Wahlergebnis 9. Oktober 2022
Quelle: file:///C:/Users/Hansing/Downloads/20221010_PI_11_-_vorl._amtl._Endergebnis-2.pdf
Kommentar
„Selber Schuld“
Es gab genügend
Themen, die nur hätten aufgegriffen werden müssen.
Alles laufen lassen, obwohl eine große Anzahl von Wählern z.B.
die Kulturszene und speziell das fatale Misswirken der Theater
in künstlerischer, wie wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht
kritisch im Blick hatten.
Die Politik hat keine Ahnung, macht sich auch nicht die Mühe,
Tatbestände zu erfassen und zu behandeln. Nun hat sie die
Quittung und wundert sich, dass Wähler fernbleiben oder
abwandern.
Zitate
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Ronald Meyer-Arlt über den
Spielzeitbeginn am Staatschauspiel Hannover mit
Hamlet
Zitat
Der
Rest ist Leere
[…]
[…] Am Ende
gab es freundlichen Applaus.
Nur ganz wenige Zuschauerinnen und Zuschauer
erhoben sich, um stehend zu applaudieren.
Diejenigen aber, die hinter ihnen saßen, erhoben
sich nicht.
Es gab ja auch keinen Grund dafür!
[…]
Zitatende |
Quelle: Hannoversche
Allgemeine Zeitung – Ausgabe 19. September 2022 – Seite
23
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Zitat
Riccardo Muti verteidigt das „N-Wort“ in der
Oper
[…]
Hamburg.
Riccardo Muti wendet sich gegen politische
Korrektheit im Opernbetrieb. Er verteidigt in
der „Zeit“ seine Entscheidung, bei der
Aufführung von Verdis „Maskenball“ in Chicago
das „N-Wort“ nicht gestrichen zu haben.
„Es
ist wichtig, dass nachfolgende
Generationen
wissen,
was in der Vergangenheit los war,
im Guten
wie im Schlechten“,
sagt der
Stardirigent.
„Wir ziehen ja auch Michelangelos David
keine Unterhosen an.“
Zitatende |
Quelle:
https://www.zeit.de/2022/39/riccardo-muti-italien-oper-diskriminierung-interview/komplettansicht?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
Dirigent Philippe
Jordan:
"Oper ist auf "fatalem Irrweg"
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Zitat
Philippe Jordan kündigt im "Kurier" mit Verweis
auf zu viel Regietheater an, dass er seinen
Vertrag nicht verlängern werde
[…]
Der Grund seiner Resignation sei kein spezifisch
wienerisches Problem. "Ich glaube, dass unser
Theater, was die Regie betrifft, seit langer
Zeit einen fatalen Irrweg eingeschlagen hat.
Selten in meiner Karriere war ich bei
Inszenierungen wirklich glücklich",
unterstreicht Jordan im "Kurier". Dieser Irrweg
führe auf Dauer zu einem unvermeidlichen
Scheitern.
Zitatende |
Quelle: https://kurier.at/kultur/dirigent-staatsopernmusikdirektor-philipp-jordan-oper-ist-auf-fatalem-irrweg/402166506 |
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Zitat
APROPOS:
Höchster Respekt und Bewunderung
In meiner
Theaterbibliothek befindet sich ein kleines Buch aus dem
Diogenes-Verlag, das ich besonders schätze. Es stammt
von Georg Hensel, dem
mittlerweile verstorbenen, einst hoch geschätzten
Theaterkritiker der FAZ. Das Büchlein heißt „Wider die
Theaterverhunzer" und stammt aus dem Jahre 1975 (!!).
Hensel wusste damals schon, vor fast einem halben
Jahrhundert, als das, was wir „Regietheater" nennen,
gerade so richtig Fahrt aufnahm, um welch irrwitzige
Fehlentwicklung es sich dabei handelt.
Ein Kollege von
Hensel, Gerhard Stadelmaier, fand die kostbare
Formulierung über Regisseure, die einfach machten, „was
ihnen durch die Birne rauscht", ohne Sinn und Verstand,
auswechselbar, angeberisch verbrämt. Und damit leben wir
nun seit Jahrzehnten.
Heute befinden wir uns
in einem geistig gänzlich verbogenen Zeitalter, wo viele
Menschen sich scheuen, ihre wahre Meinung zu sagen.
Richard Precht, der sich auch nicht den Mund verbieten
lassen möchte, analysiert, wie „Meinungen, die von der
Mehrheitsposition der Leitmedien abweichen,
abqualifiziert und diskreditiert" werden.
Darum ist es umso
bewundernswerter, wenn ein Mann aufsteht und offen sagt,
was er von der Situation der Regie — in seinem Fall der
Opernregie — wirklich hält. Und auch gleich die
Konsequenzen zieht, hier nicht mehr mitmachen zu wollen.
Mir stockte immer
wieder der Atem, als ich das Interview mit Philippe
Jordan im „Kurier" gelesen habe. Der Mann, der im
Gleichschritt mit Bogdan
Roscic angetreten ist, wendet sich nach zwei Spielzeiten
von dem ab, was dieser an die Wiener Staatsoper gebracht
hat — schon in der ersten Spielzeit den Schippel von
Uralt-Inszenierungen, die teils zwei Jahrzehnte auf dem
Buckel hatten, und die Wien als die wahren Novitäten
moderner Opernregie verkauft wurden. Und alle — alle
Kritiker, die in den Medien hätten aufschreien müssen —
haben den Mund gehalten. Jordan sagt, was es war:
„Die Antwort kann nicht sein, dass wir den
ausgetretenen Weg des dahinsiechenden deutschen
Regietheaters unbeirrt immer weitergehen."
Er legt den Finger auf
alle Wunden und findet auch die richtige Bezeichnung für
die Entwicklung, nämlich „Irrweg". „Ich glaube,
dass sich dieser Irrweg nun mehr und mehr rächt."
Er beklagt, dass Regisseure von heute in vielen Fällen
an der Musik und das, was sie zu sagen hat, überhaupt
nicht interessiert sind, Dazu kommt die Willkür der
Interpretationen, die sich um das originale Werk nicht
kümmern, sondern nur darum, was ihnen dazu einfallen
kann: „Bei vielen, um nicht zu sagen bei den
meisten der heutigen Regisseure vermisse ich aber diese
gründliche Vorbereitung_(wie sie Dirigent und Sänger
leisten, Anm.) Etwas drumherum zu erfinden oder es auf
primitive Weise zu aktualisieren, ist im eigentlichen
Sinn des Wortes keine Kunst."
Jordan beklagt auch die
Hässlichkeit dessen, was auf der Bühne oft gezeigt wird
(wohl als Provokation): „Aber modernes Theater
muss nicht notwendigerweise jedes Mal eine ästhetische
Zumutung sein."
Und Jordan denkt an
jene Leute, die den Direktoren, Regisseuren und
Dramaturgen schnurzegal sind, die im Gegenteil
provoziert werden sollen bis zum Geht-nicht-mehr:
„Das Publikum hat eine richtige Sehnsucht, einfach
wieder einmal gutes Theater zu sehen und nicht nur
irgendeine Fassung von Irgendjemandem über Irgendwas."
Und er ist überzeugt
davon, dass die Leute, die Theater und Oper machen,
nicht wahrhaben wollen, dass ein sehr großer Teil des
Publikums heute wohl zähneknirschend trotz, aber sicher
nicht wegen der Inszenierungen in die Oper kommt. Und
wenn die Inflation dann auch die wohlhabenden Kreise
erfasst, die sich grundsätzlich Opernkarten leisten
können, „da werden andere Dinge wichtiger als
Opernkarten", davon ist er überzeugt.
Jordan denkt auch an
andere Opfer des heutigen Regiewahns, nämlich an die
Sänger: „Und die Sänger sind überhaupt am
schlimmsten dran, denn wenn sie etwas dagegen sagen,
werden sie nicht mehr engagiert." Ich kann dazu
zwei hochrangige Beispiele anführen. Als ich mit
Johan Botha (seligen, unvergessenen Angedenkens)
über heutige Inszenierungen reden wollte, lehnte er das
Thema ab — mit genau diesen Worten: „Sonst werden ich
nicht mehr engagiert." Und das von Botha, der zu seiner
Zeit ein Spitzenstar der Branche war... Und als ich
Linda Watson interviewte,
hatte ich davor im Internet gelesen, dass sie sich in
den USA darüber beschwert hatte, was eine
Wagner-Inszenierung von Achim Freyer den Sängern antat.
Als ich sie darauf ansprach, sagte sie, ich möge das um
Gottes Willen nicht erwähnen, diese Aussage hätte ihr
schon genügend Schwierigkeiten bereitet. Auch Jordan
konnte dazu etwas beisteuern: „Aber was sie
(die Sänger) fast in ihrer Gesamtheit hinter
vorgehaltener Hand sagen — und das höre ich täglich,
ebenso wie Klagen von Zuschauern und Bemerkungen der
Musiker —, stellt unserem heutigen Theater kein gutes
Zeugnis aus."
Das alles ausgesprochen
zu haben, dafür gebührt Philippe Jorden höchster Respekt
und Bewunderung — auch wenn ein Mann seiner
Größenordnung sicherlich nicht riskiert, nach seinem
Abschied 2025 abzustürzen (auch Welser-Möst stand nicht
vor seinem Karriereende, als er — wenn auch aus anderen
Gründen — von der Meyer-Staatsoper wegging). Aber Jordan
hat sich gewiß von einer prestigeträchtigen, vermutlich
hoch bezahlten Position getrennt, wie man sie nicht alle
Tage findet. Und vielleicht wird er aus welchen Gründen
auch immer (da gibt es viele Möglichkeiten) gar nicht
bis 2025 durchhalten...[…]
Renate Wagner
Zitatende |
Quelle:
https://onlinemerker.com/apropos-hoechster-respekt-und-bewunderung/
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Zitat
Theater und Kino
Stirbt die Kultur? Warum
mancherorts Zuschauer ausbleiben
Schlechte Zuschauerbilanzen, unsichere Aussichten: Die
Lage der Theater und Kinos in Deutschland ist
mancherorts dramatisch. Ein Teil des Publikums bleibt
weg. Woran liegt das? Und: Kommt es wieder?
Gregor Tholl, dpa
17.
September 2022 09:52 Uhr
Theaterkarten werden nach Einschätzung des Deutschen
Bühnenvereins inzwischen oft kurzfristiger gekauft als
vor der Corona-Pandemie.
Berlin. Die Ausnahmesituation Corona hat Deutschlands
Bühnen und Kinos eine Achterbahnfahrt beschert. Die
neueste Statistik der Filmförderungsanstalt (FFA) zeigte
neulich, dass die Geschäfte für die Kinos immer noch
nicht so laufen wie vorher. Im ersten Halbjahr 2022
wurden rund 33,2 Millionen Tickets verkauft. Das war
zwar deutlich mehr als ein Jahr zuvor - da hatten
Filmtheater wegen des Coronavirus weitgehend geschlossen
-, aber es sind noch immer etwa 20 Millionen Tickets
weniger als vor der Krise.
In
den Theatern ist die Lage laut Deutschem Bühnenverein
unterschiedlich. Manche Bühnen berichten von guten
Auslastungszahlen, manche nicht. Was aber klar zu
beobachten ist: Abo-Zahlen gehen zurück.
Woran
liegt das - und wo wird es hinführen? Stirbt die Kultur
- also das Kulturleben mit Theatern, Opernhäusern,
Konzertsälen und Lichtspielhäusern?
Eine Auswahl von Thesen
zum Thema:
-
Innerer Lockdown als Dauerzustand: Die
Corona-Zahlen empfinden viele bis heute als
beunruhigend und sie überlegen sich genau, wofür sie
ein Risiko eingehen. Öffentliche Verkehrsmittel,
Fitnessstudios, Clubs, aber auch Kinos und Theater
sind für manche Angst-Orte in Sachen Infektion.
Dabei betonen Wissenschaftler, dass das Risiko nicht
überall gleich ist. Wichtig sind: die Personenanzahl
im Raum, die Belüftung, die Aufenthaltsdauer, die
Aktivität (beim Sprechen und zum Beispiel Singen
werden mehr möglicherweise ansteckende Tröpfchen
produziert). Eine Studie des Aerosolforschers Martin
Kriegel von der TU Berlin stellte Berechnungen zu
einem Risiko-Vergleich von bestimmten
Alltagssituationen an. Weit oben rangieren demnach
Aufenthalte in Büros und Schulen, in der Mitte
Restaurantbesuche und mit eher geringem Risiko sind
Theater- und Kinobesuche behaftet, bei denen das
Publikum ja meist schweigt. Dennoch: Auch beim
Theaterpublikum zeigt sich die gesellschaftliche
Polarisierung, denn einige gehen wohl gerade deshalb
auch weniger ins Theater, weil der Besuch derzeit
wieder ohne Masken und Tests möglich ist.
-
Anderes Planungsverhalten: Theaterkarten werden
nach Einschätzung des Deutschen Bühnenvereins
inzwischen oft kurzfristiger gekauft als vor der
Pandemie. Vor allen Dingen älteres Publikum bleibe
aus. Menschen kauften kurzfristig, sagte die
Geschäftsführende Direktorin Claudia Schmitz
kürzlich. Abonnements, die seit Jahren schon weniger
begehrt seien, seien weiter rückläufig. Viele denken
inzwischen, wer weiß schon, was in drei Monaten ist.
In der Spielzeit 2021/22 zum Beispiel wurden viele
Vorstellungen plötzlich geändert oder abgesagt, weil
es Coronafälle in Theater-Teams gab. Da wurde oft
Vorfreude enttäuscht.
- Andere
Prioritäten: Selbst Theaterfans berichten in
Gesprächen, dass sie „jetzt nach Corona“ erstmal
ganz viele andere Sachen nachholen und machen
wollten und Kultur - also Theaterspielpläne, aber
auch Kinoprogramme - so gar nicht auf dem Schirm
haben. Manche sprechen aber auch von einem neuen
Biedermeier, also einer Lebens- und Geisteshaltung,
die dem Privaten und den eigenen vier Wänden den
Vorzug gibt und das öffentliche Leben und Engagement
scheut.
- Neue
Gewohnheiten: „Pandemie, Ukrainekrieg,
Inflation, Klimaängste, Energiesorgen - unter dem
wachsenden Druck der Verhältnisse ändern sich nicht
nur Bedürfnisse und Prioritäten, sondern auch
Gewohnheiten“, schrieb die „Frankfurter Allgemeine
Zeitung“ kürzlich. „Die Gesellschaft
enthabitualisiert sich in immer stärkerem Maße.“ Sie
werde in neue Formen gepresst, deren Umrisse noch
unklar sind.
- Geld
ist knapp: Bei aller Liebe zur Kultur und der
Wertschätzung von Deutschlands weltweit
einzigartiger Theaterlandschaft mit einer Fülle von
Stadttheatern - es kostet halt auch Geld. Viele
Leute überlegen derzeit genau, ob sie angesichts von
Inflation, Angst vor Rezession und einem harten
Winter Lust haben, ins Theater zu gehen und dort mit
Eintrittsgeld und Drinks mal eben an einem Abend 100
Euro auszugeben.
-
Siegeszug des Heimkinos: Die Zeit des Kinos ist
einfach vorbei, dank Streamingdiensten und Pandemie.
Diese These stellte zumindest der Schriftsteller
Bret Easton Ellis („American Psycho“) schon letztes
Jahr in seinem Podcast auf, wie die „Welt“ kürzlich
zitierte. Eine Lebensspanne von 99 Jahren sei der
Kunstform vergönnt gewesen, von 1920 bis 2019 - „in
den Palästen und Tempeln, die für dieses Medium
gebaut worden waren, deren Darsteller wir zu unseren
Königinnen und Königen machten und für die wir uns
in langen Schlangen anstellten“.
- Nur
noch Stars zählen: Aus Film und Fernsehen
bekannte Gesichter oder zumindest unter
Theaterinteressierten bekannte Namen ziehen noch
Publikum ins Theater, so eine Mutmaßung. Deshalb
gehe es Theatern in Städten mit mehr Promis wie
Berlin, Hamburg, München, aber auch Wien, Köln und
Zürich besser als etwa in kleineren und ärmeren
Kommunen.
-
Keine
Lust auf Belehrung:
Das Regietheater in
Deutschland mit seinen Befindlichkeiten und
Provokationen ist seit den 70ern zum Klischee
geworden. Viele Leute empfinden die Theaterszene als
arrogant und selbstbezüglich, es sei eine Branche,
in der hochsubventionierte Macher die sie
bezahlenden Bürger erziehen wollten, so der
Eindruck.
Die „Süddeutsche
Zeitung“ meinte neulich, offenbar
… „haben immer weniger Zuschauer Lust, sich von der
Bühne herab mit kapitalismuskritischen Banalitäten
und den neuesten Windungen der Identitätspolitik
belehren zu lassen“. Die Pandemie wirke hier wie ein
Brandbeschleuniger. „Sie verstärkt eine
Besucher-Krise, die sich schlecht geführte Theater
selbst eingebrockt haben.“
Zitatende
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Quelle:
https://www.mittelbayerische.de/kultur-nachrichten/stirbt-die-kultur-warum-mancherorts-zuschauer-ausbleiben-21853-art2155054.html
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Zitat
GDBA
Kulturpolitik
Gagen
MANTELTARIF ABSCHLUSS
Was die GDBA und die
anderen Künstler:innengewerkschaften im Juni mit dem
Deutschen Bühnenverein als Tarifabschluss vereinbaren
konnten, sucht seinesgleichen: Die Mindestgage steigt in
drei Stufen bis September 2023 dynamisch auf 2.915 Euro
– von bisher 2.000 Euro, die seit 2018 nicht verändert
worden waren. Schon zum 1. September wurde die
Mindestgage auf 2.550 Euro angehoben, am 1. Januar 2023
steigt sie erneut auf 2.715 Euro und wird dynamisiert,
also an die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst
gekoppelt. Darum hatten Künstler:innen seit 30 Jahren
gekämpft. Und ab September 2023 gibt es eine ebenfalls
dynamisierte Beschäftigungszulage von 200 Euro.
Solobeschäftigte und Bühnen-techniker:innen, die länger
als zwei Jahre an Theatern arbeiten, die dem
Bühnenverein angehören, erhalten dann mindestens 2.915
Euro. Dieser Anstieg um über 35 Prozent dürfte als
größter Erfolg der letzten Jahrzehnte in die Geschichte
der GDBA eingehen – wobei keineswegs die Rolle der
mitverhandelnden Vereinigung deutscher Opern- und
Tanzensembles (VdO) und des Bundesverbands Schauspiel (BFFS)
unterschätzt werden soll.
Bewegung gibt es im
Übrigen nicht allein bei der Mindestgage: Gäste bekommen
seit Monatsbeginn pro Vorstellung mindestens zehn
Prozent der Mindestgage und pro Probentag mindestens
fünf Prozent der Mindestgage. Für kleinere Rollen,
Partien oder Aufgaben gibt es pro Vorstellung mindestens
acht Prozent und für Proben mindestens vier Prozent.
Chor/Tanzgruppen
bekommen die 1,8-fache Tagesgage plus das 1,8-fache der
Sondervergütung für Singen in Fremdsprache. Auch gibt es
keine halben Probentage mehr, auch kurze Proben werden
wie ein ganzer Probentag bezahlt. Es gibt eine
Protokollnotiz zum Tarifvertrag, die aussagt, dass bis
zu einer tariflichen
Neuregelung eine Wochenarbeitszeit von durchschnittlich
44 Stunden zugrunde gelegt wird, diese 44 Stunden aber
nicht als zu erbringende Arbeitszeit gelesen werden
können. Demnach soll in der nächsten Runde nicht nur
über Teilzeit gesprochen werden, sondern auch die
Einstiegsgage ab 1. September 2023 auf mindestens 2.750
Euro sowie ab 1. September 2024 auf 2.850 Euro
ansteigen.
Das ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr
Gagengerechtigkeit, aber noch nicht das Ende:
Perspektivisch wird es weitere Steigerungen der
Mindestgage brauchen. Ebenso sind weitere Gagenstufen
notwendig, um ein faires Einkommen von erfahrenen
Beschäftigten zu sichern. Auch die Gastgagen müssen
einen größeren Sprung machen.
In den Sommermonaten
folgten dann erste Reaktionen: Während das unabhängige
Schauspielermagazin
cast:mag von einem „in diesem
Ausmaß kaum erwarteten Sprung“ bei den Gagen schrieb und
die Berliner
Zeitung eine
„exorbitante Steigerung“ ausmachte, war auf
nachtkritik.de ein „Brandbrief Zukunft
des Theaters“ zu lesen. Die Landestheaterintendanten
André Nicke (Schwedt) und Thorsten Weckherlin (Tübingen) forderten
einen kulturellen Zukunftsplan und malten Personalabbau
als Konsequenz fairer Gagen an die Wand. Zwar seien die
Forderungen der Mitarbeiter:innen irgendwie berechtigt,
aber: „Die Theater, die ohnehin immer schon am Limit
produziert haben, um möglichst viele Zuschauer:innen
interessieren zu können, müssen zukünftig weniger
produzieren und weniger spielen.“ Auf der anderen Seite
gab es auch Intendant:innen wie zum Beispiel Steffen
Mensching (Rudolstadt), die den Abschluss als
„angemessen und berechtigt“ begrüßten.
Anderswo waren ohnehin schon in der Vergangenheit höhere
Gagen gezahlt worden. Bei steigenden Mindestgagen allein
kann es nicht bleiben. So erklärte Dieter Ripberger,
Kulturmanager, Dramaturg, und Co-Intendant des Instituts
für theatrale Zukunftsforschung am Zimmertheater
Tübingen im
Deutschlandfunk Kultur das Gagengefüge
insgesamt müsse „nach oben anwachsen“.
Über die Finanzierung
solle ein „Krisengipfel“ beraten – etwa zwischen
Städtetag und Kulturministerkonferenz.
Zur Frage, ob angesichts
schwieriger Rahmenbedingungen jetzt der richtige
Zeitpunkt für die erreichten Steigerungen sei,
entgegnete GDBA-Präsidentin Lisa Jopt in Theater heute:
„Wir werden nie passend kommen mit unseren Forderungen,
und wenn Stellen abgebaut werden müssen,
Braucht es einen „Krisengipfel“
zur Situation der Theater?
dann ist das nicht die Verantwortung der Gewerkschaften,
sondern eine Entscheidung der Kulturpolitik, die ihre
Theater nicht in die Lage versetzt, faire Löhne zu
bezahlen.“
Zitatende
Quelle:
https://www.buehnengenossenschaft.de/wp-content/uploads/2022/09/22-9-TOI-TOI-TOI_web.pdf |
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Zitat
EINMALEINS DES VERTRAGSRECHTS
TEXT: ELEONORE MARGUERRE UND JULIA
KLAWONN
Die
freischaffende Sopranistin Eleonore Marguerre singt 2022
die Lustige Witwe an der Oper Wuppertal und die
Barock-Oper Talestri am Theater Nürnberg und ist Autorin
des Ratgebers „Vom Ton zum Lohn“.
Sie hostet den Opern-Podcast „Leonore & Fidelio“.
Hast du Deine erste Anstellung an einem Theater
gefunden, wirst du mit Euphorie und Begeisterung an die
Arbeit gehen. Leider nutzen vor allem kleinere Häuser
diesen Enthusiasmus aus, lassen Anfänger:innen extrem
viel arbeiten und setzen junge Darsteller:innen oder
auch Assistent:innen enormen Belastungen aus. Weil man
alles richtig machen will und niemanden enttäuschen
möchte, erkennt man die eigenen Grenzen kaum. Deshalb
ist es gerade in den Anfängerjahren wichtig, Nein zu
sagen und seine Rechte zu kennen – wie wir hier in der
GDBA! Aber was kann ich denn überhaupt verhandeln, wenn
ich fest an ein Haus komme?
In dieser Serie wollen wir
dir erklären, was in einem Festvertrag, einem
Gastvertrag (für Darsteller:innen, Tänzer:innen) oder
einem Werkvertrag (zum Beispiel für Bühnenbild oder
Regie) verhandelt werden kann.
●
Stimmfach/Berufsbezeichnung
MUSIKTHEATER:
Einteilung der
Stimmgruppen nach dem Kloiber-Opernführer, in dem die
Stimmlagen in Rollen eingeteilt werden (rechtliche
Norm). Wenn du also zum Beispiel als lyrischer Sopran
engagiert wirst, musst du keine Partien singen, die im
Kloiber als dramatischer Sopran ausgewiesen werden.
Achte außerdem auf die Spartenbezeichnung
„Musiktheater“, sonst wirst du auch in anderen Sparten
eingesetzt. Ist es Dir wichtig, nur bestimmte Genres zu
singen, wie Oper, Operette, Musical oder Konzert,
solltest du auch das vereinbaren.
SCHAUSPIEL:
Als Berufsbezeichnung sollte „Schauspieler:in“
im „Schauspiel“ vereinbart werden. Meistens wird jedoch
„Einsatz in allen Kunstgattungen“ vereinbart – das
bedeutet, dass du als Schauspieler:in möglicherweise
auch in Konzerten Texte lesen musst, oder eine
Operetten-Sprechrolle übernimmst oder in einem Musical
mitsingst, ohne dafür extra Honorar zu bekommen. An
reinen Schauspielhäusern sind Gesangsleistungen im
Musical oft Teil des Vertrags. Wenn du das nicht
möchtest, solltest du es aus dem Vertrag streichen
lassen.
TANZ:
Hier ist es wichtig, die exakte
Berufsbezeichnung, Stellung (Gruppe oder Solo) und die
Sparte(n) zu nennen
ANDERE BERUFE, WIE ZUM BEISPIEL
ASSISTENT:INNEN: Die
genaue Berufsbezeichnung ist auch hier wichtig
(Dramaturgie-Assistenz, Regie-Assistenz), sonst findest
du dich als Regieassistent:in plötzlich am
Inspizientenpult oder in der Öffentlichkeitsarbeit
wieder.
● Gage
Mindestens 2.550 Euro brutto
(aktueller Tarif NV Bühne). Achte darauf, dass im
Vertrag die Tariferhöhungen inkludiert sind.
● Umfang der Leistungen
MUSIKTHEATER:
Kläre und vereinbare: Welche
Partien singe ich in welchen Stücken?
●
Wie viele Rollen singe ich pro Spielzeit (zum Beispiel
drei neue Partien plus eine Wiederaufnahme)?
●
Wie viele Premieren sind mir garantiert (interessant,
wenn man oft doppelt besetzt ist)?
Tipp
Müssen kleinere/fachnahe
Partien gesungen werden (sogenannte „Wurzen“, also
Rollen mit ein oder zwei Sätzen)?
●
Anzahl der Vorstellungen pro Spielzeit/ Wie viele
Vorstellungen fallen für dich an?
SCHAUSPIEL:
Selten werden Rollen und Stücke
schon genannt. Man kann aber versuchen, darüber zu
sprechen und, wenn das möglich ist, eine Premierenanzahl
oder ganz bestimmte Rollen im Vertrag zu fixieren, aber
das passiert im Schauspiel eher selten. Auch hier gilt,
wenn dich die Intendanz mündlich mit Macbeth ans Theater
lockt, heißt es nicht, dass du es auch spielst. Es sei
denn, es steht ausdrücklich im Vertrag.
TANZ:
Berate dich vorher mit deinen
Kolleg:innen von Dancers Connect dazu, was an dem
jeweiligen Haus üblich ist.
● Spielorte
Kläre, an welchen Spielorten
das Haus spielt. Gibt es ein Haupttheater mit weiteren
Spielstätten? Ist es eine viel reisende Landesbühne?
Gibt es Sommerspielorte wie Schlösser, Burgen oder
Seebühnen? Muss ich Fahrtkosten dorthin selbst
übernehmen oder organisiert das Theater?
Bist du bereit, auch
außergewöhnliche Spielorte wie Schulen, Taxen,
Krankenhäuser zu bespielen? Wenn nicht, solltest du das
im Vertrag vermerken.
● Laufzeit
In der Regel zwei Jahre. Es
ist möglich, Festverträge auch kürzer oder länger
abzuschließen (maximal vier Jahre).
● Teilspielzeitvertrag
Vertrag für einen bestimmten
Zeitraum in der Spielzeit. Man ist Teil des Ensembles
und bekommt sein Gehalt auch im Krankheitsfall. Der
Vertrag ist immer befristet und enthält einen anteiligen
Urlaubsanspruch.
● Residenzvertrag
Vertrag mit dem Theater, der
vorschreibt, dass man nur zu gewissen Zeiten der
Spielzeit im Theater sein muss, das heißt residiert,
aber nicht die ganze Spielzeit eingesetzt wird (also zum
Beispiel nur für zwei Produktionen – in der übrigen Zeit
muss man nicht anwesend sein). Solche Verträge schließen
eher große Theater ab. Versicherungstechnisch bleibt man
aber die ganze Spielzeit über das Theater versichert.
● Extra Honorar
Werden Konzerte,
Sonderveranstaltungen, Werbeveranstaltungen, Matineen,
etc. extra honoriert?
● Überspielhonorar
Wenn
ein:e Darsteller:in mehr als die vertraglich
vereinbarten Vorstellungen singt/spielt, wird ein
Überspielhonorar gezahlt.
Das gilt auch bei Doppel-
oder Dreifachvorstellungen. Die Höhe muss vertraglich
festgelegt werden.
MUSIKTHEATER:
Üblicherweise wird hier 1/30 der
Monatsgage bezahlt, auch für die 2. Vorstellung an einem
Tag. Es gibt Theater, die höhere Überspielhonorare
zahlen.
SCHAUSPIEL:
Wenn Schauspieler:innen
Doppelvorstellungen spielen, erhalten sie meist 50
Prozent des Tagessatzes extra zur Gage. Bei 2000 Euro
Monatsgage bekommst du für eine Doppelvorstellung also
33 Euro obendrauf. (2000:30=66, 66:2=33).
● Gastierurlaub
Anzahl der Tage, an denen
ein:e Darsteller:in gastieren gehen kann, ohne dass das
Theater Gehalt abzieht oder den/die Darsteller:in ans
Haus zurückbeordern kann. Laut NV Bühne stehen dir 40
Tage Gastierurlaub zu, ohne dass dir das Theater deine
Gage abziehen kann. Vereinbare dies besser noch einmal
ausdrücklich, wenn du beabsichtigst, zu gastieren.
● Agenturprovision/Musiktheater
Fällt auf die vereinbarte
Gage an. Die Höhe richtet sich nach dem Vertrag mit der
privaten Agentur und sollte zur Hälfte vom Theater
getragen werden. Üblicherweise wird die Agenturprovision
nur in den ersten beiden Spielzeiten an einem Haus
bezahlt, danach verhandelt der/die Darstellende selber
und bezahlt dann keine Provision mehr.
● Urheber- und
Leistungsschutzrechte
Bei theaterinterner Nutzung
(zum Beispiel Werbung) oder kleinen Ausschnitten für
eine Reportage sind Urheber- und Leistungsschutzrechte
mit dem Vertrag meist abgegolten. Soll die Vorstellung
für Rundfunk oder Fernsehen mitgeschnitten werden,
sollte eine gesonderte Vereinbarung getroffen werden.
→
Besonderheiten bei Tänzer:innen
Da hier oft international
besetzt wird, ist es wichtig, eine englische Version des
Vertrages zu bekommen. Auch beim Verhandeln ist es
wichtig, alles zweisprachig zu übermitteln, um
sicherzugehen, dass alle Inhalte verstanden werden. Das
Theater sollte zudem Hilfe und Unterstützung beim
eventuellen Beantragen von Visa und Arbeitsgenehmigung
anbieten.
Das Theater sollte auch
Unterstützung bei der Pflege der körperlichen Gesundheit
leisten, entweder finanziell oder durch einen
Theater-Physiotherapeuten.
Versuche, das zum Beispiel so vertraglich festzuhalten:
„Das Theater ist gewillt, die Gesunderhaltung durch
Physiotherapie zu 50 Prozent (oder mehr) finanziell zu
unterstützen.“
Zitatende
Quelle:
https://www.buehnengenossenschaft.de/wp-content/uploads/2022/09/22-9-TOI-TOI-TOI_web.pdf
Wie
verhandle ich meine Gage?
TEXT:JULIA KLAWONN
1
INFORMIEREN
Informiere
Dich bei der ZAV, Deiner privaten Agentur, der
Gewerkschaft und bei den Kolleg:innen über das Haus,
dessen Stil, dessen Budget und den von Dir erwarteten
Leistungsumfang.
2
FÜR RUHE UND KONZENTRATION SORGEN
Oft erreicht
einen der Anruf der Intendanz in einem sehr unpassenden
Moment. Wenn Du gerade unter der Dusche stehst, putzt,
kochst oder Fahrrad fährst, solltest Du nicht
verhandeln.
Habe
Mut und bitte in Ruhe um eine Verschiebung des Gesprächs
auf einen passenden Moment, an dem Du genügend Zeit,
Ruhe und Nerven hast.
3
MENTALE VORBEREITUNG
Dazu sind
zwei Zahlen wichtig. Überlege dir den Betrag, unter den
Du auf keinen Fall gehen willst, Deine absolute
Schmerzgrenze und überlege Dir andererseits, was Du
haben möchtest und schreibe Dir beide Zahlen auf.
Notiere Dir auch schon einmal Argumente, die für Dich
und deine gute Bezahlung sprechen und überlege Dir auch
schon eventuelle Kompromisse wie geldwerte Leistungen.
4
GESPRÄCHBEGINN
Zunächst
bespricht man, was für eine Leistung in welchem Zeitraum
erbracht werden soll.
Dann
bietet der/die Intendant:in Dir eine Gage an. Das ist
oft erschreckend wenig, meist unter oder nah Deiner
Schmerzgrenze. Verlier nicht den Mut, bleibe ruhig. Sage
jetzt eine Zahl, die etwas über deiner Wunschgage liegt.
Das sollte man je nach Hausgröße variieren.
Du möchtest 3000?
Sage zum Beispiel 3300 oder etwas mehr.
5
DAS GROSSE INTENDANT:INNEN-WEINEN
Nun folgt
immer großes Weh und Klagen und ein Monolog darüber,
dass das Ende der Produktion oder des Theaters naht, es
absolut keine finanziellen Rücklagen gibt, tiefe
Betroffenheit, Vorwürfe oder gar zynisches Lachen. Lass
dich davon nicht einschüchtern. Nimm es nicht
persönlich. That’s part of the game.
Bleibe freundlich, zeige
Verständnis.
Jetzt wäre es Zeit für ein
Argument, dass für Dich spricht, Berufserfahrung,
Zusatzbegabungen etc. und frage dann:
„Können Sie mir denn noch ein Stück entgegenkommen?“
6
GEGENSEITIGES ANNÄHERN
Im Idealfall
nähert man sich nun in 50ger oder 100er Schritten an,
konkretisiert dabei die Leistungen, formuliert Argumente
bis man irgendwo zwischen Schmerzgrenze und Wunschgage,
im bestenfalls sogar bei der Wunschgage oder höher
angekommen ist und es sich richtig anfühlt.
Sollte
das geschehen: Herzlichen Glückwunsch!
7
STOCKEN UND ENTSCHEIDEN
Manchmal
kommt aber auch der Punkt an dem es stockt, die
Intendanz sich nicht bewegen will. Wenn es noch zu nah
an deiner Schmerzgrenze liegt, wäre hier ein guter
Punkt, um über geldwerte Leistungen (die Du Dir vorher
notiert hast) zu sprechen, wie Gesangsunterricht,
Monatskarte etc.
Wenn es ganz unter Deiner
Schmerzgrenze liegt, biete an, das Gespräch zu einem
späteren Zeitpunkt fortzusetzen.
Oder sage: „Wir können uns
offensichtlich gerade nicht einigen.
Was schlagen Sie denn vor?“
Manchmal wendet sich das Blatt noch oder aber man kommt
eben einfach nicht zusammen. Deshalb ist es sehr
wichtig, sich vorher ausführlich Gedanken über die
Schmerzgrenze zu machen.
8
NACH DEM GESPRÄCH
Empfehlenswert ist es, alles Besprochene zu notieren und
als E-Mail an die Vertragspartei zu schicken, damit es
dann im Vertrag nicht verloren geht
9
ÜBUNG MACHT DEN MEISTER!
Mache
Verhandlungsworkshops oder über diese Art Gespräch mit
Kolleg:innen. Spiele alle Worst-Cases
dabei
einmal durch. Wenn Verhandlungen einmal nicht so laufen,
wie Du es Dir gewünscht hast, lass den Kopf nicht
hängen, lerne daraus, übe und mache es das nächste Mal
besser!
10
SELBSTBEWUSSTSEIN
Du bist eine
tolle Künstlerpersönlichkeit und hast viel zu geben.
Das
muss, soll und darf angemessen bezahlt werden.
Ja, Du
bist es wert!
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Zitat
Studie über
Machtstrukturen im Theater
Ein System aus Unterdrückung und emotionaler Erstarrung
„Auf jeden Fall ist so eine Studie extrem
wichtig, um einfach immer wieder auf die Fakten zu
verweisen“, so Dramatikerin Darja Stocke.
© Eyeem /
Alexandra Friedli
Darja Stocker im Gespräch mit Janis
El-Bira · 12.10.2019
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Theater sind
offenbar für viele als Arbeitsort die Hölle. Das
geht aus einer neuen Studie hervor: Miese
Bezahlung und psychischer Missbrauch führen zu
hohem Leidensdruck. Die Grundstruktur des
Theatersystem sei Schuld daran, sagt
Dramatikerin Darja Stocker. |
Es
kommt selten vor, dass sich die Theaterwelt von einer
wissenschaftlichen Studie aufrütteln lässt – aber diese
hat es in sich. „Macht und Struktur im Theater“ heißt
sie, verfasst von dem
Frankfurter Theatermanagement-Professor Thomas Schmidt.
Darin befragt Schmidt erstmals fast 2000 Beschäftigte
nach ihren Arbeitswirklichkeiten am Theater. Die
Ergebnisse sind verheerend: 57 Prozent der Befragten
geben an, nicht oder kaum von ihrer Arbeit am Theater
leben zu können, 42 Prozent sagen, dass sie unter
psychischem Missbrauch leiden und 9,4 Prozent behaupten,
dass sie von sexuellen Übergriffen betroffen gewesen
seien.
Unterdrückung behindert
die Kreativität
Nicht
überrascht von diesen Zahlen ist auch die Dramatikerin
Darja Stocker. Sie hat vor zwei Jahren in einem
kontrovers diskutierten Artikel Machtmissbrauchsfälle am
Institut für Szenisches Schreiben der Berliner
Universität der Künste (UdK) angeklagt – und damit auch
an den Theatern eine Debatte ausgelöst. Über die
Bedeutung der Studie sagt Stocker: „Auf jeden Fall ist
so eine Studie extrem wichtig, um einfach immer wieder
auf die Fakten zu verweisen. Diese Studie scheint mir
schon eher in die Tiefe zu gehen, also da wurden ja
Interviews geführt und es geht auch um psychischen
Missbrauch – und der gehört ja dazu!“ Denn es gehe ja
nicht nur um den juristischen Grenzübertritt oder um die
sexuelle Straftat, sondern auch um ein System – „und das
System beinhaltet eben Mechanismen, die unterdrücken,
die entwerten und die die Leute daher in ihrer Arbeit
hindern, in ihrer Kreation“.
Die
Beschaffenheit des Theatersystems an sich ist für
Stocker auch einer der Gründe, weshalb sich – wie die
Zahlen der Studie nahelegen – trotz inzwischen
jahrelanger Debatten um #MeToo und andere
Missbrauchsfälle anscheinend kaum etwas geändert hat.
„Traurigerweise ist es halt so, dass solche Systeme
extrem starr sind. Man könnte sogar sagen, sie
stagnieren. Weil nämlich über Jahre Leute darin bestehen
konnten, die genau das gemacht haben: Die zum Beispiel
körperlich oder seelisch oder emotional erstarrt sind,
wenn es um Übergriffe ging. Das heißt im Grunde, dass
das ein dysfunktionales System war – ein patriarchales,
dysfunktionales System –, das von einer gewissen Masse
von Leuten getragen wurde.“
Neues Vokabular
gebraucht
Besonders problematisch findet Stocker, dass die
Mehrheit der am Theater Beschäftigten über solche
Vorgänge noch immer schweige, ob aus Angst oder
schlechtem Gewissen. Wichtig findet sie deshalb, dass
eine Sprache gefunden wird, um diese Vorfälle
beschreibbar zu machen: „Ich glaube, es braucht ein
Vokabular, um Machtmissbrauch zu beschreiben: Was ist
das genau? Was heißt das? Was ist verbale Gewalt? Was
ist psychische Gewalt? Und das scheint mir noch nicht so
weit ausgebildet.“
Viele
verwechselten zum Beispiel Sexismus und sexuelle
Übergriffe. „Sexuelle Übergriffe finden natürlich in
einem sexistischen System statt, ja, aber trotzdem ist
Sexismus vom Begriff her etwas Anderes als ein sexueller
Übergriff.
Mir
scheint da wirklich Handlungsbedarf, dass eine breite
Masse weiß: Wovon reden wir? Welche Begriffe benutzen
wir? Was ist mir da gerade passiert, oder was habe ich
da gerade beobachtet?“
Rollenstereotypen
auflösen
Darja
Stockers eigenes neues Stück, „100 Jahre Weinen oder 100
Bomben werfen“, das am 18. Oktober am Theater Basel
Premiere hatte, thematisiert ebenfalls ein rigides, auf
starren Machtstrukturen basierendes System. Es geht um
einen jungen Schweizer, der sich der Fremdenlegion
anschließt und so in den Algerienkrieg gerät. Frage: Was
kann man auch im kleinen Einflussbereich einer Autorin
tun, um die Strukturen am Theater zu verändern? Stockers
Antwort: „Man kann zum Beispiel versuchen, Rollen zu
schreiben, die diesem System weniger entsprechen, indem
sie, ich sage jetzt mal, queer sind im weiteren Begriff.
Grenzen überschreiten, indem sie ihre Rollenstereotype
verlassen und dadurch sich in einen Risikobereich
begeben und zum Beispiel beschreiben, wie sie dann in
diesem Risikobereich zurechtkommen. Das Zweite, was man
machen kann: Man kann natürlich Machtmechanismen am
Theater ausstellen.“
Man
könne zum Beispiel sagen: „Okay, man hat einerseits
diese großen Sprachteppiche, die den Kapitalismus
kritisieren. Aber man kann auch sagen: Nee, ich gucke
nochmal ganz genau hin, weil ich anscheinend in einem
Theatersystem bin, wo ganz viele kleine Sachen noch
überhaupt nicht sichtbar geworden sind.“
Thomas
Schmidt: „Macht und Struktur im Theater:
Asymmetrien der Macht“
Springer VS, 2019 |
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/studie-ueber-machtstrukturen-im-theater-ein-system-aus-100.html
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Zitat
Machtstrukturen im Theater
Die Alleinherrschaft der Intendanten
abschaffen
Theater wie die Berliner Volksbühne bräuchten mehr
Kontrolle durch die Mitarbeitenden, sagt
Theatermanagement-Professor Thomas Schmidt.
Thomas Schmidt im Gespräch mit Vladimir
Balzer · 15.03.2021
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Der
Rücktritt des Volksbühnen-Intendanten Klaus Dörr
verdeutliche das Problem des „Ein-Personen-Regimes“ am
Theater, sagt Theatermanagement-Professor Thomas
Schmidt. Gremien mit Beteiligung der Mitarbeitenden
seien der Zukunftstrend.
Nachdem ihm mehrere Frauen sexualisierte
Grenzüberschreitung vorgeworfen hatten, hat der
Intendant der Berliner Volksbühne, Klaus Dörr, seinen
Posten abgegeben. Für die gegen ihn erhobenen Vorwürfe
übernehme er die komplette Verantwortung und gebe sein
Amt im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Kultur
und Europa auf, wurde
Dörr in einer Mitteilung zitiert.
Zu viel Macht für eine
Person
Für
Thomas Schmidt, Professor für Theatermanagement an
der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in
Frankfurt, zeigt sich in dem Fall ein strukturelles
Problem: „Die grundlegende Machtstruktur ist ja die des
Einzelintendanten, der einzelnen Intendantin, die so
viel Macht auf sich konzentrieren , dass es kaum noch
jemanden gibt von den Mitarbeiterinnen, die sich wagen,
irgendetwas zu sagen“.
Dabei seien normalerweise die Mitarbeitenden in
Unternehmen die „ersten Kontrollinstanzen“. Schmidt
hatte 2019 in seinem Buch
„Macht und Struktur im Theater. Asymmetrien der Macht“
eine Studie zu Macht im Theater mit 2000 Teilnehmenden
ausgewertet.
Leider würde in solchen Fällen auch eine Einrichtung wie
"Themis"
für die Opfer von sexueller Belästigung und Gewalt in
Theater, Film und Fernsehen nicht wirklich helfen. Denn:
„Themis steht auf staatlichen Füßen, und eine solche
Institution muss absolut unabhängig sein. Wenn der
Bühnenverein hier mitwirkt als eine Trägerstätte, dann
ist mir das einfach viel zu nah am Geschäft“, erklärt
Schmidt.
Vielfältigkeit des
Theaters repräsentieren
Vielmehr müssten solche Anlaufstellen und auch die
Theater selbst wie NGOs aufgebaut werden. „Die
Handschrift des Theaters ergibt sich aus der Summe, aus
der Vielfalt der musikalischen, der tänzerischen, der
Regie-Handschriften im Schauspiel“, so Schmidt. „Und
wenn all das zusammenkommt, wird es durch eine kluge
Dramaturgie und eine kluge Theaterleitung, die aus
mehreren Köpfen bestehen sollte, zusammengebunden und
präsentiert.“ Das sei die Lösung aus der Sackgasse des
„Ein-Personen-Regimes“.
Ein
Modell eines solchen „Direktoriums“ könne vier- bis
achtköpfig sein, je nach Größe des Theaters, und würde
sich „aus einem geschäftsführenden Direktor, einer
Chefdramaturgin, einer künstlerischen Leiterin, die
sozusagen das Gesamtkonzept zusammenhält, der
technischen Leitung, dem Marketing und PR und dann einer
Vertretung der Mitarbeitenden“ zusammensetzen.
Kontrolle der
Theaterarbeit durch die Mitarbeitenden
„Ich
denke, das ist ganz, ganz wichtig in dieser Phase, dass
die Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, an den
Tagesentscheidung des Theaters teilzuhaben und somit
auch die Arbeit der Theater zu kontrollieren“, sagt
Schmidt, und es gebe auch schon erfolgreiche Beispiele:
„Schauen Sie sich das Schauspielhaus in Zürich an oder
das Theater Gessnerallee oder das Theater am Neumarkt:
jeweils drei Direktorinnen, die übrigens die besten
Programme machen, die ich überhaupt seit Langem erlebt
habe.“
Das
sei ein Trend, der sich fortsetzen werde – mit
„Intendantinnen einer jüngeren Generation, die
vielleicht selbst gelitten haben unter diesen
Alleinherrschern“. (kpa)
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/machtstrukturen-im-theater-die-alleinherrschaft-der-100.html
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Zitat
Kommentar zu #MeToo-Urteil
Vorwürfe gegen
Volksbühnen-Intendanten sind noch nicht vom Tisch
Von
Barbara Behrendt · 27.08.2022
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Der
ehemalige Intendant der Berliner Volksbühne, Klaus Dörr,
hat vor Gericht gegen die „taz“ gesiegt. Die will nun in
Berufung gehen. Kein Grund zur Genugtuung, meint
Kommentatorin Barbara Behrendt: Häme gegen die „taz-Autorin
sei unangebracht.
Es
geht also in die nächste Runde. Die „taz“ darf
Klaus Dörr nicht
mehr in Zusammenhang mit Upskirting erwähnen. Dagegen
geht die „taz“ in Berufung, weil sie, so erklärt es ihre
Chefredakteurin Ulrike Winkelmann, für die
Pressefreiheit kämpfen will. Es gebe Zeuginnen und
Zeugen, die vor Gericht nicht gehört worden seien. Das
Ganze kann sich noch ein Jahr hinziehen, heißt es.
Wenn
das Gericht bei seinem Urteil bleibt und Klaus Dörr beim
„Upskirting“ – dem gezielten Fotografieren oder Filmen
unter den Rock oder das Keid einer Frau – zu Unrecht
beschuldigt wurde, so ist damit nur einer der vielen
Vorwürfe entkräftet, die ihm gemacht worden sind.
Sexistische Sprüche, unangemessene Berührungen und
nächtliche SMS – das sind zwar keine justiziablen
Vergehen, aber sie legen doch ein Machtgebaren nahe, das
sich keine Frau gefallen lassen muss oder soll.
„Blindlings denunziert“?
Natürlich wäre es besser, bei dämlichen,
herabwürdigenden Machosprüchen, bei ungewünschten Händen
auf Knien und Taillen sofort zu reagieren und nicht erst
Jahre später über die Presse Alarm zu schlagen. Aber in
Abhängigkeitsverhältnissen ist es nun mal nicht immer
leicht, den Chef in seine Schranken zu verweisen. Dafür
muss sich erst das gesellschaftliche Klima verändern.
Es ist zwar schon manches anders geworden in der
Wahrnehmung, wann Machtmissbrauch beginnt. Aber wer
meint, es würde inzwischen viel zu scharf gegen Sexisten
Wind gemacht, der lese die Kommentare, die nun nach dem
publik gemachten gewonnenen Prozess im Internet
kursieren. All jene Menschen, heißt es da etwa, die Dörr
„blindlings denunziert“ hätten, sollten jetzt „um
Vergebung bitten“, die „eigene Schande“ eingestehen.
Kritikerin wurde
verunglimpft
Noch
polemischer geht es abseits des Netzes in der
Tagespresse zu, vor allem in der „Berliner Zeitung“.
Hier werden die Frauen, die sich bei der
Vertrauensstelle Themis
gemeldet hatten, regelrecht verunglimpft. „Läppische
Vorwürfe“ seien das, „dubiose Vorgänge“, mit denen die „taz“-Autorin
eine Theaterkarriere zerstört und ihre eigene
vorangebracht habe.
Es
wird auch gemutmaßt, es könne sich bei den Beschwerden
gegen Dörr um die Kampagne einer feministischen
Aktivistin handeln, die sich habe rächen wollen, weil
der Intendant sie nicht an die Volksbühne geholt hat.
Das ist durchaus möglich. Aber es erklärt nicht, warum
sich gestandene Frauen namentlich und öffentlich über
Dörrs Verhalten beschweren, die mit ihm an verschiedenen
Theatern und in unterschiedlichen Jahrzehnten
zusammengearbeitet haben.
Check durch Justiziare
Selbstverständlich kann man bei einer Geschichte wie
dieser gar nicht umsichtig genug recherchieren. Schnell
bleibt eine bloße Vermutung an einem Menschen haften.
Und es gibt in der Tat Medien, die allzu kurze Schlüsse
ziehen und den Volksbühnen-Intendanten damals im
gleichen Atemzug mit Harvey Weinstein nannten, der sich
tatsächlich strafbar gemacht hatte.
Die normale Leserschaft macht sich allerdings keine
Vorstellung, wie viele eidesstattliche Erklärungen bei
einer Erstrecherche wie die der „taz“ unterzeichnet und
wie viele Justiziare um Durchsicht gebeten werden, bevor
eine derartige Anschuldigung in den Druck geht. Trotzdem
steht letztlich oft Aussage gegen Aussage, das lässt
sich nicht vermeiden.
Mediale Häme und
Genugtuung
Das
Erstaunliche ist nun also nicht, dass Klaus Dörr bis auf
Weiteres vom Vorwurf entlastet ist, Mitarbeiterinnen
unter den Rock fotografiert zu haben, sondern, welche
Häme und Genugtuung das medial auslöst.
Und
es entsteht der Eindruck: Alles, was nicht justiziabel
ist, ist gestattet. So wird man sie bestimmt nicht los,
die Männer und Frauen mit zu viel unkontrollierter
Macht, nicht nur am Theater, die meinen, sich alles
erlauben zu können.
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/klaus-doerr-gegen-die-taz-100.html |
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Zitat
Eine Lange Nacht über Musik im Zweiten Weltkrieg
Musik, ob Gospel, Swing, Oper oder Schlager, wurde zur
Propaganda, als Instrument des Widerstands, zur
Agitation und nicht zuletzt zum Vergnügen der
Bevölkerung eingesetzt. Der Rundfunk bot zum ersten Mal
ein Medium zur weltweiten Verbreitung. Musik wurde zum
Massenphänomen.
„Wir
haben es hier mit einer rätselhaften Situation zu tun:
dem Nebeneinander von Kunst und Verbrechen“, so der
britische Historiker Patrick Bade, Autor einer
Kulturgeschichte der Musik im Zweiten Weltkrieg. Musik
war für die Kriegsbemühungen allgegenwärtig.
Eine
Lange Nacht voller Beispiele aus Radio-Ansprachen,
Durchhalteparolen, lärmenden Lauten und schrillen,
scharfen Tönen.
Wiederholung vom 5./6.8.2017
Patrick
Bade: „Music Wars 1937–1945 – Propaganda,
Götterfunken, Swing: Musik im Zweiten
Weltkrieg“, 512 Seiten mit Abbildungen,
Laika Verlag, 34,00 €, ISBN:
978-3-944233-41-3 |
Patrick Bade
hat eine kenntnisreiche Musikgeschichte des Zweiten
Weltkriegs geschrieben. Er erzählt von den vielen
verschiedenen Bedeutungen und Funktionen, die Musik
angesichts von Zerstörung, Tod und Gewalt bekommen hat.
Im Zweiten Weltkrieg spielte Musik eine bis
dahin beispiellose Rolle: Ob live oder über die
neuen Medien Rundfunk, Film oder Schallplatte
unterfütterte Musik die Propaganda, sie sollte die
eigene Moral stärken und die der Feinde schwächen. Musik
wurde ganz unverhüllt als Propagandamittel eingesetzt,
sie war aber auch »Überlebenselixier« und diente zur
Ablenkung: Klassische Konzerte und Opern, die unter
gefährlichsten Umständen aufgeführt wurden, waren in
allen am Krieg beteiligten Ländern gut besucht. Die
Menschen tanzten zu Swing und Schlagern und verliebten
sich – gerade weil jeder Tag der letzte sein konnte.
Und Bade erzählt sehr anschaulich von denen, deren
Berufung die Musik war – von Komponisten, Dirigenten,
Musikern, Sängerinnen und Sängern: Nicht wenige
bezahlten mit ihrem Leben, andere mussten ins Exil
gehen. Die meisten, die in Deutschland blieben,
kollaborierten und profitierten von den Ereignissen. Auf
alliierter Seite nahmen viele mit ihrer Musik aktiv am
Kriegsgeschehen teil und machten diese zur Waffe gegen
den Faschismus.
Alle Kriegsparteien erkannten den
propagandistischen Nutzen der Musik und setzten
diese vielfältig ein. So verstärkte die Pianistin Myra
Hess die Entschlossenheit der Londoner Bevölkerung durch
eine Reihe von Mittagskonzerten in der National Gallery.
Die Bayreuther Festspiele öffneten ihre Türen für
Kriegsverletzte und Munitionsarbeiter, und in Paris
boten die deutschen Besatzer unzählige
Musikveranstaltungen an. Die klassische Musik blühte und
erreichte ein neues Publikum.
Eine mächtige Waffe beim Einsatz der Musik für den Krieg
war der Swing, der eine unwiderstehliche Kraft
entfaltete, die auch die Nazis zu nutzen versuchten.
Am Ende war aber jene Musik am wirksamsten, die zentrale
Emotionen und Erfahrungen des Krieges wie Verlust,
Trennung, Hoffnung und Sehnsucht zum Inhalt hatte, oft
als Schnulze komponiert. In Großbritannien steht dafür
vor allem Vera Lynn mit ihrem berühmten Titel We’ll
Meet Again, in Nazi-Deutschland war es Zarah Leander
mit Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen;
dann gelang Lale Andersen mit Lili Marleen im Deutschen
Reich ein Millionenerfolg, der bei allen Kriegsparteien
bald zum internationalen Soldatenlied avancierte.
Patrick
Bade ist seit 1981 Dozent an der
Christie’s Education in London und arbeitet am
London Jewish Cultural Centre. Er publiziert
regelmäßig über bildende Kunst und Musik. |
Patrick Bade: „Es wäre unmöglich gewesen, die Musik des
Zweiten Weltkrieges in jedem Land zu behandeln. Ich
meine, wie schon gesagt, das Buch hat nur 500 Seiten.
Und ich bin mir bewusst, dass sich gewisse Dinge tiefer
an etwas heran wagen als andere. Es gäbe z.B. viel mehr
über die Sowjetunion zu sagen als ich das getan habe.
Ich bin auch durch die Sprache eingeschränkt worden.
Mein Quellenmaterial, ich meine, ich komme mit dem
Italienischen klar, es gibt einiges, was ich gebrauchen
kann, aber mein Quellenmaterial war deutsch, französisch
und englisch – und das begrenzte den Umfang des Buches.
"
Das Buch, das immerhin 500 Seiten
umfasst, hätte auch 1000 haben können.
Denn verfolgt man die einzelnen Geschichten selbst,
kommt man tiefer und tiefer. Jede/r, der/die im Zweiten
Weltkrieg insbesondere in Deutschland, Österreich,
Frankreich, Polen, der Tschechoslowakei, der UdSSR als
MusikerIn, SchauspielerIn, AutorIn usw. tätig, aktiv,
beschäftigt und wirkend war, hatte mit den Regimen zu
tun. Unausweichlich, im nationalsozialistischen
Deutschland sowieso.
Die Lebenswege aller Beteiligten sind teilweise
erstaunlich, katastrophal, perfide, tödlich,
lebenszerstörend, bestechlich, unglaublich und unfassbar
gewesen. Egal, ob etwa der ´große` Gustaf Gründgens
gemeint ist oder die vielen kleinen.
Zwei Beispiele, wie die
Zeit zwischen 1937 und 1945 wirkte:
Rom 1944: Das Berliner Rundfunk
Sinfonie Orchester unter der Leitung von Leopold Ludwig
sowie der Chor des Reichsenders Berlin geben Puccinis
„Tosca“. Doch sie singen nicht, angesichts des Verlaufs
der Jahre und des nahenden Endes brüllen sie, der
Polizeichef der Oper, Scarpia, wird real, er brüllt
nicht nur, er schreit.
Das Lied „Maréchal, nous voilà!“ (Marschall, hier
sind wir!, inoffizielle Nationalhymne), ein Lied zu
Ehren des Kollaborateurs Philippe Pétain, Staatschef in
Vichy-Frankreich, lehnt sich stark an eine Melodie des
polnisch-französischen Komponisten Casimir Oberfels an –
1945 als Jude in Ausschwitz zu Tode gekommen.
In den Vereinigten Staaten von Amerika
war die Situation anders, ausnahmslos anders, abgesehen
davon, dass der Krieg nicht auf US-amerikanischem Boden
stattfand. Die USA kämpfte an zwei Fronten, im Pazifik
und in Europa. Und die Unterhaltungsindustrie war
wesentlich entwickelter, fortgeschrittener und
florierender als in den europäischen Ländern. Dass das
Land eine dritte innere Front hatte, die Segregation,
und daher nach wie vor rassistisch war – und somit
diskriminierend – sollte ebenso klar sein.
Die
Kultur der Exilanten und Emigranten in den USA
Was zugleich klar war: Die Vereinigten
Staaten profitierten wie niemand sonst von den tausenden
Exilanten und Emigranten, die Europa, ausdrücklich
Deutschland, verlassen wollten, verlassen hatten und
verlassen mussten. Eine Sachlage darüber hinaus, die
Deutschland entscheidende Teile jeglicher Kultur
beraubte und entwendete – erfahrbar natürlich nach Ende
des Krieges.
Künste im Exil
und
Liste bekannter deutschsprachiger
Emigranten und Exilanten (1933–1945)
Autorentipp: Gehen Sie
Liedern, gehen Sie Aufführungen, gehen Sie Namen nach
Sie
werden kein Ende finden. Nur schlaflose Nächte.
Orientieren Sie sich an der Musikaufstellung dieser
`Langen Nacht´ (auch im Netzt), allesamt
Originalaufnahmen, Schätze, manche Interpreten
vergessen, manche präsent. Alle spielten in der Zeit von
1937 bis 1945 – und davor und danach – eine Rolle.
Einige in dieser Zeit die Rolle ihres Lebens.
Die Ouvertüre zum Zweiten Weltkrieg
Das
Probespiel bzw. die Ouvertüre zum Zweiten Weltkrieg
begann 1935/36. Einerseits mit Mussolinis Invasion in
Abessinien, dem heutigen Äthiopien, und andererseits
damit, dass das Deutsche Reich und die Sowjetunion
gewissermaßen stellvertretend im Spanischen Bürgerkrieg
gegeneinander kämpften. Das Deutsche Reich ganz offen
auf der Seite der Nationalisten, die
zögerlich-zurückhaltende Sowjetunion auf der Seite der
Republikaner. Musikalisch gesehen, so Patrick Bade in
seinem Buch, war 1937 das entscheidende Jahr.
„Der Einmarsch der Italiener in Abessinien hatte neben
diplomatischen auch unmittelbar musikalische Folgen,
die, wenngleich sie damals trivial erscheinen mochten,
im Zeitalter totalitärer Regime eine Warnung hätten sein
müssen: Dass Kunst und Politik getrennt voneinander
gesehen werden können, entpuppte sich als Fiktion.“
„Als Reaktion auf französische und britische Sanktionen
gegen Italien weigerte sich der führende italienische
Tenor Beniamino Gigli empört, in Großbritannien zu
singen. Und die französische Oper Mignon wurde an
der Mailänder Scala gegen Cileas von 1897 stammende Oper
L’Arlesiana ausgetauscht, die sich nie richtig
durchgesetzt hatte und auch noch nie an der Scala, dem
führenden Premierenopernhaus Italiens, aufgeführt worden
war. Man entschied sich aus pragmatischen Gründen für
diese Oper, denn sie bot passende Rollen für die damals
bereits für Mignon engagierten Künstler Tito
Schipa und Gianna Pederzini. Der außerordentliche Erfolg
der Aufführungen, beflügelt von patriotischem Eifer,
ließ L’Arlesiana die ganze faschistische Zeit
hindurch und auch noch einige Jahre danach zu einer
Lieblingsoper des italienischen Publikums werden; und
die wirklich schöne Tenorarie Lamento di Federico gehört
heute noch zum Standardrepertoire lyrischer Tenöre.“
„Noch bedeutsamer war: Die britisch-französischen
Sanktionen gegen Italien trieben Mussolini förmlich in
Hitlers Arme und führten zu einer politischen Koalition
zwischen den beiden Ländern mit den wichtigsten
Operntraditionen. Mussolini besiegelte die Achse, als er
das Ensemble der Scala im Juni 1937 als Botschafter des
guten Willens nach München und Berlin schickte.
Die Scala wartete mit ihrer Bestbesetzung von damals
auf: Beniamino Gigli, Gina Cigna, Ebe Stignani und
Tancredo Pasero sangen in Verdis Requiem, Mafalda
Favero und Giuseppe Lugo in La Bohème und noch
einmal Gigli, Cigna, Stignani und Pasero in Aida.
Dirigent war bei allen Aufführungen Toscaninis
Nachfolger, der dämonisch brillante Victor de Sabata.“
Arletty – Die Garance in „Kinder des Olymp“.
Arletty, 1992 im Alter von 94 Jahren verstorben, war
Fabrikarbeiterin, Stenotypistin, Mannequin,
Revuetänzerin und Schauspielerin. Ihre berühmteste
Rolle? Die der Garance in „Kinder des Olymp“.
Mehr bei Wikipedia
„Les enfants du paradis“ (1945)
Trailer 1 und
Trailer 2
Da
Arletty eine Liebesbeziehung und lange Freundschaft mit
dem deutschen Luftwaffenoffizier und späteren
Schriftsteller und Diplomaten Hans-Jürgen Soehring
hatte, begann ihr Stern nach dem zweiten Weltkrieg zu
sinken.
Soehring selbst, später immerhin Mitbegründer der Gruppe
47, wurde im besetzten Paris degradiert und an die Front
geschickt. Die Brieffreundschaft mit Arletty hielt bis
zu seinem Tod. Was hatte die mal gesagt? „Mein Herz
schlägt französisch, aber mein Hintern ist
international.“
Rezension zu: Klaus Harpprecht: „Arletty und ihr
deutscher Offizier. Eine Liebe in Zeiten des Krieges“,
S. Fischer Verlag, in:
Büchermarkt, Deutschlandfunk, 8. Mai 2011
Klaus Harpprecht, Jahrgang 1927, schreibt über
Arletty, die Schauspielerin seiner Jugend: „Die
großen dunklen Augen, die am liebsten lachten und sich
dennoch in Traurigkeiten verlieren konnten, die
schimmernde Haut der Schultern und des Décolletés, das
amüsierte Spiel ihrer Mundwinkel, wenn sie aus ihrer
Loge die Freunde und Flirts aus den eigenen Jahren im
Gewerbe der Schausteller beobachtete, die kleinen Gesten
der Kameraderie, die gelassene Anmut, die natürliche
Noblesse der Bewegungen dieser Courtisane hohen Ranges.“
Patrick Bade zur Recherche der Musikgeschichte
des Zweiten Weltkrieg
„Ich
möchte vorausschicken, dass es sich von den meisten
anderen Büchern, die sich mit Musikgeschichte und dem
Zweiten Weltkrieg beschäftigen, darin unterscheidet,
dass ich als Quelle vor allem Musikaufnahmen verwendet
habe. Zu den erstaunlichen Errungenschaften unserer
heutigen Zeit zählt für mich, dass ich nicht einmal mein
Haus verlassen musste, um mir den Großteil dieser
Tausenden von Aufnahmen, die in das Buch Eingang
gefunden haben, anzuhören. Ich selbst sammle Musik seit
über einem halben Jahrhundert: seit meine Großeltern
ihre 78er-Schallplatten durch LPs ersetzten und mir ihre
Sammlung schenkten. Viele der im Buch erwähnten
Aufnahmen, darunter O my beloved father und viele
andere beliebte Lieder, waren bereits Teil dieser
Sammlung. Im Laufe der Jahre kamen Zehntausende von
Schellack- und Vinylplatten sowie CDs zusammen, die
Musik aus der Zeit enthalten, die ich in meinem Buch
behandle.
Der Zweite Weltkrieg war tatsächlich auch ein Krieg der
Ätherwellen. Unglaublich viele Aufnahmen, die in dieser
Zeit entstanden, sind heute auf Platten oder CDs
erhältlich, oft handelt es sich um illegale oder
halb-legale Aufnahmen kleiner privater Unternehmen.
Ansonsten erwiesen sich Flohmärkte in ganz Europa als
ergiebige Fundstätten von Druckerzeugnissen, ebenso wie
der Pariser Laden La Galcante, in dessen unter der Rue
de l’Arbre Sec gelegenen labyrinthartigen alten
Kellergewölben und Gängen nahezu alle in den letzten
zwei Jahrhunderten in Frankreich erschienenen Zeitungen
und Zeitschriften zu finden sind. Als faszinierende
Quelle von Abbildungen und häufig reichlich einseitigen
und verzerrten Informationen, die ihrerseits gerade
dadurch einen Eindruck der damaligen Stimmung
vermittelten, erwiesen sich auch die »Nachrichten«-
Magazine, die während des Krieges zu Propagandazwecken
in ganz Europa verbreitet wurden.
Im ganzen Buch kommen immer wieder persönliche Zeugnisse
vor. Dabei konnte ich mich auf die Erinnerung etlicher
privater Gespräche stützen, zum Beispiel mit Arletty,
Erna Berger, Hilde Zadek, Renée Doria, Kyra Vayne, Spoli
Mills, Ernst Gombrich, Friedlinde Wagner und vor allem
natürlich auf die Gespräche mit meinen Eltern. Beide
arbeiteten für die britischen Streitkräfte, und in der
Tat könnte man sagen, dass Hitler sie zusammengebracht
hat.“
Erna Berger war eine deutsche Opern-
und Konzertsängerin. Nachlesen bei
Wikipedia. Ein
Nachruf bei „Zeit Online“
- Erna Berger – Da Capo – Interview with August Everding
1986 bei
Youtube
- Erna Berger „Frühlingsstimmen“ Strauss II bei
Youtube
Hilde Zadek ist eine
deutsch-österreichische Opern- und Liedsängerin.
Wikipedia
In:
Judentum in Österreich heute – 2009, Universität
Wien
Gesang als Weg – Aus dem Leben der Kammersängerin Hilde
Zadek bei
Youtube
Hilde Zadek & Anton Dermota „Glück, das mir verblieb“
bei
Youtube
Renée Doria, eine französische
Opernsängerin, die in ihrer Ära in Frankreich als die
bemerkenswerteste Koloratur-Sopranistin galt. Mehr bei
Wikipedia (franz.) „Dis-moi que je suis belle“ bei
Youtube
Kyra Vayne ist eine russische
Opernsängerin gewesen, die während der Oktoberrevolution
nach England geflohen war. Nachlesen bei
Wikipedia - „Vissi d'arte“ Tosca bei
Youtube
Spoli Mills ist die Tochter von
Mischa Spoliansky, russisch-britischer
Komponist von Revuen und Filmmusiken, der bis 1933 in
Deutschland gearbeitet hatte, u.a. mit Max Reinhardt.
Mehr über
Mischa Spoliansky
Mischa Spoliansky – Heute Nacht oder Nie [Tonight or
Never] (1932) bei
Youtube
Ernst Gombrich war ein britischer
Kunsthistoriker österreichischer Herkunft.
Mehr bei
Wikipedia -
Gombrich Archive (engl.)
Und Friedelinde Wagner... Wie der Name
schon sagt.
Friedelinde Wagner war das zweite Kind von Siegfried
und Winifred Wagner.
Mehr auch in: Wagners weiße Weste.
Bayreuths Rebellin Friedelind
DAS Lied des Zweiten Weltkriegs: Lili Marleen
„Am 19. April 1941 während ihres
triumphalen Eroberungszugs im Balkan besetzten die
Deutschen den Rundfunksender in Belgrad, um von dort in
das Kriegsgebiet rund ums Mittelmeer zu senden.
Musikalische Unterhaltung war notwendig, um die
Propaganda- und Nachrichtensendungen abzupuffern; aber
nachdem alle Schallplatten mit unerwünschten jüdischen
oder serbischen Anklängen aus dem Radioarchiv
aussortiert waren, blieben gerade einmal 54
Schallplatten übrig. Ein Richard Kistenmacher wurde also
auf die dringliche Mission nach Wien zum nächsten
nazikontrollierten Sender geschickt, um Nachschub an
Unterhaltungsmusik zu holen. In einer Kiste voller dort
unerwünschter Platten fiel Kistenmacher auch Lale
Andersens Lili Marleen in die Hände.
Am Anfang wurde die Aufnahme wegen Mangels an anderem
Material stündlich zweimal oder noch öfter gespielt,
aber nach kurzer Zeit konnte das Personal von Radio
Belgrad das Lied nicht mehr hören und nahm es aus dem
Programm. Zur allgemeinen Überraschung wurde der Sender
danach von Protesten förmlich überschwemmt. In
Nordafrika, bei den Männern von Rommels Afrikakorps, und
in ganz Europa hatte Schultzes eingängige Melo- die
eingeschlagen. Irgendwann wurde dann allabendlich vor
den letzten Nachrichten um 22 Uhr damit der Sendeschluss
angekündigt. Da hatte Lili Marleen schon längst
die Grenzen zum Feindesland überwunden und erfreute sich
auch bei den Truppen der britischen Achten Armee großer
Beliebtheit."
„Jeden Abend um 21.55 Uhr kam es zwischen den
verfeindeten deutschen und britischen Armeen, die in
Hörentfernung voneinander ihre Lager hatten, deshalb zu
einem kurzen Waffenstillstand. "
Goebbels konnte das Lied nicht ausstehen, er hielt es
für „defätistisch“ und „stinkend wie eine Leiche.“
Unter den 197 in einer CD-Box versammelten, von Lili
Marleen existierenden Versionen sind 75, die in den
Kriegsjahren in allen erdenklichen Sprachen aufgenommen
wurden: Englisch, Niederländisch, Bulgarisch,
Tschechisch, Slowakisch, Ungarisch, Portugiesisch,
Spanisch, Französisch, Italienisch, Dänisch, Schwedisch
und Finnisch und Japanisch. Und immer wieder mit
textlichen Änderungen.
Suzy Solidor, französische Sängerin, androgyne
Erscheinung, der sowohl zahlreiche Beziehungen zu
bekannten Männern als auch zu Frauen nachgesagt wurden,
mischt dem Lied eine ungeahnte sexuelle Konnotation
bei...
Suzy Solidor – Lili Marleen bei
Youtube
Da Frankreich eines der wenigen Länder ist, die von
Lili Marleen unberührt bleibt, zahlt Solidor nach
dem Krieg teuer für ihre Assoziation. Sie geht in die
USA, kommt wieder, zieht sich an die Cote d´Azur zurück,
macht einen privaten Club auf und wird
Antiquitätenhändlerin.
Lucie Mannheims Version, Mannheim war 1933 nach England
emigriert, Lucie Mannheims Version wird von der BBC für
die deutschen Hörer ausgestrahlt und war eine der vielen
mit propagandistischem Liedtext...
Lucie Mannheim – Lili Marleen
bei
Youtube
Als Lale Andersens Kontakte zu Schweizer Juden,
insbesondere Rolf Liebermann, später Leiter der
Hauptabteilung Musik des Norddeutschen Rundfunks und
Intendant der Hamburgischen Staatsoper, öffentlich
wurden, ließ Joseph Goebbels das Lied 1942 verbieten.
Lale Andersens Name verschwand aus der Presse, sie wurde
zensiert. Ihre Lebenserinnerungen heißen „Leben mit
einem Lied“, sie stirbt 1972 in Wien.
Lale Andersen – Lili Marleen
bei
Youtube
Ohne Frage ist Lili Marleen DAS Lied des Zweiten
Weltkriegs, in fast jedem Land. Warum? Das ist
mysteriös, eine faszinierende Geschichte, denn das ist
eigentlich ein Lied, das ohne jede Spur hätte
verschwinden können, eine Serie von Unfällen.
Norbert Schulze, der Komponist von Lili
Marleen
Norbert Schulze, der Komponist, der neben Lili
Marleen und Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise
Stücke wie Von Finnland bis zum Schwarzen Meer,
das Lied der Panzergruppe Kleist, Panzer
rollen in Afrika vor, Bomben auf Engelland
und Veit Harlans Kolberg vertont hatte, stirbt
2002 in Bad Tölz, mit 91 Jahren.
Komponieren oder krepieren, hat er gesagt. „Da habe ich
mich für das Erstere entschieden.“
Mehr über den Komponisten
Komponist Norbert Schultze über die Entstehung eines
Propagandalieds bei
Youtube „Den Teufel am Hintern geküßt“ – der
erstaunliche Werdegang des Komponisten von Lili
Marleen bei
Youtube
Wilhelm Furtwängler und Beethovens Neunte in
Paris
Das
Programm zur Vorstellung von Beethovens Neunter während
der Weltausstellung in Paris in der Salle Pleyel am 7.
September 1937 um 21 Uhr enthält eine Verlautbarung von
Walther Funk, dem Vizepräsidenten der
»Reichskulturkammer«.
„Die internationale Ausstellung von 1937 gibt dem
nationalsozialistischen Deutschland die Gelegenheit, der
Welt einen Überblick über seine Leistungen und
Errungenschaften und damit einen Eindruck des
kulturellen und gesellschaftlichen Lebens und der
Geschehnisse im Reich Adolf Hitlers zu präsentieren. Das
neue Deutschland zeigt sich im »deutschen Pavillon« mit
unterschiedlichen Beispielen seiner künstlerischen,
technischen und gesellschaftlichen Fortschritte. Die
»Woche der deutschen Kunst« soll der Welt einen Eindruck
davon vermitteln, wie es aus künstlerischer Sicht
derzeit um Oper, Lieder, Tanz und Film bestellt ist. "
Ebenfalls in Paris, dieses Mal Théatre des
Champs-Elysées, ebenfalls während der Weltausstellung:
Wilhelm Furtwängler und die Berliner Philharmoniker
sowie Bruno Walter und die Wiener Philharmoniker, die
beiden besten Klangkörper der Welt und verpflichtet zu
einem, wenn man so will, musikalischen Wettstreit.
Nach der erlesenen Vorstellung von Mozarts Requiem
wurden innerhalb von Monaten die Mitwirkenden Elisabeth
Schumann, Alexander Kipnis und Bruno Walter gezwungen,
in die USA zu emigrieren. Drei von mindestens 1500
europäischen Musikern, die über den Atlantik geflüchtet
waren, „wohl der größte Talenttransfer der
Weltgeschichte“, wie der Autor Volker Hagedorn in einem
Artikel über Bruno Walter schreibt.
„Und in einem Interview von 2009 sagt der holländische
Dirigent Bernard Haitink, der im nazibesetzten Holland
aufgewachsen war: „Das ist ein sehr gefährlicher und
unangenehmer Gedanke, aber ich wäre niemals Dirigent
geworden, wenn alle diese Katastrophen nicht passiert
wären. Es hätte so viele begabtere Dirigenten als mich
gegeben.“
Im Januar 1941 verfasste Bruno Walter, bereits in den
USA, für die von Klaus Mann herausgegebene Zeitschrift „Decision-
A Review of Free Culture“ einen Artikel mit dem Titel: »About
war and music«, in dem er darlegte, wie wichtig Musik
gerade in Kriegszeiten war:
„Ich wollte mir darüber klar werden, ob heute, da die
Schlacht um Menschlichkeit geschlagen ist, die Musik die
Bedeutung von früher behalten darf. Und ich begann zu
verstehen, dass Musik keine Flucht vor weltlichen Dingen
bedeutet; sie kann tatsächlich eine aktive Rolle dabei
spielen [...], zu kultivieren, was unserem Leben Sinn
gibt, was unsere Zukunft nach dem Krieg sicherstellt,
was der höchste Dienst an einer guten Sache ist [...]
die Stimme der Musik kann denen, die sie hören, eine
Botschaft der Hoffnung übermitteln. Es ist heute die
hohe Pflicht des Musikers, ohne zu beschönigen das
Evangelium der Hoffnung über die ganze Menschheit zu
verbreiten.
Echoes of France
„Eine
der freudvollsten musikalischen Hinterlassenschaften des
Zweiten Weltkriegs ist die Schallplatte Echoes of
France, die am 21. Januar 1946 in den
Abbey-Road-Studios von EMI in London von den großartigen
Jazzmusikern Django Reinhardt und Stéphane Grappelli mit
dem neu zusammengestellten Hot Club of France
aufgenommen wurde. Reinhardt und Grappelli waren durch
den Krieg fast sechs Jahre getrennt worden. Als sie sich
dann in den illustren Räumen des Athenaeum-Clubs
wiedertrafen, war einem Zeugen zufolge das Erste, was
sie taten, dass sie eine ekstatische Jazzversion der
französischen Nationalhymne improvisierte. Ein paar Tage
später wurde daraus in ihrer ersten gemeinsamen
Aufnahme-Session seit der Niederlage Frankreichs im Jahr
1940 Echoes of France. Wie hätten sie ihre Freude
über die Befreiung und das Ende sechs langer Kriegsjahre
besser feiern können?“
Zwei Texte von Peter Wicke
Peter Wicke, 1951 in Zwickau geboren, ist Professor
für Theorie und Geschichte der populären Musik und
Direktor des Forschungszentrums populäre Musik am
Seminar für Musikwissenschaft der Humboldt-Universität
Berlin. Von ihm sind eine Vielzahl von Artikeln im In-
und Ausland zu theoretischen, historischen und
kulturpolitischen Problemen der populären Musik
erschienen, die in mehr als fünfzehn Sprachen übersetzt
wurden.
Populäre Musik im faschistischen Deutschland und
Populäre Musik als theoretisches Konzept
LeMO,
Deutsches Historisches Museum, Berlin zu Kunst und
Kultur als Instrument der Macht
Die Nationalsozialisten vollzogen eine strenge Trennung
zwischen der „wahren deutschen“ und der „entarteten“
Musik. Zu den als „zersetzend“ und „unerwünscht“
gebrandmarkten Komponisten zählten unter anderen Alban
Berg (1885-1935), Hanns Eisler, Paul Dessau (1894-1979)
und Ernst Krenek (1900-1991). Andere wie Gustav Mahler,
Arnold Schönberg, Felix Mendelssohn-Bartholdy
(1809-1847) und Giacomo Meyerbeer (1791-1864) wurden
wegen ihrer jüdischen Herkunft abgelehnt.
Vor allem die Unterhaltungsmusik und der Tanzschlager
erlebten im NS-Regime und im Zweiten Weltkrieg einen
ungemeinen Aufschwung und Popularitätsschub. Die
Rundfunkprogramme boten überwiegend diese Form der
Musik, ausgerichtet auf den Geschmack eines
Massenpublikums.
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Autor
der Sendung: Knut Benzner. Die Sprecher waren Stephan
Schad, Volker Hanisch, Michael Haffke und der Autor.
Regie: Der Autor. Technik und Ton: Günter Arnold,
Redaktion Dr. Monika Künzel.
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/eine-lange-nacht-ueber-musik-im-zweiten-weltkrieg-vor-der-104.html |
Presseschau - Überschriften
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Vor 100 Jahren
uraufgeführt
„Trommeln in der Nacht " – Bertolt Brechts Durchbruch
Die Uraufführung von „Trommeln in der Nacht“ am 29.
September 1922 an den Münchner Kammerspielen war das
Theaterdebüt – und der Durchbruch des jungen Lyrikers
und Dramatikers Bertolt Brecht. Er hätte lieber ein
anderes Stück auf der Bühne gesehen.
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Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/bertolt-brecht-trommel-nacht-urauffuehrung-100.html |
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Klassik:
"Ich bin keine Königin"
Von Reinhard J.
Brembeck
[…]
Hat je ein Mann, und vom Timbre her ist er trotz seiner
frappanten Höhe ganz zweifellos ein Mann, derart
verspielt schier endlose Auszierungen ziseliert?
Bruno de Sá aber kann nicht nur Virtuoses begeisternd,
in langsamen, sich in die Tiefen des Gefühls
schraubenden Nummern ist er unschlagbar.
Da vergisst der Hörer vor Faszination das Atmen.
Bruno de Sá
ist Sehnsucht, Leidenschaft und aufgewühlte Tiefe. Und
natürlich bringt er auch das Bayreuther Publikum
zum Jubeln. […]
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Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/bruno-de-sa-roma-travestita-1.5665005
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Energiekrise in den Kulturinstitutionen
Wenn es nur um ein paar
heruntergefahrene Heizungen ginge. Aber der
Kulturbetrieb als solcher scheint gefährdet. Droht in
der Gaskrise am Ende eine Triage der Haushaltsmittel?
Von Peter Richter
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Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/thema/Theater |
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Berliner
"Ring":
Ein Wunder
10. Oktober 2022, 15:06 Uhr
Anja Kampe lernt als
Brünnhilde schmerzlich, das Richtige zu tun. Neben ihr
Andreas Schager als Siegfried in der "Götterdämmerung".
(Foto: Monika Rittershaus)
Dirigent Christian Thielemann erschafft ein
Klangparadies, die Solisten begeistern:
der neue "Ring" der Berliner Staatsoper.
Von
Reinhard J. Brembeck
[…]
Wotan, Michael Volle, ist als Patriarch überwältigend,
hat immer auf Männer, Machos und Muskeln gesetzt. Frauen
sind für ihn vor allem Sexobjekte, und vielleicht hat er
deshalb seine Tochter Brünnhilde unterschätzt. Doch an
der Berliner Staatsoper ist es die so humane wie
lernfähige Brünnhilde der Anja Kampe, die die
zerbröselnde Welt des Patriarchen abräumt und, ermutigt
von ihrer alten Mutter Erda, ins Nichts der endlich
einmal schwarzen und leeren Bühne aufbricht. In eine
schöne neue Welt, in der die Männer weniger zu sagen
haben werden, in der das Faustrecht nichts mehr zählt,
sondern endlich einmal Hirn und Gefühle. Zwanzig Minuten
lang feiern die Besucher, sie stehen alle sehr bald auf
und bejubeln fast ohne Buhs die grandiosen Sänger und
vor allen den Dirigenten
Christian Thielemann. Schließlich kann kein Haus der
Welt eine bessere Besetzung für Richard Wagners
Weltumbruchsvierteiler "Der Ring des
Nibelungen" aufbieten.
Nur der Regisseur Dmitri Tcherniakov wird
lautstark abgestraft, vermutlich weil er Wagner als
Feministen avant la lettre beweist und konsequent die
allzu menschliche Misere eines
Familien-Hightech-Unternehmens erzählt, das wegen seines
unfähig größenwahnsinnigen Chefs zugrunde geht. […]
Zitatende |
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/thema/Theater
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Krise des
Theaters: Ein Stück aus dem Tollhaus
Kammerspiele, Volksbühne
und Co.:
Wie Theater sich angesichts halbleerer Häuser in
Egoshooter-Phrasen flüchten.
Von Peter
Laudenbach
Es ist meistens sicher gut
gemeint, was sich derzeit auf vielen Theaterbühnen
abspielt. Gratis Ideologiekritik, dekonstruierte
Geschlechterrollen und, logo, Klagegesänge über den
Neoliberalismus.
[…]
Schwierig wird es, wenn die Bühnen sich mit dem
gängigen Diskursvokabular aus den Seminarräumen der
cultural studies gegen die uneingeweihten Normalos
aus der lästigen Außenwelt abschotten. Hier wird dann
der Sprachstil zum Distinktionsspiel. Botschaft: Wir
wollen unter uns bleiben. Wenn es ganz unangenehm kommt,
darf das Publikum auch noch weltanschauliche
Belehrungsgewitter über sich ergehen lassen. Die
Radical-Chic-Phrasen und Identity-Politics-Textbausteine
funktionieren als Signalreize, die vor allem die
Zugehörigkeit zu den Hipster-Abteilungen des
Bühnenbetriebs demonstrieren. Wer nicht dazugehört,
reagiert eher mit genervtem Achselzucken auf die
Insiderei.
[…]
Dabei wird unter anderem übersehen, dass der Hauptzweck
des Theaterbetriebs nicht angenehme Tage der
künstlerisch Beschäftigten sind, sondern, das Leben ist
hart: Aufführungen. Das Desinteresse an den Besuchern
aus der Welt da draußen nimmt die großzügige deutsche
Theaterfinanzierung dabei als pure
Selbstverständlichkeit. In Wirklichkeit ist sie ein
Glücksfall und ein enormes Privileg.
Zitatende |
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/theater-kammerspiele-nora-leer-publikum-weg-krise-intendant-1.5664159
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Neumeier sagt Bolschoi-Gastspiel in
Hamburger ab
Hamburgs Ballettintendant John Neumeier hat das geplante
Gastspiel vom Ballett des russischen Bolschoi-Theaters
bei den 48. Hamburger Ballett-Tagen abgesagt.
Stattdessen zeige das Hamburg Ballett am 27. und 28.
Juni Neumeiers Ballett „Nijinsky“ mit Gaststar Olga
Smirnowa, teilte das Hamburg Ballett am mit. Angesichts
der anhaltenden politischen Eiszeit wolle er auf das
Gastspiel des Bolschoi-Theaters verzichten, sagte der
83jährige Neumeier laut Mitteilung.
Hamburgs Ballettchef feiert in dieser Saison sein
50-jähriges Dienstjubiläum bei der Compagnie. Krönender
Abschluss seiner letzten Spielzeit sind die vierwöchigen
Ballett-Tage. […]
Zitatende |
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/neumeier-sagt-bolschoi-gastspiel-in-hamburger-ab-100.html
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Energiekrise:
Mit
Kaltwasser auf den Toiletten ist es nicht getan
29. August 2022, 15:20 Uhr
Auch auf Museen, Theater, Opernhäuser kommt eine
Energiedebatte zu. Wie sie sich darauf vorbereiten - und
wie das besser gelingen könnte.
Von Peter Laudenbach
[…]
Der jüngste Appell der Kulturstaatsministerin Claudia
Roth, die Kultureinrichtungen sollten "Energie
einsparen", ohne ihre "Funktionsfähigkeit zu gefährden",
zielt genau in diese Richtung. Roths Binse ist sicher
nicht falsch, aber ziemlich hilflos. Um nicht zu sagen:
Heiße Luft. Mit ungeheizten Treppenhäusern, dem
abgeschraubten Warmwasser-Hahn auf den Toiletten, etwas
kühleren Büros und der Bitte, nach Feierabend das Licht
auszumachen, dürfte es jedenfalls nicht getan sein.
Wenn es richtig hart kommt, sind ihre
Ökobilanz und die steigenden Energiekosten noch nicht
einmal die drängendsten Probleme der Theater,
Konzerthäuser, Opern und Museen. Wie ernst es für sie
werden könnte, ahnt man, wenn man hört, dass einzelne
Kultureinrichtungen schon über Notfallpläne nachdenken,
falls ihnen im Winter nicht genug Energie zur Verfügung
stehen sollte: Lieber wochen- oder tageweise schließen,
den ganzen Betrieb oder nur einen Teil lahmlegen? […]
Zitatende
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/kultur-energie-theater-museen-1.5647164 |
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Antisemit und Genie Richard Wagner
Das jüdische
Publikum hat sich nicht mit Zwergen identifiziert
Nachdem seine Karriere in Paris
gescheitet war, kehrte Richard Wagner nach Dresden
zurück und wandte sich dem Deutschtum zu.
© picture alliance / dpa / Jan Woitas Klatt,
Thomas · 29. April 2022, 19:07 Uhr
Richard Wagner ist für viele jüdische Menschen ein rotes
Tuch. Er hat Judenhass geschürt und dem erstarkendem
Antisemitismus Vorschub geleistet. Färbt sich das auf
sein musikalisches Werk ab? Die jüdischen Stimmen sind
nicht einheitlich.
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/richard-wagner-genie-und-judenhasser-dlf-kultur-98294360-100.html |
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Film „Wagner, Bayreuth und der Rest der
Welt“
Wohl dosierte
Respektlosigkeit
Das
Bayreuther Festspielhaus zieht jedes Jahr viele Besucher
an.
© picture alliance / Alexander Schuhman
Von Tobias Krone · 28.10.2021
Wagner-Kenner Axel Brüggemann bietet in seiner Doku
einen Blick hinter die Kulissen der Bayreuther
Festspiele und will auf einen Schlag auch noch den
Wagner-Kult dekonstruieren. Das ist zu viel gewollt für
einen Film, der sich aber dennoch lohnt.
Es
ist ein Kuriosum – das Erbe Richard Wagners und
Bayreuth, in dem man sich Sommer für Sommer schwitzend
und fechelnd dem Opernwerk des Komponisten hingibt. Der
Journalist und Wagner-Kenner Axel Brüggemann bringt nun
einen Dokumentarfilm über den Wagner-Mythos in der
fränkischen Mittelstadt in die Kinos. „Wagner, Bayreuth
und der Rest der Welt“ zeigt die Menschen, die diesen
Mythos in der ganzen Welt zelebrieren.
Um
Brüggemanns filmisches Vorhaben zu beschreiben, muss man
wahrscheinlich mit dem Metzgerehepaar Rauch beginnen: In
ihrem Familienbetrieb versorgen die Rauchs das gemeine
Bayreuth mit Aufschnitt, im Sommer vermieten sie Zimmer
an Festspielmitarbeiter – und präsentieren im Film auf
der heimischen Eckbank eine ebenso handfeste wie
poetische Beziehung zu ihrem Wagner.
„Wie
die Musik ankommt, wissen Sie, die kommt so wie… wie ein
Wasser angeflossen und sie erholt sich immer wieder…“,
erklärt der Mann.
„Die
erholt sich ned…“
„Und
kommt immer wieder, und baut sich die Musik dann einfach
nach oben auf. Ich meine, der…
„Hör
auf, hör auf…“
Richard
Wagner und Wurst
Brüggemann stellt solche Originale einem großen
Wagner-Kenner wie dem US-Kritiker Alex Ross gegenüber,
um
dem Mythos Bayreuth näher zu kommen: Und er tut das mit
wohldosierter Respektlosigkeit. Mehr als einmal in
diesem Dokumentarfilm gerät Wurst ins Bild als eine Art
kulinarischer Orgelpunkt des Fränkischen. Der
Grundtenor: Wer Wagner liebt, darf sich vor dem
Deutschen nicht ekeln.
„In
Salzburg wohnen Sie im Blattgold und im Fränkischen, in
Bayreuth, wohnen Sie in furnierter Eiche – so ist das
halt, ne?“, sagt Filmemacher Brüggemann. Der
Wagner-Glanz soll dem Profanen standhalten, das
Brüggemann überall mit neckischem Kamerafokus zu
entblößen sucht.
Egal,
ob das biedere Bayreuth oder die Wagnerianerinnen und
Wagnerianer, die der Regisseur auf der ganzen Welt
besucht – meistens gibt es da eine arrivierte
Schrulligkeit bei dem oft ergrauten Wagner-Fan – sei es
der ehemalige Ministerpräsident Lettlands, der als
Präsident der örtlichen Wagner-Gesellschaft im
gealterten Anzug durch das baufällige Wagner-Konzerthaus
führt; oder sei es der japanische Geschäftsmann, der den
vierstündigen Parsifal für eine Kindervorstellung in
Tokyo auf eine Stunde eindampfte, um damit der
Aufmerksamkeitsspanne der Smartphone-Generation gerecht
zu werden.
Warum
lieben Juden, Christen und Moslems Wagner?
Axel
Brüggemann formuliert seine Leitfragen durch den Film
so: „Wir wissen, Wagner war ein sehr unsympathischer
Mensch, Wagner war ein Antisemit, Wagner will uns
betören und berauschen. Warum lassen wir das mit uns
geschehen von so einem Typen? Warum lieben Juden,
Christen und Moslems Wagner?“
Es ist wirklich faszinierend, wohin
Brüggemanns Film überall hinreist – in die New Yorker
Vorstadt, wo Laien den ersten, rein mit Schwarzen
besetzten Ring vor einer Kirche aufführten, ins Emirat
Abu Dhabi, nach Tel Aviv und so weiter.
Journalist und
Wagner-Kenner Alexander Brüggemann hat Regie geführt bei
„Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“©
Katharina Schiffl
Gerade die Beziehung von Juden zu Wagner ist schwierig:
Wagner hatte Juden in einem Aufsatz eine musikalische
Unfähigkeit attestiert und damit einen wichtigen
kulturpolitischen Grundpfeiler des Nationalsozialismus
gesetzt.
Diesen Antisemitismus diskutiert Brüggemanns Film
ausführlich – mit dem israelischen Rechtsanwalt und
Wagner-Fan Jonathan Livny, Sohn emigrierter Juden, der
bis heute gegen die Widerstände in seiner Heimat kämpft;
und auch mit den US-amerikanischen Regisseuren Yuval
Sharon und Barrie Kosky, die sich am Wagner-Werk
abarbeiten.
Erklären
und Dekonstruieren
Dazwischen besucht Brüggemann unnützerweise den Grünen
Hügel im Winter, um den Nachtwächter des Opernhauses zu
besuchen. Der setze ganz andere Prioritäten: „Für den
ist der wichtigste Raum des Festspielhauses der
Heizraum. Weil da kann es brennen.“
Eine
Art Gralshüter des Bayreuther Winterschlafs. Nette Idee.
Doch in diesem Anspruch, Wagner sowohl zu dekonstruieren
als auch komplett zu erklären, droht die Doku dann in
eine schlichte Fernsehreportage zu kippen.
Erstmals
ein Kamera-Team im Orchestergraben
Doch
der Film lohnt sich trotzdem: Zum ersten Mal bekam ein
Kamera-Team Einblick in den sogenannten mystischen
Abgrund: den stickigen Orchestergraben, der in Bayreuth
unter der Bühne liegt. Hier steht Christian Thielemann
kurzärmlig vor seinem schwitzenden Orchester. „Kurze
Streicher, sonst ist es ganz gut. Und auch da noch
sparen. Drei, vier…“, zählt der Dirigent.
Die im Film zu hörende, fast brutale
Dominanz der Blechbläser in der Probe – sie ist im
Orchestergraben nötig, damit oben im Saal die
Tonmischung stimmt. Per Telefon gibt ein Assistent
Anweisungen nach unten.
„Wer
hier das erste Mal in dem Graben dirigiert und diese
Klangmassen mitkriegt, die einen hier fast erschlagen,
und wer weiß, wie wenig man da von oben hört – da
brauche ich Leute, denen ich vertraue. Ich müsste
eigentlich mein Ohr abschrauben und müsste es oben
reinlegen, aber das geht ja nicht.“ Daher der Assistent.
Thielemann
am Telefon
Und es ist ein großes Vergnügen,
Thielemann im Film dabei zuzusehen, wie er die
Lautstärke der Instrumentengruppen mittels Telefonhörer
und seiner Mimik tuned – ein echter Moment. Hier kommt
der Wagnersche Wahnsinn in seiner sinnlichen Dimension
zur vollen Entfaltung.
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/film-wagner-bayreuth-und-der-rest-der-welt-wohl-dosierte-100.html |
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Bühnen-Werkstatistik 2020/21:
Jetzt ist
es amtlich
31.
Juli 2022, 18:48 Uhr
Zu den meist
gespielten Stücken zählt Ferdinand von Schirachs
Diskusionsdrama "Gott", in dem es um Sterbehilfe geht.
Drastischer Besucherrückgang und digitaler Boom: Die
Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins zur Spielzeit
2020/21 fasst die coronabedingte Lage der Theater in
Zahlen.
Zitatende
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/theater-corona-besucherrueckgang-statistik-1.5631071 |
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Zitat
[…]
Theater
aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben dem
Deutschen Bühnenverein für die Werkstatistik 2020/21
ihre Daten gemeldet
Die Deutsche Bühne,
das monatlich vom Bühnenverein herausgegebene
Theatermagazin, hat diese Angaben in Aufführungslisten,
Diagrammen und Tabellen aufgearbeitet und
in seinem Juli-Heft mit einem Themenschwerpunkt
begleitet. In einem Interview mit Claudia Schmitz, der
neuen Geschäftsführerin des Bühnenvereins, sagt diese
mit Blick auf den Ukraine-Krieg: "Wir sind noch weit von
einem Neustart entfernt. Alle teilen das Bewusstsein,
dass wir aus einer schwierigen Situation in eine neue
schwierige Lage kommen, von der wir die Details noch gar
nicht kennen. Die gerade explodierenden Energiepreise
betreffen auch die Theater. Gleichzeitig sprechen wir
mit den Gewerkschaften über die notwendige Erhöhung von
Mindestgagen. Eigentlich erhöht sich der Druck derzeit
von allen Seiten. Und das wird eine
große Herausforderung."
Die komplette Werkstatistik "Wer spielte
was?" kann unter
werkstatistik@die-deutsche-buehne.de
kostenpflichtig bestellt werden.
Zitatende
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/kultur/theater-corona-besucherrueckgang-statistik-1.5631071 |
Skandal beim
Öffentlich-rechtlichen Rundfunk
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Zitat -
Schlesinger-Affäre
RBB-Rundfunkratsvorsitzende von Kirchbach
zurückgetreten
Die Vorsitzende des
RBB-Rundfunkrats, von Kirchbach, legt ihr Amt mit
sofortiger Wirkung nieder. Das teilte die 67-Jährige in
einer Erklärung mit. Darin heißt es, mit dem Rücktritt
wolle sie einen Beitrag zum Neuanfang des Rundfunk
Berlin Brandenburg leisten. In der aktuellen Debatte um
den RBB und das öffentlich-rechtliche System solle es
nicht um Personen gehen, sondern um die Sache.
Von
Kirchbach betonte, dazu gehöre die selbstkritische
Betrachtung der Arbeit des Gremiums in der
Vergangenheit. Diese Diskussion noch mit angestoßen zu
haben, sei ihr wichtig. Sie sei aber nicht bereit, ihre
berufliche Integrität als Pfarrerin und Seelsorgerin in
Frage stellen zu lassen.
Stellvertretender Vorsitzender übernimmt
Damit
gibt es nun eine weitere personelle Konsequenz in der
Affäre um Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen die
abberufene Intendantin Schlesinger. Von Kirchbach stand
dem Rundfunkrat seit Januar 2013 vor und war seit 2007
Mitglied des Gremiums, das sie ebenfalls mit sofortiger
Wirkung verlässt. Entsandt wurde sie von der
Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische
Oberlausitz. Die Amtsgeschäfte übernimmt vorerst der
stellvertretende Rundfunkratsvorsitzende, Pienkny.
Unterdessen planen Ausschüsse des Brandenburger Landtags
und des Berliner Abgeordnetenhauses eine gemeinsame
Anhörung der Senderspitze beim Rundfunk Berlin
Brandenburg. Gegen Schlesinger gibt es derweil neue
Vorwürfe. Das Online-Medium „Business Insider“ berichtet
unter Berufung auf Buchungsunterlagen, dass vermeintlich
ausgeschiedene RBB-Mitarbeiter weiterhin Gehalt bezögen.
Es wurden mehrere Fälle aufgelistet, darunter einer an
der Spitze der Werbetochter RBB Media.
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/rbb-rundfunkratsvorsitzende-von-kirchbach-zurueckgetreten-100.html
Zitat
Kommentar zur RBB-Affäre
Flachere Hierarchien sind notwendig
Nach der Offenlegung neuer Details im Zusammenhang mit
der Affäre beim RBB zeige sich, dass es dem Sender an
Kontrollmechanismen fehle, kommentiert Sebastian
Engelbrecht. Auch alle anderen Sender müssten dringend
über ihre Strukturen nachdenken.
Ein
Kommentar von Sebastian Engelbrecht | 21.10.2022
Der RBB-Skandal ist ein Anlass, über die Verfasstheit
der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland
nachzudenken. Das betrifft insbesondere das Amt des
Intendanten. Es ist allzu deutlich geworden, dass der
Intendantin oder dem Intendanten in den Staatsverträgen
und Satzungen eine Machtfülle zukommt, die dem Sender
und auch ihm selbst unter Umständen nicht gut bekommt.
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-rbb-affaere-rundfunk-100.html |
Kalenderblätter
Heute
Bei Putin sollte alles in vier bis
fünf Wochen erledigt sein.
Beginnend am
24. Februar 2022 sollte die Ukraine mit ihrer Armee bis Herbst
2022 besiegt werden und der von Putin festgestellte in der
Ukraine angeblich grassierende Faschismus der Vergangenheit
angehören.
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Zitat
Der CDU-Politiker Dr. Wolfgang Schäuble sieht angesichts des Ukrainekriegs den
Frieden in ganz Europa bedroht. Beim Vorgehen des
russischen Präsidenten Wladimir Putin sieht er eine
„erschreckende Parallele“ zu Adolf Hitler.
Zitatende |
Quelle:
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/schaeuble-zieht-parallelen-zwischen-putin-und-hitler-18024454.html
Vor achtzig Jahren
Bei Hitler sollte alles in vier bis
fünf Monaten erledigt sein.
Beginnend am 22. Juni 1941 sollte die Sowjetunion mit ihrer
Roten Armee im Herbst 1941 besiegt sein und der Bolschewismus
der Vergangenheit angehören.
Es kam anders:
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Zitat
Damals am 18. August 1941
Totale
Fehleinschätzung
Am
3. Juli 1941 hatte Generalstabschef Halder in seinem
Tagebuch vermerkt, es sei wohl nicht zu viel gesagt,
wenn er behaupte, dass der Feldzug gegen Russland
innerhalb von 14 Tagen gewonnen werde.
Bekanntermaßen dauerte er bis zum 8. Mai 1945, weil
Politik und Militär die Situation im Sowjetreich völlig
falsch einschätzten.
Am
15. Juni 1941, also sieben Tage vor dem Überfall,
stellte Goebbels fest, dass der Feldzug in Griechenland
Menschen und Material stark mitgenommen habe und
deswegen das 'Unternehmen Barbarossa' nicht - wie
geplant - schon im Mai begonnen werden konnte.
Er
vermerkte, Russland habe wohl 180 bis 200 Divisionen zur
Verfügung, das entspreche dem, was das 'Deutsche Reich'
aufstellen könne, aber die Militärtechnik der Sowjets
sei schlechter und man müsse sich somit keine Sorgen
machen.
'Der Führer' schätze die Länge der Aktion auf vier
Monate Dauer, er selber meine, es ginge schneller,
Russland niederzuringen.
Am
22. Juli 1941 hatte das OKW die Lage im Osten so
beurteilt, dass die Durchbruchsoperationen der deutschen
Wehrmacht und ihrer Verbündeten die sowjetische
Verteidigungsfront in zusammenhanglose Gruppen zerrissen
habe, so dass eine einheitliche Führung des Feindes
nicht mehr zu erkennen sei
Tags darauf, dem 23. Juli, begannen russische Truppen
starke Gegenangriffe gegen die Flanken und Flügel der
Heeresgruppe Mitte bei Smolensk
Daraufhin entschied Hitler, man solle in die
Verteidigungsposition übergehen, womit der entscheidende
Vorstoß in der Mitte angehalten wurde.
Die
Führung des 'Reichs' musste erkennen, dass sie die
militärischen Schwierigkeiten beim Kampf gegen Russland
in dem Umfange nicht vorausgesehen hatte.
Es
sei in den vergangen Wochen im Juli und jetzt bis in die
Mitte August 1941 manchmal sehr kritisch gewesen, da man
die sowjetische Stoßkraft und die Ausrüstung der Armee
gänzlich unterschätzt habe.
'Der Führer' habe gemeint, die Russen hätte nur 5.000
Panzer zur Verfügung, während es in Wirklichkeit 20.000
gewesen seien.
Bei
den Flugzeugen war es ähnlich, 10.000 hatte man
geschätzt, jedoch 20.000 hätten den Russen zur Verfügung
gestanden.
Es
sei aber gut gewesen, diese Erkenntnisse nicht zur
Verfügung gehabt zu haben, sonst wäre man unter
Umständen vom Entschluss, einen 'Präventivkrieg' zu
führen, abgekommen.
Zum
Monatsende des August wollte man nach Süden vorstoßen,
um Odessa in den folgenden Tagen zu nehmen und damit die
ganze Westukraine in seinen Besitz zu bringen.
Im
Norden hoffte man, schneller, als man es im Moment für
möglich halte, vorzustoßen, wobei man Petersburg und
Kiew nicht mit Waffengewalt nehmen wollte, sondern
auszuhungern trachtete.
Es
ist erstaunlich, mit welchem Leichtsinn der Krieg mit
Russland begonnen wurde, als habe es keine Möglichkeiten
zu klimatologischen und geographischen Studien, wann
beginnt die Regenzeit, wann ist mit Frösten zu rechnen,
wie sind die Straßen-, Wege- und Flächenverhältnisse,
gegeben.
Wenn man dann auch noch das Potential des
Gegners so gravierend unterschätzt, dann muss ein
solches Unternehmen zum Desaster führen.
Zitatende
Quelle:
https://www.telezeitung-online.de/
Damals_am_18._August_1941_Thema_des_Tages_'Fehleinschaetzung'.htm |
Nach diesem
Winter 1941 / 1942 hatte die deutsche Wehrmacht Mühe, die Folgen
des eigenen Unvermögens und der Aggressivität der Russen nach
dem 5. Dezember 1941 mit deren Attacken zu überwinden.
Die Rote Armee war dann bis zum Frühjahr 1942 auf weiten
Strecken der Front eingebrochen und hatte große Teile des
eigenglich besetzten Geländes zurückerobert. Nur die im Frühjahr
1942 einsetzende Regen- und Tauperiode machte es
Nazi-Deutschland möglich, die Front bis Ende März 1942 zu
stabilisieren.
In diesem Zeitraum – vom Juni 1941 bis März 1942 - hatte die
Wehrmacht 1.1 Millionen Mann, ca. 90 Prozent aller Panzer und 50
Prozent aller Flugzeuge verloren.
Es war
nun kaum möglich, beim Personal aufzufüllen, denn man war ja
auch mit Besatzungsproblemen konfrontiert, war man doch in
Norwegen, Dänemark, in die Benelux-Staaten, in Frankreich, in
Jugoslawien, in Polen eingedrungen und hatte selbst ab Frühjahr
1941 eine Front in Nordafrika eröffnet um – wie auch in
Griechenland – Mussolini, dem Duce, zu helfen. Damit war eine
Großzahl von Männern im Einsatz, die besetzen Gebiete alleine
schon: zu verwalten.
Die Wehrmacht versuchte Soldaten auszuheben, indem man Rekruten
und Männer aus der Wirtschaft - nur mangelhaft ausgebildet - an
die Front schickte.
Am 5. April 1942 wurde die Weisung 41 für das Unternehmen Blau –
ab 30. Juni 1942 Unternehmen Braunschweig – erlassen:
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Zitat
Führerhauptquartier, den 5.4.1942
Der Führer und Oberste
Befehlshaber der Wehrmacht
OKW/WFSt Nr. 5 5616/42
g. K. Chefs.
Geheime Kommandosache
Chefsache
Nur durch Offizier
14 Ausfertigungen
3. Ausfertigung
Weisung Nr. 41 für die
Kriegführung
Die Winterschlacht in Russland geht ihrem Ende zu. Durch
die überragende Tapferkeit und den opferfreudigen
Einsatz der Soldaten der Ostfront ist ein Abwehrerfolg
von größtem Ausmaß für die deutschen Waffen errungen.
Der Feind hat schwerste Verluste an Menschen und
Material erlitten. In dem Bestreben, scheinbare
Anfangserfolge auszunutzen, hat er auch die Masse seiner
für spätere Operationen bestimmten Reserven in diesem
Winter weitgehend verbraucht.
Sobald Wetter- und Geländeverhältnisse die
Voraussetzungen dazu bieten, muß nunmehr die
Überlegenheit der deutschen Führung und Truppe das
Gesetz des Handelns wieder an sich reißen, um dem Feinde
ihren Willen aufzuzwingen.
Das Ziel ist, die den Sowjets noch verbliebene lebendige
Wehrkraft endgültig zu vernichten und ihnen die
wichtigsten kriegswirtschaftlichen Kraftquellen so weit
als möglich zu entziehen.
Hierzu werden alle verfügbaren Kräfte der deutschen
Wehrmacht und die der Verbündeten herangezogen. Dabei
muß aber gewährleistet sein, daß die besetzten Gebiete
im Westen und Norden Europas, insbesondere die Küsten,
unter allen Umständen gesichert bleiben.
Zitatende
Quelle:
http://prussia.online/Data/Book/hi/hitlers-weisungen-fur-die-kriegfuhrung-1939-1945/
Hitlers%20Weisungen%20fuer%20die%20Kriegfuehrung%201939-1945%20(1962),%20OCR.pdf
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Mit der
nachfolgend zitierten Weisung Nr. 45 erteilte Hitler den Befehl,
Stalingrad und den Kaukasus gleichzeitig anzugreifen.
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Zitat
Führerhauptquartier, den 23. 7. 42
Der Führer
OKW/WFSt/Op.
Nr. 5 51288/42 g.K. Chefs.
Geheime Kommandosache - Chefsache!
Nur durch Offizier!
6 Ausfertigungen
3. Ausfertigung
Weisung Nr. 45 für die Kriegführung
Die
Fortsetzung der Operation »Braunschweig«
I.) In einem Feldzug
von wenig mehr als drei Wochen sind die von mir dem
Südflügel der Ostfront gesteckten weiten Ziele im
wesentlichen erreicht worden. Nur schwächeren
feindlichen Kräften der Armeen Timoschenkos ist es
gelungen, sich der Umfassung zu entziehen und das
südliche Don Ufer zu erreichen. Mit ihrer Verstärkung
aus dem Kaukasusgebiet ist zu rechnen.
Die Versammlung einer weiteren feindlichen Kräftegruppe
im Raum um Stalingrad, das der Gegner voraussichtlich
zäh verteidigen wird, ist im Gange.
Zitatende
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Quelle:
http://prussia.online/Data/Book/hi/hitlers-weisungen-fur-die-kriegfuhrung-1939-1945/Hitlers%20Weisungen%20fuer%20die%20Kriegfuehrung%201939-1945%20(1962),%20OCR.pdf
Hiermit wurde die Front um ein
weiteres Mal überdehnt. Eine Länge von 4.000 Km konnte die
Luftwaffe nicht mehr bezwingen. Die Folge war, dass Munition
fehlte und der Treibstoff zur Neige ging.
Unter diesen - bereits vorher -
erschwerten Bedingungen begann General Paulus am 19. August 1942
den Angriff auf Stalingrad.
Während des Sommers 1942 rückten die
deutschen Truppen an der Ostfront weiter nach Osten vor und zum
November 1942 hatte General Paulus 90 Prozent der Stadt im
direkten Häuser- und Straßenkampf, die voller russischer
Zivilisten war, da Stalin deren Evakuierung verboten hatte,
eingenommen. Seine Truppen hatten sich bei diesen Nahkämpfen
allerdings auf 25 Prozent der Gesamtstärke reduziert.
Gleichzeitig liefen an der Ostfront
die Vorbereitungen zu einer russischen Großoffensive, für die
Stalin eine Streitmacht von einer Million Mann zusammengezogen
hatte. Mit der ‘Operation Uranus‘, die am 19. November 1942
begann, schloss Russland binnen vier Tagen 250.000 deutsche und
rumänische Soldaten in einem Kessel ein. Infolgedessen war der
rechte Flügel der italienischen 8. Armee am mittleren Don
ungedeckt und wurde ab 16. Dezember in der Operation
‘Kleiner-Saturn‘ von der Roten Armee zerschlagen. Es folgte ein
ungeordneter Rückzug der Reste der italienischen Armee zum
unteren Donez. Der noch intakte linke Flügel der Italiener
(Alpinikorps) musste darauf einen verlustreichen Rückzug durch
die russische Steppe nach Westen führen und wurde bis Ende
Januar 1943 völlig vernichtet.
Hitler verbot einen Ausbruch aus dem
Stalingrader Kessel, der in den Anfangstagen der Umzingelung
noch möglich gewesen wäre. Er vertraute auf die Versicherungen
des ‘Reichsjägermeisters‘ Göring, der die Truppe aus der Luft
versorgen wollte, bis ein Entsatzversuch der eilig unter dem
Befehl von Erich von Manstein zusammengestellten Heeresgruppe
Don - bei dem sich Panzerverbände von Generaloberst Hermann Hoth
befanden und die sich Stalingrad auf 48 Kilometer näherten – die
Flucht aus dem Kessel möglich würde. Aufgrund des sowjetischen
Widerstands wurde dieser Versuch aber nach neun Tagen
abgebrochen.
Damit überließ man die Truppe ihrem
Schicksal, versorgte sie mit Munition und Nahrung durch das, was
die Luftwaffe mit ihren geringen Mitteln - kaum noch
Landemöglichkeiten, kein Nachtanken – damit geringe Zuladung mit
Verletzten ermöglichen konnte.
Die tägliche Lebensmittelration der ausgehungerten
Eingeschlossenen betrug zu diesem Zeitpunkt zwei Schnitten Brot
und ein wenig Tee, gelegentlich eine dünne Suppe. Erste
Todesfälle wegen Erschöpfung und Unterernährung traten ab Mitte
Dezember auf. Der russische Winter mit unter minus 40 Grad
forderte ebenfalls Tausende Opfer unter den nur unzulänglich
gegen die eisigen Temperaturen ausgerüsteten Wehrmachtssoldaten.
Bis zum 18. Januar 1943 mussten die deutschen Truppen sämtliche
Verteidigungslinien aufgeben und sich vollständig in das
Stadtgebiet von Stalingrad zurückziehen, wo sie in zwei
Teilkessel gespalten wurden.
Der noch von Hitler zum Generalfeldmarschall beförderte Paulus
kapitulierte am 31. Januar 1943 mit seinen ihm verbliebenen
Einheiten im südlichen Kessel. Zwei Tage später ergaben sich
auch die ausgezehrten Truppen im Nordkessel der Stadt, das einem
Trümmerfeld glich. Etwa 150.000 deutsche Soldaten waren im
Kessel den Kämpfen, der Kälte oder dem Hunger zum Opfer
gefallen. Rund 91.000 Mann gerieten in sowjetische
Kriegsgefangenschaft, aus der vielleicht 6.000 Überlebende bis
1956 nach Deutschland zurückkehrten. Auf sowjetischer Seite
waren vermutlich mehr als 400.000 Soldaten ums Leben gekommen.
Dieses Fiasko wirkte sich auch
innenpolitisch im Reich verheerend aus, der Glaube an den
‘Führer‘, den genialen Feldherrn, schwand.
Bombenterror und Mangelwirtschaft belasteten die Bevölkerung.
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Zitat
1. Mai 1942 - Das Wetter ist jetzt
wieder sehr kühl geworden. Es will immer noch nicht
richtig Frühling werden.
Das ist für unsere Ernteaussichten geradezu
katastrophal. Was uns fehlt, das ist ein warmer Regen
und darauf Sonnenschein. Statt dessen regnet es nicht
und scheint die Sonne nicht. Es ist manchmal zum
Verzweifeln.
[…]
20. Mai 1942 - Große Sorgen macht uns die
Ernährungslage. Nach einem Bericht des
Ernährungsministeriums ist der Saatenstand
außerordentlich schlecht. Es wird im kommenden Herbst
vor allem an dem nötigen Brotgetreide fehlen, so dass
wir dann vermutlich gezwungen sind, die Brotrationen
wiederum erklecklich herunterzusetzen. Das ist für die
breiten Massen die empfindlichste Kürzung. Es wäre zu
wünschen, dass wir dann wenigstens Kartoffeln im
Überfluss haben; aber wenn das saumäßige Wetter weiter
anhält, dann kann davon auch keine Rede sein. Was das
Brot betrifft, so werden wir nicht darum herumkommen, in
großen Mengen Gerste beizumischen. Das wird außerdem
auch noch die Qualität und die Nahrhaftigkeit des Brotes
wesentlich heruntersetzen. Kurz und gut wir stehen hier
vor einem Problem gegen das menschliche Intelligenz und
Organisationsgabe machtlos sind. Man schaut jeden Tag
mit Angst und Bangen zum Himmel, ob er in der richtigen
Dosierung Regen fallen und die Sonne scheinen lässt. Wir
sind schon in der Tat ein armes Volk, und es ist nur
unserem Fleiß und unserer Intelligenz zuzuschreiben,
dass wir als Nation überhaupt noch existieren.
Zitatende |
Quelle: Reuth, Ralph Georg – Goebbels Tagebücher – Piper 192 –
Seite 1789-1794
Hinzu
kamen die schlechten Berichte von den Fronten, so dass der
Reichspropagandaminister sich bemühen musste, die Stimmung im
Volk zu besänftigen. Hunderte von Filmen wurden gedreht und zur
Vorführung gebracht – auch auf dem Land, wo es keine Kinos gab.
Dort fuhren Vorführwagen von Dorf zu Dorf, um auch hier die
Bewohner von den Qualen des Krieges abzulenken.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_w%C3%A4hrend_der_Zeit_des_Nationalsozialismus_im_Deutschen_Reich_uraufgef%C3%BChrten_deutschen_Spielfilme
Die Theater zeigten ihr Repertoire an Schwänken,
Lustspielen, Operetten, die Konzerthäuser waren geöffnet und
mitten im Kriegsgeschehen spielten Truppen von Sängern und
Schauspielern, die von der Organisation KdF engagiert, an die
Fronten geschickt wurden.
Foto:
Hitler und Goebbels im Filmstudio der UFA in Berlin,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6138875
Grundsätzlich
stand jetzt nicht politische Belehrung und Historienfilme wie
‘Der Choral von Leuthen‘ mit
Otto Gebühr,
Olga Tschechowa und
Veit Harlan auf dem Programm der zu produzierenden Filme.
Unterhaltung stand im Vordergrund, nicht der aufwändig gedrehte
Propagandafilm, sondern die leichte Zerstreuung wie der Film
‘Die große Liebe‘ mit
Zarah Leander,
Viktor Staal,
Grethe Weiser,
Paul Hörbiger, der zum größten kommerziellen Erfolg wurde.
Der Rundfunk war für Goebbels das wichtigste Medium, auf die
Bevölkerung einwirken zu können. Ob Sondermeldungen aus dem
Führerhauptquartier oder Übertragungen der Ansprachen des
Führers aus dem Sportpalast in Berlin oder sonstigen
Veranstaltungsstätten, aus einem zentralen Veranstaltungsraum
konnte er in alle Gaue wortreich und unmittelbar Einfluss
nehmen.
Hierbei half ihm ein bereits seit 1933 im Verkauf befindliches
Radio.
Der Volksempfänger war ein Rundfunkgerät, das von Otto Griessing
bei der Firma Seibt im Auftrag von Joseph Goebbels entwickelt
wurde.
Foto:
https://brandenburg.museum-digital.de/object/7085
Auf der 10.
Großen Deutschen Funkausstellung in Berlin stellte man das Gerät
mit dem Modell VE301 im August 1933 vor.
Die
Typenbezeichnung 301 sollte Erinnerungen an den 30. 1. 1933, dem
Tag der Machtübernahmen durch die Nazis wecken.
Das Gehäuse
des VE301 bestand aus Bakelit, einem duroplastischen Kunststoff,
einem Phenoplast auf der Basis von Phenol und Formaldehyd, der
1905 von dem belgischen Chemiker Leo Hendrik Baekeland
entwickelt und nach ihm benannt wurde.
Der Entwurf
für das Gerät stammte von Walter Maria Kersting, Professor für
Industriedesign in Köln und später in Düsseldorf.
Der
vorgeschriebene Preis der Version für den Betrieb am Stromnetz
betrug 76 Reichsmark was 300 Euro entsprach.
65 Reichsmark kostete eine batteriebetriebene Version.
Bereits am ersten Tag der Vorstellung auf der Funkausstellung
wurden 100.000 Geräte verkauft. Im Jahr 33 lag die Produktion
bei 650.000 Geräten, 1943 waren es über 840.000 Stück.
Der
Volksempfänger war das einzige Produkt aus einer Reihe von
Propagandaprojekten wie dem KdF-Wagen, dem Deutschen
Einheits-Fernseh-Empfänger E 1, dem Volkskühlschrank oder der
Volkswohnung, das in die Serienfertigung gelangte und auch in
nennenswerter Stückzahl produziert wurde.
Mit dem
Volksempfänger sollte es jeder Familie möglich sein, Rundfunk zu
hören, um so für die nationalsozialistische Propaganda
erreichbar zu sein.
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Zitat
Schlacht um Stalingrad
Duell zweier Diktatoren
Als im Sommer 1942 die
Schlacht um Stalingrad begann, sei der Krieg für das
Deutsche Reich bereits verloren gewesen, sagte der
Historiker Sönke Neitzel im Dlf.
Adolf Hitler habe die nach Josef Stalin benannte Stadt
unbedingt einnehmen wollen.
Heinemann, Christoph | 20.
August 2022, 08:15 Uhr
Inbegriff für Kriegsgräuel und Wendepunkt des II.
Weltkrieges – Zum Beginn der Schlacht um Stalingrad vor
80 Jahren – Interview mit Sönke Neitzel,
Militärhistoriker an der Universität Potsdam
Sprecher:
Am
23. August 1942, begann die Schlacht von Stalingrad.
Auch diejenigen, die sich kaum in der Geschichte von
Hitlers Angriffskrieg auskennen, haben diesen Namen
schon einmal gehört.
Infolge der Gegenoffensive der Roten Armee im November
wurden rund 300.000 Soldaten der Wehrmacht und ihrer
Verbündeten eingekesselt. Stalingrad steht auch für die
entfesselte Kriegsführung. Die deutsche Luftwaffe warf
ungefähr 1.000.000 Bomben auf die Stadt ab und 700.000
Menschen kamen im Verlauf der Kämpfe in Stalingrad ums
Leben.
Viele Soldaten der Wehrmacht und ihrer italienischen und
rumänischen Verbündeten verhungerten, da die Luftwaffe,
die von Hermann Göring großspurig zugesagte Versorgung
aus der Luft mit 500 Tonnen pro Tag nicht ein einziges
Mal erfüllen konnte.
Die Tagesrationen umfassten am Schluss rund 2 Scheiben
Brot im russischen Winter.
Hitlers Kriegsführung war auch eine Geschichte
gewaltiger Fehlplanungen.
Rund 110.000 Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft,
nur wenige von ihnen kehrten in die Heimat zurück.
Für die derjenigen, die es dann gerade überlebt hatten,
waren lebenslang gezeichnet, körperlich oder psychisch.
Wir haben vor dieser Sendung den Historiker Professor
Sönke Neitzel erreicht. Er lehrt Militärgeschichte und
Kulturgeschichte der Gewalt am Historischen Institut der
Universität Potsdam.
Erste Frage: Welche strategische Bedeutung spielte
Stalingrad in Hitlers Angriffskrieg?
Neitzel:
Eigentlich hatte Stalingrad eine sehr geringe Bedeutung.
Diese ‘Operation blau‘ also der Angriff der Deutschen
1942 im Sommer galt ja eigentlich zunächst dem Kaukasus,
so den Erdölquellen im Kaukasus und Stalingrad nur so
eine Art Nebenoperation, weil dort die Wolga
abgeschnitten werden sollte.
Die Wolga war die wichtigste Lebensader in der
Sowjetunion für den Transport von Gütern, Öl usw. Und
erst als diese Offensive lief, hat Hitler sich dann
immer mehr sich Richtung Stalingrad orientiert und wurde
Stalingrad immer mehr zu einer Obsession. Weil das eben
die Stadt Stalins war. Also, es ist interessant, wie ein
Diktator immer mehr Einfluss gewinnt auf die
Operationsführung und einen Schwerpunkt verlegt und
damit eigentlich ja ein Stück weit dafür verantwortlich
ist, die eigene Armee in den Untergang zu führen.
Sprecher:
1942 hatte Nazi Deutschland 3 Jahre, Sowjetrussland 1
Jahr Krieg geführt.
Über welche Ressourcen verfügten beide Seiten zu Beginn
der Schlacht von Stalingrad?
Neitzel:
Also die Deutschen hatten diesen Krieg in der
Sowjetunion zum Beginn der Schlacht von Stalingrad
bereits verloren und zwar eigentlich seit einem Jahr
verloren. Der deutsche Kriegsplan war im Spätsommer 1941
gescheitert, schnell der Roten Armee das Rückgrat zu
brechen und dann nur noch nach Osten zu marschieren.
Und die Deutschen hatten sich dann im Laufe des Jahres
1941 eigentlich zu Tode gesiegt, denn sie hatten
erhebliche Verluste und so war zwar halt die öffentliche
Wahrnehmung so: Man stand tief in Russland und die
Wehrmacht eine erfolgreiche Armee usw. Und alle Welt -
auch die Neutralen -glaubten, man würde ihr 1942 den
Todesstoß geben.
In Realiter sah das ganz anders aus. Die Kräfte der
Wehrmacht waren begrenzt und man konnte eigentlich nur
noch ein Drittel der Divisionen, die an der Ostfront
standen, wirklich noch angriffsfähig machen.
Die Rote Armee hatte 1942 auch gewaltige Verluste. Die
Rote Armee des Jahres 1941 die gab es nicht mehr, aber
die Rote Armee hatte eben erhebliche Reserven. Und es
begannen sich auch stückweise die Waffenlieferung
auszuwirken, die der Amerikaner und vor allen Dingen
auch der Briten, auch perspektivisch. Also es war so
eine Art Pattsituation -würde ich mal sagen
Sprecher:
Wie haben beide Seiten den jeweiligen Gegner
eingeschätzt? Was wusste man von der jeweils anderen
Seite?
Neitzel:
Gerade Hitler hat die Rote Armee nach wie vor massiv
unterschätzt, denn er glaubte zeitweise - auch im
Verlauf dieser Operation Richtung Stalingrad - die
Russen seien geschlagen und schlug da so seine
Phantomkesselschlachten. Und auch die Sowjets hatten
noch einen sehr hohen Respekt. Man hat dann diesen
Gegenangriff vorbereitet, um zu versuchen, die deutsche
Offensive zu stoppen und dann zum Gegenangriff
überzugehen, aber ob das gelingen würde, das war noch
Zukunftsmusik.
Sprecher:
Mit Blick auf die Schlacht in der Stadt, über welche
Erfahrungen verfügten eigentlich beide Seiten im
Häuserkampf.
Neitzel:
Also der Häuserkampf war nicht die Spezialität, weder
von der Roten Armee noch von der Wehrmacht. Man hat das
schon seit 1941 gesehen, zum Beispiel gab es solche
Kämpfe. So viele große Städte gibt es in der Sowjetunion
jedoch nicht. Um Kiew wurde nicht gekämpft, um Leningrad
auch nicht, um Charkow nur kurz und so waren die großen
Städte eigentlich schon genannt, so dass diese
Erfahrung, die beide dann in Stalingrad machten, für
beide Seiten eigentlich eine völlig neue war, beinahe
eine völlig neue.
Sprecher:
Rund 600.000 Menschen lebten ja in Stalingrad noch als
die Schlacht begann.
Wieso durften diese Zivilisten die Stadt nicht
verlassen?
Neitzel:
Das ist eigentlich etwas Typisches für die Kriegsführung
Stalins, das hatten wir auch ähnlich in Leningrad, die
Leningrade Bevölkerung, die nicht evakuiert werden
durfte vor der Einschließung. Also das ist ein
psychologisches Element: Stalin wollte die Stadt, die
seinen Namen trug, unbedingt halten und verteidigen und
auch die Bevölkerung in die Verteidigungsanstrengungen
einbeziehen, zum Bau von Stellungen Festungen und es
ging Stalin natürlich dann überhaupt nicht um die
Bewahrung von Menschenleben, also das spielte für ihn in
dieser Zeit überhaupt keine Rolle, sodass man immer
sagen muss, es ist eben der Krieg zweier Diktatoren. Ich
sage immer etwas provokant, Stalin hat den deutschen
Vormarsch in dem Blut der eigenen Leute erstickt. Wenn
man die hohen Verlustzahlen auch der Zivilisten sieht,
dann liegt das natürlich an den deutschen Verbrechen,
aber es liegt eben auch an der Art und Weise wie er dann
Krieg geführt hat mit seinen eigenen Leuten.
Sprecher:
Seit 22.11.1942 war die sechste Armee eingekesselt.
Wieso hat Hitler diese 6. Armee nicht gerettet, als es
noch möglich war
Neitzel:
Ja, da gibt es viele Gründe dafür. Zunächst gibt es ja
einen operativen Grund, dass man sagte, wenn die sechste
Armee ausbricht, dann besteht die Gefahr, dass der
gesamte Südflügel zusammenbricht, weil diese sechste
Armee hat auch wieder Kräfte der Roten Armee gebunden
und man musste Zeit gewinnen, um die Kräfte aus dem
Kaukasus zurückzuziehen. Und dann gibt es auch so ein
psychologisches Element: wie schätze ich eigentlich die
Lage ein. Schätze ich die Lage wirklich so katastrophal
ein oder sage ich, naja ich hau die wieder raus und ich
kann eine Frontlinie auch wiederherstellen mit einem
Gegenangriff.
Heute sind wir schlauer. Aber der damalige
Erfahrungshorizont war der Winter 41/42 der Kessel von
Demjansk, wo über hunderttausend Wehrmachtssoldaten
eingekesselt wurden und die sind dann nach etlichen
Wochen wieder entsetzt worden und wurden dann aus der
Luft versorgt und Hitler glaubte dann aber mit dem
Versprechen von Göring, dass es möglich sei, die
Stellung zu halten und eigentlich in einem Gegenangriff
die Frontlinien wiederherzustellen.
Sprecher:
Das Ende der sechsten Armee war ja absehbar. Wieso haben
Hitlers Generale nicht aufbegehrt?
Neitzel:
Ja, das ist ganz interessant. Im Mikrokosmos, also der
erfolgreichste wäre wahrscheinlich gewesen, wenn sie
unmittelbar nach der Einkesselung ausgebrochen wären und
das hätte allerdings die Initiative von General Paulus
erfordert.
Es gab ja Generale, die dafür waren. So der General
Seydlitz zum Beispiel, aber die Wehrmacht war natürlich
wie jede Armee eine hierarchische Organisation und wenn
der Oberbefehlshaber aber nicht mitmacht, dann
funktioniert das nicht.
Und Paulus war nicht der Mann, der in einem historischen
Moment nach vorne geht und Verantwortung übernimmt. Also
ich würde nicht sagen, dass das jetzt ein Spezifikum der
Wehrmacht oder der NS-Diktatur war, es sind die
hierarchischen Organisationen und diese Größe, in der
Krise den eigenen Entschluss zu fassen, selbstständig zu
handeln, sich außerhalb der Organisation zu stellen,
also, wenn wir jetzt mal 50 Jahre deutsche oder
europäische Militärgeschichte durchleuchten, werden Sie
wenige Beispiele finden.
Sprecher:
Sie sagten eben Professor Neitzel, dass der
Russlandfeldzug 1942 bereits verloren war. Bildete
Stalingrad einen von vielen Wendepunkten oder den einen,
entscheidenden Wendepunkt in Hitlers Angriffskrieg.
Neitzel:
Für die militärische Kriegsführung war es gar kein
Wendepunkt, weil der Krieg war bereits verloren und er
war verloren, da die deutsche Angriffsplanung auf die
Sowjetunion scheiterte im Spätsommer, im Frühherbst 1941
und das ist - meines Erachtens - die eigentliche
Kriegswende, weil danach ist es strategisch Ende für die
Deutschen.
Aber was Stalingrad war, ist eine psychologische
Kriegswende. Also der Krieg war verloren, aber das ist
weder von den Deutschen, noch von den Neutralen zum
Beispiel so wahrgenommen worden damals und Stalingrad
ist dann in der Wahrnehmung der Deutschen auch der
Bürger der Sowjetunion, der Neutralen usw. als ein
Wendepunkt interpretiert worden. Zum ersten Mal gelang
es der Roten Armee die Deutschen zurückzuschlagen und
sie einzukesseln. Da kam was zu Ende. Das ist ein
Wendepunkt für die Wahrnehmung, wenn man die
Geschichte hinter der Geschichte betrachtet, ist der
Krieg für die Deutschen, musste ja von den Alliierten
gewonnen werden, aber die Alliierten hatten - glaube ich
- den entscheidenden Schritt im Herbst 1942 getan.
Sprecher:
Wofür steht Stalingrad militärgeschichtlich?
Neitzel:
Also man kann sich ja fragen, warum ist das so ein
besonderer Punkt. Ich meine, es kamen Millionen von
Soldaten zu Tode in diesem Kriege, das kann es ja nicht
sein, dass dort Menschen starben und Hunderttausende
starben. Ich glaube, es ist das Extrem der deutschen
Soldatenerfahrung, also auch für Deutschland diese
Aufladung, denn in Stalingrad haben wir die
Häuserkämpfe, wir haben dann die Einkesselung und in der
Einkesselung haben wir dann auch dieses Sterben der
Soldaten - fast alle Soldaten der 6. Armee kommen ja um
- und wir haben Bedingungen, die bis hin zum
Kannibalismus gehen und das ist dann wirklich ein
besonderer Erfahrungsraum für die deutschen Soldaten,
weswegen Stalingrad dann auch natürlich mythisch so
aufgeladen ist. Die hohen Verluste, aber die ganz
besondere Kriegserfahrungen, die die deutschen Soldaten
da machen. Ich glaube, in der sowjetischen Erzählung ist
das ein bisschen anders. Da geht es einfach um das Ende
vom Anfang, um die erfolgreiche Gegenoffensive, um ein
Symbol des eigenen Sieges. Aber für die Deutschen ist es
dann diese Erfahrung in der Winterwüste von Stalingrad.
Sprecher:
Wie haben die Nazis die Bevölkerung über die Niederlage
ins Bild gesetzt?
Neitzel:
Also es wurde natürlich propagandistisch überhöht, wie
sollte man auch mit einem solchen Rückschlag umgehen.
verheimlichen konnte man ihn nicht, zumindest nicht
völlig, also musste man das natürlich zu einem
Heldennarrativ, zu einem Opfertum - wie einst an den
Thermopylen die Spartaner sich opferten, so die sechste
Armee für die Größe Deutschlands.
Also in diesem Narrativ, das an sich auch sachlogisch
ist für die NS-Ideologie. Man ist nicht nur tapfer,
sondern man opfert sich eben auch für das größere Ganze
und in dieser Erzählung konnte man Stalingrad einfügen.
Ansonsten, über die Details, war ziemlich wenig zu
erfahren, Stalingrad mit der Einschließung war sofort
aus der Wochenschau verschwunden. Es gibt also keine
Bilder, es gibt auch keine Bilder von einer landenden Ju
52 zum Beispiel. Und man hat auch letztlich geleugnet,
dass es Überlebende gibt. Es tauchten dann auf Umwegen
Briefe von deutschen Gefangenen der 6. Armee auf und es
hat zu einem riesigen Aufruhr der Bevölkerung gesorgt,
weil die Deutschen meinten, dass ihre Angehörigen noch
leben.
Goebbels hat das alles unterdrückt.
Es gibt keine deutschen Überlebenden, macht euch klar,
es gibt nur Leben und Sterben. Man hat versucht, das
alles runterzudrücken und das alles in einem Heldenepos,
in einem sozialdarwinistischen Sinne sozusagen zu
interpretieren.
Sprecher:
Welche Rolle könnte Stalingrad heute für die
deutsch-russischen Beziehungen spielen, wenn Russland
nicht gerade einen Angriffskrieg gegen die Ukraine
führen würde?
Neitzel:
Ich glaube, um das Potenzial von Stalingrad zu erkennen,
muss man in die 1990er Jahre zurückgehen und als junger
Hospitant der Redaktion Zeitgeschichte vom ZDF war ich
da so ein bisschen mit dabei, als das ZDF und das
russische Fernsehen - Guido Knopp damals - ‘Der
verdammte Krieg‘ gedreht hat. Eine Sendestaffel über den
deutsch-sowjetischen Krieg, die gleichzeitig im gleichen
Text, gleichen Bildern in Deutschland und im russischen
Fernsehen ausgestrahlt wurde und damals gab es für diese
Dokumentation auch Begegnungen von Zeitzeugen in
Stalingrad, an dem Ort der Gefechte und da konnte man
den Begriff der Versöhnung sehen. Der Versöhnung der
Veteranen über den Gräbern ihrer gefallenen Kameraden.
Stalingrad ist halt von anderer Symbolhaftigkeit als
Babyn Ja oder die Schoah, die Konzentrationslager,
Vernichtungslager usw. Steht also sozusagen eher für das
Schicksal der Soldaten und den Angriffskrieg.
Die Deutschen hatten dort nichts zu suchen, aber die
Versöhnung darüber, auch und dass es dann möglich war,
einen deutschen Soldatenfriedhof dort aufzubauen. Das
wäre ein Zeichen die Möglichkeit das Schicksal der
Soldaten in den Blick zu nehmen. Wer waren die
Rotarmisten, die gekämpft haben und man sich damit
wieder kritisch befasst, um zu einer Versöhnung zu
finden. Das wäre eigentlich die Möglichkeit. Das ist
natürlich jetzt heute nicht mehr möglich, Stalingrad hat
eine ganz andere Bedeutung. Die Geschichte des großen
vaterländischen Krieges andere Bedeutungen so wird
eingefügt werden Heldenepos, womit wir jetzt relativ
wenig anfangen können und es geht eben nicht nur um
Versöhnung. Also es ist ein Potential und meines
Erachtens ist es gerade Anfang der 1990 er Jahre auch
genutzt worden.
Sprecher:
Der Historiker Professor Sönke Neitzel von der
Universität Potsdam über den Beginn der Schlacht von
Stalingrad im August 1942.
Das Gespräch haben wir gestern aufgezeichnet.
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/80-jahre-schlacht-von-stalingrad-interview-soenke-neitzel-militaerhistoriker-dlf-1e1b967d-100.html
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Zitat
„Für Hitler gab es nur: Sieg oder Tod“
Im Interview mit
G/GESCHICHTE erklärt Militärhistoriker Sönke Neitzel,
warum der Zweite Weltkrieg lange vor Stalingrad verloren
war, aber die Wehrmacht auch nach der dortigen
Niederlage weiter an ihre Überlegenheit glaubte.
Sönke Neitzel hat den
deutschlandweit einzigen Lehrstuhl für
Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt am
Historischen Institut der Universität Potsdam inne.
Zuvor lehrte er unter anderem an der University of
Glasgow und der London School of Economics. | Foto: Kai
Bublitz Fotoproduktion
Interview: Dirk Liesemer
G/GESCHICHTE:
Die Schlacht bei Stalingrad gilt heute als der
Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Wurde das damals von
den Soldaten auch so erlebt – und ist diese Sichtweise
überhaupt korrekt?
Sönke Neitzel: Nein, denn die Rede vom
Wendepunkt deutet an, dass Hitler zuvor eine Chance
hatte, den Krieg zu gewinnen. Das war mit dem Eintritt
der USA im Dezember 1941 nicht mehr möglich. Und zuvor
war schon Hitlers Kriegsplan einer schnellen Eroberung
der Sowjetunion gescheitert – nicht erst vor Moskau,
sondern bereits im August 1941. Damit war im Prinzip
Game over. Dass Stalingrad oft als Wendepunkt
bezeichnet wird, hat mit der Symbolwirkung der Stadt und
der Schlacht zu tun. Denn hier wurde erstmals eine
deutsche Armee von der Roten Armee eingekesselt und
vernichtet. Mit der Niederlage von Stalingrad änderte
sich jedoch die Wahrnehmung: Nur Tage danach
proklamierte NS-Propagandaminister Joseph Goebbels den
„totalen Krieg“. Aber Wahrnehmung und Realität sind eben
zweierlei. Stalingrad war eine psychologische
Kriegswende, aber der Krieg war schon lange zuvor
verloren.
Wie ist das
Scheitern der Wehrmacht, die ja als sehr professionell
galt, in Stalingrad zu erklären?
Hitler unterschätzte die Rote Armee massiv, weshalb
die Wehrmacht für das „Unternehmen Blau“ viel zu wenig
Kräfte erhielt. Ursprünglich war die Stadt nur ein
Nebenziel auf dem Weg zum Kaukasus. Beim Angriff auf
Stalingrad waren die deutschen Kräfte dann völlig
überfordert, zumal Hitler etliche Kampfverbände an
andere Fronten verlegte. Im Grunde war früh klar, dass
die Deutschen die Rote Armee im Südabschnitt nicht
schlagen konnten. Zudem hatte die Rote Armee militärisch
mittlerweile dazugelernt und wusste aufgrund eines
Zwischenfalls sogar den genauen Angriffstermin auf die
Stadt. Die Deutschen erkannten dann zwar den
sowjetischen Truppenaufmarsch nördlich von Stalingrad,
nicht aber südlich der Stadt. General Gehlen, der Leiter
der Abteilung „Fremde Heere Ost“, tappte wie so oft
ahnungslos im Dunkeln. Letztlich sind die Deutschen
überrascht worden. Anfangs war wahrscheinlich noch ein
Ausbruch aus dem Kessel möglich, aber der wurde dann von
Hitler untersagt. Dass die Niederlage am Ende so
verlaufen ist, lag an den Fehlern der Deutschen und den
Leistungen der Roten Armee.
Truppen der
Waffen-SS-Division rücken in die südrussische
Steppenlandschaft vor, Sommer 1942. | Foto: Wikimedia/Bundesarchiv,
Bild 101I-217-0494-34 / Geller / CC-BY-SA 3.0
„Jeder
vernünftige Mensch hätte sehen müssen,
dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war“
Hitler erließ ein
Kapitulationsverbot für die 6. Armee. War das einfach
nur Wahnsinn oder verfolgte er damit ein rationales
Kalkül?
Beides, man
muss zunächst die militärische Logik verstehen: Nachdem
die Rote Armee die 6. Armee eingekesselt hatte, drohte
der gesamte deutsche Südflügel an der Ostfront aus den
Angeln gehoben zu werden.
Mit dem Befehl zum Weiterkämpfen erkauften sich die
Deutschen einige Zeit. Denn damit waren erhebliche
Kräfte der Roten Armee gebunden. Die Wehrmacht konnte
ihre Kräfte aus dem Kaukasus zurückziehen und im
Februar/März 43 sogar die Ostfront stabilisieren.
Es gab also durchaus ein militärisches Kalkül, wobei zu
diskutieren ist, ob eine um etwas früher vollzogene
Kapitulation der 6. Armee nicht viele Menschenleben
gerettet hätte.
Unzählige gingen nämlich nun völlig ausgehungert in
sowjetische Gefangenschaft. Eine solche Kapitulation
hätte die militärische Lage wohl auch nicht sehr
verändert. Zugleich steht das Kapitulationsverbot für
die NS-Ideologie. In Hitlers Vorstellung musste man bis
zur letzten Patrone kämpfen und durfte keinesfalls in
Gefangenschaft gehen. Ihm imponierten alle Einheiten,
die bis zum letzten Mann kämpften.
Deswegen mochte er auch die Marine, deren Schiffe ja oft
mit Mann und Maus untergingen. Für Hitler gab es nur:
Sieg oder Tod.
Sowjetische Soldaten im
völlig zerstörten Zentrum von Stalingrad, Februar 1943.
|
Foto: Wikimedia/RIA Novosti archive, image #602161/Zelma/CC-BY-SA
3.0
Wie lernfähig
war die Führung der Wehrmacht? Anders gefragt: Wurde die
Niederlage nüchtern analysiert und wurden – aus rein
militärischer Sicht – nachvollziehbare Schlüsse gezogen?
Nein, die Lernfähigkeit war sehr begrenzt. Man
konnte die Lage schon deshalb nicht in Ruhe analysieren,
weil die offensichtlichen Schlussfolgerungen nicht
möglich waren: nämlich ein Ende des Krieges. Jeder
vernünftige Mensch hätte sehen müssen, dass der Krieg
nicht mehr zu gewinnen war. Selbst die Idee, einen
Oberbefehlshaber für die Ostfront zu berufen, der alles
koordinieren sollte, wurde von Hitler abgebügelt. Er hat
alles verhindert, was auf eine diplomatische Lösung
hinausgelaufen wäre. Auch die eigenen Nachrichtendienste
sind von ihm behindert worden. Selbst die Japaner haben
die Deutschen aufgefordert, sich mit Moskau auf einen
Waffenstillstand zu einigen. Für Hitler gab es nur eine
Strategie: Weitermachen! Dabei glaubten selbst
notorische Optimisten wie Generalfeldmarschall Erich von
Manstein, allenfalls noch ein Patt an der Ostfront
erkämpfen zu können. Aber was wäre damit erreicht
worden? Von seinem Ordonnanz-Offizier Alexander
Stahlberg soll Manstein gefragt worden sein: Aber Herr
Feldmarschall, wenn wir ein Patt haben, was dann?
Sollten sich dann Hitler und Stalin friedlich auf ein
Unentschieden einigen? Das war alles unrealistisch.
Deutsche Gefangene bei
Stalingrad auf dem Marsch ins Kriegsgefangenenlager,
Februar 1943. | Foto: Wikimedia/Bundesarchiv, Bild
183-E0406-0022-010 / CC-BY-SA 3.0
Trotz der
Niederlage in Stalingrad wurde in der Wehrmacht weiter
der Glaube an die eigene Überlegenheit gepflegt. Wie ist
das zu erklären?
Die Ideologie mag eine Rolle gespielt haben, aber
viel wichtiger waren die soziale Praxis und die
Erlebnisse der Soldaten. Neben den SS-Truppen sahen sich
vor allem die Panzerverbände weiterhin der Roten Armee
überlegen. Schließlich hatten sie auch immer wieder
sowjetische Angriffe aufhalten können, selbst wenn die
Front insgesamt zurückweichen musste. Ihre individuellen
Erfahrungen prägten die Diskurse in der Wehrmacht. Hier
zählte weniger, was Generäle der Infanterie von sich
gaben, sondern die Erzählungen von Panzerkommandeuren
wie Hermann Balck. Und dessen Sicht war stark von der ja
tatsächlich vorhandenen Überlegenheit seiner Truppen
geprägt. Zugleich fehlte diesen Leuten natürlich ein
Blick auf die gesamte Ostfront. Niederlagen hat man dann
oft auf die Infanterie geschoben, die nicht mehr kämpfen
wolle.
Welche
Bedeutung hatte der Sieg für die sowjetischen Soldaten?
Es war ein sehr blutig erkaufter Sieg, aber er war
psychologisch von immenser Bedeutung. Schon die
Gegenoffensive vor Moskau von Dezember 41 bis Februar 42
war ein Erfolg für die Rote Armee gewesen, aber sie
hatte dabei mehr Soldaten verloren als die Wehrmacht.
Und ihre Angriffe waren oft noch sehr dilettantisch
durchgeführt worden. Aber das änderte sich ab Sommer 42,
als Stalin seine Generäle machen ließ, allen voran
Georgi Schukow: Sie lernte nun rasch auch höchst
komplexe Operationen durchzuführen. Die Einkesselung bei
Stalingrad ist dafür nur ein Beispiel. Die Rote Armee
beherrschte zunehmend den Bewegungskrieg sowie
sogenannte Durchbruchsschlachten. Als sie die
vermeintlich unbesiegbare Wehrmacht in Stalingrad
geschlagen hatte, war das nicht nur extrem förderlich
für das Selbstbewusstsein. Der Roten Armee war fortan
klar: Wir können die Deutschen aus dem Land drängen.
Offen war nur: zu welchem Preis?
„Stalingrad hat sich als Chiffre eines grausamen Krieges
ins kollektive Gedächtnis eingefressen“
In Stalingrad
verlor Stalins Armee eine halbe Million Soldaten. Wird
dieser Toten in Russland heute angemessen gedacht? Oder
wird das Gedenken instrumentalisiert?
Beim Gedenken geht es in der Regel nicht um eine
differenzierte Analyse, sondern um ein bestimmtes,
vorgezeichnetes Bild. Geschichte dient, gerade in
Russland, zur Untermauerung des nationalen
Selbstbewusstseins. Man sucht sich positive Dinge
heraus, um Heldenerzählungen zu schaffen. Ziel ist die
nationale Selbststabilisierung. Deshalb wird dort an
solchen Gedenktagen auch nicht über dilettantische
Armeeführer gesprochen, nicht über die riesigen Opfer,
nicht über all die vermeintlichen Deserteure, die man an
die Wand gestellt hat, und natürlich auch nicht über die
zuweilen menschenverachtende Kriegsführung gegenüber den
eigenen Soldaten. Nicht einmal mehr Stalin wird noch
offen kritisiert. Zwar gibt es auch bei uns Themen, die
weniger diskutiert werden, aber den liberalen,
differenzierten Umgang mit der eigenen Geschichte, der
in Russland noch in den 1990er-Jahren gepflegt wurde,
den gibt es dort heute nicht mehr.
… wie jüngst am
Verbotsverfahren gegen die Menschenrechtsorganisation
„Memorial“ deutlich wurde.
Genau, das ist das beste Beispiel.
Welche
Rolle spielt Stalingrad in der Erinnerungskultur der
Bundeswehr?
Im Grunde keine andere als in der Bevölkerung. Beim
Krieg denken die Deutschen an Auschwitz und Stalingrad.
Für Soldaten ist Stalingrad das extremste Erlebnis, das
sie sich für einen Einsatz vorstellen können:
Häuserkampf, Hunger, Kannibalismus, das Sterben in der
Eiswüste.
Stalingrad hat sich als Chiffre eines grausamen Krieges
ins kollektive Gedächtnis eingefressen.
Zitatende
Quelle:
https://www.g-geschichte.de/uebergreifend/interview-neitzel/ |
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Zitat
3. Februar 1943
Der
Kampf um Stalingrad ist zu Ende
Ihrem Fahneneid bis zum letzten Atemzug getreu, ist die
sechste Armee unter der vorbildlichen Führung des
Generalfeldmarschalls Paulus der Übermacht des Feindes
und der Ungunst der Verhältnisse erlegen. Ihr Schicksal
wird von einer Flakdivision der deutschen Luftwaffe,
zwei rumänischen Divisionen und einem kroatischen
Regiment geteilt, die in treuer Waffenbrüderschaft mit
den Kameraden des deutschen Heeres ihre Pflicht bis zum
Äußersten getan haben.
Zitatende
Quelle: Die Wehrmachtsberichte
1939 – 1945, Gesellschaft für Literatur und Bildung,
Köln 1989, Seite 435
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Goebbels fühlte sich
als Reichspropagandaminister berufen, hier für Hitler in die
Bresche zu springen und am 18. Februar 1943 im Berliner
Sportpalast - mit Übertragung durch alle deutschen
Rundfunkanstalten - das Volk aufzufordern, an den Endsieg zu
glauben und den totalen Krieg zu fordern und ihn einzugehen.
|
|
Zitat
'Die Sportpalastrede'
Gustaf Gründgens war nicht zu erreichen.
Während der Reichspropagandaminister seine 'Totale-Krieg-Rede'
im Berliner Sportpalast hielt, ließ sich GG von seinem
Chauffeur durch Berlin fahren.
Eigentlich sollte GG mit dabei sein - wie alle Größen im
Staat: Politik, Kunst und all die anderen, die Goebbels
als Repräsentanten des Reiches ansprach.
Nachdem die Anwesenden benannt wurden, stellte der
Reichspropagandaminister ihnen – quasi als
Stellvertreter des Volkes – zehn rhetorische Fragen zum
Vorhandensein der Kampfesbereitschaft, die vom Publikum
erwartungsgemäß jeweils mit einem lauten „Ja“
beantwortet wurden. Die Fragen begannen zum Teil mit
angeblichen Behauptungen der Engländer oder der Formel
„Ich frage euch“, in Kurzform hießen sie:
-
„Glaubt ihr mit dem Führer
und mit uns an den endgültigen, totalen Sieg der
deutschen Waffen? […] unter Aufnahme auch der schwersten
persönlichen Belastungen […]“
-
„Die Engländer behaupten,
das deutsche Volk sei des Kampfes müde. […] Seid ihr
bereit […] diesen Kampf […] fortzusetzen, bis der Sieg
in unseren Händen ist?“
-
„Die Engländer behaupten,
das deutsche Volk hat keine Lust mehr, sich der überhand
nehmenden Kriegsarbeit […] zu unterziehen. […] Seid ihr
[…] entschlossen […] das Letzte für den Sieg
herzugeben?“
-
„Die Engländer behaupten,
das deutsche Volk wehrt sich gegen die totalen
Kriegsmaßnahmen der Regierung. Es will nicht den totalen
Krieg, sagen die Engländer, sondern die Kapitulation.
Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr
ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns
heute überhaupt erst vorstellen können?“
„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk hat sein
Vertrauen zum Führer verloren. […] Vertraut ihr dem
Führer?“
-
„Seid Ihr von nun an bereit,
Eure ganze Kraft einzusetzen […], die Menschen und
Waffen zur Verfügung zu stellen […], um den
Bolschewismus zu besiegen?“
-
„Gelobt ihr mit heiligem Eid
der Front, dass die Heimat mit starker,
unerschütterlicher Moral hinter der Front steht und ihr
alles geben wird, was sie zum Siege nötig hat?“
-
„Wollt ihr, […] dass die
Frau [...] überall da, wo es nur möglich ist,
einspringt, um Männer für die Front frei zu machen?“
-
„Billigt ihr […] die
radikalsten Maßnahmen gegen einen kleinen Kreis von
Drückebergern und Schiebern […]? Seid ihr damit
einverstanden, dass, wer sich am Kriege vergeht, den
Kopf verliert?“
-
„Wollt ihr, dass […] gerade
im Kriege gleiche Rechte und gleiche Pflichten
vorherrschen […]?“
Besonders das frenetisch zustimmende Geschrei als
Antwort auf die Frage nach dem totalen Krieg ist als
prägendes Bild in die Geschichte eingegangen.
Am Tag der Sportpalastrede legten Hans und Sophie Scholl
in der Münchner Universität das sechste Flugblatt der
Weißen Rose aus, das mit einem Körner-Zitat aus einem
patriotischen Lied der Befreiungskriege endete:
„Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen!“
Zitatende
Quelle:
https://telezeitung-online.de/Thema_des_Tages_18._Februar_2020_'Sportpalast'.htm
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Zitat
Symposium-Band „Wagner und der
Nationalsozialismus“
Bayreuth in und nach der
NS-Zeit –
und wie das zusammenhängt
Die
Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele im Jahr 1944.
Nach Kriegsende wurde der Festspielbetrieb 1951 wieder
aufgenommen. © picture-alliance / dpa
Rainer Pöllmann im Gespräch mit Oliver
Schwesig · 26.07.2018
Die
Bayreuther Festspiele haben im vergangenen Jahr ein
Symposium zum Thema „Wagner und der Nationalsozialismus“
abgehalten. Es wurde Zeit, findet Musikredakteur Rainer
Pöllmann. Nun erscheint die Dokumentation: eine
anspruchsvolle und spannende Lektüre
Oliver Schwesig: Es ist nach wie vor
das wichtigste Ereignis für die Wagner-Fans, jedes Jahr
die Bayreuther Festspiele. Gestern ging es los mit dem
„Lohengrin“. Und wir haben ja auch vor ein paar Tagen,
vielleicht erinnern Sie sich, schon über die erste
Uraufführung einer ganz neuen Oper in Bayreuth seit 1882
berichtet, die Uraufführung von Klaus Langs „Der
vergessene Hochzeiter“. Es gibt auch ein Rahmenprogramm
im Rahmen der Bayreuther Festspiele, und zu dem gehört
die Reihe „Diskurs Bayreuth“. Diese Reihe lief 2017 zum
ersten Mal mit Konzerten und einem Symposium. Das Thema
im letzten Jahr war unter anderem das immer wieder heiß
diskutierte Thema „Wagner und der Nationalsozialismus“,
und die Dokumentation dieses Symposiums erscheint nun in
diesem Jahr als Buch, soll im August in den Läden sein.
Rainer Pöllmann hatte die Gelegenheit, dieses Buch schon
mal vorab zu Gesicht zu bekommen, und mit ihm will ich
jetzt darüber reden. Hallo, Rainer Pöllmann!
Rainer Pöllmann: Hallo!
Schwesig: Zwei große Themenkomplexe
gibt es in diesem Band. Welche sind das?
Pöllmann: Das ist zum einen tatsächlich
Richard Wagner und der Nationalsozialismus in der Zeit
des Nationalsozialismus, und zum anderen Richard Wagner
beziehungsweise die Bayreuther Festspiele in der
Nachkriegszeit. Beides hängt natürlich miteinander
zusammen, und insofern sind das die zwei großen Kapitel
dieses Buches, aber schon innig miteinander verwoben.
Bayreuth und Richard Wagner in der
Nachkriegszeit
Schwesig: Das sind ja jetzt zwei
Komplexe, die mittlerweile ausgiebig schon aufgearbeitet
wurden. Gibt es denn da trotzdem neue Erkenntnisse?
Pöllmann: Ja, man kann in der Tat
sagen, dass da schon Massen von Forschungsergebnissen
dazu vorliegen. Aber immer wieder gibt es natürlich neue
Akzentsetzungen. Ich muss gestehen, dass beim großen
Kapitel „Wagner und der Nationalsozialismus“, also der
ersten Abteilung dieses Buches, die schien mir
thematisch ein bisschen diffus, wenngleich
perspektivenreich. Da geht es um Thomas Mann und Wagner.
Da geht es um Wagner als Schriftsteller und, das fand
ich ganz interessant, die allmähliche Verschiebung der
Begriffe in seinen Texten. Er hat nie einen Begriff
zurückgenommen, noch nicht einmal den Begriff der
„Vernichtung“ des Judentums. Aber er hat im Lauf seiner
schriftstellerischen Karriere manche Begriffe dann
einfach so flüssig verändert, dass sie am Schluss was
ganz anderes bedeuten als am Anfang. Und vor allem habe
ich aus diesem Buch gelernt, seine Autobiografie „Mein
Leben“ sollte man nicht im Mindesten als faktisch
nehmen, sondern wirklich als eine gefakte Autobiografie
zur Darstellung des eigenen höheren Ruhms natürlich. Und
immer wieder natürlich in diesem Zusammenhang die neu zu
stellende Frage nach Wagners Antisemitismus, die aber so
ganz einfach eben trotzdem nicht zu beantworten ist.
Der
für mich spannendere Teil war dann eigentlich der über
Bayreuth und Richard Wagner in der Nachkriegszeit. Da
gibt es „Bayreuth und die Alte Musik“ zum Beispiel. Die
Parallelität von Händel-Renaissance und Neu-Bayreuth,
also dem entnazifizierten Bayreuth ab 1951, und wie sehr
das miteinander zusammenhängt. Dass zum Beispiel in
Bayreuth 1951 der Vorschlag kam, europäische Musikwochen
unter dem Motto „Europäische Verständigung“ mit alter
Musik zu machen, also eine Parallelaktion zur
Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele, eine Form der
Wiedergutmachung der Stadt Bayreuth hinsichtlich „der
Belastungen, die sich in Folge der Verquickung der
Wagner-Festspiele mit den letzten politischen
Ereignissen ergeben“. Und so eine Wortwahl Anfang der
50er-Jahre über den Nazi-Terror, die muss man sich
wirklich – auf der Zunge zergehen lassen, wollte ich
sagen, aber genau das natürlich nicht. Es ist das
Verschweigen, es ist das Drumherumreden um das, was
gerade eben erst passiert ist.
Und
für mich besonders interessant auch, „Bayreuth und die
Neue Musik“. Man fragt sich eigentlich, was haben die
miteinander zu tun. Ein Artikel beschäftigt sich mit
Bayreuth und Darmstadt, und ich dachte, was hat das
Festival für Neue Musik mit Bayreuth zu tun? Doch etwas
mehr, als ich ursprünglich dachte, in der Form von
Pierre Boulez zum Beispiel, der 1967 den Parsifal
dirigiert hat.
Und in gewisser Weise kann man die Bestrebungen von
Neu-Bayreuth, von diesem entideologisierten Bayreuth
dann schon auch in eine Beziehung setzen zu dem, was im
Bereich der zeitgenössischen Avantgarde in Darmstadt
getrieben wurde. Das sind überraschende Einblicke, die
ich eigentlich immer wieder sehr spannend fand.
Neuer Blick auf Wieland Wagner
Schwesig: Ein solches Symposium über Bayreuth
in der NS-Zeit, ein Zentrum der Nazi-Ideologie, 1951
dann Neu-Bayreuth. Sie hatten es erwähnt: die
Entrümpelung durch Wieland Wagner, aber keine wirkliche
Aufarbeitung. Wie selbstkritisch, wie unabhängig ist
denn so ein Symposium? Katharina Wagner hat es mit
herausgegeben, da hängen alle irgendwie mit drin. Wie
distanziert geht man denn da um mit diesem Thema?
Pöllmann: Es hängen veranstalterisch oder
personell in der Tat alle mit drin. Und ich kann mir
vorstellen, dass es schon ganz schön schwierig ist, in
dieser Gemengelage ein solches wissenschaftliches
Symposium zu veranstalten. Nichtsdestotrotz, es ist eine
Veranstaltung der Bayreuther Festspiele zum ersten Mal,
die das eben selbst machen und nicht nur sich als Objekt
der Forschung mehr oder minder unwillig bereitstellen,
sondern eben selbst da was machen, und Marie-Luise
Maintz, die in diesem Jahr auch die Leiterin dieses
Symposiums ist, hat da wirklich in völliger
Unabhängigkeit arbeiten können und eine sehr gute
Auswahl von Referenten und von einem Themenspektrum
zusammengestellt. Das finde ich schon sehr
bemerkenswert.
Überraschend war für mich, wenn man über die Bayreuther
Gemengelage redet, wie kritisch inzwischen doch die
Biografie und die Rolle von Wieland Wagner gesehen wird.
Wieland Wagner war für lange Zeit der Gute, der Retter,
der Gründer von Neu-Bayreuth, der den Nazi-Krempel
rausgeschmissen hat, der Maßstab setzen will, abstrakte
Inszenierungen gemacht hat, ein Genie. Dagegen dann
immer Wolfgang Wagner als so der fränkische Pragmatiker.
Und immer klarer wird aber eben doch auch, dass Wieland
Wagner in der Tat der Lieblingswagner von Adolf Hitler
war, dass er der prädestinierte Leiter der Bayreuther
Festspiele auch vom Naziregime her war. Und er wird in
diesem Band dann schon auch sehr umstandslos als
Karrierist zu Nazizeiten geschildert, dessen großes
Glück eigentlich war, dass er nicht noch während des
Krieges die Bayreuther Festspiele übernommen hat,
sondern erst nachher, dann sozusagen die Scherben
aufkehren durfte und konnte.
Also dieser Wandel in der Sicht auf Wieland Wagner ist
nicht ganz neu, aber ist doch in diesem Band sehr stark.
Atemberaubende Tour d'Horizon
Schwesig: Interessant. So eine Sammlung
von Symposiumsbeiträgen ist ja zunächst erst mal eine
wissenschaftliche Abhandlung, ein wissenschaftliches
Buch, und ich entnehme jetzt, Rainer Pöllmann, Sie als
Fachmann haben da eine Menge interessante Sachen
gefunden. Aber für wen ist dann so ein Buch geschrieben?
Wirklich nur für die Wagner-Enthusiasten, oder kann ich
als Nicht-Wagnerianer da trotzdem auch noch was
Spannendes rausziehen?
Pöllmann: Ein gewisses Interesse an
Richard Wagner und der Oper im 19. und 20. Jahrhundert
oder auch an Zeitgeschichte sollte man natürlich
mitbringen. Und oft genug sind ja gerade die
Wagner-Enthusiasten auch die, die, ob berufshalber oder
privat die Fachleute sind. Es ist ein Aufsatzband, der
schon manches voraussetzt, der auch oft genug seine
Erkenntnisse in lakonischen Nebensätzen versteckt. Oft
genug ging es mir da so, dass ich da wirklich dachte,
huch, was ist denn da jetzt in einem Satz
zusammengefasst. Es ergibt manchmal eine atemberaubende
Tour d'Horizon.
Da
wird für das Jahr 1967 zum Beispiel, Boulez in Bayreuth,
der 400. Geburtstag Claudio Monteverdis, der Beginn der
historischen Aufführungspraxis zumindest als das
Musikleben prägende Praxis, und die politische Revolte
des Jahres ‘67, kurzgeschlossen in einem einzigen Satz.
Das macht einen manchmal ein bisschen schwindelig, aber
es ist natürlich auch das Schöne, dass in diesem
Symposionsbericht – Symposien können furchtbar
langweilig sein. Und ich war nicht dort bei diesem
Symposion, aber so, wie sich mir dieser
Symposionsbericht jetzt in seiner Schriftform darstellt,
scheint es wirklich eine sehr muntere Angelegenheit
gewesen zu sein. Und diese Erkenntnisse und das
Zusammendenken von ganz disparaten Erkenntnissen, das
ist wirklich eine Qualität dieses Bandes.
Kein Anzeichen für einen Schlussstrich
Schwesig:
Vielleicht noch ganz kurz zum Schluss: Wagner und der
Nationalsozialismus – es ist ja durchaus begrüßenswert,
dass sich die Festspiele diesem Kapitel nach wie vor
immer noch stellen. Wenn man diesen Band jetzt
betrachtet, ist das für die Festspielmacher ein Anlass,
darüber in Zukunft weiter zu diskutieren, eine Basis für
weitere Diskussionen – oder hat das jetzt so ein
bisschen den Charakter: Okay, wir würden dieses
unbequeme Thema jetzt auch gerne langsam mal zu den
Akten legen? Was für einen Eindruck haben Sie?
Pöllmann:
Für einen Schlussstrich sehe ich jetzt keine Anzeichen.
Es war hohe Zeit, dass Bayreuth als Institution selbst
sich diesem Thema endlich, endlich, endlich mal gestellt
hat. Und sie werden das sicher auch weiter tun –
vielleicht nicht als Dauerbeschäftigung. Aber dass es
damit jetzt auch gut sein soll, dafür gibt es keine
Anzeichen.
Schwesig:
„Sündenfall der Künste? Richard Wagner, der
Nationalsozialismus und die Folgen“, so heißt ein neues
Buch mit einer Sammlung von Symposiumsbeiträgen zu
diesem Thema. Herausgegeben von Katharina Wagner, Holger
von Berg und Marie-Luise Maintz im Bärenreiter-Verlag
erschienen, 220 Seiten dick. Ab Mitte August, wie
gesagt, ist der Band dann erhältlich. Rainer Pöllmann
informierte. Vielen herzlichen Dank!
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/symposium-band-wagner-und-der-nationalsozialismus-bayreuth-100.html |
Die Bayreuther
Festspiele
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Zitat
Offene
Zukunft
07.09.2022 von Bernhard
Neuhoff, Tobias Stosiek
Die Festspiele sind vorbei, Ruhe kehrt auf dem Grünen
Hügel aber nicht ein: Georg von Waldenfels, Chef des
Verwaltungsrats, spricht sich ausdrücklich für Christian
Thielemann aus, dessen Verhältnis zu Katharina Wagner
als schwierig gilt.
Und dann ist da noch diese Sache mit den Brillen. Bahnt
sich in Bayreuth ein Machtkampf an?
Georg von Waldenfels,
Chef des Verwaltungsrats und Vorsitzender des Vereins
der Freunde der Bayreuther Festspiele | Bildquelle: BR
Diplomatisch sind fast alle Antworten, die Georg von
Waldenfels im Gespräch mit BR-KLASSIK gibt. Nur einmal
wird er sehr deutlich. Nämlich als es um die Vermutung
geht, dass er nicht glücklich ist mit der Distanz, die
zwischen Katharina Wagner und Christian Thielemann
herrscht. "Da haben Sie recht, ja!"
Waldenfels
ist vor allem Musikfan
Dass Waldenfels, der ja nicht nur Chef des
Verwaltungsrats ist, sondern auch Vorsitzender des
einflussreichen Freundeskreises,
ein Bewunderer von Christian Thielemann ist, ist
nichts neues. Das wiederholt er auch gegenüber
BR-KLASSIK. Er sei nun mal in erster Linie ein Musikfan.
Auch wenn er den
diesjährigen "Ring" von Valentin Schwarz
ausdrücklich nicht als Flop bezeichnen möchte - dem
Szenischen steht er offensichtlich skeptischer
gegenüber.
Mit dieser Haltung ist er in Bayreuth sicher nicht
allein. Festspielleiterin Katharina Wagner steht
allerdings für etwas anderes: für Regietheater, für
szenische Experimente. Und dafür, dass Thielemann im
nächsten Sommer Bayreuth fern bleiben wird. Wie
Waldenfels das sieht? "Das ist eine Entscheidung von
Katharina Wagner", so der Verwaltungsratschef
salomonisch. Schließlich sei Wagner für die
künstlerischen Belange zuständig.
VR-Brillen:
Mischt sich der Verwaltungsrat in künstlerische Belange
ein?
Doch gerade in diesem Punkt scheint es
Kompetenzstreitigkeiten zu geben. Nach Berichten der
WELT hat Waldenfels die Finanzierung von etwa 500
VR-Brillen gestoppt, die für die 3D-Inszenierung des
"Parsifal" im kommenden Jahr benötigt werden. Um
künstlerische Fragen gehe es hier jedoch gar nicht,
betont Waldenfels gegenüber BR-KLASSIK. "Die
Finanzierung muss gesichert sein. Und solang die nicht
gesichert ist, können wir als Gesellschaft nicht sagen:
Wir sind dafür." Einen Konflikt sieht Waldenfels hier
nicht.
Ewig wird sich diese
Zurückhaltung nicht durchhalten lassen. Spätestens im
Herbst des kommenden Jahres muss eine Entscheidung her.
Wagners Vertrag läuft nur noch bis 2025. Ob es mit der
Komponisten-Urenkelin weitergeht, ist offen.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat bereits
verkündet, dass es aus ihrer Sicht nicht zwingend
sei, dass ein Familienmitglied den Chefposten am Grünen
Hügel bekleide.
"Alles
offen": Waldenfels zur Zukunft von Katharina Wagner
Das sieht Waldenfels anders. Es habe schon "einen großen
Charme", dass die Wagnerfamilie in Bayreuth noch immer
eine so große Rolle spiele. Darüber hinaus habe
Katharina in den letzten Jahren bewiesen, dass sie den
Job ausfülle. Also ein deutliches Pro für eine
Verlängerung von Wagner? Ein klares Bekenntnis zur
momentanen Festspielleiterin kommt dem
Verwaltungsratschef dann doch nicht über die Lippen. Es
sei "alles offen", sagt er. Das dürfte die Diskussionen
nicht gerade einbremsen.
Sendung: "Allegro" am 7. September ab 6:05 Uhr auf
BR-KLASSIK
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Zitat
Wenn man
Freunde hat,
braucht man keine Feinde mehr
Stand: 05.09.2022 | Lesedauer: 2 Minuten
Von
Manuel Brug
Feuilletonmitarbeiter
Der Grüne Hügel kommt nicht zur Ruhe. Zum Ende der
Spielzeit wächst der Druck auf Katharina Wagner, die
Chefin der Bayreuther Festspiele. Besonders eine
Fraktion macht ihr das Leben schwer.
Wird
2026, zum 150. Geburtstag der
Bayreuther Festspiele,
diesem einzigartigen Komponistenfestival, erstmals eine
Person ohne den Familiennamen Wagner auf dem Leiterthron
sitzen? Es könnte sein. Denn gegenwärtig wird
Katharina Wagner,
deren Vertrag bis 2025 läuft, das Prinzipalinnenleben
wieder richtig schwer gemacht.
Die
einen fordern ihre Abberufung, weil sie den aktuellen
„Ring“ für misslungen halten. Als ob das, selbst wenn es
so wäre, ein Kriterium ist. Das Theater ist einer der
sehr wenigen Orte, wo Experimentieren noch erlaubt ist
und Scheitern zum Prozess gehört.
Die anderen, die
Thielemann-Fraktion,
sind verschnupft, weil ihr Dirigierheld nach mehr als
zwei Jahrzehnten vorerst den Hügel verlässt – dafür
dirigieren künftig Semyon Bychkov, Pablo Heras-Casado
und Natalie Stutzmann. Und mit Thielemann wird bereits
über eine Rückkehr 2025 geredet.
Götterdonnerwetter. Im Pool, auf der Bühne,
überall
Veröffentlicht am 04.08.2022
| Lesedauer: 116
Minuten
Von
Peter Huth
Quelle: Martin Lengemann/WELT
Es ist vorbei. Wie
erwartet mit hysterischen Buhs für Valentin
Schwarz. Aber auch mit Bravos. Wie auch von
unserem Autor Peter Huth, der eine Woche von den
Bayreuther Festspielen berichtet. Ein Liveticker
für alle Bayreuth-Fans – und solche, die es
werden wollen.
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Das größte
Problem in Bayreuth ist gegenwärtig die zögerliche
Politik. Kulturministerin
Claudia Roth
hat von ihrer Vorgängerin
Monika Grütters
ein Problem geerbt, dass diese zwar schon benannt, aber
nicht mehr gelöst hat. Die Verwaltungsstruktur der
Festspiele ist völlig unzeitgemäß. Die Festspielleiterin
nämlich ist der Spielball gleich vierer Parteien:
Bundesrepublik Deutschland, Freistaat Bayern, Stadt
Bayreuth und
Gesellschaft
der Freunde von Bayreuth.
Besonders problematisch sind inzwischen die „Freunde“ in
Gestalt ihres 77-jährigen Vorsitzenden Georg von
Waldenfels, Bayerns Ex-Finanzminister. Die geben zwar
verhältnismäßig wenig, mischen sich aber massiv in
künstlerische Dinge ein.
So
ließ Waldenfels gerade mitteilen, Christian Thielemann
sei „glänzend“ und „es müsse ohnehin viel mehr um die
Musik gehen als um die Regie. Wie die Musik wahrgenommen
wird, ist aus meiner Sicht wichtiger als das, was auf
der Bühne passiert.“ Man könnte so etwas auch eine
Unverschämtheit nennen.
Wie
man hört, blockieren die Freunde gegenwärtig auch den
Kauf von 3D-Brillen für den neuen „Parsifal“ 2023, die
längst vom Verwaltungsdirektor abgesegnet sind. Und
Katharina Wagners Nervenkostüm, die lange viel hat an
sich abperlen lassen, ist dünner geworden.
Da wäre also Claudia Roth gefragt. Statt
„Diversität“ und „junge Zuschauer“ einzufordern (für die
erstmal die Geldgeber die Kartenpreise senken müssten)
sollte sie lieber dafür sorgen, dass einzig der Bund und
Bayern in Bayreuth neben der Leiterin das sagen haben.
Zitatende
Quelle: https://www.welt.de/kultur/article240807401/Bayreuther-Festspiele-Wenn-man-Freunde-hat-braucht-man-keine-Feinde-mehr.html
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Nach den Bayreuther
Festspielen ist vor den Bayreuther Festspielen
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Zitat
Deutschlandfunk Kultur Fazit
Streit
um Lohengrin in Bayreuth
Darf Gottfried kein Führer mehr sein?
05:48 Minuten
Richard Wagner (1813-1883) gilt als Antisemit, dessen
Gesangstexte zu verändern und Worte wie „Heil“ oder
„Führer“ umzubenennen sei „nicht zielführend“, meint
Kritiker Fuchs. © imago images / Eberhard Thonfeld
Jörn Florian Fuchs im Gespräch mit Sigrid
Brinkmann · 07.09.2022
Wegen
einer Textänderung gibt es Streit zwischen der
Intendantin der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner,
und dem Dirigenten Christian Thielemann. Der besteht auf
einer werkgetreuen Umsetzung des Lohengrin, Wagner will
strittige Wörter streichen.
Statt
„Führer“ soll der Solist Klaus Florian Vogt als
Lohengrin in Bayreuth besser „Schützer“ singen. Den
Begriff „Führer“ könne man nicht mehr verwenden,
argumentiert die Intendantin der
Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner,.
Der
Dirigent Christian Thielemann sieht das anders:
Er möchte das Stück librettogetreu umgesetzt haben. Da
habe Thielemann recht, findet Musikkritiker und
Wagner-Experte Jörn Florian Fuchs.
„Eine Textveränderung ist nicht zielführend“
Denn
der Kontext sei entscheidend. In der strittigen Passage
gehe es darum, dass ein Heerführer angerufen werde: „Es
geht um Gottfried, also eine Erlöserfigur am Ende des
Stücks – eine wirklich positiv besetzte Figur.“
In anderen Passagen von Richard Wagners
Oper „Lohengrin“ werde viel von „Heil“ gesungen, so
Fuchs. Nach Katharina Wagners Logik müsste auch dieser
Text umgeschrieben werden, wie auch die Schlussansprache
in der „Meistersinger“-Oper, da gehe es nationalistisch
zu.
„Man muss sich
inszenatorisch bei den Problemen der Stücke dazu
verhalten, aber jetzt an den Texten in der Form
alles zu verändern, ist nicht zielführend.“ |
Kampf um künftigen Einfluss
Der
Streit sei durchaus auch Teil eines Machtkampfes
zwischen der Intendantin Wagner und dem ehemaligen
Musikdirektor der Festspiele, Christian Thielemann. Denn
durch ihr Betreiben sei der Dirigent in den kommenden
zwei Jahren bei den Festspielen nicht vorgesehen.
Doch
auch die Zukunft von Katharina Wagner sei ungewiss in
Bayreuth. Die einflussreiche
Gesellschaft der Freunde von Bayreuth sei – wie
Thielemann mit seiner großen Fangemeinde – eher
konservativ, schätze eher weniger große
Regieexperimente.
Wagners Plan für 2026, den „Ring des Nibelungen“ neu zu
disponieren, sei dagegen abgelehnt worden, so Fuchs. Ihr
sei gesagt worden: „Nein, also so schnell geht das
nicht, da warten wir erst mal ab, ob der Vertrag
verlängert wird.“
Jörn Florian Fuchs im Gespräch mit Sigrid
Brinkmann · 07.09.2022
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Sprecherin:
Nach den Bayreuther Festspielen ist vor den
Bayreuther Festspielen.
Während der Neue Ring des Nibelungen für heftige
Diskussionen sorgte, folgt nun eine Debatte, die die
Zukunft von Katharina Wagner als Intendantin berührt und
aktuell flammt ein Streit zwischen ihr und Dirigent
Christian Thielemann auf.
Gegen Ende des Lohengrin heißt es:
Seht, da den Herrscher von Brabant
zum Führer sei er euch ernannt
Katharina Wagner findet das Wort ‘Führer‘ unpassend und
möchte es ersetzen.
Christian Thielemann hält davon gar nichts.
Wir haben Florian Fuchs: Sie sind Dauerbesucher der
Festspiele und auch die Animositäten auf dem grünen
Hügel sind ihnen vertraut. Was ist da los?
Fuchs:
Ja, in der Tat war es so, dass Klaus Florian Vogt, der
Sänger des Lohengrin, in der Generalprobe eben ‘Führer‘
gesungen hat und dann gab es eine Intervention im Sommer
von Katharina Wagner, er solle ‘Schützer‘ singen und das
ist natürlich eine Diskussion jetzt, die ein weites Feld
eröffnet, denn der Kontext bei dem Ganzen ist natürlich
das Entscheidende.
Es geht darum, dass ein Heerführer angerufen wird und
dass es um Gottfried geht, also um eine Erlöserfigur am
Ende des Stückes, also eine wirklich positiv besetzte
Figur und Katharina Wagner argumentiert eben, man könne
den Begriff ‘Führer‘ aber in Bayreuth nicht verwenden
und das sieht nun der Dirigent Christian Thielemann
anders. Er möchte das Stück librettogetreu einfach
umgesetzt haben und ich finde, um das gleich
vorwegzunehmen, dass Thielemann in diesen Punkt
vollständig recht hat.
Der Kollege Alexander Dick von der Badischen Zeitung
hatte in einem Kommentar sehr schön gesagt: Naja im
Lohengrin wird ganz viel Heil gesungen, das müsste man
dann als ‘high‘ zum Beispiel umkonnotieren und dieses
Problem haben wir in vielen Stücken. Bei der
Schlussansprache in den Meistersingern von Hans Sachs,
da gehts nationalistisch zu, also man muss sich
inszenatorisch bei den Problemen der Stücke dazu
verhalten, aber jetzt an den Texten in der Form alles zu
verändern, das ist - denke ich - nicht zielführend.
Sprecherin:
Dann ist dieser Streit vielleicht Ausdruck des
gespannten Verhältnisses zwischen Katharina Wagner und
dem ehemaligen Musikdirektor Christian Thielemann.
In 3 Jahren läuft der Vertrag von Katharina Wagner aus.
Man hört, dass die Gesellschaft der Freunde von
Bayreuth, die zum Machtgefüge am grünen Hügel gehören
eher skeptisch ist. wie stehen denn derzeit die Chancen
für eine Verlängerung ihrer Intendanz?
Fuchs:
Es ist wohl wirklich ein Machtkampf. Im
Moment ist Katharina Wagner zweifellos angezählt. Sie
wollte auch einen neuen ‘Ring des Nibelungen‘ für 2026
jetzt schon disponieren und da wurde ihr gesagt:
„Nein, nein!
So schnell geht das nicht, da warten wir erst mal ab, ob
der Vertrag verlängert wird.“
Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth ist eher
konservativ, sie ist auf der Seite von Christian
Thielemann, der jetzt auch niemand ist, der die großen
Regieexperimente schätzt -also das ist ganz klar. Auf
der anderen Seite ist aber durch die Taktik und den
Versuch von Katharina Wagner den Christian Thielemann im
Grunde genommen ganz aus Bayreuth zu entfernen – er ist
die nächsten zwei Jahren dort nicht da - ist es
natürlich schon sehr, sehr problematisch weil Thielemann
auch zu recht was die Musik betrifft die Umsetzung eine
große Fangemeinde hat und so kann man durchaus sagen,
sind es zwei Lager, die da aufeinandertreffen und die
Gesellschaft der Freunde ist eben sehr einflussreich,
das ist ja auch der Punkt, warum es jetzt geht, dass
jetzt die Frage gestellt wird, wie zukünftig die
Mehrheits- und Machtverhältnisse sind.
Es sind vier verschiedene Organisationen,
vier Teile, die in Bayreuth mitreden. Das ist der
Freistaat Bayern, das ist die Stadt Bayreuth.
Dazu gehört eben auch die Gesellschaft der Freunde von
Bayreuth und die machen jetzt eben sehr deutlich, sagen
sehr deutlich, wie sie eine Ausrichtung haben möchten,
nämlich eher etwas konservativer und ja vielleicht auch
etwas konzentrierter, denn es gab doch einige
künstlerische Probleme - auch aus meiner Sicht auf
mehreren Ebenen - auch was die Sänger Besetzung
betrifft, nicht nur in diesem Jahr, auch in den letzten
Jahren - und da ist es so viel Musik drin im Moment.
Sprecherin:
Was steht denn Herr Fuchs aus
ihrer Sicht als Musikkritiker an was ist jetzt geboten?
Fuchs:
Ich glaube, dass man tatsächlich hinter den Kulissen
jetzt mal nach Alternativen schaut.
Es gibt ja immer noch diese Idee, dass unbedingt ein
oder eine Wagner die Festspiele führen muss und könnte
es ja auch sein, dass Katharina Wagner selber sagt:
„Nein ich mache nicht weiter nach 2025“ und dann hat
sich die Frage mit der Familie eigentlich erledigt.
Es gibt zwar einen Sohn von Eva Wagner-Pasquier, Antoine
Wagner.
Eva Wagner Pasquier, die Halbschwester von Katharina
Wagner, die war ja auch schon mal Co-Intendantin am
Hügel, aber das ist eher so ein Medienkünstler, der
kommt eigentlich nicht in Frage.
Und ansonsten bleibt eine Lösung nur außerhalb der
Familie und ich finde, dass das ein
Ein-Drittel-Jahresjob ist, dieses Festival - wenn man
das mit anderen Häusern Institutionen Festspielen
vergleicht - so dass es durchaus denkbar wäre,
vielleicht dass ein Regisseur, eine Regisseurin in
Verbindung mit ‘nem Dirigenten / Dirigentin vielleicht
in der Form dieses Festival leitet und eben nicht
exklusiv das ganze Jahr nur für ein Festival, das ein
paar Wochen im Sommer läuft zur Verfügung steht - also
das ist vielleicht eine Idee die auch ein bisschen
frischen Wind hinein bringt.
Aber, ob das auch der Freistaat Bayern akzeptiert,
vielleicht Wagner Festspiele ohne Wagner? Na dann mach
ich mal ein großes Fragezeichen hinter.
Also es bleibt spannend, aber eine Lösung muss gefunden
werden im Herbst oder allerspätestens Anfang kommenden
Jahres.
Sprecherin:
Ja, Florian Fuchs im sogenannten Führerstreit, ausgelöst
von Katharina Wagners Wunsch, das Wort ‘Führer‘ aus dem
Lohengrinlibretto zu streichen und durch ein zeitgemäßes
‘Schützer‘ zu ersetzen und zur Zukunft der Intendantin
Katharina Wagner in Bayreuth.
Besten Dank für ihre Einschätzungen.
Fuchs:
Sehr gerne!
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/bayreuther-festspiel-streit-wagner-thielemann-100.html |
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Zitat
MITTELBAYERISCHE
31. August 2022 16:21 Uhr
Auf dem Grünen Hügel von Bayreuth geht eine
bemerkenswerte Opernsaison zu Ende. Und so drängend wie
nie stellt sich die Frage: Muss es bald ohne ein
Familienmitglied der Wagners an der Spitze weitergehen?
Britta Schultejans und Gerd Roth, dpa
Der Vorhang zu und fast alle Fragen offen in Bayreuth.
Bayreuth. Es ist eine bemerkenswerte Saison, die auf dem
Grünen Hügel zu Ende geht: Sexismusvorwürfe hatten den
Start der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth
überschattet, Corona-Fälle im Team wirbelten die Pläne
immer wieder durcheinander - und der neue „Ring des
Nibelungen“ sorgte für Diskussionen, um es mal
vorsichtig auszudrücken.
„Es war vor allem eine sehr anstrengende Spielzeit. Wir
hatten über 100 Corona-Fälle und es grenzt an ein
Wunder, dass wir wirklich jeden Tag spielen konnten. Das
war ein Puzzlespiel“, sagt Festspiel-Chefin Katharina
Wagner der Deutschen Presse-Agentur.
Seit Bekanntwerden der Sexismus-Vorwürfe habe sich noch
niemand gemeldet. „Und wir wissen auch nicht, gegen wen
sich die Vorwürfe gerichtet haben“, sagt Wagner.
Konsequenzen gezogen hat sie trotzdem: Die Festspiele
wollen einen „Verhaltenskodex“ in alle Arbeitsverträge
aufnehmen. Außerdem soll es im Herbst
Antidiskriminierungs-Workshops geben. „Wir überlegen,
eine Whistleblower-Stelle einzurichten, an die man sich
vertrauensvoll wenden kann“, sagt Wagner, die trotz
aller Widrigkeiten von einer erfolgreichen Saison
spricht.
50 000 Zuschauer hatten die Festspiele seit ihrem Start
am 25. Juli und waren damit nach Angaben Wagners „bis
auf ein paar Restkarten für die Konzerte“ ausverkauft -
keine Selbstverständlichkeit in Post-Corona-Zeiten, in
denen viele Theater und Opernhäuser immer noch darauf
warten, dass das Publikum zurückkehrt.
Es gab Proteststürme gegen
Valentin Schwarz
Restlos begeistert war dieses Publikum allerdings nicht.
Nach den vier „Ring“-Opern, die in diesem Jahr der junge
Österreicher Valentin Schwarz neu auf die Bühne gebracht
hat, erschütterten - zumindest in der Premierenwoche -
wahre Proteststürme das Festspielhaus. Katharina Wagner
sagt dazu: „Warten wir mal ab, wie sich das noch
entwickelt. Schon im zweiten und dritten „Ring“-Zyklus
waren die Reaktionen deutlich anders, viele begeistert.“
Solche Proteststürme seien ohnehin nichts Ungewöhnliches
in Bayreuth. Insgesamt, so sagt Wagner aber, sei „der
Umgangston schon rougher geworden“. Das gelte aber nicht
nur für Bayreuth und auch nicht nur für die Oper,
sondern generell. „Debatten werden inzwischen ja
teilweise in der Gesellschaft ganz anders und sehr viel
unsachlicher geführt als noch vor ein paar Jahren.“
Verlängert Katharina Wagner
ihren Vertrag?
Eine Debatte - mal sachlich, mal weniger - wird auch
immer wieder um Wagner selbst geführt. Unumstritten war
sie nie, seit sie die Leitung der Festspiele 2008 als
Nachfolgerin ihres Vaters Wolfgang Wagner übernommen hat
- zunächst gemeinsam mit ihrer Halbschwester Eva
Wagner-Pasquier, seit 2015 allein. Und wie es nach 2025,
wenn der Vertrag mit der Urenkelin von Richard Wagner
ausläuft, weitergeht, ist unklar. Klar dürfte allerdings
sein: Wenn Wagner geht, dürfte es das Ende der
Komponistenfamilie an der Spitze der Festspiele sein.
Kein anderes Familienmitglied meldet derzeit Interesse
an.
Der Chef des Bayreuther Verwaltungsrates, Georg von
Waldenfels, sagt, die Gespräche dazu sollten 2023
beginnen. „Wir werden uns da im kommenden Jahr
unterhalten“, sagt auch Wagner - und stellt Bedingungen:
„Eine Verlängerung mache ich davon abhängig, dass sich
gewisse Strukturen ändern müssen. Dabei geht es um die
Gesellschafter-Struktur und besonders auch um die
Finanzen. Wir brauchen ein tragfähiges und langfristiges
Konzept und vor allem eine professionelle Sponsoren- und
Marketing-Abteilung.“
Derzeit sind es vor allem die Mäzene der Gesellschaft
der Freunde von Bayreuth, die sich um Spenden kümmern.
Waldenfels steht auch ihnen vor. Er berichtet vom Unmut
vieler „Freunde“ über den neuen „Ring“ und schwärmt von
einem „glänzenden Christian Thielemann“, den man
unbedingt langfristig an die Festspiele binden müsse.
Eigentlich, so sagt er, müsse es doch ohnehin viel mehr
um die Musik gehen in Bayreuth als um die Regie. „Wie
die Musik wahrgenommen wird, ist aus meiner Sicht
wichtiger als das, was auf der Bühne passiert.“
Von der Festspielleitung erwarte er eine „Vision“. „Wie
geht es weiter in den nächsten fünf Jahren? In welche
Richtung soll sich Bayreuth entwickeln?“ Es stelle sich
auch die Frage: „Was kann die Festspielleitung noch
intensiver schultern?“
Es wird einen
3D-„Parsifal“ geben
Dabei hat Katharina Wagner in den
vergangenen Jahren eigentlich recht deutlich gemacht,
wofür sie steht. Sie hat jungen Regisseuren eine Chance
gegeben - bei Tobias Kratzer und seinem „Tannhäuser“ mit
großem, bei Schwarz nun eher mit mäßigem Erfolg - und
dabei gezeigt, dass ihr vor allem das am Herzen liegt,
was man früher Regietheater nannte: kreative, innovative
und diskussionswürdige Auseinandersetzungen mit dem Werk
ihres Urgroßvaters Richard Wagner (1813-1883).
Sie hat für das kommende Jahr einen 3D-„Parsifal“ mit
Augmented Reality angekündigt und versucht inzwischen
auch, das Festival, das da auf seinem Hügel immer etwas
entrückt von der Bayreuther Realität stattzufinden
scheint, weiter hineinzuziehen in die Stadt mit
Kinoübertragungen und Open-Air-Konzerten, die es auch im
kommenden Jahr wieder geben soll. Die jährlich neu
inszenierte Kinderoper gilt schon seit Jahren als
Erfolgsprojekt.
Die Frage ist nun, ob die Gesellschafter der Festspiele,
zu denen neben den „Freunden“ der Bund, der Freistaat
Bayern und die Stadt Bayreuth gehören, diesen Weg
mitgehen oder sich doch eher für den eher klassischen,
Waldenfels’schen entscheiden.
Das Publikum
in Bayreuth soll jünger werden
„Es gibt auf dem Grünen Hügel wirklich
sehr viel Reformbedarf“, sagte Kulturstaatsministerin
Claudia Roth der Deutschen Presse-Agentur. Sie will
einfachere Strukturen und ein jüngeres Publikum. Das
Bayreuther Publikum sei „kein Abbild unserer
vielfältigen, bunten Gesellschaft“, sagt die
Grünen-Politikerin. „Auch junge Menschen sind deutlich
unterrepräsentiert.“ Sie sieht „ganz klar
Nachholbedarf“.
Vor Beginn der Festspiele hatte Wagner mitgeteilt, dass
sie in den kommenden Jahren auch einige Pläne außerhalb
der Festspiele hat: Sie inszeniert einen „Macbeth“ in
Asien und einen „Parsifal“ in Riga. In Barcelona wartet
seit Beginn der Corona-Pandemie noch ihr „Lohengrin“ auf
seine Premiere.
Die Pläne wirken wie ein Zeichen:
Wagner braucht die Festspiele nicht. Aber brauchen die
Festspiele eine(n) Wagner? Roths Antwort auf die Frage,
ob auch künftig ein Nachfahre Richard Wagners die
Festspiele leite solle, lautet: „Es gibt hier keine
rituelle Pflicht.“
Zitatende
Quelle:
https://www.mittelbayerische.de/kultur-nachrichten/turbulente-saison-bei-den-bayreuther-festspiele-21853-art2150637.html |
‘Lohengrin‘ in
Lübeck
Foto:
https://www.theaterluebeck.de/produktionen/lohengrin_2022-23.htm
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Zitat
Die Lübecker Lohengrin-Inszenierung dieses Jahres
verwendet – und das ist jetzt ja an fast allen
Operntheatern der Fall –zwar noch Wagners Texte und
seine Musik, verändert aber ansonsten die Handlungen und
schafft, vom Bühnenbild und der Regie her, andere Werke,
die mit dem Ursprungswerk des Komponisten nichts mehr
gemeinsam haben. Manche Inszenierungen gehen in ihrer
Darstellungsweise so weit, dass dadurch dem Stück
regelrecht die Würde entzogen wird.
Das ist der wahre Grund, warum die Nachfrage nach
Opernkarten so sehr zurückgeht. Außerdem: Unsere Jugend
lernt die herrlichen Werke – auch der anderen
Komponisten - nicht kennen.
Wie
neuerdings fast in jedem Falle, gönnt man dem Besucher
nicht den Hörgenuss des Vorspiels. Meist schon zu Anfang
des Stückes (hier nach ca. 3 Minuten) wird der Vorhang
aufgezogen und allermeist irgendeine erfundene
Geschichte erzählt, die a) der Handlung zuwiderläuft, b)
mit der Musik des Vorspiels nicht das Geringste zu tun
hat und c) den Zuschauer um den musikalischen Genuss des
Vorspiels bringt.
So auch in diesem Falle: Gezeigt wird, dass Ortrud den
Bruder Elsas ermordet und die Leiche verschwinden lässt.
Außer, dass das Vorspiel gestört wird, wird vom
Komponisten an keiner Stelle der Handlung (weder im Text
noch im Bühnenbild) diese Ermordung durch Ortrud
erwähnt.
König Heinrich, der Vogler (in der realen deutschen
Geschichte als Heinrich I. bekannt), wird durch das
ganze Stück hindurch als „ein vertrottelter Alter“
dargestellt, von dem nicht all zu viel zu erwarten ist.
Zum Beginn des zweiten Bildes des dritten Aktes (also
nach der wohl durchzechten Hochzeitsfeier Elsas und
Lohengrins) sitzt er schwankend und gestikulierend ohne
Hose auf einem Stuhl und lässt sich vom Heerrufer die
Hose wieder anziehen. Entwürdigend!
Die vier Edelknaben sind Hippimädchen, die wild über die
Szene wirbeln, keine Verrenkung scheuen und
offensichtlich im Stück keine Funktion haben.
Der Zweikampf zwischen Lohengrin und Telramund, den
Wagner ja vom Orchester plastisch schildern lässt,
findet nicht statt. Telramund fällt plötzlich um und
Lohengrin eilt herbei, hält sein Schwert über ihn und
meint: „Durch Kampfes Sieg ist jetzt Dein Leben mein,
ich schenk es Dir, ........“
Zum Schluss des Brautgemachs (gleich nachdem Lohengrin
den eingedrungenen Telramund getötet hat, wird der
Zwischenvorhang herabgelassen, der damit Lohengrin und
Elsa (beide sind zuvor schnell zum vorderen Bühnenrand
geeilt) von der weiterlaufenden Szene abtrennt.
Lohengrins Worte an die vier brabantischen Edlen „tragt
den Erschlag`nen vor des Königs Gericht“ ..... und seine
Aufforderung an die Brautjungfern, „sie (Elsa) vor den
König zu geleiten, schmückt Elsa meine süße Frau ..... „
teilt er hilflos vor dem Zwischenvorhang stehend, dem
Publikum oder auch dem Orchester mit.
Ein völliger Blackout des Regisseurs Anthony Pilavachi,
der in Lübeck schon seit 1997 insgesamt 20
Inszenierungen abgeliefert hat, viele in der gleichen
Art wie jetzt den Lohengrin.
Das, was „Wagner und seinen Werken“ in Bayreuth und -
wie hier – jetzt in Lübeck seit vielen Jahren und
zunehmend häufiger – „angetan wird“, passiert allerorts
und auch mit Bühnenwerken anderer Komponisten. Man kann
und darf dazu nicht schweigen.
Zitatende
Quelle: Heribert Bludau - Malente
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Zitat
Theater Lübeck
Kommentar zum dortigen Lohengrin
Nachdem ich die zweite
Vorstellung dieser Inszenierung selbst erlebt habe,
meine Kontakte zum Lübecker Musiktheater genutzt, und
mir einen imaginären Fragenkatalog erstellt habe, stelle
ich fest, dass auch hier „nur mit Wasser gekocht“ wird.
Natürlich, auch hier wird mangelndes Zuschauerinteresse
beklagt. Selbstverständlich, eine Teilschuld haben die
Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Aber auch die Auswahl
der neu ins Programm genommenen Stücke und der
Inszenierungsstil spielen eine große Rolle. Reine
Regie“-Theater-Inszenierungen werden nur von einigen
bejubelt und nur von wenigen, die noch nie das Original
der verunstalteten Werke erlebt haben als gut befunden,
- Aktion – man hat was erlebt – Jubel und Buhrufe, aber
nie das tiefe Verstehen der Werke unserer großen
Opernkomponisten.
Bleiben wir mal beim Lohengrin.
Gewiss gibt es auch im Theater Lübeck Fachleute, die
z.B. das Fehlen eines gesonderten Bühnenbildes für den
I. Akt und das zweite Bild des III. Aktes bedauern. Das
jedoch ist offensichtlich dem Geldmangel geschuldet.
Obwohl gerade dieses Bild mit nur wenigen stilistischen
Mitteln hätte geschaffen werden können.
Der Regisseur ist mit dem festen Vorsatz erschienen,
dass im 10. Jahrhundert spielende Stück ins Mittelalter
zu transformieren. Warum macht er so etwas, wenn er
nichts davon versteht, wenn er gar nicht gewillt ist,
Wagners (so herrlich konstruierte) Oper so zu
inszenieren, wie sie geschrieben und komponiert wurde.
Lohengrin ist eine ernste Oper, durchaus mit Jubelszenen
ausgestattet, es ist aber keine Mitwirkung von
Hippimädchen vorgesehen, der König ist auch kein
Karten-Spieler und er wird auch auf Lohengrin und Elsas
Hochzeitsfeier nicht seine Beherrschung soweit verloren
haben, dass ihm am anderen Morgen in Gegenwart seiner
Soldaten der Heerrufer wieder die Hose hochziehen muss.
Diese Dinge stehen alle nicht im Stück, sie wären
vermutlich auch im Mittelalter nicht passiert und
Hippimädchen gab es im 15./16. Jahrhundert auch noch
nicht. Dem Vernehmen nach wurden bei den Proben auch
keine Einwände oder Vorschläge der hausinternen
Dramaturgie berücksichtigt.
Ganz krass (das sehen auch hausinterne Mitarbeiter so)
ist die Szene zum Schluss des Brautgemaches misslungen,
als nach Telramunds Tötung Lohengrin und Elsa mittels
Zwischenvorhang von der weiterlaufenden Szene getrennt
werden und sie ihren Text ins Publikum singen müssen,
nur um hinter dem Zwischenvorhang bereits zum zweiten
Bild umbauen zu können.
Insgesamt stell sich die Frage, ob die Verantwortlichen
in der Lübecker Oper sich der Tatsache bewusst sind,
dass es für einen guten Regisseur ein Leichtes sein
müsste, aus der Musik heraus zu inszenieren, liegt die
Dramaturgie des Stückes doch in der Orchestermusik und
in der Motivwahl begründet. Zugegeben: Bei der
Besetzungswahl hat es ein Theater heute nicht leicht,
oft werden genau die geeigneten, besetzten Sänger krank.
Überprüfter, geeigneter Ersatz ist schwer zu finden,
auch hier ist die Qualität wieder eine Geldfrage.
Stellt sich noch die Frage nach dem Verständnis dafür,
dass auch die Musiktheater einen Bildungsauftrag zu
erfüllen haben. Unsere Generation soll doch die Werte
(und bei den Werken unserer großen Opernkomponisten wie
Wagner, Verdi, Mozart, Puccini oder Strauss - um nur
einige zu nennen) handelt es sich doch zweifellos um
große kulturelle Werte, weitergeben, erklären, die junge
Generation dafür begeistern. Und wir selbst wollen doch
nicht nur ins Theater gehen um festzustellen, dass diese
Inszenierung, die uns gerade geboten wurde, schon wieder
einmal eine restlos misslungene Interpretation ist.
Dafür sind die Eintrittskarten zu teuer und mir meine
Freizeit zu schade. So denken die enttäuschten Zuschauer
und bleiben öfter zu Hause.
Die Regisseure müssen hingegen lernen, dass der
Zuschauer nicht umerzogen werden will, wenn er erkannt
hat, dass das, was er liebt und für gut befunden hat,
ihm in schlechter Qualität – nur anders verpackt –
untergejubelt wird.
Man nennt mir auch öfter den Begriff „zeitgerecht“. Wir
hätten gerne diese oder jene Oper in einer zeitgerechten
Inszenierung gesehen. Der Begriff „zeitgerecht“ ist
schwer zu definieren. Nach meiner Ansicht stelle ich mir
darunter vor, dass das Bühnenbild stilisiert, d.h.
“streng und vereinfacht, vielleicht sogar schmucklos“
erscheint, wobei den Farben, dem Licht und den Kostümen
eine große Bedeutung zufällt. Ein Hinweis: Wieland
Wagner hat auch stilisiert, vereinfacht, aber er ist in
jeder Sekunde ganz streng in der Handlung geblieben. Er
hat keine Ablenkungen gesucht oder eine Nebenhandlung
akzeptiert.
Darüber kann doch nachgedacht werden. Oder?
Liebe Intendanten, Operndirektoren, Regisseure, kommt
bitte endlich zur
Vernunft. Ihr müsst konstant Diener am Werke großer
Meister werden, um
nicht eines Tages als ihre Totengräber in die Geschichte
einzugehen.
Heribert A.
Bludau, Malente
Zitatende |
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Zitat
Oberster
Rechnungshof ermahnt BR
Prüfer fordern Sparmaßnahmen und kritisieren externe
Beratung
München. Der Bayerische Rundfunk (BR) muss nach Ansicht
des Obersten Rechnungshofes (ORH) im Freistaat dringend
zusätzlich sparen. „Trotz der bisherigen Sparmaßnahmen
werden die finanziellen Reserven des BR bis Ende 2024
weitgehend aufgebraucht sein“, warnte der ORH am Freitag
in München. Bayerns höchste Finanzprüfer rügten zudem,
dass die ARD-Anstalt beim Einsatz externer Berater
vielfach gegen eigene Regeln zur Vergabe von Aufträgen
verstoße.
Die
steigenden Gehaltskosten und besonders die hohen
Verpflichtungen für Pensionen belasten den BR schon seit
längerem immer mehr. Darauf wies auch der ORH bei der
Vorlage seines Prüfungsberichts hin: „Die weiterhin
steigenden Pensionslasten werden den BR noch lange vor
erhebliche Herausforderungen stellen und seine
finanzielle Handlungsfähigkeit einschränken.“ Die
Deckungslücke werde sich hier tendenziell weiter
erhöhen. Ende 2020 lag sie bei 465 Millionen Euro. Die
BR-Gehälter stiegen dem ORH zufolge in den vergangenen
Jahren vor allem durch Tariferhöhungen und die
Festanstellung zuvor freier Mitarbeiter, die geklagt
hatten. Zwar bescheinigten die Kontrolleure dem Sender,
dass die Zahl der tatsächlich besetzten Stellen in den
betrachteten Jahren zwischen 2016 und 2020 leicht auf
3140 gesunken sei. Der Abbau müsse aber konsequent
fortgeführt werden und sich auch in der weiteren Planung
widerspiegeln. Überall sei zudem weiter zu prüfen, „wie
sich Strukturen nachhaltig verschlanken lassen“.
Ein
Sprecher des Senders sagte auf Anfrage, der BR habe
seine Altersversorgung grundlegend reformiert und zum
Jahr 2017 auf ein rein beitragsfinanziertes System
umgestellt. „Darüber hinaus baut der BR seit 2016
konsequent Personal ab.“ Beides führe zu einer Absenkung
der Pensionslasten. Diese seien „nicht durch eine
Erhöhung der Pensionen, sondern durch einen anhaltenden
Verfall der Kapitalmarktzinsen geprägt“ – wie auch bei
anderen Unternehmen mit betrieblicher Altersversorgung,
betonte der Sprecher. „Der BR wird das Ende der
Beitragsperiode 2024 mit einem ausgeglichenen Ergebnis
abschließen, trotz corona- und inflationsbedingter
Mehraufwendungen.“
Der
BR wies zudem darauf hin, dass die Bezüge der
Intendantin und von zwei neu eingetretenen Direktoren
seit 2021 abgesenkt und sogenannte Aufwandspauschalen
abgeschafft worden seien. Medienmanager Helmut Markwort,
der für die FDP im Landtag und auch selbst als
Kontrolleur im BR-Rundfunkrat sitzt, kritisierte
dagegen, die im ORH-Bericht angeführten Sparmaßnahmen
bezögen sich vor allem auf untere Gehälter. „Oben wird
wenig getan.“ Für Aufträge an externe Berater forderte
der Rechnungshof, dass Mängel „umgehend unterbunden
werden“. Von den 74 dem ORH vom Sender gemeldeten
Beratungsleistungen im Gesamtwert von 3,4 Millionen Euro
vergab der BR demnach mehr als die Hälfte (42)
„freihändig, ohne Vergleichsangebote einzuholen“. Die
ARD-Anstalt solle zudem den Erfolg der Beratungen
systematisch kontrollieren. Markwort rügte, dass der
Sender trotz einer hohen Mitarbeiterzahl überhaupt so
viele externe Aufträge vergebe – und auf diese Weise.
Der
öffentlich-rechtliche Sender selbst räumte im Bericht zu
den Rügen bei Beratungsaufträgen ein: „Der BR stimmt
hinsichtlich zahlreicher Feststellungen mit dem ORH
überein.“ Der Sender-Sprecher sagte zudem, der BR habe
inzwischen die interne Begründung, Dokumentation und
anschließende Überprüfung nachgeschärft.
Die
ORH-Prüfung findet alle paar Jahre statt. Der Bericht
steht nicht im direkten Zusammenhang mit aktueller
öffentlicher Kritik rund um die ARD-Finanzen – ausgelöst
durch Vorwürfe der Vetternwirtschaft beim Rundfunk
Berlin-Brandenburg (RBB). Die dort fristlos entlassene
Intendantin Patricia Schlesinger weist die
Anschuldigungen zurück.
Der
im Internet veröffentlichte ORH-Bericht liefert auf
knapp 130 Seiten viele Angaben auch zu den Gehältern der
Top-Etage beim BR um Intendantin Katja Wildermuth, zum
Fuhrpark des Senders und den Ausgaben für die Studios
vor allem Bayern und Berlin. Als Folge der RBB-Affäre
hat auch der BR zuletzt mehr Informationen als bisher
zur eigenen Ausgabepraxis veröffentlicht – etwa zu den
Dienstwagen.
Der ORH hatte schon bei der vergangenen
Prüfung 2018 eine Reihe der Mängel festgestellt. Der BR
finanziert sich wie alle ARD-Anstalten überwiegend aus
dem Rundfunkbeitrag mit Einnahmen von rund 925 Millionen
Euro im letzten Prüfungsjahr 2020. Aktuell liegt der
Beitrag pro Haushalt bei monatlich 18,36 Euro.
dpa
Zitatende
Quelle:
https://epaper.mittelbayerische.de//webreader-v3/index.html#/477745/12 |
Zuschrift
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Zitat
25 Jahre
Gottlob-Frick-Gesellschaft
Coronabedingt mit zweijähriger Verspätung beging die
Gottlob-Frick-Gesellschaft mit Sitz in Ölbronn vom 15.
und 16. Oktober ihr 25jähriges Bestehen. Ziel der
Gesellschaft ist es nicht allein, die Erinnerung an den
aus Ölbronn stammenden Gottlob Frick, den schwärzesten
Bass, wachzuhalten, sondern vor allem auch, den
sängerischen Nachwuchs zu fördern. Die Liste derer, die
während oder kurz nach dem Studium hierher eingeladen
wurden und später eine große Karriere gemacht haben, ist
lang, darunter Christa Mayer, Georg Zeppenfeld und
Günther Groissböck. In diesem Jahr war der erst
23jährige Lukas Lemke eingeladen. Aus Regensburg
stammend studiert er Gesang in Wien und singt auch schon
im Chor der dortigen Staatsoper. Er präsentierte den
Monolog des Morosus aus der Oper „Die schweigsame Frau“
von Richard Straus: „Wie schön ist doch die Musik, aber
wie schön erst, wenn sie vorbei ist!“ Anders als Morosus
bedauerte das Publikum, und darin insbesondere auch die
vielen prominenten Vertreter dieses Stimmfachs, das Ende
dieser musikalischen Visitenkarte, denn trotz seiner
Jugend war seine Stimme schon so ausgreift, dass man
sicher war, hier einen der künftig ganz Großen zu hören!
Diesem gelungenen Auftakt folgten die unausweichlichen
Grußworte, die in Vertretung des Schirmherrn, des
baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobel,
vom diensthöchsten Beamten seines Hauses verlesen
wurden, dann aber doch mit einer unerwarteten
Aufheiterung gekrönt wurden: Herr Ministerialdirigent
hatte zu Ende gelesen, faltete seinen Text und sprach
Worte des Abschieds frei und ohne Manuskript und verlor
sich prompt: Gotthilf? Gottlieb? Gottlob!
Als
Festredner konnte in diesem Jahr Herr Prof. Gerd Uecker
gewonnen werden, den langjährigen Intendanten der
Semperoper Dresden. Er erinnerte daran, dass eine Pflege
der Tradition nur gelingen kann, wenn man auch den Blick
nach vorn richtet und die Jugend erreicht. Ganz im Sinne
Gustav Mahlers, dem zugeschrieben wird: „Tradition ist
nicht die Anbetung der Asche, sondern die Entfachung des
Feuers!“
Im
Mittelpunkt des Festaktes steht traditionell die
Verleihung der Goldmedaille, die in diesem Jahr an das
Heilbronner Sinfonie Orchester verliehen wurde, das
schon von Gottlob Frick als „sein“ Orchester angesehen
und gern zu Arienprogrammen mitgenommen wurde und das
von Anfang an für die musikalische Umrahmung sowohl des
Festakts als auch des nachfolgenden Opernkonzerts
sorgte. Das Orchester bedankte sich mit der Ouvertüre
zu „Leichte Kavallerie“ von Franz von Suppè und
erinnerte damit zugleich an seine eigene Geschichte,
denn die Anfänge entstammen einer Militärkapelle.
Unter
dem Titel „Große Oper!“ präsentierten Raffaela Lintl
(Sopran), Ilker Arcayürek (Tenor) und Wilhelm
Schwinghammer (Bass) einen großen Querschnitt beliebter
Melodien von Mozart, Weber, Nicolai, Wagner und Verdi.
Während die Herren dank Stimme und Bühnenpräsens das
Publikum gleich für sich zu gewinnen wussten, tat sich
Frau Lintl anfangs schwer, was vielleicht auch ihrer
Stückauswahl geschuldet war. Nach Pamina/Zauberflöte und
Agathe/Freischütz fand sie erst in der Hallenarie aus
Tannhäuser zu Tonsicherheit und Souveränität. Das
offizielle Programm endete mit dem Duett Kezal/Hans aus
der „verkauften Braut“ als Reminiszenz an Gottlob Frick.
Dieser hatte bei einem seiner Konzertprogramme Fritz
Wunderlich im Publikum erspäht und spontan mit ihm eben
dieses Duett zum Besten gegeben. Ein Mitschnitt dieser
spontanen Begegnung ist vor einiger Zeit auf CD
herausgekommen: Gottlob Frick – Der schwärzeste Bass, 4
CDs zu 20,00 €, zu erwerben über die
Gottlob-Frick-Gesellschaft oder im Fachhandel.
Zur
Matinee am 16.10.2022 gab der Ehrenpräsident Hans. A.
Hey zunächst einen Abriss über die Highlights der
vergangenen 25 Jahre, coronabedingt als Einspringer,
aber wer hätte profunder hierüber berichten können? Die
Musik durfte bei dieser Matinee natürlich nicht fehlen
und so waren nach dem Motto „Erkennen Sie die Melodie“
nicht Stücke, sondern Bassisten zu erraten oder zu
erkennen. Das Podium war prominent besetzt mit Ks
Cornelius Hartmann, Ks Robert Holl, Ks Harald Stamm und
Reinhard Hagen, die jeweils gebeten worden waren, ihre
eigene Lieblingsaufnahme mitzubringen. Neben Anekdoten
erfuhr man, warum Bässe die Partie des Pogner fürchten
und eher nicht den Wotan singen. Aus dem Publikum
äußerte sich Ks Wolfgang Schöne dazu, weil er wenigsten
den Wanderer/Siegfried gesungen hatte, allerdings
erstmals im zarten Alter von 60 Jahren! Zu dieser
Diskussion konnte Ks Oskar Hillebrandt, der
wahrscheinlich den Wotan-Rekord innehat, nur schmunzeln.
2024
jährt sich zum 30. Mal der Todestag von Gottlob Frick.
Unermüdlich hat die nach ihm benannte Gesellschaft dazu
beigetragen, dass dieser große Sänger auch den jungen
Musikern bekannt ist. Dies soll auch so bleiben und mit
dem Versprechen, im nächsten Jahr wieder zusammen zu
kommen, endete das diesjährige Künstlertreffen in
Ölbronn.
Chemnitz, den 25.10.2022 - Matthias Ries-Wolff
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Bildungsnotstand in
Deutschland
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Nach einer neuen Bildungsstudie haben
sich die Viertklässler bei den Leistungen in den Fächern
Deutsch und Mathematik deutschlandweit verschlechtert.
Die
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG fordert eine
gemeinsame Anstrengung der Länder: „Eine Verständigung
auf verpflichtende Sprachstandserhebungen im
Kindergartenalter, auf einheitliche Sozialindizes in
allen 16 Ländern, auf eine Förderung der Schwachen.
Statt eines Talentschulen-Programms nach
Ampelvorstellungen wäre jetzt eine gezielte und
verpflichtende Förderung der Risikoschüler wichtiger“,
moniert die
F.A.Z.
Die
LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG merkt an: „In fast allen
Ländern hat es immer wieder zum Teil erhebliche
Veränderungen in den Schulstrukturen gegeben. Auch das
hat dazu geführt, dass die Leistungen der Schüler nicht
besser, sondern schlechter geworden sind. Was sich nicht
unbedingt an den Zeugnissen ablesen lässt. Um die
Gemüter von Schülern und Eltern zu beruhigen, wurde etwa
das Abitur ‚billiger‘ gemacht. Kein Wunder, dass viele
Länder eine bessere Vergleichbarkeit ablehnen. Wenn sie
ihren Schülern etwas Gutes tun wollen, sollte endlich
Schluss sein mit Experimenten.
Es muss mehr Geld ins Bildungssystem“, postuliert die
LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
Die
SÜDWEST PRESSE aus Ulm meint: „Angesichts des
desolaten Gesamtbilds scheint es ratsam, vor allem zu
versuchen, den Anteil der völlig Abgehängten zu
verringern. Einen solchen Bildungsniedergang, wie er
hier seit zehn Jahren zu beobachten ist, hält keine
Volkswirtschaft auf Dauer aus.“
„Wie
sollen Lernlücken geschlossen, wie soll Versäumtes
nachgeholt werden, wenn das nötige Personal fehlt?“,
fragt sich der
KÖLNER STADT-ANZEIGER. „Was sich hier zeigt, hat
schon in den Kitas mit mangelnder frühkindlicher Bildung
begonnen, und es wird sich in die weiteren Schulformen
und darüber hinaus fortschleppen: Wie soll Deutschland
dringend benötigte Fachkräfte ausbilden, wenn es bereits
in der vierten Klasse an elementaren Fähigkeiten hapert?
Die Katastrophe ist längst da, es ist Zeit, dass die
Politik sich von ihr aufwecken lässt“, warnt der
KÖLNER STADT-ANZEIGER.
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Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/die-presseschau-aus-deutschen-zeitungen-6670.html
Nachtrag
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»Das absolute Minimum ist nicht genug!«
· Moritz Muellender und
Julian Tassev
· 5. März 2022
·
In der Stadt
40 Menschen werden zu
Beginn der nächsten Spielzeit das Theater Regensburg
verlassen. Der neue Intendant soll dabei laut
Betroffenen rücksichtslos vorgegangen sein. Die Kritik
gilt neben ihm auch den Strukturen an Theatern und der
kommenden Schauspielleitung. Die Lautschrift traf
zwei Künstler:innen aus dem aktuellen Ensemble zum
Gespräch.
von Moritz
Müllender und Julian Tassev
»Nur weil ich die Macht
habe, mein Haus in Brand zu setzen, muss ich das nicht
unbedingt machen.« Zelal Kapçık sitzt nach vorne gebeugt
auf einem ausgeblichenen, breiten Ledersessel. Sie ist
Schauspielerin von Beruf und aus Leidenschaft. Im Sessel
neben ihr sitzt der Tänzer Tommaso Quartani. Er hat für
die Kunst sein Heimatland Italien verlassen. Beide
gehören zu den etwa 40 von (laut Pressesprecherin)
insgesamt 189 Beschäftigten im künstlerischen Bereich,
für die die aktuelle Spielzeit die letzte am Theater
Regensburg sein wird. Für das Gespräch haben wir die
beiden in Quartanis WG-Zimmer getroffen.
Die neue Intendanz –
das ist die Leitung des Theaters – hat das Recht zu
entscheiden, wer bleibt und wer gehen muss. Dafür muss
diese lediglich – vor der offiziellen Nicht-Verlängerung
– die Betroffenen in einer Anhörung auf ihr Recht
hinweisen. Die beschäftigten Künstler:innen erhalten nur
kurz-befristete Verträge. Daher wird von
Nicht-Verlängerungen gesprochen und nicht etwa von
Kündigungen. In Regensburg heißt der neue Intendant,
beginnend mit der Spielzeit 22/23, Sebastian Ritschel.
Ein geschmeidiger Einstand war es für ihn wohl nicht.
»Wir wurden nie
wirklich ernst genommen, egal wie viel wir geschrien
haben.« Ein langer Ohrring baumelt an Quartanis linkem
Ohr, während er spricht. Die 23-jährige Kapçık nickt.
Dass das Vorgehen beim Intendanzwechsel legal ist,
bestreiten die beiden Kolleg:innen nicht. Dennoch werfen
sie Ritschel einiges vor. Die Legalität des Prozesses
sei keine Rechtfertigung für das konkrete Verhalten. Die
Vorwürfe gelten dabei nicht allein Ritschel.
Dieser gibt sich auf
Anfrage der Lautschrift äußerst diplomatisch:
»Selbstverständlich versuchen wir, Entscheidungen im
Konsens zu treffen: So haben wir wunderbare Vorsprechen
und Vorstellungsgespräche im Gremium durchgeführt und
die anschließenden Diskussionen haben gezeigt, dass wir
einen großen gemeinsamen Nenner haben«, schreibt der
neue Intendant auf die Frage, wie es um die Hierarchien
und das geforderte Mitspracherecht der Künstler:innen
steht. Generell funktioniere ein Haus von der Größe
Regensburgs aber nur mit »klaren Regeln und
Ausrichtungen.« Ritschel selbst habe »ein gutes Gefühl
für die zukünftige Zusammenarbeit im Haus«.
Noch zeitgemäß?
Grundsätzliche Kritik
gilt neben den steilen Hierarchien am Theater vor allem
der Allmacht der Intendant:innen – meist Intendanten –,
die durch den sogenannten »Nichtverlängerungsgrund
Intendantenwechsel« eine ganze Belegschaft auswechseln
können. Das Ensemble-Netzwerk fordert eine
Abschaffung dieser Regelung. Das Netzwerk setzt sich in
ganz Deutschland für bessere Arbeitsbedingungen und mehr
Mitsprache für Künstler:innen an Theatern ein. »Wenn es
neuen Trainer:innen in der Fußball-Bundesliga zugemutet
werden kann, mit der bestehenden Mannschaft zu arbeiten,
dann gilt das wohl auch für neue Intendant:innen«. Dass
Leitende das Personal auswechseln, sei verständlich. Es
brauche dann aber eine höhere Abfindung und soziale
Belange müssten berücksichtigt werden. Personen in
Führungspositionen sollten sich ihrer Verantwortung
gegenüber den Menschen, über deren Existenz sie
entscheiden, bewusst sein und sie nicht mit dem Verweis
auf die Kunstfreiheit negieren. Auch die Gewerkschaft
der Beschäftigten an Theatern, die
Bühnengenossenschaft, stellt auf Lautschrift-Anfrage
zur Debatte, inwieweit die Nichtverlängerung aufgrund
des Intendanzwechsels »zeitgemäß« sei.
Intendant in der Kritik
Die Beschäftigten am
Theater Regensburg kritisieren neben den
strukturellen Problemen auch die konkrete Umsetzung des
Intendanzwechsels. In einer Stellungnahme verlangen sie
vor allem bessere Kommunikation. »Unser Problem ist,
dass Herr Ritschel nur das getan hat, was juristisch
korrekt ist. Von einer Theaterleitung erwarten wir
mehr.«
Ritschel äußert
sich auch hierzu: »Ich selbst habe mich seit der
Bekanntgabe im Oktober 2020 für eine klare Linie der
Gleichbehandlung aller künstlerischen Mitarbeitenden
entschieden.« Er schreibt, er und sein Team konnten
»sämtliche Darsteller:innen – trotz der pandemischen
Situation – in mehreren Bühnen-Situationen sehen und
erleben«. Zudem habe es zwei – speziellen Regeln
unterliegende – Arbeitsproben gegeben. Er möchte aber
auch klarstellen: »Sämtliche Verträge der künstlerisch
Beschäftigten sind gemäß des NV-Bühne (Anmerkung der
Redaktion: Normalvertrag-Bühne, unter dem die aktuellen
Regelungen laufen) befristet. […] Die Bestimmungen
dieses Vertragsverhältnisses sind allen Künstler:innen
bekannt.«
Tommaso Quartani in
seinem Element als Teil des Tanz-Ensembles in »Juke Box
Heroes«, einem Tanzabend unter Regie von Chefchoreograph
Georg Reischl. Nach Ende der Spielzeit weiß er nicht, ob
Tanzen weiterhin seine Karriere sein wird. © Gerhard W.H.
Schmidt
Im Oktober 2020 wurde
Ritschels Name als kommender Intendant veröffentlicht.
Danach war für fast ein Jahr komplette Funkstille,
berichten Tommaso Quartani und Zelal Kapçık. Im Sommer
soll Ritschel dann die ersten Vorstellungen besichtigt
und sie ohne ein Wort wieder verlassen haben.
»Wenigstens einen Dank für die Vorstellung« hätte sich
Quartani gewünscht. Die Beschäftigten hätten so gut wie
nichts über das künstlerische Konzept oder die neuen
Leitungen für die Abteilungen, wie Tanz, Schauspiel oder
Musiktheater, erfahren. Nach den verpflichtenden
Anhörungen kamen dann Briefe für die Ausgedienten.
Diejenigen, die blieben, hatten zu diesem Zeitpunkt kaum
Anhaltspunkte, auf was sie sich einließen. »Sie
mussten die sprichwörtliche Katze im Sack kaufen«, so
Kapçık. Nur der neue Leiter des Tanz-Ensembles, Wagner
Moreira, besuchte die Tänzer:innen bei einer Probe,
nachdem diese Druck gemacht hatten. Das sei laut
Quartani »das einzig Positive an der Geschichte«, auch
wenn es sich nach »zu wenig und zu spät« für ihn
angefühlt habe. Zwei Tage nach der Probe erhielt der
28-jährige Italiener seine Nicht-Verlängerung.
Schauspielleitung mitverantwortlich?
Beim Schauspiel lief es
für Zelal Kapçık kaum besser. Die neue Leitung Antje
Thoms wurde erst im November 2021 bekannt gegeben. Bis
dahin wussten die Beschäftigten, die eine Verlängerung
angeboten bekommen haben, nicht einmal, wer ihre
Abteilung übernehmen würde. Entscheiden, ob sie bleiben
oder gehen, mussten sie jedoch bis Ende Oktober. Antje
Thoms kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn sie
engagiert sich im Netzwerk-Regie – eine
Schwesterorganisation des Ensemble-Netzwerks –
für mehr Solidarität an Theatern. Dass sie nun am
Theater Regensburg die Schauspielleitung übernimmt
und sich nicht öffentlich zu der Kritik positioniert,
ist für Kapçık schwer nachvollziehbar. Genau so, wie
Thoms auch im öffentlichen Statement des
Ensemble-Netzwerks nicht erwähnt worden sei. Kapçık
halte Antje Thoms für mitverantwortlich und warte nach
wie vor auf ein Statement oder eine Entschuldigung.
Auf Lautschrift-Anfrage
teilt Antje Thoms mit, dass sie »einige der Kritikpunkte
am Verfahren nachvollziehen« könne. Bis zu ihrer
offiziellen Ernennung am 23. November fiele die Art und
Weise des Übergangs jedoch nicht in ihren
Verantwortungsbereich. »Nicht leichtfertig« hätten sie
und Ritschel über Nichtverlängerungen entschieden. Sie
habe »jede:n Schauspieler:in in Vorstellungen gesehen;
eine Kollegin, die wegen der Pandemie nicht sichtbar
war, hatte eine Arbeitsprobe«. Über soziale Komponenten
sei sie auch informiert worden. Thoms verspricht für die
zukünftige Zusammenarbeit »Mitsprache, Beteiligung,
Transparenz und Respekt«. Die neue Schauspielleitung
weist darauf hin, dass über 50 Prozent im
Schauspielbereich blieben, das sei »wesentlich mehr als
üblich«. Nichtverlängerungen seien laut Thoms jedoch
auch nötig, um Platz für Anfänger:innen und mehr
Diversität zu schaffen. Dabei sei »klar, dass es zum
einen zeitgemäße, juristische Rahmenbedingungen und
Rechtssicherheit für künftige Leitungen braucht, welche
die geforderte Transparenz und Kommunikation
ermöglichen. Zum anderen müssen Veränderungen am
NV-Bühne vorgenommen werden, z. B. was Abfindungen,
Vertragslaufzeiten, Schutz für Anfänger:innen und Regeln
für das Nichtverlängerungs-Prozedere bei
Intendanzwechseln angeht«. Auf die Frage, ob sie sich
zum Verfahren positioniert habe, führt Thoms interne
Gespräche mit dem designierten Leitungsteam,
Ensemble-Netzwerk und Netzwerk-Regie an. Die
verbleibenden Schauspieler:innen habe sie, nach
Bekanntgabe ihrer Position, direkt kontaktiert. Zelal
Kapçık ist keine von ihnen.
Die Darstellung Zelal
Kapçıks rückt die Bleibequote von über 50 Prozent, die
Thoms nennt, in ein anderes Licht. Unter den
Schauspieler:innen, die am Theater Regensburg
bleiben, seien zwei vertraglich unkündbar. Von insgesamt
15 Personen haben die künftigen Vorgesetzten also nur
bei 13 über einen Verbleib entscheiden können. Von
diesen 13 seien sieben nicht verlängert worden – bleiben
also sechs. Von den Beschäftigten, über die entschieden
wurde, wären demnach also über 50 Prozent gekündigt
worden.
Zelal Kapçık hier als
Kriemhild in Julia Prechsls Version von Friedrich
Hebbels Trauerspiel »Die Nibelungen«. Wohin es die junge
Schauspielerin nun verschlägt, steht noch in den
Sternen. © Martin Sigmund
Das Gespräch mit den
Darsteller:innen fand vor den Anfragen an die
Leitungspersonen in spe statt. Dennoch greifen Quartani
und Kapçık einige Punkte, die Ritschel und Thoms in
ihren Statements anführen, bereits im Interview auf. So
sei ihnen etwa bewusst, dass ein Theater auch Platz für
neue Künstler:innen schaffen müsse. Das bestreiten sie
nicht. Auch sie hätten ihre Stellen auf diese Weise
bekommen. Zelal Kapçık weist aber darauf hin, wie
frustrierend sie es findet, dass sich Personen in
Führungspositionen – die das vom Ensemble kritisierte
Verhalten zeigen – immer wieder mit Verweis auf das
System aus der Affäre ziehen und die Verantwortung
wegschieben würden. Genau das System gehöre eben
verändert. Gerade von einer Personalie wie Antje Thoms
habe sie mehr erwartet.
Ungewisse Zukunft
Zurück also im
WG-Zimmer, irgendwo in Regensburg. Die beiden
Künstler:innen, die während des gesamten Gesprächs kein
einziges Mal aus ihrer Kaffeetasse trinken, hätten sich
vor allem eine transparentere Kommunikation gewünscht
und sie fragen sich, warum es Entlassungen in dieser
Zahl gebraucht hat – besonders in einer Pandemie. Auch
die Bühnengenossenschaft ist besorgt: »Der
Verlust eines Arbeitsplatzes in der jetzigen Situation
kann das Ende einer künstlerischen Laufbahn bedeuten.«
Für sie bleibt fraglich, ob der neue Intendant sein
Recht, insbesondere inmitten einer Pandemie, in diesem
Umfang hätte ausnutzen müssen. »Das ist natürlich eine
Machtdemonstration«, sagt Kapçık. »Wir sind nicht bloß
austauschbare Zahnrädchen, wir sind die Menschen, die
das Theater ausmachen«, ergänzt Quartani neben ihr.
Besonders frustrierend
ist für beide die Annahme einiger, dass ihnen die
Unsicherheit, mit der sie leben müssen, nichts ausmache.
Dass Künstler:innen immer frischen Wind um die Nase
bräuchten. Es bedeute immer wieder, Beziehungen neu
aufzubauen, nur um sie wieder zu verlieren.
Zukunftsplanung sei kaum möglich. »Man darf das nicht
romantisieren, es ist ein brutaler Prozess.« Die
Schauspielerin Zelal Kapçık verschränkt ihre Finger vor
ihren übereinander geschlagenen Beinen. »Als junge,
angehende Kunstschaffende könnte ich von diesem ganzen
Prozess erschüttert sein, ich könnte natürlich ebenfalls
meine Kompetenzen hinterfragen, was ich auch gemacht
habe. Es benötigt viel Stärke, zu sagen, es ist nichts
Persönliches – nicht an den eigenen Kompetenzen zu
zweifeln.« Für beide ist fraglich, ob sie überhaupt
innerhalb der aktuellen Strukturen wieder an einem
Theater arbeiten wollen. Tommaso Quartani überlegt
sogar, komplett umzuschulen. »Für Menschen wie mich, die
jahrelang darauf hinarbeiten, aus einem Land, in dem es
weniger Möglichkeiten für Künstler:innen gibt, an ein
Theater zu kommen, ist das etwas Großes. Und dann siehst
du, wie all die Arbeit, die Zeit und die Kunst, die du
investiert hast, missachtet wird … Es erschüttert meinen
Glauben an das, was ich als Künstler tue.«
Moritz Müllender
(25) studiert soziale Arbeit und hat im Theater
Regensburg schon einige Vorstellungen sehen dürfen.
Nach der Recherche wird er mit neuem Auge auf die
Künstler:innen, für die regelmäßig so viel auf dem Spiel
steht, schauen.
Julian Tassev
(27) studiert
Medienwissenschaft und ist mit Theater- und
Opernbesuchen aufgewachsen. In den letzten Jahren hat er
etwas Interesse an dieser wundervollen Welt eingebüßt,
aber dieser Artikel hat dieses definitiv neu entfacht.
Zitatende |
Quelle:
https://www.lautschrift.org/2022/03/05/das-absolute-minimum-ist-nicht-genug/
Herunterbrechen
Kleine Geister können Größe
nicht ertragen!
Daher unterstützen die kleinen Geister in den
Intendanzen und Agenturen, dazu viele Journalisten, in deren
Köpfen statt Hirn ein Fähnlein im Winde weht, die heutige
modische Tendenz, die großen Werke großer Schöpfer auf unsere
Zeit und in ein mieses Proletarierniveau herunterzubrechen.
Allerdings
haben die ehemaligen Proletarier durch Fleiß und gute Ideen
längst ihr mieses Niveau verlassen und sind angesehene Bürger
geworden. Zurück blieb eine Schicht von Typen, denen die
Schnapsflasche wichtiger ist als der Gebrauch von Werkzeug.
Verhängnisvoll ist auch das Herunterbrechen der schulischen
Anforderungen, um möglichst vielen das Abitur – mit möglichst
guter Abschlussnote durch Abwählen unbeliebter Stoffe - ein
Universitätsstudium zu ermöglichen.
Qualitätsbewusste, lebenserfahrene Lehrer werden von Vätern
ungeeigneter Schüler mit Messer oder Rechtsanwalt bedroht und
geben schließlich auf.
Unqualifizierte Abiturienten, danach Studienabbrecher, wissen
nicht wohin mit sich, aber da sie ja das Schwadronieren gelernt
haben, werden Sie wohl bei den ‘Spaziergängern‘ auf öffentlichen
Plätzen willkommen sein.
Toleranz - von lateinisch tolerare / dulden - sollte auch da
Grenzen haben, wo sie Schaden durch Gleichgültigkeit anrichtet.
Toleranz wurde uns ab 1945 eingebläut, weil die Deutschen einem
Diktator, der genial inszeniert wurde, nachgelaufen sind. Der
Duce in Italien, Francisco Franco in Spanien, Donald Trump in
Amerika - wer am lautesten schreit und mit vagen Versprechen
Sehnsüchte weckt, dem rennt das Volk die ‘misera plebs‘ nach.
‘Panem et circenses‘ hieß das damals. Heute haben wir Currywurst
und Pop.
Viele Staaten sind auf diese Weise groß geworden, haben eine
Weile geblüht, bis sie durch eigene Dekadenz und einen Ansturm
von außen, untergegangen sind.
Wilde Reiterhorden, wie die Hunnen, brauchen wir nicht mehr zu
fürchten, denn inzwischen sind die Waffen sowohl subtiler als
auch brutaler geworden. Leise und stetig verfolgt der heutige
Kaiser von China seinen Plan - Seidenstraße genannt - zur
Weltherrschaft und wir in Europa sind so dumm ihm unsere
Patente, weil er um ein paar Cent billiger produziert, zu
überlassen.
Unsere allerchristlichste Pfarrerstochter und ehemalige
Kanzlerin fiel - wie viele von uns - auf den fein dosierten
Krokodil- Charme des jungen Putin herein, ohne zu bemerken,
welche Machtgier in diesem Geheimdienstzögling lebt.
Solange ich denken kann, hat mich der Aufstieg und das Ende von
Diktatoren interessiert, denn sie sind die krasseste Ausprägung
von Männlichkeit.
Da gab es in den Jahren 12 - 41 nach Christus den Gaius Julius
Caesar Germanicus, der seit dem Jahre 37 römischer Kaiser war,
äußerst beliebt bei den Truppen, die ihn zärtlich ‘Stiefelchen‘
= ‘Caligula‘ nannten, der sich als er Macht bekam, zum
Gewaltherrscher entwickelte, bis er von seinen Prätorianern
ermordet wurde.
Das sollte zu denken geben!
Da gab es 1530 bis 1584 den Iwan, der 1533 im Alter von 3 Jahren
auf den Thron kam. Als sein Vater Großfürst Wassili starb,
führte seine Mutter bis zu ihrem plötzlichen Tod 1538 die
Regentschaft. Mächtige Bojarenfamilien stritten nun um die
Macht, bis der junge Iwan den Sieger, Fürst Schujski gefangen
nehmen, in Tierhäute einnähen und von Hunden zerfleischen ließ.
Die heutigen Methoden sind zwar nicht so grob, aber Enteignung
und Arbeitslager und Gift sind auch recht wirkungsvoll.
Jede Diktatur hat auch ihre willfährigen Denker und Mitläufer,
dazu den Segen der jeweiligen Geistlichkeit.
Adolf Hitler hatte seinen Joseph Goebbels und Wladimir Putin hat
seinen Philosophieprofessor Alexander Dugin. Dieser beeinflusst
besonders den stets missgelaunten Außenminister Sergej Lawrow,
der ja nicht unrecht hat, wenn er die Orientierungslosigkeit und
den Werteverfall des Westens feststellt.
Sie berufen sich auf das Werk Oswald Spenglers (1880 – 1936),
das 1922 erschien, als Jahrhundertwerk gilt und geradezu
unerschöpflich ist.
Er schrieb:
Zitat
Die Schicksalsfrage für wirklich
vorhandene und nicht in den Köpfen entworfene Staaten
ist aber nicht die ihrer idealen Aufgabe und Gliederung,
sondern die ihrer inneren Autorität die auf die Dauer
nicht durch materielle Mittel aufrechterhalten wird,
sondern durch das Vertrauen selbst der Gegner auf ihre
Leistungsfähigkeit.
Die entscheidenden Probleme liegen nicht in der
Ausarbeitung von Verfassungen, sondern in der
Organisation einer gut arbeiteten Regierung; nicht in
der Verteilung politischer Rechte nach ‘gerechten‘
Grundsätzen, die in der Regel nichts sind als die
Vorstellung welche ein Stand sich von seinen
berechtigten Ansprüchen macht, sondern im arbeitenden
Takt des Ganzen - arbeiten wieder im Sportsinne
verstanden: die Arbeit der Muskeln und Sehnen im
gestreckten Galopp eines Pferdes, das sich dem Ziel
nähert - in jenem Takt - der starke Begabungen von uns
selbst in seinen Bann zieht; und endlich nicht in einer
weltfremden Moral, sondern in der Beständigkeit,
Sicherheit und Überlegenheit der politischen Führung.
Zitatende
Quelle: Spengler, Oswald – ‘Der Untergang des
Abendlandes‘ – DTV 1972 – Seite 1015
|
Erda aber sagt in der vierten Szene von Wagners
‘Rheingold‘: “Alles, was ist, endet!“ Und so ist es auch. Auch
das Leben der grausamsten Diktatoren endet. Keiner von ihnen
wurde wie heute die Symbolfigur Queen Elizabeth II. von
Millionen Menschen betrauert, obwohl sie keine Macht hatte, nur
durch ihre freundliche Anwesenheit heilsam wirkte.
Iwan, der Schreckliche schlägt bei einer Auseinandersetzung
seinen Sohn mit einem eisenbeschlagenen Stock so hart, dass
dieser 5 Tage später stirbt. Von Reue geplagt irrt der Zar
nächtelang schreiend durch die Säle des Kreml, ergreift die
günstige Gelegenheit seine Schwiegertochter zu vergewaltigen,
erholt sich wieder, bis er nach einer Prophezeiung seines
Astrologen am 18. März 1584 bei einem Schachspiel tot
zusammenbricht.
Nach Anarchie, Hungersnot und Bürgerkrieg wählen 1613 die
wichtigsten Würdenträger den Sechzehnjährigen Michael Romanov
zum neuen Zaren. Er ist der Begründer der Dynastie, die Russland
bis 1917, bis zu ihrem Tod durch Erschießen durch die
Bolschewiki, beherrschte.
Der Kreml wo Präsident Wladimir Putin heute durch die Gold
strotzenden Türen schreitet, wo die Raffgardinen wallen, ist
eigentlich ein ziemlich vergifteter Ort. Drum sitzt er auch am
Ende des langen, langen, weißen Tisches, damit kein gewählter
westlicher Staatsmann wie Emmanuel Macron ihn mit einer
Stichwaffe erreichen könnte, aber die tapferen Ukrainer ihm
heftig Widerstand entgegensetzen.
Einige Diktatoren haben wir, die jetzt Lebenden, kommen und
verenden sehen. Vor unserer Haustür in Rumänien gab es einen
Schuster - übrigens ein Notwendiges ehrenwertes Handwerk, wenn
er bei seinen Leisten bleibt - Nicolae
Ceaușescu, 1918 –
1989, der früh der kommunistischen Partei beitrat, im Gefängnis
die Schliche der Parteiarbeit erlernte, Abgeordneter,
Landwirtschaftsminister, Verteidigungsminister,
Politbüromitglied und schließlich Staatsoberhaupt wird. Er
übernimmt alle wichtigen Ämter in Militär, Wirtschaft, Stadt und
Verwaltung, wird ‘Conducator‘ genannt und verfällt dem
Allmachtswahn. Ohne dass eine entsprechende Infrastruktur
vorhanden ist, befiehlt er dem Agrarland den Ausbau der Schwer-
und Erdölindustrie. Die Folgen sind Landflucht, Hungersnot und
Energiemangel. Nach einem äußerst brutalen Bürgerkrieg wird er
und seine einflussreiche Ehefrau Elena verhaftet und gleich nach
der Urteilsverkündung des Urteils wegen des Todes von 60.000
Menschen, des Ruins der rumänischen Wirtschaft und der
Unterschlagung von einer Milliarde US Dollar durch
Maschinengewehrsalven hingerichtet.
Nigeria hatte seinen Sani Abacha, 1948 – 1998, der das Land
trotz reicher Erdölvorkommen in bitterster Armut und
Arbeitslosigkeit hinterließ. Aber, wie es scheint, werden sich
die Chinesen sich schon kümmern.
In Nordkorea gibt es die Sippe Kim Sung I, II und III, die die
Welt mit dem Besitz von Atomwaffen erpresst und das eigene Volk
mit unvorstellbarer List und Gewalt gleichschaltet.
Russland hatte seinen Josef Dschugaschwili, genannt Stalin, der
das Bürgertum, den Adel, die Bauern und Unternehmer enteignete
und nur durch Terror den katastrophalen Rückgang der
landwirtschaftlichen Produktion und des Lebensstandards
unterdrücken konnte. Sein Ziel war der Sieg des Kommunismus über
den Westen. Seine Terrormethoden, dies zu erreichen, waren so
teuflisch, dass sie nicht zu beschreiben sind. Aber viele Väter
und Großväter, aber auch Vertriebene und vergewaltigte Frauen
verschließen sie in ihrem Gedächtnis und schweigen.
(Zitiert nach: ‘Diktatoren – Tosa Verlag, Wien, 2000)
Wir schlagen uns am Theater mit den kleinen Diktatoren und
leider auch Diktatorinnen herum, die in ihrer staatlichen
subventionierten Machtfülle, unsere über Jahrhunderte geliebte
und sorgsam gepflegte Kunst der Oper und des Schauspiels so
verzerren, dass Szene, Musik, Text und die Intentionen der
Schöpfer dieser großartigen Werke zur billigen Unterhaltung
heruntergebrochen werden.
Da sich Politiker - gleich welcher Partei - für das Randthema
Kultur nicht interessieren wollen, weil sie sich hinter der
Demarche ‘Die Kunst ist frei‘ verschanzen können, dümpeln die
meisten Aufführungen an großen wie an kleinen Theatern - selbst
bei Festspielen wie Bayreuth – in den meisten Fällen zu Lasten
des Steuerzahlers unter Missachtung des Bildungsauftrages auf
dem Niveau des Entertainments, zur Gaudi des Publikums und zur
Freude der Theaterleiter, denn Gelächter, auf die Schenkel
klopfende Zuschauer und kreischender Applaus – meist an den
verkehrten Textstellen – bedeuten ja Erfolg.
Schlussbemerkung
Plan und
Wirklichkeit
Wer sich die Mühe macht, das Fächerangebot der Gymnasien zu
betrachten findet bei sehr vielen Schulen ‘Darstellendes Spiel‘
im Angebot.
Wer dann dazu den Lehrplan und die Prüfungsanforderungen laut
Beschluss der Kultusministerkonferenz studiert, ist erstaunt wie
hoch die Ansprüche an Kenntnis des Werkes, Analyse und
Interpretation sind:
Präambel
Der Unterricht im sprachlich literarisch künstlerischen
Aufgabenfeld führt zum Verständnis künstlerischer Formen
menschlicher Möglichkeiten und soziokulturelle
Zusammen-hänge im Rahmen dieses Aufgabenfeldes hat das
Fach Darstellendes Spiel den besonderen Auftrag einer
grund-legenden Bildung in den darstellenden Künsten das
Fach Darstellendes Spiel auf grundlegenden Anforderungen
des Niveau soll dabei:
• in grundlegende Sachverhalte und Strukturen
sowie
Geschichte und Theorie des Faches einführen,
• seine wesentlichen Arbeitsmethoden vermitteln
und
reflektieren,
• Zusammenhänge innerhalb des Faches und über
seine Grenzen hinaus erkennbar machen
|
Dieser
Text der Präambel umreißt präzise die Zielsetzung der Arbeit an
theatralen Texten, das heißt die historische Einordnung des
Werkes seine Struktur sein Aufbau die Geschichte seiner
Aufführungen dem widerspricht natürlich das, was modisches
Regisseurstheater auf unseren Bühnen bietet: Krampfhaftes
herunterbrechen auf unsere Zeit zwecks Darstellung eigener
Probleme soll das die Funktion des Theaters sein. Darüber gibt
die Prüfungsanordnung klar Auskunft:
Schülerinnen und
Schüler reflektieren die soziokulturelle Funktion des
Theaters sie verfügen über exemplarische Kenntnisse
einiger für das Theater der Gegenwart relevanter Aspekte
der Theaterkultur Theorie und Geschichte die aus den
folgenden Themenbereichen ausgewählt werden können und
in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den jeweiligen
Spielprojekten stehen.
• Bezüge zur eigenen Lebenswelt individuell zum
Beispiel das eigene Ich, Familie, Schule, Freunde
• gesellschaftlich, z.B. Staat, Arbeitswelt,
Konfliktfelder
wie Gewalt, Umwelt
• interkulturell, z.B. multikulturelle
Gesellschaft,
Globalisierung, fremde Kulturkreise
Theater in der Kultur der Gegenwart z.B. in Bezug auf
• Formenvielfalt Schauspiel Oper Tanz Theater
Performance Kleinkunst Mischformen etc.
• Postdramatische Theaterformen.
• Bedeutende Theaterautoren und -autorinnen und ihre
Werke aus verschiedenen Epochen,
insbesondere solche, welche die Entwicklung des
Theaters
der Gegenwart geprägt haben.
Reflexion auf dem Hintergrund
• eigener Projekte
• der Spielplangestaltung eines spezifischen
Theaters der
Gegenwart
• ihres Stellenwertes innerhalb der
Geschichte des
Theaters
• „Klassische Moderne“ (Überwindung klassischer
Dramenkonzeptionen, gesellschaftsrelevantes, politisches
Theater, veränderte Rolle des Schauspielers und des
Zuschauers, Einfluss auf zeitgenössische Regiestile u.a.)
• Theater in theoretischen und konzeptionellen
Kontexten
in Bezug auf
- Schauspieltheorien z.B. Stanislawski, Straßberg.
|
Letzteres hat für die Zuschauer erhebliche Schwierigkeiten
gebracht, denn die Schauspieler sollen sich ja nicht mehr im
Sinne ihrer Rolle verändern, sondern immer so sie selbst sein so
wie Herr Müller und Frau Meier privat reden und sich bewegen.
Das ist die zurzeit angeforderte Authentizität!
Wir hören also auf der Bühne und im Fernsehen unverständliches
Genuschel und sehen schlaksige, private Bewegungen, die zu den
Rollen heutiger Jugend passen.
Die Werke großer früherer Dichter werden so bis zur
Unkenntlichkeit auf unsere Zeit ‘heruntergebrochen‘, damit der
Regisseur seinen Spaß hat, wie es ihm gelingt alles ins Absurde
zu verkehren.
Schon in der Schauspielschule wird darauf hingearbeitet, weil
wie auf Nachfrage von einer Schauspiellehrerin erläutert wurde,
die Intendanten das so und eben keine verständliche Sprache
wollen, die durch präzise Artikulation auch noch in der 25.
Reihe des Parketts oder in der 7. Reihe des dritten Rangs klar
und deutlich verstanden werden kann.
Dem Literaturfreund bleibt also nur das heimische Sofa, auf dem
er bequem seinen Shakespeare, Schiller, Kleist, Hauptmann usw.
liest oder selber spricht - ein wunderbares Erlebnis.
Den Opernfreunden bleibt bald auch nichts anderes übrig, als die
Noten zur Hand zu nehmen, eine CD zu hören und Bühne und Kostüme
sowie die Aktionen auf der Szene in der Fantasie zu erleben.
Wozu also noch ins Theater gehen?
Und wie passt es denn zusammen, wenn auf Seite 39 der
Prüfungsordnung für das Fach ‘Darstellendes Spiel‘ für ein
anschließendes Gespräch gefordert wird:
• Erläutern Sie
ihre Strategie zur Aufgabenlösung
• Erläutern Sie die von ihnen beabsichtigte
Wirkung
• Begründen sie ihre Entscheidungen
• in Bezug auf die Strukturierung der Handlung
• in Bezug auf die Konturierung der Figuren
• in Bezug auf die sprachliche Gestaltung des
Dialogs,
• in Bezug auf die theatralischen Mittel.
|
Im Theater sehen wir aber die
Figuren in ihr Gegenteil verfälscht:
• |
Götter in
Unterwäsche
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• |
Otello als debiler
Trottel, Desdemona als stöckelnde Nutte mit zwei
– wohl unehelichen – Kindern
|
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Scarpia als in der
Kindheit vom Mesner verführtes Blondengelein
|
• |
Tosca als
dümmliches Schulmädchen mit Plastikrucksack
|
• |
Gerade der
Leibeigenschaft entgangene Bauern, die nach der
neuen Textfassung von Alexander von Schlippe
müde von der Feldarbeit im Onegin singen:
„es Schmerzen meine schnellen Füße vom
vielen Gehn
es Schmerzen meine Hände von der Arbeit“,
in den Salon der Herrschaft hurtigen
Schenkels hereinströmen, mit
Stroh um sich schmeißen, das dann ein Schar
Statistinnen wieder
zusammenkehrt
|
• |
die Aida im
Einheitsbühnenbild, dem Vorzimmer von Herrn
Mielke in der Stasizentrale in der Berliner
Normannenstraße
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• |
der Steuermann,
der in der Schlussszene das liebende Paar im
Holländer – Senta mit umgehängten Engelsflügeln
– auf den Pappkartons einer Ventilatorenfabrik
fotografiert
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• |
usw. |
|
Falls junge Zuschauer im Opernhaus sind,
meinen die, es müsste so sein und so freuen sie sich an - wenn
auch sinnloser – Äcksch’n! Äcksch’n! Äcksch’n!
Die Abschlussprüfung jedoch erwartet von Schülern als
Bewertungskriterien der Präsentation:
- das Verhältnis der Lösung zur gestellten Aufgabe
- die Erkennbarkeit eines Gesamtkonzeptes
- die Wahl und Verwendung theatraler Mittel und Techniken
- die individuellen Darstellenden die individuellen
darstellerischen Leistungen in Be
zug auf Rollengestaltung.
Also kann man
Theaterfreunden nur empfehlen, sich Aufführungen von höchst
engagierten Amateurtheatern und gut durchdachte
Schulaufführungen anzusehen.
ML Gilles
Das Wort des
Jahres:
|
|
Zitat
„Der Schaden ist bereits irreparabel,
und zwar für alle Beteiligten. Ausgerechnet in der
deutschen Schicksalsfrage – der Versorgung von Europas
größter Industrienation mit bezahlbarer Energie – hat
sich die Koalition als tief zerstritten erwiesen. Dafür
trägt der Kanzler die Hauptverantwortung:
Obwohl von Woche zu Woche deutlicher erkennbar wurde,
wie sehr sich Grüne und FDP in der Frage des
Weiterbetriebs der Atommeiler verkeilten,
m e r k e l t e Scholz vor sich hin,
statt mit Verweis auf seine Richtlinien-kompetenz früh
einen Kompromiss zu erzwingen.
Der SPD-Kanzler muss den übernächsten Winter ebenso
fürchten wie den kommenden: Der nächste Strom-Blackout
ist dann sein Blackout“, prophezeit der
MÜNCHNER MERKUR.
Zitatende |
Nds. Staatstheater Hannover GmbH
Zitat
BRING YOUR FRIENDS
Zitatende
Quelle:
https://staatstheater-hannover.de/de_DE/start-staatstheater
Zitatende
... ob dumme Puten, freche Geißen
oder fette Säue!
Impressum
… erscheint als nichtkommerzielles
Rundschreiben,
herausgegeben von
Bürgerinitiative-Opernintendanz –
Fehrsweg 2 –
30655 Hannover
info@bi-opernintendanz.de –
www.bi-opernintendanz.de
Verteilung:
Direktversand an ausgewählte Leserschaft u.a.
Mitglieder der
Bürgerinitiative-Opernintendanz -
http://bi-opernintendanz.de/
Niedersächsischer Landesrechnungshof,
Niedersächsische Landesregierung,
Aufsichtsrat der Nds. Staatstheater Hannover GmbH,
Politische Parteien im Nds. Landtag,
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover,
Bund der Steuerzahler,
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten,
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger,
Deutscher Bühnenverein,
Richard-Wagner-Vereine,
Feuilletons von Tageszeitungen,
Pressestellen von Theatern im deutschsprachigen Raum
RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover
RA Markus von Hohenhau, Fachanwalt für IT-Recht, Regensburg
RA Prof. Dr. Ernst Fricke, Fachanwalt für Bühnenrecht,
München/Landshut
Wir verstehen diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach
unserer Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes. Neben
Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.
Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Wir benutzen Informationen, hauptsächlich aus eigenen Unterlagen
vom Regionalfernsehen Regensburg, telezeitung-online.de und aus
dem Internet u.a. den Veröffentlichungen des Deutschen
Historischen Museums, der Preußen-Chronik, Wikipedia u.ä..
Diese Texte werden paraphrasiert wiedergegeben oder als Zitate
kenntlich gemacht.
Fotos wurden Buch- und CD-Einbänden entnommen. Beiträge aus der
Rubrik ‘Musiktheater‘ wurden als Zitate aus dem Hermes
Handlexikon übernommen.
Leserbriefe stellen die Meinung des jeweiligen Verfassers dar.
Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit
verzichten wir auf Differenzierung und geschlechtsneutrale
Formulierung. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der
Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die
verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und beinhaltet
keine Wertung.
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