Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften 
zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

Politisches Theater

 


14. Oktober 1920

Mit Erwin Piscator begann eine Demontage der Klassiker, die von Herbert Ihring als 'Klassikertod' bezeichnet wurde. Schon Piscator versuchte durch Aktualisierung, z.B. Schillers 'Räuber' an das proletarische Publikum der Volksbühne in Berlin heranzuführen.

Er nahm einen Wechsel in der Auslegung der Rollen vor, Spiegelberg war nicht mehr der Bösewicht schlechthin, sondern der 'Held' einer neuen Zeit, der sich nicht von eigenem Ehrgeiz oder Familientümelei beeinflussen lässt, sondern als Mann des Verstandes in einer Trotzki-Maske auftritt. Die Mitgliedschaft Piscators in der KPD wirkte sich aus.
 

to top


Damals wurde auch der Leitung der Volksbühne klar, dass sich das Piscator-Theater aus einer überparteilichen Position wegzubewegen drohte - Piscator blieb nur, sein eigenes Theater am Nollendorfplatz  aufmachen, um derartigen Zwängen entgehen zu können. Doch schon 1928 meldete er allerdings Konkurs an, Nachfolgeprojekte scheiterten ebenfalls 'mangels finanzieller Masse'.

Dies nun anders als heute, wo den Stücken irgendetwas übergestülpt wird, was mit der Idee des Autors und seinem Werk nichts zu tun hat, oder durch Weglassen von Rollen - siehe Ostermeiers Schaubühne in Berlin, bei der in 'Kabale' der Hofmarschall von Kalb dem Rotstift zum Opfer fällt oder am Deutschen Theater der Ferdinand kopfüber-kopfunter die Wände beklettert, um dem Publikum durch zirzensische Mätzchen irgendetwas Außergewöhnliches zu bieten. Schiller allein reicht denen nicht.
Die Leute im Zuschauerraum nehmen es in Unkenntnis der Werke hin und juchzen vor Vergnügen.

Es wäre zu empfehlen, z.B. Wagners Urenkelin Subventionen zu entziehen. So müsste sie sich ihr Publikum suchen, das sich dann unter anderem Baumgartens 'Tannhäuser oder die Kläranlage in Oberfranken' wie auch 'Lohengrin oder der Rattenfänger von Bayreuth' auf eigene Kosten, ohne staatliche Unterstützung, antut.
 

to top


Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes
und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

to top