Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 


Damals in Regensburg

11.11.2005

 
Theater Regensburg

 

'Hängt ihn auf!'

 

'Die Kleinstädter'

Paul Eisner
nach August von Kotzebue
Musik von Theodor Veidl
 

   

Am Nachmittag des 23. Mai 1819 begehrte in Mannheim ein junger Mann Einlass in das Haus des Staatsmannes und Dichters August von Kotzebue.
Es werden ein paar freundliche Worte zwischen dem Hausherrn und dem Theologie-Studenten, der sich als ein Herr Heinrichs aus Mitau in Kurland vorstellt, in Wirklichkeit der Theologiestudent Karl
Ludwig Sand - geboren in Wunsiedel, in Hof und - bezeichnenderweise in Regensburg - zur Schule gegangen - gewechselt.

 
  Karl Ludwig Sand

geboren am 5. 10.1795
in Wunsiedel;
hingerichtet am 20. 5. 1820
in Mannheim

Plötzlich zieht der Besucher einen Dolch aus seinem Ärmel und sticht mit dem Ausruf: "Du Verräter des Vaterlandes" dreimal zu.
Die Verletzungen Kotzebues sind tödlich.
Karl Ludwig Sand hatte einen der erfolgreichsten Dichter der Trivialliteratur des 19. Jahrhunderts ermordet.



 

Da es ihm nicht gelingt, das Haus Kotzebues zu verlassen, versucht der Mörder durch Stichverletzungen sich das Leben zu nehmen.
Bei sich führte er seine Schrift: 'Todesstoß dem August von Kotzebue'.
Er wird verhaftet und auf einer Krankenstation die Wunden bis zur Heilung versorgt. Am 3. April 1819 beginnt der Prozess, der am 5. Mai 1820 mit dem Todesurteil endet. Am 20. Mai 1820 wird Karl Ludwig Sand durch das Schwert hingerichtet. Sein Grab befindet sich in der Nähe seines Opfers auf einem Mannheimer Friedhof.
 

Der Prozess und die Vollstreckung des Urteils lösen eine unerwartete Anteilnahme aus. Augenzeugen aus dem Publikum erklimmen die Richtstätte, tauchen Tücher in das Blut des Delinquenten, schneiden seine Haare ab und nehmen sie als Reliquie mit.
Bereits im Jahr der Hinrichtung erschien eine Biographie, weitere Veröffentlichungen folgten. In Bibliotheken wie in der Uni Erlangen-Nürnberg wird ein Teil des Nachlasses verwahrt. Im Reiss-Museum in Mannheim liegen einige Morabilien.
Eine Reihe von Publikationen bis in die Neuzeit von Puschkin, Dumas bis Strobl sind gewidmet und eine Persönlichkeit verschrieb sich dem Gedanken der Abschaffung des Feudalismus hin zur bürgerlichen Demokartie: Aurore Dupin Baronin Dudevant wählte ihr Pseudonym mit: 'George Sand' nach Karl Ludwig Sand, dem 'Mörder aus Vaterlandsliebe'.

Hintergrund für dieses Verhalten liegt im seit der Französischen Revolution aufgeflammten Selbstbewusstsein der Deutschen begründet. Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon I. traten die Bürger für Freiheit und Einheit Deutschlands in Überwindung der feudalen Zersplitterung der im 'Deutschen Bund' locker zusammengefassten 37 Länder und vier kreisfreien Städten ein.
Emotionale Unterstützung fand der Gedanke in den neu entstandenen Burschenschaften und deren Wartburgfest.
Aufzufangen suchten diese Bestrebungen die Herrschenden unter Metternich nach dem Wiener Kongress durch Restaurationspolitik.

Die von Gottes Gnaden eingesetzten deutschen Herrscher nahmen das Attentat auf August von Kotzebue - als glühendem Verfechter des Feudalstaates - zum Anlass, die Freiheiten der Bürger weiter zu beschränken. Die Karlsbader Beschlüsse vom August 1819 leiteten die Demagogenverfolgung ein, unter denen die gerade gegründeten Burschenschaften, aber auch Einzelpersonen wie 'Turnvater Jahn' zu leiden hatten.
Die Pressezensur - eigentlich in der Schlussakte des Wiener Kongresses von 1815 festgelegt - wurde verstärkt durchgeführt, Universitäten kontrolliert und missliebige Lehrkräfte ihrer Aufgaben enthoben. So z.B. die Entlassung des liberalen Berliner Theologieprofessors Wilhelm de Wette, weil dieser einen Trostbrief an Sand's Mutter schrieb.

Während Ältere sich in die Gegebenheiten fanden und das Attentat auf Kotzebue ablehnten, empfanden die Jüngeren es als notwendig, wie auch Sand selber den politischen Mord als Mittel zur Veränderung akzeptierte und selber anwandte. So wurde er zum Märtyrer als Blutzeuge und Symbolfigur ihres Strebens nach Freiheit und nationaler Einheit.

In seinem Prozess gibt Sand keinerlei Informationen zu Karl Follen, dem Schwager des Darmstädter Pharmazeuten Christian Merck.
Follen, Jurastudent, will 1814 gegen Napoleon in den Kampf ziehen, wozu es aber nicht mehr kommt, wird der geistigen Urheberschaft des Anschlags auf Kotzebue bezichtigt, Sand jedoch nimmt den Gedanken des Anschlags für sich allein in Anspruch.
Follen war aktiv in Studentenschaften, lebte die freudige Opferbereitschaft, die zum "Tyrannenmord" aufrief und geriet verständlicherweise dadurch stark in die Kritik der Obrigkeit. Die Berufung zum Professor in Gießen wurde ihm verweigert, er geht nach Weimar und lehrt dort Komparatistik.
Die Lehrberechtigung wird ihm entzogen, er flieht zuerst nach Frankreich - die Ermordung des Fürsten Berry führt zur Ausweisung von Ausländern - in die Schweiz und weiter nach Amerika, dort lehrt er in Harvard deutsche Sprache und deutsche Literatur, kämpft für die Befreiung von Sklaven, gründet eine unitarisch-theologische Fakultät in Boston. Auf dem Weg zur Einweihung einer Kirche kommt er 1840 bei einem Schiffsunglück auf dem Erie-See ums Leben.

1830 - etwa 10 Jahre nach dem Attentat auf Kotzebue - beteiligt sich Richard Wagner an Studentenaufständen in Leipzig.
 


"Wie groß war daher meine Überraschung, als ich eines Tages durch die politischen Vorgänge der Gegenwart, gleichsam unmittelbar zum Miterleben des soeben wie aus weiter Ferne aus meinen Korrekturbogen an mich herangetretenen Staaten-Schicksals gebracht werden sollte. Die Extra-Blätter der Leipziger Zeitung brachten die Nachricht der Pariser Juli-Revolution. Der König von Frankreich war vom Throne gestoßen; Lafayette, der soeben wie ein geschichtliches Märchen durch meine Imagination gezogen war, ritt unter dem Jubel des Volkes wieder durch die Straßen von Paris; die Schweizergarden waren in den Tuilerien nochmals niedergemacht worden; ein neuer König wußte sich nicht anders dem Volke zu empfehlen, als daß er sich selbst für die Republik ausgeben ließ. Mit Bewußtsein plötzlich in einer Zeit zu leben, in welcher solche Dinge vorfielen, mußte natürlich auf den siebzehnjährigen Jüngling von außerordentlichem Eindruck sein. Die geschichtliche Welt begann für mich von diesem Tage an; und natürlich nahm ich volle Partei für die Revolution, die sich mir nun unter der Form eines mutigen und siegreichen Volkskampfes, frei von allen den Flecken der schrecklichen Auswüchse der ersten französischen Revolution, darstellte. Da revolutionäre Erschütterungen bald ganz Europa in mehr oder minder starken Schauern heimsuchten, und auch hier und da deutsche Länder von ihnen berührt wurden, blieb ich längere Zeit in fieberhafter Spannung und wurde zum ersten Male auf die Gründe jener Bewegungen aufmerksam, die mir als Kämpfe zwischen dem Alten, Überlebten und dem Neuen, Hoffnungsvollen der Menschheit erschienen. Auch Sachsen blieb nicht unberührt; in Dresden kam es ja zu einem wirklichen Straßenkampfe, der zu einer unmittelbaren politischen Veränderung durch die Einsetzung der Mitregentschaft des nachherigen Königs Friedrich und zur Gewährung einer konstitutionellen Verfassung führte. [...]
Dieses Staatsleben hatte nun in Leipzig keine andre Bedeutung als die eines Antagonismus der Studenten mit der Polizei; die Polizei war das Urverhaßte, an welchem sich der Freiheitssinn der Jugend übte. Bei irgendeinem Straßenexzeß war es zu Verhaftungen einiger Studenten gekommen: diese sollten befreit werden. Die akademische Jugend, unter welcher es bereits seit einigen Tagen unruhig herging, versammelte sich eines Abends auf dem Markte; die Landsmannschaften traten zusammen und schlossen einen Kreis um ihre Senioren, wobei eine gewisse kommentmäßige Feierlichkeit herrschte, die mir außerordentlich imponierte: man sang das »Gaudeamus igitur«, bildete sich in Kolonnen und zog nun, verstärkt durch alles Junge, was es mit den Studenten hielt, ernst und entschlossen vom Markte aus nach dem Universitätsgebäude, um dort die Karzer zu sprengen und die verhafteten Studenten zu befreien. Mir klopfte das Herz in unglaublicher Erregtheit, als ich zu dieser Bastilleerstürmung mitmarschierte.

(Richard Wagner - Mein Leben - Seite 46-47)

 


Sein Einsatz im Vormärz, auf den Semper'schen Barrikaden in Dresden, der dann zur Flucht nach Zürich führte, ist hinlänglich bekannt.
Letztlich kam das Deutsche Herrschertum erst 1918 zu Fall und erst nach dem 2. Weltkrieg begann sich die Demokratie in Deutschland zu etablieren.

  August von Kotzebue
geboren am 3.5.1761 in Weimar;
ermordet am 23.3.1819 in Mannheim.
 
 

August von Kotzebue
Nach seinem Jura-Studium in Weimar ging er als 20-Jähriger auf Vermittlung des preußischen Botschafters am russischen Hof nach St. Petersburg als Sekretär des Generalgouverneurs. 1785 wurde er bereits Präsident des Magistrats der Provinz Estland.
Seine literarische Tätigkeit begann mit der Fertigstellung des Romans 'Die Leiden der Ortenbergischen Familie' und 'Die Geschichte meines Vaters' sowie die Dramen 'Adelheid von Wulfingen', 'Menschenhass und Reue', 'Die Indianer in England'. Sehr bald widmete er sich satirischen Ausführungen z.B. durch die zynische Satire
'Doktor Bahrdt mit der eisernen Stirn'. Bis 1796 veröffentlichte er mehr als 20 Dramen, 1798 wurde er Direktor am Hoftheater in Wien, legte das Amt aber bald schon nieder, da er sich mit den Schauspielern überwarf. Auch als er darauf nach Weimar zurückkehrte blieb ihm die Anerkennung verwehrt, zumal er sich mit Goethe überwarf und die romantische Schule angriff. 1817 wurde er russischer Generalgouverneur in Deutschland. In seinem Weimarer Literarischen Wochenblatt griff er die deutschen Universitäten, die Burschenschaften und Turnerbünde als Brutstätten der Revolution an. Auf dem Wartburgfest wurden als Reaktion der Studenten seine Geschichte des Deutschen Reichs verbrannt.
Sein Eintreten für die überkommene Staatsordnung machte ihn den Studenten suspekt. So erwog Karl Ludwig Sand schon 1818 den Diplomaten in russischem Dienst, Literaten und Dramatiker August von Kotzebue als 'Landesverräter' und 'Volksverführer', der inzwischen nach Mannheim umgezogen war, zu ermorden.
Auf dem Wege zu Kotzebue trug sich Sand auf der Wartburg ins Gästebuch mit dem Körner-Zitat: "Drück dir den Speer ins treue Herz hinein! Der Freiheit eine Gasse!"
87 von Kotzebues 220 Schauspielen wurden allein von Goethe inszeniert und in 600 Aufführungen dem Publikum präsentiert. Er gilt als Begründer der dramatischen Trivialliteratur - sämtliche dramatischen Werke erschienen nach seinem Tode in 44 Bänden. Im gesamten europäischen Raum wurden seine Werke gespielt, da er es verstand, Stoffe zu wählen und auszuformulieren, die dem damaligen Publikumsgeschmack entsprachen und damit in Konkurrenz zu seinem Zeitgenossen Iffland standen.

Kotzebue benutzte für seine 'deutschen Kleinstädter' die Komödie ‘La petite ville’
des französischen Theaterdichters Louis Benoît Picard (1769 - 1828), die er 1802 in Weimar aufzuführen gedachte. Da sein Verhältnis zu Goethe nicht das beste war und das Stück die Titelsüchtigkeit von Kleinstädtern z.B. in Weimar kritisierte, geriet das Werk erst einmal in die Kritik. Kotzebue hielt mit einem Zeitungsartikel ‘Über den Zwist welcher durch das Lustspiel Die deutschen Kleinstädter zwischen Herrn von Goethe und Herrn von Kotzebue entstanden ist’ dagegen - trotz allem wurden ‘Die deutschen Kleinstädter’ dann doch noch 1802, aber in Wien und nicht in Deutschland, uraufgeführt. 1803 folgte dann Weimar.

Nur Kotzebue's 'Die deutschen Kleinstädter' erfreuen sich heute noch einer gewissen Beliebtheit, da sie humorig die Zeit des Biedermeier mit der typischen kleinstädtischen Titel-Effekthascherei dokumentieren. Abgesehen von Österreich, wo noch heute Titel wichtig im täglichen Umgang sind, pflegt man auch anderenorts noch gewisse Herrschaften mit: Herr Bürgermeister oder - gibt es einen solchen - natürlich 'Herr  O b e r  - bürgermeister' sagt oder einen Theaterdirektor auch mit 'Herr Intendant' tituliert. Dies hat seinen Vorteil, wenn die Besetzung der Posten sich ändert und der Familienname des Titelträgers nicht immer gleich präsent ist. Man immerhin den Titel Desjenigen zur Hand hat.

Dass Kleinstädter nicht unbedingt auf diese Gewohnheiten hingewiesen werden möchten, zeigt Wolfgang Götz in seinem Buch über Werner Krauß:

"[...] Im nächsten Jahre, 1917, geht es wieder über die Grenzen: Stockholm und Göteborg sind die ersten Ziele. Zu den Kleinstädtern gesellt sich Stridbergs Gespenstersonate. Zum ersten Male messen sich Wegener und Krauß in diesem Nachtstück.
Sowohl im Winter wie im Sommer wird in Zürich gespielt. Aber es geht auch nach Bern, Basel, Luzern und Schaffhausen, wo sich das Publikum durch Kotzebues Philisterkomödie beleidigt fühlt. [...]"

  Theodor Veidl
geboren am
28. Februar 1885
zu Tode gekommen 1946
in Theresienstadt. 
 


Theodor Veidl

studierte Germanistik und Musikwissenschaft, promovierte über das Thema Liszt’s Einfluss auf Wagner, war Korrepetitor an der Volksoper Wien und ging dann nach Prag als Lehrer an der Akademie für Musik und darstellende Kunst. Dort verfasste er mehrfach musikwissenschaftliche Aufsätze für die Zeitschrift 'Der Auftakt'. 1929 erhielt er den tschechischen Staatspreis für seine Oper ‘Kranwitt’ und 1935 wurden 'Die Kleinstädter' in Prag unter der musikalischen Leitung von George Szell uraufgeführt. 1936 führte Dortmund die Oper auf, 1938 brachte Breslau die Oper heraus.

1936 schon wurde Theodor Veidl Professor an der Universität in Prag. Im gleichen Jahr zeigte Dortmund die Oper. Der Librettist durfte nicht genannt werden, da er tschechischer Jude war. Das Textbuch wurde so der Frau Veidl's zugeschrieben. Erst die Entdeckung des Briefwechsels Veidl's mit Paul Eisner während der Vorbereitung für das Prager-Programmheft brachte die Wahrheit an den Tag, dass letzterer der Verfasser der Kleinstädter-Texte nach Kotzebue war.

Das Attentat auf Heydrich veränderte die politische Situation im Protektorat Böhmen und die Karriere von Veidl reduzierte sich, zumal er auch Mitglied einer Freimaurerloge war, durch Entzug der Lehraufträge.

Veidl wurde am Ende des Krieges im Rahmen der Revanche von den Tschechen interniert und starb im Konzentrationslager Theresienstadt. In diesem Lager lebte auch Viktor Ullmann, bevor dieser nach Auschwitz verlegt und dort umgebracht wurde.


Die Regensburger Kleinstädter

Schon im Jahr 2003 begannen die Überlegungen seitens des Komponisten Widmar Hader vom Sudetendeutschen Institut der Regierung der Oberpfalz - er nahm damals Kontakte zum Theater Regensburg auf, die Oper 'Die Kleinstädter' - vertreten durch den Verlag Bärenreiter in Prag - wieder einer Aufführungen zuzuführen. Da nur ein Klavierauszug zur Verfügung stand, musste das Werk für ein Orchester rekonstruiert und somit neu instrumentiert werden. Der Verlag Bärenreiter in Prag verhielt sich zunächst sehr abwartend, einer Produktion zuzustimmen.

Das Nationaltheater Prag war 2004 nach einem Besuch in Regensburg signalisierte Interesse an einer Co-Produktion, wobei das hiesige Theater die Inszenesetzung übernehmen sollte, in einem Rahmen, bei dem das Nationaltheater Prag ein Tryptychon erarbeiten und Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert vorstellt, die im Rahmen oder in Folge des 2. Weltkrieges umgekommen sind. Hierzu gehören eine Produktion 'Ilses Herz' von Rudolf Karel, die bereits in der Spielzeit 2003/2004 als konzertante Aufführung herauskam, als zweites kommen jetzt die ‘Kleinstädter’ hinzu. In einer der nächsten Spielzeiten wird von Viktor Ullmann - dem in Auschwitz umgekommenen Komponisten - die Oper 'Der Sturz des Antichrist' in Prag aufgeführt.

Regensburg studierte Chor, Orchester und Solisten ein. Die Reise nach Prag werden dann nur die Solisten für eine Vorstellung antreten, da aus rein Logistik- und aus Kostengründen das übrige Personal innerhalb dieser Produktion nicht auf Reisen geschickt werden kann.
Bühnenbild und Kostüme erstellte das Nationaltheater Prag - Daniel Dvorak selber übernahm die Aufgabe der Ausstattung, wie auch die Anfertigung, da Regensburg hier völlig überfordert wäre, neben den laufenden und vorzubereitenden Produktionen, auch noch ein solches Werk übernehmen zu können.

Maß- und passgenau kamen die Bühnenbilder und Kostüme nach Regensburg, nur wenige Abnäher waren bei den Kostümen für 24 Damen/Herren des Chores, 6 Statisten, rund 10 Solisten noch durchzuführen.

Nach den drei Regensburger Vorstellungen geht die Bühnenausstattung einschließlich des Notenmaterials nach Prag. Das Orchester wird vorstudiert, der Chor erhält bereits einen Satz des doppelt vorhandenen Notenmaterials, wird vom Regensburger Theaterdirektor Ernö Weil szenisch eingewiesen, so dass Raoul Grüneis in Prag die Endproben am 17./18.1. vor der Aufführung am 19.1. übernehmen kann.

Die Finanzierung wurde ermöglicht vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfond, Kulturfond Bayern und durch Umschichtungen im Budget des Theaters Regensburg.

Die Forschungen des Sudetendeutschen Instituts in Regensburg erstreckten sich in Bezug auf Theodor Veidl auf die verschiedensten Archive.

Andreas Willscher, der nun den dritten Akt der ‘Kleinstädter’ instrumentierte, fand heraus und meldete, dass in der Wiener Universitätsbibliothek ein Klavierauszug von Veidl’s Oper stünde, in welchem als Verlag UE angegeben sei. Die Universal Edition wollte seinerzeit das Werk veröffentlichen, widmete sich aber nur dem Klavierauszug, gab das übrige Material nach Leipzig, wo es im Krieg verloren ging.

Willscher bearbeitete zwei Szenen und die Ouvertüre, die dann in Marienbad aufgeführt wurden. Dabei wurde klar, dass es sich um ein reizvolles Werk handelt.

'Variationen über das Pfingstlied' von Veidl wurde aufgenommen, diese CD geriet in die Hände einer tschechischen Filmgesellschaft, die beschloss, einen Dokumentarfilm über Theodor Veidl zu produzieren, der auch in Nationaltheater in Prag gezeigt wurde, was wiederum die Dortigen bewog, für Theodor Veidl schon aus humanitären Gründen etwas zu tun. Dessen Oper 'Kranwitt' wurde als erstes Werk herausgestellt, nun folgen die Kleinstädter zunächst in Regensburg, dann in Prag.

Veidl’s Komposition lebt von einer Kollage, er benutzt Themen anderer Komponisten und baut sie in seine Arbeit ein. es gibt immer wieder Überraschungen, wenn ganze Zitate bei Veidl auftauchen.

Der Komponist William Walton arbeitete in seiner Oper ‘Der Bär’ noch deutlicher als Veidl, als dieser ganze Motivkomplexe übernimmt, die für das Publikum deutlich erkennbar aus seiner eignen Arbeit herausragten.

Nach Meinung des Regensburger Theaterdirektors Ernö Weil macht das Stück ‘Die Kleinstädter’ so viel Spaß, weil Veidl so viel gute musikalische Zitate verwendet und diejenigen im Publikum besonders erfreut sein werden, die etwas vom Musiktheater kennen und es lieben. Er - der Regensburger Theaterdirektor Ernö Weil - gehöre zwar nicht zu den Optimisten, aber er meine, 'Die Kleinstädter' sollten ins Theater-Repertoire aufgenommen werden.
Anfänglich seien alle, Theaterleitung, Orchester und Ensemble sehr skeptisch dem Stück gegenüber gewesen, aber die Lust breite sich nun immer mehr aus, so dass auch das Orchester - zumindest in Teilen - bedauert, dass dieses Werk nur dreimal gegeben werde - also, wozu die viele Arbeit wenn das Ganze nur viermal gegeben werde.

Die Figuren der Handlung seien nach Regensburgs Theaterdirektor Ernö Weil überzeichnete Typen, die sich so unendlich ernst nehmen und dieser Ernst müsse von den Darstellern bedient werden. Hinzu komme, dass Kleinstädter nichts hinzulernen oder sich weiterentwickeln, sie sind und bleiben die Typen, die sie waren.

Musikalisch fallen - nach den Ausführungen des Regensburger GMD's Raoul Grüneins - Theodor Veidl's 'Die Kleinstädter' aus üblichem Schema, sind in einer besonderen Welt angesiedelt. Tschechische Komponisten am Anfang des 20. Jahrhunderts wie Josef Suk - der Schwiegersohn von Anton Dvorak und bekannter Violinist - oder Zdenek Fiebich, dessen drei Symphonien außerhalb Tschechiens kaum gespielt werden oder Pavel Haas - Schüler von Janácek - Komponisten eine musikalische Richtung vertretend, die nach Dvorak einsetzt und überall im slawischen Raum dann mit dem tschechischen Nationalismus und musikalischen Selbstwertgefühls erstarkte. Dvorak selber noch im Zwiespalt, seine Musik richtig einzuordnen. Nach ihm die Kompositionen z.B. die von Mahler, beeinflusst durch Wagner, Liszt, voll von spätromantischem Wust. Somit die Gegenüberstellung von Kunstmusik und Volklore. Janácek - als Zeitgenosse von Theodor Veidl - ging z.B. wieder von der Überinstrumentierung und komplizierten Harmonien,  'auf das Land', siedelte seine 'Jenufa' mit 'einfachen Mitteln' dort an, wo sie spielt, eben auch im Wirtshaus. Nachdem er lange verschwiegen wurde, erinnert sich die musikalische Welt seiner auf allen Bühnen, auch derer der Festspiele.

Ob 'Die Kleinstädter' von Theodor Veidl reanimiert werden können, werden die Premiere und die nachfolgenden Reprisen zeigen.
Problematisch erscheint die Dispo, denn ein zeitlicher Abstand zwischen den Vorstellungen von jeweils einer Woche sowie sechs Wochen bis zur vierten Vorstellung in Prag - diese unter anderen Bedingungen - belastet das Ensemble außerordentlich, zumal die musikalische Einstudierung wie auch die Choreographie der szenischen Abläufe ja wohl nur im Kurzzeitgedächtnis gespeichert ist, abgeliefert und gelöscht wird.
 


Theater Regensburg - 11.11.05 -
Premiere 'Die Kleinstädter

Die Schwarzen
   
Musikalische Leitung Raoul Grüneis
Inszenierung Ernö Weil
Bühne / Kostüme Daniel Dvorak
Chöre Karl Andreas Mehling
Kinderchor Mathias Schlier
Licht Klaus Herbert Welz
   
Die Personen und ihre Darsteller
   
Bürgermeister Staar Jóhann Smári Saevarsson
Frau Staar  Silvia Fichtl
Sabine Staar Ilonka Vöckel
Frau Brendel - 1. Muhme Katharina E. Leitgeb
Frau Morgenrot - 2. Muhme  Astrid M. Hofer
Vetter Hinkel   Adam Kruzel
Sperling Brent L. Damkier
Olmers Jin-Ho Yoo
Klaus, Polizist und Ratsdiener Martin-Jan Nijhof
Magd Melanie Schneider
Nachtwächter Martin-Jan Nijhof
   

DH

   

 

to top


Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing