|
Nr.49
Große Texte – Große Opern
Am 24.03.2024
meinte
Jörn Florian Fuchs anlässlich seiner Kritik
zur ‘Elektra’ in Baden-Baden
– ‘Ein
Libretto macht noch keine Oper’
Tonstudio-Tessmar.de
und
Kulturjournal.de
stellen auf einer CD die von Richard Strauss textlich selbst bearbeitete
Fassung seiner 1905 uraufgeführten Oper Salome auf der Basis der
Dichtung von Oscar Wilde als Hörspiel in neuester KI-Technik zur
Diskussion.
In folgender Besetzung:
Herodes - Emil Jannings (* 23. Juli 1884, † 2. Januar 1950)
Herodias - Marie-Louise Gilles
Salome - Renate Müller (* 26. April 1906, † 7. Oktober 1937)
Jochanaan - Heinrich George (* 9. Oktober 1893, † 25. September 1946)
Naraboth - Horst Caspar (* 20. Januar 1913, † 27. Dezember 1952)
Ein Page der Herodias - Friedrich Kayßler (* 7. April 1874, † 24. April
1945)
Erster Jude - Wilhelm Bendow (* 29. September 1884, † 29. Mai 1950)
Zweiter Jude - Otto Gebühr (* 29. Mai 1877, † 13. März 1954)
Dritter Jude - Max Gülstorff (* 23. März 1882, † 6. Februar 1947)
Vierter Jude - Ferdinand Marian (* 14. August 1902, † 9. August 1946)
Fünfter Jude - Paul Wegener (* 11. Dezember 1874, † 13. September 1948)
Erster Nazarener -Albert Bassermann (* 7. September 1867, † 15. Mai
1952)
Zweiter Nazarener - Max Pallenberg (* 18. Dezember 1877, † 26. Juni
1934)
Erster Soldat - Joachim Gottschalk (* 10. April 1904, † 6. November
1941)
Zweiter Soldat - Will Dohm (* 8. April 1897, † 28. November 1948)
Ein Kapadozier - Fritz Kampers (* 14. Juli 1891, † 1. September 1950)
Sklave - Lotte Lorring (* 6. Dezember 1893, † 20. März 1939)
Anlass für diese Publikation ist die jetzt geplante
Wiederaufnahme der unsäglichen und damit indiskutablen Klügl-Produktion
der Nds. Staatsoper Hannover und die Neuproduktion des Schauspiels am
Residenztheater in München in der kommenden Spielzeit.
Vorgesehen war, die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
einzubeziehen, um Studierenden die Möglichkeit zu bieten, sich mit einem
klassischen Operntext als Hörspiel durch eine CD-Produktion
auseinanderzusetzen.
Dieses Institut zeigte weder in der Abteilung Schauspiel, noch der der
Oper Interesse – man habe ja so viel Arbeit mit dem normalen Lehrplan
zur Pflege der Wissenschaft – damit diese in der Wahrnehmung der
Bevölkerung nicht völlig untergeht und deswegen keine Zeit, sich einem
solchen praktischen Projekt zu widmen.
Die fatale Spaltung der HMTMH in Wissenschaft und Kunst dokumentiert
sich auch in der Organisation der Einrichtung in Form einer Vertretung
‘Eva Baumann – Vizepräsidentin Wissenschaft‘ und ‘Oliver Wille -
Vizepräsident Kunst‘. Die Hochschule ist also keine kompakte Einheit,
sondern eine in sich widerstrebende Einrichtung, wobei die Wissenschaft
neidisch auf die Kunst schaut, die sich allenthalben dem Volk
präsentiert, während die Öffentlichkeit von der Wissenschaft kaum Notiz
nimmt – ja nehmen kann, weil sie im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit –
wie im monatlichen Leporello der HMTMH – überhaupt nicht in Erscheinung
tritt.
Nimmt man den Monat Juni 2024 im Veranstaltungskalender der HMTMH, so
sind dort allein 83 Veranstaltungen aus der Praxis - der Kunst - bei 30
Tagen im Monat Juni vor Publikum aufgezeigt.
Was möglich ist, zeigte sich außerordentlich deutlich beim
Stipendiatenkonzert vom Förderkreis der HMTMH am 18. Juni 2024.
Talente, gepaart mit intensivem Probieren, brachten außergewöhnliche
Leistungen zu Tage.
Die Kunst muss üben, um Erfolge generieren zu können. Da bleibt kein
Platz für Ränkespiele und Kabalen.
Wenn auch der Minister am 27. April 2024 in der HAZ meinte, sich
besänftigend einbringen zu wollen, so ist doch der Bewerber um das
Präsidium der HMTMH jetzt schon verbrannt.
Das Land Niedersachsen sollte in die Tasche greifen und ihn abfinden.
Ansonsten verstärkt sich zwangsläufig die ‘Störung des Betriebsfriedens‘
auf Dauer.
Ein Bild aus glücklicheren Tagen
Zitat
Der
Zuschauerraum der Nds. Staatsoper Hannover gefüllt mit Besuchern.
Der Zuspruch so groß, dass auch der dritte Rang geöffnet und mit
erwartungsfrohen Opernfreunden belegt werden konnte, ohne dass die
Karten verhökert und die Auslastungszahlen in der Statistik geschönt
wurden -
- nach dem Motto:
BRING YOUR FRIENDS:
Zu jedem Vollpreis-Ticket erhalten Sie bis zu fünf weitere Tickets
für
je 10 €.
Geschmacklose Werbung:
bring deine Puten, deine Ziege, deine Sau mit ins Theater.
Quelle: Nds. Staatsoper
Hannover GmbH
Die Theater in einer Legitimationskrise!
Die Uni Hildesheim untersucht in einer Studie die Situation an den
Theatern.
|
|
Zitat
Theater beanspruchen
als
besonders personalintensive Betriebe einen relativ hohen
Prozentanteil der gesamten öffentlichen Kulturförderung bei
einer vergleichsweise geringen Eigenfinanzierung. Das weckt
immer wieder Begehrlichkeiten anlässlich von Verteilungskämpfen
zwischen Kultureinrichtungen, der freien Szene, aber auch in der
allgemeinen politischen Diskussion. Vor diesem Hintergrund ist
es hilfreich zu erfahren, welche Einstellung eigentlich die
breite Bevölkerung (der Steuerzahler) zum Erhalt und zur
Finanzierung der Theater hat. Dieser Forschungsfrage ist das
Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim als
Teilprojekt einer Gesamtstudie mehrerer deutscher Universitäten
nachgegangen. Wenn auch explizit von Stadt- und Staatstheatern
die Rede ist, kann von einer entsprechenden Übertragbarkeit auf
öffentlich geförderte Orchester ausgegangen werden.
Legitimationsprobleme für Theater können entstehen,
1. wenn nur noch eine schrumpfende Minderheit der Bevölkerung
Interesse an den Angeboten zeigt,
2. wenn die soziale Spaltung zwischen höher gebildeten und
sozial bessergestellten Besuchern und dem Rest der Bevölkerung
wahrgenommen wird,
3. wenn das Theaterangebot nicht den Erwartungen des Publikums
und der Bevölkerung entspricht und
4. wenn die Förderungswürdigkeit von weiten Teilen der
Bevölkerung infrage gestellt wird. Immerhin äußern 33 Prozent
der Bevölkerung Interesse an klassischen Kulturangeboten, dabei
Frauen deutlich häufiger als Männer (41 zu 25 %). 59 Prozent der
Befragten gehen nicht ins Theater, während 10 Prozent als
Vielbesucher gelten und immerhin 31 Prozent als
Gelegenheitsbesucher. Allein diese Zahlen zeigen, dass es für
die Theater (und Orchester) bei der Besuchergewinnung in der
Gruppe der Gelegenheitsbesucher noch deutliche Potenziale gibt.
Eine besonders wichtige Aussage enthält die Studie bei der Frage
nach der öffentlichen Finanzierung: 86 Prozent der Bevölkerung
stimmen weitgehend darüber ein, dass Theater auch zukünftig
öffentlich gefördert werden sollten. Diese Aussage deckt sich
auch mit den Erhebungen der
KulturBarometer
vergangener Jahre, wonach auch Nicht-Besucher die öffentliche
Förderung unterstützen, obwohl sie die Angebote selbst nicht
nutzen. Das sollte allerdings für die Theater kein Grund sein,
sich entspannt zurückzulehnen, denn in der jüngsten Altersgruppe
der 18- bis 39-Jährigen waren deutlich mehr Befragte dafür, die
Theaterförderung zu kürzen. Ein Ansporn, noch mehr in
Vermittlungsangebote für Jugendliche und junge Erwachsene zu
investieren.
Zitatende
Quelle: https://dasorchester.de/artikel/theater-in-der-legitimationskrise/
|
Die
Studie kommt zu folgenden Ergebnissen:
|
|
Zitat
1. Einführung und theoretischer Rahmen
Die deutsche Stadt- und Staatstheaterlandschaft mit ihren ca.
140 staatlich geförderten Häusern, meist mit mehreren Sparten,
eigenem Ensemble, Repertoirebetrieb und Gewerken, beansprucht
einen großen Teil öffentlicher Mittel für Kultur und ist in
vielen Kommunen die am höchsten geförderte Kultureinrichtung.
Die Eigenfinanzierungsquote durch Einspielergebnisse mit etwa 10
bis 20 Prozent (Theaterstatistik Deutscher Bühnenverein 2016/17)
ist im internationalen Vergleich relativ gering. Im Unterschied
zu privaten Kulturunternehmen unterliegen Stadt- und
Staatstheater deshalb zwar weniger stark dem Kriterium
wirtschaftlicher Effizienz, dafür aber einem stärkeren
öffentlichen Rechtfertigungsdruck.
Im Kulturmanagement-Fachdiskurs wird vermutet, dass „die
selbstverständliche und umfassende Subventionierung von Kultur
und insbesondere Theater als Statussymbol und Ausdruck eines
freiheitlich-bildungsorientierten Staates (...) von der
Gesellschaft zunehmend in Frage gestellt ist“ (v. Cossel 2011,
S. 45). Befinden sich Stadt- und Staatstheater also in einer
Legitimationskrise, weil das Interesse an und die Nachfrage nach
Theaterangeboten sowie die Einschätzung der Theater als
gesellschaftlich wertvolle Einrichtungen in der Bevölkerung
nicht (mehr) hinreichend vorhanden sind?
Dieser Frage geht der vorliegende Bericht auf der Grundlage
einer Bevölkerungsbefragung nach.
Die Befragung wurde im Rahmen eines von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekts des
Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim
„Strukturwandel der Kulturnachfrage als Auslöser von Anpassungs-
und Innovationsprozessen an Stadt- und Staatstheatern“
konzipiert. Das Forschungsprojekt ist Teil des von den
Theaterwissenschaften der LMU München beantragten und von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Gesamtprojekts
„Krisengefüge der Darstellenden Künste“, an dem insgesamt sechs
Teilpro-jekte verschiedener Universitäten mitwirken.
Im Projekt des Instituts für Kulturpolitik werden zum einen die
Kulturnachfrage und die Einstellungen der Bevölkerung
einschließlich des tatsächlichen und des potentiellen Publikums
zum Theater durch die hier vorgestellte Befragung analysiert.
Zum anderen wird die Perspektive der Theaterschaffenden auf ihr
Publikum und auf veränderte Ansprüche der Kulturnachfrager
anhand von Fallstudien an drei staatlich geförderten Theatern
und einer schriftlichen Befragung aller Intendant/innen und
führenden Dramaturg/innen an deutschen Stadt- und Staatstheatern
untersucht.
Für das Projekt wurde ein theoretischer Rahmen entwickelt, der
auf der neo-institutionalistischen Organisationstheorie basiert.
Diesem Theorieansatz zufolge reagieren Organisationen bei der
Gestaltung ihrer Strukturen, Programme und Verfahrensweisen vor
allem auf Erwartungen wichtiger Anspruchsgruppen, um ihre
Legitimität und so den Zufluss der erforderlichen Ressourcen zu
sichern (Hasse/Krücken 1999; Walgenbach 2006).
Zu den für die Legitimität der Stadt- und Staatstheater
relevanten Anspruchsgruppen gehören insbesondere die staatlichen
Zuwendungsgeber der Theater (Städte, Landkreise, Bundesländer),
die Kulturpolitiker/innen der Parteien in den zuständigen
Parlamenten, die Fachöffentlichkeit (Fachkollegen/innen,
Fachmedien, Feuilleton) sowie das „organisierte“ Stammpublikum
in Form von „Freundeskreisen des Theaters“ oder einflussreichen
Persönlichkeiten der Stadtgesellschaft.
Die Legitimität ihrer Förderung mit Steuergeldern müssen die
Stadt- und Staatstheater über den Rückhalt bei den maßgeblichen
Anspruchsgruppen, aber auch in der Bevölkerung insgesamt
sichern. Die allgemeine Bevölkerung verfügt zwar über keine
institutionalisierten Kommunikationskanäle, über die sie
Erwartungen an die Theater artikulieren könnte. Dennoch ist ihr
Interesse am Theater für dessen Legitimität von zentraler
Bedeutung. Über die Nachfrage nach Theaterveranstaltungen äußert
sich eine direkte Wertschätzung dieser Kultureinrichtungen.
Eine ausreichende Nachfrage gilt als zentrales Argument für die
staatliche Förderung eines Theaters, neben der allgemeinen
Maxime, dass insbesondere die Kunst gefördert werden sollte, die
es schwer hat, sich auf dem Markt durchzusetzen. Für die
Legitimität der Theater sind auch die Einstellungen der
Bevölkerung zum Theater und der staatlichen Förderung von
Bedeutung, zumal Bürgerinnen und Bürger nicht nur tatsächliche
oder potentielle Nutzer von Theatern sind, sondern auch
Steuerzahler und Wähler.
Entsprechend der Fragestellung der Gesamtstudie konzentriert
sich die Befragung auf Themen, die für die Legitimität der
staatlich geförderten Theater von Bedeutung sein könnten: das
Interesse an klassischen Kulturangeboten im Verhältnis zu
anderen kulturellen Freizeitangeboten; die Wahrnehmung von
Theaterangeboten in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen;
Gründe, warum Theater nicht oder nicht häufiger besucht werden;
die Erwartungen an die Aufgaben und Leistungen von Theatern und
die Einstellungen zu ihrer staatlichen Förderung.
Als Grundlage für die Entwicklung des Fragebogens1 wurden
folgende Thesen zur möglichen Entstehung von
Legitimationsproblemen für Stadt- und Staatstheater im
Zusammenhang mit der Kulturnachfrage der Bevölkerung formuliert:
Legitimationsprobleme für Stadt- und Staatstheater können
entstehen,
1. wenn nur eine kleine und schrumpfende Minderheit der
Bevölkerung Interesse an Theaterangeboten zeigt und sich das
kulturelle Interesse zunehmend auf andere Kulturformen richtet;
2. wenn es eine starke soziale Spaltung des Kulturpublikums gibt
und Theaterangebote weitgehend nur von einer höher gebildeten
und sozial eher besser gestellten Gruppe der Bevölkerung
wahrgenommen werden;
3. wenn Theater im Hinblick auf ihre künstlerischen und
gesellschaftlichen Leistungen nicht den Erwartungen des
Publikums und der Bevölkerung entsprechen;
4. wenn die Förderungswürdigkeit von Stadt- und Staatstheatern
von weiten Teilen der Bevölkerung in Frage gestellt wird.
Die vorliegende Befragung bildet die aktuelle Situation des
Interesses an der Nachfrage nach Theaterangeboten in Deutschland
ab. Für die Diskussion der Thesen werden neben den
Befragungsergebnissen auch Trenddaten aus anderen Befragungen
herangezogen. Zudem werden mögliche Erklärungsfaktoren für
erkennbare Strukturveränderungen der Theaternachfrage erörtert,
wie insbesondere der demografische Wandel, die Entwicklung der
kulturellen Interessen vor allem in der jüngeren Generation
sowie Veränderungen des Marktes für kulturelle Freizeitangebote.
2. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Nur ein Drittel der Bevölkerung ist an klassischen
Kulturangeboten wie Theater interessiert – überdurchschnittlich
Frauen, ältere Menschen, formal hoch Gebildete und
Großstadtbewohner.
Ein Interesse an klassischen Kulturangeboten wie insbesondere
Schauspiel, Oper, Klassikkonzerte oder Kunstausstellungen äußern
33 % der Bevölkerung.
Im Vergleich Frauen häufiger als Männer (41 % zu 25 %); höher
Gebildete häufiger als niedrig Gebildete (45 % zu 26 %); die
Altersgruppe ab 60 Jahre häufiger als 18- bis 39-Jährigen (40 zu
31 %). Bei den 18- bis 39-Jährigen sind die Unterschiede
zwischen den Geschlechtern besonders ausgeprägt: Während sich 40
% der jungen Frauen für Klassikangebote interessieren sind es
bei den jungen Männern nur 24 %.
Nischen- und Subkultur wie Jazz, Weltmusik, Kunstperformances
oder Filmkunst interessiert 24 %. Ein gutes Drittel der
Bevölkerung (36 %) äußert ein Interesse an popkulturellen
Veranstaltungen wie Rock/Popkonzerte oder populäre
Blockbuster-Filme. 40 % interessieren sich für Feste und Events
in der Umgebung.
Das Interesse an primär unterhaltungsorientierten Kulturformen
ist also etwas stärker verbreitet als an “ernsten“ Kulturformen.
Während sich immerhin 71 % der Bevölkerung für mindestens eine
der genannten Kulturformen interessieren, also im weitesten
Sinne als „Kulturinteressierte“ gelten können, kann man 29 % als
„Kulturmuffel“ bezeichnen, die sich für keine dieser
außerhäusigen Kulturformen interessieren.
Generell zeigt sich: Wer sich für eine (außerhäusige) Kulturform
interessiert, hat häufig auch ein Interesse an anderen
Kulturformen. Umgekehrt gilt: Wer sich nicht für mindestens eine
Kulturform interessiert, dem bleiben mit einer hohen
Wahrscheinlichkeit auch die anderen Kulturformen verschlossen.
Nur wenige gehören zu den Vielbesucher/innen von Theatern, über
die Hälfte zu den Nichtbesucher/innen
Nur 10 % haben in den letzten 12 Monaten mindestens vier Mal ein
Theater besucht. 31 % waren gelegentlich (ein bis drei Mal) und
59 % gar nicht im Theater.
Bildung ist der wichtigste Einflussfaktor auf die
Besuchsfrequenz. Von den Personen mit höherer Bildung waren in
dem genannten Zeitraum
14 % häufiger und 43 % gelegentlich im Theater. Von den Personen
mit einfacher Bildung haben nur 9 % häufiger und 19 %
gelegentlich ein Theater besucht.
Betrachtet man die Gruppe der Theatergänger, d.h. Personen, die
mindestens ein Mal im Theater waren, so besteht diese allerdings
nur knapp zur Hälfte aus höher Gebildeten, ansonsten aus mittel
und einfach Gebildeten.
Nach einer aus dem „Interesse an klassischen Kulturangeboten“
und „Besuchshäufigkeit von Theatern“ gebildeten Typologie können
etwa
7 % der Bevölkerung zu den „Kern-Besucher/innen“ von Theatern
und 47 % zu den „Nie-Besucher/innen“ gerechnet werden.
Zeitmangel wird häufiger als mangelndes Interesse als Grund für
den Nicht-Besuch angegeben
Bei dem Hauptgrund für den Nicht-Besuch oder nicht häufigeren
Besuch von Theatern wird „mangelnde Zeit“ (36 %) an erster
Stelle genannt, erst dann folgt „mangelndes Interesse“ (28 %),
was ein Zeichen für die soziale Erwünschtheit von
Theaterbesuchen sein könnte. Mit Abstand werden an dritter
Stelle die institutionellen Gründe „zu teuer“ und „begrenzte
Auswahl bzw. mangelnde Qualität“ mit jeweils 12 % angeführt.
Große Zustimmung zur Förderung von Theatern mit Steuergeldern
Die Bevölkerung stimmt weitgehend darin überein (86 %), dass
öffentliche Theater, auch in Zukunft mindestens in bisheriger
Höhe mit Steuergeldern gefördert werden sollten. Nur 14 % wollen
die finanzielle Förderung kürzen.
Selbst in der Gruppe der ‘Nie-Besucher/innen‘ vertreten nur 19 %
diese Meinung. Daran wird deutlich, dass der Großteil der
Bevölkerung Theater als gesellschaftlich wertvolle Institutionen
sieht, die weiterhin staatlich gefördert werden sollten, auch
wenn sie persönlich daran kein Interesse haben. Die jüngste
Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen ist deutlich häufiger
dafür, die Förderung der Theater zu kürzen, als die älteren.
Über die Produktion von Kunst hinaus sollen Stadt- und
Staatstheater vor allem für eine breite Teilhabe sorgen
Nach mehrheitlicher Auffassung sollen Stadt- und Staatstheater
nicht nur Kunst zeigen, sondern darüber hinaus auch soziale und
gesellschaftliche Aufgaben übernehmen.
Befragt nach den Erwartungen an die Theater stehen in Bezug auf
die Spielplangestaltung auf den ersten Plätzen:
„Programme für Kinder und Jugendliche“ (89 %), „Programme
anbieten, bei denen man lachen kann“ (86 %) und
„Stücke zeigen, die für jeden verständlich sind“ (80 %). 66 %
wollen „aktuelle Stücke und künstlerische Experimente“,
60 % erwarten „klassische Stücke von wichtigen Autor/innen“.
Viele wollen sowohl klassische als auch experimentelle Stücke
auf dem Spielplan sehen. Der Wunsch nach humorvollen Stücken ist
unabhängig von Bildung und Alter.
Im Hinblick auf sonstige Erwartungen an die Theater ist der
Bevölkerung besonders wichtig eine „Preisgestaltung, die
Menschen aus allen sozialen Schichten Teilhabe ermöglicht“ (92
%), gefolgt von der Erwartung, dass
„Theater ein Treffpunkt für die breite Bevölkerung der Stadt
sein sollten“ (73 %), und dass sie „gesellschaftliche und
politische Diskussionen in der Stadt anstoßen“ (57 %). Am
seltensten werden partizipative Angebote erwartet bei denen man
„selber Theater spielen“ kann (33 %).
Für große Mehrheiten ist es also wichtig, dass die Theater durch
spezifische Programme für Kinder und Jugendliche sowie durch
günstige Preise und humorvolle und verständliche Stücke für eine
hohe Zugänglichkeit sorgen.
Die Legitimation der Stadt- und Staatstheater in der Bevölkerung
scheint derzeit nicht gefährdet, es deuten sich aber mittel- und
längerfristig Legitimationsrisiken an, die vor allem vom Wandel
des Lebensstils junger Generationen und von der demografischen
Entwicklung ausgehen. Die hohe Zustimmung dafür, die Theater
auch zukünftig mindestens auf dem bisherigen Niveau mit
Steuergeldern zu fördern, weit über den Kreis der Nutzer hinaus,
verweist auf die gesellschaftliche Bedeutung, die den Theatern
zugeschrieben wird. Dahinter scheint auch die Erwartung zu
stehen, dass Theater über die Produktion von Kunst hinaus
soziale und gesellschaftliche Leistungen erbringen sollten.
Allerdings zeichnet sich für die nächsten Jahrzehnte ein
Rückgang des Theaterpublikums ab. Trenddaten des Instituts für
Demoskopie Allensbach zeigen einen tendenziellen Rückgang des
Interesses an und Nutzung von Theatern bei der jungen
Bevölkerung mit hoher Bildung (de Sombre 2017). Dies verweist
auf intergenerationelle Verschiebungen im kulturellen Geschmack
und Lebensstil. Popkulturelle Veranstaltungen haben in dieser
Altersgruppe eine deutlich höhere Bedeutung, und es gibt
Anzeichen dafür, dass sich dies kaum verändern wird, wenn diese
Generation älter wird.
Zitatende
Quelle: https://hilpub.uni-hildesheim.de/entities/publication/e8c50478-1cdf-4dcf-b95d-04db0f59637a/details
|
Kommentar
|
|
Zitat
Das Werk!
Weshalb und für wen?
Das Bedürfnis hinter einer Maske oder in der
Gestalt einer dichterischen Figur das Leben zu deuten, gibt es
seit Urzeiten und weltweit.
Dabei zuzuschauen und hernach ergriffen zu sein, ist genauso ein
Urbedürfnis.
Die plumpe Rohheit oder die geistige Bildung des Publikums ist
die Spannweite zwischen blutigem Gladiatorenkampf und sublimem
Kammerspiel.
Dazwischen gibt es unendlich viele Abstufungen, abhängig von den
geistigen Grundlagen der verschiedenen Epochen.
Am Ende des Ersten Weltkriegs wurde die bis dahin als
gottgewollt angesehene Ständeordnung abgeschafft und die Frauen
erkämpften sich mühsam einen Platz in der Gesellschaft.
Diesem Vorhaben stehen natürlich weltweit die patriarchalen,
religiösen Gesellschaftsformen entgegen.
Hier in Mitteleuropa und auch in Deutschland, das mit seiner
bürgerlichen Kultur eine Fülle kostbarer Theaterbauten und eine
solche Menge großer Werke für das Theater hervorgebracht hat,
die sowohl erheiternd als auch erschütternd wirken, neigt sich
das Bedürfnis des Publikums in erschreckendem Maße wieder
dümmlicher Unterhaltung oder dem brutalen Kampf entgegen.
Die Masse entscheidet über Hit oder Flop. Darf, soll, muss sich
die Theaterkunst jedem Trend anpassen? Gibt es einen Weg
zwischen Dramaturgengeschwurbel und plattem Entertainment?
Wie steht es um 'das Werk'?
Begegnen wir ihm mit Respekt als der Leistung
großer schöpferischer Persönlichkeiten oder ist es das Spielzeug
selbstbesessener Theatermacher?
Und für wen spielen wir Theater?
Für versnobte Journalisten und Theaterwissenschaftler oder für
das Publikum, das alles zwangsweise finanziert?
Im eigenen Verlag veröffentlichte Klaus Siebenhaar im Jahr 2015
das Buch
'Auftrag Publikum' - Der
Hochkultur-Betrieb zwischen Audience Development und
Ereignisästhetik.
Wie mit emporgerecktem Arm eines Redners beginnt er das Kapitel
‘die kuratierte Kultur‘ mit
"Das Werk löst sich auf, der Betrachter wird zum Bestandteil
des künstlerischen Ereignisses. Die Interpendenz von
Publikumsentwicklung und Ereignishaftigkeit künstlerischer
Produktion und Rezeption kennzeichnet die vorläufig letzte Stufe
im Prozess der Moderne."
Also 'Mitmach-Theater'?
Warum nicht?!
Dafür gibt es die Statisterie, den Kinderchor, den Extrachor,
den Bewegungschor.
Dafür gibt es Improvisationstheatergruppen, Chöre aller Art,
Tanzschulen aller Art, Spielgruppen, die Klassiker und Komödien
in oft hervorragender Qualität aufführen.
Warum schreibt man nicht neue 'Performances', die Raum geben für
die Inter-Aktionen?
Das ist wohl zu viel Arbeit! Und der Erfolg ist nicht
garantiert.
Außerdem erhoffen sich die Intendanten mehr Publikum, wenn es
heißt
'Nach Euripides' und / oder
nach Shakespeare, Goethe, Schiller, Hauptmann und so weiter.
Den Opern werden die Privat-Probleme der
Regisseure durch die Regisseure aufgedrückt und so wird
brutalisiert, sexualisiert, politisiert.
Dazu Video-Shows bis zum Überdruss und außerdem erscheint
überall ob 'Meistersinger' in München oder 'Die Krönung der
Poppea' in Hannover das Sängerensemble in Probenklamotten.
Haben wir nicht allmählich genug davon, dass Intendanten und
Regisseure dem Hassprediger Frank Castorf und seinen Jüngern
nachrennen.
Zitat
3SAT-kulturzeit am 27.01.2016:
Frank Castorf sagt von sich selbst, dass er die Stücke bei einer
Inszenierung zerschlagen muss.
Und am Ende eines ZDF-Beitrags:
"Ich spucke auf alles, was mich umgibt. Das habe ich in der
DDR gelernt, und ich werde es auch nicht mehr ändern!"
Zitatende
An ihm und der Band 'Rammstein' richtet Katharina, die Herrin
von Bayreuth ihren künstlerischen Geschmack aus, entsprechend
sind die Inszenierungen, wofür sie dann mit dem
Professoren-Titel geehrt wird.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass in irgendeinem Beruf der
Hass die Basis der Tätigkeit ist.
- Wer mag in einem Restaurant essen, in dem der Koch
Lebensmittel
hasst?
- Wer mag sein Bauvorhaben einer Firma anvertrauen, die nur
Betrug
und Schlamperei bietet?
- Welche Eltern schicken ihre Kinder in Schulen, in denen sie
gequält
werden?
- Wer engagiert einen Gärtner, der Pflanzen hasst?
|
|
Zitat
Der deutsche Hochkulturbetrieb - ob öffentlich-rechtlich
oder gemeinnützig-privat - sucht in Quantität wie
Qualität weltweit seinesgleichen.
Infrastrukturelle Dichte, künstlerisches Niveau,
Facettenreichtum des Angebotes, Kundigkeit der Publika
setzen im internationalen Kontext die Maßstäbe.
Zitatende
Quelle:
Klaus Siebenhaar - 'Auftrag Publikum' - B&S Siebenhaar
Verlag - 2015 - Seite 39 |
Das klingt voll der Anerkennung, was im Vergleich
zu anderen Ländern richtig sein mag.
Aber was nützt der beste Fabrikationsbetrieb, wenn das
Rohmaterial nichts taugt.
Hochschulen füllen die Gesangsklassen, um weiter existieren zu
können.
Opernhäuser müssen, um die Werke der Literatur aufzuführen,
Agenturen rund um die Welt auf die Suche schicken, um die Rollen
besetzen zu können.
Im schweren deutschen Fach:
Heldentenor, hochdramatischer Sopran.
Bayreuth 2019 gab uns ein Beispiel.
Ein hochachtbarer älterer Herr sang den Tristan und den
Tannhäuser,
sonst hätte man das Werk überhaupt nicht aufführen können.
Da die assoziative Bebilderung das Werk völlig
überwuchert, geht der Opernsnob nicht mehr in den 'Lohengrin'
von Richard Wagner, sondern in den von Hans Neuenfels.
Ach ja - den mit den entzückenden Ratten.
Oder in Salzburg gibt es nicht die 'Salome' von Oscar Wilde und
Richard Strauss, sondern einige waren hingerissen von Romeo
Castellucci's assoziativen Beigaben.
Er wurde von den Kritikern der Zeitschrift 'Opernwelt' zum
besten Regisseur des Jahres ausgewählt.
Machen wir uns doch mal den Spaß und interpretieren wir seine
Interpretation:
Herodes und seine Entourage ist eine Mafia Gesellschaft, die
sowohl im Blut als auch im Sumpf agiert.
Dafür sind die Gesichter entweder zur Hälfte rot wie Blut oder
grün wie Entengrütze geschminkt.
Jochanaan, der Prophet, ein Schamane. Also her mit der großen
Trommel!
Der abgeschnittene Pferdekopf: Racheandrohung der Mafia.
Salomes nicht ausgeführter Tanz. Hier hockt eine mit einem
Lederriemen Festgebundene auf einem Block.
Aha, sie ist in der Gesellschaft gefesselt.
Und so geht es weiter.
Eigentlich ist das Assoziieren gar nicht so schwer.
Allerdings macht sich neuerdings eine Tendenz zu überbordender
Bilderflut und Realismus breit.
In 'Verkaufte Braut' in München ist die Bühne voller Heu und
hier in Hannover wird in der 'Jüdin' die Problematik des
Stückes, nämlich der unversöhnliche Hass der Religionen, unter
Schau und bunten Bildern verschüttet.
Es ist alles sehr eindrucksvoll, aber die Rache im Namen Jahwes,
die Eléazar an seiner Ziehtochter Recha vollzieht, wird nicht in
seinem Verhalten deutlich.
Natürlich ist das Publikum von der Schau begeistert und
beklatscht mit Recht die Leistung der Mitwirkenden.
Aber sagt uns das Werk etwas
- über das Aufeinanderprallen der Religionen zur Zeit des
Konzils zu Konstanz von 1414 bis 1418,
- über die gespaltene katholische Kirche,
- über die Reformer um Johannes Huss,
- über das in seinen Gebräuchen erstarrte Judentum und
- über unsere jetzige Zeit?
Denken wir über das Erlebte nach, wenn sich die Tür des Theaters
hinter uns schließt?
Über das innere Verarbeiten des Erlebten schreibt Klaus
Siebenhaar:
|
|
Zitat
Die Intensität hochkultureller Praxis ist unlösbar
mit dem Bildungsniveau verknüpft, Elternhaus und Schule
sind die für die kulturellen Neigungen entscheidenden
Primär-Instanzen. Diese positiven oder auch negativen
Prägungen der frühen Jahre sind später nur schwer zu
kompensieren oder gar zu korrigieren.
Zitatende
Quelle: Klaus Siebenhaar - 'Auftrag Publikum' - B&S
Siebenhaar Verlag - 2015 - Seite 90 - 91 |
Wir gewinnen das junge Publikum für die Oper nicht durch
dämliche oder brutale Inszenierungen gegen die sich die Mehrzahl
des Publikums durch Wegbleiben wehrt, sondern durch eine werk-
und autorengerechte Umsetzung der Stücke und damit Begeisterung
für die Arbeit des Theaters.
ML
Gilles
Zitatende
Ersterscheinung in Nr. 28 der Mitteilung an meine Freunde
Quelle:
https://www.telezeitung-online.de/
Eine_Mitteilung_Nr.28_Dez_2019_-_Jan_2020_final_30.11.2019.htm
|
Kommentar
Überschriften zu Kommentaren lassen das Publikum aufhorchen und sich
entscheiden, nicht mehr ins Theater zu gehen:
‘Isolde lassen sie uns zur Sitzgruppe gehen‘
(Tristan in Braunschweig)
'Stumme Jule im Schneewittchensarg'
(Tristan in Regensburg)
Niederbayerische Erstaufführung
(Tristan in Landshut)
'Fasching in Braunschweiger
Schrebergartenkolonie'
(Cosi in Braunschweig)
Unverschämte Irreführung
(Manon in Regensburg)
'Putz' und schrubb', du
gutes Mädchen'
(Holländer in Regensburg)
'Starke Schachteln schichtet mir dort
inmitten der Bühne zuhauf'
(Holländer in Bayreuth)
'Und die Suppe ist auch kalt'
(Giovanni in Braunschweig)
'Klettermaxe - Die Wände hoch'
(Kabale am DT in Berlin)
‘Die Schlacht, sie tobt ganz fürchterlich,
Herrjeh, da liegt ein Brief für mich!‘
(Kabale an der Schaubühne in Berlin)
‘Die Irre von Sandwike‘
(Holländer in Essen)
‘Abge- kupfert‘
(Holländer in Freiburg
‘Von der Bahnsteigkante zurücktreten‘
(Manon
in Regensburg‘
Die Theater leiden unter den Verfälschungen mit denen die Stücke, mit
Billigung der Theaterdirektoren, den heute Ungebildeten gezeigt werden.
Man redet sich auf ‘Freiheit der Kunst‘ raus, produziert aber
durchgängig - an welchem Haus auch immer – Unsinn und vertreibt damit
das Publikum.
Presseschau -
Überschriften im Rückblick
|
|
Zitat
Geschichtspolitik der Kulturstaatsministerin:
Will zu viel und leistet zu wenig
10. April 2024, 12:40 Uhr
Lächelt meist sehr freundlich -
hat sich aber nun den gesammelten Zorn der Träger der deutschen
Erinnerungskultur zugezogen: Kulturstaatsministerin Claudia
Roth.
(Foto:
RONNY HARTMANN/AFP)
Claudia Roth versucht sich an
einer großen geschichtspolitischen Umarmung der
Zivilgesellschaft. Doch ihr Entwurf für einen Rahmenplan zur
Erinnerungskultur geht grandios daneben.
Von
Joachim Käppner
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/claudia-roth-erinnerungskultur-gedenkstaetten-1.6537820
|
|
|
Zitat
Umstrittene Ausstellung in München:
Ärger um Leni Riefenstahl
19. April 2024, 15:13 Uhr
(Foto: Frank Mächler/dpa)
Zeitlebens umstritten:
Das Foto zeigt Leni Riefenstahl (1902 bis 2003) in ihrem Haus in
Pöcking.
Eine Ausstellung mit Fotografien der NS-Regisseurin und ein
zugehöriger Film stoßen in München auf Protest. Eine Diskussion
im Filmmuseum wurde abgesagt.
Von
Jürgen Moises
|
|
|
Zitat
Brandschutz am Theater:
Land unter
10. April 2024, 15:43 Uhr
Manchmal regnet es auch ganz kontrolliert im
Theater; wie hier in der Bayerischen Staatsoper bei der
Generalprobe von "Karl V." von Ernst Krenek mit Bo Skovhus im
Jahr 2019.
Berliner Ensemble unter Wasser: Durch Sprinkleranlagen entstehen
an deutschen Theatern immer wieder massive Wasserschäden. Was
läuft da schief?
Von
Christiane Lutz
|
|
|
Zitat
Theater:
Goodbye, Leni
5. April 2024, 15:55 Uhr
(Foto: Bohumil Kostohryz)
Tänze im Reichspropagandaministerium:
Jacqueline Macaulay und Wolfram Koch in "Stahltier".
Albert Ostermaier bringt mit "Stahltier" eine kritische, lange
Zeit verbotene Recherche zur NS-Filmkünstlerin Leni Riefenstahl
auf die Bühne des Berliner Renaissance-Theaters.
Von Peter Laudenbach
Zitatende
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/rezension-kritik-nina-gladitz-1.6522896?reduced=true |
|
|
Zitat
Tanz:
Kunst statt Kot
21. April 2024, 14:02 Uhr
(Foto: Christophe Gateau/dpa)
Der Choreograf Marco Goecke in der Staatsoper
Hannover, die nach der "Hundekotaffäre" jetzt wieder eine seiner
Arbeiten zeigt.
Nachdem Hannovers Ballettchef Marco Goecke eine
ihm unliebsame Kritikerin mit Fäkalien beschmierte und deshalb
entlassen wurde, darf er dort jetzt wieder arbeiten.
Von Dorion Weickmann
Zitatende
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/marco-goecke-hundekotaffaere-1.6564626?reduced=true
|
Kommentar
Und nun wird Herr Göcke Choreograph in Basel. Herr von Peter, der mehr
oder weniger überall, Opern in den Sand setzt, nimmt ihn jetzt als
dortiger Theaterdirektor unter seine Fittiche.
Da kann der Hundekotschmierer von Hannover seiner Auffassung von Ballett
weiter frönen, die doch von denen ihm nicht Geneigten als Abklatsch
eines Verkehrspolizisten auf einer Verkehrsinsel einer belebten
Straßenkreuzung durch in der Luft rudernde Arme bezeichnet.
|
|
Zitat
Tanz:
Nürnbergs Ballettchef geht
17. Mai 2024, 12:02 Uhr
Der Spanier Goyo Montero leitet seit 2008 das
Ballett am Staatstheater Nürnberg. (Foto: Günter Distler/NNZ)
Goyo Montero wechselt von Franken nach Hannover. Er tritt dort
die Nachfolge von Marco Goecke an, dem Protagonisten der
Hundekot-Attacke.
|
Dr. Billand meint:
|
|
Zitat
https://www.youtube.com/watch?v=6RKw6dJMDNk
Die kurze Video-Kritik unmittelbar nach der Aufführung hat den
Reiz größerer Authentizität und Emotionalität! Nehmen Sie teil
bei „Billand blickt drauf“ … verfolgen Sie interessante
Opernabende, vor allem Neuinszenierungen!
In seiner letzten WEB-Vorschau
auf den Monat Mai 2024 der Wiener Staatsoper formulierte der
Wiener Staatsoperndirektor
Bogdan Roščić
seine Sicht des sogenannten postdramatischen Theaters, das sich
momentan in einer „riesigen Diskussion befinde“ (sic!), die er
auch beobachte.
Wir verstehen darunter das „Regietheater“, ein
Ausdruck für die Dominanz der Regie über Musik und Gesang in der
Kunstgattung Oper. Er kommentierte damals am 1. März, „ob
die großen Stoffe nicht eine Renaissance erleben sollen oder
müssen“, wo er sich aber lieber nicht einmischen wolle.
Aber eines könne er sagen: „In der Oper geht
das posttraumatische Theater, also das Infragestellen von
klassischen Rollen der Darsteller, das Infragestellen eines
vorgegebenen Textes, weil er das Geschehen auf der Bühne
vielleicht zu sehr einengt, nicht. Denn da ist der Stoff mit der
Musik verwoben.“ Der Staatsoperndirektor schließlich:
„Man müsste also sehr viel Musik neu
erfinden. Und über diese Schwelle mag sich dann doch niemand so
recht trauen…“
Das Regierteam Jossi Wieler, Sergio Morabito
(Chefdramaturg der Wiener Staatsoper) und Anna Viebrock (Bühne
und Kostüme) hat aber nun in seiner bereits in Salzburg zu
Ostern 2022 auf einiges Unverständnis gestoßene „Lohengrin“-Produktion
genau das gemacht, und man muss sich in der Tat fragen, warum
dieser „Lohengrin“ nun nach Wien kommen musste. Man will mit
dieser entfremdenden Inszenierung eine „Befragung der
Rollenbilder“ des „Lohengrin“ durchführen, die Figuren aus
einer, wie Morabito es nennt, „szenischen Schockstarre
befreien“, als ob Wagner nicht all diesen Rollen klare und aus
dem Stück heraus nachvollziehbare Positionen zugewiesen hätte.
Bei 17 inhaltlichen Aufsätzen im Programmbuch, das kaum einer im
Publikum vorher durchgelesen haben dürfte, wenn er überhaupt
eines gekauft hat, befinden sich allein fünf vom
Chefdramaturgen, aber kein einziger von Richard Wagner, der das
Stück immerhin geschrieben und komponiert hat.
Das Ergebnis: Allenfalls eine Inszenierung für
einen Festspiel-Versuch oder ein Stagione-Haus, aber nicht für
ein Repertoire-Theater wie die Wiener Staatsoper!
Dr. Klaus Billand,
18. Mai 2024, für klassik-begeistert.de und
klassik-begeistert.at
Zitatende
Quelle:
https://klassik-begeistert.de/billand-blickt-drauf-1-lohengrin-wiener-staatsoper-klassik-begeistert-de-18-mai-2024/ |
|
|
Zitat
Oberammergau:
Passionstheater fällt aus
7. Mai 2024, 12:20 Uhr
(Foto: Sebastian Schulte)
Zwischen den alle zehn Jahre stattfindenden
Passionsspielen wird auf der Freilichtbühne in Oberammergau im
Sommer auch Theater gezeigt. 2023 war es "Julius Caesar" in der
Regie von Christian Stückl.
Das gab es bislang nicht: Wegen mangelnder
Besuchernach-frage entfällt das Passionstheater in Oberammergau
2024. Christian Stückl hätte sein eigenes Stück "Der Rebell"
insze-nieren sollen.
Von
Yvonne Poppek, Oberammergau
Zitatende
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/bayern/passionstheater-oberammergau-2024-absage-christian-stueckl-der-rebell-1.7010048
|
|
|
Zitat
Festspiele Erl:
Wie Jonas Kaufmann Erl umkrempeln will
26. April 2024, 14:33 Uhr
(Foto: Peter Kneffel/dpa)
Da freuen sich zwei: Star-Tenor Jonas Kaufmann
(links) und Hans Peter Haselsteiner, Präsident der Festspiele
Erl und Hauptsponsor, bei der Präsentation von Kaufmanns erster
Saison als Intendant.
Der Startenor ist der neue Intendant der Tiroler
Festspiele. Sein Programm soll Bodenständigkeit und Avantgarde
vereinen. Er selbst ist als "Parsifal" zu erleben.
Von
Rita Argauer, Erl
Zitatende
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/jonas-kaufmann-festspiele-erl-tirol-programm-1.6634338 |
Vor achtzig Jahren
|
|
Zitat
Der Führer hat zum ersten Male vom Flugzeug aus Berlin nach
seiner Zerstörung gesehen. Das hat ihn tief beeindruckt. Er hat
nun die Entscheidung gefasst, Berlin vom Grund auf neu
aufzubauen.
Zitatende
Quelle: Joseph Goebbels – Tagebücher – Seite 2040 – Band 5 -
Piper-Verlag - 1991
|
Endlich bemerkte der ‘Führer‘ durch unmittelbare Inaugenscheinnahme,
unter welchen Umständen die deutsche Bevölkerung ‘im Reich‘ zu leben
hatte. Jetzt am 26. April 1944 nahm er endlich den Umfang der
Zerstörungen zur Kenntnis.
Öffentlichkeit und Reichsführung ergingen sich
in Kritik an Reichsmarschall Hermann Göring, der für die Luftwaffe
zuständig, in seiner Villa Karinhall in der Schorfheide nördlich von
Berlin ein von Luxus geprägtes Leben führte und sich wenig um Kampf und
Krieg und die von ihm kommandierte Luftwaffe kümmerte.
Dabei hatte er die Luftschlacht um England vorzubereiten. Es galt den
Versuch zu wagen, England nach dem
Sieg über Frankreich zwischen Sommer 1940 und Anfang 1941 mit
Luftangriffen gegen die britischen Streitkräfte und britische Städte
die
Kapitulation
Großbritanniens zu erzwingen bzw. durch die Erringung der
Luftüberlegenheit die
geplante Invasion der Insel vorzubereiten.
International bekannt als Battle of Britain, war die Luftschlacht
eine Serie von Gefechten im britischen Luftraum, die von der deutschen
Luftwaffe gegen die
Royal Air Force (RAF) geführt wurde. Britische Historiker legen den
Zeitraum der Schlacht vom 10. Juli bis zum 31. Oktober 1940 fest, da ab
diesem Tag die Tagangriffe in größerem Ausmaß ausblieben und als man die
Kampfgeschwader der Luftwaffe für das
Unternehmen Barbarossa abzog, wurden die Invasionspläne intern auf
unbestimmte Zeit verschoben, also faktisch aufgegeben.
In einer völlig unzutreffenden Beurteilung der britischen Flugabwehr und
Flugzeugproduktion zeichnete Hermann Göring das Bild einer auf nahezu
allen Gebieten überlegenen deutschen Luftwaffe.
Doch die Großeinsätze über England offenbarten die deutschen Rüstungs-
und Ausbildungsmängel. Häufig waren die deutschen Piloten unzureichend
ausgebildet im Schutz von Kampfflugzeugen im Verbandsflug. Allein am Tag
des "Battle-of-Britain", dem Höhepunkt der Luftschlacht am 15. September
1940, verlor die Luftwaffe zu viele von 1.700 eingesetzten Maschinen.
Nach diesem Rückschlag mit den großen Verlusten an Mensch
und Material war die Unterlegenheit der deutschen Luftwaffe nach der
verlorenen Schlacht um die Lufthoheit über England, deren Gelingen als
die Voraussetzung einer Invasion der britischen Insel vorgesehen war -
geradezu katastrophal.
Das Deutsche Reich verlor in der Luftschlacht um England 2.265
Maschinen, weitere 867 waren zu über zehn Prozent beschädigt. Die knapp
2.000 gefallenen und etwa 2.600 vermissten oder gefangenen Piloten waren
für die Luftwaffe in den folgenden Monaten kaum zu ersetzen.
Die Folgen der schleppenden
Zurverfügungstellung von Kriegsmaterial waren verheerend.
Im Juni 1941 hatte die Luftwaffe gerademal 228 Bomber, im November
weitere 284 Flugzeuge neu hinzubekommen – eine grotesk geringe Zahl.
Dabei war gerade für das Zusammenspiel von Luftwaffe und Heer der Garant
für die Erfolge in den Blitzkriegen gegen Polen und Frankreich. Und
dabei stand nun die nächste Herausforderung an: das Unternehmen
Barbarossa – also der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion.
Die deutschen Großangriffe auf Ziele in England wurden
Mitte September 1940 eingestellt.
Im Frühjahr 1941 wurde der Luftkrieg gegen England ganz abgebrochen:
Hitler benötigte die Flugzeuge nun für den
Überfall auf die Sowjetunion.
Der ‘Führer‘ war geradezu ungehalten
über Göring. Immer wieder habe er seit Monaten die notwendigen Maßnahmen
zur Verstärkung der Luftabwehr gepredigt, aber Göring habe daraus nicht
die entsprechenden Konsequenzen gezogen. Nun solle die
Luftwaffenproduktion ganz in die Obhut von Rüstungsminister Speer gelegt
werden.
Göring sträube sich zwar gegen diese Maßnahme, aber die Erfolge, die
Speer auf dem Gebiet der Jägerproduktion erreicht habe, seien so
imponierend, dass es nicht mehr zu verantworten sei, Göring von der
Luftwaffenproduktion nicht zu entlasten und sie Speer weiterhin
vorzuenthalten.
Dabei hatte der Wiederaufbau der Luftwaffe in den dreißiger Jahren so
hoffnungsvoll begonnen und zu Beginn des Krieges 1939 verfügte sie über
400.00 Mann Personal und 4.000 Flugzeuge modernster Bauart. Dazu
gehörten der Bomber Heinkel He 111, der eine maximale Bombenlast von
1.800 Kilogramm transportieren konnte. Der Jäger Me 109 und das
Mehrzweckflugzeug Me 110 der Firma Messerschmitt sowie das von den
Junkers-Werken gebaute Transportflugzeug Ju 52 gehörten zur
Standardausstattung.
Ernst Udet, einer der erfolgreichsten deutschen Jagdflieger des Ersten
Weltkrieges, forcierte ab 1936 als Leiter des Technischen Amts im
Luftfahrtministerium den Bau aerodynamisch verbesserter Flugzeuge. Der
Übergang von der Wellblech- zur Glattblechplankung sowie die Anwendung
stärkerer Motoren und neuer Technologien erhöhten die Geschwindigkeit
und Gipfelhöhe der Flugzeuge erheblich. Der Doppeldecker wurde endgültig
vom Eindecker aus Ganzmetall abgelöst.
Udet war maßgeblich für die Entwicklung des Sturzkampfbombers (Stuka) Ju
87 verantwortlich, der im Zweiten Weltkrieg wie kein zweites Flugzeug
mit dem von Udet erfundenen Sirenengeheul während des Sturzflugs
gegnerische Truppen psychologisch demoralisierte und mit seiner
maximalen Bombenlast von 1.800 Kilogramm Schrecken in der
Zivilbevölkerung auslöste.
Das Zusammenspiel von Luftwaffe und Heer war der Garant für den
schnellen Erfolg der Wehrmacht in Kriegszeiten. Die massive
Luftunterstützung für das Heer entfaltete sich direkt über dem
Gefechtsfeld zum Ausschalten gegnerischer Verbände und Stützpunkte
geflogen. Gleichzeitig trugen Kampfbomber den Luftkrieg zur Zerstörung
von Industrieanlagen und Nachschubverbindungen tief ins feindliche
Hinterland und den Tod in die Städte des Gegners.
Mit der geplanten Eroberung der Luftüberlegenheit sowie der Zerstörung
britischer Rüstungsindustrien wurden der Luftwaffe in der "Luftschlacht
um England" hingegen Aufgaben zugewiesen, denen sie weder qualitativ
noch quantitativ gewachsen war. Die Schlacht der von Göring vollmundig
propagierten "Luftmacht Deutschland" gegen Großbritannien offenbarte die
deutschen Rüstungs- und Ausbildungsmängel schonungslos: Den britischen
Hurricans und Spitfires war die Me 109 technisch unterlegen.
Hinzu kam, dass die deutschen Jägerpiloten unzureichend ausgebildet im
Schutz von Bomberverbänden waren. Durch britische Jäger erlitt die
Luftwaffe so erhebliche Verluste. Zudem verfügten die Briten mit ihrem
neu entwickelten Radar über ein technologisch revolutionäres
Frühwarnsystem, das ihnen hohe Trefferquoten erlaubte.
Nach dem Verlust von über 2.200 Maschinen wurde der Luftkrieg über
England im Frühjahr 1941 eingestellt und der Großteil der zumeist 120
Flugzeuge umfassenden Geschwader für den bevorstehenden Krieg gegen die
Sowjetunion nach Osten verlegt.
Aber auch Nordafrika forderte seinen Zoll, denn im September 1940
eröffneten italienische Streitkräfte von ihrem libyschen Kolonialgebiet
aus eine Offensive gegen das unter britischer Herrschaft stehende
Ägypten. Eine Ende des Jahres 1940 begonnene Gegenoffensive führte die
Briten bis Anfang Februar 1941 nach El Agheila an der Großen Syrte.
Gleichzeitig gingen die italienischen Kolonien in Ostafrika an britische
Truppen verloren. Der drohende Verlust Libyens und seines gesamten
Kolonialreichs veranlasste Benito Mussolini, den Verbündeten Deutschland
um militärische Hilfe zu ersuchen. Um die Schwächung der Achse
Berlin-Rom durch eine Instabilität Italiens zu verhindern, sah sich
Adolf Hitler gezwungen, der Bitte nachzukommen. Ein Sieg der Briten in
Nordafrika und die Stärkung ihrer Stellung im Mittelmeerraum hätten eine
britische Invasion in Italien und die Eröffnung einer neuen Front in
Südeuropa zur Folge haben können.
So war also die deutsche Luftwaffe an der Ostfront, gegen England und
nun in dem schwer mit Nachschub zu versorgenden Nordafrika gebunden. Die
Briten operierten von Malta aus und legten Nachschubwege von
Griechenland oder Italien nach Tripolis mit ihren U-Booten zeitweilig
völlig lahm.
Die deutsche Flugzeugproduktion war der britischen und sowjetischen
während des Zweiten Weltkrieges deutlich unterlegen. Nach dem
Kriegseintritt der USA und der Verlegung von US-Kampfgeschwadern nach
Europa verschob sich der alliierte Rüstungsvorsprung noch weiter
zuungunsten des Deutschen Reiches. Aufgrund nahezu uneingeschränkter
alliierter Luftherrschaft konnte die Wehrmacht 1944 weder die Invasion
in der Normandie noch den alliierten Vormarsch in Frankreich und Italien
oder den Vorstoß der Roten Armee an die Reichsgrenzen unterbinden.
Es fehlte später an gut ausgebildeten und erfahrenen Piloten, um
technische Vorteile weiterentwickelter Maschinen wie des Jagdbombers
Focke-Wulf FW 190, des Nachtjägers Dornier Do 217 oder des 1944 erstmals
eingesetzten Düsenjägers
Me 262 ansatzweise ausnutzen zu können.
ME
262 – Foto: Wikipedia
Und dann kam die Invasion.
In der Nacht auf den 6. Juni 1944 waren die ersten Truppen der
Amerikaner, der Briten und der Kanadier zwischen Le Havre und Cherbourg
an Land gegangen.
|
|
Zitat
Der Führer ist außerordentlich aufgekratzt. Die
Invasion findet genau an der Stelle statt, an der wir sie
erwartet hatten und genau mit den Mitteln und Methoden, auf die
wir uns vorbereitet haben. Es müsste mit dem Teufel zugehen,
wenn wir damit nicht fertig würden. Die Luftlandetruppen, die im
Hinterland herumzigeunern, schätzt der ‘Führer‘ nicht allzu hoch
ein.
[…]
Leider hat der Feind schon einige Panzereinheiten eingesetzt;
aber dagegen werden jetzt unsere operativen Reserven mobil
gemacht. Zwei erstklassige Panzerdivisionen, die in 150 km
Entfernung standen, sind in Marsch gesetzt. Sie werden bis
nachmittags um 6 Uhr zum unmittelbaren Einsatz bereitstehen. Der
‘Führer‘ ist davon überzeugt, dass es ihnen gelingen wird, die
gelandeten Einheiten des Feindes wieder hinauszuwerfen und vor
allem die Luftlandetruppen zu vernichten.
Zitatende
Quelle: Joseph Goebbels – Tagebücher – Seite 2051
– Band 5 - Piper-Verlag - 1991 |
Anfänglich war die Wetterlage günstig für die Wehrmacht. Die Angreifer
kamen nicht so gut voran, wie es bei einer anderen Wetterlage zu
befürchten gewesen wäre. Man befand sich hier meteorologisch gesehen in
der Westwinddrift, hatte also eher mit dem Durchzug von Warm- und
Kaltfronten von West nach Ost zu tun. Beim kontinentalen Klima an der Ostfront,
wo Kaltluft aus dem Osten und Norden das Wetter anders beeinflusste als
an der Atlantikküste. Somit konnte die Überlegenheit des Feindes in der
Luft bei den gegebenen Wetterbedingungen nur zum Teil zur Wirkung
kommen. Worüber der ‘Führer‘ sich begeisterte. Endlich komme das Wetter
einmal der Wehrmacht zu Hilfe.
|
|
Zitat
Göring […] ist wie immer optimistisch, um nicht zu sagen
überoptimistisch. Er hat die Schlacht beinahe schon gewonnen.
Zitatende
Quelle: Joseph Goebbels – Tagebücher – Seite 2052 – Band 5 -
Piper-Verlag - 1991
|
Die deutsche Bevölkerung geriet auf Grund eines unkontrollierten und
durch nichts begründeten Optimismus bzw. gar Illusionismus in der
Berichterstattung in eine Art von Erregungszustand, wusste man doch,
dass die Invasion der Alliierten den Ablauf der Kriegshandlungen im
Westen wesentlich beeinflussen würde.
Neben Panzern hatte man auch Luftreserven herangezogen, so dass die
Jäger stärker in die Bodenaktionen des Feindes hätten eingreifen können,
zumal sich die Sichtverhältnisse gebessert hatten, was natürlich auch
dem Feind zugutekam.
So war man über die Entwicklung des Schlachtverlaufs höchst - schon
wenige Tage nach Beginn der Invasion - unzufrieden. Die vielen gemachten
Versprechungen hielt die Wehrmacht nicht ein. Und die Luftwaffe trug
einen großen Anteil der Fehlentwicklungen dazu bei, so dass den
Masseneinflügen des Feindes kaum Gegenwehr geleistet werden konnte.
Diese außerordentliche Lage machte es notwendig, das deutsche Volk dazu
zu bringen, einen ‘totalen Krieg‘ zu führen, das heißt alle Mittel
aufzuwenden, um das Kriegsglück zu eigenen Gunsten zu wenden. Aber der
totale Krieg – von Goebbels schon am 18. Februar 1943 verkündet, und dem
Volk in seiner Rede im Berliner Sportpalast abgefordert - sei ja nur
eine Phrase und in Wirklichkeit immer noch nicht vorhanden.
Die Menschen seien ja bereit, alles aufzuwenden – nur versäume man
leider, es den Leuten zu sagen, wohin es folgen solle. Die Heeresführung
behelfe sich mit halben Mitteln, setzten mit einer kompromisslerischen
Politik die vorhandenen Kräfte nur verhalten ein – was zu ständigen
Misserfolgen führe. Und dies zeige sich jetzt Ende Juni 1944 an der
Westfront, in Italien an der Südfront und sicher bald wieder an der
Ostfront, während die Russen weiter nach Westen vordrängten.
Das permanente Gerede von den ‘Vergeltungswaffen‘ führe nur dazu, das
Volk irrezuleiten, da genüge ein Satz in der Presse, der eine falsche
Interpretation zulasse und das Volk meine, der Krieg sei in drei Tagen
beendet. Die Konsequenz sei, dass die Enttäuschung umso größer sei, wenn
der Sieg dann nicht in der herbeigeredeten Form eintrete.
Die Lage an der Westfront hatte sich in den wenigen Tagen seit dem
Beginn der Invasion durch die totale Überlegenheit des Feindes in der
Luft so sehr verschlechtert, dass die Gebiete allein schon in Frankreich
nicht mehr länger gehalten werden konnten und die Heeresleitung
unbedingt eine politische Lösung des Problems finden müsse, wenn nicht
alles verloren sein solle.
Die ständige Bombardierung trage dazu bei, dass auch im Inneren des
Landes der Glaube an den Sieg bei der Bevölkerung immer mehr verloren
gehe und defätistisches Gerede Platz greife. Am 21. Juni 1944 flog ein
Geschwader von 1.000 amerikanischen Flugzeugen die Reichshauptstadt an.
Die alte Reichskanzlei wurde aufs schwerste getroffen, das
Zeitungsviertel ebenso, der Dom und das Schloss brannten, der
Bahnverkehr war betroffen. Und die Luftverteidigung blieb aus.
Reichsmarschall Göring erfreute sich höchster Unpopularität, Hitler
erging sich in schlimmsten Ausfällen gegen Göring, der gar nicht mehr
recht zurechnungsfähig sei, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die
lebensnotwenigen Hydrierwerke vor den Angriffen zu schützen. Gehe das so
weiter, dann habe man im Sommer nur noch die Hälfte des Kraftstoffs für
das
Betreiben von Flugzeugen und
Bodengerät zur Verfügung. Es müssten die einschneidensten Maßnahmen zur
Einsparung von Treibstoff im zivilen Bereich eingeleitet und
durchgehalten werden.
Trotz der momentanen Probleme sei der ‘Führer‘ noch nicht gewillt, den
‘totalen Krieg‘ auszurufen. Die Krise, in der man sich befinde, müsse
erkannt, analysiert und durch eine Reform der Wehrmacht überwunden
werden. Das Führungspersonal der Wehrmacht müsse gewechselt und der nach
wie vor überbordende Luxus an Personal im Reich abgebaut werden.
Goebbels meinte, er könne mittels Durchkämmen der Büros dem 'Führer' eine
Millionen Soldaten zuführen.
Der ‘Führer‘ erwiderte, dass es mit der Bereitstellung der Menschen
allein nicht getan sei. Diese müssten ausgebildet und bewaffnet werden.
Und führe man tatsächlich ein großes Revirement in den
Führungspositionen der Wehrmacht durch, was solle man mit tausenden von
zurückgezogenen Offizieren anfangen, die z.B. im Staatsapparat nicht zu
gebrauchen seien. Übernehme man sie besseren Wissens als Sachbearbeiter
doch irgendwo in Bodenpositionen der Wehrmacht, könne man sich einen
sich zwangsläufig ergebenden personellen Leerlauf
nicht in Kauf nehmen, auch wenn es sich ‘nur‘ um ca. 50.000 Personen
handele.
Und wie solle er die Ablösung dieses Führungspersonals jetzt abfangen,
diese selbst aufgerissenen Löcher stopfen.
Der grundsätzliche Fehler sei gewesen, die nach dem ersten Weltkrieg
ausgeschiedene Führungsmannschaften aus ihren Positionen in der
Wirtschaft herauszuholen und mit maßgeblichen Aufgaben in der neuen
Wehrmacht zu betrauen. Da hätten sich die Herrschaften zunächst einmal
einen Apparat von Getreuen aufgebaut. Ansammlungen von Gruppen- und
Abteilungsleitern, denen es an erster Stelle darum gehe, das eigene
Wohlbefinden zuzusichern.
Und schon gar nicht könne Göring zurückgezogen werden, obwohl der in
einer Welt völliger Illusionen lebe. Daher mache die Luftwaffe in ihrer
Gesamtheit eine schwere Krise durch. Sie leide an einer überbordenden
Bürokratie, Schwierigkeiten in materiellem und moralischem Sinne.
Schon 1937 zeichnete sich ein Manko in technischer Hinsicht ab.
Mangelnde Erfahrung, fehlende Fertigungskapazitäten und ständig
wechselnde Planziele hatten dafür gesorgt, dass die Zahl der
einsatzbereiten Flugzeuge deutlich unter den Vorgaben war. In dem
Zusammenhang sind der ständige Konkurrenzkampf
zwischen den Firmen Heinkel, Junkers und Messerschmidt
zu berücksichtigen.
Verantwortlich wurde anfänglich Ernst Udet gemacht, der mit einer
falschen Materialpolitik die ‘Schlacht um England‘ verloren und für die
anfänglichen Niederlagen im Russlandfeldzug 1941 gerade zustehen habe.
Der ‘Führer‘ selbst habe kaum Einfluss nehmen können, da ihm die
Kenntnisse fehlten. Er habe sich für Bodentruppen und deren Bewaffnung
immer gut – auf Grund seiner Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der
Panzerwaffen – einsetzen können. Bei Flugzeugen aber fehle ihm der
gesamte Überblick und er sei von anderen abhängig.
Göring habe die Luftwaffe technisch verkommen und damit ins
Hintertreffen geraten lassen.
Der größte Fehler Görings aber sei, dass er nur das Angenehme hören
wolle und sich über Fakten nicht orientiere, dass er seine Umgebung dazu
erzogen habe, ihm nur glückliche Informationen zu bringen.
Dadurch lebe er in einem Zustand völliger Missinterpretation der Lage,
übertrage seine so und durch eigenes Zutun gewonnen Eindrücke auf die
gesamte Luftwaffe.
Was jetzt am Ende des Juni 1944 aus der Luftwaffe geworden sei, könne
nur mit Görings eigenem und seiner ihn unmittelbar umgebenden Mannschaft
als Versagen beurteilt werden.
Das Volk sei empört über dieses Fehlverhalten Görings und die sich
daraus ergebende Lage der Luftwaffe, wie sie sich ja anhand der
Feindeinflüge und großflächigen Bombardements durch die Alliierten nicht
verheimlichen lasse.
Der ‘Führer‘ wisse auch, dass es sich bei Göring um einen Versager
handele, der die größten Wunden schlage. Und doch könne er ihn nicht
ablösen, da sonst Reich und Partei größeren Schaden nähmen.
Was Goebbbels nicht einleuchtete.
Am 23. Juni 1944 kam der erfolgreiche Generaloberst Dietl bei einem Flug
von Salzburg nach Helsinki ums Leben.
Wieder einmal wurde deutlich, dass die deutsche Luftwaffe unter einer
Pechsträhne ohne Ende leide.
Goebbels aber glaubte nicht an ein Unglück als Einzelfall, sondern dass
es sich um Unfähigkeit, Saumseligkeit und Nachlässigkeit Görings
handele, sie seien in höchstem Maße im Spiel.
Nun, Mitte 1944, war das Deutsche
Reich immer mehr in die Defensive geraten.
|
|
Zitat
Die Lage auf der Halbinsel Cotentin ist natürlich für uns alles
andere als erfreulich. Die amerikanische Artillerie schießt sich
bereits ein und vor allem greift der Feind die Festung Cherbourg
mit massierten Luftangriffen an.
Aus Italien wird nichts besonderes Neues berichtet.
Im Osten haben die Sowjets den ganzen Tag über bei Witebsk und
Orscha angegriffen und zwar auf breiter Front und diesmal in
Stärke vieler Divisionen. Es haben sich hier harte Kämpfe
abgespielt.
Zitatende
Quelle: Joseph Goebbels – Tagebücher – Seite 2070 – Band 5 -
Piper-Verlag - 1991
|
Am 18. August 1943 – also ein Jahr zuvor - hatte sich der
Generalstabschef der Luftwaffe, Hans Jeschonnek, erschossen. Jetzt – ein
Jahr später erfuhr Goebbels, dass es seinerzeit eine erregte Debatte
zwischen Jeschonnek und Göring gegeben hatte, nach der der Erstere noch
die Abendlagebesprechung abhielt und sich dann in seinem Zimmer
erschoss.
Göring hatte von einer Besprechung mit Hitler kommend, Jeschonnek
vorgehalten, er trüge, wenn Deutschland den Krieg wegen der falschen
Flugzeugproduktionspolitik verlöre, die Schuld daran.
Worauf Goebbels meinte, die Fliegerhelden machten es sich einfach, sich
der Verantwortung für einen geschichtlichen Versager zu entziehen. Udet
habe ja durch Kopfschuss so gehandelt, als ihm klar wurde, dass seine
Politik in eine Sackgasse geführt habe.
Auf einer Fahrt nach Breslau kam Goebbels durch Trümmerlandschaften und
er sah noch in Berlin, wie sehr die Stadt gelitten hatte, Der Dom eine
Kirchenruine, das Schloss bot einen erbarmungswürdigen Anblick. Alles
andere sei eine physische Qual.
Dazu dann am 20. Juli 1944 das Attentat, nicht erfolgreich, da Hitler
verletzt überlebte.
Goebbels meinte, Staufenberg habe mit seiner Persönlichkeit eine
ungeheure Rolle gespielt. Mit seiner großen Beredsamkeit habe er
Wankelmütige und Zauderer überredet, mitzumachen. In den letzten Monaten
habe er den Putsch massiv vorbereitet, sei von Verräter zu Verräter
gefahren und sie unentwegt bearbeitet.
Der Komplex Westfront wurde in den Prozessen, die das Attentat auslöste,
behandelt. In diesen wurde auch Rommel neben seinen Misserfolgen an der
Atlantikküste schwer als Mitwisser am Attentat bezeichnet.
Die Ostlage war außerordentlich traurig. Es bestand keine Hoffnung, dass
sich die eingeschlossenen Divisionen mit insgesamt 100.000 Mann
zurückkämpfen könnten.
Speer wollte als Rüstungsminister - trotz der Misere an allen Fronten in
Bezug auf den Mangel an Personal - aus der Rüstungsindustrie keinen der
UK-gestellten Soldaten abgeben. Er
könne sonst die Produktion der Waffen
nicht aufrechterhalten.
In der Öffentlichkeit machte sich eine defaitistische Stimmung breit,
zumal ruchbar wurde, dass die Fronten wegen materieller und personeller
Überlegenheit des Feindes nicht gehalten werden konnten.
Dass der Osten aufgegeben werden musste, hatte man hingenommen. Dass man
im Süden zurückging, um im Westen stark zu bleiben, wurde nicht
kritisiert.
Dass man aber im Westen jetzt auch noch unterlegen war und sich
zurückziehen musste, sei dem Volk nicht zu vermitteln.
Irgendwo müsse man doch einmal zum Stehen kommen und die Front halten,
sonst mache doch der ganze Krieg keinen Sinn mehr.
Es kam
nichts mehr zum Stehen. Im Gegenteil, an allen Fronten waren nur noch
Rückzugsbewegungen zu beobachten.
Im Westen begann das Vorrücken der Alliierten nach Osten im Rahmen des
Unternehmens ‘Cobra‘ in Richtung Paris, ein Korps der 3. US-Armee stieß
nach Westen vor, um die Atlantikhäfen einzunehmen. Die Überlegenheit des
Feindes war so groß, dass man seitens der Heeresleitung mental sich nur
noch damit abfinden konnte: der Krieg war verloren, denn wenn Frankreich
völlig in die Hände der Alliierten fiel, war auch kein U-Boot-Krieg von
den Häfen an der Atlantikküste aus mehr zu führen. Grundlegend war hier
nichts zu erreichen, denn die Lufthoheit des Gegners war derartig
überragend, dass fast jede Bewegung von Truppen am Boden zwangsläufig in
der Zerstörung dieser führen musste. Auch der Austausch von
Führungskräften konnte nichts bewirken, da alle mit denselben
Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Ob nun von Kluge oder den ihn
ersetzenden Model waren der gleichen Problematik ausgesetzt. Kluge
brachte sich um, da er unter seinen Fehleinschätzungen litt und
befürchtete in Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli gebracht zu
werden.
Nach der Landung französisch-amerikanischer Einheiten an der
Mittelmeerküste zwischen Toulon und Cannes am 15. August 1944 und dem
Zusammenbruch des Vichy-Regimes stießen die Alliierten auch Rhône- und
Saône-aufwärts konzentrisch Richtung deutsche Grenze vor.
Am 25. August 1944 befreiten die Alliierten unter dem frenetischen Jubel
der Bevölkerung kampflos Paris, wo Charles de Gaulle eine provisorische
französische Regierung bildete. Der deutsche Stadtkommandant von Paris,
General Dietrich von Choltitz (1894-1966), hatte zuvor kapituliert und
damit einen Befehl Hitlers verweigert, Paris zu verteidigen oder "nur
als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen" zu lassen.
Auch die Ostfront geriet im Sommer 1944 immer mehr in Schwierigkeiten.
|
|
Zitat
Die Ostlage ist für uns im Süden natürlich außerordentlich
traurig. Es besteht kaum noch Hoffnung, dass unsere
eingeschlossenen Divisionen sich noch zurückkämpfen können. Es
handelt sich um insgesamt um etwa 100.000 Mann […]
Demgegenüber hat sich die Lage in der mittleren und an der
Nordfront etwas stabilisiert. Im Bereich des uns noch
verbliebenen Teiles des Generalgouvernements herrscht ein wahres
Chaos. Allerdings habe ich darüber so einen Krach mit Speer
bekommen, der immer wieder darauf beharrt, dass die
Rüstungsindustriellen nur UK-Stellungen aufheben dürfen, wenn
sie eine schriftliche Erklärung abgeben, dass damit die
Fertigung nicht herabsinkt. Das ist natürlich für die
Rüstungsproduktion eine bequeme Ausrede, hinter der sie sich
immer verstecken kann.
Zitatende
Quelle: Joseph Goebbels – Tagebücher – Seite 2089 – Band 5 -
Piper-Verlag - 1991
|
Selbst die Gutwilligen, die fest im Nationalsozialismus Verhafteten,
zweifelten daran, dass die Krise an allen Fronten noch gemeistert werden
könne.
Goebbels entschloss sich drauf hin, die Schließung aller Theater und
Vergnügungsstätten zum 1. September 1944 zu verkünden. Wer nicht auf der
Gottbegnadetenliste stand und damit die Möglichkeit hatte, beim Film -
der ja weiterhin in großen Mengen hergestellt wurde - , beschäftigt zu
werden, musste an die Front oder zumindest in Rüstungsbetrieben
arbeiten.
|
|
Zitat
Noch im April 1945, als weite Teile Deutschlands
schon in Trümmern lagen, wurden im zerstörten Berlin in großen
Kinopalästen
Unterhaltungs- und Propagandafilme aufgeführt. Rother, der
sich mit dem Thema seit Jahren beschäftigt und vor kurzem das
Buch "Zeitbilder - Filme des
Nationalsozialismus" veröffentlichte, weist auf die - aus Sicht
der Nazis - überragende Bedeutung des Mediums Film hin.
Wenige Monate vor Kriegsende noch sollte die
Bevölkerung abgelenkt, aber auch im Glauben an den
"Endsieg" bestärkt werden: "Sie (die deutsche
Filmproduktion, A.d.R.) ist 1944 weitergegangen, es gab
auch Klagen seitens des Propagandaministeriums, dass die Anzahl
der Filme nicht ausreichend sei. Es gab sehr deutlich das
Bestreben, die Film-Produktion aufrechtzuerhalten und auch auf
einem hohen Niveau zu erhalten, damit die sogenannte
Grundversorgung gesichert war."
Zitatende
Quelle:
https://www.dw.com/de/totaler-kriegseinsatz-auch-beim-film-kino-bis-zuletzt/a-53332738 |
Annelise Rothenberger, die gerade in Koblenz ihre Karriere begonnen
hatte, musste die Bühne verlassen und in einer Fabrik für Blechdosen
arbeiten.
Die Theater in Österreich waren selbstverständlich von der Einschränkung
der Tätigkeiten ebenso betroffen.
Auch die Salzburger Festspiel fanden 1944 nicht mehr statt. Clemens
Krauss schaffte, die vorgesehen Uraufführung der Strauss’schen Liebe
der Danae durch Umwandlung in eine Probe doch stattfinden zu lassen.
Außerdem fanden noch drei Konzerte statt.
Taking Sides - Der Fall Furtwängler
-
Spielfilm Deutschland/Frankreich/Großbritannien 2001
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs soll US-Major Steve Arnold
aufklären, auf welcher Seite der berühmte Dirigent Wilhelm Furtwängler
stand, der sich entschieden hatte, das nationalsozialistische
Deutschland nicht zu verlassen; war er für oder gegen die Nazis? Arnold
geht bis zum Äußersten, um "seine" Wahrheit zu finden.
Der Text des Films ist zu wichtig, trägt zur Aufklärung der Situation
der Künstler in der damaligen Zeit bei, dass hier der Versuch einer
Nachschrift unternommen wird.
|
|
Der Fall Furtwängler
Zitat
Person1: Dr. Furtwängler? Der Herr
Reichsminister!
Reichsminister: Dr. Furtwängler, ich möchte mich
persönlich für diesen Stromausfall entschuldigen. Ihre
Aufführung hat mir außerordentlich gefallen und ich meine, in
Zeiten wie diesen können wir geistige Nahrung gebrauchen. Aber
ich möchte diese unerwartete Unterbrechung nutzen, um mit ihnen
zu reden. Als sie heute Abend auf das Podium traten, hab‘ ich
gedacht, sie wären krank? Sie sahen sehr müde aus! Gehen Sie weg
von den Bombenangriffen! Weg vom Krieg! Gehen Sie mal für eine
Weile ins Ausland! Ja, Sie sehen müde aus, selbst in diesem
Licht.
Ankläger A.: Sehen Sie sich das an?
Foto:
https://www.arte.tv/de/videos/115953-000-A/taking-sides-der-fall-furtwaengler/
Männer, Frauen, Kinder, meine Güte, haben die ihn geliebt.
Wissen Sie, Adolf Hitler hat etwas Dunkles, Wildes, Barbarisches
berührt und das wird nicht über Nacht verschwinden. Man muss es
mit Stumpf und Stiel ausrotten. Wissen Sie, was ich glaube, ich
glaube, die waren alle Nazis und die wissen, dass ihre Führer,
diese Mistkerle, die in Nürnberg vor Gericht stehen, es nicht
allein hätten tun können, dieses Volk hat sie uneingeschränkt
unterstützt. Freiwillig!
Da ist er ja! Furtwängler. Wilhelm Furtwängler.
Hallo! Also, Sie haben nie von ihm gehört?
Ankläger B.: Nein!
Ankläger A.: Wissen Sie, wer Arturo Toscanini ist?
Ankläger B.: Natürlich!
Ankläger A.: Der ist so bedeutend wie Toscanini,
womöglich noch bedeutender. In dem Teil der Welt ist er so etwas
wie eine Mischung aus Bob Hope und Betty Grable.
Ankläger B.: Und ich hab‘ nie von ihm gehört.
Ankläger A.: Sie waren vor dem Krieg bei einer
Versicherung?
Ankläger B.: Ja! Ich war Schadensregulierer.
Ankläger A.: Entschlossen, gewissenhaft, hartnäckig.
Ankläger B.: Sie haben gesagt, ich sei hartnäckig?
Ankläger A.: Die haben gesagt, wenn Sie einen Fall
übernehmen, verbeißen sie sich in ihm.
Aber wir können ja in diesem Land nicht alle Nazis vor Gericht
stellen. Obwohl ich das gern täte. Es ist aber unmöglich. Wir
greifen uns nur die Prominenten in Industrie, Erziehung, Justiz
und Kultur.
Ankläger B.: Wie den Bandleader?
Ankläger A.: Ach wissen Sie, der ist etwas mehr als nur
ein Bandleader, Steve. Er ist ein großer Dirigent. Ein genialer
Künstler, aber wir glauben, dass er sich an den Teufel verkauft
hat. Ihre Aufgabe ist es vor allem, ihn mit der Partei der Nazis
in Verbindung zu bringen. Lassen Sie sich aber von ihnen nicht
beeindrucken. Unsere Leute zu Hause sollen begreifen, warum wir
diesen Krieg geführt hatten. Sie weisen nach, dass Wilhelm
Furtwängler schuldig ist. Er repräsentiert alles, was in
Deutschland widerwärtig war. Nein, bleiben sie Steve, ich habe
noch andere Aufnahmen, die Sie unbedingt sehen sollten.
Oh, wir haben vielleicht ein kleines Problem. Unsere
Besatzungsbehörden in Wiesbaden haben die Aufgabe, diesen armen
Unglücklichen bei ihrer Verteidigung behilflich zu sein. Von
denen hört man immer wieder, „wir müssen gerecht sein.“ Man muss
den Eindruck haben, dass wir gerecht sind, aber ich hab‘ nur
eine einzige Antwort für diese Liberalen in Wiesbaden. Leckt
mich am Arsch! Sie werden ausschließlich mir berichten. Haben
Sie verstanden? […]
Aufruf: Denke immer daran, keine Verbrüderung. Wer sich
in Deutschland vor einem hübschen Mädchen verbeugt oder ein
blondes Kind tätschelt, verbeugt sich vor Adolf Hitler, vor
seiner Blutherrschaft. Ihr streichelt die Ideologie, die Tod und
Zerstörung bedeutete. Man weiß nicht, wer Mitglied der
Nazi-Partei war, lasst euch nicht täuschen, verbrüdert euch
nicht.
Person 2: Fräulein, das ist Major Arnold!
Sir, das ist Ihre Sekretärin, Fräulein Emmi Straube. Ihre Akte
liegt auf Ihrem Tisch. Die Verwaltung hat sie geschickt. Das
wäre alles, Sir.
Ankläger B.: Sie wohnen hier in Berlin?
Sekretärin: Ja!
Ankläger B.: Steno und Schreibmaschine?
Sekretärin: Ja!
Ankläger B.: Ok! Also! Wie lange waren Sie in dem Lager?
Sekretärin: 3 Monate.
Ankläger B.: Hier steht wegen Ihres Vaters. Was ist damit
gemeint?
Sekretärin: Mein Vater war als Offizier an der
Verschwörung gegen Hitler beteiligt. Sie verhafteten die
Verschwörer und ihre Familien.
Ankläger B.: Und Ihre Mutter auch?
Sekretärin: Sie musste länger leiden. Sie war in
Ravensbrück.
Ankläger B.: Und Ihr Vater wurde hingerichtet? Ich werde
sie Emmi nennen und sie nennen mich Steve! OK? Ich habe eine
Liste, auf der stehen Dinge, die Sie mir besorgen. Wenn Sie
etwas brauchen, sagen Sie es mir.
Sekretärin: Major?
Ankläger B.: Steve!
Sekretärin: Es gibt ein paar Nachrichten für Sie. Ein
David Willis hat angerufen. Vom Allied Control Office in
Wiesbaden. Ich weiß nicht, wer er ist und dann, dann gab es 3
Anrufe von Doktor Furtwängler, er wollte wissen, wann Sie ihn
sehen wollen, ich habe nicht persönlich mit ihm gesprochen.
Ankläger B.: Können Sie mir irgendwas davon besorgen.
Sekretärin: Oh ja! Major, ich habe Aufnahmen von all
seinen Symphonien. Sie haben die Luftangriffe überlebt. Am
meisten mag ich die siebte Sinfonie.
Ankläger B.: Oh, ich mag die Elfte.
Sekretärin: Aber er hat nur neun geschrieben, Major!
Ankläger B.: Das war nur ein Scherz, Emmi! Und haben Sie
außerdem auch noch ein Grammophon?
Sekretärin: Nein, es ging kaputt.
Ankläger B.: Was sind das für Akten?
Sekretärin: Die Namen der Mitglieder des Berliner
Philharmonischen Orchesters, seit 1934 und ihre Fragebögen.
Major, was bitte soll ich denn Doktor Furtwängler sagen?
Ankläger B.: Sie sagen gar nichts, Emmi. Sollte er
anrufen, sagen Sie, Sie wissen nichts, den lassen wir erstmal
warten. Ich mach mich mit seinem Fall vertraut. Und mit dem, was
die Zeugen sagen. Und Gott, hilf mir mit Beethoven.
●
David Willis:
Ltd. Willis meldet sich zur Stelle. Major Arnold, Sir!
Ankläger B.: Was soll das? Diesen Scheiß kann ich nicht
hören! Lassen Sie das sein!
Ankläger B.: Ich bin Steve Arnold! Wie heißen Sie?
David Willis: David Willis, ich bin Verbindungsoffizier
zum Allied Control Office.
Ankläger B.: Das kann ja lustig werden. Also die großen
Superjungs wollen mich überprüfen. Wir rekrutieren jetzt schon
Kinder?
David Willis: Ich glaube ja, Sir.
Ankläger B.: Nennen Sie mich nochmal ‘Sir‘ zwinge ich Sie
zum Beethoven hören. Wo kommen Sie her, David?
David Willis: Ich bin geboren in Leipzig. Ich bin ‘36
entkommen. Meine Eltern schickten mich zu meinem Onkel nach
Philadelphia. Sie wollten nachkommen, aber, sie konnten nicht
gleich weg und …. Unser Familienname war ‘Weil‘. Aber das klingt
nicht gut in Englisch und darum hat mein Onkel …
Ankläger B.: Kommen Sie Emmi, das ist ja auch Ihr Büro.
Emmi, das ist Ltd. David Willis. Er ist gekommen, um uns zu
überwachen. Ich nehme an, Sie bewundern Musiker!
David Willis: Einige.
Ankläger B.: Tun Sie es nicht, das ist hier eine
kriminalistische Ermittlung, David! Musiker, Bestatter, Ärzte,
Anwälte, Metzger, Angestellte, sie sind alle gleich. Wir haben
eine Pflicht. Eine moralische Pflicht!
●
Sekretärin:
Herr Rudolf Werner?
Ankläger B.: Nehmen Sie Platz, Werner! Ich werde Ihnen
erklären, warum Sie hier sind. Es werden Ermittlungen
durchgeführt gegen Wilhelm Furtwängler - ehemaliger preußischer
Staatsrat - Verbot öffentlicher Auftritte gemäß
Kontrollratsbeschluss Nummer 24. Und der hat beantragt, vom
Künstler-Tribunal des Entnazifizierungsausschusses gehört zu
werden. Mich interessiert alles, was er in der Zeit von ‘33 bis
zum Ende des Krieges getan hat. Haben Sie verstanden?
Rudolf Otto Werner: Ja!
Ankläger B.: Rudolf Otto Werner. Bläser seit 1936.
Welches Instrument haben Sie gespielt?
Rudolf Otto Werner: Erste Oboe.
Ankläger B.: Ich habe hier ihren Fragebogen. Da steht,
Sie waren niemals Mitglied der Nazi-Partei?
Rudolf Otto Werner: Das war ich nicht. Nein. Nein, ich
war nie Nazi. Ich interessiere mich nicht für Politik, ich bin
Musiker.
Ankläger B.: Nein, nicht so schnell. Fräulein Staube muss
stenografieren, was Sie sagen.
Rudolf Otto Werner: Straube? Sind sie zufällig verwandt
mit Oberst Joachim Straube?
Sekretärin: Mein Vater.
Rudolf Otto Werner: Es ist eine Ehre, mein Fräulein. Ihr
Vater war ein wahrer Patriot. Doktor Furtwängler ist ein großer
Musiker. Er hat aktiv Widerstand geleistet und später hat er
vielen Juden bei der Flucht geholfen.
Ankläger B.: Wie erklären Sie es mir, dass man ihn
trotzdem zum preußischen Staatsrat gemacht hat.
Rudolf Otto Werner: Das war Hermann Göring, ich habe
gehört, er machte den Maestro zum Staatsrat, ohne ihn zu fragen,
doch Doktor Furtwängler leistete Widerstand und auch Doktor
Goebbels.
Ankläger B.: Er hat auch für Hitler dirigiert, nicht
wahr?
Rudolf Otto Werner: Ja, das stimmt. Aber er verweigerte
den Nazi-Gruß in Hitlers Gegenwart. Das war mutig!
Ankläger B.: Mutig? Da feiert man Hitlers Geburtstag und
spielt ein bisschen heroische Musik von Wagner, aber verweigert
den Nazi-Gruß. Bravo!
Rudolf Otto Werner: Es war Beethovens Neunte.
Ankläger B.: Halten Sie das wirklich sehr mutig? Hat er
sich nicht verbeugt und ihm die Hand geschüttelt?
●
Schlee: Nein!
Nein, ich gebe Ihnen mein Wort. Ich war niemals Mitglied der
Nazi-Partei, niemals. Ich spiele ein Schlaginstrument. Ich bin
Paukist. Das hätten sie sowieso nie zugelassen, mein Bruder war
mit einer Jüdin verheiratet. Möge sie in Frieden ruhen und
Goebbels sagte --- Bitte notieren Sie das wortwörtlich, denn es
ist sehr wichtig, Fräulein?
Sekretärin: Straube!
Schlee: Straube? Sind Sie zufällig verwandt mit Oberst
Joachim Straube?
Sekretärin: Mein Vater!
Schlee: Ah ja, er war ein, er war ein großer Held.
Goebbels, Josef Goebbels sagte: in Deutschland dürfte wirklich
kein einziger dreckiger Jude übrig sein, für den Doktor
Furtwängler nicht interveniert hätte. Nein, nein niemand war
weniger Nazi als Doktor Furtwängler.
Ankläger B.: Ja, aber derselbe Kerl dirigierte für Adolf
an seinem Geburtstag,
Schlee: Er wurde gezwungen zu dirigieren, aber er
verweigerte den Nazi-Gruß in Gegenwart Hitler. Er behielt den
Taktstock in der Hand, man kann nicht …
Ankläger B.: Und was war in Nürnberg beim
Reichsparteitag?
Schlee: Nein, wir spielten am Abend vor dem Parteitag.
Ankläger B.: Oh! Am Abend davor, ich verstehe.
Schlee: Ja, Sir! Doktor Furtwängler hat immer wieder
deutlich betont, Politik und Kunst muss man immer voneinander
trennen.
Ankläger B.: Politik und Kunst muss man immer voneinander
trennen, das merke ich mir! Ja, aber Sie können mir vielleicht
eine Frage beantworten, ich verstehe einfach nicht und ich würde
das wirklich gerne wissen: Warum sie alle so verrückt nach
diesem Mann sind. Was ist sein Geheimnis?
Schlee: Ja, das kann ich kaum erklären, ich kann ihnen
nur, was ich erlebt habe, erzählen. Kurz nachdem ich in das
Orchester kam. Wir probten die dritte Symphonie von Beethoven,
die Eroica, und da gibt es wirklich einige sehr schwierige
Passagen für die Pauke, ein bestimmtes Crescendo. Während der
Pause fragte ich: “Bitte, wie soll ich das spielen?“ Er
studierte seine Partitur, er sah nicht auf, als er sagte:
“Beobachten Sie mich!“ Und das habe ich natürlich getan. Ich
habe ihn immer beobachtet, der Moment kam und dann, dann wandte
er sich mir zu. Und unsere Augen versenken sich ineinander und
da gab es etwas in seinem Blick. Das forderte von mir das
Crescendo. Ich werde diesen Blick nie vergessen, es war ein
Moment voller: Magie!
Ankläger B.: Haben Sie Adolf Hitlers Augen gesehen, wenn
er zu den Massen sprach? Ich hab‘ das in Filmen gesehen. War
Furtwängler anzusehen genauso?
Schlee: Ich weiß nicht, was Sie meinen, Major?
Ankläger B.: Ich meine, als dieses Crescendo kam?
●
Ankläger B.:
Glauben Sie man kann ein ganzes Orchester 120 Mann so im Griff
haben.
Person 2: Ich glaube, das ist möglich!
Ankläger B.: Und was will der Russki von uns?
Person 2: Oberst Dymschitz wollte unbedingt Sie sprechen!
Ankläger B.: Dymschitz? Was zum Teufel machen die hier?
David Willis: Sie versuchen, Gemälde und Kunstwerke, die
die Nazis im besetzten Gebieten gestohlen haben, zuzuordnen. Da,
der da an der Wand, das ist Dymschitz, Kunsthistoriker, Direktor
des berühmten Leningrader Kunstmuseums, Experte für deutsche
Kultur.
Oberst Dymschitz: Major, mein Name ist Dymschitz. Ich
freue mich, sie zu sehen.
Ankläger B.: Freut mich.
Oberst Dymschitz: Also Major, haben Sie Doktor
Furtwängler inzwischen schon befragt?
Ankläger B.: Noch nicht.
Oberst Dymschitz: Oh! Ich war zweimal mit ihm zusammen,
er ist ein großer Musiker. Manche meinen, der beste Dirigent der
Welt. Sein Brahms, Beethoven, Schubert – unvergleichlich! Lassen
Sie mich zur Sache kommen, ich habe ihm eine interessante
Position angeboten, und zwar Dirigent der Staatsoper Unter den
Linden. Abgelehnt! Aber ich will ihn haben, und zwar unbedingt.
Und ich brauche Ihre Hilfe. Major.
Person 3: Einen Augenblick bitte, Sie hätten erst mit mir
sprechen müssen,
Oberst Dymschitz: Aber ich rede doch gerade bei denen
darüber!
Major. Ich will, dass Sie ihre Nachforschungen einstellen. Da
könnten Sie uns allen viel Zeit und Ärger sparen.
Person 3: Wir können einen Fall nicht einfach ad acta
legen.
Oberst Dymschitz: Sie können dafür, wenn Sie wollen,
einen anderen Dirigenten eintauschen. Schriftsteller,
Schauspieler, Musiker, was immer Sie wollen, aber ich hätte gern
Furtwängler, der ist mein Lieblingsdirigent, mein und Hitlers –
er ist unser Lieblingsdirigent.
●
Ankläger B.:
David, ich muss Sie etwas fragen. Sie haben das Gerücht gehört,
dass die Briten ein sogenanntes Hinkel-Archiv entdeckt haben.
Und was ist das?
David Willis: Also, die Briten haben das Gebäude besetzt,
in dem dieser Hinkel, Hans Hinkel, das Nazi-Ministerium für
Kultur geleitet hat. Und offenbar haben sie sein Geheimarchiv
entdeckt.
Ankläger B.: Und was hat das zu bedeuten?
David Willis: Ich weiß es nicht! Aber die Briten sind
deshalb ziemlich aufgeregt. Man sagt, Hinkel hat über jeden
Künstler im Dritten Reich eine Akte geführt.
Ankläger B.: Aha! Und werden die Briten diesen Fund mit
ihren Alliierten teilen?
David Willis: Major Richards wird uns
deswegen anrufen.
Ankläger B.: Hm, sehr lieb von ihm. Also befragen wir den
nächsten Zeugen. Ich wette um eine Flasche französischen
Champagner, die Taktstock Nummer hören wir in höchstens 10
Minuten.
David Willis: Nur 5 Minuten.
Ankläger B.: Gut, die Wette gilt, Sie haben es gehört,
Emmi. Helmut Alfred Rohde. Zweiter Violinist seit 1935. Was
bedeutet zweiter Violinist?
Helmut Alfred Rode: Ich war nicht gut genug, um erster
Violinist zu sein.
Ankläger B.: Gut! Und entsprechend Ihrem Fragebogen,
Helmut, sind Sie niemals der Nazi-Partei beigetreten?
Helmut Alfred Rode: Ich, niemals! Niemals! Ich hab‘ ...
Ich weiß, alle behaupten, sie waren nie Nazis, aber was mich
angeht, ist das absolut 100% wahr, ich bin Katholik. Das hätte
sich gegen mein Gewissen gerichtet. Ist es wahr, dass Sie heute
auch Doktor Furtwängler verhören?
Ankläger B.: Ich stelle die Fragen, Helmut.
Helmut Alfred Rode: Verzeihung. Wussten Sie, dass er den
Nazi-Gruß verweigert hat, als Hitler im Publikum anwesend war?
Das Problem war, wie konnte er vermeiden, den Gruß des Teufels
zu entbieten, wenn Satan unter den Zuschauern saß, dann sagte
ich zu Doktor Furtwängler, wieso treten sie nicht mit dem
Taktstock in der rechten Hand auf. Hitler sitzt in der 1. Reihe
und wenn Sie den Gruß entbieten mit dem Taktstock in der rechten
Hand, sieht es aus, als würden Sie ihm eben die Augen ausstechen
wollen. Er war, Er war mir wirklich sehr dankbar für diesen
Vorschlag. Nach dem Konzert habe ich ihn gestohlen, diesen
Taktstock. Ich nahm ihn als Erinnerung an eine mutige Tat. Ich
habe ihn immer noch. Ich hätte ihn mitbringen sollen. Ich, ich
hoffe ich, ich spreche nicht zu schnell für Sie, Fräulein?
Sekretärin: Straube!
Helmut Alfred Rode: Straube? Sind sie verwandt mit Oberst
Joachim Straube?
Sekretärin: Mein Vater!
Helmut Alfred Rode: Es ist mir eine Ehre, ihre
Bekanntschaft zu machen, Fräulein Straube. Ihr Vater, war ein
wahrer Patriot, ein Mann Gottes.
Ankläger B.: Sie wollen Helmut etwas fragen, David?
David Willis: Ja, wie hat das Orchester reagiert, als Sie
gebeten wurden, bei Hitlers Geburtstag zu spielen?
Helmut Alfred Rode: Wir haben nicht an seinem Geburtstag
gespielt, wir spielten am Abend vorher, es war, es war der 19.
April, nicht der 20.!
Ankläger B.: Kennen Sie Hans Hinkel?
Helmut Alfred Rode: Kenne ich Hans Hinkel?
Ankläger B.: Das habe ich gefragt. Sie haben die Frage
offenbar verstanden, wie wäre es, wenn sie Sie beantworteten!?
Helmut Alfred Rode: Hans Hinkel war im Ministerium für
Kultur, woher sollte ich einen solchen Mann kennen? Ich hörte,
die, die Briten haben sein Archiv. Protokolle und Akten …
Ankläger B.: Wissen Sie, was dieses Archiv enthält?
Helmut Alfred Rode: Wie soll ich wissen, was in diesem
Archiv ist?
Ankläger B.: Ok, Sie dürfen gehen, Helmut. Gehen Sie!
●
Sekretärin:
Major, Major – er ist hier!
Ankläger B.: Schließen Sie die Tür, Emmi! Setzen Sie
sich! Wir werden ihn etwas warten lassen. Emmi holen Sie uns
Kaffee und bieten Sie ihm keinen Kaffee an. Sie grüßen ihn nicht
einmal.
Furtwängler: Fräulein!? Wie lange wird man mich noch
warten lassen?
Ankläger B.: Ok, Emmi - holen Sie ihn.
Sekretärin: Doktor Furtwängler?
Ankläger B.: Ich habe nicht gehört, dass jemand Sie
gebeten hat, Platz zu nehmen.
Der Stuhl!
Ich erkläre Ihnen, warum Sie hier sind. Ihnen ist verboten,
öffentlich aufzutreten, entsprechend Kontrollratsbeschluss Nr.
24. Wir untersuchen Ihren Fall, bevor darüber vor dem
Künstler-Tribunal des Entnazifizierungsausschusses befunden
wird. Haben Sie das verstanden?
Furtwängler: Ich wurde schon vom
Entnazifizierungstribunal in Österreich entlastet.
Ankläger B.: Was die da in Österreich machen, das
interessiert mich überhaupt nicht! Ok?
Ich habe hier Ihren Fragebogen. Gustav, Heinrich, Ernst, Martin,
Wilhelm Furtwängler. Geboren in Berlin, Januar 1886,
Orchesterdirigent. Und hier steht, Sie sind nie Mitglied der
Nazi-Partei gewesen.
Furtwängler: Das ist richtig.
Ankläger B.: Erklären Sie uns doch bitte mal. Wie wurde
man preußischer Staatsrat, wenn man nicht Mitglied der Partei
war?
Furtwängler: Ich erhielt ein Telegramm von Hermann
Göring, aus dem hervorging, dass er mich zum Staatsrat gemacht
hatte. Ich hatte keine Möglichkeit, die Ernennung abzulehnen
oder anzunehmen und nach den äußerst schrecklichen Vorfällen im
November 1938, den Gewalttätigkeiten gegen die Juden, habe ich
diesen Titel nicht mehr benutzt.
Ankläger B.: Was ist mit Vizepräsident der
Reichsmusikkammer? Diesen Titel haben Sie benutzt, nicht wahr?
Aber ich glaube, da haben Sie auch keine Wahl gehabt. Ich nehme
viel eher an, Doktor Goebbels schickte Ihnen einfach ein
Telegramm, lieber Herr Vizepräsident.
Furtwängler: Ich erhielt von Doktor Goebbels, glaube ich
kein Telegramm, das wurde mir einfach in einem Brief mitgeteilt,
dass weiß ich aber nicht mehr genau.
Ankläger B.: Tja, Goebbels und Göring überhäuften Sie mit
Ehren nicht lang, der eine machte Sie zum Staatsrat, der andere
machte Sie zum Vizepräsidenten der Reichsmusikkammer und Sie
waren noch nicht mal Mitglied der Partei. Wie erklären Sie das?
Furtwängler: Es gab einen ständigen Kampf zwischen Göring
und Goebbels, wer, von wem die deutsche Kultur kontrolliert
werden sollte. Ich war nur eine Schachfigur. Auf jeden Fall bin
ich aus der Musikkammer ausgeschieden und nahm meinen Abschied
als musikalischer Leiter der Berliner Philharmoniker, das war
1934.
David Willis: Warum das? Warum traten Sie zurück,
Doktor Furtwängler?
Furtwängler: Ich schrieb einen offenen Brief an die
Zeitungen, in dem ich missbilligte, was sie der Musik antaten,
indem sie zwischen Juden und Nichtjuden unterschieden haben. Es
gibt für mich nur den Unterschied zwischen gut und schlecht,
wenn es um Kunst geht. Irgendwann rief Goebbels mich zu sich.
Und sagte mir, ich dürfte das Land verlassen. Wenn ich wollte,
aber ich dürfte auf keinen Fall jemals wieder zurückkehren. Ich,
ich habe immer geglaubt, dass, dass man von innen her kämpfen
muss, aber nicht von außen. Und ich habe mich gefragt, wozu ist
ein Künstler verpflichtet, zu gehen oder zu bleiben? Und dann
hat Goebbels von mir verlangt, Hitler anzuerkennen als
alleinverantwortlich für die Kulturpolitik. Tja, das war eine
Tatsache und zwecklos, es zu leugnen. Ich habe einfach
anerkannt, dass Hitler und der von ihm ernannte Minister für
Kultur allein verantwortlich waren für die Kulturpolitik des
Reiches. Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass ich
persönlich ganz bestimmt nicht verantwortlich zu machen sei für
ihre Kulturpolitik. Ich war schon immer der Ansicht, dass Kunst
und Politik nichts miteinander zu tun haben.
Ankläger B.: Aber warum haben Sie auf einem
Reichsparteitag in Nürnberg dirigiert?
Furtwängler: Nein, ich dirigierte auf keinem Parteitag.
Ich, ich dirigierte am Abend vor dem Parteitag.
Ankläger B.: Das klingt genauso wie das Kleingedruckte in
einer unserer Versicherungspolicen, Wilhelm. Und der 19. April
im Jahre 1942 der Abend vor Hitlers 53. Geburtstag, da gab es
eine imposante Feier, da haben Sie doch für Hitler dirigiert.
War das zu vereinbaren mit Ihrer Ansicht, dass Kunst und Politik
nichts miteinander zu tun haben sollten?
Furtwängler: Das war etwas vollkommen anderes. Ich bin
reingelegt worden.
Ankläger B.: Und wie?
Furtwängler: Dürfte ich um ein Glas Wasser bitten. Bitte,
Fräulein?
Sekretärin: Straube.
Furtwängler: Danke. Danke. Ich war in Wien und probte
Beethovens Neunte als Goebbels anrief und sagte, dass ich an
Hitlers Geburtstag dirigieren müsse. Ich hatte es immer
geschafft, mich aus solchen Einladungen herauszuwinden. Ich
sprach von Engagements, Krankheit, ließ meine Ärzte Atteste
schreiben usw. usw. - es war auch mein Glück, dass Baldo von
Schirach, der Wien beherrschte, Doktor Goebbels hasste und alles
tun würde, um dessen Pläne zu vereiteln. Aber leider war
Goebbels diesmal vor mir bei meinen Ärzten und die bekamen
furchtbare Angst. Von Schirach wurde schikaniert und bedroht und
gab nach. Ich hatte keine Alternative, als für Hitler zu
dirigieren. Glauben Sie mir, ich wusste, dass das ein Kompromiss
war. Was ich zutiefst bedauere.
Ankläger B.: Das halte ich aber nicht für einen Trick.
Ich glaube, Sie haben sich geeinigt.
Furtwängler: Das habe ich nicht getan.
Ankläger B.: Das glaube ich Ihnen nicht.
Furtwängler: Aber es ist die Wahrheit.
Ankläger B.: Ich höre immer wieder, Sie haben vielen
Juden geholfen zu entkommen. Wie haben Sie das gemacht?
Furtwängler: Ich, ich, ich erinnere mich nicht im
Einzelnen, es waren so viele.
Ankläger B.: Riefen Sie jemanden an, den Sie kannten?
Furtwängler: Das mag sein, ich weiß nicht, ich sagte doch
ich erinnere mich nicht.
Ankläger B.: Ich bin gern behilflich, Sie haben den Hörer
genommen und haben telefoniert. Hallo Adolf - Wilhelm am
Apparat, sag mal Kumpel, kannst Du nicht einem jüdischen Musiker
helfen? Er braucht eine Ausreisegenehmigung für Paris,
vielleicht riefen Sie auch Goebbels oder Göring an, Sie standen
sich ja so nahe, Sie saßen mit denen im selben Scheißhaus.
Furtwängler: Bitte darf ich Sie etwas fragen?
Ankläger B.: Sicher!
Furtwängler: Wann wird mein Fall vor Gericht angehört?
Ankläger B.: Das weiß ich so wenig wie Sie.
Furtwängler: Ich muss arbeiten. Meinen Lebensunterhalt
verdienen. Ich lebe vom Edelmut von Freunden.
Ankläger B.: Schlimm, schlimm für Sie!
Furtwängler: Und warum bitte ist ein anderer Dirigent,
der wirklich ein Parteimitglied war und der immer vor seinen
Konzerten das Horst-Wessel-Lied gespielt hat, entlastet worden
und darf wieder arbeiten? Und warum muss ich warten, warten,
warten?
Ankläger B.: Keine Ahnung. Ich hatte mit dem Fall nichts
zu tun. Warum sind Sie kurz vor dem Kriegsende in die Schweiz
geflohen?
Furtwängler: Was?
Ankläger B.: Warum sind Sie kurz vor dem Kriegsende in
die Schweiz geflohen?
Furtwängler: Weil, weil ich erfahren hatte, dass die
Gestapo mich verhaften wollte.
Ankläger B.: Und warum wollten die Sie verhaften?
Furtwängler: Ich glaube wegen eines Briefes, den ich an
Goebbels geschrieben hatte. In dem beklagte ich den Verfall des
musikalischen Niveaus aufgrund der Rassenpolitik.
Ankläger B.: Sie schrieben ihm diesen Brief nicht wegen
der Rassenpolitik. Es ging nur um das musikalische Niveau. Ist
das richtig? Und woher wussten Sie, dass die Gestapo hinter
Ihnen her war?
Furtwängler: Während einer wegen eines Stromausfalls
notwendig gewordenen Unterbrechung während eines Konzertes hier
in Berlin ist Albert Speer, der Minister für Rüstung, zu mir
gekommen und sagte: „Sie sehen überaus müde aus, Herr
Furtwängler, gehen Sie doch mal für eine Weile ins Ausland. Ich,
ich wusste genau, was gemeint war.
Ankläger B.: Sie kannten wirklich viele Menschen, die
Macht hatten.
Furtwängler: Es, es wäre sicherlich viel richtiger zu
sagen, viele Menschen, die Macht hatten, kannten mich.
Ankläger B.: Aber Sie hatten zu allen sehr gute
Beziehungen. Zu Adolf, zu Hermann, zu Josef, zu Baldur und auch
noch zu Albert. Also sagen Sie endlich die Wahrheit, Wilhelm.
Dann haben wir es hinter uns. Wie war Ihre Partei Nummer?
Furtwängler: Sollten Sie vorhaben, mich mit so etwas
einzuschüchtern, machen Sie erst mal Ihre Hausaufgaben, Major.
Sie wissen offensichtlich nicht, wie unverschämt und dumm Ihre
Fragen sind.
Ankläger B.: David, ich hab‘ doch mal gesagt, ich habe
eine Frage für Wilhelm, die er nicht beantworten kann. Ich
stelle Sie jetzt. Seien Sie auf etwas gefasst, Wilhelm! Es ist
eine harte Frage. Warum haben Sie nicht ‘33, als Hitler an die
Macht gekommen ist, das Land sofort verlassen, warum haben Sie
Deutschland nicht verlassen? Auf meiner Liste stehen Namen von
Menschen aus Ihrem Beruf. Die sind ‘33 gegangen. Bruno Walter,
Otto Klemperer, Arnold Schönberg, Max Reinhardt.
Furtwängler: Sie waren Juden, sie mussten hier weg. Es
war richtig, dass sie gingen. Ich konnte doch mein Land nicht
verlassen, in seinem tiefsten Elend. Ich, ich bin doch
Deutscher, ich meine …. Es ist, es war doch mein Heimatland. Ist
das meine Sünde in Ihren Augen?
Ankläger B.: Tja, David er kann die Frage nicht
beantworten. Ich frage Sie nochmal, Wilhelm. Aber ich will nicht
noch einmal irgendwelchen intellektuellen Mist hören.
●
Sekretärin:
Major Arnolds Büro! Ja, ist hier. Es ist Major Richard für Ltd.
David Willis.
David Willis: David Willis, Yes Sir. Wollen Sie, dass ich
es ihm sage? Okay, Major Richards würde gerne mit Ihnen
sprechen, Sir.
Ankläger B.: Warum, fragt er denn nicht gleich nach mir,
warum muss er erst nach ihnen fragen, diese verdammten Briten
sind so korrekt. Steve Arnold!
Furtwängler: Es reicht mir! Ich gehe!
David Willis: Doktor Furtwängler, Doktor Furtwängler
bitte, bitte!
Furtwängler: Nein!
David Willis: Gehen Sie lieber nicht. Als ich ein Kind
war, da nahm mich mein Vater mit. Er nahm mich mit in eines
Ihrer Konzerte. Ich erinnere mich, Sie dirigierten Beethovens
fünfte Symphonie. Ich war tief bewegt. Ich habe die Musik
seitdem immer geliebt. Ich war Ihnen dankbar dafür. Und ich habe
Sie bewundert. Wie konnten Sie, wie konnten Sie nur diesen
Verbrechern dienen?
●
Ankläger B.:
Kompliment für diese Briten, David. Wissen Sie, was die Jungen
sind? Anständig! Sagen Sie mal, Herr Doktor Furtwängler. Kennen
Sie Hans Hinkel?
Furtwängler: Ich, ich hörte von ihm. Einfach
verabscheuungswürdiger Mensch. Seine Aufgabe im Ministerium für
Kultur war, jüdischen Künstler zu entfernen?
Ankläger B.: Ja richtig, das ist der Kerl. Wissen sie,
was der noch gemacht hat? Dieser Schleimer führte Akten,
wenigstens 250.000 Akten und wissen Sie, was in diesen Akten
steht?
Furtwängler: Gewiss nicht, aber ich weiß, er hatte
überall seine Informanten, auch in meinem Orchester gab es
jemanden.
Ankläger B.: Wen?
Furtwängler: Das wurde mir nicht gesagt. Ich wusste es
nur.
Ankläger B.: Woher?
Furtwängler: Ich wurde gewarnt.
Ankläger B.: Wer hat Sie gewarnt?
Furtwängler: Göring, weil Hinkel für Goebbels
gearbeitet hat.
Ankläger B.: Was hat Göring gesagt?
Furtwängler: Ich solle aufpassen, ein Spitzel von
Goebbels würde mich beobachten. Er las aus einem Bericht vor, in
dem wörtlich zitiert wurde, was ich gesagt hatte.
Ankläger B.: Oh Mann, das wird Ihnen gefallen. Jetzt
hören Sie mir genau zu. Diese besagten Akten enthalten
Einzelheiten über sämtliche arbeitenden Künstler dieses Landes
und die werden uns verraten, wer trat in die Partei ein, wer hat
informiert und wer war hilfreich. [..]
●
Dymschitz:
Doktor Furtwängler, der Regen? Nichtwahr, Doktor?
Ich bin tief bewegt, immer wenn ich Schubert höre, Sie nicht
auch?
Furtwängler: Die Tempi waren etwas zu korrekt für meinen
Geschmack, aber ich nehme an, wegen des Regens.
Dymschitz: Herr Doktor, ich hörte, Sie hatten
Schwierigkeiten mit den Amerikanern – ich wollte Ihnen sagen,
ich bin Ihr Fürsprecher, wir können Ihnen helfen!
●
Helmut Alfred Rode:
Major?
Ankläger B.: Helmut!
Helmut Alfred Rode: Raten Sie mal, was ich hier habe?
Mögen sie Ratespiele?
Ankläger B.: Sogar sehr, Helmut! Ich gebe es auf. Was
haben Sie da mitgebracht?
Helmut Alfred Rode: Das ist der Taktstock von Doktor
Furtwängler, der, den ich gestohlen habe.
Ankläger B.: Den er in der rechten Hand behalten hat.
Helmut Alfred Rode: Ja, ja, Sie haben es nicht vergessen.
Ankläger B.: Wie könnte ich das vergessen. Zeigen Sie‘s
mir.
Helmut Alfred
Rode: Was zeigen?
Ankläger B.: Ja, ja bitte, ich will sehen, wie Sie es
tun. Ich bin jetzt mal Adolf. Sie sind der Maestro, Sie haben
den Taktstock in der Hand, aber entbieten mir trotzdem den Gruß.
Helmut Alfred Rode: Nicht hier Major, hier sind doch
überall Leute.
Ankläger B.: Tun Sie‘s Helmut!
Helmut Alfred Rode: Bitte, Major!
Ankläger B.: Richtig, bitte. Sieht gut aus, wenn Sie das
machen? Jetzt versteh ich, sie hätten mir beinahe die Augen
ausgestochen.
Helmut Alfred Rode: Ja, genau.
Ankläger B.: Keine Angst, Helmut, das bleibt unser
Geheimnis.
Helmut Alfred Rode: Ja, Sie wollten mich sprechen? Sonst
arbeiten Sie doch sonntags nicht, Major.
Ankläger B.: Das tu ich alles nur für die Humanität,
Helmut oder wär‘ Ihnen 1049331 lieber?
Helmut Alfred Rode: Was?
Ankläger B.: 1049331 oder wär‘ es ihnen lieber, wenn ich
Sie nur 1 nenne? Wissen Sie, wofür ich sie halte, Helmut? Sie
sind ein widerlicher Haufen Scheiße!
Wer ist der Mistkerl? Hinkel? Warum? Er hat versprochen, Ihre
Akte zu beseitigen. Und was war vorher, zu welchem Verein haben
Sie in Österreich gehört? Etwas lauter, bitte.
Helmut Alfred Rode: Ich war Mitglied der kommunistischen
Partei, ich war Kommunist. Das wusste Hans Hinkel über mich.
Alles hat alles gewusst, er hatte die Macht über mich und so
zwang er mich zur Zusammenarbeit.
Ankläger B.: Der Mann hat Sie zur Zusammenarbeit
gezwungen und jetzt sind Sie wieder Kommunist. Ja?
Helmut Alfred Rode: Sie wissen doch gar nicht, was das
heißt, wenn man jeden Morgen von Angst und Schrecken erfüllt
aufwacht. Das wissen Sie nicht! Nicht in meinen Künsten träumen
hätte ich zu hoffen gewagt, ich werde mal zweiter Violinist bei
den Berliner Philharmonikern. Nachdem, nachdem sämtliche Juden
aus dem Orchester entfernt waren, war das für Leute wie mich
eine Chance.
Ankläger B.: Helmut, wissen Sie was Verfahrensabsprachen
sind? Ich spreche über Macht, ich habe die Macht, Ihnen Arbeit
zu geben, die Macht, Ihnen das Leben zu erleichtern, Ihre
Vergangenheit würde nicht mehr erwähnt, ich könnte Ihnen morgen
Arbeit geben, aber ich brauche eine Gegenleistung, so etwas,
Helmut, nennt man: Verfahrensabsprachen.
Ich kann Ihnen Bewegungsfreiheit schenken. Die Freiheit, zu
arbeiten, Freiheit, Helmut, aber ich brauche etwas dafür.
Helmut Alfred Rode: Major! Wir sprechen über einen
genialen Menschen
Ankläger B.: Ach, scheiß drauf, Helmut. Wollen Sie hier
Symbole diskutieren? Der Kerl stand in vorderster Reihe, er war
der Künstler, aber er spielte ihre Melodie. Haben Sie Zugang zu
dieser Allegorie? Mich interessieren keine kleinen Fische, ich
suche Moby Dick! Kommen Sie, Helmut. Harte Fakten.
Helmut Alfred Rode: Naja, das einzige, was ich weiß ist,
er ist Antisemit.
Ankläger B.: Natürlich. So wie sie. So wie alle in diesem
Gott verfluchten Land.
Helmut Alfred Rode: Mir ist gerade noch etwas anderes
eingefallen.
Ankläger B.: Ja?
Helmut Alfred Rode: Furtwängler hat Hitler zum Geburtstag
ein Telegramm geschickt.
Ankläger B.: So?
Helmut Alfred
Rode: Das sagte einer ihrer Männer.
Ankläger B.: Einer meiner Männer?
Helmut Alfred Rode: Ja, ein, ein Korporal der US-Army,
ein Jude. Er sagte, er hätte das Telegramm in der Reichskanzlei
gesehen.
Ankläger B.: Na sieh mal einer an, wir finden diesen
Corporal und dann finden wir das Telegramm. Ja, aber ich brauche
urkundliche Beweise. Können Sie mir in dieser Hinsicht helfen?
Helmut Alfred Rode: Nein, wir haben ihn gehasst aus
diesem Grund. Wir haben ihn bewundert als Dirigenten, aber wir
haben ihn gehasst, weil er nicht in die Partei eintreten musste
und weil es ihm besser ging, als jeden von uns und nach seinen
Auslandsreisen musste ja auch niemals Berichte abliefern. Er hat
immer alles von ihnen bekommen, ja, wirklich alles. Er war
widerwärtiger, als wir Parteimitglieder es waren. Da gibt es ein
Gerücht. Ich weiß nicht, ob was dran ist, aber fragen Sie ihn
mal nach von der Nüll.
Ankläger B.: Ich hab‘ nie von dem gehört. Wer ist es?
Helmut Alfred Rode: Edwin von der Nüll, Musikkritiker, er
schrieb über Furtwängler schlimme Kritiken, schwärmte aber von
Herbert von Karajan.
Ankläger B.: Und wer ist das?
Helmut Alfred Rode: Auch ein Dirigent, überaus begabt und
sehr jung. Von der Nüll nannte ihn mal das Wunder von Karajan
und Furtwängler war außer sich. Es wird gesagt, er ließ Edwin
von der Nüll zwangsweise einberufen, das geschah auch mit einem
anderen Kritiker. Das stimmt oder nicht, das ist keine üble
Idee. Schreibt eben einer schlechte Kritiken, verschwindet er an
der russischen Front. Aber wenn sie Furtwängler wirklich
erwischen wollen, dann fragen Sie mal nach Herbert von Karajan.
Ankläger B.: Das Wunderkind?
Helmut Alfred Rode: Ja, ja, womöglich fällt Ihnen auf,
dass er es nicht fertigbringt, den Namen auszusprechen, der
spricht nur von ihm als K. Und….. fragen Sie mal nach seinem
Privatleben.
Ankläger B.: Sein Privatleben?
Helmut Alfred Rode: Ja. Da steht alles drin. Seine
Frauen.
Ankläger B.: Und in wessen Auftrag sammelten Sie diese
Informationen über sein Privatleben? Hinkel?
●
Captain Ed Martin:
Wie stehen Sie zu dieser Sache?
David Willis: Zu welcher?
Captain Ed Martin: Ich meine Furtwängler!
David Willis: Ich weiß es nicht?
Captain Ed Martin: Sie repräsentieren jetzt die
Vereinigten Staaten von Amerika, wir haben eine moralische
Verpflichtung zur Gerechtigkeit, und die Welt muss es auch so
sehen.
David Willis: Major Arnold glaubt auch, er hätte eine
moralische Pflicht.
Captain Ed Martin: Wir sind dazu verpflichtet,
Furtwängler zu helfen, deshalb möchte ich, dass Sie sich das
hier anschauen. Das sind einige Kopien vom Prozess in Nürnberg.
Sie sind, wie gesagt, nicht vollständig, aber Sie werden schon
damit klarkommen, oder? Es ist die Aussage eines Herrn Namens
Dalehros, er ist Schwede. Freund von Hermann Göring. Sie werden
es sorgfältig lesen, und Sie werden es benutzen. Wir werden
Ihnen bald noch mehr Material liefern. Wir verfolgen noch etwas
anderes. Wir müssen unbedingt eine Verteidigung aufbauen, nicht
auf Emotionen. Nicht auf Vorurteilen. Es müssen Fakten sein. […]
●
Sie wollen alle helfen, […] das ganze
Orchester wird sich dafür verbürgen, dass er uns immer
unterstützt hat.
David Willis: Wir brauchen Namen und wenn möglich mit
Adressen, dann ist wirklich sehr dringend, Namen von Musikern,
denen er mal geholfen hat. Menschen, denen er geholfen hat, ins
Ausland zu fliehen. Wir gehen lieber wohin, wo wir allein sind.
●
Ankläger B.:
Ich war in Wien und ich hatte einen österreichischen Chauffeur,
der war einige Zeit im Konzentrationslager. Sie haben den
Wienern zugesehen, als sie die Schäden der Bombardierung
beseitigten. Sie haben Kippen aufgesammelt und im Müll was zu
essen gesucht. Ich sage, eine Million von diesen Menschen stand
damals am Straßenrand und hat Adolf begrüßt, als er in die Stadt
einzog. 1.000.000! Und Max sagte: „Oh nein, das waren nicht
dieselben Menschen, Major! Diese Menschen hier waren alle daheim
und versteckten Juden auf den Dachböden! Das bedeutet doch, die
stecken alle von oben bis unten voller Scheiße.“
Dymschitz: Furtwängler gehört zu einer anderen Kategorie.
Ankläger B.: Warum ist er denn nicht weggegangen als sich
ihm die Gelegenheit bot. Ich habe ihn gefragt, aber er
konnte nicht antworten. Warum ging er denn nicht weg und
dirigierte in Amerika wie dieser Italiener Toscanini.
Dymschitz: Vielleicht hat er geglaubt, er könnte
zumindest etwas bewahren, irgendetwas Wichtiges wie ein
Orchester oder eine Schule, das ist seine Heimat, vielleicht hat
er eine alte Mutter, die man nicht allein lassen kann, es gibt
vielleicht Brüder, Schwestern?
Ankläger B.: Nein, nein, er hatte keine Schwestern, keine
Brüder. Nur einen Haufen Liebesaffären.
Dymschitz: Ja, wie dem auch sei, Major, wieso, wieso
sollte er sein Land verlassen, seine Muttersprache, seine
Familie, seine Geschichte, seine Vergangenheit, seine Zukunft,
und bloß, weil es hier einmal eine Diktatur gab.
Ankläger B.: Wieso? Ja was war, bevor sich alles zum
Schlechten wendete. Was war, als sie alles mit Stacheldraht
umgeben haben, Oberst.
Dymschitz: Ach, sprechen Sie nicht über Dinge, von denen
Sie keine Ahnung haben. Er hat in einer Diktatur gelebt.
Ankläger B.: Kunst und Politik, naja!
Dymschitz:
In einer Diktatur, da gehört die Kunst der Partei. Und wenn da
jemand Dirigent sein will, dann braucht dieser jemand ein
Orchester und ein Orchester kann man nur kriegen, wenn man
Kontakte zu denen hat, die an der Macht sind. Nicht wahr, das
Wichtigste sind die richtigen Kontakte und außerdem macht man
auch noch Kompromisse.
Ankläger B.:
Ja, gute Parteimitglieder, die helfen einem
und andere waren niemals in der Partei, die informieren einen.
Dymschitz: Natürlich gaben sie ihm Privilegien und dann
ganz plötzlich, ganz schnell. Dann fällt einem auf, dass Sie
ähnlich sind wie du, und dann, dann, dann bist du Direktor des
besten Museums der Welt, zum Beispiel.
Ankläger B.: Was für Museum?
Dymschitz:
Tut mir leid. Nein, ich sagte Orchester. Verzeihung! Bitte
glauben Sie mir, Steve, helfen Sie mir, Steve. Sie sagten, dass
Sie nur jemanden verantwortlich sind, der ganz oben steht. Das
gilt auch für mich. Ich habe einen Befehl von jemandem ganz
oben. Wir wollen Furtwängler. Sie, Sie kriegen dafür von mir ein
ganzes Orchester 4 - 5 Dirigenten. Aber hören Sie, Steve, ich
brauche den Mann …
Ankläger B.: Nein, es geht nicht.
Dymschitz: Lassen Sie Furtwängler gehen, bitte.
Ankläger B.: Es ist meine Pflicht.
Dymschitz: Deine Scheißpflicht. Das Problem ist, ihr
Amerikaner wollt, dass alle Menschen leben sollen, so wie ihr.
Wir haben Berlin befreit, Major Steve, nicht ihr und unsere
Pflicht ist es auch das Beste einer deutschen Kultur wieder zum
Leben zu erwecken.
Ankläger B.: Ich lass nicht mit mir handeln. Auf keinen
Fall!
Dymschitz: Ja, das heißt dann, dass sie mich töten.
●
David Willis:
1936 wurde Furtwängler die Leitung der New Yorker Philharmoniker
angeboten - auf Vorschlag von Toscanini. Hätte er angenommen,
wäre jetzt bestimmt der berühmteste Dirigent in Amerika.
Sekretärin: Als er seine Entscheidung getroffen hat,
konnte er doch nicht alles wissen. Und besonders nicht, wie es
jemand wie Sie tut. Sie kehren zurück aus dem Exil und denken,
Sie hätten das Recht, über andere zu befinden, weil Sie frei
sind von jedem Makel, denken Sie, Sie wüssten am besten, wie ein
Täter ist und wer Vergebung verdient hat, aber Sie haben keine
Ahnung, wie die Leute hier gelebt haben.
David Willis: Und als er ihm zu dessen Geburtstag die
Hand gab, hat ihn das gefreut?
Sekretärin: Das weiß ich nicht, aber Sie und ich wissen
inzwischen eins, er hat Leuten das Leben gerettet.
●
Ankläger B.:
Emmi, in Bruckners Siebenter, wissen Sie, wo das Adagio beginnt?
Sekretärin: Ja, natürlich!
Ankläger B.: Bitte legen Sie die Stelle auf, ich sage
Ihnen, wann Sie sie spielen.
Furtwängler: Es ist Punkt 9. Ich werde nicht hinnehmen,
dass man mich wieder warten lässt.
Ankläger B.: Reden Sie nicht mit mir, als wäre ich ein
zweiter Violinist. Gehen Sie zurück in den Warteraum. Fräulein
Straube wird kommen und Sie holen, wenn ich mit Ihnen reden
will.
Oh Gott, nein, das darf doch nicht wahr sein. Wofür hält er
sich? Wofür hält er sich?
Helmut Alfred Rode: Wenn Sie wollen, bringe ich Ihnen
gerne ein Glas Wasser, Herr Professor.
Furtwängler: Was hat dieser Mann hier zu suchen?
Ankläger B.: Doktor Furtwängler, kommen Sie, kommen Sie,
nehmen Sie Platz. Nein! Nein! Nehmen Sie den hier, der ist viel
bequemer. Öffnen Sie die Krawatte, wenn Ihnen zu heiß ist.
Furtwängler: Ich möchte gerne etwas sagen.
Ankläger B.: Raus damit, wie Sie wünschen.
Furtwängler: Als ich das letzte Mal hier war, war ich
nicht vorbereitet, ich wusste nicht, was mich erwartet, aber in
den vergangenen Wochen habe ich intensiver nachgedacht und mir
Notizen gemacht. Ich glaube, Sie sollten wissen, wer ich bin.
Und was ich bin? Ich bin ein Musiker und glaube an die Musik.
Ich bin Künstler und glaube an die Kunst. Kunst allgemein und
die Musik im Besonderen verfügen für mich über eine mystische
Kraft, die, die geistigen Bedürfnisse der Menschen befriedigt.
Ich muss zugeben, ich war in einem hohen Maße naiv. Ich forderte
über viele Jahre unumwunden die absolute Trennung von Kunst und
Politik. Mein ganzes Leben habe ich der Musik gewidmet, weil
ich. - und dies ist überaus wichtig - weil ich stets dachte, ich
könnte durch Musik etwas, etwas Nützliches bewirken.
Ankläger B.: Was denn?
Furtwängler: Das Bewahren von Freiheit, Humanität und
Gerechtigkeit.
Ankläger B.: Donnerwetter, das klingt ja wunderbar! Alle
Achtung! Das ist wunderbar formuliert. Ich werde versuchen, es
mir zu merken. Freiheit, Humanität und Gerechtigkeit –
wunderbar! Aber Sie benutzen das Wort: Naiv! Heißt das, dass Sie
glauben, dass Sie sich geirrt haben und Kunst und Politik nicht
prinzipiell voneinander zu trennen sind.
Furtwängler: Ich glaube, Kunst und Politik sollte man
immer trennen, aber dass das nicht der Fall gewesen ist, habe
ich bitter erfahren.
Ankläger B.: Und wann wurde Ihnen das klar? Als Sie das
Telegramm schickten? War das die Kapitulationserklärung, das
Winken mit der weißen Fahne?
Furtwängler: Welches Telegramm?
Ankläger B.: Zum Geburtstag viel Glück, lieber Adolf
Hitler - Wilhelm oder Worte mit demselben Inhalt. Das klingt,
als wären Sie auf die Knie gefallen und hätten gesagt: Alles
klar, Adolf, Du hast gewonnen, Du bist für mich die Nummer 1,
war je ‘ne tolle Party!
Furtwängler: Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen.
Ankläger B.: Ihre Geburtstagsgrüße für ihren guten alten
Kumpel, Adolf Hitler?
Furtwängler: Ich habe ihm weder Geburtstags- noch
irgendwelche anderen Grüße geschickt.
Ankläger B.: Denken Sie noch mal drüber nach, Wilhelm!
Vielleicht nicht in ihrem Namen - aber als Staatsrat oder als
Vizepräsident?
Furtwängler: Darüber muss ich nicht nachdenken, das ist
absolut lächerlich.
Ankläger B.: Ja? David?
David Willis: Zeigen Sie Doktor Furtwängler doch den
Beweis, dann fällt es Ihnen vielleicht wieder ein.
Furtwängler: Er wird es nicht finden, denn ein solches
Telegramm existiert nicht.
Ankläger B.: Tja, ich hab‘s versucht, ich gebe zu, ich
hab‘s versucht, ich dachte womöglich gehen Sie mir in die Falle.
Aber David war leider zu schnell für mich. Ein fabelhafter Zug,
David, wirklich ein fabelhafter Zug. Gut, ich habe kein
Telegramm, aber es existiert und gehen Sie davon aus, Wilhelm,
wir suchen weiter danach, denn ich glaube, Sie haben es
abgeschickt.
Furtwängler: Da irren Sie sich!
Ankläger B.: Kunst und Politik, Kunst und Politik. Was
heißt das in Ihrem Fall? Sie und die Berliner Philharmoniker
reisten durch das Dritte Reich, sie spielten in Ländern, die die
Nazis erobert hatten, sind Sie der Ansicht, dass nach 39 in den
besetzten Gebieten zu dirigieren, keine Werbung für Adolf war
und für all das, wofür er stand?
Furtwängler: Wir haben das Regime niemals offiziell
repräsentiert, wenn wir im Ausland spielten. Wir traten immer
auf, als ein privates Ensemble. Ich habe Ihnen schon gesagt, ich
war freiberuflicher Dirigent.
Ankläger B.: Darf ich Ihnen mal was sagen, Sie hätten
unsere Versicherungspolicen schreiben sollen, bei Ihnen gibt es
mehr Freizeichnungsklauseln als doppelte Versicherungssummen.
Was glauben Sie denn, was man im Ausland dachte? Die Berliner
Philharmoniker, übernommen von Doktor Goebbels und seinem
Propagandaministerium. Aber Wilhelm ist ein Freiberufler, also
Kunst und Politik, die sind wirklich vollkommen getrennt.
Glauben Sie, dass das einfache Publikum das gedacht hat?
Furtwängler: Ich weiß nicht, was das einfache Publikum
gedacht hat?
Ankläger B.: Nein?
Furtwängler: Nein, ich hatte immer nur einen einzigen
Gedanken. Meine einzige Intention bei allem, was ich tat, war zu
zeigen, dass Musik mehr bedeutet als Politik.
Ankläger B.: Erzählen Sie mir von Herrn von der Nüll.
Furtwängler: Von der Nüll?
Ankläger B.: Ja, von der Nüll.
Furtwängler: Von der Nüll?
Ankläger B.: Und wie lange soll das so weitergehen,
Wilhelm? Ich sage von der Nüll, sie sagen, von der Nüll, ich
sage von der Nüll, sie sagen von der Nüll, wir können das den
ganzen Tag tun. Sie wissen doch, wer von Nüll ist, nicht wahr,
Edwin von der Nüll, Musikkritiker?
Furtwängler: Ja, ich weiß, wer das ist.
Ankläger B.: Ist es nicht wahr, dass er schlechte
Kritiken über Sie geschrieben hat und diesen jungen Mann von
Karajan in den Himmel hob? Und sogar ein Wunder und schrieb,
dass er ein besserer Dirigent sei als Sie. Haben Sie nicht
veranlasst, dass er zwangsweise eingezogen wurde und dass
seitdem niemand mehr etwas von ihm was gehört hat?
Furtwängler: Das ist eine ungeheuerliche Lüge!
Ankläger B.: Riefen Sie wirklich nicht ihre alten Kumpel
an und sagten: „Das, das darf nicht wahr sein? Hast Du gelesen,
was dieser von der Nüll über mich geschrieben hat, über den
größten Dirigenten auf Erden? Schafft ihnen aus dem Weg! Er
beschuldigt mich, ich spiele ihm nicht genug moderne Musik. Los,
ab nach Stalingrad!“ Haben Sie das nicht getan? Sie ertragen
keine Kritik, Wilhelm. Und auch nicht, wenn jemand sagt, ein
anderer Dirigent sei besser als Sie. Erklären Sie, der Name von
der Nüll wurde nie erwähnt in ihren Gesprächen mit Goebbels.
Furtwängler: Er sagte, er hätte, er hätte irgendwann
gelesen, was der Mann über mich geschrieben hat.
Ankläger B.: Und was hat er gesagt?
Furtwängler: Er sagte: Nehmen Sie es ihm nicht übel, er
arbeitet als Kritiker und Sie arbeiten als Dirigent.
Ankläger B.: Und was passierte mit von der Nüll?
Furtwängler: Ich hab‘ keine Ahnung.
Ankläger B.: Nein, Sie haben wirklich keine Ahnung. Ich
sage Ihnen, was aus ihm wurde. Er ist gestorben. In Stalingrad!
Furtwängler: Das tut mir leid.
Ankläger B.: Und nun zu diesem jungen Dirigenten, wie ist
noch sein Name? Das Wunderkind, Sie wissen, wen ich meine. Von
Karajan! Aber Sie haben ihn immer anders genannt. Kommen Sie,
wie nannten Sie von Karajan, sagen Sie es, gut, dann sage ich
es. Kleiner K., hab ich recht, Sie konnten es nicht mal ertragen
seinen Namen auszusprechen
Furtwängler: Bitte, hören Sie auf diese Spiele mit mir zu
spielen. Warum erwähnen Sie plötzlich …? Warum sprechen Sie
plötzlich über einen anderen Dirigenten? Das ist mir
unbegreiflich.
Ankläger B.: Ich werde Ihnen sagen, warum. Ich sprach
darüber, dass Sie an Hitlers Geburtstag gespielt hatten. Sie
sagten mir, dass Goebbels ihre Ärzte erpresst hatte, dass Sie
reingelegt worden waren.
Furtwängler: Ja, das entspricht der Wahrheit.
Ankläger B.: Ich habe da eine andere Version, Sie wurden
nicht reingelegt. Nein, nicht so, wie Sie‘s beschreiben. Ich
glaube, etwas anderes ist passiert. Ich war im Hinkel-Archiv, da
gibt es Aufzeichnungen von Telefongesprächen und wenn man das
alles zusammenfügt, dann ist nun eher folgendes passiert. Ich
denke, Goebbels hat gesagt: „Wilhelm, wenn Du nicht für Adolf
dirigieren willst, dann nehmen wir das Wunderkind, den Jungen,
über den der Kritiker von der Nüll schreibt, er sei der größte
Dirigent der Welt, der würde nicht nur wahnsinnig gern für Adolf
dirigieren, der würde auch ‘Happy Birthday‘ als Solo singen.“
Kommen Sie, geben Sie‘s zu! K. machte Ihnen Angst, nicht wahr?
Sie haben ihn immer gefürchtet. 1942 ist der 34 Jahre alt, Sie
sind aber schon 56 und Goebbels und Göring sagten immer, wenn Du
es nicht machst, wird es der Kleine K. machen. Hören Sie auf mit
Kunst und Politik und intellektuellem Scheiß über die Freiheit,
Humanität und Gerechtigkeit. Denn mir ist es egal, wie toll und
genial Sie sind. Das ist die älteste Geschichte, die man kennt.
Der alternde Romeo, eifersüchtig auf den jungen Bock. Sie haben
das Land nicht rechtzeitig verlassen, weil Sie Angst gehabt
haben, nicht wahr? Sie haben gefürchtet, wenn Sie weggehen,
würden Sie verdrängt werden. Von diesem Wunderkind, dem
zweimaligen Parteimitglied, dem strahlenden, talentierten
Kleinen K.
Furtwängler: Das ist absoluter Unsinn.
Ankläger B.:
Ja, ich beginne erst mein Thema zu entwickeln.
Nennt man das nicht so in der klassischen Musik, ein Thema
entwickeln? Tja, die Herren haben mit Ihrer Unsicherheit
gespielt, das ist menschlich und überaus verständlich, aber es
gibt einen, der mag den kleinen K. nicht in dem Maße, in dem er
Sie mag, genau die absolute Nummer 1. Ihr alter Kumpel Adolf,
der hält Sie für den größten, und wenn er sagt, Wilhelm soll an
meinem Geburtstag spielen, dann müssen die dafür sorgen, dass
Wilhelm kommt. Also ruft Josef Sie an und droht Ihnen mit einem
kleinen K. Sie sagten: „zur Hölle mit der Neunten in Wien, ich
werde für Adolf an seinem Geburtstag in Berlin spielen“. Das
Spiel haben die mit Ihnen gespielt! Ja, die hatten Sie nämlich
am Sack, und dann haben die zugedrückt, gnadenlos. Warum sind
Sie nicht weggegangen? Warum haben Sie für die gespielt? Warum
waren Sie der Fahnenträger für das Regime? Eifersucht!
Furtwängler: Es gab eine, eine Verschwörung gegen mich!
Eine Kampagne sogar im Ausland.
Ankläger B.: Sehen Sie, Wilhelm, ich spreche über ganz
einfache, alltägliche Gründe. Darum würde ich mit Ihnen auch
wahnsinnig gerne über Ihr Privatleben sprechen. Wie viele
uneheliche Kinder haben Sie?
David Willis: Major, ich wüsste nicht, was diese Art der
Befragung mit der eigentlichen Sache zu tun hat.
Ankläger B.: David! David - spielen Sie jetzt den Anwalt
der Verteidigung?
Haben Sie die Frage verstanden?
Furtwängler: Ja, ich, ich habe uneheliche Kinder.
Ankläger B.: Was?
Furtwängler: Ich sagte, ich habe uneheliche Kinder.
Ich weiß nicht, wie viele.
Ankläger B.: Sie mögen die Frauen, nicht wahr, Wilhelm?
Sie haben vor jedem Konzert in ihrer Garderobe einer Frau eins
mit dem Taktstock des alten Dirigenten verpasst. Das stimmt
doch?
David Willis: Major, das ist beleidigend und widerwärtig
und völlig irrelevant.
Ankläger B.: Nicht unbedingt, Herr Anwalt. Und Ihre
Sekretärin, sie war nicht nur Ihre Sekretärin, sie hat Ihnen
auch Frauen zugeführt, nicht wahr, so viele und so oft Sie
wollten.
Furtwängler: Hören Sie auf damit! Bitte, bitte - hören
Sie damit auf!
Ankläger B.: Nein, ich höre nicht auf damit. Hitler
persönlich bot Ihnen ein schönes Haus und einen privaten
Luftschutzbunker an.
Furtwängler: Ich hab‘ das Haus und den Luftschutzbunker
aber nicht angenommen.
Ankläger B.: Aber Sie wissen, worauf ich hinaus will. Sie
haben ein sehr schönes Haus, Sie werden gut bezahlt. Was sollen
Sie tun, bleiben oder weggehen? Eine Stimme höre ich aber immer
wieder. Und sie flüstert: „Bleib!“
David Willis: Major, das ist kein gutes Argument, wenn
Doktor Furtwängler, das alles genossen hat. Diese, diese
Privilegien hat das damit zu tun, wer er ist und was er ist. Das
gilt für jeden führenden Künstler in jedem Land der Welt.
Ankläger B.: Deswegen wird niemand zum Heiligen, sie
müssen auch aus dem Bett und pissen mitten in der Nacht oder
etwa nicht? Sie können trotzdem rachsüchtig und neidig und
gemein sein, so wie sie, so wie ich. Ja, so wie ich! Nichtwahr?
Gut, Wilhelm, gehen Sie nach Hause. Gehen Sie nach Hause und
denken Sie über die vergangenen 12 Jahre nach.
Furtwängler: Ich, ich weiß nicht, was Sie meinen.
Ankläger B.: Tja, das ist ihr Problem, Wilhelm. Sie
verstehen nichts. Wir rufen Sie an, gehen Sie.
●
David Willis:
Major?
Ankläger B.: Ja!
David Willis: Ihre Manieren!
Ankläger B.: Meine Manieren? Am besten, Sie gehen jetzt
runter, trinken in der Tasse Kaffee und beruhigen sich.
David Willis: Sofort, Sir!
Ankläger B.: Was ist denn los, Emmi? Was haben Sie denn?
Stimmt was nicht?
Sekretärin: Es tut mir leid. Aber ich muss gehen. Ich
werde andere Arbeit finden. Sie werden sich jemand anderen
suchen müssen.
Ankläger B.: Was heißt das, Emmi?
Sekretärin: Ich kann das nicht. Das ist nicht richtig.
Ankläger B.: Was ist nicht richtig?
Sekretärin: Ich wurde auch so verhört von der Gestapo.
Genauso, so, so wie Sie ihn verhört haben.
Ankläger B.: Emmi, Moment, ich möchte Ihnen etwas zeigen,
ich möchte ihnen etwas zeigen, und wenn Sie dann gehen wollen,
dann dürfen Sie gehen. Bitte?! Bitte!
Das haben seine Freunde getan. Er gab Geburtstagskonzerte für
sie.
Sekretärin: Aber er wusste nichts davon. So viele
Menschen haben nichts gewusst. Ich, ich habe erst realisiert,
was wirklich vor sich ging […]
Foto: https://www.arte.tv/de/videos/115953-000-A/taking-sides-der-fall-furtwaengler/
Ankläger B.: Wenn er nichts gewusst hat, warum mussten
die Juden gerettet werden? Das ist meine Frage, Emmi, die stelle
ich jedem Deutschen, warum mussten die Juden denn gerettet
werden in diesem Land. Warum? Wenn niemand etwas gewusst hat?
●
David Willis:
Darf ich Sie um einen Gefallen bitten, Major?
Ankläger B.: Bitte. Ja.
David Willis: Wenn Sie ihn nochmal verhören, tun Sie es
mit etwas mehr Respekt.
Ankläger B.: Mit mehr, was? Mehr, was?
David Willis: Major, er ist vielleicht der, der größte
Dirigent dieses Jahrhunderts und das, das gebietet der Respekt.
Ankläger B.: David, irgendwie versteh‘ ich nicht, was mit
Ihnen los ist. Sie sind Jude. Sind Sie Jude?
David Willis: Ja, ich bin Jude! Aber ich denke, erst mal
bin ich ein Mensch!
Ankläger B.: Wunderbar, sehr gut. Ein Mensch. Da bin ich
aber froh. Ich dachte, Sie würden sagen, Sie wären
Musikliebhaber. Dieser Mann, dieser große Künstler gab
antisemitische Bemerkungen von sich, die Sie nicht für möglich
halten würden. Ich kenne einige Briefe … ,
David Willis: Zeigen Sie mir den, der keine
antisemitischen Bemerkungen gemacht hat, und ich zeige Ihnen das
Tor zum Paradies.
Ankläger B.: Was ist denn mit Ihnen, wo sind Ihre
Empfindungen, David, wo ist Ihr Hass und Ihr, Ihr Ekel, wo ist
denn Ihre verdammte Empörung, David? Denken Sie mal an ihre
Eltern und dieser Mann hat dirigiert. ‘Happy Birthday‘, lieber
Adolf! Ich meine das. Auf welcher Seite stehen Sie denn
eigentlich? Hallo! Werden Sie erwachsen! Ja, werden Sie verdammt
noch mal erwachsen!
●
David Willis zur Sekretärin:
Ich möchte, dass Sie wieder ins Büro kommen. Darf ich
reinkommen? Wenn Sie da sind, können Sie Einfluss nehmen auf
das, was geschieht. Was erreichen Sie damit, wenn Sie weggehen?
Wenn Sie das tun, dann geben Sie auf. Und wie können Sie dann
Furtwängler helfen? Vergessen Sie das Weggehen. Bleiben Sie!
●
Ankläger B.:
Alle sagen, was für ein großer Wohltäter Sie für die Juden
waren. Aber ich habe hier einiges, was Sie gesagt und
geschrieben haben. Hören Sie sich das an: ‘Der jüdische
Komponist Schönberg wird bewundert von der jüdischen
Internationale‘. Und wie wäre es mit diesem Satz: ‘Jüdischen
Musikern fehlt die natürliche Affinität zu unserer Musik.
Jüdische Musiker sind fabelhafte Geschäftsleute. Sie kennen kaum
Skrupel. Fehlende Wurzeln‘. Bestreiten Sie, das gesagt zu haben?
Furtwängler: Diese Haltung existiert nicht in mir.
Ankläger B.: Das glaube ich. Aber, antworten Sie nur auf
die Fragen, Sie müssen mir nichts erklären.
Furtwängler: Im Gespräch mit Parteimitgliedern habe ich
natürlich ihre Sprache benutzt. Alle haben das gemacht. Aber das
bin nicht ich.
Ankläger B.: Und wer ist es? Wer hat gesprochen?
David Willis: Verzeihen Sie, dass ich unterbreche, Major.
Aber vielleicht sollte man das, vielleicht sollte man das dem
gegenüberstellen, was er für seine jüdischen Kollegen getan hat,
das hier, das ist eine Kopie aus dem Verfahren in Nürnberg, ein
schwedischer Geschäftsmann Birger Dalehros sagte während eines
Kreuzverhörs aus, er sei einige Male bei Hermann Göring gewesen.
Das erste Mal war Göring in ein stürmisches Gespräch mit Wilhelm
Furtwängler, den berühmten Dirigenten der Berliner
Philharmoniker, verwickelt, der vergeblich darum bat, seinen
jüdischen Konzertmeister behalten zu dürfen. Emmi, nehmen Sie
eine dieser Aussagen und lesen Sie sie laut vor, bitte.
Sekretärin: Ich möchte zu Protokoll geben, dass Doktor
Furtwängler sein Leben riskiert hat, um jedem zu helfen, der ihn
darum bat. Ich habe gesehen, dass im wahrsten Sinne des Wortes
Hunderte am Abend vor seiner Garderobe auf ihn gewartet haben,
um ihn nach dem Konzert um Hilfe zu bitten. Er hat nie jemanden
abgewiesen. Nachdem ich ihm vorgespielt hatte, ich bin
Violinist, schenkt er mir Geld, denn ich war nicht in der Lage,
mich und meine Familie zu ernähren, dann hat er mir geholfen,
nach Schweden zu entkommen, so wie mir hat er unzähligen anderen
Menschen geholfen.
David Willis: Und das ist nur einer dieser Briefe, Major.
Ankläger B.: Ich habe doch erzählt, wie lange ich im
Versicherungsgeschäft war. Denken Sie, ich erkenne eine falsche
Police nicht, wenn sie sie mir vorgelegt wird? Ja, er hat Juden
geholfen, so hat er sich abgesichert, das war nur seine Maske,
im Grunde schwebte er immer als Maestro über allem, was ihm
untertan war. Wissen Sie, Wilhelm, ich glaube, Sie waren deren
kleiner Junge, deren Kreatur. Sie sind eine Art Werbeslogan für
die gewesen. So etwas wird von uns produziert, der größte
genialste Dirigent der Welt, und Sie fanden das wundervoll,
Wilhelm, Sie mussten gar nicht Mitglied der Partei sein, ich
habe einen Fehler gemacht, es geht nicht um Ihre Partei Nummer.
Ich hätte Sie fragen sollen nach Ihrer Nichtpartei Nummer. Das
gilt auch für ein paar andere weltbekannte Künstler. Emmi, bitte
die Platte. Wissen Sie, was das ist?
Furtwängler: Natürlich weiß ich, was das ist. Okay und
was ist es? Bruckner Siebente, das Adagio, dirigiert von wem?
Furtwängler: Von mir.
Ankläger B.: Wissen Sie, wann es das letzte Mal im
Rundfunk gespielt wurde?
Furtwängler: Woher soll ich das wissen?
Ankläger B.: Ich werde es Ihnen sagen. Das letzte Mal ist
diese Musik gespielt worden, als bekannt gegeben wurde, dass ihr
Kumpel Hitler sich umgebracht hatte. Hören Sie zu. Wir haben
hier eine Aufnahme des kleinen K. Eines anderen Dirigenten.
Nein, die nahmen Ihre. Und warum? Ich nehme an, weil Sie die
immer so wundervoll repräsentiert haben. Als der Teufel starb,
da wollten die seinen Bandleader als Dirigenten des
Trauermarsches. Sie haben denen alles bedeutet.
Furtwängler: Ich war immer um eine Analyse meiner selbst
bemüht. Sehr eingehend. Ich dachte, wenn ich hier bleibe, dann
wäre das eine Gratwanderung für mich. Zwischen dem Exil und dem
Galgen. Offenbar machen Sie mir den Vorwurf, dass ich mich nicht
habe aufhängen lassen. Ja, ich hab‘ der Partei nicht offen
widersprochen. Ich sagte mir, das sei nicht meine Aufgabe. Hätte
ich mich aktiv am politischen Geschehen beteiligt, hätte ich
nicht hierbleiben dürfen. Als Musiker. Bin ich mehr als ein
Bürger? Ich bin Bürger dieses Landes in dem ewig geltenden Sinne
für den, für den die Genialität großer Musik Zeugnis ablegt. Ich
weiß, eine einzige Aufführung eines großen Meisterwerkes ist
eine stärkere und lebendigere Verneinung des bösen Geistes von
Buchenwald und Auschwitz, als es Worte sind.
Ankläger B.: Haben Sie jemals gerochen, wie verbrennendes
Fleisch riecht? Ich hab's aus vier Meilen Entfernung gerochen,
aus vier Meilen Entfernung hab‘ ich es gerochen. Oder haben Sie
jemals die Gaskammern gesehen? Die Verbrennungsöfen? Haben Sie
die Berge verwesender Leichname gesehen?
Sie erzählen mir was von Kultur, Kunst und Musik. Das wollen Sie
gegeneinander abwägen, Wilhelm, Sie stellen Kultur, Kunst und
Musik gegen die Millionen, die von ihren Kumpels umgebracht
wurden. In den Lagern haben sie Orchester gehabt? Sie spielten
Beethoven, Wagner. Da gab es Henker, die spielten Kammermusik,
wenn sie zu Hause bei ihren Familien waren. Das Verhältnis, das
die Deutschen zur Musik haben, das begreif‘ ich nicht, wozu
braucht man Musik, Ihre Kumpane, die Sie anrufen konnten, um ein
paar Juden zu retten, wo doch Millionen vernichtet wurde. Ja,
ich mache Ihnen zum Vorwurf, dass Sie nicht gehenkt wurden. Und
ich mach‘ Ihnen Ihre Feigheit zum Vorwurf. Sie waren großartig
und sind rumstolziert, Sie erbärmliches Stück Scheiße. Sie
oberstes Aschloch in einem Scheißhaus. Sie haben eben von
Gratwanderung gesprochen zwischen dem Exil und dem Galgen. Dazu
sage ich nur: ‘Lügen‘!
Furtwängler: Ich liebe mein Land, ich glaube an die
Musik. Was hätte ich denn tun, sollen?
Ankläger B.: Sehen Sie sich doch mal um, sehen Sie sich
das Land an, dem Sie gedient haben? Sehen Sie sich die Menschen
an, die wirklich Mut hatten, die etwas riskierten. Und wenn
nötig, ihr Leben. So wie Emmis Vater.
Emmi! Emmi - nehmen Sie ihre Finger aus den Ohren. Ich spreche
über Ihren Vater.
Sekretärin: Mein Vater hat sich erst an der Verschwörung
beteiligt, als ihm klar wurde, dass wir den Krieg nicht gewinnen
würden.
Furtwängler: Was für eine Welt wollen Sie, Major? Was für
eine Welt wollen Sie erschaffen? Glauben Sie ernsthaft, dass die
einzige Realität die materielle Welt ist. Wenn Sie das glauben,
dann bleibt Ihnen nichts. Nichts als schmieriger Schmutz.
Schmutz noch viel übelriechender - als der - von dem Ihre Nächte
erfüllt sind. Wie hätte ich ahnen, wie hätte ich wissen können,
wozu die fähig sein würden. Keiner wusste das. Ich will, ich
will diesem Land nicht bleiben. Ja, ich hätte ‘34 weggehen
sollen. Es wäre besser gewesen, wenn ich gegangen wäre.
Ankläger B.: Schaffen Sie ihn hier raus!
Furtwängler: Danke, Fräulein! Sie waren sehr freundlich!
Ankläger B.: Verdammte Hurensöhne!
Major Arnold - geben Sie mir General Wallace. General, Major
Arnold, es geht um Furtwängler, ich weiß nicht, ob wir genügend
gegen ihn in der Hand haben?
●
Ankläger B.:
Wir übergaben Wilhelm Furtwängler den Zivilbehörden. Man warf
ihm vor, dem Naziregime gedient, antisemitische Verleumdungen
geäußert zu haben, bei einer offiziellen NSDAP Veranstaltung
aufgetreten und preußischer Staatsrat gewesen zu sein. Doktor
Furtwängler wurde entlastet, ich habe ihn nicht festgenagelt,
aber ich habe ihn ins Schwitzen gebracht. Und ich weiß, dass ich
das Richtige getan habe. Furtwängler setzte seine Laufbahn fort,
aber er durfte nie in den Vereinigten Staaten dirigieren. Er
starb 1954. Herbert von Karajan wurde sein Nachfolger als
Chefdirigent der Berliner Philharmoniker.
Zitatende
Quelle:
https://www.arte.tv/de/videos/115953-000-A/taking-sides-der-fall-furtwaengler/
●
Die Rollen und ihre Darsteller
Quelle:
https://www.arte.tv/de/videos/115953-000-A/taking-sides-der-fall-furtwaengler/ |
Leserbrief
… zum
Thema „Katharina Wagner bleibt Chefin der Festspiele“
Vor
sechs Jahren enthielt meine Leserzuschrift im Kurier zum gleichen Thema
den Titel: 'Blankes Entsetzen'. Ich hätte nie gedacht, dass ich mir
Jahre später eine neue Überschrift suchen müsste, die meine grenzenlose
Enttäuschung und Verärgerung über die erneute Vertragsverlängerung mit
Katharina Wagner spürbar wiedergibt. Das gleiche Ergebnis, Katharina
Wagner noch einmal fünf Jahre als Festspielleiterin, ist nur schwer zu
ertragen.
92 %
der Freunde der Aufführung von Wagners Werken im Festspielhaus haben
Wagner in Verbindung zu Bayreuth längst abgeschrieben.
Den
genannten Personen, die diese Entscheidung getroffen haben, fehlt jede
tiefer gehende Beziehung zum Werke Richard Wagners. Die Aufführung
seiner grandiosen Musikdramen im Bayreuther Festspielhaus bedeutet ihnen
ebenfalls nichts, gar nichts! Sie kennen die komplizierten Strukturen
und die Abläufe nicht, deren konsequente Erfüllung Grundlage der früher
so grandiosen Festspielaufführungen waren. Letztlich haben sie der
Nichterfüllung des Stiftungsauftrages „im Festspielhaus die Werke
Richard Wagners festlich aufzuführen“, zugestimmt! Das ‘neue Konzept‘
von Frau Wagner bleibt wohl auch geheim, oder?
Die
Verantwortlichen für diese Entscheidung haben keinerlei
Ursachenforschung betrieben: Wie kam es zu dem katastrophalen Niedergang
der Festspiele und wer trägt dafür letztlich die Verantwortung, wenn
nicht Katharina Wagner? Ist ihnen nicht bewusst geworden, dass Katharina
Wagner seit 2008 (durch die künstlerische Freiheit enthemmt)
ungehindert, Jahr für Jahr, mit jeder neuen Inszenierung Wagners Werke
aus dem Festspielhaus verbannt hat? Ihre Amtsführung als
Festspielleiterin ist die Ursache für den katastrophalen Niedergang der
Bayreuther Festspiele, in künstlerischer, organisatorischer und
wirtschaftlicher Form. Ihre Amtsführung, bzw. die Auswahl der in
Bayreuth tätigen Regisseure, Dramaturgen und Bühnenbildner sind der
Grund für Bayreuths Niedergang, denn die Einnahmen der 92% der damals
begeisterten Zuschauer, die die Lust verloren haben für viel Geld nur
noch die Musik geboten zu bekommen, während auf der Bühne das totale
Chaos herrscht, und die deshalb nicht mehr kommen, fehlen in der Kasse.
Der
Rückgang in der Kartennachfrage besteht seit 2007. Spätestens nach dem
Ring 2013 wurde sichtbar, dass - beschleunigt durch den immer stärkeren
Rückgang im Kartenverkauf – die künstlerisch Verantwortlichen die
Notbremse hätten ziehen müssen. Aber da war der „allgewaltige Toni
Schmid“, der Vorsitzende sämtlicher Gremien in Bayreuth, der Frau Wagner
immer und immer wieder unter Missachtung aller in der Stiftungssatzung
festgelegten Regularien einfach im Amt bestätigte. Niemand hat gegen
diese Vorgänge seine Stimme erhoben oder diese Entscheidungen zumindest
in Frage gestellt.
Seit
September 2023 ist der neue Regierungspräsident von Oberfranken, Herr
Luderschmid, im Amt und er ist damit auch der erste Vorsitzende der
Richard Wagner Stiftung Bayreuth. Herr Luderschmid hat genauestens
Kenntnis über die Gründe, die zur Schaffung der Stiftung führten und
über die Pflichten und Rechte, die aus der Stiftungssatzung erwachsen.
Und trotzdem wurde der Stiftungsrat wieder ausgeschaltet. So etwas gibt
es nur in Bayern!
Alle
Hoffnung ruhte auf der Zeit „nach Herrn Schmid“. Aber weit gefehlt!
Wieder wurde an der Findung eines geeigneten Anwärters für den
Festspielleiterposten kein Künstler beteiligt, auch wurde die ganze
Angelegenheit „in den Hinterzimmern der Macht“ abgewickelt! In der
Annahme,dass das jetzt wieder so einfach abläuft, hat sich weder der
(schon vor Jahren entmachtete) Stiftungsrat incl. seiner neuen
Vorsitzenden, noch der Stiftungsvorstand wirklich um einen neuen
Festspielleiter gekümmert bzw. kümmern dürfen, obwohl seit vielen Jahren
feststeht, dass die Amtsführung Katharina Wagners als Festspielleiterin
die alleinige Ursache dafür ist, dass die Bürger diese
Festspiellaufführungen nicht mehr sehen wollen.
Die
Allgewaltigen der wichtigsten Stifter, der Bundesrepublik und des
Freistaates Bayern, die Staatsministerin Frau Claudia Roth und der
bayrische Kunstminister Markus Blume, sinnieren derweil über ein
besseres Publikum für Bayreuth und die Überarbeitung von Strukturen
(welcher Strukturen, wenn es keine gibt?), oder – im Falle von Herrn
Minister Blume – der ein von Frau Wagner vorzulegendes Konzept für die
nächsten Jahre aussehen soll und wie man die Anteile der Gesellschaft
der Freunde von Bayreuth übernehmen kann, um damit noch mehr Einfluss in
Bayreuth zu gewinnen. Dieses in der Zeitung angekündigte „sogenannte
Rezept“ bleibt wohl auch geheim, oder?
Beide
Minister, die für diese Entscheidung Verantwortung tragen, kennen also
nicht die Gründe, die bis ca. 2005 die Einzigartigkeit jeder einzelnen
Festspielaufführung möglich gemacht haben. Sie erkennen demnach auch
nicht den künstlerischen Verlust, den die Musik- sprich Opernkultur
Deutschlands durch den Ausfall Bayreuths erlitten hat.
Die
schwere Entscheidung, Katharina Wagner im Amt zu halten, wurde nicht
nach der Abwägung künstlerischer Gesichtspunkte demokratisch vom
Stiftungsrat gefällt, sondern sie hat ganz andere, rein materielle
Gründe, daran waren ausschließlich Politiker und Beamte beteiligt. Wer
in Zukunft in Bayreuth Wagners Musikdramen in Vollendung sucht, wird bei
dieser Suche verzweifeln.
Heribert A. Bludau - Lindenallee 2 - 23714 Malente
|
|
Zitat
Messa da Requiem
von Giuseppe Verdi
| Text aus der katholischen Totenmesse
mit gesprochenen Texten von
Martin Mutschler
In lateinischer, deutscher, spanischer,
georgischer, polnischer und usbekischer Sprache mit deutschen
Übertiteln | ca. 2 Stunden, keine
Pause | Für Erwachsene und Jugendliche
ab 14 Jahren
Termine und Karten
So, 09.06.2024 | 16:00 – 18:00 Uhr
23,50 € – 65,50 € | erm. ab 5,00 €
Sonntagnachmittag 6a |Opernhaus |
Einführung: 45 Minuten vor Beginn
Besetzung:
Musikalische Leitung
James Hendry
S
Barno Ismatullaeva A
Monika Walerowicz T
José Simerilla Romero B
Shavleg Armasi X
Heinrich Horwitz
Chor der Staatsoper Hannover,
Extrachor der Staatsoper Hannover,
Statisterie der Staatsoper Hannover,
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Zitatende
Quelle:
https://staatstheater-hannover.de/de_DE/programm-staatsoper/messa-da-requiem.1343153 |
Der dritte Rang geschlossen, nach Personalangaben nicht
einmal 400 Personen im Zuschauerraum bei 1.202 zur Verfügung stehenden
Sitzplätzen.
Hierzu Bemerkungen eines Vollzahlers zur Neuproduktion von Verdis
Totenmesse an der Nds. Staatsoper Hannover
unter der Geschäftsführung von Laura Bermann und der Dramaturgie von:
Kommentar
Geschmacklos,
taktlos, pietätlos, respektlos –
aber Mätzchen machend nach dem Motto:
„Als Amerikanerin – ich liebe Unterhaltung“
Man zeige an diesem Nachmittag
des 9.6.2024 das Requiem von Verdi - meint ein neuer Dramaturg
namens Menne.
Die hannoversche Staatsoper führe es nicht rein konzertant auf,
sondern szenisch, schließlich habe Verdi sein Werk von 1874
nicht nur als Konzertstück gesehen. Sehr bald sei es in der
Scala in Mailand zur Aufführung gekommen.
Verdi habe schließlich auch opernmäßig gedacht und so habe man
sich entschlossen, die Regisseuren, die mit ihrer Inszenierung
des ’Mefistofele’ in Hannover nicht gerade Furore machte, wieder
zu engagieren.
Dies war ein Fehler, denn sie griff nun bei der szenischen
Umsetzung dieser Totenmesse völlig daneben.
Man traut im Hause der Nds. Staatsoper Hannover der Musik nicht
und baut szenische Mätzchen ein – getreu der Maßgabe der Frau
Geschäftsführerin der Oper, dass Remmi-Demmi zur Unterhaltung
auf die Bühne komme.
Nach Aussage des Dramaturgen Menne, habe sich die Regisseurin in
Berlin an der U-Bahn, Linie 8 (Die Verbindung über Osloer Straße
nach Wittenau und in die andere Richtung bis zum Herrmannplatz)
das Verhalten der Menschenmassen abgeguckt, um dies in die
szenische Umsetzung in Hannover einzubringen. Im Telefongespräch
mit dem Herrn Dramaturgen erwähnte sie weitere Figuren, die man
noch in die Inszenierung einbauen könnte.
Offensichtlich hat die Dame öfters Peter Handkes Schauspiel ’Die
Stunde, da wir nichts voneinander wussten’ gesehen und sich an
dessen Dramaturgie orientiert.
Gemäß dieser Maßgabe tummeln sich nun fast 100 Personen auf der
Bühne, die über ein ansteigendes Gerüst als Tribüne verfügt, auf
dem sich Mitwirkende auf- und abwärts bewegen. Dazwischen zwei
Gänge links und rechts nach hinten, so dass auch Bewegungen auf
der Bühne von vorne nach hinten und umgekehrt möglich sind.
Ein großartiger Einfall, der stark zur Belebung der Bühne
beiträgt – nach dem Motto der Frau Geschäftsführerin der Oper:
„Als Amerikanerin - ich liebe Unterhaltung“!
Die Szene ist offen, also kein Vorhang – die Vorstellung beginnt
mit dem Vorzeigen der leeren Bühne, das Gestühl nach oben hinten
ansteigend, also als sängerfreundlich zu bezeichnen. Das
Auditorium füllt sich mit auf dem Bühnenboden trampelnden
Solisten und Choristen. Laut Besetzungszettel sind auch
Statisten unter den Herumspazierenden bei dem im Moment
schweigendem Orchester.
Gemäßigten Schrittes schlendern Solisten, Choristen, Statisten
so zu den amphitheaterähnlich aufgestellten Sitzmöglichkeiten.
Rechts oben die Sopranistin, rechts erscheint in dem Durchgang
der Tenor, er steigt ganz nach oben, hangelt sich am Geländer
entlang nach links hinten.
Suchbild, das zwangsläufig in Verbindung mit der Gesamtszene
gesehen werden muss und trotz nun heller Beleuchtung der Bühne
sich stellt:
Wo ist die Altistin und wo ist der Bassist?
Nach etwa sechs Minuten beginnt das Orchester mit der Nr. 1 der
Totenmesse und da sich die Chorherrschaften mit den Solisten
erheben, erkennt man auch die Altistin – diese hier mit einer
Rot-Kreuz-Haube geschmückt – links unten – sie schreitet in die
Bühnenmitte, verharrt dort, schaut ins Publikum und trägt dann
ein in ihrer rechten Hand befindliches Portraitfoto nach rechts
ans Portal und hängt dieses an dieses. Der Chor, vom Auftritt
erschöpft, hat inzwischen wieder auf der Tribüne Platz genommen.
Der Bassist - links aufgetreten - eilt durch den linken Gang
nach hinten. Wohl hat er etwas vergessen, was er für den
weiteren Verlauf der Vorstellung braucht.
Die Sopranistin schreitet rechts gemächlich die Treppe von der
Tribüne herunter und ein nicht näher bezeichnetes Faktotum, das
neben dem Portal stand, schaut sich nun das von der Altistin
aufgehängte Foto auf der Pinwand an.
Während des ’Kyrie’ des Tenors, der oben links auf der Tribüne
erschienen ist, eilt der Chor nach rechts zum Portal, um dort
von ihm mitgebrachte eigene Wahlplakate mit Portraitfotos
aufzuhängen. Es muss sich um eine Wahlkampfveranstaltung
handeln, zumal der Tenor links die Choristen mit großen Gebärden
auffordert, sich die Porträtfotos der Wahlkämpfer anzusehen.
Wer vom Chor nun nicht rechts auf das Portal mit den
Wahlplakaten schaut, blickt heischend ins Publikum. Die Altistin
strömt von rechts, wo sie sich mit der Sopranistin getroffen
hatte, in die Mitte, wo sie den von links erschienenen Tenor
herzlich mit Handschlag begrüßt, denn schließlich hat man sich
ja seit 15 Minuten nach dem Verlassen der Solo-Garderoben nicht
mehr gesehen.
Die Sopranistin ist von rechts in die Mitte hinzugetreten. Da
aber löst sich die Solo-Gruppe sehr schnell auf, denn man ist ja
dem Publikum Unterhaltung schuldig und die ist nur mit auf und
ab und hin und her zu bewerkstelligen. Nur einfaches Rumstehen
ist nicht erlaubt, denn vorgegeben ist seitens der Frau
Geschäftsführerin Oper: Unterhaltung according to american
style.
Links hatte sich der Bassist niedergelassen, zu ihm schritt die
Altistin - nun löst sie sich wieder von ihm, bleibt zunächst
wartend stehen und eilt dann in die Mitte, wo sie neben einem
Kind, das die ganze Zeit schon einen überdimensionierten
Elefanten mit sich herumträgt, der wohl von der von Herrn Dr.
Klügel übernommenen Voges-Aida-Inszenierung übriggeblieben ist -
innehält und mit den anderen erwartungsfroh in den Zuschauerraum
blickt.
Nahezu unbemerkt ist der in Turnerkleidung aufgetretene Atlatus
oder auch als Faktotum zu Bezeichnende auf der am rechten Portal
bereitgestellten Leiter gestiegen und betrachtet die Menge auf
der Bühne gemäß Regieanweisung. Ihm reicht die Altistin nun die
Hand, damit er gefahrlos nach dem Anbringen der Wahlplakate
herabsteige und die Leiter nach rechts hinter die Bühne trage.
Das Allegro agitato des ’Dies irae’ aus der Nr. 2 (Seite 17
Peters Klavierauszug) überrascht die Technik, denn das grelle
Licht auf der Bühne verlischt plötzlich, worauf der Tenor, der
rechts am Portal stand, vor Schreck hintenüberfällt und zunächst
mal am Bühnenboden liegen bleibt. Von rechts sind die Altistin
und dieser Atlatus wieder aufgetreten, nachdem sie die Leiter
irgendwo hinten auf der Bühne verstauten.
Alle strömen plötzlich beim ’Solvet saeclum’ nach vorne, machen
rechtzeitig an der Rampe halt und schauen auf die wenigen
belegten Sitzplätze, wenn doch 1.202 zur Verfügung stehen und
von denen weniger als 400 an diesem Nachmittag verkauft waren.
Erschüttert von diesem Anblick lässt sich der Chor auf dem Boden
nieder, nur die Sopranistin bleibt ungerührt stehen. Die Übrigen
erheben sich dann wieder, begeben sich einige Schritte zurück
und kehren gleich wieder an den Rand des Orchestergrabens
zurück, um die von der Geschäftsführung gewünschte Bewegung zur
Unterhaltung zu schaffen und sich dort dabei des Klangs der
Blechbläser zu erfreuen.
Der Bassist singt sein Solo ’Mors stupebit’ frisch und frei von
links in die Mitte der Bühne schreitend ins Publikum hinein,
während die Altistin, die von rechts aufgetreten ist und ein
Wahlplakat – wie auch eines der Bassist im Arm hält wie bei
einer Wahlveranstaltung präsentiert, und ihr ’Liber scriptus’
anfänglich unten auf der Bühne, dann von weiter oben singt, um
den Chor als die potentiellen Wähler akustisch besser erreichen
zu können. Dann verlässt sie den Aussichtspunkt. Der Chor ist
nach hinten getreten, gibt den Solisten Raum.
Die Sopranistin ist da, der Tenor, die Altistin und auch der
Bassist ist wieder präsent, der, der Altistin ansichtig werdend,
durch den rechten Durchgang nach hinten die Bühne eiligst
verlässt.
Zu den noch Anwesenden gesellt sich dieser Atlatus von rechts,
er greift galant die Tasche der Altistin vom Boden, steigt links
die Stiege hinauf, während links unten jemand in gelbem Kostüm
mit weiß-blonder Perücke aufritt, nach rechts eiligst über die
Bühne stöckelt, ein Wahlplakat an das Portal hängt, Turnschuhe,
die rechts liegen geblieben waren, aufhebt und mit ihnen durch
den rechten Tunnel nach hinten verschwindet. Der Atlatus hat in
der ersten Reihe der mittleren Tribüne Platz genommen, wartet ab
und steigt dann die Treppen links hinauf.
Die Sopranistin stöckelt nach vorne, hüpft auf der Bühne nach
vorne, schaut in den Orchestergraben, argwöhnisch vom Atlatus
beobachtet, damit er - zur Not im letzten Moment - einzugreifen
und den Sturz der Sopranistin in den Orchestergraben zu
vereiteln in der Lage ist.
Die Altistin singt die Plakatwand an, dann tändeln die drei
Solisten über die Bühne, der Atlatus steigt links die Treppe
hinauf in lichte Höhen der Tribüne, der Tenor geht nach rechts
ans Portal, greift sich einen Hockeyschläger, den die Inspizienz
weisungsgetreu dorthin am Boden platzierte. Damit hantiert er
rücksichtslos herum, um beim ’Rex tremenda majestatis’ mit dem
Stecken auf den Bühnenboden zu schlagen. Die Sopranistin lacht
schallend, ob der tenoralen Aktionen.
Für das folgende ’Salva me fons pietatis’ hat die Altistin sich
bemüßigt gefühlt, sich sicherheitshalber links vorne auf die
Knie niederzulassen und sich damit in Deckung vor weiteren
Attacken des Tenors mit dem Holzschläger zu gehen. Zu ihr
gesellt sich die Sopranistin, so dass die beiden Damen
musikalisch sehr leicht zusammenbleiben können.
Der Bassist war rechtzeitig für seinen Einsatz zum ’Salva me’
von links oben heruntergekommen, um nun in der Mitte der Bühne
die Situation anzuführen und den um sich schlagenden Tenor in
die Schranken zu weisen, dass man eben nicht auf die Umstehenden
einschlägt, während man textgemäß ’Salva me’ singt.
Der Atlatus hat inzwischen den Tenor entwaffnet und hantiert nun
selber mit dem Stecken.
Der Tenor zog sich auf die Tribüne oben zurück, der Atlatus war
ihm gefolgt, die Sopranistin liegt auf den Knien, wischt mit der
Hand über den Bühnenboden, erhebt sich rechtzeitig, um die hohe
Lage der Töne an der Stelle besser abstützen zu können.
Während des ’Recordare Jesu’ leert sich die Bühne. Manche der
Choristen bleiben an der Plakatwand stehen, der Tenor kniet sich
auf den Bühnenboden und fotografiert mit Blitz die beiden links
singenden Damen - Sopran und Alt.
Das erinnert sehr an die dämliche von Frau Dr. Palmai als
Chefdramaturgin zu verantwortende ‘Tosca‘-Inszenierung an der
Nds. Staatsoper Hannover, wenn Cavaradossi im ersten Akt den
Mesner mit dem Kind fotografiert …. und das am Tag der Schlacht
von Marengo am 14. Juni 1800, an dem ja die ‘Tosca‘ spielt.
Es fragt sich, wer diese Leitungspersonen engagiert, die nicht
einmal die simpelsten historischen Daten zur Verfügung haben.
Wie schön, dass sich alles nun bei den Grünen und der SPD
politisch neigt – ob im Stadtrat in Hannover, im Land oder auch
im Bund. Schlimm nur, dass das Elend am Nds. Staatstheater seit
2002 anhält und sich so die Lage unter der fachmännisch
unqualifizierten Politik manifestiert.
Damit hier die Vorgabe der Geschäftsführung der Oper in Hannover
erfüllt werden kann und Unterhaltung geboten wird, führt oben
rechts die schon bekannte Figur im gelben Kostüm und heller
Perücke Turnübungen durch.
Man kann es nicht richtig erkennen, aber handelt es sich bei der
Frau nicht um Herrn Mutschler, der ja die verbindenden Texte in
verschiedenen Sprachen für den zweiten Teil des Abend erfunden
hat? Den hat aber doch Herr Schoner nach STR engagiert. Was
macht der noch hier?
Unfug, wie es scheint, aber das fällt bei dem ganzen Getue und
Gemache in dem Haus nicht mehr auf. Leidtragende sind die
Solisten – gerade an dieser Stelle.
Für das ’Ingemisco’ erhebt sich der Tenor, der das
Gespräch der beiden Damen auf den Stühlen in der ersten Reihe
liegend angehört hatte. Das Licht wird mehr und mehr eingezogen,
es wird ein heller Lichtkreis auf den Boden projiziert. Ein
Statist betritt den Kreis, Kinder strömen herbei, gesellen sich
zu dem soeben aufgetretenen Einzelgänger und halten dem Tenor
beruhigend die Hand, denn jetzt kommt die hohe Stelle, vor der
sich mancher fürchtet. Die Kinder schleppen den Tenor nach
rechts, wedeln mit den Armen, um das Publikum abzulenken, falls
der hier hohe Ton ‘in die Hose‘ geht.
Der Lichtkegel wird verkleinert zu einem Lichtring, der Sopran
tritt von links hinzu, der Bass von rechts, die Kinder sind samt
Tenor durch den rechten Tunnel von der Bühne geeilt. Auch der
Kleine mit dem Klügel’schen ’Aida ’-Elefanten.
Der Bass tritt in den wieder aufgezogenen Lichtkegel und hat für
sein ’Confutatis maledictis’ die Bühne für sich – bis auf dieses
Faktotum, das mit dem Hockeyschläger um ihn herumschleicht. Nun
tritt auch die Altistin hinzu, kramt da am Boden herum und
stört, indem sie den Bassisten aus dem Lichtkegel herauszuziehen
trachtet. Es gelingt ihr.
Der Lichtkegel erlischt und der Chor stürzt herbei, wird aus der
Rampenbeleuchtung illuminiert und liefert sein ’Dies irae’ –
unter Ableistung gewisser Turnübungen, wie ’Rumpf vorwärts
beugt’, ab.
Im Hintergrund wird ‘dämpfig Gedünst‘ aus den entsprechenden
Geräten zu Belebung der Szene seitens der Technik geliefert.
Für das ’Lacrimosa’ der Altistin wendet sich der Chor nach
hinten, um der Sängerin die ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen
zu lassen. Dann steigt die Menge auf die Tribüne und damit in
den Hintergrund, die vier Solisten fassen sich an den Händen,
laufen dann die Treppe hinauf auf die Hälfte der Höhe und können
sich dort ganz dem ’Dona nobis pacem’ widmen.
Das Faktotum hat rechts eine Reisetasche gegriffen, stellt sich
mit dem Rücken zum Publikum mitten auf die Bühne, schaut den
Chor auf der Tribüne an und wartet auf dessen ’Amen’.
Zur Nr. 3, dem ’Offertorio’, entsteht eine Pause, das Orchester
schweigt und wird nicht einmal durch sein Arbeitslicht
beleuchtet, der Chor sitzt auf der Tribüne. Dieses Tacet wird
vom Faktotum genutzt, sich seiner Kleider weitgehend zu
entledigen, die es dann herumliegen lässt. Irgendwelche Phrasen
werden von ihm gedroschen, wohl die Worte von Herrn Mutschler,
die aber durch schlechte Sprechtechnik und mangelnde Dynamik in
der Sprechweise des Faktotums von den wenigen anwesenden
Zuschauern nicht verstanden werden können.
Sopranistin und der Tenor steigen die Tribüne links herab, sie
hebt den gelben Mantel ihres Kostüms auf und hängt ihn dem
Faktotum um, kniet aus irgendwelchem Grund vor dem Faktotum
nieder, steht aber gleich wieder auf. Die Altistin kramt in der
Reisetasche des Faktotums herum und hilft dem in seine Hose, der
Tenor hält den Hockeyschläger und schaut dem Treiben zu, ohne
die Einsätze zum ’Domine Christe’ zu verpassen. Diese
mitzumachen, gelingt auch den anderen Solisten, auch dem
Bassisten, der rechtzeitig von rechts kommend, auf die Kollegen
trifft. Einzelne Figuren auf der Tribüne bewegen sich rauf und
runter, um die von der Frau Geschäftsführerin Oper anberaumte
Unterhaltung, die sie ja als Amerikanerin so liebt, zu
gewährleisten.
Das Faktotum wird von Solisten weiter eingekleidet, es erhält
einen roten Umhang und stürzt dann mit dem flatternd wie eine
Fledermaus die Treppe der Tribüne links hinauf, oben rum nach
rechts, während unten links der wohl als Herr Mutschler
identifizierte, gelb kostümierte, hell perückte Balletteur seine
Übungen mit dem Hockeyschläger im Lichtkegel vollführt. Das als
Fledermaus kostümierte Faktotum schlängelt sich inzwischen durch
die Reihen des Chores auf der Tribüne runter auf die Hauptbühne.
Von links werden hochaufragende – weil mit Gas gefüllte –
Luftballons hereingetragen und vom Faktotum wild herumrennend an
die Solisten verteilt.
Alles zur Erfüllung der Vorgaben zur Unterhaltung durch die Frau
Geschäftsführerin der Oper.
Wer hat die eigentlich eingestellt?
Nun folgen die wohl von Herrn Mutschler erfundenen Texte, von
den Solisten in deren Muttersprache vorgetragen, die die
Vorstellung nur aufhalten, weil „überflüssig wie der Dreck zu
Pfingsten!“
Damit auch hier die Vorgabe der Unterhaltung erfüllt werde,
steigt die Altistin dem Bassisten nach. Dann hebt sie das
Jackett auf, das der Tenor auszog und vom Bassisten auf den
staubigen Bühnenboden fallen ließ. So ist man ständig in
irgendeiner Form in Bewegung.
Für die folgende Nr. 4 das ’Sanctus’ lässt der Tenor auch noch
die Hose fallen und zeigt sich in einem silbrigen Kostüm, das er
unter dem Straßenanzug trug und nun eine La Ola-Welle mit dem
Chor initiiert, die ja - im Rahmen der von der Frau
Geschäftsführerin Oper geliebten Unterhaltung – gezeigt wird.
Von rechts kommt das Faktotum mit einer Kühlbox und verteilt Eis
am Stiel – oder sonst was, man kann es nicht erkennen, der Tenor
schmust mit der Sopranistin, Frau Mutschler als Ballerina tanzt
sich ein Solo, dann zieht die Sopranistin ein Mikrofonkabel von
links nach rechts (sicherlich hätte man das auch gleich rechts
anbringen können, aber dann hätte man ja dem Gang der
Sopranistin mit schwingendem Mikrokabel entraten müssen).
Der Chor hampelt - zwischenzeitlich stehend - im Takt des
’Sanctus’ herum – ganz im Sinne der Frau Geschäftsführerin Oper
– Hauptsache: ’Ä k t s c h n’!
Der Bassist setzt sich in die erste Bank der Tribüne und liefert
seinen Mutschler-Text ab, dem nach einigen Minuten die Nr. 5 das
’Agnus Dei’ mit Sopran, Alt und Chor folgt. Die Altistin voller
Begierde, dem Wunsch nach Unterhaltung zu folgen, läuft bis in
die Mitte der Bühne, um den nach rechts gewankten Bassisten zu
sich zu locken – es misslingt.
Nun versucht es die Sopranistin, den Bassisten aus seiner
Lethargie, die ihn da in der rechten Ecke der Bühne neben der
Wahlplakatwand überfallen hat, zu lösen. Ihr gelingt es und die
Altistin, die der Sopranistin quer über die Bühne gefolgt ist,
beobachtet die ’action’ der Sopranistin genau. Der Chor ist von
links kommend nach rechts dem Vorgang gefolgt und rückt den
Solisten nah, worauf sich der Bassist bedrängt fühlt und in sich
zusammensackt. Natürlich springt – typisch für einen
’Mütteralt’, die Sängerin herbei und kümmert sich um den
Gestürzten. Immerhin ist sie ja im Kostüm der DRK-Schwester (das
Häubchen weist sie als solche aus) zum Helfen
dienstverpflichtet. Um das Ganze im Rahmen der geliebten
Unterhaltung zu bestärken, stößt der Bassist von Verdi nicht
komponierte Quällaute hervor, worauf der Chor leicht
zurückweicht. Die Sopranistin hat dem Bassisten die Schuhe
ausgezogen, die sie zunächst an sich nimmt, diese ihm dann
aushändigt und nach links abgeht.
Das Faktotum war inzwischen hinzugetreten. Die Altistin kniet
nun bei dem gestürzten Bassisten am Boden. Statt ihn jetzt zu
laben und sich ein ‘Erquickung schaff‘ ich‘ zur Maxime zu
machen, sagt sie einen Mutschler-Text in polnischer Sprache auf.
Da umklammert die Altistin die Beine des Faktotums – Sopranistin
und Tenor poltern laut mit den Absätzen auf dem hölzernen Boden
über die Bühne und verlassen diese nach links. Die Altistin hat
die Beine des Faktotums losgelassen und widmet sich weiterhin
mit ‘Inbrunst im Herzen‘ ihrem Mutschler-Text.
Einige Statisten bewegen sich zwecks ’Unterhaltung’ mal rein,
mal raus – schaffen so Bewegung und geben dem in so schwacher
Anzahl erschienenem Publikum die Möglichkeit, von dem
Bühnengeschehen – das ja gerade hier so voller Spannung ist, –
enthusiasmiert zu sein.
Die Nr. 6 folgt mit ihrem ’Lux aeterna’ für Alt, Tenor, Bass.
Die krampfhaft Unterhaltung schaffenden Statisten sind emsig
dabei, durch hinauf und hinab der Treppen, wie auch raus und
rein die Ausgänge benutzend - das Bemühen der Solisten
kultiviert zu singen, zu stören.
Aber die stehen sich dabei ja selber im Weg, weil sie bei
unnötigen Aktionen mitagieren müssen.
Wahlplakate werden vom Faktotum von der Pinwand am Portal
abgenommen, der Altistin wird mit dem roten Fledermausumhang die
Möglichkeit zum Einwickeln zur Verfügung gestellt, die
abgenommenen Wahlplakate werden in die in die Luft und so dem
Publikum vorgehalten.
Mit den letzten Tönen der Nr. 6 flattert das Faktotum mit
wehendem Fledermausumhang von rechts nach links, um für eine
hier nicht weiter genannte Amerikanerin, die ja Unterhaltung
liebt, für diese zu sorgen.
Für die Nr. 7, das ’Libera me’, wird die Bühne abgedunkelt, sie
erscheint nun in gelblichem Licht einer untergehenden Sonne und
die Sopranistin nutzt die Gelegenheit, das in geringer Anzahl
erschienene Publikum, mit ihrem Mutschler-Text vertraut zu
machen. Das Faktotum quatscht ihr von links in deutscher Sprache
dazwischen.
Endlich das Finale, angestimmt von der Sopranistin, der Chor
unsichtbar, von hinten, dann mit Statisten auftretend, über die
Bühne eilend und so für Unterhaltung sorgend, bevor die Bühne
wieder in hellstem Licht erstrahlt und mit ’allegro agitato’ der
Chor mit seinem ’Diese irae’ sowohl musikalisch und in Position
stillstehend, ins Publikum wie auch auf den Dirigenten schauend,
darstellerisch mittels emporgehaltener Wahlplakate, das Kommando
übernimmt.
Das Faktotum schlendert durch Chormassen, die Sopranistin eilt
links die Treppe der Tribüne hinauf, dann quer rüber und auf der
anderen Seite wieder runter. Der Tenor nutzt die für ihn
gesangsfreie Zeit und fühlt sich bemüßigt, diese für Übungen zur
Körperertüchtigung mittels Schattenboxen zu nutzen.
Die Sopranistin wieder unten auf der Bühne - trittsicheren Boden
habend – versucht sich bei dem permanenten Rumgerenne dem Gesang
zu widmen, der Chor, ihr kniend zu Füßen, lenkt mit Handspiegeln
das Scheinwerferlicht ins Publikum, mit der Absicht, dieses zu
blenden. Dann werfen alle die Spiegel achtlos zu Boden und
enteilen nach hinten auf die Tribüne.
Jemand klaubt die vom Chor liegengelassenen Spiegel auf, damit
die zum Applaus auftretenden Menschenmassen sich nicht irgendwie
verletzen.
Der Tenor schreitet in Siegerpose des Schattenboxers quer über
die Bühne nach links und versucht mit entsprechenden
Körperbewegungen Beifall des mitsingenden Chores zu erheischen.
Der Bassist schaut befremdet dem tenoralen Treiben zu, versucht
dann, ihn niederzuringen. Der Chor tritt herunter von der
Tribüne, nach vorne an die Rampe, davor die Sopranistin - mit
den letzten Tönen dieses großen Werkes.
Die paar Leute im Publikum sind gemäß dem ’Libera me’ befreit
von szenisch geschmackloser Inszenierung an der Nds. Staatsoper
Hannover und o.a. Text versucht das Konfuse des ganzen
Unternehmens zu beschreiben.
Die auf der Bühne Mitwirkenden sind zu bedauern, sich hier
einbringen zu müssen. Permanentes, planloses Rumgerenne, von
links nach rechts, von oben nach unten, von hinten nach vorne -
vice versa – verhindert kultivierten Schöngesang.
Das Ergebnis ist entsprechend.
|
Letzte Meldungen
|
|
Zitat
Schauspiel Dortmund:
„Nur kein Beifall von der falschen Seite“
7. Juni 2024, 13:47
Uhr
(Foto: Ralf
Rottmann/Imago/Funke )
"Ich versuche, in meinem Haus ein offenes und
einladendes Arbeitsklima herzustellen", sagt Julia Wissert, die
Intendantin des Dortmunder Schauspiels. Das erleben manche am
Haus anders.
Stress am Schauspiel Dortmund: Intendantin Julia
Wissert kämpft mit verheerenden Auslastungszahlen und viel Unmut
im Haus.
Von Von
Alexander Menden,
Uwe Ritzer
[…] Nachdem einer der freundlichen jungen
Platzanweiser im Foyer einen Blick auf das Ticket geworfen hat,
sagt er: „Sie haben eine Karte für den Balkon. Wir können Ihnen
heute ein spezielles Upgrade anbieten: Suchen Sie sich einen
Platz im Parkett aus, von da sehen Sie besser.“
Wie sich herausstellt, hat man tatsächlich fast
die freie Wahl: 36 Zuschauerinnen und Zuschauer verlieren sich
in einem Auditorium, das 500 Leuten Platz böte – eine Auslastung
von 7,2 Prozent. […]
Gerade Julia Wisserts eigene Inszenierungen fielen beim Publikum
durch. Zieht man Freikarten ab, liegt die Auslastung des
aktuellen „Rings des Nibelungen“ bei 37 Prozent. In der
vorherigen Spielzeit brachte es die Produktion „Bakchen – die
verlorene Generation“ auf ganze 23 Prozent.
[Zitatende
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/schauspiel-dortmund-julia-wissert-lux.U3RvsGxCDdmWzDVTszo2Pa
|
|
|
Zitat
Zu wenige Musiklehrer
„Wurzeln unserer Musikkultur drohen zu vertrocknen“
Laut einer
Studie fehlen an deutschen Schulen zunehmend Musiklehrkräfte.
Antje Valentin vom Deutschen Musikrat ist besorgt. Das Fach sei
auch wichtig für soziale Kompetenzen. Und zudem „ein großer
Schatz für Mathe und Deutsch.“
Siniawski, Adalbert | 09.
Juni 2024, 07:37 Uhr
Audio herunterladen
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/kulturportal-100.html |
|
|
Zitat
Andrè Schuen:
„Es gibt ein spezielles Liedpublikum“
9. Juni 2024, 15:10
Uhr
(Foto: Guido Werner)
Beim Liederabend fließen die Tränen: Bariton
Andrè Schuen.
Der Bariton Andrè Schuen schaffte es von einem Südtiroler
Bergdorf auf die größten Opernbühnen der Welt. Seine heimliche
Liebe aber gehört dem Liedgesang. […]
Andrè Schuen gehört zu den internationalen Stars der Opernszene.
Allerdings ist ihm und dem Publikum sein zweiter Schwerpunkt,
der Liedgesang, ebenso wichtig. Ende Juni ist er in London in
Mozarts „Così fan tutte“ zu erleben, im Juli bei den Münchner
Opernfestspielen, dazwischen mit Liederabenden in Kopenhagen und
Schwarzenberg. Nach seinem großartigen Album „Schubert.
Wanderer“ (avi music) von 2018 erschienen weitere Alben mit den
Liederzyklen von Franz Schubert, jetzt dessen „Winterreise“ (DG)
[…]
Interview von
Helmut Mauró
Zitatende
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/andre-schuen-liederabend-schubert-1.7399898 |
|
|
Zitat
(Foto: picture alliance / Sven Simon / Frank Hoermann)
Ruth Maria Kubitschek
Lässige Grande Dame des deutschen TV
Ruth Maria
Kubitschek wurde zuerst in der DDR am Theater gefeiert, dann im
Westen zum Star. In Helmut Dietls Serien „Monaco Franze“ und
„Kir Royal“ prägte sie eine TV-Epoche.
Jetzt ist die Schauspielerin im Alter von 92 Jahren gestorben.
Suchsland, Rüdiger | 02. Juni 2024, 17:47 Uhr
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/feine-dame-des-deutschen-tv-zum-tod-der-schauspielerin-ruth-maria-kubitschek-dlf-bccaaafc-100.html
|
|
|
Zitat
(Foto: picture alliance / Sammlung Richter)
Marika Rökk
Filmstar der Nazi-Zeit – und danach
Politik habe
sie nie interessiert, sagte die Schauspielerin Marika Rökk
rückblickend über ihre Karriere während der NS-Diktatur. Nach
dem Krieg darf sie schon bald wieder Filme drehen – um beim
Vergessen zu helfen. Vor 20 Jahren ist sie gestorben.
Klasen, Andrea | 16. Mai 2024, 09:05 Uhr
Zitatende
Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/16-mai-2004-die-deutsch-oesterreichische-schauspielerin-marika-roekk-gestorben-dlf-42effb08-100.html |
|
|
Zitat
Rundfunkbeitrag: Alarm für ARD und ZDF
In
Bayern scheitert ein Kläger vor Gericht damit, den
Rundfunkbeitrag wegen fehlender Programmvielfalt infrage zu
stellen. Das Bundesverwaltungsgericht sagt: Das prüfen wir. Die
Konsequenzen könnten erheblich sein.
Michael Hanfeld
Zitatende
Quelle:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/rundfunkbeitrag-bundesverwaltungsgericht-will-ard-und-zdf-pruefen-19783691.html |
Impressum
erscheint
als nichtkommerzielles Rundschreiben der
Bürgerinitiative-Opernintendanz
– Fehrsweg 2
– 30655 Hannover
–
info@bi-opernintendanz.de
–
www.bi-opernintendanz.de
...in
Verbindung mit:
Gilles
- Lang & Partner |
Wahlenstraße 17 | 93047 Regensburg |
info@kulturjournal.de
und
–
Tonstudio Tessmar
|
–
Reinhold-Schleese-Straße 24 | 30179 Hannover |
–
info@tonstudio-tessmar.de
Verteilung:
Direktversand an ausgewählte Leserschaft u.a.:
Mitglieder der
Bürgerinitiative-Opernintendanz -
http://bi-opernintendanz.de/
Bayerischer
Oberster
Rechnungshof,
Niedersächsischer
Landesrechnungshof,
Niedersächsische Landesregierung,
Aufsichtsrat der Nds. Staatstheater Hannover GmbH,
Politische Parteien im Nds. Landtag,
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover,
Bund der Steuerzahler,
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten,
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger,
Deutscher Bühnenverein,
Richard-Wagner-Vereine,
Feuilletons von Tageszeitungen,
Dramaturgien, Pressestellen von Theatern im deutschsprachigen Raum
RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover
RA Markus von Hohenhau, Fachanwalt für IT-Recht, Regensburg
RA Prof. Dr. Ernst Fricke, Fachanwalt für Bühnenrecht, München/Landshut
Wir verstehen diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach unserer Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes. Neben Sachaussagen enthalten diese Texte
auch Überspitztes und Satire. Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach
Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.
Wir benutzen Informationen, hauptsächlich aus eigenen Unterlagen vom
Regionalfernsehen Regensburg, telezeitung-online.de und aus dem Internet
u.a. den Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Museums, der
Preußen-Chronik, Wikipedia u.ä..
Diese Texte werden paraphrasiert wiedergegeben oder als Zitate kenntlich
gemacht.
Fotos wurden Buch- und CD-Einbänden entnommen. Beiträge aus der Rubrik
‘Musiktheater‘ wurden als Zitate aus dem Hermes Handlexikon übernommen.
Leserbriefe stellen die Meinung des jeweiligen Verfassers dar.
Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten
wir auf Differenzierung und geschlechtsneutrale Formulierung.
Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung
grundsätzlich für alle Geschlechter.
Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und beinhaltet keine
Wertung.
ML Gilles
|
|
|
Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare
nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen
enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
|
|