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Musiktheater:Turbulente Saison bei den Bayreuther Festspiele
Auf dem Grünen Hügel von Bayreuth geht eine bemerkenswerte Opernsaison
zu Ende. Und so drängend wie nie stellt sich die Frage: Muss es bald
ohne ein Familienmitglied der Wagners an der Spitze weitergehen?
Britta Schultejans und Gerd Roth, dpa
31. August 2022 16:21 Uhr
Der Vorhang zu und fast alle Fragen offen in Bayreuth. Der Vorhang zu
und fast alle Fragen offen in Bayreuth.
Bayreuth. Es ist eine bemerkenswerte Saison, die auf dem Grünen Hügel zu
Ende geht: Sexismusvorwürfe hatten den Start der
Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth überschattet, Corona-Fälle im Team
wirbelten die Pläne immer wieder durcheinander - und der neue „Ring des
Nibelungen“ sorgte für Diskussionen, um es mal vorsichtig auszudrücken.
„Es war vor allem eine sehr anstrengende Spielzeit. Wir hatten über 100
Corona-Fälle und es grenzt an ein Wunder, dass wir wirklich jeden Tag
spielen konnten. Das war ein Puzzlespiel“, sagt Festspiel-Chefin
Katharina Wagner der Deutschen Presse-Agentur.
Seit Bekanntwerden der Sexismus-Vorwürfe habe sich noch niemand
gemeldet. „Und wir wissen auch nicht, gegen wen sich die Vorwürfe
gerichtet haben“, sagt Wagner. Konsequenzen gezogen hat sie
trotzdem: Die Festspiele wollen einen „Verhaltenskodex“ in alle
Arbeitsverträge aufnehmen. Außerdem soll es im Herbst
Antidiskriminierungs-Workshops geben. „Wir überlegen, eine
Whistleblower-Stelle einzurichten, an die man sich vertrauensvoll wenden
kann“, sagt Wagner, die trotz aller Widrigkeiten von einer erfolgreichen
Saison spricht.
50 000 Zuschauer hatten die Festspiele seit ihrem Start am 25. Juli und
waren damit nach Angaben Wagners „bis auf ein paar Restkarten für die
Konzerte“ ausverkauft - keine Selbstverständlichkeit in
Post-Corona-Zeiten, in denen viele Theater und Opernhäuser immer noch
darauf warten, dass das Publikum zurückkehrt.
Es gab Proteststürme gegen Valentin Schwarz
Restlos begeistert war dieses Publikum allerdings nicht. Nach den vier
„Ring“-Opern, die in diesem Jahr der junge Österreicher Valentin Schwarz
neu auf die Bühne gebracht hat, erschütterten - zumindest in der
Premierenwoche - wahre Proteststürme das Festspielhaus. Katharina Wagner
sagt dazu: „Warten wir mal ab, wie sich das noch entwickelt. Schon im
zweiten und dritten „Ring“-Zyklus waren die Reaktionen deutlich anders,
viele begeistert.“
Solche Proteststürme seien ohnehin nichts Ungewöhnliches in Bayreuth.
Insgesamt, so sagt Wagner aber, sei „der Umgangston schon rougher
geworden“. Das gelte aber nicht nur für Bayreuth und auch nicht nur für
die Oper, sondern generell. „Debatten werden inzwischen ja teilweise in
der Gesellschaft ganz anders und sehr viel unsachlicher geführt als noch
vor ein paar Jahren.“
Verlängert Katharina Wagner ihren Vertrag?
Eine Debatte - mal sachlich, mal weniger - wird auch immer wieder um
Wagner selbst geführt. Unumstritten war sie nie, seit sie die Leitung
der Festspiele 2008 als Nachfolgerin ihres Vaters Wolfgang Wagner
übernommen hat - zunächst gemeinsam mit ihrer Halbschwester Eva
Wagner-Pasquier, seit 2015 allein. Und wie es nach 2025, wenn der
Vertrag mit der Urenkelin von Richard Wagner ausläuft, weitergeht, ist
unklar. Klar dürfte allerdings sein: Wenn Wagner geht, dürfte es das
Ende der Komponistenfamilie an der Spitze der Festspiele sein. Kein
anderes Familienmitglied meldet derzeit Interesse an.
Der Chef des Bayreuther Verwaltungsrates, Georg von Waldenfels, sagt,
die Gespräche dazu sollten 2023 beginnen. „Wir werden uns da im
kommenden Jahr unterhalten“, sagt auch Wagner - und stellt Bedingungen:
„Eine Verlängerung mache ich davon abhängig, dass sich gewisse
Strukturen ändern müssen. Dabei geht es um die Gesellschafter-Struktur
und besonders auch um die Finanzen. Wir brauchen ein tragfähiges und
langfristiges Konzept und vor allem eine professionelle Sponsoren- und
Marketing-Abteilung.“
Derzeit sind es vor allem die Mäzene der Gesellschaft der Freunde von
Bayreuth, die sich um Spenden kümmern. Waldenfels steht auch ihnen vor.
Er berichtet vom Unmut vieler „Freunde“ über den neuen „Ring“ und
schwärmt von einem „glänzenden Christian Thielemann“, den man unbedingt
langfristig an die Festspiele binden müsse. Eigentlich, so sagt er,
müsse es doch ohnehin viel mehr um die Musik gehen in Bayreuth als um
die Regie. „Wie die Musik wahrgenommen wird, ist aus meiner Sicht
wichtiger als das, was auf der Bühne passiert.“
Von der Festspielleitung erwarte er eine „Vision“. „Wie geht es weiter
in den nächsten fünf Jahren? In welche Richtung soll sich Bayreuth
entwickeln?“ Es stelle sich auch die Frage: „Was kann die
Festspielleitung noch intensiver schultern?“
Es wird einen 3D-„Parsifal“ geben
Dabei hat Katharina Wagner in den vergangenen Jahren eigentlich recht
deutlich gemacht, wofür sie steht. Sie hat jungen Regisseuren eine
Chance gegeben - bei Tobias Kratzer und seinem „Tannhäuser“ mit großem,
bei Schwarz nun eher mit mäßigem Erfolg - und dabei gezeigt, dass ihr
vor allem das am Herzen liegt, was man früher Regietheater
nannte: kreative, innovative und diskussionswürdige Auseinandersetzungen
mit dem Werk ihres Urgroßvaters Richard Wagner (1813-1883).
Sie hat für das kommende Jahr einen 3D-„Parsifal“ mit Augmented Reality
angekündigt und versucht inzwischen auch, das Festival, das da auf
seinem Hügel immer etwas entrückt von der Bayreuther Realität
stattzufinden scheint, weiter hineinzuziehen in die Stadt mit
Kinoübertragungen und Open-Air-Konzerten, die es auch im kommenden Jahr
wieder geben soll. Die jährlich neu inszenierte Kinderoper gilt schon
seit Jahren als Erfolgsprojekt.
Die Frage ist nun, ob die Gesellschafter der Festspiele, zu denen neben
den „Freunden“ der Bund, der Freistaat Bayern und die Stadt Bayreuth
gehören, diesen Weg mitgehen oder sich doch eher für den eher
klassischen, Waldenfels’schen entscheiden.
Das Publikum in Bayreuth soll jünger werden
„Es gibt auf dem Grünen Hügel wirklich sehr viel Reformbedarf“, sagte
Kulturstaatsministerin Claudia Roth der Deutschen Presse-Agentur. Sie
will einfachere Strukturen und ein jüngeres Publikum. Das Bayreuther
Publikum sei „kein Abbild unserer vielfältigen, bunten Gesellschaft“,
sagt die Grünen-Politikerin. „Auch junge Menschen sind deutlich
unterrepräsentiert.“ Sie sieht „ganz klar Nachholbedarf“.
Vor Beginn der Festspiele hatte Wagner mitgeteilt, dass sie in den
kommenden Jahren auch einige Pläne außerhalb der Festspiele hat: Sie
inszeniert einen „Macbeth“ in Asien und einen „Parsifal“ in Riga. In
Barcelona wartet seit Beginn der Corona-Pandemie noch ihr „Lohengrin“
auf seine Premiere. Die Pläne wirken wie ein Zeichen: Wagner braucht die
Festspiele nicht. Aber brauchen die Festspiele eine(n) Wagner? Roths
Antwort auf die Frage, ob auch künftig ein Nachfahre Richard Wagners die
Festspiele leite solle, lautet: „Es gibt hier keine rituelle Pflicht.“---
Quelle:
https://www.mittelbayerische.de/kultur-nachrichten/turbulente-saison-bei-den-bayreuther-festspiele-21853-art2150637.html
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Dieter Hansing
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