Bildungsmisere        
       
 
 

 


Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 


 
 


Thema des Tages:

Ralph Benatzky


 

   ... am 05. Juni 1884 geboren.

Nicht nur die erfolgeichen Operetten 'Meine Schwester und ich' von 1930 und 'Bezauberndes Fräulein' von 1930 stammen von ihm, sondern auch das meistaufgeführte Singspiel 'Im weißen Rössl'.

Das Stück lief mit mäßigem Erfolg in der Spielzeit 2002/2003 im Theater Regensburg.
Es gab jemanden in der Stadt an der Donau, der sagte, er gehe so lange nicht mehr in dieses Theater, bevor er sich nicht von dieser Produktion erholt habe.
 
 

17.10.2003

Bemerkungen eines voll zahlenden Zuschauers zur szenischen Umsetzung von:
 

Ralph Benatzky

'Im weißen Rössl'

Theater Regensburg


'Zu Roß ! Daß ich dich rette!'

...das gälte besonders auch für das Musiktheater in Regensburg, um es zu retten.

Wenn dieses Ross nur nicht so lahmte.
Wolfgang Dosch, ein ehemaliger Buffo als Regisseur müsste doch wissen wie es geht. Tempo, dem Stück entsprechend und zumal noch als Musical aufgezogen, hatte fast nur der Ablauf der inszenierten Applausordnung.

Und dennoch: 'Rösselwirtin'
Katharina Leitgeb - als 'holde Maid, jauchzend kommt sie daher', singt und spielt sich in Operettenseeligkeit. Nebenbei ist sie im Theater Regensburg auch noch 'Mimi' oder 'Musetta', die 'Carlos-Elisabeth'. Crossover wird das genannt. Jeder ist jetzt alles.

Der seriöse Bass 'Sarastro' und 'Großinquisitor' hüpft dann als 'Sigismund' herum und 'Don Carlos', 'Tamino' und 'Rodolfo' ist auch der 'Leopold' und
Michael Suttner singt ihn - wie er strahlt.

Elvira Soukop, die 'Ottilie' singt schön wie sie ist. Ilona Vöckel als 'Klärchen', Soubrette wie sie sein soll.
Christiana Knaus-Waldmann, wieder im Solo, als 'Holdrio-Kathi'. Stefan Rüh, der Piccolo, ein 'Grasaff' wie er im Buche steht.

Victor Schiering, mit der merkwürdigen Technik, die auch so klingt, als 'Dr. Siedler'.
Derb der 'Jiesecke' von
Thomas Beyer - "... doch da müssen Sie mal Ahlbeck sehn!"

'Der Kaiser' von
Berthold Gronwald - ohne die erwarteten Extempores, die seinerzeit 'Eine Nacht in Venedig' so enorm aufhübschten. Die kommen hoffentlich als Würze, wenn der Regisseur abgereist ist. Es fehlt einfach etwas, wenn Herr Gronwald nur beim vorgegebenen Text bleibt.

Heinz Müller, ausgeborgt vom Schauspiel, der schüchterne, aber Schmetterlinge mordende 'Dr. Hinzelmann'. 'Sigsimund' ist Brent Damkier, später eben alternierend mit Michael Doumas, dem 'Sarastro'.

Die Bühne beim 'Rössl' wie auf dem Oktoberfest. Wären nicht Chor und Ballett, diese Schießbude belebend.
Und ganz außergewöhnlich: Was muss da für eine Stimmung aus dem Graben auf die Bühne kommen, sieht man Georgios Vranos lachend dirigieren.

Was sagt der Zuschauer zu dieser 'Vielfalt' bei der Besetzung der Rollen?
Theatermacher in Utzbach?
Oder soll des Publikums Leidensfähigkeit ausgetestet werden?

Den Sängern, die wollen alles machen, schadet es, wenn ein guter Intendant ihnen nicht bremsend gegenübertritt. Aber hier wir noch Vorschub geleistet. Jeder wird für alles verbraucht.
Wenn der Zuschauer Glück und der Sänger Pech hat, wird auch noch der Italienische oder Kavalier-Bariton als Wurzen 'Kaiser Franz Joseph' über die Bühne schlurfen.

Kann das Niveau im Musiktheater Regensburg noch tiefer abgesenkt werden?
Wenn kein Geld da ist, müsste der Spielplan eben eingeschränkt werden. Und wenn die Stücke dann gut gemacht sind, strömt auch das Publikum.

Was nutzt es, den Ehrgeiz zu haben, große Oper und klassische Operette machen zu wollen, wenn die Partien aus eigenem Ensemble nicht mehr fachgerecht besetzt werden können. Stückverträge sind die Konsequenz.

Hier ist wirklich die Stadt gefordert. Ein Haus, nur mal so mit minimalen Mitteln bespielt, schadet ihr - der Stadt - selbst schon kurzfristig.

In der Vor-Ernö-Weil-Zeit ging mit eigenen Kräften z.B. 'Otello', 'Peter Grimes', 'Hoffmann', ging 'Onegin', ging sogar 'Tannhäuser' mit einem Gast, 'Tiefland' dann mit zwei Gästen - das musste schon nicht sein.

Und was sollten die 'Hugenotten' - nochmal, weil der GMD sie in FRA nachdirigieren durfte?

Oder 'Loreley' - Kulturauftrag hin - Kulturauftrag her.

Das 'Rössl' muss im Velodrom gespielt werden, weil man von allen Sitzen etwas sehen kann, im renovierten Theater am Bismarckplatz können laut Intendant nur 450 Besucher am Spiel teilhaben. Bei offiziell 538 Plätzen !!!

(Dieter Hansing)

 



Benatzky war zum Dr. phil. promoviert worden, hatte bei Dvorak Musik studiert und war als Komponist und Texter durch große Galas im Großen Schauspielhaus in Berlin erfolgreich.

Hermann Thimig spielte den Leopold in der Verfilmung des 'Rössl' von 1935 in der Regie von Benatzky.
Weitere Verfilmungen des damals schon Welterfolges folgten.
Theo Lingen war dabei und Peter Alexander.

Für Zarah Leander - sie hatte 1936 im Theater an der Wien ihren ersten großen Erfolg in Benatzkys Komödie 'Axel an der Himmelstür' - schrieb er Lieder wie 'Ich steh im Regen' und 'Yes Sir!'


Das Dritte Reich war nicht nach seinem Geschmack. Er durfte nur mit einer Sondergenehmigung von Goebbels arbeiten, weil mit einer Volljüdin verheiratet.

Das 'Rössl' wurde wegen der jüdischen Autoren als 'entartet' eingestuft und verboten.
So ging er über die Schweiz in die USA, dirigierte dort Radiomusik und schuf die Übersetzung von Gershwins Oper 'Porgy und Bess'.

Seine Musik passte nicht ins damalige Amerika. 1948 übersiedelte er nach Zürich, wo er am 16. Oktober 1957 starb.


 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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