Das Land
der Bayern gedenkt der Heiligen der römisch-katholischen Kirche und
am Tag drauf der Seelen der Verstorbenen.
Der Freistaat hat alle Halloween-Veranstaltungen untersagt und
das Theater Regensburg disponiert für den 1. November das
Lustspiel 'Der zerbrochne Krug' von Heinrich von Kleist.
Die Reaktion auf dieses Unterfangen zeigte sich in der
Akzeptanz: das Velodrom als einer vielen Spielstätten des
Theaters Regensburg war nur spärlich besetzt, ca. 300 Zuschauer.
Interessant ist, immer wieder einmal nach der Premiere
Damals_in_Regensburg_-_Kritik_Der_zerbrochne_Krug_30.9.2005
sich eine
Repertoirevorstellung anzusehen, um die Entwicklung einer
Produktion aufzunehmen und Ohren- bzw. Augenzeuge zu werden, wie
z.B. der zehnte Auftritt verkichert wird und die Darsteller an
sich halten müssen, um nicht vor Lachen rauszuplatzen.
Oberspielleiter Michael Bleiziffer inszenierte das Meisterwerk.
Nahm er Anstoß an einer Vielzahl der Texte oder schien ihm das
Werk schon in der Fassung ohne den Anhang als zu lang?
Wie auch immer, er präsentiert den 'Krug' in einer textlich
reduzierten Form. Wurde noch in der Einführungsmatinee der große
Wert der Kleist'schen Dichtung hervorgehoben, so zeigt nun die
Inszenesetzung nur noch einen Torso.
Dafür gleich am Beginn 'stumme-Jule-Akrobatik-Aktionen', wie das
aus dem Bett fallen des Dorfrichters - das Publikum freut's.
Wieder einmal wird eine Taschenlampe bemüht und Reclams
Universalbibliothek, die Striche wenigstens im Groben
festzuhalten.
Ohne hier auf alle Textveränderungen einzugehen, fragt sich der
Chronist, was wohl der Grund für den dramaturgischen oder
konzeptionellen Ansatz war:
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- den Auftritt
des Bedienten mit der Botschaft des Herannahens
von Inspektor Gerichtsrat Walter zu streichen?
Den Text bekommen die Mägde.
- warum wird in Regensburg der Ort, phonetisch dargestellt:
statt
'Heusum' hier nun als 'Hüsum' gesprochen, sicher hat der
Herr
Oberspielleiter einen Grund dafür, jedoch das Programmheft
verschweigt das Warum.
- die Textpassagen - zum Beispiel und z.T. nur mit den
Anfangs-
texten aufgeführt - zu streichen.
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Ein Bauer
sah zur Fahrt
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Nehmt euch
in Acht
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Er ist im Wirtshaus noch
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Ist er schon unterwegs
etwa?
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Der Teufel soll mich holen
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Es ist dem Herrn
Gerichtsrat (bis) He! Liese
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Klärt die Justiz in Huisum
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Wieviele Kassen habt ihr
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Kann jemand anders
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Dank', Ihr hört's
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Ihr krugzertrümmerndes
Gesindel
(geht völlig im Getümmel der Szene unter)
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Meint Er, dass die Justiz
ein Töpfer ist
(bis) Sie flicken!
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Heut ist Verlobung,
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Der Richter ist ein
Handwerksmann
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Was sagt er? - was befehlen
euer Gnaden?
(bis) Und Ihr, Herr Schreiber, führt das
Protokoll.
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Da muss submiss ich um
Verzeihung bitten!
(bis) es sei. Ihr fangt von vorn die Sache an.
Die Beschreibung der Rechtsprechung in Huisum ist somit
weggefallen.
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Dort wischten seine beiden
Muhmen sich
(bis) Doch was er jetzo sieht, das weiß
ich nicht.
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Aufs Rad will ich ihn
sehen, oder mich
Nicht mehr geduldig auf den Rücken legen:
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Ei, Leutchen!
(bis)
Parteien so zweideutge Lehren geben.
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Wohin auch
(bis)
Tut Eure Schuldigkeit , sag ich, zum Henker!
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Da ich jetzt aufersteh,
(bis) Sie soll schweigen!
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Dass sie, Herr Richter
(bis) zu tilgen
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Mein Seel, Herr Richter
Adam
(bis) mit ihm fortzukommen.
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Wenn ich gleich was
Erkleckliches nicht aufbring
(bis) kommt Zeit, kommt
Rat kannst hängen.
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Hättet Ihr ein Weib
(bis) Mit an dem Ofenwinkel aufgesetzt.
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Sollt ich auch dem Manne
wohl
(bis) noch nicht erschienen.
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Nun, Evchen, höre
(bis)
mag's den Tod dran fressen.
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Ich weiß nicht, war's der
linke
(bis) dass wir nachher Gelegenheit - |
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Seht, wie der Richter Adam
(bis) den Rücken peitscht! |
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Striche
können den Ablauf einer Produktion beschleunigen, dem Stück aber
auch einen anderen Sinn geben.
Ab Zeile 435 ist das Gespräch Marthe - Ruprecht gekürzt, worin
er darauf eingeht, dass:
Die Hochzeit ist es, die ein Loch bekommen, -
Es ist ja nicht nur der Krug, der zu Bruch ging, sondern für
Frau Marthe die Aussicht, einen Korporal als Schwiegersohn zu
bekommen. Und wenn dies schon nicht gelingen kann, soll
Eve wenigstens unbeschadet in die Ehe mit dem 'Flaps' Ruprecht
gehen.
Weggefallen sind auch die Texte in Bezug auf das kranke Perlhuhn
- von Eve für den Dorfrichter mit dem Nudelklos zu retten - das
Bindeglied also zwischen Frau Marthe's Tochter und dem
Dorfrichter.
So steigt Adam ganz einfach nur der Eve nach, ohne über den
Vorwand des kranken Huhns ungenierter zu ihr in Kontakt treten
zu können.
Nun aber gerade die Textpassage:
Dort wischten seine beiden Muhmen sich
(bis)
Doch was er jetzo sieht, das weiß ich
nicht.
zu streichen, bedeutet Kleist's 'Krug' zu einem Torso zu
verstümmeln.
Immerhin ist hier wenigstens die
Hälfte der Krugerzählung - eine nach den Regeln der klassischen
Rhetorik strukturierte Gerichtsrede - als wäre die des Marc Anton in Shakespeare's 'Julius Caesar' und die des Grafen Telramund in
Wagner's 'Lohengrin' gestrichen.
Man frage doch die Gattin des hoch erfahrenen Theaterdirektors
Ernö Weil, Frau Kammersängerin Mechthild Gessendorf, was sie
wohl gesagt hätte, wäre man mit dem Rotstift an die Ballade der
Senta oder den Monolog der Marschallin oder die Nilarie der
'Aida' gegangen. Im letzteren Falle wäre wohl bei geschickter
Auslassung durch Dramaturgie oder Dirigent das schwere hohe C im
Piano am Ende der Arie entfallen. |