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        Maxim Gorki Theater Berlin

      
     Bemerkungen eines Vollzahlers zur szenischen Umsetzung von
       

       'Der zerbrochne Krug'
         Heinrich von Kleist

           Repertoirevorstellung 22. März 2011

         'Und alle Katzen grau'


    Announcement Maxim Gorki Theater Berlin

     

     

    Der zerbrochne Krug
     
    Heinrich von Kleist
     
    Adaption einer Produktion des Schauspielhauses Zürich
    Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen
    Premiere am 27. März 2010 im Maxim Gorki Theater,
    Premiere bei den Ruhrfestspielen am 18. Mai 2010

    In Huisum bei Utrecht ist ein Krug in die Brüche gegangen. Für Frau Marthe Rull scheint alles klar: bei einem heimlichen nächtlichen Besuch in der Kammer ihrer Tochter Eve hat deren Bräutigam Ruprecht einen wertvollen Krug zerbrochen. Gleich am nächsten Morgen erscheint sie mit den Beteiligten und dem Indiz vor Gericht, wo der Dorfrichter Adam kurzen Prozess machen soll. Doch: Woher stammen Adams Verletzungen? Wer war der unerkannte Rivale, den Ruprecht bei Eve überrascht hat? Warum schweigt sie? Und, was zum Teufel hat Frau Brigitte wirklich gesehen? Der Schreiber Licht wartet auf seine große Chance, Gerichtsrat Walter, der auf seiner Inspektionsreise ausgerechnet in den Gerichtstag gerät, versucht, den drohenden Zerfall aufzuhalten und der Richter ist auf der Jagd nach sich selbst. Kleist macht den Zuschauer in diesem Prozess in Echtzeit zum unmittelbaren Zeugen der Macht der Worte. Sein Motor ist die Komödie: im Befreiungsschlag durch groteske Überdrehung der profanen Verhältnisse der "hinfälligen“, fragilen Welt zu trotzen und sich in ihr zu behaupten.

    Jan Bosse gelang 2006 am Schauspielhaus Zürich eine Inszenierung, die so schlank und gegenwärtig wie sein furioser Hauptdarsteller Edgar Selge war. Mit ihm, Jean-Pierre Cornu, Franziska Walser und mit Schauspielern des Maxim Gorki Theaters Berlin wird Kleists Lustspiel in einer Adaption der Produktion des Schauspielhauses Zürich von Jan Bosse neu inszeniert.
     
    Adam, Dorfrichter Edgar Selge, Walter, Gerichtsrat Jean-Pierre Cornu,
    Licht, Schreiber Ronald Kukulies, Frau Marthe Rull Franziska Walser,
    Eve, ihre Tochter Britta Hammelstein, Veit Tümpel, ein Bauer Wolfgang Hosfeld, Ruprecht, sein Sohn Matti Krause, Frau Brigitte Cristin König


    Regie Jan Bosse, Bühne Stéphane Laimé, Kostüme Kathrin Plath,
    Dramaturgie
    Gabriella Bußacker


     

     

     'Ich will sie in der Spree ersäufen'

    Gib dem Affen Zucker!
    Der Zuschauer kommt sich vor als sei man in die Zeit der Caroline Neuber zurückversetzt, kurz bevor der Harlekin von ihr abgeschafft wurde.

    Gestaltung des Stückes nach der Textvorlage Kleist, aber kein daran kleben, gar wörtlich der Sprache pflegen - freie Textgestaltung, die doch schon Iffland, Devrient so anprangerten. Extemporieren, damals die Not durch die häufigen Stückewechsel, heute Gestaltungsmerkmal beim 'Krug' am MGT.

    Striche die Menge und große und die dann deutlich einschneidend bis zum Rollenverzicht. Dafür eine Menge Mätzchen, die das Publikum in seiner Textunsicherheit erfreuen und es durch Klamotte elegant über Nichtwissen hinwegheben.

    Am MGT Vorspiel auf den Garderobentischen im Foyer.
    Das Publikum wartet auf Einlass - plötzlich Tumult, zwei Personen -
    Licht und Adam, der geschunden durch Sturz, der Revisor wird angekündigt, nach Holla schon auf dem Weg nach Huisum, der Gerichtsrat Walter ist's 
    'Mein Gott Walter'
    1. bis 3. Auftritt im Foyer.









    "Wer fotografiert mich da ?"

    Edgar Selge als Dorfrichter Adam in Szenen 1 bis 3 im Foyer des MGT Berlin

    Verteidigungs- Aufklärungsrede bis

    Auf andre Art nicht in Erfüllung geht.

    Dann endlich Einlass.

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    Die Bühne muss noch hergerichtet werden - hier war ein Faschingsball, dessen Rest- Girlanden und Luftballons noch der Gerichtsverhandlung im Wege stehen.
    Gerichtsrat Walter schaut dem Treiben zu, verkündet aber schon den zeitlichen Ablauf des Tages

    Walter

             
    Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und muß

    Ein Bühnenarbeiter - es ist Veit Tümpel - kehrt die Bretter vom Unrat frei - steht und lauscht Adam

            
    Was läßt sich in Gedanken nicht erfinden?
    Die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger,
    Und alles liest, ich weiß, den Puffendorf oder den zu Guttenberg
    ...
             Ich hört ihr kamt von Holla schon


    Walter
            
    Woher wisst ihr das?

    Adam zu Licht
            
    Woher wissen wir das?

    Auch aus der Frage nach der Zahl den Kassen ergeben sich Schwierigkeiten, Licht signalisiert hinter dem Rücken von Walter: vier, Adam behauptet fünf und gibt dann zu, es gebe keine Überschwemmung am Rhein, also keine
    Rhein-Inundations-Kollekten-Kasse?

    Walter ins Publikum weisend:
           
    Und diese Schar von Leuten hier,

    Licht
          
    Die Kläger sinds, die sich bereits versammeln.

    Abgang Adams durch die erste Publikumsreihe -
    Walter tritt mit großem Geschrei in eine Haufen Kotze -
    ruft nach einem Taschentuch -
         
    'ein Tempo'

    Auftritt Magd gestrichen -

    Adam verkündet, den Gerichtstag kahlköpfig halten zu müssen:
    Frage Walter nach einer Perücke ins Publikum
          
    Kann jemand anders hier im Orte nicht –?

    Adam
           Seit der Sackzehnte abgeschafft, Ew. Gnaden,
    Wozu ich hier im Amte mitgewirkt,
    Kann ich auf beider Dienste nicht mehr rechnen.


    Spätestens hier, wenn nicht schon bei der
    Rhein-Inundations-Kollekten-Kasse wird klar, dass die Szenerie nicht zum Text, zur Zeit passt, in der das Stück spielt - ein krampfhaftes modisches Verheutigen findet allenthalben, so auch am MGT beim 'Krug', statt.

    Techniker vergrößern im Bereich der ersten Parkett-Reihe die Bühne
    - was zur Folge hat, dass diese Spielfläche aus den mittleren und hinteren Reihen des Ranges nicht mehr eingesehen werden kann. Trotzdem wird volles 'pay' verlangt. auch wenn das Publikum aufstehen muss, um etwas zu sehen.
    Umbau der Bühne in einen Gerichtssaal.

    Licht reicht einen Mantel durchs Publikum, das dadurch vom Bühnenbau abgelenkt und mit dem Weiterreichen des Mantels durch die Reihen nach hinten und dann wieder nach vorne beschäftigt wird.

    Schön weitergeben - nicht behalten!
    Nach vorne - nach vorne - nach vorne!


    Der Bühnenumbau nimmt Zeit in Anspruch.
    Gerichtsrat Walter wuselt unruhig mit Aktenköfferchen, den baldigen Abschluss der Arbeiten erhoffend, zwischen den Technikern hin und her. Schaut immerfort auf seine Armbanduhr.
    Ein großer Spiegel wird an die Rückwand der Bühne gehängt, der später mit einem Vorhang verdeckt wird, eine Leiter steht herum, die Beleuchtung muss eingerichtet werden - was hätte Kleist dazu gesagt, Wahrscheinlich wäre er froh gewesen, sein 'Krug' wäre nach dem Reinfall von 1808 in Weimar unter Goethe so oder so und überhaupt gespielt worden.

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    Veit
    Sei Sie nur ruhig,
    Frau! Es wird sich alles hier entscheiden.


    Frau Marthe resoniert über den Fall des Kruges, Ruprecht schaltet sich aus der ersten Publikumsreihe ein.
    Die Hochzeit ist es, die ein Loch bekommen,

    Eve und Ruprecht werden handgreiflich, jugendliche Dorf-Rüpel alle beide - das Publikum in der ersten Parkettreihe geht in Deckung.
    Und würd in Huisum achtzig Jahre alt,
    So sagt ich noch im Tode zu dir: Hure!


    Adam leise schleichend auftretend
    Evchen, das ist unser Evchen -
    und da der Ruprecht der vierschrötge Schlingel.
    ....

    – Die werden mich doch nicht bei mir verklagen?

    Die Wund am Schienbein macht ihm Übelkeiten
    ....Führt Ihr die Sach, ich will zu Bette gehn.

     Abgang Adams und aus der Seitentür auf Eve einredend.

    Gerichtsrat Walter benutzt die gerichtsinterne Verstärkeranlage

    Sprecht nicht mit den Parteien, Herr Richter Adam,
    Vor der Session! Hier setzt Euch, und befragt sie.

    Adam für sich.
    Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entschließen –!
    Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm –

    verwirrt ist er - auf und abgehend am vorderen Bühnenrand.
    Adam

    – Auf Ehr! Verzeiht. Es hat ein Perlhuhn mir,
    Das ich von einem Indienfahrer kaufte,
    Den Pips:


    Der Gerichtsrat gibt klar und deutlich seine Anweisungen wie nun das Verfahren zu verlaufen habe. Hier ein dynamischer, autoritärer Vorgesetzter, der eingreift, als ihm des Richters Vorgehensweise nicht gefällt. Sonst der Gerichtsrat doch nur eine Nebenfigur, hier ein Macher, kein 'Säusler' auf Dienstreise wie sonst zu sehen.

    Licht läuft Adam hinterher, will ihm den Talar überziehen, der weigert sich. Veit Tümpel bringt das Rednerpult für die zu vernehmenden Personen herein, positioniert es in der Mitte der Bühne, legt einen roten Teppich davor, Soundchek für die Verstärkeranlage durch ihn mit 'Ich bin die Christel von der Post'
    Ach, wie lustig!

    Adam
    Warum ist die Tür nicht zu -
    Veit Tümpel schließt sie.

    Adam
    So nimmt Gerechtigkeit denn deinen Lauf


    Veit Tümpel fasst dies offensichtlich für sich als Aufforderung auf und trabt um das Rednerpult herum, gibt Zeichen, das Saallicht zu löschen.

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    Feststellung der Personalien der Klägerin - sie lacht ins Publikum, als Adam sie fragt, wer sie sei.

    Krugerzählung der Marthe Rull mithilfe einer Overhead-Präsentation, zu deren Installation Veit Tümpel herbeispurtet - eine Leinwand wird vor den großen Wandspiegel heruntergefahren - für diese Aktivitäten bleibt das Publikum ohne Text, ein gelegentliches Seufzen ist von den Protagonisten zu hören, da die Sache sich hinzieht, auch ein gleich, gleich - der Lichtstrahl des Projektors scheit Adam ins Gesicht, er deckt ihn mit der Hand ab, die Ausrichtung des Projektors muss geändert werden, ein Tisch wird halbseitig vom Podium genommen, auf dass der Projektor seinen Lichtstrahl schräg auf die Projektionsfläche werfen kann - die Scheinwerfer auf der Bühne erlöschen, dann beginnt Frau Marthe und zählt durch Zeichnen von Pfeilen auf, was auf dem Krug dargestellt war, was fehlt, deckt sie durch Scherben ab, die dann ihre Schatten auf die projizierten Zeichnungen werfen.

    Alles weg, alles weg - hier ist noch ein interessantes Detail -
    Frau Marthe nimmt das Mikrofon und schildert ins Publikum die Sache mit Childerich, dem Kesselflicker und Fürchtegott, dem Totengräber - dann packt sie ihre Scherben ein, da sie am Reden gehindert wird und stellt fest, immerhin gehe es hier schließlich um die Kultur.
    Sie, in ihrem Jeansanzug - ist die Witwe, die alles in der Hand zu haben glaubt, Mutter Courage von Huisum, allerdings nicht Kriegshandelstreibende.

    Auf die Frage Walters was dem Krug geschehen sei - entsteht zunächst eine deutlich vernehmbare Pause, dann Walter der Gerichtsrat, leise, säuselnd, lockend
    Was geschah dem Krug im Feuer
    Von Anno sechsundsechzig? Wird mans hören?
    dann schreiend
    Was ist dem Krug geschehn?

    Marthe
    Nun, diesen Krug jetzt, seht – den Krug,
    Zertrümmert einen Krug noch wert, den Krug -----
    Für eines Fräuleins Mund, die Lippe selbst---------
    gestrichen
    Nicht der Frau Erbstatthalterin zu schlecht, --------
    Den Krug, ihr hohen Herren Richter beide,---------

    Den Krug hat jener Schlingel mir zerbrochen.


    Er, der Ruprecht dort.


    Worte, Widerworte - war's der Ruprecht?
    Hat nun Eve geschworen bei Jesus und Maria, der Ruprecht war es -  Adam hechtet nach vorne, macht Frau Rull Vorwürfe, was sie das gute Kind auch einschüchtere - der Gerichtsrat eilt nach vorne, schreitet ein, Adam dürfe den Parteien nicht so zweideutige Lehren geben.
    Licht kommt mit seinem Protokoll auch noch nach vorne und wickelt dabei sein Geschriebenes ab, das er auf einer Rolle Druckerpapier notiert hat. Die Papierschlange wird zusammengeknüllt und unter dem Bühnenpodest entsorgt.

    Verwirrung, kein klarer Gedanke wie Adam weiter vorgehen soll
    Stets liegt der Klos von Nudeln mir im Sinn.

    Ruprecht, mit seiner Verteidigungsrede in Hosen unterhalb den Hüften. Da die Gesäßspalte zu erkennen ist, dreht er das Rednerpult um 180 Grad vom Publikum weg, dann noch einmal um 90 Grad, Vater Tümpel hebt Sohn Ruprecht, den
    Rotzlöffel, hoch und schüttelt so des Sohnes Hintern in die Hose.

    Glock zehn Uhr mocht es etwa sein zu Nacht,

    Vater Tümpel brüllt dazwischen - Schreiber Licht spitzt mit einem elektrischen Gerät unter lauten Geräuschen seinen Bleistift - große Textpause, um dem Publikum Gelegenheit zu geben, lang und laut zu lachen.
    Jetzt ist er aber spitz wie Nachbar's Lumpi!

    Ruprecht behauptet, dies auch zu sein, als er sich zum Garten der Marthe Rull begibt, verbrüllt im Übrigen die Texte ins Unverständliche, die eigentlich vom Vater als Einwürfe zu sprechen sind,

    »Na«, sagt er, »lauf; bleibst du auch draußen?« sagt er.
    ,...
    »Na«, sagt er, »lauf, um elfe bist du hier.«

    alles, für ein Vorsprechen geeignet und auch sonst gewählt, er mimt stark, übertreibt, hat die Lacher auf seiner Seite - dann Klamotte:
    Und berg in einem Strauch von Taxus mich,
    dafür kriecht er unter das Rednerpult - wie witzig!

    Auf das

    Da ich der Dirne Tür verriegelt finde,
    Gestemmt, mit Macht, auf einen Tritt, sie ein.

    springt er gegen die Gerichtssaaltür, die aufspringt - was Vater Tümpel mit 'Blitzjunge' kommentiert, worauf ein weißer Luftballon vom Bühnenhimmel herabschwebt.
    Amusement für das Berliner Publikum.

    Ruprecht kann sich hinter Adam stellen, um
    Jetzt mit dem Stahl eins pfundschwer übern Detz ihm:

    den Hieb zu verdeutlichen, um sich dann mutig kopfüber auf die Bühne zu stürzen.
    So schlag ich jetzt vom Fenster Euch ins Zimmer hin
    - mutig ist der Mann.

     

    Adam lehnt die Aussage der Eve ab, denn

    Wenn Krüge oder sonst, was weiß ich?
    Von jungen Bengeln sind zerschlagen worden,
    So zeugen Töchter ihren Müttern nicht?

    - der Hals ist ihm trocken, aus dem Publikum verlangt er ein Gas mit Wasser, das wird ihm dann von der Seite gereicht.

    Eve,
    ein 'twatsches Kind', die Göre, dreht und windet sich - deutliche Sprechpausen zeigen die Unsicherheit
    Schäm dich Ruprecht
    zappelt sie, stottert, schwenkt die Arme, verdreht die Beine - wie soll sie es herausbringen
    der Ruprecht war es nicht,
    wer dann?
    Verlegenes Kichern.

    Als Zeugin kommt die Tante von Ruprecht ins Gespräch, Frau Marthe weist auf diese Möglichkeit der Aufklärung des Falles hin. Wenn Ruprecht den Krug nicht zerbrochen, muss es ein anderer gewesen sein.

    Veit Tümpel schlägt in die Verkleidung des Portals, vor Wut, dass Sohn Ruprecht schon um 1/2 11 mit der Eve zusammengewesen sein soll. Ganz im Gegensatz zu dem, was er ihm gesagt hat - aber ist es ein Wunder, wenn der Sohn sich so rüpelhaft aufführt, wenn der Vater die Bühnenbauten zusammenschlägt.

    Die Sache kann nur durch weitere Zeugen aufgeklärt werden,
    Frau Brigitte wird geholt -
    Inzwischen könnte man, wenns so gefällig,
    Vom Sitze sich ein wenig lüften –?


    Das Publikum wird in eine Pause geschickt,
    Mach mal Licht
    Türen auf

    die nicht vorgesehen ist, so gehen manche, einige bleiben
    Tatsächlich rufen der Gerichtsrat und der Dorfrichter die Zuschauer zurück.
    Na kommt doch wieder rein und setzt euch

    Während des Durcheinanders haben beide am vorderen Bühnenrand den Imbiss aus Tilsiterkäse und Niersteiner unter reger Anteilnahme des Publikums eingenommen und der Revisor Gerichtsrat Walter versucht zu klären, warum der Dorfrichter so zerkratzt aussieht.

     

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    Bitte, Frau Brigitte! -
    d i e  soll die Muhme sein - schwer vorstellbar.
    Dass sie aus dem Holz geholt werden musste, wo sie Reiser sammelte, ergab sich nicht, denn der Text war gestrichen.

    So kommt sie, passt altersmäßig eher zu Eve, weniger zu Ruprecht als dessen Tante - sie vermittelt den Eindruck einer Borsteinschwalbe, ist besorgt, das Kleid könnte nach unten, zerrt also im Busenbereich am Kleid nach oben, vom Publikum abgewendet, sorgt sie sich, der Rocksaum hinten könnte nach oben rutschen, zerrt also den Fummel nach unten - wie sie vorträgt, passt zum Typ. Vom Text ist allerdings - gemessen an den anderen Mitspielern - durch unpräzises und zu schnelles Sprechen - nicht viel zu verstehen.
    Was find ich euch für eine Spur im Schnee -

    Die Frage, an das Publikum seitens des Gerichtsrats Walter gerichtet:
    Verzeih'n Sie meine Herrschaften, ist hier jemand im Hause der missgestalt'ne Füße hat?
    bleibt für lange Zeit unbeantwortet. Einige aus der ersten Reihe strecken ihre Füße auf den Bühnenrand - zeigt her eure Füße - alle, zumindest die vorgeführten - alle grad gewachsen

    Hier müsste nun endlich in der Darstellung der Figur des Adam deutlich Panik gezeigt werden, sich jetzt auf Belzebub herausreden zu wollen, das letzte, was einem damals vor der Aufklärung Gläubigen noch Ehrfurcht vermitteln könnte - geht fehl.

    Wenn meine Rechnungen, wie ich nicht zweifle,
    Verwirrt befunden werden sollten,
    Auf meine Ehr, ich stehe für nichts ein.

    Wo ist die Sorge des angeklagten Richters um sich selber? Gezeigt wird sie nicht.

    Auch die Aufforderung, Klarheit in Bezug auf die Perücke zu schaffen, führt nicht zu neuen Erkenntnissen. Eben noch als die Seine deklariert, wird nun in Abrede gestellt.
    Und lege die Perücke auf den Tisch:
    Den, der behauptet, daß sie mein gehört,
    Fordr ich vors Oberlandgericht in Utrecht.


    So fällt Adam die Sentenz, aufgefordert hierzu vom Gerichtsrat, um die Sache zu beenden:
    Den Hals erkenn ich
    Ins Eisen ihm, und weil er ungebührlich
    Sich gegen seinen Richter hat betragen,
    Schmeiß ich ihn ins vergitterte Gefängnis.
    Wie lange, werd ich noch bestimmen.


    Durch die hier autoritäre Rollengestaltung des Gerichtsrats

    Walter
    Gut denn. Geschlossen ist die Session.
    Und Ruprecht appelliert an die Instanz zu Utrecht.

    zeigt sich, wie sehr es ihm darum geht, das Gericht zu schonen, Ruprecht kann ja in Revision gehen.
    Auf den diesem Urteil folgenden Hinweis von Eve, Adam habe den Krug zerbrochen, zeigt dieser keinerlei Reaktion wie bereis im Lauf der Vorstellung nicht erkennbar wird, wie die Sorge in ihm wächst, dass die Schlinge sich für ihn zuzieht - er selber meint wohl, der Fallschirm geht noch einen Meter über dem Erdboden auf - jetzt ist dieses Maß allerdings unterschritten, der Aufprall steht unmittelbar bevor. Und trotzdem keine Regung, außer - auf das Weinen der Eve und Aufdecken des Tatbestandes - Adams klägliches:
    Verzeiht ihr Herrn
    und ab nach rechts.

    Alarm
    schreit Ruprecht hinterher, rennt zurück, reißt eine Fahne aus dem Ständer, zerbricht die Fahnenstange und tobt im Gerichtssaal, wirft die Tische um, alles - bis auf Frau Brigitte - flieht hinter den sich senkenden Vorhang, sie bleibt zurück, lehnt sich an die schwarze Fläche.
    Durchsage: Die Vorstellung sei beendet.
    Das Ensemble trifft sich vor dem Vorhang - dann noch Aufklärung der Ostindienproblematik -

    großer Strich -
    dann Gerichtsrat Walter
    Geschwind, Herr Schreiber, fort! Holt ihn zurück!

    Schlusswort von Veit Tümpel
    Küßt und versöhnt und liebt euch;
    Und Pfingsten, wenn ihr wollt, mag Hochzeit sein!


    Der letzte, zwölfte, Auftritt mit

    Frau Marthe
    Sagt doch, gestrenger Herr, wo find ich auch
    Den Sitz in Utrecht der Regierung?

    Walter
    Weshalb, Frau Marthe?

    Frau Marthe empfindlich.
    Hm! Weshalb? Ich weiß nicht –
    Soll hier dem Kruge nicht sein Recht geschehn?

    Walter
    Verzeiht mir! Allerdings. Am großen Markt,
    Am Dienstag ist und Freitag Session.

    Frau Marthe
    Gut! Auf die Woche stell ich dort mich ein.

    ersatzweise der Variant des zwölften Auftritts sind gestrichen.
     

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    Fazit:
    Das Fernsehgericht tagt.
    So turbulent wie hier beim 'Krug' im MGT geht es auf SAT 1 bei Barbara Salesch zu.

    Einschaltquoten über dem Durchschnitt - gut verkaufte Vorstellung.
    Spaß haben das direkt angespielte und damit einbezogene Publikum und das Ensemble.

    Ließe man die unnötige Verheutigungskostümierung und die Aktualisierungsrequisiten weg, hätte das Theater die perfekte Kleist-Krug-Produktion zu bieten.