Badisches Staatstheater Karlsruhe
Bemerkungen
eines Vollzahlers zur szenischen Umsetzung von
Richard Wagner
'Tannhäuser'
B-Premiere
12. Oktober 2012
'Eine
Oper für ein Bühnenbild'
Announcement
Badisches Staatstheater Karlsruhe
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'Geliebter
sag, wo weilt dein Sinn'
Es war 2001 eine größere Herausforderung
für das Theater Regensburg, den
'Tannhäuser' in den Spielplan zu
nehmen, zumal das Ganze im
Ausgedinge stattfinden musste.
Das Haus am Bismarckplatz wegen
Renovierung geschlossen, die
ehemalige Radrennbahn 'Velodrom' -
ein offener Raum, wie man ihn sich
als Markthalle so vorzustellen hat.
Gelegentlich sah man Richard Wagner
mit seinen Werken in den letzten dreißig Jahren auf
der Regensburger Bühne. 1981 ein vom
Publikum angenommener 'Rienzi', ein
'Holländer', 1991 vom Publikum
weniger erfreut gesehen.
Wagner
benutzte für seinen 'Tannhäuser'
verschiedene Stoffe wie Tiecks
'Tannhäuser' und Heines 'Legende vom
Tannhäuser', er entnahm aus Hoffmanns
'Die Serapionsbrüder' den 'Krieg der
Sänger' und entwickelte daraus den
Handlungsstrang für sein Werk ,
Hat
Senta im 'Holländer' einen
Verfluchten - den plötzlich in ihr
Leben tretenden auf ewig über die
Meere segelnden Seemann zu erlösen -
so ist Elisabeth im Tannhäuser eine
junge Frau, der als Kind ein 'kühner
Sänger' begegnete.
Sie verliebte sich in ihn, er ging
fort und kehrt nun völlig
überraschend zurück, niemand aber
weiß, 'wo weiltest du so lang'?
Elisabeth wird mit dieser
seiner Vergangenheit konfrontiert.
Er, der Künstler, liebte die Liebe,
er sah die Frau als Objekt der Lust
- jetzt wird er konfrontiert mit der
reinen Liebe, die erst ein Bestehen
der Gefühle ermöglicht.
Wagner setzte sich immer wieder mit
dem Thema reiner und sinnlicher
Liebe, Sexualität und Spiritualität,
Eros und einem 'sich-zufrieden-geben' auseinander, ließ diese
Problematik in seine Werke
einfließen.
Heinrich Laube mit seinem 'Jungen
Deutschland' - die von ihm
propagierte freie, sinnliche Liebe -
nahm Wagner mit in seinen
'Tannhäuser'.
Der wird zerrieben zwischen den
beiden Welten, sein 'Dir töne Lob'
steht neben seinem 'Mein Heil ruht
in Maria'.
Das Regensburger Theater brachte den
'Tannhäuser' in der Regie von Urs
Häberli in der Spielzeit 2000/2001 -
Intendantin war damals Marie-Theres
List.
Häberli trennte die beiden
Tannhäuser-Welten damals nicht,
sondern verwob beide miteinander,
Bindeglied war die Venus, die für
die Zuschauer in allen Szenen
präsent war, sie verschwand nicht
mit einem furchtbaren Schlag vor der
dritten Szene des ersten Aufzuges - die Venus
verwandelte sich in ein
Madonnenstandbild und tauchte eben
nicht erst mit ihrem 'Willkommen,
ungetreuer Mann! im dritten Aufzug wieder auf.
Mitten durch die Menge der Gäste auf
der Wartburg streift die
Verführerin, ihr geht es darum, in
der Nähe Tannhäusers zu bleiben, um
im richtigen Moment den schnellen
Zugriff auf ihn zu ermöglichen.
Doch am Ende, da die Läuterung des
Helden ihn der irdischen Welt
entreißt, bleibt ihr auch in der
Häberli-Inszenierung nur das 'Weh!
Mir verloren!'
Die Produktion erhielt kritische
Bemerkungen von Gerhard Dietl, was
die Szene betraf, musikalisch
wurde ein gutes Zeugnis ausgestellt,
zumal zwei Wagner Newcomer sich
präsentierten, Sally du Randt als
Elisabeth und Michael Waldenmaier in
der Titelrolle.
Der bewährte Adam Kruzel war
Wolfram, Barbara
Schneider-Hofstetter die Venus. In
der Rolle war sie dann für kurze
Zeit in Bayreuth zu hören.
Das Badische Staatstheater kann vom Bühnenbild er, aus dem
Vollen schöpfen. Man engagiert dort
rosalie, die seinerzeit mit ihrer
Arbeit in Bayreuth einen gewissen
Eindruck machte, als sie schon
damals weitgehend abstrahierte, aber
leider dabei auch Bild vom Thema
trennte.
Der Karlsruher 'Tannhäuser' überrascht
in ähnlicher Weise, als weder ein Verheutigen stattfindet, noch ein
Bild des Mittelalters gezeigt wird.
Durchscheinende Kunststoffsegmente
umfassen die Bühne in allen
drei Aufzügen, die durch ihre meist
indirekte Beleuchtung - mal blau,
mal gelb, mal rot scheinend - dem Raum
einen starkes Eigenleben verpassen.
Da diese Szenerie - weil völlig
imaginär - auch für jedes andere
Werk, ob Sprechstück, ob Werk des
Musiktheaters Verwendung finden
kann, lässt sie keinerlei Verbindung zum
aufgeführten Werk zu.
Im ersten Aufzug hängen vom
Schnürboden aufgespannte Schirme,
die sich aus den weit aufgefalteten
Röcken an den Beinen aufgehängter
Balletteusen-Puppen ergeben. Sie
bewegen sich sachte im Luftzug,
werden mal leicht emporgefahren,
dann wieder unmotiviert
herabgelassen.
Unter diesen schon von anderer
rosalie-Inszenierung bekannten
Schirmen sind zwei 'Kunstwerke'
aufgebaut, die eine Verbindung zu
einem Schrottplatz herstellen,
auf dem Metallteile hoch aufeinandergehäuft
sind.
Am Fuße des linken Metallmonstrums
lagern zwei Männer, auf dem
Metallgebirge oben darüber sitzt eine schwarz
gewandete Dame mit einem
aufgeschlagenen Buch - mag sein, ein
Klavierauszug des gegebenen Werkes.
Da man die 'Wiener Fassung' spielt,
hat auch das Ballett seinen
Auftritt. Hierbei kann man nur zum
Choreographischen sagen wie es ein
Regensburger Rezensent in Bezug auf
einen Ballettabend einmal
formulierte:
'Beratzhauser Bodenturnen' oder so
ähnlich.
Die
Herren in vorne und hinten völlig
geschlossenen Badehöschen mit
Trägern, erinnert an Borat, die
Damen mit irgend ebenso
unspektakulärem Badegewand, dass man einen
Kindergarten ohne Sorge um das
Seelenheil der Kleinen, diese
Produktion hier anschauen lassen
kann.
Am Tannhäuser-Ballett sind schon
ganz andere gescheitert.
Hier in Karlsruhe handelt es sich - auch noch
bei voller Bühnenbeleuchtung - um
völlig unerotische Bewegungsabläufe
und nimmt man die Venus in ihrem
kleinen Schwarzen mit schwarzen
Haaren noch dazu - immer wieder
fallen Strähnen ins Gesicht, die
beim Singen stören und
zurückgeschoben werden müssen (ein
Klämmerchen könnte hier Abhilfe
schaffen) - kann
man verstehen, dass Tannhäuser
mitsamt seinen Notizen von bereits
niedergeschriebnen Werken
bzw. den Resten, denn Venus zerreißt
die Bögen, das Weite
sucht.
Hätte man ihr noch eine
Kittelschürze angezogen wie einst
man es tat bei Regensburgs 'Norma', und sie hier auch noch
vor einen dreiflammigen Wamsler-Gasherd
gestellt, bestünde die Möglichkeit
zu sagen, Tannhäuser blieb bisher bei Frau
Venus wegen ihrer Kochkünste, denn
'Liebe geht durch den Magen.
Für die holde Aue wechselt das
Bühnenbild nicht, es bleibt bei den
aufgespannten Sonnenschirmen. Der
junge Hirt kommt von hinten rechts,
vorher wird Nebel auf die
Bühnenfläche geblasen, er singt sein
à-capella-Ströfchen und geht dem
Tannhäuser zuwinkend nach links
vorne in
die Gasse ab.
Da erscheinen links hinten fünf
Männer in Kniebundhosen, so als
kämen sie gerade von der Münch'ner
Wies'n, zwei von ihnen tragen einen
aus Pappmaschee aufrecht liegenden
Mehrfachender, setzen den auf dem
Boden ab. Man breitet eine Decke im
Schottenmuster aus und genehmigt
sich erst einmal ein Stamperl.
Ansonsten verläuft das Geschehen wie
auch sonst so bei anderen
Produktionen des Werkes.
Der Chor auf dem Weg nach Rom,
Gestalten als kämen sie aus einem
Gulag, lang bebartet und in
abgerissener Kleidung.
Im zweiten Aufzug hat rosalie etwa 50 Stück Ölfässer aus feinst blinkendem Stahl zu Stehpulten oder Sitzgelegenheiten umarbeiten lassen.
Der Chor - einige haben ihre Kinder mitgebracht - nimmt diese in Besitz, der Nachwuchs spielt Fangen oder hockt an den Pulten und malt wohl Männchen oder Weibchen.
Rechts im Hintergrund eine Mordstrummplastik, wohl ein gefiederter Krieger, der ein Kleinflugzeug im Fluge abfing - ein großer Spiegel ermöglicht, die hintere Seiten der Plastik zu betrachten.
Der Sängerkrieg verläuft, außer durch kleinere Rangeleien zwischen den Minnesängern gestört, unspektakulär ab - die Personenführung 'is as usual'. Es ist anzunehmen, dass die Sänger das auch ohne Regisseur hinbekommen hätten.
Elisabeth nun mit blonden Haaren in einem ähnlichen Kleid wie das der Venus, nur schimmert hier leicht etwas Helles durch.
Die übrige Kostümierung der übrigen Herrschaften auf der Bühne hier 'besonders phantasievoll', denn ohne jeden Bezug zum Werk und seinem Text.
Der Chor weist Tannhäuser den Weg
'nach Rom'
mit hoch erhobenen linken Armen und ausgesteckten Fingern eindeutig zu: nach links hinten in die Ecke.
Im dritten Aufzug sind wieder die beiden Schrottgebirge auf der Bühne, auf denen sich jeweils ein riesiger Schmetterling mit aufgefalteten Flügeln niedergelassen hat. Krampfhaft bespielen die Sänger diese Schrott-Monster. Sollen das 'Darstellungen' von Venus und Elisabeth sein?
Elisabeth hat zum Abschied von Wolfram nicht nur diese sonst übliche abweisende Geste 'zur Hand', sondern streichelt den Bariton, zumal er sich auch ganz ordentlich gemacht hat, zeigt ihm so ihre Zuneigung, ohne ihn an sich ranzulassen, wenn er sie umarmen möchte.
Die Schrott-Monster werden um 180 Grad gedreht, dass die Schmetterlinge mit Frauen-Leibern gut zu erkennen sind.
Der Auftritt der Venus zu ihrem 'Willkommen, ungetreuer Mann' gerät zu einer völlig unspektakulären und wieder völlig unerotischen Angelegenheit.
Die Sängerin kommt in ihrem kleinen Schwarzen, wieder den schwarzen Haaren aus dem ersten Aufzug von rechts hinten ruhigen Schrittes auf flachen Sohlen, einen etwas müden Eindruck erweckend, herausspaziert, nimmt sich des Tannhäuser in einer Weise an, als vermittle sie ihren Wunsch:
'Komm doch endlich nach Hause, die Bratkartoffeln werden sonst kalt.'
Tannhäuser stürzt in sich zusammen, Venus/Elisabeth in einer Figur hält ihn wie in einer Pieta-Darstellung.
Der Chor bejubelt das Finale.
Das Publikum rast in seinem Schluss-Applaus.
Alles in allem:
Eine Produktion, um ein Bühnenbild darzustellen.
Personenführung: Standard, ohne größere Eingebung - bis auf die Verabschiedung der Elisabeth von Wolfram und die Zusammenführung von Venus und Elisabeth in der Szene der 'Erlösung durch Liebe'.
Die Sänger haben ansonsten Gelegenheit, aus sich heraus das Sinnvolle zu tun.
Es ist in Karlsruhe eine unfertige Produktion eines auch nach Wagners eigener Meinung noch unfertigen Werkes.
Wie sehr kritisierte er aber Hector Berlioz in einem Schreiben an Franz Liszt vom 8. September 1852, der seit 13 Jahren an einer Oper 'Benvenuto Cellini' herumbastele, während er selber doch immer wieder Veränderungen an seinem 'Tannhäuser' vornahm und letztlich kurz vor seinem Tod mitteilte, er sei 'der Welt noch einen 'Tannhäuser' schuldig'.
'Konsequenz, dein Name ist Richard Wagner!'
>> “Das
kostet uns
richtig viel
Geld.
Mit welchem
Recht sagen
wir,
die
Infrastruktur-Einrichtung
Theater ist
wichtiger
als die
Infrastruktur-Einrichtung
Stadion?”,
fragte er
rhetorisch
in den Saal,
der mit
großem
Applaus
antwortete.
<<
Regensburger
Wochenblatt
am
16.11.2010
über eine
Aussage von
SPD-Bürgermeister Wolbergs
während
einer
Podiumsdiskussion
zum Neubau
eines
Fußballstadions
in
Regensburg
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Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
im
Bund der Steuerzahler Bayern
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