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... am 29. Oktober 1787 uraufgeführt
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Don Giovanni -
29. Oktober 1787 die Uraufführung in Prag, 7. Mai 1788 die erste
Aufführung in Wien - und bereits am 15. Juni 1788 spielt Leipzig das
Stück, noch in italienischer Sprache, nach.
Bereits die Wiener Aufführung unterscheidet sich durch die musikalischen
Einschübe von der Uraufführung, nichts im Gegensatz zu dem, was
Christian Gottlob Neefe (Singspielkomponist, Hofkapellmeister in Bonn
und Lehrer Beethovens, später Theaterkapellmeister in Dessau) mit seiner
deutschen Fassung im gleichen Jahr - 1788 - aus Mozarts /Da Pontes ‘Don
Giovanni’ macht.
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‘Don Juan, der bestrafte Wüstling oder
Der Krug geht solange zu Wasser bis er bricht’
Eyn Singspiel in zwey Aufzügen
Personen:
- Hans von Schwänkereich, ein reicher Edelmann
- Fräulein Marianne, Geliebte des Herrn von Fischblut
- Der Stadtgouverneur, Vater des Fräulein Marianne
- Fräulein Elvire aus Burgos, ein von Herrn von
Schwänkereich verlassenes Frauenzimmer
- Fickfack, Bedienter des Herrn von Schwänkereich
- Gürge, ein Bauer, Liebhaber von
- Röschen, einer Bäuerin
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Wichtig an diesem
Theaterzettel ist die Bezeichnung ‘Eyn Singspiel’.
Im 18. Jahrhundert entsteht das Singspiel aus der Vorlage der englischen
Beggars Opera, beeinflusst durch die französische Opéra Comique. Das
Schauspiel mit Musikeinlage, gelungen oder nicht, hing ab von den
stimmlichen Möglichkeiten der Schauspieler. Die Tugend der Bürger wurde
thematisiert, die ländliche Unschuld gegenüber der Dekadenz des Hofes.
Am 13. März 1789 lässt Mainz den 'Don Giovanni' aufführen, am 3. Mai
1789 wird er in Frankfurt in einer deutschen Übersetzung nachgespielt.
Diese stammt von Heinrich Gottlob Schmieder, er übernimmt stellenweise
die Vorlage von Neefe, mildert den Text ins Sentimentale, und er
moralisiert erheblich. Aus Molières ‘Don Juan’ übernimmt Schmieder die
Schauspiel-Szene mit dem Gerichtsdiener und die mit dem Juwelier, dem
Don Juan Geld schuldet.
In Mannheim wird am 27. September 1789 eine drastischere Fassung von
Neefe gezeigt, zwischen beiden liegt die Revolution in Frankreich, die
sich z.B. darin dokumentiert, Don Juan “[...] droht mit dem Stock [...]“
- es also nicht mehr der herrschaftliche Degen, sondern ein profaner
Stecken.
Eine weitere Bearbeitung wird von Friedrich Ludwig Schröder für den 27.
Oktober 1789 für Hamburg mit singenden Schauspielern vorgenommen.
Aus dem 2-aktigen Singspiel wird eine 4-Aktige Schauspielfassung, die
Figuren hervorhebend. So also im 1. Akt die Donna Anna, Zerlina betritt
erst im 2. Akt die Bühne, der 3. Akt entspricht dem üblichen Ablauf, da
hier alle Personen auftreten, der 4. Akt beinhaltet die Friedhofszene.
Schröder schließt also jede ’Story’ personenbezogen ab, ehe er eine neue
beginnt - im Gegensatz zu Da Ponte / Mozart, die Handlungsstränge
miteinander verweben. Auch bei Schröder wird der moralische Zeigefinder
- wie im Singspiel - erhoben. Das Schlusssextett erhält als Mahnung die
Übersetzung:
“Lebenslust fährt schnell dahin
Ewig währt der Tugend Gewinn.“
Das Publikum
erhält so Don Giovannis lasterhafte Züge noch einmal deutlich vor Augen
geführt.
Schröders Fassung hält sich lange auf den Bühnen, während die reinen
Sängerfassungen Neefes und Schmieders sehr bald in Vergessenheit
geraten. Das straff geführte Drama interessiert und packt die Menschen,
die Musik ist nur noch Beiwerk, dies um so mehr als nur wenige Theater
Sänger mit entsprechender Ausbildung und Orchester zur Verfügung haben.
Auch Berlin spielt kurz darauf die Schröder’sche Fassung, bei der noch
eine Eremiten-Szene aus dem Schauspiel eingefügt wird - Don Giovanni
wird zum Mörder, da er den ihn suchenden Don Ottavio ersticht.
Die Zuschauer erleben das Ende eines Verbrechers - Furien peinigen ihn,
ehe er zur Hölle fährt.
Mit diesem Finale entfällt erstmalig das Schlusssextett. Die Oper endet
dramatisch und nicht mit dem einem Herrscherhaus zur Besänftigung
vorgeführten ’lieto fine’ - die Auflösung des Dramas ins Heitere.
Breitkopf und Haertel bringen 1801 eine neue deutsche Fassung von Johann
Friedrich Rochlitz heraus, die weiter einen gefühlsbetonten,
bürgerlichen Gedanken in den Vordergrund stellt, wonach diese Fassung
als lyrisches Drama bzw. - wird die Musik hinzugenommen - als Singdrama
bezeichnet werden könnte. Die Aktion aus der Schauspielfassung wird
wieder zurückgedrängt und in den Vordergrund tritt die Gefühlsbewegung
aus der Musik, die eine Tätigkeit auslöst.
Entscheidend für die Aufführungspraxis des Don Giovanni wird die
Bearbeitung vornehmlich der Rezitative durch Richard Wagner für eine
Aufführung 1850 in Zürich.
Waren unter Meyerbeer in Berlin am 19. November 1845 die übliche
Begleitung des Sprechgesangs durch Mozart-Flügel oder Klavier durch ein
Streichquartett - eine Bearbeitung durch Samuel Schmidt - das Novum, so
kehrt diese Aufführung im Schweizer Exil zum accompagnierten Rezitativ
zurück.
Eine weitere entscheidende Veränderung in die Richtung zum musikalischen
Drama beginnt schon früher mit der Übernahme der Rolle der Donna Anna
durch die große Sängerdarstellerin Wilhelmine Schröder-Devrient. Sie
macht aus der Figur die Rächerin, sie übt Vergeltung am Tod des Vaters
und ihrer eigenen Schändung durch Don Giovanni - wie sie E.T.A. Hoffmann
1814 in seine Novelle ‘Don Juan’ einbrachte.
In der Erzählung der nächtlichen Begebenheit in Nr. 10 verschweigt sie
diesen Tatbestand und hält somit Ottavio uninformiert. Da oftmals die
zweite Arie Ottavios, die Nr. 21, nicht gesungen wurde, bestand die
Möglichkeit, die Figur der Donna Anna weiter zu verändern, in dem die
Nr. 23 als Briefszene gespielt wurde - Donna Anna teilt sich Don Ottavio
schriftlich mit.
Die Romantik und Richard Wagner führen die Entwicklung der Rächerin
weiter und bringen den Gedanken der Erlöserin ins Spiel - hier den
Gegenpol zum ‘Verbrecher’ Giovanni - in der Figur der Donna Anna.
Für die Nr. 23 erhält sie auf der Bühne einen Herrgottswinkel mit
Betstuhl und ewiger Lampe - eine Entsprechung zur Arie der Elisabeth im
3. Akt Tannhäuser. Das Böse im Männlichen bedingt durch Sinnlichkeit bei
Don Giovanni und Tannhäuser wird aufgelöst durch das Gute im Weiblichen
der Donna Anna und Elisabeth.
Die Überwindung der Körperlichkeit durch das Geistige - Wolfram /
Elisabeth gegen Venus und Tannhäuser, der Holländer erlöst durch Senta,
die Welt erlöst durch Brünnhilde: „[...] So werf ich den Brand in
Walhalls prangende Burg.[...]“
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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