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Announcement
Theater
Regensburg
Dramatisches Gedicht von Friedrich Schiller (1759-1805)
Inszenierung: Michael Bleiziffer
Bühne: Karl-Heinz Steck
Kostüme: Uschi Haug
Anlässlich
von Schillers 250. Geburtstag stellt das Theater Regensburg eines
seiner markantesten Dramen vor. In „Don Karlos“ verbinden sich die
Ebenen des Privaten und des Politischen, sie bedingen und zerstören
einander. Eine Familientragödie wird zum spannenden Politthriller.
Eigentlich sollte Don Karlos
Elisabeth von Valois heiraten – so wollte es sein Vater, König Philipp
II. von Spanien. Aus politischen Gründen heiratete Philipp dann jedoch
selbst Elisabeth. Die Gegenwart der Geliebten an der Seite seines Vaters
sowie die Geringschätzung, die er durch Philipp erfährt, stürzen Karlos
in eine tiefe Krise. Der familiäre Konflikt wird zum Motor einer
Intrige, die weit in das Gefüge des Staates eingreift. Karlos hat am Hof
nur einen einzigen Freund, den Marquis von Posa. Er bittet Posa, ein
heimliches Treffen mit seiner rund um die Uhr überwachten Stiefmutter zu
organisieren. Posa willigt ein, hat aber eigentlich ganz andere Pläne.
Er will Karlos für den Freiheitskampf der von Spanien unterdrückten
Niederlande gewinnen.
Eine Intrige von Prinzessin
Eboli, die weiß, dass Karlos Elisabeth liebt, verhindert eine weitere
Verständigung zwischen Vater und Sohn, König und Thronfolger. Philipp,
an der Spitze der Macht einsam und allein und angewidert von den
unzähligen Machtspielen und der Falschheit bei Hofe, findet in Posa
einen Menschen, der ihm ohne Verstellung begegnet. Dieser fordert vom
absolutistischen Herrscher „Gedankenfreiheit“. Durch seine Offenheit
gewinnt Posa schnell das Vertrauen des Königs. Philipp sieht in ihm
einen Vertrauten und beauftragt ihn, Karlos zu überwachen. So ist Posa
gezwungen, ein doppeltes Spiel zu spielen – sowohl mit König Philipp als
auch mit seinem Freund Karlos. Doch seine riskanten Manöver bringen
schließlich ihn selbst und Karlos zu Fall.
Besetzung
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Philipp der Zweite |
Anton Schieffer |
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Elisabeth von Valois |
Anna Dörnte |
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Don Karlos |
Roman Blumenschein |
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Herzogin Olivarez |
Silvia Rhode |
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Marquisin von Mondecar |
Doris Dubiel |
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Prinzessin von Eboli |
Silke Heise |
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Marquis von Posa |
Christoph Bangerter |
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Herzog von Alba |
Hubert Schedlbauer |
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Graf von Lerma |
Paul Kaiser |
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Don Raymond von Taxis / Page |
Michael Morgenstern |
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Domingo |
Michael Haake |
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Der Grossinquisitor |
Miko Greza |
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Alles, was
Goethe schrieb, hatte Bezug zu seinem Leben, ohne Kenntnisse dessen
waren seine Werke kaum verständlich. Erfassen seiner Schriften war fast
nur möglich, wenn sein Seelenzustand nachempfunden werden konnte.
Im Falle Schiller wurde behauptet, sein eigenes
Wesen und Erleben sei nicht in seine Werke eingeflossen wie auch
grundsätzlich das Umfeld von Dichtung losgelöst von der Zeit der
Entstehung und dem Befinden des Autors gesehen werden müsse.
Schiller war nicht der Lyriker wie Goethe es war,
so dass ein subjektives Empfinden sich nicht unmittelbar in ein
dramatisches Werk übertrug.
Während Goethe sich zeit seines Lebens frei
entwickeln konnte, umsorgt im stabilen Elternhaus - schon da auf hohem
Niveau - und am Hof in Weimar, ohne finanzielle Rücksichten, das Leben
nur zu übernehmen brauchte, getragen von frühen Erfolgen mit 'Götz' und
'Werther'.
Dem gegenüber musste Schiller kämpfen um
Anerkennung und finanzielle Grundlagen und gegen seine eigene
körperliche Konstitution. In Wallensteins Tod, 3. Akt, Dreizehnter
Auftritt, lässt er den Titelhelden sagen:
'Es ist der Geist, der sich den Körper baut'
Geldmangel bestimmte sein Leben. Die Zeit in
Mannheim mit Bindung an das dortige Nationaltheater brachten keine
Erleichterung, Krankheit hinderte ihn lange Zeit, Dalbergs Vertrag als
Hausdramatiker zu erfüllen.
Der 'Karlos' - aus 1782 stammt der erste Bezug zu
dem Thema - in seinem Entstehen immer wieder durch Verzögerungen bis
zur Uraufführung am 29. August 1787 in Hamburg aufgehalten, Änderungen,
Kürzungen bis in das letzte Lebensjahr hinein vorgenommen.
Über das Stück schrieb Schiller zwölf Briefe, die
sein Denken und sein Tun bei der Dichtung und danach aufzeigen, wenn er
sich gegen zeitgenössische Kritik zur Wehr setzte.
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Schiller’s
Deutschland umfasste in seiner Lebenszeit von 1759 bis 1805, 45½ Jahre
der letzten 46¾ Jahre des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Um 1750 hatte Deutschland ca. 20 Millionen
Einwohner, die bis zum Ende des Jahrhunderts auf 28 Millionen anwuchs,
von denen lebten mehr als 75 Prozent auf dem Land und denen wiederum ¾
waren Dienstboten, Handlanger, Tagelöhner, Soldaten in den untersten
Rängen und die am Existenzminimum vegetierende bäuerliche Bevölkerung.
Als feudalrechtlicher Lehnsstaat, zerrissen in
ca. 300 selbstständige Einzelorganisationen, in denen – ja nach Größe
des Staatsgebildes - die unterschiedlichsten Herrschaften das Leben der
jeweiligen Bevölkerung diktierten. Eine fast nicht übersehbare Menge an
Leitungsebenen war mit in den Regierungen und damit beschäftigt, in die
eigene Tasche zu manipulieren.
Deutschland war gegenüber Frankreich und England
politisch, sozial und ökonomisch ein rückständiges Land.
Kulturell sah man von 1762 bis 1782 u.a. das
Erscheinen von Voltaires 'Candide', Wielands Shakespeare Übersetzungen,
Rousseaus Werke, Glucks 'Orpheus und Eurydike', Lessings 'Minna',
'Emilia Galotti' und 'Nathan', Goethes 'Götz' und 'Werther'.
Das Herzogtum Württemberg – seit 1495 bestehend -
hatte um 1750 ca. 500 000 Einwohner. Der 1648 durch den Westfälischen
Frieden zu Ende gegangene Dreißigjährige Krieg, die beiden Schlesischen
Kriege ab 1740, der Österreichische Erbfolgekrieg von 1740 bis1748 und
der ab 1756 folgende Siebenjährige Krieg unter Beteiligung von Preußen,
Großbritannien mit Kur-Hannover gegen Österreich, Frankreich, Russland
hatte die Länder in Europa weitgehend zerstört und die folgenden
Misswirtschaften in deutschen Kleinstaaten – die Hofführung verschlang
Unsummen - verstärkten das Elend der Bevölkerung.
Herzog Carl Eugen von Württemberg brachte während
seines Lebens von 1728 bis 1793 sein Land durch Geltungs- und
Verschwendungssucht, Kosten für Prunkveranstaltungen und
Mätressenwirtschaft – Ludwig XIV. von Frankreich (1638 – 1715) war sein
Vorbild - an den Rand des Ruins. Allerdings unterstützte er auch die
Künste und Wissenschaften.
Die Gelder für sein Leben und die
förderungswürdigen Maßnahmen presste er seinen Untertanen durch
Steuerzahlungen und sonstige Abgaben ab.
Über die Situation an den deutschen Theatern -
hier speziell das in Stuttgart - schrieb Eduard Devrient in seiner
dreibändigen 'Geschichte der Deutschen Schauspielkunst' von 1874:

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Absolutistische
Herrscher, deutsche zudem, scheuten sich nicht, um Geld in die
Hofkassen zu bringen, ihre Untertanen an ausländische – auch
überseeische Machthaber zu verkaufen, so wie Friedrich II., Landgraf von
Hessen, 12 800 Bürger seines Landes an die Engländer für den Krieg in
Nordamerika, gibt Schiller’s Landesvater, Carl Eugen von Württemberg,
ein Infanterieregiment an die Holländisch-Ostindische Handelskompanie
zum Dienste nach Afrika.
Kritik an diesem System wagte kaum jemand und tat
er es doch, musste er mit langjähriger Haft rechnen wie Christian
Friedrich Daniel Schubart, der als Organist und Musikdirektor am Hofe
Herzog Carls arbeitete, dann ins Exil flüchtete, vom Herzog unter einem
Vorwand nach Württemberg zurückgelockt und zehn Jahre auf dem
Hohenasperg eingesperrt wurde.
Dass Menschen dann doch wagten, sich gegen die
bestehenden Regeln zu wenden, war im Verein der von England ausgehenden
über Frankreich nach Deutschland sich verbreitenden Aufklärung zu sehen.
Die ‘Glorious Revolution‘ in Britannien von 1688, der Parlamentarismus,
die britische Verfassung wurden zum Vorbild der Intellektuellen am
Kontinent, befruchteten die Strömungen in Richtung auf die Französische
Revolution und verhalfen den europäischen Staaten von einem
absolutistischen zu einem demokratischen Status.
Diese Form von 'Öffentliche Meinung' legte
Missstände der jeweiligen Gesellschaft, Fehler der Regierungen offen und
zeigte die Vernunft als oberste Richterin aller Institutionen der
Gesellschaft auf.
Sie organisierten den Kampf gegen Mythen, Dogmen,
Aberglauben und Kirche, als besonders absurd eingestuft wurde von ihnen
das Christentum.
Sie verwandelten mit ihrer Respektlosigkeit von Paris aus das geistige Klima Europas.
Schiller selber sah die Notwendigkeit, Gelder in
Menschen zu transferieren. Er war der Meinung, allein durch Kunst und
Wissenschaft, Erziehung und Bildung sei die Welt aus ihren politischen
und sozialen Drangsalen zu retten und sie so zur Freiheit, zur Befreiung
von Gewaltherrschaft gelangen zu lassen.
1740 trat ein Preuße in den Mittelpunkt der
Geschichte, der Mitteleuropa nachhaltig umformen sollte. Friedrich II.
schaffte am ersten Tag seiner Regierungszeit, die immerhin bis 1786
währte, die Folter ab, sein Vater – Friedrich Wilhelm I. hatte immerhin
noch auf jeden mit seinem Rohrstock eingedroschen, dazu gehörte auch der
eigene Sohn, der sich in seinen Augen missliebig machte – er erklärte
Religionsfreiheit und Pressefreiheit. Schon in der Zeit als er sich in
Rheinsberg verbarrikadierte, begann er eine Korrespondenz mit Voltaire,
die über vierzig Jahre geführt wurde und den französischen Dichter von
1750 bis 1753 als Aufklärer an den Hof von Potsdam band.
Und Württemberg eingezwängt zwischen Großstaaten mit seinem Absolutismus durch Herzog Carl Eugen.
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Eine Reihe von
Erfindungen, mit
denen die
technische
Revolution und
der moderne
Industriekapitalismus
mit seinen
Maschinen
begann,
ermöglichten ein
vollständiges
Umwälzen der
Arbeitswelt.
James Watt
entwickelte 1764
die
Dampfmaschine,
zunächst aber
nur für Hebe-
und Pumpvorgänge
brauchbar.
1784, James Watt
bringt seine
Dampfmaschine
von 1764 auf
neuen Stand und
sie wird zu
einem allgemein
anwendbaren
‘Triebwerk‘, das
überall,
unabhängig von
z.B. Wasserkraft
eingesetzen
werden konnte
und zu
Industriekonzentrationen
führte.
James Hargreaves
baute eine
zunächst mit
Wasserkraft, ab
1790 über eine
Dampfmaschine,
angetriebene
Spinnmaschine,
die 16 bis 18
Fäden
gleichzeitig
erarbeiten konnte.
Der englische
Landpfarrer
Edmond
Cartwright
erfand 1786
den mechanischen
Webstuhl, der
die Webverfahren
von Stoffen vom
Handwebstuhl auf
maschinelles und
damit
rationelleres
Arbeiten
umstellte.
Kapitalien
vereinigten
sich, um die
Maschinen zu
bauen, sie in
neu zu
schaffenden
Hallen zu
installieren und
zu betreiben, um
Massenprodukte
herzustellen,
die wieder große
Mengen von
Kapital
erwirtschaften.
Die eigentlichen
Fabrikanten
wurden von den
Kapitalgebern
ersetzt, die
immer höhere
Dividenden aus
ihrem Kapital
ziehen wollten.
Eine Schraube
ohne Ende, die
mit einer
Ausbeutung der
Arbeiter seit
den Steinbrüchen
von Syracus und
der Silbermine
von Potosi – bei
einer täglichen
Arbeitszeit von
12 Stunden und
mehr unter
unbeschreiblichen
gesundheitlichen
Bedingungen -
nicht mehr
gesehen wurde.
Die Bevölkerung
als
‘Zwangsarbeiter‘
in den Fabriken.
Die
zunftorientierte
Bindung der
Arbeiter gab es
nicht mehr – die
Werktätigen
waren schutzlos
den Kapitalisten
ausgeliefert.
In Sachsen wurde
ein
Regierungsmandat
‘wieder Tumult
und Aufruhr‘
erlassen. Erste
Streiks von
Handwerksgesellen
und Arbeitern,
die sich gegen
die
kapitalistische
Ausbeutung zu
wehren.
Um die Wende ins
19. Jahrhundert
hatte England
knapp 10
Millionen
Einwohner, davon
30 Prozent freie
Lohnarbeiter,
Deutschland hat
23 Millionen,
davon ein
Prozent freie
Lohnarbeiter.
Während in
London bereits
eine Million
Einwohner
zählte,
waren es in
Berlin nur
172000 Menschen,
England
schon weitgehend
industrialisiert, sind in
Deutschland die
wenigen
Manufakturen
noch in
fürstlicher
Hand.
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Die Auslaugung
Frankreichs, durch den Devolutionskrieg 1667/1668, den Holländischen
Krieg 1672 – 1678/79, den Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697 und den
Spanischen Erbfolgekrieg 1701 – 1714 führte zur Verarmung der
Bevölkerung.
Das Ende der Monarchie bahnte sich an. Das Volk
stürmte am 14. Juli 1789 die Bastille in Paris, in der Annahme, dass
sich dort Waffen zu seiner Verfügung befänden. Im Rahmen der Revolution
erhielten nur vier Prozent begüterte Franzosen das Wahlrecht, Frauen
durften nicht wählen.
Truppen der großen europäischen Feudalstaaten
Preußen, Österreich und der Bruder von Ludwig XVI. rückten 1792 in
Frankreich ein, um die französische Monarchie zu schützen und den
Umsturz zu verhindern.
Die französischen Revolutionstruppen – schlecht
ausgerüstet, aber begeistert vom Umbruch – schlagen bei Valmy diese
Armee zurück.
Goethe nahm mit Herzog Ferdinand von Braunschweig
und Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach an dem Gefecht am
20.9.1792 teil und meinte am Abend nach der Artillerieschlacht zu
einigen der Offiziere: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der
Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“
Die Franzosen eroberten das linke Rheinufer und
gründeten als Mainzer Republik die erste demokratische Republik auf
deutschem Boden, in der fast ein Siebtel der deutschen Bevölkerung lebt.
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In diesem
zeitlichen und wirtschaftlichen Umbruch lebte Schiller unter dem
direkten Einfluss des württembergischen Feudalherrn; der bestimmte über
Ausbildung, ob, wo und wann sie stattfand.
Unter dem Zwang, dem Führungs- uns
Gehorsamkeitsanspruch des 'Landesvaters' ausgesetzt, unter der
beispiellosen Reglementierung auf der Karlsschule leidend, beeinflusst
von dem Wenigen, was auf der Karlsschule vermittelt werden durfte,
entwickelte Schiller sein literarisches Können. 'Götz' und 'Werther'
rührten die Gemüter, Rousseau's Schriften zur Aufklärung wie auch
Shakespeare's Poesie verfehlten die Wirkung nicht.
Als erstes dramatisches Werk erscheinen am 13.
Januar 1782 'Die Räuber' - eine dramatische Familiengeschichte - auf der
Bühne des Mannheimer Nationaltheaters.
Dem 'Fiesco' in Bonn folgen die Familiendramen
folgende 'Luise Miller' für Frankfurt und 'Don Karlos' für Hamburg
zeigen die Problematik eines Familienbundes, Adel und Bürger wie auch
Zwänge durch Konventionen und Beeinflussung von außen.
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Schiller's
Quellen wie die 1672 zum ersten Mal veröffentlichte Don
Karlos-Geschichte von des Abbé Saint Réal zeigt ein düsteres Bild des
Spanien unter Philipp II.
Elisabeth von Valois wird als Ehefrau an seiner
Seite Opfer eines von der katholischen Kirche mit der von ihr gelenkten
Inquisition inszenierten Komplotts. Auch wenn sie einen Teil ihres
Hofstaates bei der Heirat mit Philipp II. mit bringen durfte, so
isolierte gerade diese französische Enklave, außerhalb der spanischen
Etikette, sie am Madrider Hof und setzte sie zusätzlich wegen ihrer
jugendlichen Schönheit dem Neid und der Intrige aus.
Als 15-Jährige wurde sie mit dem 18 Jahre älteren
und bereits zweifachen - durch Herrschaft über ein Reich von globalem
Ausmaß belasteten - Witwer Philipp verheiratet.
Aus Pflichtbewusstsein heraus - auferlegt von der
europäischen Heiratsdiplomatie - will sie den König zumindest ehren,
wenn sie ihn schon nicht lieben kann. Mit der Raison dem Staat, der Ehe
gegenüber versucht sie auch das Werben von Karlos abzuwehren. Sie
versteht auch die Eboli, als diese ihr offenbart, den ihr zugedachten
Grafen Gomez nicht lieben zu können und die ebenso wie sie 'geopfert'
werden soll.
Durch die fehlende Integration in das
unmittelbare Umfeld des Königs, das Verweigern des direkten Kontaktes zu
ihrer Tochter, der frostige Umgangston des Gatten, lässt sie nach Wegen
der Beteiligung an Entwicklungen außerhalb des Hofes denken. Immerhin
ist sie die Tochter einer machtbewussten Mutter, der Königin von
Frankreich, Katharina von Medici.
So findet sie den Plan, Karlos könne heimlich zu
den von Ihr mit Sympathie bedachten Rebellen in den Niederlanden gehen,
dem König so ungehorsam zu werden - ihn ausbrechen lassen, 'dreist' , 'kühn', 'groß' und 'schön'.
Wie sehr sie sich da zwar als unterdrückte aber doch als Herrscherin fühlt, dokumentiert das:
- Frankreich
Versprech' ich ihm; Savoyen auch.
Nach Posa's Tod mahnt sie Karlos :
Mich wählte er zu seines letzten Willens
Vollstreckerin. Ich mahne Sie. Ich werde
Auf die Erfüllung dieses Eides halten.
Und der bekennt sich zum Auftrag, ohne dass er ein Opfer brächte, es aber von der Valois verlangt:
- Sei'n Sie
Ihm wieder Gattin. Er hat einen Sohn
Verloren. Treten Sie in Ihre Pflichten
Zurück - Ich eile, mein bedrängtes Volk
Zu retten von Tyrannenhand. Madrid
Sieht nur als König oder nie mich wieder.
In dieser Zeit kann sie - auch als Königin - nur stumme Beobachterin sein:
- ich darf mich nicht
Empor zu dieser Männergröße wagen;
Doch fassen und bewundern kann ich Sie.
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Schiller hat die
eskalierende Auseinandersetzung zwischen Philipp und Karlos durch den
Generationskonflikt wie auch durch den erschwerend hinzu kommenden
Eifersuchtskonflikt zwischen Vater und Sohn geprägt.
Ersterer lässt als dogmatischer Katholik ohne
menschliche Regung den Sohn aus Angst um die eigene Macht über Volk und
Gemahlin durch die Inquisition töten, nachdem schon sein Vertrauter -
der Marquis von Posa - aus dem Weg geräumt wurde.
Das zunächst als Trauerspiel in fürstlichem Hause
angelegte Werk mit den individuellen Verstrickungen der Valois, der
Eboli, des Philipp, des Posa und des Karlos unterliegt der Ordnung der
Macht im Spanien des 16. Jahrhunderts unter der 'Obhut' der katholischen
Kirche, die sich gegen den Protestantismus stemmt. Gegenüber den
Hauptrollen werden Alba, Domingo besonders dunkel gezeichnet -
Verstellung und Betrug zeichnen deren Tun.
Posa versucht Karlos eine politische Erziehung
angedeihen zu lassen, ihn zu infiltrieren, ihm die Augen für die
Bedürfnisse der Menschen im Reich, in dem die Sonne nie untergeht, zu
öffnen, zumal dieser durch seine Isolation am Hof nur bedingt
urteilsfähig ist.
Im Gegensatz zur Königin, die sich der Überlegung
einer Revolution in den Niederlanden sehr schnell anschließt, während
der Thronfolger mit den Gedanken an die Liebe zu seiner Stiefmutter
belegt ist. Ein sonderbarer Schwärmer, der bei Posa eher Erinnerungen an
die Schulzeit beschwört als sich den Fragen der Gegenwart zu widmen.
Nicht denen in den spanischen Landen, schon gar nicht global gesehen,
was dem Malteserritter Posa schon aus seiner Erziehung im Orden möglich
ist, wohl ausgestattet mit Visionen, die ihren Niederschlag nur kurze
Zeit später in Frankreich finden werden und die sich auch Schiller
unmittelbar vorher bereist zu eigen macht. So wird der Marquis Posa zu
seinem Sprachrohr.
Der Marquis, gibt sich im Gespräch mit Philipp
gegenüber völlig selbstlos, will sein Handeln an moralischen Begriffen
ausrichten und nicht an Ehre, die durch gefälliges Auftreten zu erlangen
ist. So hält er dem König vor:
Ich kann nicht Fürstendiener sein.
Dass innere und äußere Sicherheit, gewährt durch
den Fürsten, als Gegenleistung völlige Loyalität des Bürgers bedinge,
kann Posa nicht hinnehmen. Die Gesetzgebung schränke den Bürger im
Denken und Handeln ein, so fordert er die Gedankenfreiheit, die es in
einem absolutistischem Staat des 16. Jahrhundert nicht geben kann,
sollte nicht alles in Frage gestellt werden.
Doch auch Posa weiß, sich Möglichkeiten zu
schaffen, Einfluss zu nehmen, allein schon der Verzicht auf Ämter weckte
das Vertrauen des Königs. Und der sieht, insgeheim strebte Posa nach
Macht.
Seine Neigung war
Die Welt mit allen kommenden Geschlechtern.
Posa
scheitert letztendlich an der Kirche, die ihn auf jedem Schritt unter
Kontrolle hatte. Aber er fällt nicht dem Hass des Großinquisitors
anheim.
Das Blut,
Das unsrer Ehre glorreich fließen sollte,
Hat eines Meuchelmörders Hand verspritzt.
Der Mensch war unser - Was befugte Sie,
Des Ordens heil'ge Güter anzutasten?
-
Die prahlende Vernunft zur Schau zu führen.
Das war mein überlegter Plan. Nun liegt
Sie hingestreckt, die Arbeit vieler Jahre!
Wir sind bestohlen, und Sie haben nichts
Als blut'ge Hände.Als
Widerpart zeigt sich zu allen Gedankengängen des Posa die Prinzessin
Eboli, um die der König bereits seit längerem wirbt. Sie, von Karlos
verschmäht, zeigt sich gekränkt und will aus Rache Karlos wie die von
ihm geliebte Königin vernichten.
So wird sie anfällig und schließlich zum Werkzeug
des Alba und des Domingo, als sie dem König aus einer erbrochenen
Schatulle der Königin Briefe zuspielt, die Karlos der Valois während
ihrer Verlobungszeit, schrieb.
So wird die Überlegung Domigos, der wie Alba um Macht am Hofe kämpft, wahr, als:
Jene Lilien
Von Valois zerknickt ein span'sches Mädchen
Vielleicht in einer Mitternacht.
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Michael Bleiziffer (nachfolgend mit MB bezeichnet) lässt als Regisseur und Oberspielleiter Schauspiel gemeinsam mit Bühnenbildner Karl-Heinz Steck
im Velodrom die Seitenportale in den Bühnenraum übergehen. Das
Fachwerk mit großformatigen Kassetten schafft Spielflächen auf zwei
Ebenen.
Verdeckt werden kann die Konstruktion auf der
Hauptbühne mit einem Rundvorhang - die Seitenportale sind jeweils durch
Schiebeflächen in untere und obere Segmente teil- und bespielbar.
Es ergeben sich so Möglichkeiten, die Vorgaben
Schillers der Veränderung der Räume weitgehend zu übernehmen.
In der Mitte der hinteren Bühnenfläche ein
Wasserbecken für den Garten von Aranjuez oder dieses bedeckt als
zusätzlich in der Höhe abgesetzte Spielfläche nutzbar.
Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, wie es MB
gelingt, großformatige Inszenierungen zu schaffen, erinnert sei z.B. an
Faust I und II, Orestie, Peer Gynt - Kleinformatiges war immer wieder
mit Schwierigkeiten behaftet wie 'Raub der Sabinerinnen', 'Was ihr
wollt' oder kürzlich 'Der eingebildet Kranke'. Die Nutzung des gesamten
Bühnenraumes - wie hier nun beim Karlos - entspricht offensichtlich der
Auffassung für eine 'großatmige' Inszenierung.
Wie nun tut die MB-Strichfassung dem Werk genüge oder zerstückelt oder zerdehnt es.
Die Szene 3. Akt, sechster Auftritt ist
gestrichen, wodurch sich die Verarbeitung des Untergangs der Armada von
1588 erübrigt,
Medina Sidonia. Ich verlor ihm eine Flotte,
Wie keine noch im Meer erschien - Was ist
Ein Kopf wie dieser gegen siebzig
Versunkne Gallionen?
Schiller hatte diesen Zeitsprung von 22 Jahren -
1566 Bildersturm in den Niederlanden - eingefügt, wodurch sich
zwangsläufig Schwierigkeiten im Verständnis des Stückes ergaben und
ergeben müssen.
Beschränkt man den Ablauf des Stückes auf einen
bestimmten Zeitraum und legt das Spiel auf 1567 fest - dem Zeitpunkt der
Entsendung Albas in die Niederlande - so ist dies fassbar und in
Bezug auf die Besetzung der Rollen für ein unbedarftes Publikum
nachvollziehbar. Wer hat heute schon Schillers Originalfassung des Don
Karlos von 1805 jederzeit parat.
Die Altersstruktur der Darsteller ergibt sich
dann zwangsläufig, wobei die Frage ist, ob die Aussage Domingos 2. Akt,
zehnter Auftritt
- Schrecklich ist
In diesem Körper dieser Geist - und Philipp
Wird sechzig Jahr' alt.
umgesetzt werden muss.
Umginge man dies, so wäre Philipp zum Zeitpunkt
1567 40 Jahre alt, Don Karlos die von ihm erwähnten 23 Jahre, Elisabeth
ebenfalls 23 Jahre, Herzog Alba 59 Jahre, Graf Lerma 27 Jahre, Domingo
ist als historische Figur nicht festlegbar, wie auch der Großinquisitor
nicht.
Die Eboli ist 27 Jahre alt, historisch belegt ist
sie allerdings schon seit 1559 mit Gomez de Silva verheiratet und hat
bei dessen Tod 1572 10 Kinder mit ihm.
Hier also nutzte Schiller die dichterischen
Freiheiten und lässt Gomez 1567 noch um die Prinzessin werben.
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Die Regensburger MB-Karlos-Inszenierung
- ohne die typischen Mätzchen im Musiktheater gerade im Hause
Regensburg - wird zunächst einmal geprägt vom Bühnenraum.
Die Kostüme von Uschi Haug, auf schmucklose dunkle Töne reduziert, wohl um das schwarz-weiß am damaligen spanischen Hof zu übernehmen, in schlanker Linie.
Die Eboli der Silke Heise in sich davon abhebenden Flattergewändern, ihr eigensinniges Naturell optisch betonend.
Marquis Posa von Christoph Bangerter
hat leider keine Chance den Neudenker, den Weltumstoßer, den
Weltverbesserer in einem entsprechenden äußeren Erscheinungsbild zu
zeigen - in einem albernen T-Shirt kommt er daher als sei tatsächlich
Malta von ihm soeben vor den Türken gerettet worden. Nicht die Spur von
edel - man denkt an die beeinflussende Hand der Dramaturgie und ist
entsetzt.
Elisabeth von Valois der Anna Dörnte in eng-anliegenden, langen Gewändern, eine junge Frau, die weiß, woher sie kommt und wie man sich bei Hofe gibt.
Legt man den Karlos als gleichaltrig mit ihr
fest, beide sind 1545 geboren, so ist der Unterschied im Verhalten
gegenüber der 'Mutter' deutlich. Roman Blumenschein
gibt einen lebhaften jungen Kerl, der noch nicht so recht weiß, woher
und wohin. Dass ihm aufgrund dieses seines ungestümen Verhaltens die
Fähigkeit abgesprochen wird, ein Heer gegen aufständische
niederländische Ketzer zu führen, ist nachvollziehbar.
Philipp II. von Anton Schieffer
entspricht der Vorstellung eines 60-jährigen Allmächtigen in einem
faltenlos fallenden, dunklen Mantel - distinguierter Auftritt.
Hubert Schedlbauer
als Alba - ohne Kahlschädel, ein junger Mann in seinem eleganten Anzug
die Wohlbestallung am Hofe dokumentierend, in seinen Handschuhen immer
auf Abstand zu den übrigen. Paul Kaiser als Lerma im Zweireiher, akkurat - er genügt der spanischen Form.
Silvia Rhode als Oberhofmeisterin Herzogin Olivarez, streng, hochgeschlossen, Doris Dubiel als
muntere und hart bestrafte Marquisin von Mondecar in einem kessen
Kostümchen mit aufgespanntem Sonnenschirm im Garten von Aranjuez.
Der Domingo von Michael Haake in einem Phantasie-Pastorengewand, der Großinquisitor von Miko Greza,
ganz in weiß - als Unschuldslamm - auf einem Podest, aus dem Mittelteil
des Fachwerks der Bühnenkonstruktion nach vorne gefahren.
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Nächste Vorstellung: Montag, 28.9.2009
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FDieter
Hansing |
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