|
|
|
|
|
Georges Bizet
|
Carmen |
Oper in
vier Akten
nach einer Novelle von Prosper Mérimée
Text von Henri Meilhac und Ludovic Helévy |
|
|
|
|
Melinda Moldovan / Karl-Olof Johansson
Inszenierung Dr. Herbert Decker
|
|
Unter der musikalischen Leitung von
Daniel Barenboim in der
Inszenierung von
Martin Kušej stellte
die Lindenoper in Berlin das Werk im November 2004 vor.
"Der
österreichische Regisseur Martin Kušej gehört zu den vier
bis fünf heißesten Tickets im heutigen Opern- und
Schauspiel-Business. Ein Klischeeverderber, dessen herbe
Bildwelten (zumeist mit dem Bühnenbildner Jens Kilian)
Kulinarik durch Besessenheit und Intensität glückhaft
ersetzt." (Kai Luehrs-Kaiser, Kulturradio am Morgen)
Dieser Produktion in Berlin folgte im Dezember 2004 eine solche in
Dresden.
Kritiker
Gottfried Blumenstein in "Aufgefallen" zur
Aufführung der Carmen in der Regie von Konstanze Lauterbach bei
MDR 1 Radio
Sachsen
"Es war schon seltsam, dass im Vorfeld die
Marketing-Maschinerie ungebremst volle Fahrt aufnahm und die
Erwartungen sehr hoch schraubte. Um so tiefer dann der Fall,
nach getaner Arbeit. Waltraud Meier, als Wagner-Sängerin zu
Recht bejubelt, ist leider keine Carmen. Ihr fehlt vieles,
was diese Figur ausmacht: Der Schmelz in der Stimme, das
Fordernde, das Wilde, die Finesse. Und auch ihre
schauspielerischen Fähigkeiten waren eher rudimentär
präsent. Stattdessen, auch im Schlussakt, wo Waltraud Meier
dann immerhin den Schwung und die Energie der Musik aufnahm,
fiel ihr Vibrato trotzdem unangenehm auf. Die hohen
Maßstäbe, die man an eine solche Sängerin mit einem solchen
Ruf stellen muss, wurden nur selten erfüllt."
Die Süddeutsche Zeitung titelte am 22. Dezember 2004:
'Grandiose Fehlbesetzung' - Frau Meier meinend und führt aus weiter im Text:
"Im Gegensatz zum sächsischen Visionär Richard Wagner war
sein Zeitgenosse Georges Bizet ein Opernpraktiker, der sich
bereitwillig auf seine Sängerstars einließ und ihnen Rollen
und Arien auf den Leib schrieb. Und wer weiß: vielleicht
würde es die Handlung seiner Carmen für die Neuproduktion
an der Dresdner Oper kurz entschlossen nach Unterfranken
verlegen, die freiheitstrunkenen Schmuggler als Briganten
aus dem Spessart auftreten lassen - und den Ganzen den Titel
'Waltraut' geben. Denn mit dem Auftritt der gebürtigen
Würzburgerin Waltraud Meier, dem Dresden seit Monaten
entgegenfiebert, mutiert die unberechenbar heißblütige
Carmen zur vornehm reservierten Operettendiva, über die ihr
verehrer Friedrich Nietzsche und ihr Erfinder Prosper Merimée
in Verzweiflung geraten wären.
Niemand wird von einer 48-jährigen Sängerin die anarchische
Sinnlichkeit einer girliehaften 'bohèmienne' verlangen. Doch
wir wüssten gerne schon, was den schwerfälligen Robert Dean
Smith alias Don José am damenhaften Getanze und
Fingerschnippen in der Habanera so kopflos macht. Denn auch
als Mutterersatzfigur, die Josés postpubertäre Probleme
lösen könnte, taugt diese Carmen wenig, weil sich Waltraud
Meier auf ihre Umgebung wirklich nie einlässt. Egal, ob sie
mit ihren Fesseln Seilhüpfen spielt, ihre Seguidilla auf
einer schwingenden Schaukel hoch über dem Orchestergraben
singt oder dem hölzernen Escamillo (Jukka Rasilainen) mit
schepperndem Bass) schöne Augen macht: die Meier bleibt ein
Fremdkörper, der in seiner isoldenhaften Unterkühltheit
nicht aufreizt, sondern den Abend unendlich träge macht." |
|
|
|
Auch das Theater Regensburg
kann auf das Zugstück 'Carmen' nicht verzichten, 'der alte Striese Weil' (MZ vom 20.12.04) inszenierte selber in
Pforzheim Bizets unsterbliches Werk - und hinterließ einen schwachen
Eindruck.
Nun bringen Francoise Terrone und Philippe Godefroid ihre
Fassung auf die Regensburger Bühne. Beide hatten hier bereits die 'Ariadne'
und die Glanert'sche 'Scherz, Satire ...' in Szene gesetzt, dass bei
letzterem sich kaum ein Regensburger Bürger hierfür interessierte. |
|
Den hunderten von
Inszenierungen, die seit
der Uraufführung gelungen oder misslungen sind, müssen die von
Walter Felsenstein als Besonderheiten im positiven Sinne
hervorgehoben werden.
1933 fand seine erste Interpretation auf der Bühne in Köln statt,
1939 folgte Zürich, dann Berlin 1943 und Moskau 1969. 1972 war
wieder eine Neuinszenierung an der Komischen Oper in Berlin mit
Siegfried Vogel als Escamillo.
Harry Kupfer stellte seine
Carmen - eine
Version Anfang der 90-er Jahre zur Diskussion. Er strich Kolorit
und reduzierte den Ablauf auf die Soloszenen und einige Chorstellen,
verdichtet damit die Handlung. Auch die Wiederaufnahme hat von
diesem zwingenden Eindruck nichts verloren. Inzwischen ist die
Produktion seit der Premiere am 17. Mai 1991 mehr als 150 mal in
deutscher Sprache über
die Bühne der Komischen Oper Berlin gegangen.
Eine Übertitelungsanlage, die ein Eigenleben führt, die das
Geschehen auf der Bühne nicht wiedergibt, ist an diesem Hause nicht
erforderlich.
So kann es auch nicht passieren, dass im Übertitel steht: '... diese
Menge, im Gedränge ...' und '... lasst uns wieder sehn nach Leuten,
die vorübergehn ..' oder '... in der Menge dort lauernd verbirgt er
sich ...' - und im Regensburger Theater kein Mensch in Massen ist da, der gemeint sein
könnte. |
|
|
|
|
Carmen ist nach Mérimée -
und so auch von Meilhac und Halelévy
übernommen - eine im Liebesgewerbe tätige junge Zigeunerin, die auch
in der Zigarettenfabrik Sevillas arbeitet und zudem noch eine
wichtige Rolle in einer Schmugglerbande übernommen hat. Zwar mit 'der Liebe'
vertraut, hat sie die richtige Liebe noch nicht erfahren. Die Rolle
lässt sich daher mit der Violetta in 'Traviata' vergleichen. Sie
spottet der bürgerlichen Liebe, spielt mit den Männern, macht diese
sich gefügig, wie auch 'Lulu' als Projektionsfläche männlicher
Vorstellungen und Wünsche.
Schmerzlich muss dies Don José erfahren. |
|
Matias
Tosi Socolow
Bariton
aus Argentinien
- der 'zweite' Escamillo.
|
|
|
|
José Augustin Azocar
Munoz - ein Chilene wird den José nur wenige Male in Regensburg
singen.
Einspringer für die überstrapazierten Haustenöre und den
entlaufenen Gasttenor.
Foto: Sabine Beintinger
|
|
|
|
Michaëla - ein Mädchen von 17 Jahren lebt bei der Muter von
Don José. Sie war wohl um die 15 als die Rauferei Don Josés mit einem
Kontrahenten mit tödlichem Ausgang
in ihrem Dorf geschah. Damals nur Kind, kommt sie jetzt als Frau des
Sergeanten José in Frage und die Mutter schickt sie, sich Don José in
dieser möglichen Rolle vorzustellen.
Sie ist die Lichtgestalt, das fromme,
gehorsame Mädchen, das die Autoren Henri Meilhac und Ludovic Halévy
aufgrund einer Bemerkung Don Josés in der Novelle von Prosper
Merimée über die baskischen Bauernmädchen, die er vorher kannte,
einfügten, um dem Publikum das vom Zeitgeist gewünschte Frauenbild,
im Gegensatz zur schockierenden Carmen vorzuführen.
Petite charmante, mignonne wird die genannt, und als sie vor den
Zudringlichkeiten der Soldaten flüchtet, um bis zum Wachwechsel auf
Don José zu warten, ist sie ein Vogel, der davonfliegt, 'l'oiseau
s'enrole.' |
|
|
|
|
Don José - ein, aus Navarra stammender Bauernsohn, kräftig-
untersetzt,
einfach, streng nach den Gesetzen der katholischen Kirche erzogen, Bauernsohn, der in
seinem Heimatdorf im Norden Spaniens während einer Rauferei einen Mann tötete und
sich dann in
eine Art Fremdenlegion nach Südspanien absetzte.
Er ist - einmal gereizt - leicht jähzornig, aber auch bemüht, seinen
Dienst zu tun, sich nicht von den Hänseleien der Kameraden
irritieren zu lassen. Sein Wusch ist, möglichst bald in sein Dorf
zur Mutter zurückkehren zu können, da er aufgrund seiner
Zurückhaltung bei seinen Kameraden nicht Fuß fassen kann. |
|
Escamillo ist ein
gesellschaftlich wie auch finanziell erfolgreicher
Stierkämpfer, der mit dem heute noch üblichen Machogehabe auftritt.
Er hat Geld, die Frauen liegen ihm zu Füßen, er ist mit dem
Rollenschema 'Charakterbariton' deutlich beschrieben. Hier ist es
Carmen, die aus ihrer sozialen Unterschicht heraus will, sich ihm
nähert und beide finden Gefallen an einander. |
|
Kumpaninnen von Carmen sind Frasquita
und Mercédès.
Beide ebenfalls Zigeunerinnen, Arbeiterinnen in der Zigarettenfabrik, Mitläuferinnen der Schmugglerbande. Den Ausweg aus dem sozialen
Unterschicht suchen auch sie, allerdings wissend, dass sie sich mit dem
kleinen Glück zufrieden geben werden. Ein reicher, gut aussehender Escamillo als Liebhaber ist für sie
beide unerreichbar. |
|
Remendade und Dancaïre - die Anführer der
Schmugglertruppe. Für sie sind die Frauen Carmen, Mercédès und Frasquita nur
Hilfkräfte, aber wichtige, denn nur mit ihnen ist es
möglich, Männer einzuwickeln und kirre zu machen, so gelingt
letztlich jeder Coup. |
|
'Moralès und Zuniga, Soldaten - ersterer ein
lyrischer Bariton, sucht noch seine Rolle in der Gesellschaft, der
Bassist Zuniga - letzterer - ist bereits als Leutnant der Truppe
einigermaßen arriviert und stellt sich der Konkurrenz mit Escamillo und
Don José beim Balzen um Carmen. |
Stimmen und Stimmungen
Nr. 5 die Habanera, stellt stimmlich
keine großen Anforderungen und liegt einem
gesunden Mezzosopran perfekt. Die Strophen und Wiederholungen bieten
Gelegenheit, eine reiche Palette lockender Farben zu zeigen und mit
dem Tonmaterial genussvoll zu spielen. Das Ende, spielerisch
und sieghaft gesungen, bringt sicheren Erfolg.
Das Duett Nr. 7,
'Wie du kommst von der Mutter?'
mit Michaëla und Don José beginnt mit der ariosen Erzählung Michaëlas vom Auftrag und den Geschenken der
Mutter, die sie ihr beim Kirchgang gab, einen Brief, etwas Geld und
einen Kuss. Eine sanft schwebende volksliedhafte Melodie, in der ein
lyrischer Sopran seinen Liebreiz ohne große stimmliche Anforderung
entfalten kann. Auch das folgenden Duett, in Erinnerung an die heile
Welt des Dorfes im Schutz der Mutter, ist reiner Wohlklang in
angenehmer Stimmlage bis Carmens Motiv in die naive Zweisamkeit
hineinbricht.
In Nr. 9 und Nr. 10, der Seguidilla, Allegretto,
die pp und léger beginnt, lockt Carmen den Don José mit
Versprechungen in die Schmugglerkneipe von Lillas Pastia zu kommen.
An diesem Tanzlied zeigt sich, wie bewusst Bizet die Carmen für einen
Mezzosopran geschrieben hat. Die tiefen Töne der weiblichen
Bruststimme liegen im Grenzbereich von männlich und weiblich und
charakterisieren Carmen als eine Person, die erotisch fordert wie
ein Mann.
Welch ein Skandal im 19. Jahrhundert!
Niemals aber dürfen die tiefen Töne brutal und ordinär gesungen
werden, sondern reizvoll androgyn.
Kokett macht Carmen Don José gegenüber Vorgaben für ihre Flucht:
'Unterwegs geb' ich dir einen Stoß mit der ganzen Kraft, und du lässest
mich los. Strauchle dann, falle hin; das andre ist meine Sache!'
Don José löst ihr die Fesseln und Carmen kann fliehen.
Escamillo stimmt in Nr. 14 sein pompöses Couplet an:
'Euren Toast kann ich wohl erwidern, mit
Euch, ihr Herrn, sind wir ja nah verwandt, und der Torero reicht
seinen Brüdern, eilt er wie sie zum Kampf, die fröhliche Hand.'
und verbindet hier die tötenden Soldaten mit sich.
Ein durchtrainierter Mann mit dem
Geruch von Rinderstall, laut, eitel, spielt den grausamen,
mitleidlosen, das qualvolle Töten ihm Lust und Profession bringenden
und das Publikum feiert ihn - was für ein Macho!
George Bizet lässt ihn permanent in einer gespannt hohen Lage singen, nur zwei Takte lang erwähnt er im p und pp die Liebe und
den Beginn des Refrains im p möchte der Komponist 'avec fatuité' -
mit Aufgeblasenheit - gesungen haben.
Herausgeputzt ist Sevilla im vierten Akt für die Corrida. Carmen hat
ihren höchsten gesellschaftlichen Aufstieg erreicht und sonnt sich
in der allgemeinen Aufmerksamkeit. Dann stellt Escamillo eine sentimentale, melancholische Bitte an Carmen:
'Liebst du mich heiß und innig und willst mir angehören'. Carmen bestätigt:
'Escamillo, ich lieb' dich, und ich kann es
dir schwören: Noch nie liebte ich einen Mann so wie dich.'
Ihr Zwiegesang und die
begleitende Bass-Figur enthalten zahlreiche schluchzende Vorhalte
und das kurze Duo endet pp in tiefer Lage. Ein eigenartiger Moment
der stillen Zweisamkeit der nach Liebe Suchenden.
Welcher der ewig auf die Uhr schauenden, hetzenden Dirigenten gibt
den beiden Zeit auf dieser Fermate, die so viel sagt ?
Nr. 15, das Quintett mit Carmen, Mercédès, Frasquita, Dancaïre
und Remendade:
'Ich hab' ein Geschäft vorzuschlagen ...',
ist ein
einmaliges Meisterwerk, ein prickelndes Ensemble, eine Freude für
die Sänger, Musiker und Zuhörer, die ihnen leider die meisten
Dirigenten durch sinnloses Gehetze nehmen.
Nr. 17 Duett,
'Tanzen will ich zu euer Ehr'
Dieses Tanzlied erfordert von der Sängerin der Carmen eine geschmeidige Stimmführung,
körperliche Anmut, Fähigkeiten im spanischen Tanz und dem rhythmisch
präzisem Schlagen der Castagnetten.
Don José's Pflichtbewusstsein ruft ihn während Carmen's Locken beim
Ertönen der Signale zurück in die Kaserne.
Nach einem Moment der Fassungslosigkeit tobt Carmen los in einem
Wutausbruch
'Ins Quartier, zum Appell? Ha, wie töricht ohne
gleichen!',
verspottet ihn, bei 'un peu plus vite' bis Don
José nach einer bis zum hohen A aufsteigenden
chromatischen Gesangslinie Carmen zwingt, ihm zuzuhören.
Traurig ertönt im Englischhorn das Schicksalsmotiv.
Die musikalische Charakterisierung Don José's, besonders seine
Melancholie, wird deutlich
innerhalb der Nr. 17, eine der
ergreifendsten Arien der Opernliteratur. Traurig ertönt im
Englischhorn das Schicksalsmotiv.
Zart begleitet von synkopischen
Bläserakkorden eröffnet er ihr
'Hier an dem Herzen treu geborgen, die
Blume, sieh, von jenem Morgen, entblättert welk in Kerkerluft.
Behielt sie doch den süßen Duft.'
und ihm im Gefängnis
Carmens Bild erscheinen ließ. Er steigert sich in das Geständnis
seiner Liebe, strahlend auf dem hohen B, dann schlicht und tief
gefühlt im pp und es endet dieses Wunderwerk im ppp mit zwei
Pizzicati in den Bässen wie tropfende Tränen. So nah werden sich
Carmen und Don José nie wieder sein.
In Nr. 20, dem Trio, legen sich Frasquita und Mercédès die Karten, ein Spaß, um sich die Zeit des
Wartens zu vertreiben und Ausdruck jugendlicher Neugier, was das
Leben so zu bieten hat. George Bizet findet dazu eine Musik, die so
moussierend leicht ist, dass man den wagner-müden Friedrich
Nietzsche versteht: 'Diese Musik schwitzt nicht.'
Für Frasquita, die Soubrette, angenehm zu singen und für einen hohen Mezzo eine
gute Gelegenheit, sich stimmlich und äußerlich als kommende
Trägerin der Titelrolle
zu empfehlen.
Carmen ersieht aus
ihren Karten den Tod, erst für sich, später für ihn, also für beide
das Ende.
In einer quälend chromatischen
Gesangslinie, unter die das Orchester im ppp geheimnisvoll hohle
Akkorde schiebt, gibt sich Carmen Rechenschaft über ihr
fatalistisches Weltbild, ihren unabänderlichen Gang in die Auflösung
ihres Seins. Hier wird deutlich, wie sehr diese Volksgruppe das
Kartenlegen ernst nimmt. Wie die Karten einmal gefallen sind, wird
sich das Schicksal erfüllen. Was
ist aus dem lebensfrohen Wesen geworden, als dass es sich in der
Habanera vorstellte? Und die patriarchale, körper- und
frauenfeindliche, kirchliche Welt verurteilt sie zum Tode wegen
Ehrlichkeit des Gefühls.
Harmonische Sauberkeit Frasquita und Mercédès, ein strahlendes hohes C von Frasquita sind die
Anforderungen dieser Musiknummer.
Michaëlas Arie, Nr. 22,
'Ich sprach, dass ich schuldlos mich fühle'
ist ein Erfolgsstück für einen lyrischen Sopran, beseelt,
weich vom Orchester begleitet, eine angenehme Gesangslinie mit dem Spitzenton H, ein Gebet zu Gott, dem Herrn am Schluss endend im ätherischen ppp, die Schilderung eines musterhaften
Mädchens.
Mit
'Doch täusch ich mich nicht'
wird sie versteckt Zeugin des brutalen
Zweikampfs zweier männlicher Tiere, stimmlich für Don José und Escamillo ausgereizt, ein Messerkampf in mehreren
Gängen, bis Escamillos Messer bricht und Carmen Don José festhält.
In die in Don José aufsteigende Wut, 'seine' Carmen ganz
offensichtlich und endlich an Escamillo zu verlieren, mahnt Michaëla an die
geöffneten Arme der Mutter, und Carmen meint lapidar:
'Ja, besser ist's du gehst!'
Diese ihre Worte verursachen bei Don José einen
Schock:
Soll auf ewig dich meiden? Damit du, verratend meine
Liebe, dem andern dich kannst weihn?
Don José will mit
'Du bist mein Tochter der Hölle'
Carmens Schicksal mit seinem
verbinden, koste es auch sein Leben.
Als letztes Druckmittel, ihn zum Mitkommen zu bewegen, berichtet
Michaëla ihm, dass seine Muter im Sterben liege. Sie singt es leise,
beschwörend, dann folgt bei ihr ein aufwärts
strebende Linie, aber senza rigore, wie es ihrem
Charakter entspricht. Bei 'Animez un peu' bricht die Verzweiflung
aus Don José heraus, die er in einer weit gespannten Melodie singt. Mit dem
'O Schmerzensgewalt'
kommen Angst und
Verzweiflung zum Ausdruck. Zu Carmen gewandt:
'Sei zufrieden, ich geh', doch wir sehen uns
bald!'
In der Ferne singt Escamillo die Reprise seines herausfordernden
Couplets
'Auf in den Kampf, Torero.'
Carmen will ihm nacheilen, aber Don José versperrt ihr den Weg.
Wie viel Zeit zwischen dem dritten und vierten Akt vergangen ist,
kann nicht ohne Weiteres erkannt werden. Offensichtlich stellt Don
José Carmen immer wieder nach. So rät
Frasquita im vierten Akt:
'Carmen, darf ich dir raten? Geh fort und
bleib nicht da!'
und Mercédès:
'Don José. In der Menge dort lauernd verbirgt
er sich.'
Flöten- und Fagottlinien ziehen sich aus
Höhe und Tiefe zusammen, eine Erinnerung an das Terzett Nr. 21 ist
in kleinen Splittern zu hören, die Frauen verabschieden sich, dann
stellt sich Carmen der Auseinandersetzung mit Don José. Ohne einen
Kommentar im Orchester beginnt das Rezitativ Nr. 27:
'Du bist's?' 'Ich bin's!'
Ein melodischer, wenn auch synkopisch-stockender Fluss, mit dem Höhepunkt von Don José:
'laisse moi
te sauver, toi, que j'adore.' und für alle die lieber den
deutschen Text gehört hätten:
'Carmen, nur ein Wort noch höre! Ach, zu mir
wiederkehre! Ich reiße ja aus diesem Abgrund dich und deine Ehre, o
folge mir ich rette dich, ja rette dich und mich.'
Bei 'un peu animé' sagt Carmen, dass sie weiß, dass er sie töten
wird und schließlich ganz ruhig, dass sie ihn nicht mehr liebt.
Über erregte Triolen im Orchester bittet und bettelt er sie an, zu
ihm zurückzukommen - in Erinnerung an vergangene Wonnen, die er sich
erseht hatte und wohl auch bekam.
Aber Carmen erwidert:
'Wozu die Worte noch? Sie klingen hohl und
leer!'
Sie ist frei geboren
'Es weichet Carmen keinem Gebot, frei will
ich sein, ja frei selbst noch im Tod.'
Als sie ihm das bürgerliche Bindungssymbol, den von ihm geschenkten
Ring, vor die Füße wirft, sticht
er zu. |
|
|
Besetzung 03.02.05 -
Theater Regensburg |
Don José |
José
Azocar |
Escamillo |
Adam Kruzel |
Remendade |
Brent
L. Damkier |
Dancaïre |
Karsten Münster |
Zuniga |
Martin-Jan Nijhof |
Moralès |
Jin-Ho Yoo |
Carmen |
Carmela Calvano Forte |
Micaëla |
Katharina E. Leitgeb |
Frasquita |
Ilonka Vöckel |
Mercédès |
Astrid M. Hofer |
Lillas Pastia |
Wolfgang Binder |
|
|
|
|
|
'Die Schwarzen' am 03.02.05
in Regensburg |
Musikalische Leitung |
Georgios Vranos |
Inszenierung |
Françoise Terrone,
Philippe Godefroid |
Bühnenbild |
Philippe Godefroid |
Kostüme |
Françoise
Terrone
|
Licht |
Hubert
Goertz |
Dramaturgie |
Christina
Schmidt |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Werbung |
|
|
Werbung |
|
|
Werbung |
|
Werbung |
|
Werbung |
|
Werbung |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
|
|
|
|
|
|
|