Bildungsmisere        
       
 
 

 


Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften 
zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

Fritz Kortner

 

 
... am 12. Mai 1892 geboren

Vater Kohn war eines Abends nicht rechtzeitig nach Hause gekommen, der Portier musste die Haustür öffnen, was einen Obulus erforderte, den der Vater gerne sparte - nun war es nach zehn Uhr abends, es war Mitternacht geworden.

Es gab noch ein kurzes Gespräch mit dem Sohn, in welchem der Vater mitteilte, dass die Schauspielerei kein Beruf für den Fritz sei, weil man da sehr viel auswendig lernen müsste - und dafür sei er zu faul.

Also nicht die schauspielerische Leistung war es, die Vater Kohn am Abend im Burgtheater bewundert hatte, sondern das Vermögen, Text zu lernen, zu behalten und wiederzugeben.
Immerhin war die Ablehnung der Schauspielerei einer hohen Anerkennung des Berufes gewichen.

'Fritzleben', wie er genannt wurde, lernte in unmittelbarer Zeitfolge auf den Meinungsumschwung des Vaters, Monologe und trug sie ihm vor, der über das Talent erstaunt war.

Der Sohn stellte sich der Aufnahmeprüfung, der Vater stand vor der Akademie und wartete auf das Ergebnis. Inzwischen hatte er sich so sehr mit dem Beruf des Schauspielers, den sein Sohn ergreifen wollte, identifiziert.
Auf dem gemeinsamen Nachhauseweg konnte Fritz auch noch mitteilen, dass er ein Stipendium erhalten werde. Als der Vater fragte, wer sonst noch einen solchen Zuschuss bekommen habe, konnte Fritz antworten:
"Sonst niemand."

Damit war endgültig jede Art von Ressentiment gegen eine Bühnenlaufbahn des Sohnes ad acta gelegt. Auch die Mutter war - um Anerkennung ringend - nicht nur über den großen Appetit von Fritz beim folgenden Mittagessen und damit Anerkennung ihrer Kochkünste beglückt, sondern über das Talent, das mit dem Bestehen der Aufnahmeprüfung für die Wiener Akademie bestätigt wurde.

 

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Befreundet war Kortner - damals ein großer, breitschultriger "junger Mann mit schwarzem Haar - einer von jenen hässlichen Männern mit starker erotischer Ausstrahlung auf Frauen" - mit dem Regisseur Berthold Viertel, mit dem er Anfang der zwanziger Jahre in Berlin ein gemeinsames Theater, die 'Truppe', gründete.
 Kornter, damals schon arriviert - er spielte Othello in Hamburg, seine Desdemona war seine spätere Frau Hanna, in Wien war er John Gabriel Borkman, in Berlin Gessler und Richard II..
 
Man glaubte, das gute alte Ensembletheater mit großen Stücken wieder beleben zu können, was die Theater vor dem Ersten Weltkrieg ausmachte.
 
Um diese Zeit begann das Startum, Darsteller kamen nicht zu Bühnenproben, weil sie zeitgleich einen Film drehten, der honorarmäßig einträglicher war und für mehr Resonanz beim Publikum in breiterer Schicht sorgte.
 
Das Ende des Unternehmens 'Truppe' kam schnell - wie von vielen vorausgesehen, denn Kortner war nicht bereit, Anweisungen zu befolgen und seine künstlerische Überzeugung anderen unterzuordnen.
Man spielte dann zwar einen Monat lang den 'Kaufmann von Venedig', aber danach stiegen Johanna Hofer und Fritz Kortner aus.
 
 Er meinte einmal über sich selbst:

 
"Um den wahren Ausdruck ringen ist schwer.
 Und wer das tut, ist schwierig.
 Ich bin ein Schwieriger - sagen Sie es bitte weiter!
"

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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