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                      04.01.2010 - dradio.de

 
 

 

  1.    
        Badisches Staatstheater Karlsruhe

      
     Bemerkungen eines Vollzahlers zur szenischen Umsetzung von
       
        Richard Wagner
       'Tannhäuser'
        

           B-Premiere 12. Oktober 2012

         'Eine Oper für ein Bühnenbild'


    Announcement
    Badisches Staatstheater Karlsruhe

    TANNHÄUSER

    UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG.
    Romantische Oper von Richard Wagner
    Dichtung vom Komponisten

    PREMIERE
    07.10.2012 GROSSES HAUS

    Das Jahr des 200. Geburtstags von Richard Wagner am 22. Mai 2013 ist Anlass,
    die Spielplanlinie der Wagner-Opern mit einem besonders ambitionierten Projekt weiterzuführen. Die in dieser Oper aufgeworfenen Fragen um Liebe, Kunst und Gesellschaft sind von unverminderter Aktualität – Tannhäuser steht als Künstler und Liebender unter einem Prüfungsdruck, den er nicht auszuhalten vermag.
    Das Werk existiert in zahlreichen Varianten, da Wagner es bei Aufführungen immer wieder modifiziert hat. Wir spielen eine Fassung, die man am ehesten als "Wiener Fassung" bezeichnen könnte, mit der vollständigen Venusberg-Musik und mit Ballett.

    Die Künstlerin rosalie hat sowohl mit ihren kühnen Lichträumen im ZKM als auch mit aufsehenerregenden Bühnengestaltungen wie beim vorletzten Bayreuther Ring Neuland erobert. Ihre Licht-Landschaften befreien die Fantasie, wo realistische Landschaften sie einengen würden. Regisseur Aron Stiehl führte bereits Regie in Die Götterdämmerung mit La Fura dels Baus in Florenz und Valencia. 2013 wird er bei den Bayreuther Festspielen Das Liebesverbot inszenieren, in Koproduktion mit der Oper Leipzig.

    Für GMD Justin Brown ist die Fortführung des Wagner-Zyklus, der in der letzten Spielzeit mit Lohengrin begonnen wurde, eine zentrale Linie seiner Karlsruher Arbeit. Heidi Melton und Christina Niessen verkörpern alternierend Elisabeth und Venus in einer Person, John Treleaven wird als Tannhäuser zu hören sein.

    In deutscher Sprache mit Übertiteln

    MUSIKALISCHE LEITUNG Justin Brown REGIE Aron Stiehl BÜHNE & KOSTÜME rosalie CHOREOGRAFIE Davide Bombana DRAMATURGIE Bernd Feuchtner

     

     

    'Geliebter sag, wo weilt dein Sinn'

    Es war 2001 eine größere Herausforderung für das Theater Regensburg, den 'Tannhäuser' in den Spielplan zu nehmen, zumal das Ganze im Ausgedinge stattfinden musste.
    Das Haus am Bismarckplatz wegen Renovierung geschlossen, die ehemalige Radrennbahn 'Velodrom' - ein offener Raum, wie man ihn sich als Markthalle so vorzustellen hat.

    Gelegentlich sah man Richard Wagner mit seinen Werken in den letzten dreißig Jahren auf der Regensburger Bühne. 1981 ein vom Publikum angenommener 'Rienzi', ein 'Holländer', 1991 vom Publikum weniger erfreut gesehen.

     

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    Wagner benutzte für seinen 'Tannhäuser' verschiedene Stoffe wie Tiecks 'Tannhäuser' und Heines 'Legende vom Tannhäuser', er entnahm aus Hoffmanns 'Die Serapionsbrüder' den 'Krieg der Sänger' und entwickelte daraus den Handlungsstrang für sein Werk ,

    Hat Senta im 'Holländer' einen Verfluchten - den plötzlich in ihr Leben tretenden auf ewig über die Meere segelnden Seemann zu erlösen - so ist Elisabeth im Tannhäuser eine junge Frau, der als Kind ein 'kühner Sänger' begegnete.
    Sie verliebte sich in ihn, er ging fort und kehrt nun völlig überraschend zurück, niemand aber weiß, 'wo weiltest du so lang'?

    Elisabeth wird mit dieser seiner Vergangenheit konfrontiert.
    Er, der Künstler, liebte die Liebe, er sah die Frau als Objekt der Lust - jetzt wird er konfrontiert mit der reinen Liebe, die erst ein Bestehen der Gefühle ermöglicht.

    Wagner setzte sich immer wieder mit dem Thema reiner und sinnlicher Liebe, Sexualität und Spiritualität, Eros und einem 'sich-zufrieden-geben' auseinander, ließ diese Problematik in seine Werke einfließen.

    Heinrich Laube mit seinem 'Jungen Deutschland' - die von ihm propagierte freie, sinnliche Liebe - nahm Wagner mit in seinen 'Tannhäuser'.

    Der wird zerrieben zwischen den beiden Welten, sein 'Dir töne Lob' steht neben seinem 'Mein Heil ruht in Maria'.

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    Das Regensburger Theater brachte den 'Tannhäuser' in der Regie von Urs Häberli in der Spielzeit 2000/2001 - Intendantin war damals Marie-Theres List.

    Häberli trennte die beiden Tannhäuser-Welten damals nicht, sondern verwob beide miteinander, Bindeglied war die Venus, die für die Zuschauer in allen Szenen präsent war, sie verschwand nicht mit einem furchtbaren Schlag vor der dritten Szene des ersten Aufzuges - die Venus verwandelte sich in ein Madonnenstandbild und tauchte eben nicht erst mit ihrem 'Willkommen, ungetreuer Mann! im dritten Aufzug wieder auf.
    Mitten durch die Menge der Gäste auf der Wartburg streift die Verführerin, ihr geht es darum, in der Nähe Tannhäusers zu bleiben, um im richtigen Moment den schnellen Zugriff auf ihn zu ermöglichen.
    Doch am Ende, da die Läuterung des Helden ihn der irdischen Welt entreißt, bleibt ihr auch in der Häberli-Inszenierung nur das 'Weh! Mir verloren!'

    Die Produktion erhielt kritische Bemerkungen von Gerhard Dietl, was die Szene betraf, musikalisch wurde ein gutes Zeugnis ausgestellt, zumal zwei Wagner Newcomer sich präsentierten, Sally du Randt als Elisabeth und Michael Waldenmaier in der Titelrolle.
    Der bewährte Adam Kruzel war Wolfram, Barbara Schneider-Hofstetter die Venus. In der Rolle war sie dann für kurze Zeit in Bayreuth zu hören.

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    Das Badische Staatstheater kann vom Bühnenbild er, aus dem Vollen schöpfen. Man engagiert dort rosalie, die seinerzeit mit ihrer Arbeit in Bayreuth einen gewissen Eindruck machte, als sie schon damals weitgehend abstrahierte, aber leider dabei auch Bild vom Thema trennte.

    Der Karlsruher 'Tannhäuser' überrascht in ähnlicher Weise, als weder ein Verheutigen stattfindet, noch ein Bild des Mittelalters gezeigt wird.

    Durchscheinende Kunststoffsegmente umfassen die Bühne in allen drei Aufzügen, die durch ihre meist indirekte Beleuchtung - mal blau, mal gelb, mal rot scheinend - dem Raum einen starkes Eigenleben verpassen. Da diese Szenerie - weil völlig imaginär - auch für jedes andere Werk, ob Sprechstück, ob Werk des Musiktheaters Verwendung finden kann, lässt sie keinerlei Verbindung zum aufgeführten Werk zu.

    Im ersten Aufzug hängen vom Schnürboden aufgespannte Schirme, die sich aus den weit aufgefalteten Röcken an den Beinen aufgehängter Balletteusen-Puppen ergeben. Sie bewegen sich sachte im Luftzug, werden mal leicht emporgefahren, dann wieder unmotiviert herabgelassen.

    Unter diesen schon von anderer rosalie-Inszenierung bekannten Schirmen sind zwei 'Kunstwerke' aufgebaut, die eine Verbindung zu einem Schrottplatz  herstellen, auf dem Metallteile hoch aufeinandergehäuft sind.

    Am Fuße des linken Metallmonstrums lagern zwei Männer, auf dem Metallgebirge oben darüber sitzt eine schwarz gewandete Dame mit einem aufgeschlagenen Buch - mag sein, ein Klavierauszug des gegebenen Werkes.

    Da man die 'Wiener Fassung' spielt, hat auch das Ballett seinen Auftritt. Hierbei kann man nur zum Choreographischen sagen wie es ein Regensburger Rezensent in Bezug auf einen Ballettabend einmal formulierte:
    'Beratzhauser Bodenturnen' oder so ähnlich.
    Die Herren in vorne und hinten völlig geschlossenen Badehöschen mit Trägern, erinnert an Borat, die Damen mit irgend ebenso unspektakulärem Badegewand, dass man einen Kindergarten ohne Sorge um das Seelenheil der Kleinen, diese Produktion hier anschauen lassen kann. 
    Am Tannhäuser-Ballett sind schon ganz andere gescheitert.

    Hier in Karlsruhe handelt es sich - auch noch bei voller Bühnenbeleuchtung - um völlig unerotische Bewegungsabläufe und nimmt man die Venus in ihrem kleinen Schwarzen mit schwarzen Haaren noch dazu - immer wieder fallen Strähnen ins Gesicht, die beim Singen stören und zurückgeschoben werden müssen (ein Klämmerchen könnte hier Abhilfe schaffen) - kann man verstehen, dass Tannhäuser mitsamt seinen Notizen von bereits niedergeschriebnen Werken bzw. den Resten, denn Venus zerreißt die Bögen, das Weite sucht. 

    Hätte man ihr noch eine Kittelschürze angezogen wie einst man es tat bei Regensburgs 'Norma', und sie hier auch noch vor einen dreiflammigen Wamsler-Gasherd gestellt, bestünde die Möglichkeit zu sagen, Tannhäuser blieb bisher bei Frau Venus wegen ihrer Kochkünste, denn 'Liebe geht durch den Magen.

    Für die holde Aue wechselt das Bühnenbild nicht, es bleibt bei den aufgespannten Sonnenschirmen. Der junge Hirt kommt von hinten rechts, vorher wird Nebel auf die Bühnenfläche geblasen, er singt sein à-capella-Ströfchen und geht dem Tannhäuser zuwinkend nach links vorne in die Gasse ab.

    Da erscheinen links hinten fünf Männer in Kniebundhosen, so als kämen sie gerade von der Münch'ner Wies'n, zwei von ihnen tragen einen aus Pappmaschee aufrecht liegenden Mehrfachender, setzen den auf dem Boden ab. Man breitet eine Decke im Schottenmuster aus und genehmigt sich erst einmal ein Stamperl. Ansonsten verläuft das Geschehen wie auch sonst so bei anderen Produktionen des Werkes.

    Der Chor auf dem Weg nach Rom, Gestalten als kämen sie aus einem Gulag, lang bebartet und in abgerissener Kleidung.

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    Im zweiten Aufzug hat rosalie etwa 50 Stück Ölfässer aus feinst blinkendem Stahl zu Stehpulten oder Sitzgelegenheiten umarbeiten lassen.
    Der Chor - einige haben ihre Kinder mitgebracht - nimmt diese in Besitz, der Nachwuchs spielt Fangen oder hockt an den Pulten und malt wohl Männchen oder Weibchen.

    Rechts im Hintergrund eine Mordstrummplastik, wohl ein gefiederter Krieger, der ein Kleinflugzeug im Fluge abfing - ein großer Spiegel ermöglicht, die hintere Seiten der Plastik zu betrachten.

    Der Sängerkrieg verläuft, außer durch kleinere Rangeleien zwischen den Minnesängern gestört, unspektakulär ab - die Personenführung 'is as usual'. Es ist anzunehmen, dass die Sänger das auch ohne Regisseur hinbekommen hätten.
    Elisabeth nun mit blonden Haaren in einem ähnlichen Kleid wie das der Venus, nur schimmert hier leicht etwas Helles durch. Die übrige Kostümierung der übrigen Herrschaften auf der Bühne hier 'besonders phantasievoll', denn ohne jeden Bezug zum Werk und seinem Text.

    Der Chor weist Tannhäuser den Weg
    'nach Rom' mit hoch erhobenen linken Armen und ausgesteckten Fingern eindeutig zu: nach links hinten in die Ecke.

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    Im dritten Aufzug sind wieder die beiden Schrottgebirge auf der Bühne, auf denen sich jeweils ein riesiger Schmetterling mit aufgefalteten Flügeln niedergelassen hat. Krampfhaft bespielen die Sänger diese Schrott-Monster. Sollen das 'Darstellungen' von Venus und Elisabeth sein?

    Elisabeth hat zum Abschied von Wolfram nicht nur diese sonst übliche abweisende Geste 'zur Hand', sondern streichelt den Bariton, zumal er sich auch ganz ordentlich gemacht hat, zeigt ihm so ihre Zuneigung, ohne ihn an sich ranzulassen, wenn er sie umarmen möchte.

    Die Schrott-Monster werden um 180 Grad gedreht, dass die Schmetterlinge mit Frauen-Leibern gut zu erkennen sind.

    Der Auftritt der Venus zu ihrem 'Willkommen, ungetreuer Mann' gerät zu einer völlig unspektakulären und wieder völlig unerotischen Angelegenheit.
    Die Sängerin kommt in ihrem kleinen Schwarzen, wieder den schwarzen Haaren aus dem ersten Aufzug von rechts hinten ruhigen Schrittes auf flachen Sohlen, einen etwas müden Eindruck erweckend, herausspaziert, nimmt sich des Tannhäuser in einer Weise an, als vermittle sie ihren Wunsch:
    'Komm doch endlich nach Hause, die Bratkartoffeln werden sonst kalt.'
    Tannhäuser stürzt in sich zusammen, Venus/Elisabeth in einer Figur hält ihn wie in einer Pieta-Darstellung.

    Der Chor bejubelt das Finale. 
    Das Publikum rast in seinem Schluss-Applaus.

     

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    Alles in allem:
    Eine Produktion, um ein Bühnenbild darzustellen.
    Personenführung: Standard, ohne größere Eingebung - bis auf die Verabschiedung der Elisabeth von Wolfram und die Zusammenführung von  Venus und Elisabeth in der Szene der 'Erlösung durch Liebe'.
    Die Sänger haben ansonsten Gelegenheit, aus sich heraus das Sinnvolle zu tun.

    Es ist in Karlsruhe eine unfertige Produktion eines auch nach Wagners eigener Meinung noch unfertigen Werkes.

    Wie sehr kritisierte er aber Hector Berlioz in einem Schreiben an Franz Liszt vom 8. September 1852, der seit 13 Jahren an einer Oper 'Benvenuto Cellini' herumbastele, während er selber doch immer wieder Veränderungen an seinem 'Tannhäuser' vornahm und letztlich kurz vor seinem Tod mitteilte, er sei 'der Welt noch einen 'Tannhäuser' schuldig'.

    'Konsequenz, dein Name ist Richard Wagner!'  

     

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    >> “Das kostet uns richtig viel Geld.
    Mit welchem Recht sagen wir,
    die Infrastruktur-Einrichtung Theater ist wichtiger
    als die Infrastruktur-Einrichtung Stadion?”,
    fragte er rhetorisch in den Saal, der mit großem Applaus antwortete. <<

    Regensburger Wochenblatt am 16.11.2010
    über eine Aussage von SPD-Bürgermeister Wolbergs während einer Podiumsdiskussion
    zum Neubau eines Fußballstadions in Regensburg

     

     

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    Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

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     diese Besprechungen und Kommentare nicht als
    Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
    Geglücktes oder Misslungenes.

    Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

    Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

    Dieter Hansing
    im Bund der Steuerzahler Bayern

     

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