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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

Theater Regensburg

  
 
        Gedanken zu
   'Buddenbrooks'


„Die Fassung von Düffel
würde an die sieben Stunden dauern."

     
MZ am 29.1.2010

     

 

 
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zieht ein Johann Siegmund Mann (1761 - 1848) nach Lübeck, wo er sich als Kaufmann niederlässt, mit Getreide und landwirtschaftlichen Waren handelt und ein Transportunternehmen gründet. Dieses Betätigungsfeld bleibt der Familie Mann bis 1891 erhalten.
Er geht mit Anna Catharina Grotjan die Ehe ein.

Der Sohn aus dieser Ehe, Johann Siegmund Mann jr. (1797–1863) heiratet Elisabeth Marty - die Kinder sind Elisabeth, Johannes, Olga Marie, Friedrich und
Thomas Johann Heinrich Mann (* 22. August 1840 in Lübeck; † 13. Oktober 1891 in Lübeck) hervor, dieser nimmt Julia da Silva-Bruhns, genannt Dodo (* 14. August 1851 in Paraty, Brasilien; † 11. März 1923 in Weßling) zur Ehefrau.

Aus dieser Verbindung stammen die Kinder
1. Luiz Heinrich Mann
(* 27. März 1871 in Lübeck; † 12. März 1950 in Santa Monica, Kalifornien)
2. Paul Thomas Mann
(* 6. Juni 1875 in Lübeck; † 12. August 1955 in Zürich)
3. Julia Elisabeth Therese Löhr
  - geborene Mann, genannt Lula;
* 13. August 1877 in Lübeck; † 10. Mai 1927 in Starnberg)

4. Carla Mann (Carla Auguste Olga Maria Mann;
(* 23. September 1881 in Lübeck; † 30. Juli 1910 in Polling)
5. Karl Viktor Mann, genannt Viktor Mann
(* 12. April 1890 in Lübeck; † 21. April 1949 in München).


Beide Töchter, Julia und Carla, nehmen sich das Leben, beide Suizide belasten den Bruder Thomas Mann nachhaltig.

Nach dem Tod des Vaters Thomas Johann Heinrich Mann 1891 zieht Mutter Julia mit den Kindern nach München, da testamentarisch verfügt war, Immobilien und Firma des Vaters in Lübeck seien zu verkaufen.
Die Söhne Heinrich und Thomas wandten sich früh der Literatur zu, so dass der Vater davon ausgehen musste, keiner der beiden werde das Geschäft in Lübeck übernehmen und weiterführen können.
Der Gesamterlös von ca. 400 000 Mark erbringt 12.000 Mark Zinsen pro Jahr - wird dies auf ein Essen in einem Münchener Wirtshaus bezogen, das einen Braten mit Beilage für 40 Pfennige anbot -  ergibt sich ein stattliches Vermögen, das der Familie eine ausreichende finanzielle Sicherheit bietet und den Söhnen schon früh weitgehend freischaffende schriftstellerische Tätigkeit ermöglicht.

Heinrich und Thomas volontieren, Heinrich beim S. Fischer Verlag in Berlin und Thomas bei einer Feuerversicherungsgesellschaft in München, später wechselt er als Redakteur zum 'Simplizissimus'.

Die Verbindung von Heinrich zu S. Fischer verschafft auch Thomas den Zugang zu diesem angesehenen Verlag. Die Zusendung seiner 'Buddenbrooks' - das S. Fischer auf Empfehlung seines engsten Mitarbeiters und Lektors Moritz Heimann auch schon wegen des Umfangs des Werkes ablehnt, sich dann aber doch der Argumentation des gerade mal 25-jährigen Autors anschließt - 'dass der große Umfang eine wesentliche Eigenschaft des Buches sei und dass man es verpfusche, wenn man damit nach seinem Willen umgehe' - kurz, es dürfe nichts gekürzt werden.  
Thomas Mann bei Fischer als 'nobody' zunächst für sechs Jahre unter Vertrag - das Honorar ist mit 20% pro Buch bezogen auf den Ladenpreis vereinbart.

Die erste Auflage der Buddenbrooks von 1901 wird nur zögerlich vom Publikum angenommen.
Der Verkaufspreis lag anfänglich für die zwei gelbbroschierten Bände bei zusammen 12 Mark, die gebundene Ausgabe bei 14 Mark. 1903 erscheint die zweite Auflage in einem Band zum halben Preis, 10.000 Exemplare sind am Ende des Jahres abgesetzt. Die Einkünfte erlauben Thomas Mann bereits zu diesem Zeitpunkt ein finanziell sorgenfreies Leben.

1929 erhält Thomas Mann den Nobelpreis für Literatur, dieser hauptsächlich basierend auf den 'Buddenbrooks'..

Allein bis zur Machtergreifung der Nazis werden von diesem Werk 1.165.000 Bücher verkauft, bis heute übersteigt die Auflage mehr als 10 Millionen Exemplare, der  Roman wird in mehr als 40 Sprachen übertragen und bisher viermal verfilmt.
 

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Der Verleger Samuel Fischer, vermutlich am 24. Dezember 1859 in einem kleinen Ort in der damaligen österreichisch-ungarischen Monarchie geboren, geht um 1879,  nach einer Lehre in Wien, zu einem Zeitpunkt, da das Deutsche Reich nach dem Krieg mit Frankreich gerade entstanden war, in die deutsche Hauptstadt.
Bismarck ist Reichskanzler, er entwickelt die Sozialsysteme für die Bevölkerung - der Weberaufstand war gerade einmal dreißig Jahre er. 1883 wird die Krankenversicherung, 1884 die Unfall- 1889 die Invaliden- und 1891 die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt.
Tausende strömen vom Land, aus den Provinzen - auch aus dem Ausland - in die deutsche Reichshautstadt, um hier zu arbeiten und zu leben.
Wenig ist bekannt über die persönliche Entwicklung dieses jungen jüdischen Buchhändlers zum großen Verleger in der zweiten Hälfte es 19. Jahrhunderts. Als er 1934 stirbt hat er die Machtergreifung noch erlebt, Schlimmeres bleibt ihm erspart.

1886 gründet Samuel Fischer in Berlin seinen eigenen Verlag und nimmt zunächst ausländische Autoren wie Iben und Zola unter Vertrag, da den großen 'Alten' wie Meyer, Raabe, Fontane nichts adäquates folgt. Wegen fehlendem Copyright kann er in Deutschland Dostojewski und Tolstoi verlegen.
Dann kommt als Autor der junge Naturalist Gerhart Hauptmann hinzu, eine Vereinbarung die Zeit und ihre Probleme überwindet.
 


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Die Novelle 'Der kleine Herr Friedemann' in der 'Collection Fischer' steht am Anfang der Zusammenarbeit mit dem späteren Nobelpreisträger. Als der Roman 'Die Buddenbrooks' 1901 in dem renommierten Berliner Verlag herauskommt, setzt er Lübeck in Aufregung, hatte doch der Autor sich nicht nur an den Örtlichkeiten, sondern auch an Menschen der Stadt orientiert.
Bürger forschten nach der Lektüre des Romans nach den lebenden oder bereits verstorbenen Menschen in der Stadt und betrieben einen geradezu aufregenden Recherche-Run.

Eine Stadt mit zum Ende des 19. Jahrhunderts gerademal 80.000 Einwohnern, die politische Unbill der vergangenen Wechselspiele zwischen den Mächten des Nordens und Preußen überstanden hatte, wurde nun durch einen Roman seziert und der Weltöffentlichkeit dargeboten.

Die Bürger beteiligten sich an einem Sport, die Fäden vom Dichter gezogen und miteinander verwoben, aufzufinden, darzustellen, wer wurde mit wen zusammengelegt, um eine neue Figur für den Roman zu finden.

 


Roman / Schauspiel

Johann Buddenbrook sen.
Madame Antoinette Buddenbrook 
Konsul Jean Buddenbrook
Konsulin Elisabeth Buddenbrook

Thomas Buddenbrook
Gerda Buddenbrook
Klara Buddenbrook
Tony Buddenbrook

Christian Buddenbrook

Bendix Grünlich
Herr Permaneder
Familie Hageström
Leberecht Kröger
Madame Kröger
 

 
Realität

Johann Siegmund Mann
Anna Catharina Mann, geb. Grotjan
Johann Siegmund Mann d.J.
Konsulin Elisabeth Mann, geb. Marty

Konsul Thomas Joh. Heinrich Mann
Julia Mann, geb. da Silva-Bruhns
Carla Augusta Olga Maria Mann
Marie Elisabeth Haag,
gesch. Elfeldt, geb. Mann
Friedrich Wilhelm Leberecht Mann

Ernst Elfeldt
Gustav Albert Haag
Familie Fehling
Johann Heinrich Marty
Catharina Elisabeth Marty
 

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1976 erscheint in der Regie von Robert Hollmann eine dramatisierte Fassung der Buddenbrooks am Theater Basel - Verfasser des Textes: Tadeus Pfeifer geb. 1949 in Freiburg i. Br. in Basel aufgewachsen, Tätigkeit als Korrektor, Privatlehrer, Kritiker und Herausgeber der Literaturzeitschrift "Poesie" - der vielleicht wichtigste Schweizer Gegenwartslyriker mit seinem literarischen Gesamtwerk im Verlag www.vonloeper.de.
 

 

Tadeus Pfeifer: Indische Lyrik (Internationale Literatur)
Tadeus Pfeifer: Indische Lyrik (Lyrik)
Pfeifer: Das Echo von Bois-Rateau (Lyrik)
Pfeifer: Ich ahne was ich weiß (Lyrik)
Pfeifer: im Gras kreischt freundlich der Affe (Lyrik)
Pfeifer: Im Tanze im Staub (Lyrik)
Pfeifer: Architektur der Liebe (Literatur der Gegenwart )
Pfeifer: Architektur der Liebe (Literarische Entdeckungen)
Pfeifer: Architektur der Liebe (Romane und Erzählungen)
Pfeifer: Architektur der Liebe (Lyrik)
Pfeifer: Das Echo von Bois-Rateau (Literatur der Gegenwart )
Pfeifer: Die schönen Seiten des Lebens (Literatur der Gegenwart )
Pfeifer: Die sieben Farben des Lichts (Literatur der Gegenwart )
Pfeifer: Feuer des Steins (Literatur der Gegenwart )
Pfeifer: Ich ahne was ich weiß (Literatur der Gegenwart )
Pfeifer: Im Gras kreischt freundlich der Affe (Literatur der Gegenwart )
Pfeifer: Im Tanze im Staub (Literatur der Gegenwart )
Pfeifer: Das Echo von Bois-Rateau (Literarische Entdeckungen)
Pfeifer: Die schönen Seiten des Lebens (Literarische Entdeckungen)
Pfeifer: Die sieben Farben des Lichts (Literarische Entdeckungen)
Pfeifer: Feuer des Steins (Literarische Entdeckungen)
Pfeifer: Ich ahne was ich weiß (Literarische Entdeckungen)
Pfeifer: Im Gras kreischt freundlich der Affe (Literarische Entdeckungen)
Pfeifer: Im Tanze im Staub (Literarische Entdeckungen)
Pfeifer: Die schönen Seiten des Lebens (Romane und Erzählungen)
Pfeifer: Die sieben Farben des Lichts (Romane und Erzählungen)
Pfeifer: Feuer des Steins (Romane und Erzählungen)

Die schönen Seiten des Lebens (BELLETRISTIK)
 

 

 

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Die Wochenzeitschrift 'Die Zeit' kritisiert 1976 an dieser Produktion das 'Eindampfen' des Romans, das stereotype Agieren der Darsteller, als habe ihnen der Regisseur einen Tick für die Figur übergestülpt, den sie nun den Abend über ausführen und steigern müssen.
 


"[...]
Unleidlich wie selten zuvor und der eigentliche Grund für das Desaster: Hollmanns rüder, unempfindlicher Umgang mit Figuren und Schauspielern. Meist schien es, als sei das einzige Interesse des Regisseurs an den Figuren ein theaterhandwerkliches; als ginge es nur darum, irgendeinen gestischen Tick zu finden, irgendeinen besonderen Tonfall, und dann den Schauspieler darauf festzunageln. Ein Regieverfahren, das mit schöner Sicherheit verhindert, daß ein Schauspieler nähere Bekanntschaft mit seiner Figur macht. Ein auf den Proben einmal gefundener Ausdruck wird offenbar kaum noch erweitert, differenziert, in Frage gestellt; sondern nur noch forciert, bis er genug Effekt macht, um eine Schauspieler- Nummer zu tragen.
[...]"

http://www.zeit.de
 

 

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Reduziert von Düffel seine Bearbeitung auf einige Figuren des Romans wie:

Konsul
Konsulin
Thomas
Christian
Tony
Gerda, Thomas' Frau
Hanno, ihr Sohn
Grünlich
Kesselmeyer, Bankier
Morten
Der Leutnant
Lina, eine alte Bediente

so stellt Pfeifer Mann's Buddenbrooks als eine großformatige Bühnenattraktion dar - die Stadt, die Einwohner sind das Volk, der Chor im klassischen Sinn ist ohne differenzierte Meinung, gibt die Auffassung der Menschen im 19. Jahrhundert wieder.

Zur Erhöhung, zur Überhöhung lässt Pfeifer den Chor in Hexametern sprechen,
dem neoklassizistischen Versmaß des damaligen Bildungsbürgertums, der eine zusätzliche Überhöhung der Förmlichkeit aufbaut.
Klassik war das Bildungsideal des 19. Jahrhunderts in Deutschland.
 

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Der Roman gibt den Zeitraum genau vor, in dem er spielt - er beginnt 1835 und endet mit dem Tod von Hanno Buddenbrook im Jahr 1877.
Die historischen Gegebenheiten werden genau erwähnt, ob es sich nun um die Auswirkungen der Besetzung Lübecks durch die Napoleonischen Truppen als Folge der verlorenen Schlacht bei Jena und Auerstedt von 1806
 


Fürst Blücher war fort, die Franzosen waren in der Stadt, aber von der herrschenden Erregung merkte man wenig. Die Straßen lagen still, die Leute saßen in ihren Häusern und hüteten sich. Schlachtermeister Prahl, der mit den Händen in den Hosentaschen vor seiner Tür gestanden und mit seiner dröhnendsten Stimme gesagt hatte: 'Dat is je denn doch woll zu arg, ist dat je denn doch woll -' war einfach, bautz, vor den Kopf geknallt worden ... . Nun, ich denke: Du willst einmal zu den Buddenbrooks hineinsehen, ein Zuspruch könnte willkommen sein; der Mann liegt mit einer Kopfrose, und  Madame wird mit den Einquartierung zu schaffen haben.
 

Auch die Gründung des Zollvereins im Jahre 1834 wird behandelt -


Ja, die Nachrichten aus Travemünde waren nicht die besten; dies bestätigte auch Konsul Kröger, der das Leder seines Stockes kreidete. Stürme an allen Küsten. Anno 24 war es, weiß Gott, nicht viel schlimmer, als in St. Petersburg die große Wasserflut war ...
Na. da kam der Kaffee.
Man bediente sich, man trank einen Schluck und begann zu spielen. Dann aber begann man vom Zollververein zu sprechen .... oh, Konsul Buddenbrook war begeistert für den Zollverein!
'Welche Schöpfung, meine Herren! rief er, sich nach einem geführten Stoße lebhaft umwendend zum anderen Billard hinüber, wo das erste Wort gefallen war. 'Bei erster Gelegenheit sollten wir beitreten ....'
 

Wie die Vorgänge um die Revolution von 1848 werden sehr umfangreich behandelt, wie auch die Schleswig-Holstein-Frage


'Und mit Friedrich Wilhelm von Preußen, das steht schlimm, Herr Konsul, das wird nichts mehr. Man sagt schon, dass der Prinz endgültig Regent werden soll ...'
'O, darauf muss man gespannt sein. Er hat sich schon jetzt als liberaler Kopf gezeigt, dieser Wilhelm und steht sicher des Konstitution nicht mit dem geheimen Ekel seines Bruders gegenüber .... Es ist doch am Ende nur der Gram, der ihn aufreibt, den armen Mann ... Was Neues auf Kopenhagen?'
'Gar nichts, Herr Konsul. Sie wollen nicht. Da hat der Bund gut erklären, dass die Gesamtverfassung für Holstein und Lauenburg rechtwidrig ist ... Sie sind da oben ganz einfach nicht dafür zu haben, sie aufzuheben ...' 
 

Auch sind der Deutsch-Dänische Krieg von 1865 und der Preußisch-Österreichische Krieg von 1866 Themen, die umfangreiche historischen Kenntnisse bestätigen:


Krieg und Kriegsgeschrei, Einquartierung und Geschäftigkeit! Preußische Offiziere bewegten
sich in der parkettierten Zimmerflucht der parkettierten Zimmerflucht  der Bel-Etage von Senator Buddenbrooks neuem Hause, küssen der Hausdame die Hände und werden von Christian, der von Oenhausen zurückgekehrt ist, in den Klub eingeführt, während im Mengenstraßen-Hause Mamsell Severin, Riekchen Severin, der Kosulin neue Jungfer zusammen mit den Mädchen eine Menge Matratze in das Portal, das alte Gartenhaus, schleppt, das voll von Soldaten ist.

Gewimmel, Verstörung und Spannung überall! Die Mannschaften ziehen zum Tore hinaus, neue rücken ein, überfluten die Stadt, essen, schlafen, erfüllen die Ohren der Bürger mit Trommelwirbeln, Trompetensignalen und Kommandorufen und marschieren wieder ab. Königliche Prinzen werden begrüßt: Durchmarsch folgt Durchmarsch. Dann Stille und Erwartung.
Im Spätherbst und Winter kehren die Truppen siegreich zurück, werden wiederum einquartiert und ziehen unter den Hochrufen der aufatmenden Bürger nach Hause. - Friede. Der kurze, ereignisschwangere Friede von fünfundsechzig.

[...]

Große Dinge geschahen, während Hanno spielte. Der Krieg entbrannte, der Sieg schwankte und entschied sich, und Hanno Buddenbrooks Vaterstadt, die klug zu Preußen gestanden hatte, blickte nicht ohne Genugtuung auf das reiche Frankfurt, das seinen Glauben an Österreich bezahlen mußte, in dem es aufhörte, eine freie Stadt zu sein.
Bei dem Fallissement einer Frankfurter Großfirma aber, im Juli, unmittelbar vor Eintritt des Waffenstillstandes, verlor das Haus Johann Buddenbrook mit einem Schlage die runde Summe von zwanzigtausend Talern Courant.
 

Die Entwicklungen nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 werden aus der Sicht des Hauses Buddenbrooks behandelt.


'Während die Herren über Säulenhalle und Korridor zurückgingen und auf dem Treppenansatz
ein Weilchen stehen blieben, sprachen sie über andere Dinge, über Politik, über die Erschütterungen und Umwälzungen des kaum beendeten Krieges ...
'Nun, jetzt kommen gute Zeiten, wie, Herr Senator? Geld im Lande ....
Und frische Stimmung weit und breit ...'
Und der Senator stimmte halb und halb bei. Er bestätigte, daß der Ausbruch des Krieges den Verkehr in Getreide von Rußland zu großem Aufschwung gebracht habe, und erwähnte der großen Dimensionen, die damals Hafer-Import zum zwecke der Armee-Lieferung angenommen habe. Aber der Profit habe sich sehr ungleich verteilt ...
 

Die unter Bismarck sich abzeichnenden Veränderung in der Parteienlandschaft lässt Mann durch den Lehrer Drägemüller aufgreifen:


Herr Drägemüller war ein Mann von einigen drolligen Eigentümlichkeiten. Statt 'der Bleistift' sagte er 'die Blei'. Außerdem verbreitete er einen ölig-spirituösen Geruch, wo er ging und stand, einige sagten, er tränke Petroleum. Seine schönsten Stunden kamen, wenn er vertretungsweise einmal in einem anderen Fache als im Zeichnen unterrichten durfte. Dann hielt er Vorträge über Bismarcks Politik, die er mit eindringlichen, spiralförmigen Bogenbewegungen von der Nase zur Schulter begleitete, und sprach mit Haß und Furcht von der Sozialdemokratie ...
'Wir müssen zusammenhalten!' pflegte er zu schlechten Schülern zu sagen, indem er sie am Arm packte.
'Die Sozialdemokratie
steht vor der Tür!'
Er hatte etwas krampfhaft Geschäftiges an sich. Er setzte sich neben einen, verbreitete einen heftigen Spiritusgeruch, schlug einem mit seinem Siegelring vor die Stirn, stieß einzelne Wöerter hervor, wie 'Perspektive!', 'Schlagschatten', Die Blei',
Sozialdemokratie!', 'Zusammenhalten!' und enteilte.

 

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Die musikbezogenen Erziehung durch die Mutter wirkt sich stark auf das Leben und Werk von Thomas Mann aus. Julia Mann ermöglicht  dem Sohn Violinunterricht bei Ludwig Winkelmann vom Lübecker Theater, dem Bruder von Hermann Winkelmann, Bayreuths erstem Parsifal.
So ergibt sich ein starker Einfluss des 1883 verstorbenen Richard Wagners auf den damals 18-jährigen Thomas Mann.
Einer seiner Schulkollegen war Franz Sucher, Sohn von Franz und Rosa Sucher. Sie war eine vielbeachtete Sieglinde und Isolde in Bayreuth. Franz' Vater war Hofkapellmeister in Berlin und Dirigent bei den Proben der damaligen Bayreuther Festspiele.
In seinen letzten Schuljahren in Lübeck verehrt Thomas Mann den Tenor Emil Gerhäuser (1868 - 1917). 1890 - 1892 und wieder 1901 - 1909, sang dieser in München, dazwischen 1893 - 1901 in Karlsruhe und an der Met. In Bayreuth war er Melot, Lohengrin und Siegmund.
 

[...]
Neulich waren Carla und ich in der 'Götterdämmerung' und zwar, um uns populär zu machen (natürlich nur deshalb!) auf der Gallerie. Wir haben nicht viel gesehen, aber das Orchester machte sich großartig dort oben, und Gerhäuser war wirklich ganz ausgezeichnet. Seine Stimme könnte ja glänzender sein, aber seine Darstellungskunst ist eminent. Was ich besonders an ihm schätze, ist die heftige und leidenschaftliche Hingabe, mit der er zu Werke geht und mit der ein ausgeprägtes Stilgefühl und viel Sinn für schöne plastische Bilder (SICH9 verbindet. Ich bin sehr neugierig auf seinen 'Tristan', den ich mir am Montag ansehe werde.
[...]
An Paul Ehrenberg, 29.6.1900
 

Der Lohengrin macht einen entscheidenden Eindruck auf den Jugendlichen, auch wegen der - auf Wagners Werk bezogen - Entwicklung von Leitmotiven, wie das durchgängige 'Nie sollst du mich befragen', nachdem der Titelheld die Mahnung an Elsa im ersten Akt aussprach.

Wie Wagner als Textdichter und Komponist verarbeitet auch Tomas Mann Leitmotive, Formeinheiten in verschiedenen Sinnzusammenhängen. Richard Wagner hatte später im 'Ring des Nibelungen' Motive so gestaltet, dass sie das ganze Werk wie ein musikalisches Gewebe durchziehen und so dem Publikum die jeweilige Szene in ihrem Entstehen, Entwickeln und Vergehen immer wieder mit diesem einen Thema in Verbindung aufzeigt.

Leitmotive in den Buddenbrooks - beispielhaft genannt - über die Farbe 'gelb', was einfließt in die Hautfarbe des toten Lebrecht Kröger, in Betrachtungen Christians in Bezug auf das Aussehen des toten Konsul Buddenbrook, die gelben Farbe der Möbel im Sterbezimmer von Jean Buddenbrook wie auch die gelben Mundstücke der von Thomas favorisierten Zigaretten.
Auch die Zähne seiner Buddenbrook-Figuren werden leitmotivisch hervorgehoben. Weiße, aber weiche Zähne bei Hanno wie die seiner Mutter Gerda Buddenbrook und die vom Rauchen gelben von Thomas Buddenbrook, wovon einer bei der Extraktion abbricht und die Entzündung zum Tode führt, noch bevor eine notwendige Wurzelbehandlung durchgeführt werden kann.

Eine bisher wenig beachtete ganz persönliche Verbindung von Thomas Mann zu Wagner ist in der Aufnahme von Franz-Wilhelm Beidler, Sohn von Isolde Wagner und dem Schweizer Dirigenten Franz Beidler, zu sehen, der als Wagners erstgeborener Enkel gewisse Anrechte auf das Erbe hatte. Der Vaterschaftsprozess von Isolde gegen ihre Mutter Cosima ging für Tochter Isolde verloren - einer der Gründe war die Annahme des Erbes Hans von Bülows - somit wurden die Beidlers von Wahnfried ausgeschlossen.

Franz-Wilhelm Beidler nahm 1933 als verstoßener Wagner-Enkel zu Thomas Mann Kontakt auf, der ihn auch in Erinnerung an seine literarische Nachfolge zu Richard Wagner, wie einen Adoptivsohn an sich band. Nach dem Krieg sollten zunächst die 'Unbelasteten' Enkel Franz-Wilhelm Beidler und Friedelind die Tradition in Bayreuth fortführen. Dies natürlich nicht ohne die Einbeziehung von Thomas Mann, der die Ehrenpräsidentschaft des neu zu schaffenden Stiftungsrates übernehmen sollte, zu planen.


[...]
'Lohengrin' aus New York. Langes Schreiben nebst Dokumenten von Beidler aus Bayreuth in Sachen der Neu-Organisation des Wagner-Theaters. Antrag auf Ehrenpräsidentschaft.
Zweifel, die sich aus dem immer gleichen deutschen National-Charakter ergeben.
(...)

Tagebuch vom 25.1.1947
 

Letztlich scheiterte dieses Projekt dann an testamentarischen Regelungen von Siegfried und Winifred Wagner und führte zur Leitung der Festspiele durch Wieland und Wolfgang Wagner.
 


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In einem Artikel vom 29.01.2010 verkündet Regensburgs MZ, dass Johannes Zametzer wieder einmal ein Stück am Theater Regensburg inszeniere - er sei aus der Stadt nicht mehr wegzudenken.
Zwei Stücke sind der Bevölkerung sicher in Erinnerung: 2004 Taboris 'Mein Kampf' im Theater am Haidplatz und dessen 'Goldberg-Variatonen' im Jahr 2006 im Theater am Bismarckplatz.

Nun wird im Regensburger Velodrom John von Düffels Bearbeitung der Mann'schen 'Buddenbrooks' von Johannes Zametzer in Szene gesetzt.
Eine Dramatisierung, die in zwei Fassungen vorliegt, eine Verlagsfassung und eine Strichfassung - die 2005 am Thalia Theater in Hamburg uraufgeführt und danach mit großem Erfolg 60 mal vor ausverkauftem Haus gespielt wurde.

Erstere Fassung wurde noch nicht gespielt und würde nach Auskunft des Autors ca. vier Sunden dauern - kann von den Theatern nach deren eigenen Vorstellungen eingestrichen werden - die gekürzte Fassung dauerte in Hamburgs Thalia Theater zweidreiviertelstunden.

Es ist also nicht so wie in o.a. Artikel angeführt, der Abend mit der Bühnenbearbeitung der 'Buddenbrooks' hätte eine extrem lange Spieldauer und wie Zametzer am 29.1.2010 in Regensburgs MZ erklärt:

"Die Fassung von Düffel würde an die sieben Stunden dauern."

Natürlich könnte Herr Zametzer die Buddenbrooks von Herrn von Düffel auf eine Länge der 'Götterdämmerung' 'strecken'.

Wie doch dem Regensburger Publikum wieder einmal 'Märchen' aufgetischt werden.
 

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Gelang es John von Düffel, mit 'seinen Buddenbrooks' wie den Romanen Erfolg zu haben, so ist ihm nach Meinung von Elisabeth Maier die Bearbeitung des Lebens von Heinz Erhardt nicht sonderlich gut von der Hand gegangen.

Die Kritikerin schreibt im Theatermagazin 'Die Deutsche Bühne' unter anderem:


'Mit federleichten Gedichten und seichten Familienfilmchen verkörperte Heinz Ehrhardt das Bild des guten Deutschen der Wirtschaftswunderjahre. Nur wenige wissen, dass er 1909 in Riga geboren wurde, das damals zum russischen Reich gehörte. Mit diesem Migrationshintergrund jongliert der Bestsellerautor und Dramaturg John von Düffel in seinem neuen Stück "Ich, Heinz Ehrhardt". Aber das gelingt nur bedingt, zu sehr verrutscht die Uraufführung in Pforzheim in einen Hommage zum 100. Geburtstag des Komikers. John von Düffel begibt sich auf eine Gratwanderung: Er will in Erhardts poetischen Sahnetupfern die dunkle Seite von Einwandererschicksalen ertasten. Gemeinsam mit dem Schauspieler Murat Yeginer, zugleich Schauspielchef des Theaters, verpflanzt er in der Koproduktion mit dem Staatstheater Oldenburg den Vorläufer heutiger Comedians in der die Türkei: Im tiefsten Anatolien lebt der leidenschaftliche Heinz-Ehrhardt-Fan Ahmet, dessen Geschichte mit der des Meisters unsinnigerweise verschmilzt. Doch die Handlung wirkt arg konstruiert und reiht Pointe an Pointe, so dass die widersprüchliche Persönlichkeit Erhardts in schriller Comedy untergeht.
[...]"
'Die deutsche Bühne' - Ausgabe 12/09 - Seite 56/57
 

 

 

FDieter Hansing

 

 

 


 

   
 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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