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04.01.2010 - dradio.de

 

 


Damals in Regensburg

   19. Februar 2006

Betrachtungen zu
'Don Giovanni'


 


"Folget der Heißgeliebten"

Betrachtungen zur Repertoirevorstellung
'Don Giovanni'
Theater Regensburg - 19
.02.2006




'Der' Don Giovanni von Gottes Gnaden:
Cesare Siepi

     

Regensburgs Theaterdirektor Ernö Weil greift verständlicherweise gern nach Bewährtem.
Da war doch eben erst 'Don Giovanni' am Haidplatz - das große Open-Air-Spektakel.
Carola Höhn sollte Donna Elvira sein - kam, sah und reiste ab.

Jetzt schon wieder 'El burlador de Sevilla' - des Gabriel Téllez, der 1584 in Madrid geboren wurde und unter dem Pseudonym 'Tirso de Molina' dieses Bild des Frauenverführers schuf.
Die Uraufführung - nach dem erfolgreichen Start von 'Figaros Hochzeit' 1786 nun ein Jahr später am 29. Oktober 1787 der Schritt auf die Opernbühne in Prag - Don Giovanni oder 'Il dissoluto punito' - 'Der bestrafte Verführer'.
 
Vor und nach Mozart's Giovanni befassten sich viele mit dem
Stoff.
In den 300 Jahren seit der ersten Version wurde in Frankreich das Thema mehr als 100 mal behandelt, davon allein 57 mal im 20. Jahrhundert, in Spanien waren es 94, von denen 44 im 20. Jahrhundert entstanden; in deutschsprachigen Ländern gibt es 83 Fassungen, hierbei 35 aus dem letzten Jahrhundert, total sind es 56 Einzelwerke, davon 34 aus der Zeit von 1900 bis 2000 allein im englischsprachigen Raum.

Hieraus ließe sich wahrlich eine 'Registerarie' konzipieren.

 

 

   

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Wien:
Mozart und Lorenzo da Ponte kennen einen Operneinakter des Librettisten Giovanni Bertati: 'Don Giovanni tenorio o sia Il convitato di pietra' - gerade sehr erfolgreich in Venedig uraufgeführt.
Ganze Textstellen werden in das Libretto von da Ponte übernommen. Er folgt Bertati im ersten Akt bis Nr. 12. Während der Vorlagengeber dann direkt zur Friedhofszene springt, ergänzt da Ponte die Nummern 13 bis 20 im ersten Akt, fügt die Szenen 1 bis 10 im zweiten Akt ein schließt hier als 11. Szene das Schlussbild nach Bertatis Vorlage an.

Aus der reinen Buffa wird eine Mischung aus Komödie und Tragödie - das dramma giocoso - mit dem erhobenen Zeigefinger das 'lieto fine' das Ende des Stückes in der Wiener Fassung.
Die Basis bildet eine Geschichte, die sich zugetragen haben soll und von dem spanischen Mönch Tirso de Molina dramatisiert wurde,  wonach Mönche das ruchlose Leben des Fürchtenichts und Frauenhelden beendeten. "So endet, wer Böses tut."
Einiges dramaturgisch kaum Nachvollziehbares - Längen - gibt es im Text, die Vielfalt der Szenen macht eigentlich auch eine Reduzierung notwendig, um der Verwirrung der Zuschauer entgegen zu wirken.
 
Da Ponte kann an der Uraufführung in Prag nicht teilnehmen, da er gleichzeitig Libretti auch noch für Salieri und Martini schrieb und nach Wie zurückgerufen wurde. So war sich Mozart im Oktober 1787 in Prag wegen der Texte allein überlassen.
Doch einer kam ihm zu Hilfe. Auch im Oktober 1787 hielt sich in Prag der weltbekannte Fachmann in Sachen Liebe auf: Giacomo Casanova.
Er war damals Bibliothekar im Schloss des Grafen Waldstein in Dux, nahe der böhmischen Hauptstadt.
Die Zusammenarbeit von Casanova und Mozart ging soweit, dass der wirkliche Liebhaber den Text für das Sextett im zweiten Akt umschrieb. Lorenzo da Ponte
war ja in Wien - im Nachlass Casanovas befinden sich zwei beschriebene Blätter mit diesem veränderten Text.

Der zur Entstehungszeit übliche Einbau sängerfreundlicher Arien und Szenen - wie durch die so genannte 'Champagner-Arie' oder das Ständchen - erweitert das Stück erheblich um die Leidensfähigen: Donna Anna und Don Ottavio - vertreten so im 'Giovanni' die 'opera seria', die 'buffa' bleibt durch die übrigen Rollen erhalten. Zwischen beiden als tragi-komische Figur: Donna Elvira.

Hatte Donna Anna etwas mit Giovanni, wurde sie von ihm im elterlichen Haus verführt, vergewaltigt - immerhin spricht sie von Schande. Und Leporello kommentiert und bestätigt "[...] Die Tochter verführen und den Vater ermorden! [...]"
Oder ist es ihre Liebe, die von ihm verschmäht wurde, dreht sie den Spieß um, zeiht ihn der Verführung, verfolgt ihn aber, weil er sie nicht wollte ? Oder gewann sie Lust durch Giovanni, was jetzt Last für sie, auch dass durch ihr Verhalten, der plötzliche Tod des Vaters durch Giovannis Hand - gezwungenermaßen, da der Komtur zum Schutz Annas ihn verfolgt - also Totschlag und nicht Mord - herbeigeführt wird.
Ihre Worte Verstellung ? Ausgeschlagene Liebe - bei einer Frau für einen Mann, höchst gefährlich. Sie leidet nun in mehrfacher Hinsicht.
Immerhin "[...] Gleich einer Furie will ich rasen, dein Verderben werd' ich sein. [...]".
Die Kraft der Sängerin der Anna muss sich erweisen, wenn sie in der hohen Lage die Ensembles anführt.
Gleich in der Nr. 10 - "[...] Du kennst nun den Frevler, der Schande mir drohte [...]" kann die Sängerin der Donna Anna ihre ganze Erregung in der Schilderung des wie immer gearteten Zusammentreffens mit Giovanni zum Ausdruck bringen. Die Andante-Arie begleitet durch Tremoli der Streicher, die Erregung - nur wenige ruhige verinnerlichte Seufzer.

In Nr. 23, Rezitativ und Arie "[...] Ich grausam ?[...]" weist Donna Anna die Vorwürfe Ottavios zurück. Die hier von Mozart verwendeten Triller und Ausschmückungen verdeutlichen die Kraft, mit der Anna sich der Aufgabe, Don Giovanni zu eliminieren, stellt, ohne hier übermäßig aufzutrumpfen.
Mozart komponierte den Schluss der Arie so, dass der Applaus eigentlich nicht ausbleiben kann.

Ljuba Welitsch, Leontyne Price, Joan Sutherland, Martina Arroyo, Margaret Price, Anna Tomowa-Sintow, Renée Flemming, Zinka Milanow - aber auch Elisabeth Grümmer, Sena Jurinac oder Lisa della Casa und ganz besonders in der Rolle, der dramatischen Donna Anna hervorzuheben: Edda Moser.

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Donna Elvira - diese Rolle ist Molières 'Dom Juan ou Le Festin de pierre' entlehnt - die Giovanni in einer gewissen Art von Hysterie nachstellt - nachdem ihre Affäre in Burgos mit ihm nicht sonderlich erfolgreich war und danach Giovanni auf der Flucht vor ihr ist, sich aber nicht scheut, sie wieder anzumachen.
Ihre Hoffnung, dass er "[...] voll Reue mein heißgeliebter Gatte [...]" sich an sie bindet, führt dazu, dass sie ihn völlig verliert. Ohne Entwicklung innerhalb des Stückes - das sich ja während eines Tages abspielt - Elvira steht da, ohne etwas erreicht zu haben. Allerdings setzt auch sie wie Donna Anna auf die Vernichtung Giovannis mit "[...] dem Tod sei er geweiht [...]".
Da Mozart in Wien Catarina Cavalieri als virtuose Sängerin zur Verfügung stand, passte er sich deren 'geläufiger Gurgel' an und ergänzte die Rolle durch die Arie Nr. 21 b im zweiten Teil. Diese erhielt damit eine dramatische Note und rückt aus dem Anschein einer durch Hormonwallungen Verwirrten, deren Liebe verschmäht wurde und weiterhin wird, heraus. Er charakterisiert ihre zerrissene Seele durch heftig-große Tonsprünge.

Die Nr. 3 - Elviras exaltierter Auftritt "Ach, werd ich ihn wohl finden ..." - die Gemütsfassung wird vom Orchester mit Synkopen unterstrichen - ist mit der Arie in dem Sinne kein Sologesang, denn Giovanni kommentiert 'beiseite' ihren Text und geht in den letzten Takten auf sie ein. So 'verkleckert' dieses Musikstück für Elvira in einem nicht gehaltenen Dialog.
Die Nr. 8 - "O flieh, Betrogne, flieh" - an Zerlina gerichtet, knapp und konzentriert auf weinige Takte beschränkt, mit den unvermeidlichen Koloraturen ein eindrucksvolles Musikstück in diesem Werk und für die Sängerin eine weitere Herausforderung.
An sich gehört für diese Rolle ein ganz kopfiger Sopran, gerade wenn die Nr. 21 b mit Rezitativ und Arie "I[...] n welchen Abgrund, o Himmel" .... "Mich verriet der Undankbare ..[...]" offen ist.
Elisabeth Schwarzkopf - wieder und wieder in der Rolle - niemals Anna. Ihre Stimme zu schmal für die notwendige Opulenz der Mitspielerin. Von der Zerbinetta zur Ariadne, von der Susanne zur Gräfin, zur Marschallin, aber über die Elvira nicht zur Anna.
Die Rolle besetzt mit z.B. Trudelise Schmidt - sie sang 'die Knaben' weil sie so dünn war - oder Ann Murray oder Agnes Baltsa, aber auch Waltraud Meier.

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Don Ottavio, der Verlobte Annas - eine leidensvolle Figur, kaum fähig, etwas Handgreifliches zu unternehmen. Immer nach innen gewandt, immer auf Ausgleich bedacht.
Donna Anna hatte in ihm offensichtlich etwas anderes erwartet, als einen Resonneur, einen Bedenkenträger - "[...] Nur ihrem Frieden weiht ich mein Leben[...]" - sie will ja gar keinen Vaterersatz, als den Don Ottavio sich anbietet - sondern was erleben. Und das verspricht die Gemeinschaft mit Giovanni. Nur, der will sie wohl nicht oder will sie ihn wirklich nicht ?

Mozart richtete sich weitgehend nach den Erfordernissen der jeweiligen Bühnen und sängerischen Möglichkeiten der betreffenden Theater. So komponierte er am 24. April 1788 für die Wiener Aufführung am 7. Mai 1788 die Arie Nr. 10 a "[...] Nur ihrem Frieden[...]" für den Sänger Francesco Morella, der die eigentlich vorgesehene Arie Nr. 21 "[...] Folget der Heißgeliebten [...]" wegen der Koloraturen nicht singen konnte.

In der Rolle des Don Ottavio immer wieder Anton Dermota, daneben Julius Patzak, Nicolai Gedda - aber auch Hans Hopf in jungen Jahren -
unverkennbar, hier schon der spätere schwere Held.

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Zerlina, eine von Giovanni Angemachte. Eine junge in jedem Fall, aber Soubrette, die ihr Leben nach dem Motto "[...] O ihr Mädchen, zur Liebe geboren, auf benützet die blühende Zeit! [...]" im Griff hat, nur mit Masetto verlobt, mehr ist für sie als Mitglied des dritten Standes nicht drin. Es schmeichelt ihr natürlich, dass der Herr Giovanni sich mit ihr abgibt. Fast verfällt sie dem dämonischen Aristokraten. In der Nr. 12 - "[...] Schmäle, tobe, lieber Junge [...]" wehrt sie sich gegen die Vorhaltungen ihres Verlobten Masetto und in der Nr. 18 - "[...] Wenn du fein artig bist[...]" - muss sie sich gerade ihm verpflichtet fühlen, wurde ihm doch seelisch und körperlich stark zugesetzt.
Erna Berger, Graziella Sciutti, Janette Scovotti, so aber auch: Mirella Freni darf's in dieser Rolle sein.

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Masetto - ein sesshafter Bass, kämpft und ringt im wahrsten Sinne des Wortes mit Giovanni um seine Braut Zerlina. Hier ist in der Nr. 6 die Kraft des aufbegehrenden Underdogs, aber auch die Grenze zur Resignation sehr nahe. Für ihn gilt es, mit seinen Mitteln, die Braut bei sich zu halten - das flatterhafte Wesen, das seine Möglichkeiten, bei Giovanni zu landen, klar erkennt und doch bei Masetto, dem jungen Bodenständigen bleibt, als sich einem an manchen Körperstellen stark abgenutzten Casanova hinzugeben. Die Nr. 6 ist mit "[...] Hab's verstanden, gnäd'ger Herr [...]" eine kleine Möglichkeit, sich zu präsentieren. Man bedenke, 1942 war diese Rolle an der Dresdener Oper mit keinem geringeren als Gottlob Frick besetzt. Die nach ihm benannte Gesellschaft, in der auch der hiesige Theaterdirektor Ernö Weil nebst Gattin Mechthild Gessendorf anwesend sind, gedenkt des großen Sängers Jahr für Jahr.

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Der Diener Giovannis, Leporello, gesellschaftlich die untere Klasse vertretend, will nach oben, "[...] ich will selbst den Herren machen, mag nicht länger Diener sein [...]" und bleibt dann doch was er ist, ein Bursche seines Herrn und ist dieser letzte in die Hölle gefahren, sucht er sich einen neuen 'Vorgesetzten'.
Er muss seine momentanen Vorteile sehen und mit dem Frauenheld mitziehen, obwohl es ihm doch auch schwer ankommt, immer wieder für seinen Herrn in die Bresche zu springen, auch wenn er erkennt, "[...] seine tollen Abenteuer werden mein Verderben sein [...]"
Die Rolle beinhaltet das Buffoneske, so in der Nr. 4 "[...] Schöne Donna, dies genaue Register [...]" oder das Hektische, voller Unruhe, aber voller Farben für den Sänger der Rolle in der Nr. 20 "[...] Ach, erbarmt euch, liebe Herrn [...]" - Möglichkeiten für einen Bassbariton vieles auszuspielen. Trotz allem, Leporello bleibt, wie die Damen, allein. Keiner spielt mit ihm. Eine singuläre Person, die nur für 'den Chef' lebt. Ein guter Büroleiter wäre in einer ähnlichen Position - hintanzustehen, sich zu sorgen, dass der Laden läuft. Und das gelingt ihm.
Walter Berry, Benno Kusche war Leporello, John Tomlinson, Bryn Terfel - alles Kraftvolle, denen es keine Mühe machte, ein Gegengewicht zum herrschaftlich, leichtfüßigen Giovanni zu sein.

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Der Komtur - nur ein Schemen und doch eine wichtige Figur im Zusammenhang. Ganz real im ersten Akt und im Schlussbild nur ein Gedanke. Hier bleibt dem Zuschauer die Möglichkeit, über die Fantasie, den Geist zu beschwören.
Matti Salminen ist ein Komtur von hohen Graden, Josef Greindl war es,  wie Gottlob Frick, Franz Crass.

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Die Titelrolle - das Nonplusultra für jeden Bariton. Hormonell an sich schon ausgestattet mit knackiger, körperlicher Männlichkeit - muss sich dies auch stimmlich entfalten können. Cesare Siepi, Tito Gobbi Mathieu Ahlersmeyer und Eberhard Wächter - und natürlich auch 'Fidi',  ein intellektueller Giovanni?
In allem, so auch in seinen drei Arien, kann der Rolleninterpret alles ausspielen, was ein Bariton an verführerischem Schmelz und kraftvoller Attraktivität 'drauf' hat nach dem Motto "[...] mir ist, ich atme süßen Weiberduft. [...]".
Die Nr. 11 - das rasante "Treibt der Champagner das Blut erst im Kreise"
dokumentiert wie er mit der Fülle seiner Kraft mitten im Leben, mitten unter den ihn umgebenden Menschen und vor allem Frauen steht - außer Atem stürzt er mit den letzten Melodienfetzen davon. Ein ausgereifter Cherubino.
Im Gegensatz hierzu, die Nr. 16 - das Ständchen "[...] Horch auf den Klang der
Zitter [...]" - gibt es dem Sänger die Möglichkeit, in voller Zartheit den Frauenverführer zu präsentieren. Die zwei Seiten dieser Rolle.
In Nr. 17 - "[...] Ihr geht nach jener Seite hin [...]" - kann beides gezeigt werden, das Beherrschen der übrigen Figuren auf der Bühne durch markantes Auftreten wie auch die Verschlagenheit, auch durch die Verkleidung deutlich gemacht.

Inhaltlich trägt die Oper völlig zu recht den Titel 'Don Giovanni'.
Die so genannte Champagner-Arie, Nr. 11 - das Ständchen, das Duett mit Zerlina,
die Nr. 7 und die mit Leporello, die Nr. 14 wie die Nr. 22 und das Finale die Nr. 24 -
ja, und auch noch das Terzett, die Nr. 15
das alles fordert einen ausgewachsenen italienischen oder Charakterbariton vor
allem in Auftreten, Erscheinung.
Gemessen daran haben gerade die InterpretenInnen der Donna Anna, Donna Elvira, Don Ottavio sich großen sängerischen Aufgaben - allein durch die Koloraturen in hohen Lagen - zu stellen.
Und in Bezug auf Don Ottavio ergänzt die Musik-Dramaturgin des Theaters Regensburg die Anfrage des beobachtenden Abonnenten per E-Mail am 6.2.06:
"[...]  es stimmt schon, dass "Il mio tesoro" stimmvirtuoser ist. Weil aber so ein
Infekt den ganzen Körper schwächen kann, können die langen Linien in "Dalla sua pace" fast tückischer sein, weil es dabei einfach um Kraft geht. [...]"

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Theater Regensburg - Premiere 10.2.06
Don Giovanni

Die Schwarzen
Musikalische Leitung Raoul Grüneis
Inszenierung Angela Brandt
Bühne/Kostüme Harald B. Thor
Kostüme Tanja Hoffmann
Chöre Karl Andreas Mehling
Licht Klaus Herbert Welz
Dramaturgie Christina Schmidt


Die Personen und ihre Darsteller der am 19.2.06 besuchten Vorstellung
 
Don Giovanni Mattias Tosi-Sokolow
Leporello Alexander Trauth
Donna Anna Katharina Leitgeb
Don Ottavio Kalle Koiso-Kanttila
Donna Elvira Ulrike Maria Maier
Zerlina Melanie Schneider
Masetto Martin-Jan Nijhof
Der Komtur Young-Myoung Kwon

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Musikalisch gestaltete sich der Abend des 19.2.06 in den meisten Fällen als grob, schnell, laut.
Einstudierte Tempi sind auch bei den Vorstellungen durchzuhalten und nicht 'nach gusto' - wie schon beim 'Holländer' bemerkt - zu ändern, kein Wunder, wenn dann eine/r ganz schnell mal hinterher hängt.

Tempi bei Rezitativen nachgiebiger. Die eigenen Möglichkeiten als Dirigent und die der Sänger nutzen - es geht um die Charakterisierung der Musik und der Figuren auf der Bühne.

Z.B. wird über die der Nr. 9 viel zu schnell hinweg gegangen - zu wenig differenziert gestaltet, die Noten sind kaum aussingbar - damit kommt das Staunen in den Worten und in der Musik überhaupt nicht zur Geltung.
Das Geheimnis des Musikmachens liegt in Agogik und Dynamik.
Wenn sich keine Zeit genommen wird, wird alles in einer Einheitlichkeit abgeliefert.

Phrasen sollten über 4 - 6 Takte hinweg gedacht werden, damit große Bögen entstehen - auch eine Atempause ist kein Loch.
Gedanken, Entschlüsse aus dem Text für die Zuhörer erkennbar und im Spiel sichtbar machen.

In Nr. 2 Donna Anna kraftvoll in aller Aufgeregtheit. Dass Lyrische die Töne gerne anschleifen - das 'cercare la nota' gehört nicht zu Mozart, allenfalls zu Puccini - ist bekannt, muss aber nicht sein.
Übersteuern, wie in der ersten Anna-Szene, vermeiden - nicht mehr Gas geben, als unbedingt notwendig.
Drücker sind Unarten, die bald vergessen sein könnten - sie spiegeln eine Intensität vor, die falsch ist.
In der Nr. 23 wunderbar kopfige Zaubertöne - beste Voraussetzung für den Richtigen, "wenn's einen gibt für mich auf dieser Welt".

Die Donna Elvira sollte nicht durch Breitziehen der Mundpartie viele Möglichkeiten der Wirkung vernichten.
Leicht ansprechende Höhe, die im Timbre bleibt - dann auf keinen Fall plärrig in der Tongebung werden, gerade wenn es aus der hohen Lage in die Mittellage und weiter nach unten geht. Für einen guten Registerausgleich sorgen.
Warum werden die Töne nicht überkuppelt ? Es klingt edler, runder, es ist angenehmer für den Hörer und gesünder für die Stimme. Beispiel hierfür ist die 21 b auf Seite 249 oberstes System - die Phrase mit dem lockeren, offenes 'O' gesungen - klingt europameisterlich.
Der Vokal 'a' ist schon problematisch, geschweige denn die Vokale 'e' oder 'i' - es hört sich kindlich / ordinär an.

Dass ein Don Giovanni in jeder Hinsicht Ausstrahlung haben soll, dürfte auch dem Unbedarften klar sein. Regensburgs Giovanni am 19.2.06 hat eine außergewöhnlich schöne, weit tragende - wohl tönende Stimme. Unverständlich, warum der Generalmusikdirektor das vorgegebene Presto in ein prestisssimo assai umwandelt, dass der Sänger die Töne in der Nr. 11 teilweise nur 'bellen', statt singen kann.

Don Ottavio - der Liebevolle, Besorgte. Statt mit einem sanften "Teure Geliebte ... erhole dich, erwache " - haut er ihr das "consolati" .... "facore" um die Ohren, als sagte er auf gut hiesig: "Jetzet hoab di net a so!" - er hat sie zu streicheln, nicht zu ohrfeigen.
Ein kurzfristig die Rolle übernehmender Ottavio wird auch noch dahinter kommen, wie er den Atem einzuteilen hat, "[...] dass er nicht knappt [...]" (Seite 228 / 230), dass er in der Nr. 21 meint, Heldentöne von sich geben zu müssen, sprengt den Rahmen. Es ist wie immer, der Buffo will der Lyrische, der Lyrische ein Held sein.
Aber beim 'Matteo' kann er ja dann zulangen.
Und der Theaterdirektor Ernö Weil war zur Nr. 21 schon wieder aus dem dritten Rang verschwunden. Nur für die ersten beiden Auftritte DO stand er plötzlich oben am Olymp.

Zerlina, spielfreudig, sangesfroh - und gutes Aussehen schadet auch nicht, um die Publikumsgunst zu erringen. Wenn diese Zerlina sich dann auch noch in höchsten Lagen wohl fühlt, kann mit einer souveränen Fiaker-Milli gerechnet werden.

Ihr Masetto, der junge Bauer, ist auch schon mal vom Aussehen und der Gestaltung der Rolle in sängerischer Hinsicht eher der Sohn eines Großgrundbesitzers, der sich kaum von Giovanni verprügeln lässt.
Aber so geht es nun mal an kleinen Theatern, dass ein Sarastro nicht die Hauptrolle übernehmen kann. Viele Große waren und sind sich nicht zu schade, einer kleinen Partie Bedeutung zu geben.

Leporello, kein molliger Sancho Pansa, sondern ein groß gewachsener, Wohlproportionierter - den Giovanni an Länge und Körperlichkeit überragend, hat die Rolle schon gesungen und ist dadurch sicher. Dass die vorgegebenen Tempi ihm gelegentlich Mühe bereiten, nachzukommen, liegt wohl an den oben schon geschilderten 'dirigistischen' Gegebenheiten.
Es fehlt aus dem Graben nur noch der Zeigefinger Richtung Frackweste "Ich bin es, der das Tempo bestimmt!!!"

Der Komptur kann Gänsehäute hervorrufen, wenn die stimmlichen Mittel vorhanden sind.

Das Mitlesen des Klavierauszuges ist der Grund, warum an dieser Stelle noch nicht auf die szenische Realisation eingegangen wird. Hierfür ist ein weiterer Besuch des 'Don Giovanni' notwendig. Niemand kann hören und in die Noten schauen und gleichzeitig das Geschehen auf der Bühne aufnehmen.
So kann ein Theater leicht gefüllt werden, wenn mehrere Personen, mehrere Male eine Produktion besuchen.
                                          

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
in Anspruch.

Dieter Hansing