneben.
Man traut im Hause der Nds. Staatsoper Hannover der Musik nicht
und baut szenische Mätzchen ein – getreu der Maßgabe der Frau
Geschäftsführerin der Oper, dass Remmi-Demmi zur Unterhaltung
auf die Bühne komme.
Nach Aussage des Dramaturgen Menne, habe sich die Regisseurin in
Berlin an der U-Bahn, Linie 8 (Die Verbindung über Osloer Straße
nach Wittenau und in die andere Richtung bis zum Herrmannplatz)
das Verhalten der Menschenmassen abgeguckt, um dies in die
szenische Umsetzung in Hannover einzubringen. Im Telefongespräch
mit dem Herrn Dramaturgen erwähnte sie weitere Figuren, die man
noch in die Inszenierung einbauen könnte.
Offensichtlich hat die Dame öfters Peter Handkes Schauspiel ’Die
Stunde, da wir nichts voneinander wussten’ gesehen und sich an
dessen Dramaturgie orientiert.
Gemäß dieser Maßgabe tummeln sich nun fast 100 Personen auf der
Bühne, die über ein ansteigendes Gerüst als Tribüne verfügt, auf
dem sich Mitwirkende auf- und abwärts bewegen. Dazwischen zwei
Gänge links und rechts nach hinten, so dass auch Bewegungen auf
der Bühne von vorne nach hinten und umgekehrt möglich sind.
Ein großartiger Einfall, der stark zur Belebung der Bühne
beiträgt – nach dem Motto der Frau Geschäftsführerin der Oper:
„Als Amerikanerin - ich liebe Unterhaltung“!
Die Szene ist offen, also kein Vorhang – die Vorstellung beginnt
mit dem Vorzeigen der leeren Bühne, das Gestühl nach oben hinten
ansteigend, also als sängerfreundlich zu bezeichnen. Das
Auditorium füllt sich mit auf dem Bühnenboden trampelnden
Solisten und Choristen. Laut Besetzungszettel sind auch
Statisten unter den Herumspazierenden bei dem im Moment
schweigendem Orchester.
Gemäßigten Schrittes schlendern Solisten, Choristen, Statisten
so zu den amphitheaterähnlich aufgestellten Sitzmöglichkeiten.
Rechts oben die Sopranistin, rechts erscheint in dem Durchgang
der Tenor, er steigt ganz nach oben, hangelt sich am Geländer
entlang nach links hinten.
Suchbild, das zwangsläufig in Verbindung mit der Gesamtszene
gesehen werden muss und trotz nun heller Beleuchtung der Bühne
sich stellt:
Wo ist die Altistin und wo ist der Bassist?
Nach etwa sechs Minuten beginnt das Orchester mit der
Nr. 1 der
Totenmesse und da sich die Chorherrschaften mit den Solisten
erheben, erkennt man auch die Altistin – diese hier mit einer
Rot-Kreuz-Haube geschmückt – links unten – sie schreitet in die
Bühnenmitte, verharrt dort, schaut ins Publikum und trägt dann
ein in ihrer rechten Hand befindliches Portraitfoto nach rechts
ans Portal und hängt dieses an dieses. Der Chor, vom Auftritt
erschöpft, hat inzwischen wieder auf der Tribüne Platz genommen.
Der Bassist - links aufgetreten - eilt durch den linken Gang
nach hinten. Wohl hat er etwas vergessen, was er für den
weiteren Verlauf der Vorstellung braucht.
Die Sopranistin bewegt sich rechts gemächlich die Treppe von der
Tribüne herunter und ein nicht näher bezeichnetes Faktotum, das
neben dem Portal stand, schaut sich nun das von der Altistin
aufgehängte Foto auf der Pinwand an.
Während des ’Kyrie’ des Tenors, der oben links auf der Tribüne
erschienen ist, eilt der Chor nach rechts zum Portal, um dort
von ihm mitgebrachte eigene Wahlplakate mit Portraitfotos
aufzuhängen. Es muss sich um eine Wahlkampfveranstaltung
handeln, zumal der Tenor links die Choristen mit großen Gebärden
auffordert, sich die Porträtfotos der Wahlkämpfer anzusehen.
Wer vom Chor nun nicht rechts auf das Portal mit den
Wahlplakaten schaut, blickt heischend ins Publikum. Die Altistin
strömt von rechts, wo sie sich mit der Sopranistin getroffen
hatte, in die Mitte, wo sie den von links erschienenen Tenor
herzlich mit Handschlag begrüßt, denn schließlich hat man sich
ja seit 15 Minuten nach dem Verlassen der Solo-Garderoben nicht
mehr gesehen.
Die Sopranistin ist von rechts in die Mitte hinzugetreten. Da
aber löst sich die Solo-Gruppe sehr schnell auf, denn man ist ja
dem Publikum Unterhaltung schuldig und die ist nur mit auf und
ab und hin und her zu bewerkstelligen. Nur einfaches Rumstehen
ist nicht erlaubt, denn vorgegeben ist seitens der Frau
Geschäftsführerin Oper: Unterhaltung according to american
style.
Links hatte sich der Bassist niedergelassen, zu ihm schritt die
Altistin - nun löst sie sich wieder von ihm, bleibt zunächst
wartend stehen und eilt dann in die Mitte, wo sie neben einem
Kind, das die ganze Zeit schon einen überdimensionierten
Elefanten mit sich herumträgt, der wohl von der von Herrn Dr.
Klügel übernommenen Voges-Aida-Inszenierung übriggeblieben ist -
innehält und mit den anderen erwartungsfroh in den Zuschauerraum
blickt.
Nahezu unbemerkt ist der in Turnerkleidung aufgetretene Atlatus
oder auch als Faktotum zu Bezeichnende auf der am rechten Portal
bereitgestellten Leiter gestiegen und betrachtet die Menge auf
der Bühne gemäß Regieanweisung. Ihm reicht die Altistin nun die
Hand, damit er gefahrlos nach dem Anbringen der Wahlplakate
herabsteige und die Leiter nach rechts hinter die Bühne trage.
Das Allegro agitato des ’Dies irae’ aus der Nr. 2 (Seite 17
Peters Klavierauszug) überrascht die Technik, denn das grelle
Licht auf der Bühne verlischt plötzlich, worauf der Tenor, der
rechts am Portal stand, vor Schreck hintenüberfällt und zunächst
mal am Bühnenboden liegen bleibt. Von rechts sind die Altistin
und dieser Atlatus wieder aufgetreten, nachdem sie die Leiter
irgendwo hinten auf der Bühne verstauten.
Alle strömen plötzlich beim ’Solvet saeclum’ nach vorne, machen
rechtzeitig an der Rampe halt und schauen auf die wenigen
belegten Sitzplätze, wenn doch 1.202 zur Verfügung stehen und
von denen weniger als 400 an diesem Nachmittag verkauft waren.
Erschüttert von diesem Anblick lässt sich der Chor auf dem Boden
nieder, nur die Sopranistin bleibt ungerührt stehen. Die Übrigen
erheben sich dann wieder, begeben sich einige Schritte zurück
und kehren gleich wieder an den Rand des Orchestergrabens
zurück, um die von der Geschäftsführung gewünschte Bewegung zur
Unterhaltung zu schaffen und sich dort dabei des Klangs der
Blechbläser zu erfreuen.
Der Bassist singt sein Solo ’Mors stupebit’ frisch und frei von
links in die Mitte der Bühne schreitend ins Publikum hinein,
während die Altistin, die von rechts aufgetreten ist und ein
Wahlplakat – wie auch eines der Bassist im Arm hält wie bei
einer Wahlveranstaltung präsentiert, und ihr ’Liber scriptus’
anfänglich unten auf der Bühne, dann von weiter oben singt, um
den Chor als die potentiellen Wähler akustisch besser erreichen
zu können. Dann verlässt sie den Aussichtspunkt. Der Chor ist
nach hinten getreten, gibt den Solisten Raum.
Die Sopranistin ist da, der Tenor, die Altistin und auch der
Bassist ist wieder präsent, der, der Altistin ansichtig werdend,
durch den rechten Durchgang nach hinten die Bühne eiligst
verlässt.
Zu den noch Anwesenden gesellt sich dieser Atlatus von rechts,
er greift galant die Tasche der Altistin vom Boden, steigt links
die Stiege hinauf, während links unten jemand in gelbem Kostüm
mit weiß-blonder Perücke aufritt, nach rechts eiligst über die
Bühne stöckelt, ein Wahlplakat an das Portal hängt, Turnschuhe,
die rechts liegen geblieben waren, aufhebt und mit ihnen durch
den rechten Tunnel nach hinten verschwindet. Der Atlatus hat in
der ersten Reihe der mittleren Tribüne Platz genommen, wartet ab
und steigt dann die Treppen links hinauf.
Die Sopranistin stöckelt nach vorne, hüpft auf der Bühne nach
vorne, schaut in den Orchestergraben, argwöhnisch vom Atlatus
beobachtet, damit er - zur Not im letzten Moment - einzugreifen
und den Sturz der Sopranistin in den Orchestergraben zu
vereiteln in der Lage ist.
Die Altistin singt die Plakatwand an, dann tändeln die drei
Solisten über die Bühne, der Atlatus steigt links die Treppe
hinauf in lichte Höhen der Tribüne, der Tenor geht nach rechts
ans Portal, greift sich einen Hockeyschläger, den die Inspizienz
weisungsgetreu dorthin am Boden platzierte. Damit hantiert er
rücksichtslos herum, um beim ’Rex tremenda majestatis’ mit dem
Stecken auf den Bühnenboden zu schlagen. Die Sopranistin lacht
schallend, ob der tenoralen Aktionen.
Für das folgende ’Salva me fons pietatis’ hat die Altistin sich
bemüßigt gefühlt, sich sicherheitshalber links vorne auf die
Knie niederzulassen und sich damit in Deckung vor weiteren
Attacken des Tenors mit dem Holzschläger zu gehen. Zu ihr
gesellt sich die Sopranistin, so dass die beiden Damen
musikalisch sehr leicht zusammenbleiben können.
Der Bassist war rechtzeitig für seinen Einsatz zum ’Salva me’
von links oben heruntergekommen, um nun in der Mitte der Bühne
die Situation anzuführen und den um sich schlagenden Tenor in
die Schranken zu weisen, dass man eben nicht auf die Umstehenden
einschlägt, während man textgemäß ’Salva me’ singt.
Der Atlatus hat inzwischen den Tenor entwaffnet und hantiert nun
selber mit dem Stecken.
Der Tenor zog sich auf die Tribüne oben zurück, der Atlatus war
ihm gefolgt, die Sopranistin liegt auf den Knien, wischt mit der
Hand über den Bühnenboden, erhebt sich rechtzeitig, um die hohe
Lage der Töne an der Stelle besser abstützen zu können.
Während des ’Recordare Jesu’ leert sich die Bühne. Manche der
Choristen bleiben an der Plakatwand stehen, der Tenor kniet sich
auf den Bühnenboden und fotografiert mit Blitz die beiden links
singenden Damen - Sopran und Alt.
Das erinnert sehr an die dämliche von Frau Dr. Palmai als
Chefdramaturgin zu verantwortende ‘Tosca‘-Inszenierung an der
Nds. Staatsoper Hannover, wenn Cavaradossi im ersten Akt den
Mesner mit dem Kind fotografiert …. und das am Tag der Schlacht
von Marengo am 14. Juni 1800, an dem ja die ‘Tosca‘ spielt.
Es fragt sich, wer diese Leitungspersonen engagiert, die nicht
einmal die simpelsten historischen Daten zur Verfügung haben.
Wie schön, dass sich alles nun bei den Grünen und der SPD
politisch neigt – ob im Stadtrat in Hannover, im Land oder auch
im Bund. Schlimm nur, dass das Elend am Nds. Staatstheater seit
2002 anhält und sich so die Lage unter der fachmännisch
unqualifizierten Politik manifestiert.
Damit hier die Vorgabe der Geschäftsführung der Oper in Hannover
erfüllt werden kann und Unterhaltung geboten wird, führt oben
rechts die schon bekannte Figur im gelben Kostüm und heller
Perücke Turnübungen durch.
Man kann es nicht richtig erkennen, aber handelt es sich bei der
Frau nicht um Herrn Mutschler, der ja die verbindenden Texte in
verschiedenen Sprachen für den zweiten Teil des Abend erfunden
hat? Den hat aber doch Herr Schoner nach STR engagiert. Was
macht der noch hier?
Unfug, wie es scheint, aber das fällt bei dem ganzen Getue und
Gemache in dem Haus nicht mehr auf. Leidtragende sind die
Solisten – gerade an dieser Stelle.
Für das ’Ingemisco’ erhebt sich der Tenor, der das
Gespräch der beiden Damen auf den Stühlen in der ersten Reihe
liegend angehört hatte. Das Licht wird mehr und mehr eingezogen,
es wird ein heller Lichtkreis auf den Boden projiziert. Ein
Statist betritt den Kreis, Kinder strömen herbei, gesellen sich
zu dem soeben aufgetretenen Einzelgänger und halten dem Tenor
beruhigend die Hand, denn jetzt kommt die hohe Stelle, vor der
sich mancher fürchtet. Die Kinder schleppen den Tenor nach
rechts, wedeln mit den Armen, um das Publikum abzulenken, falls
der hier hohe Ton ‘in die Hose‘ geht.
Der Lichtkegel wird verkleinert zu einem Lichtring, der Sopran
tritt von links hinzu, der Bass von rechts, die Kinder sind samt
Tenor durch den rechten Tunnel von der Bühne geeilt. Auch der
Kleine mit dem Klügel’schen ’Aida ’-Elefanten.
Der Bass tritt in den wieder aufgezogenen Lichtkegel und hat für
sein ’Confutatis maledictis’ die Bühne für sich – bis auf dieses
Faktotum, das mit dem Hockeyschläger um ihn herumschleicht. Nun
tritt auch die Altistin hinzu, kramt da am Boden herum und
stört, indem sie den Bassisten aus dem Lichtkegel herauszuziehen
trachtet. Es gelingt ihr.
Der Lichtkegel erlischt und der Chor stürzt herbei, wird aus der
Rampenbeleuchtung illuminiert und liefert sein ’Dies irae’ –
unter Ableistung gewisser Turnübungen, wie ’Rumpf vorwärts
beugt’, ab.
Im Hintergrund wird ‘dämpfig Gedünst‘ aus den entsprechenden
Geräten zu Belebung der Szene seitens der Technik geliefert.
Für das ’Lacrimosa’ der Altistin wendet sich der Chor nach
hinten, um der Sängerin die ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen
zu lassen. Dann steigt die Menge auf die Tribüne und damit in
den Hintergrund, die vier Solisten fassen sich an den Händen,
laufen dann die Treppe hinauf auf die Hälfte der Höhe und können
sich dort ganz dem ’Dona nobis pacem’ widmen.
Das Faktotum hat rechts eine Reisetasche gegriffen, stellt sich
mit dem Rücken zum Publikum mitten auf die Bühne, schaut den
Chor auf der Tribüne an und wartet auf dessen ’Amen’.
Zur Nr. 3, dem ’Offertorio’, entsteht eine Pause, das Orchester
schweigt und wird nicht einmal durch sein Arbeitslicht
beleuchtet, der Chor sitzt auf der Tribüne. Dieses Tacet wird
vom Faktotum genutzt, sich seiner Kleider weitgehend zu
entledigen, die es dann herumliegen lässt. Irgendwelche Phrasen
werden von ihm gedroschen, wohl die Worte von Herrn Mutschler,
die aber durch schlechte Sprechtechnik und mangelnde Dynamik in
der Sprechweise des Faktotums von den wenigen anwesenden
Zuschauern nicht verstanden werden können.
Sopranistin und der Tenor steigen die Tribüne links herab, sie
hebt den gelben Mantel ihres Kostüms auf und hängt ihn dem
Faktotum um, kniet aus irgendwelchem Grund vor dem Faktotum
nieder, steht aber gleich wieder auf. Die Altistin kramt in der
Reisetasche des Faktotums herum und hilft dem in seine Hose, der
Tenor hält den Hockeyschläger und schaut dem Treiben zu, ohne
die Einsätze zum ’Domine Christe’ zu verpassen. Diese
mitzumachen, gelingt auch den anderen Solisten, auch dem
Bassisten, der rechtzeitig von rechts kommend, auf die Kollegen
trifft. Einzelne Figuren auf der Tribüne bewegen sich rauf und
runter, um die von der Frau Geschäftsführerin Oper anberaumte
Unterhaltung, die sie ja als Amerikanerin so liebt, zu
gewährleisten.
Das Faktotum wird von Solisten weiter eingekleidet, es erhält
einen roten Umhang und stürzt dann mit dem flatternd wie eine
Fledermaus die Treppe der Tribüne links hinauf, oben rum nach
rechts, während unten links der wohl als Herr Mutschler
identifizierte, gelb kostümierte, hell perückte Balletteur seine
Übungen mit dem Hockeyschläger im Lichtkegel vollführt. Das als
Fledermaus kostümierte Faktotum schlängelt sich inzwischen durch
die Reihen des Chores auf der Tribüne runter auf die Hauptbühne.
Von links werden hochaufragende – weil mit Gas gefüllte –
Luftballons hereingetragen und vom Faktotum wild herumrennend an
die Solisten verteilt.
Alles zur Erfüllung der Vorgaben zur Unterhaltung durch die Frau
Geschäftsführerin der Oper.
Wer hat die eigentlich eingestellt?
Nun folgen die wohl von Herrn Mutschler erfundenen Texte, von
den Solisten in deren Muttersprache vorgetragen, die die
Vorstellung nur aufhalten, weil „überflüssig wie der Dreck zu
Pfingsten!“
Damit auch hier die Vorgabe der Unterhaltung erfüllt werde,
steigt die Altistin dem Bassisten nach. Dann hebt sie das
Jackett auf, das der Tenor auszog und vom Bassisten auf den
staubigen Bühnenboden fallen ließ. So ist man ständig in
irgendeiner Form in Bewegung.
Für die folgende Nr. 4 das ’Sanctus’ lässt der Tenor auch noch
die Hose fallen und zeigt sich in einem silbrigen Kostüm, das er
unter dem Straßenanzug trug und nun eine La Ola-Welle mit dem
Chor initiiert, die ja - im Rahmen der von der Frau
Geschäftsführerin Oper geliebten Unterhaltung – gezeigt wird.
Von rechts kommt das Faktotum mit einer Kühlbox und verteilt Eis
am Stiel – oder sonst was, man kann es nicht erkennen, der Tenor
schmust mit der Sopranistin, Frau Mutschler als Ballerina tanzt
sich ein Solo, dann zieht die Sopranistin ein Mikrofonkabel von
links nach rechts (sicherlich hätte man das auch gleich rechts
anbringen können, aber dann hätte man ja dem Gang der
Sopranistin mit schwingendem Mikrokabel entraten müssen).
Der Chor hampelt - zwischenzeitlich stehend - im Takt des
’Sanctus’ herum – ganz im Sinne der Frau Geschäftsführerin Oper
– Hauptsache: ’Ä k t s c h n’!
Der Bassist setzt sich in die erste Bank der Tribüne und liefert
seinen Mutschler-Text ab, dem nach einigen Minuten die Nr. 5 das
’Agnus Dei’ mit Sopran, Alt und Chor folgt. Die Altistin voller
Begierde, dem Wunsch nach Unterhaltung zu folgen, läuft bis in
die Mitte der Bühne, um den nach rechts gewankten Bassisten zu
sich zu locken – es misslingt.
Nun versucht es die Sopranistin, den Bassisten aus seiner
Lethargie, die ihn da in der rechten Ecke der Bühne neben der
Wahlplakatwand überfallen hat, zu lösen. Ihr gelingt es und die
Altistin, die der Sopranistin quer über die Bühne gefolgt ist,
beobachtet die ’action’ der Sopranistin genau. Der Chor ist von
links kommend nach rechts dem Vorgang gefolgt und rückt den
Solisten nah, worauf sich der Bassist bedrängt fühlt und in sich
zusammensackt. Natürlich springt – typisch für einen
’Mütteralt’, die Sängerin herbei und kümmert sich um den
Gestürzten. Immerhin ist sie ja im Kostüm der DRK-Schwester (das
Häubchen weist sie als solche aus) zum Helfen
dienstverpflichtet. Um das Ganze im Rahmen der geliebten
Unterhaltung zu bestärken, stößt der Bassist von Verdi nicht
komponierte Quällaute hervor, worauf der Chor leicht
zurückweicht. Die Sopranistin hat dem Bassisten die Schuhe
ausgezogen, die sie zunächst an sich nimmt, diese ihm dann
aushändigt und nach links abgeht.
Das Faktotum war inzwischen hinzugetreten. Die Altistin kniet
nun bei dem gestürzten Bassisten am Boden. Statt ihn jetzt zu
laben und sich ein ‘Erquickung schaff‘ ich‘ zur Maxime zu
machen, sagt sie einen Mutschler-Text in polnischer Sprache auf.
Da umklammert die Altistin die Beine des Faktotums – Sopranistin
und Tenor poltern laut mit den Absätzen auf dem hölzernen Boden
über die Bühne und verlassen diese nach links. Die Altistin hat
die Beine des Faktotums losgelassen und widmet sich weiterhin
mit ‘Inbrunst im Herzen‘ ihrem Mutschler-Text.
Einige Statisten bewegen sich zwecks ’Unterhaltung’ mal rein,
mal raus – schaffen so Bewegung und geben dem in so schwacher
Anzahl erschienenem Publikum die Möglichkeit, von dem
Bühnengeschehen – das ja gerade hier so voller Spannung ist, –
enthusiasmiert zu sein.
Die Nr. 6 folgt mit ihrem ’Lux aeterna’ für Alt, Tenor, Bass.
Die krampfhaft 'Unterhaltung' nach US-amerikanischem Modus schaffenden Statisten sind emsig
dabei, durch hinauf und hinab der Treppen, wie auch raus und
rein die Ausgänge benutzend - das Bemühen der Solisten
kultiviert zu singen, zu stören.
Aber die stehen sich dabei ja selber im Weg, weil sie bei
unnötigen Aktionen mitagieren müssen.
Foto: Nds. Staatsoper Hannover
Golf-spielender Tenor während der Totenmesse
Wahlplakate werden vom Faktotum von der Pinwand am Portal
abgenommen, der Altistin wird mit dem roten Fledermausumhang die
Möglichkeit zum Einwickeln zur Verfügung gestellt, die
abgenommenen Wahlplakate werden in die in die Luft und so dem
Publikum vorgehalten.
Mit den letzten Tönen der Nr. 6 flattert das Faktotum mit
wehendem Fledermausumhang von rechts nach links, um für eine
hier nicht weiter genannte Amerikanerin, die ja Unterhaltung
liebt, für diese zu sorgen.
Für die Nr. 7, das ’Libera me’, wird die Bühne abgedunkelt, sie
erscheint nun in gelblichem Licht einer untergehenden Sonne und
die Sopranistin nutzt die Gelegenheit, das in geringer Anzahl
erschienene Publikum, mit ihrem Mutschler-Text vertraut zu
machen. Das Faktotum quatscht ihr von links in deutscher Sprache
dazwischen.
Endlich das Finale, angestimmt von der Sopranistin, der Chor
unsichtbar, von hinten, dann mit Statisten auftretend, über die
Bühne eilend und so für Unterhaltung sorgend, bevor die Bühne
wieder in hellstem Licht erstrahlt und mit ’allegro agitato’ der
Chor mit seinem ’Diese irae’ sowohl musikalisch und in Position
stillstehend, ins Publikum wie auch auf den Dirigenten schauend,
darstellerisch mittels emporgehaltener Wahlplakate, das Kommando
übernimmt.
Das Faktotum schlendert durch Chormassen, die Sopranistin eilt
links die Treppe der Tribüne hinauf, dann quer rüber und auf der
anderen Seite wieder runter. Der Tenor nutzt die für ihn
gesangsfreie Zeit und fühlt sich bemüßigt, diese für Übungen zur
Körperertüchtigung mittels Schattenboxen zu nutzen.
Die Sopranistin wieder unten auf der Bühne - trittsicheren Boden
habend – versucht sich bei dem permanenten Rumgerenne dem Gesang
zu widmen, der Chor, ihr kniend zu Füßen, lenkt mit Handspiegeln
das Scheinwerferlicht ins Publikum, mit der Absicht, dieses zu
blenden. Dann werfen alle die Spiegel achtlos zu Boden und
enteilen nach hinten auf die Tribüne.
Jemand klaubt die vom Chor liegengelassenen Spiegel auf, damit
die zum Applaus auftretenden Menschenmassen sich nicht irgendwie
verletzen.
Der Tenor schreitet in Siegerpose des Schattenboxers quer über
die Bühne nach links und versucht mit entsprechenden
Körperbewegungen Beifall des mitsingenden Chores zu erheischen.
Der Bassist schaut befremdet dem tenoralen Treiben zu, versucht
dann, ihn niederzuringen. Der Chor tritt herunter von der
Tribüne, nach vorne an die Rampe, davor die Sopranistin - mit
den letzten Tönen dieses großen Werkes.
Die paar Leute im Publikum sind gemäß dem ’Libera me’ befreit
von szenisch geschmackloser Inszenierung an der Nds. Staatsoper
Hannover und o.a. Text versucht das Konfuse des ganzen
Unternehmens zu beschreiben.
Die auf der Bühne Mitwirkenden sind zu bedauern, sich hier
einbringen zu müssen. Permanentes, planloses Rumgerenne, von
links nach rechts, von oben nach unten, von hinten nach vorne -
vice versa – verhindert kultivierten Schöngesang.
Das Ergebnis ist entsprechend.
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