|
Eines steht fest, im Hause Rittmeister a.D. Theodor Graf
Waldner wird zu wenig Geld eingenommen und zu viel Geld
ausgegeben. Die Pension des ehemaligen Soldaten scheint nicht
so doll gewesen zu sein. Da Vater Theodor aber auch noch
Karten spielt, um Geld und außerdem wenigstens eine Tochter
immer wieder neu adjustiert werden wie auch standesgemäß
ausgeführt werden muss, kneift es finanziell hinten und vorne.
Immerhin ist noch eine Hotelunterkunft drin. Podest,
Koffer, abgehängte Bilder, Standspiegel, Arbeitstisch. Das
ist das Bleibe, ein Schrankkoffer ist schon oder noch halb
gepackt, wie soll es weitergehen?
Mutter Adelaide
Gräfin Waldner / Silvia Fichtl erinnert sich an ’Carmen’ und
den Text "wie gut das ist, die Karten zu fragen", lädt sich
Ruth Müller als 'Kartenaufschlägerin' ins Hotelzimmer und -
das Stück vom Ende des dritten Aktes aus betrachtet - die
Wahrsagerin hat recht, im wahrsten Sinne des Wortes. Alles was
sie weissagt, tritt dann ein. Sie erkennt auch, dass der
herumlaufende vorpubertäre Junge, der Zdenko (singt in
Sopranlage), in Wirklichkeit ein Mädchen, nämlich Ilonka
Vöckel, ist. Also nochmals, da wie in Carmen: "die Karten
lügen nicht."
Die verzweifelte Mutter Adelaide, trotzt
hier allen rhythmischen Schwierigkeiten und Richard Strauss
lässt sie in einem großen Ausbruch, die Mutter Gottes zu Hilfe
rufen, um durch die Verlobung ihrer schönen Tochter Arabella
die finanzielle Misere - wohl durch die Langeweile und das
tägliche Einerlei ausgelöste Spielsucht des Grafen - zu
beenden. Zu weitern Beratungen zieht sie sich mit der
Kartenlegerin zurück und Tochter Zdenka schaut sich verwirrt
die eingegangene Post an, es könnte sein, dass die Familie
Wien verlassen muss und
"dann seh ich ihn" (ein gis
über drei Takte), ihren Jägerburschen Matteo nie mehr, wo sie
ihn doch so liebt. Dieser Matteo aber liebt nicht sie,
Zdenka/Zdenko, sondern die Lyrische, nämlich Zdenkas Schwester
Arabella. Die wiederum wird von drei Grafen
angeschmachtet.
Da kommt Matteo / Kalle Koiso-Kanttila
nun und klagt seinem vermeintlichen Freund Zdenko, eben der
als Junge verkleideten Ilonka Vöckel, sein Liebesleid und das
gleich unter Verwendung von hohem a. Zdenka tröstet ihn und
verspricht, Arabella werde ihm wieder einen Brief schreiben
und ihre, Arabella’s, Liebe bestätigen.
Nur diese
angeblichen Briefe Arabellas schreibt Zdenka in Wirklichkeit
selber an Matteo, damit sie wenigstens in dessen Nähe bleiben
kann. So aufopfernd sorgt sie für Arabella und Matteo - sie
ist die Gebende, wie oft in einer Beziehung.
In
Erwartung dieser zukünftigen Schreiben Arabellas’s schraubt
sich Matteo jetzt schon in höchste Exaltation um g, gis, a und
endet auf dem hohen b. Danach kriecht es für ihn quälend
chromatisch in hoher Lage herum. Völlig verzweifelt wegen
dieser schweren Phrase und der Gesamtlage seiner Liebe zu
Arabella, stellt er seinen Selbstmord in Aussicht. Nun
verzweifelt auch Zdenka, was sich bei ihr in kläglichen
Halbtonschritten äußert.
Und dann? - Der große
Auftritt!
'Die Lyrische' - die Trägerin der Titelrolle,
die 'Arabella' - Katharina Leitgeb - 'weibt' herein, reicht
der mitgekommenen Chordame den Hut - man nimmt sie, um das
Geld für eine Statistin zu sparen - und raunzt gleich rum,
weil die rumstehenden Blumen nicht von dem sind, von dem sie
diese erwartet, schmeißt sie auf den Boden - "so gehst du
mit seinen Blumen um" kritisiert Zdenka - gut, es sind
Plastikblumen, aber man macht das einfach nicht. Aber die sind
eben nicht von einem fremden Reisenden, den sie morgens vom
Fenster aus gesehen hat. Zdenka bringt nochmals den Matteo ins
Gespräch, aber Arabella fertig sie ab mit einem "Er ist
der Richtige nicht für mich". Die folgende Passage, die bei
Strauss nicht im Klavierauszug steht:
„Er ist kein
ganzer Mann. Ich könnt mich halt vor ihm nicht fürchten.
Wer das nicht ist, der hat bei mir
verspielt."
Dazu kann der Kommentar nur lauten: ‘Die
Wollust des Leidens’ wie sie auch bei Cosima Wagner zu
beobachten war - hier wird diese von Arabella dokumentiert,
sie will sich unterordnen, selbstständig kann sie nicht leben,
sie braucht die Führung in Unterdrückung - ein Zeichen
der damaligen Zeit, die Situation der unselbstständig
gewollten Frau in seinerzeitiger Gesellschaft.
Arabella beginnt dann eine der musikalisch schönsten
Passagen des ganzen Werkes, wenn sie Zdenka klar macht:
"Aber der Richtige, wenns einen gibt für mich auf dieser
Welt ..." bei dieser schönen Linienführung muss auch Zdenka
einsteigen und ihre Meinung dazu sagen.
Das Duett,
bestehend aus Sopran-Terzenseligkeit, beinhaltet für Zdenka
ein hohes C und für Arabella ein hohes a und endet gemeinsam
auf dem f. Steigt hier die Lyrische später ein, kann sie den
Ton natürlich länger halten, dann tritt die Soubrette ihr vors
Scheinbein. Geht alles gemeinsam gut aus, ist das Publikum
glücklich, so sind auch Katarina Leitgeb und Ilonka Vöckel
glücklich und alles löst sich in für einen Moment in
'gegenseitigem Wohlgefallen' auf.
Aber Zdenka macht
Arabella wegen Matteo, dem einzigen, der sie wirklich liebe,
Vorhaltungen, hat aber keinen Erfolg und sie stürzt
davon.
Doch nun kommt Graf Elemer - ein Herr Robert
Hebenstreit, ein Draufgänger mit Stückvertrag - es ist einer
der Anbeter Arabella’s, um sie zur Schlittenfahrt abzuholen -
sie zögert, denkt an den Mann, den sie morgens mit einem
Leibhusar gesehen hat, der ihr aber keine Blumen
schickte.
Graf Elemer hat auch gleich ein hohes b zu
präsentieren und in unbequemer hoher Lage weiterzusingen, um
sich als der Richtige für Arabella vorzustellen und den
Querverweis zu ‘Meistersinger’ zu erbringen, dass Arabella
sich nämlich als ‘Preis’ eingesetzt habe.
Von Arabella
abgewiesen, geht Elemer ab, Zdenka tritt auf und
philosophiert:
"Die Männer sind’s allein, die
wählen dürfen, und wir, wir müssen warten, bis man uns
erwählt oder wir sind verloren."
So war die
Stellung der Frau im herzoglichen / fürstlichen / kaiserlichen
/ königlichen Europa im 19. Jahrhundert, zu sagen hatte sie
nichts und auch im 20. Jahrhundert hat es noch bis in die 60er
Jahre gedauert, bis die Frau den Mund aufmachen und über ihren
Bauch selbst bestimmen durfte.
Mutter Adelaide beendet
die Diskussion der beiden Töchter - sie habe mit ihrem Mann
Theodor Graf Waldner / Jóhann Smaári Saevarsson zu reden, der
gleich die Post durchgeht und seiner Frau eröffnet, dass er
seinem alten Regimentskameraden einen Brief geschickt habe,
mit dem Bild von Arabella, um diese möglichst gut zu
verhökern.
Natürlich denkt Mutter Adelaide sofort an
den Altersunterschied zwischen Arabella und dem ‘alten
Kameraden’, aber der Vater meint, es müsse mit der Hofmacherei
aufhören und ein Mann mit Geld ins Haus, damit Arabella
endlich unter die Haube komme und die Familie vor dem Ruin
gerettet werde.
Mutter Adelaide dagegen sieht den
Ausweg in der eigenen Familie - man könne doch der Tante
Jadwiga Haus und Hof führen und wäre damit außerhalb Wien’s
Intrigenpool erstmal aus der gesellschaftlichen Schusslinie.
Zdenka bliebe in Jungenkleidern und dann könne man sich in
Ruhe um die Verheiratung Arabellas kümmern. Vater Theodor
hat allerdings auch im Blick, möglichst schnell an den Wiener
Spieltisch zu seinen Spezln zurückzukehren - die letzte
Smaragdsbrosche wurde schon letzte Woche versetzt - nichts ist
mehr da und der Zimmerkellner - Thomas Brinkel - serviert auch
nur noch gegen Bares.
Ankommt eine Visitnkarte -
‘Mandryka’ steht drauf - der Regimentskamerad! Der tritt
allerdings nicht auf, sondern sein Neffe auch namens Mandryka,
Heldenbariton Adam Kruzel in den besten Jahren, der gerade vom
Überfall einer Bärin genesen ist und berichtet, er habe den
Brief an den Onkel geöffnet, er sei der letzte Mandryka und
wolle nun wissen, was es mit dem Frauenbild in dem Brief für
eine Bewandtnis habe.
Vater Theodor meint, er habe nur
dem alten Mandryka eine Freude machen wollen - er habe sich
bei der Anlage zum Schreiben nichts gedacht.
Aber er
hat nicht mit dem schlauen Bariton Mandryka gerechnet, denn
der ahnt natürlich, dass Vater Theodor die Arabella an den
Mann bringen will. Also fragt er, ob die noch frei sei und
zeigt in dieser Szene die ganze Üppigkeit einer
Heldenbariton-Stimme.
Vater Theodor - als Bass
allerdings auch in hoher Lage gefordert - erkennt die
Möglichkeiten des Schwiegersohns in spe und ist begeistert,
rechnet sich wohl größere Zuwendungen aus, freut sich auf die
Ländereien, die Mandryka eh schon besitzt, bejaht die Frage,
ob Arabella noch zu haben sei und als Mandryka ihm auch noch
die Geldtasche hinhält, er möge sich bedienen, ist die Sache
klar, Arabella wird an den begüterten Mandryka abgegeben.
"Teschek, bedien dich!" ist für Theodor Graf
Waldner nun das Losungswort.
Zdenka tritt wieder auf,
ist ganz entgeistert über das etwas wirre Verhalten von Vater
Theodor und hat sich gleich wieder mit Matteo
auseinanderzusetzen, der nach einem kurzen Wortwechsel auf
einem hohen a abgeht.
Arabella erscheint angezogen zur
Schlittenfahrt, kritisiert Zdenka, die noch nicht bereit ist
und nutzt die Zeit, bis die Schwester angezogen ist, Stühle
umzuwerfen, sich auf den Boden zu schmeißen und den
‘Elemer-Monolog’ zu singen, mit den lang gehaltenen
Zaubertönen der Lyrischen und ihrem über drei Takte gehaltenen
A² endet das erste Drittel des Abends.
2.
Akt
Der Fiakerball am Faschingsdienstag - die Technik
Regensburgs kommt voll zur Geltung, Hubpodien mit
angearbeiteten Wendeltreppen, sich drehende Bühne "doss si
woas draht" - fordert gleich beim Aufgehen des Vorhangs von
Mandryka stimmliches Engagement - ausruhen ist also nicht und
da er Arabella vorgestellt wird und ihr vis à vis gegenüber,
kann er nicht anders, als ihr ein "Sie sind schön
Arabella" auf dem Sofa direkt am Orchestergraben vor die
Füße zu legen. Die Elogen, die er ihr macht, fordern höchste
Töne und so bleibt ihm nichts, als den anstrengenden Vorgaben
des Komponisten zu folgen. Aber auch Arabella lässt sich nicht
lumpen und ihre Wiederholung, wenn denn der Richtige komme,
werde alles hell und offen sein wie ein lichter Fluss, auf dem
die Sonne blitzt, beeindruckt Mandryka.
Für ihn,
Mandryka, sei Arabella die Allerschönste und sie müsse dann
abends hinters Haus des Vaters gehen und ihm ein Glas Wasser
bringen, als Zeichen, dass er ihr Verlobter sei. Das ganze
Gespräch verläuft in einem volksliedhaften Zwiegesang in
seligen Sexten und Terzen.
Nach diesem Dialog wolle sie
nun tanzen gehen, den Abend ohne ihn genießen und Abschied
nehmen von der Mädchenzeit. Mandryka ist verständlicherweise
irritiert.
Das Fest gewinnt an Turbulenz, da die
Fiaker-Milli / Melanie Schneider ihr G’stanzl bis hinauf aufs
d³ - in diesem Falle einem Gebirgsgesang nachempfunden -
‘jodelt’. Eine formidable Leistung wird von Frau Schneider
hingelegt.
Mandryka, enthusiasmiert durch diesen
Gesang, lässt Blumen, Champagner auffahren, damit alle sich
freuen, wenn er sich freut. Das geht natürlich nur in für ihn
oberen Lagen.
Die Grafen Elemer, Domink
und Lamoral kommen, bitten Arabella um einen Tanz - Elemer
tonlich gleich wieder oben auf - wird aber wie die anderen mit
einem "auf Nimmerwiedersehen" seitens Arabella
abgewiesen, bevor diese die Szene verlässt.
Matteo hat sich auch unter die Festgäste gemischt,
erläutert Zdenka seine Liebesprobleme, nicht ohne sich in die
Höhe zu steigern, was immerhin den Erfolg hat, dass Zdenka die
Jammerei leid ist und ihm ein Couvert zusteckt und vorgibt,
drin sei der Schlüssel zu Arabellas Zimmer. Dies bemerkt
Mandryka aus sicherer Entfernung oben auf dem Hubpodium, ringt
die Hände, ist befremdet und stürzt sich in eine Mini-Amoure
mit der Fiakermilli vorne auf dem Sofa - na, na - das sieht
aber sehr deutlich aus. Vater Theodor Waldner wird
animiert, es ihm gleichzuztun
"sind Mädel da" - (was so
ähnlich schon in ‘FroSch’ heißt: "sind Mägde
da").
Mutter Adelaide versucht die Situation zu retten,
verteidigt Arabella, die schon heimgefahren sei, mit: "ein
Einfall, eine plötzliche Melancholie, eine Caprice, du kennst
ihr Naturell" - mit anderen Worten: sie zickt.
Man
bricht auf ins Hotel, um die Sache durch ein Gespräch vor und
hinter den Kulissen aufzuklären, Frau Schneider als
Fiaker-Milli lässt noch einmal halsbrecherische
Koloraturen erschallen, worüber der Vorhang
fällt.
3. Akt
In der Hotelhalle - gedrehte Bühne auf zwei Ebenen die
Spielflächen - trifft gerade Arabella ein und wird von Matteo
beobachtet, er spricht sie an, sie weiß nicht, was er will -
was wird er schon wollen - und sie vertröstet ihn auf den
nächsten Tag. Er lässt sich nicht abwimmeln, meint er doch vor
einer viertel Stunden etwas erlebt zu haben mit ihr, was ihr
allerdings nicht erinnerlich ist. Dies überrascht nun wieder
ihn und er äußert sich in der schwierig zu intonierenden
Passage wie folgt:
"So meisterhaft Comödie spielen,
nur um der Comödie willen Comödie spielen ohne
Publicum! das ist zu viel! das grenzt an böse
Hexenkünste!"
das "Das ist zu viel!",
stentato in oberer Mittellage und dann ein hohes a nach dem
anderen oder gar - immer schön gerade - ein hohes h auf dem
"geschworen", gehalten über fünf Takte. Man stelle sich
das vor und Herr Kanttila soll sich dann auch für den Ottavio
die Koloraturen erhalten. In Regensburg geht das alles. Nur
wie ? Ist das ein qualitätsvolles Angebot, wie die Stadt
Regensburg vorgibt, zu leisten ?
Kein Wunder, dass
diese Quälerei Choristen und Solisten gleichermaßen auf die
Szene ruft. Mutter Adelaide fragt besorgt nach dem Grund
für diese Zusammenkunft im Stiegenhaus und Mandryka klärt auf:
dieser da ist dieser Kerl mit dem Schlüssel in dem
Couvert, das der von dem anderen Typ bekommen hat.
Adelaide darf jetzt auch mal ein gis singen, war doch
der ganze Abend für sie sängerisch fad und dann auch noch in
dieser Mutter-Rolle.
Arabella streitet jeden Vorwurf
ab, sie habe sich von Matteo kompromittieren lassen und so
habe sie nichts zu sagen, dies erklärt sie gegenüber Vater
Theodor und fragt "ob ein Verrückter alle närrisch machen
könne - auf eins zwei" - womit sich Hofmannsthal selber aus
dem Rosenkavalier (3. Akt, fünf Takte nach Ziffer 224)
zitiert.
Die Diskussion auf der Treppe geht weiter,
Vorwürfe hin und her - Vater Theodor fordert: "Jetzt keine
Arien, wenn ich bitten darf" - als ahne er etwas. Aber zu
einer solchen sängerischen Ausdrucksweise kommt es nicht, doch
zu einem Geständnis, als nämlich plötzlich Zdenka im Nachthemd
oben auf dem Hubpodium erscheint und verkündet, sie müsse in
die Donau, noch bevor es Tag werde. Selbstmord sei ihre
einzige Rettung.
Verwirrung allenthalben, die sich auch
zeigt beim unbedarften Publikum bei der nun folgenden
Aufklärung der Situation. Matteo hat sich nämlich mit dem
Schlüssel, den er von Zdenka im Couvert in 2. Akt erhielt, in
ein Zimmer im selben Hotel begeben, hatte dort einen
‘one-hour-stand’ mit einer Dame, die er in der Dunkelheit
nicht erkennen konnte, die nur küsste unter Tränen, aber den
Mund nicht zum sprechen öffnete, meinte er aber doch, es sei
Arabella gewesen.
Dass Richard Strauss Tenöre nicht
leiden konnte und ihnen meist ‘bemerkenswerte’ Rollen gab:
z.B. Herodes, Ägysth, italienischer Sänger, Kaiser und auch
Elemer, gesteigert hier beim Matteo, der ihn eine Lyrische von
einer Soubrette nicht unterscheiden lässt, selbst wenn die den
Mund nicht aufmacht, genauer: dass Richard Strauss Herrn
Kanttila vorgibt, die Kollegin Leitgeb nicht von der Kollegin
Vöckel, während einer intimen Umhalsung und wohl auch mehr,
unterscheiden zu können, grenzt wirklich an
Perfidie.
Schon bei der Gestaltung der Rolle des
Komponisten im Vorspiel zu ‘Ariadne’ schrieb Richard Strauss
am 6. April 1916 an Hugo von Hofmannsthal:
"[...] Die
Rolle des Komponisten (da die Tenöre so fürchterlich sind)
werde ich Fräulein Artôt übergeben [...]"
und Hofmannsthal
antwortete einigermaßen indigniert gleich drauf am 13.4.1916:
"[...] O Gott wäre mir nur gegeben, Ihnen das Eigentliche,
Geistige der Figuren ganz deutlich zu machen. Anderseits bin
ich ja nicht so verstockt, daß ich nicht verstünde, was sie
vermeiden wollen: den greulichen Tenor!
[...]"
Bezeichnend: Richard Strauss verzichtet
lieber auf eine Tenorrolle zu Gunsten der Besetzung mit einem
Mezzosopran. Auch bei der 'Ägyptischen Helena' gab es bei der
Rolle des Da.ud die Diskussion zwischen Librettisten und
Komponisten um die Frage, wer singt das, ein Tenor oder ein
Mezzo. In der Arabella treiben beide ihre Ansicht über
einen Tenor auf die Spitze: Matteo meint tatsächlich,
Arabella 'bedient' zu haben und war in Wirklichkeit mit Zdenka
zusammen, er weiß also nicht, mit wem der das Vergnügen hatte
! In Regensburg spielt sich diese delikate Szene in
irgendeinem Hinterstübchen ab, zumindest unsichtbar für das
Publikum. An der DOB verkehrt der Matteo mit der Zdenka auf
einem hell erleuchteten Parkplatz in einem Auto. In Berlin
musste Arnold Bezuyen diesen Quatsch mitmachen.
Alle
auf der Bühne sind entsetzt über so viel vorgegebene
Negativ-Einschätzung von Tenören durch Librettisten und
Komponisten, nehmen Zdenka in Schutz, sie könne schließlich
nichts dafür und plötzlich findet Matteo Zdenko auch als
Zdenka ganz nett und Mandryka wirbt für ihn bei Vater Waldner
um die Hand Zdenkas. Ob die mit dem Mann glücklich wird, kann
nicht dargestellt werden, da es keine Fortsetzung dieser
lyrischen Komödie gibt. Aber immerhin hat er hohe a und b und
sie ein c³, was kann da anfangs schon schief
gehen.
Arabella tröstet Zdenka – der Fluss der Sprache
wird in 'Sanglichkeit' weitergeführt.
Die Bühne leert
sich, Mandryka bleibt allein zurück, zornig über sich und sein
eifersüchtiges Verhalten.
Da erscheint Arabella auf der
Empore und kredenzt die Treppe hinabschwebend ein Glas Wasser,
sie trank selber schon davon, reicht Mandryka den Rest als
Zeichen der Verlobung - „Mein die Hälfte" - nimmt er hier für
sich in Anspruch.
Das Glas wirft er danach in hohem
Bogen in die Kulisse, es zerbricht, so dass nie wieder aus
diesem jemand mehr trinken wird, bis ans End’ und in alle
Ewigkeit. Arabella fordert von Mandryka auf einem b² über vier
Takte: "nimm mich wie ich bin!"
|
Theater Regensburg 16.04.06 Arabella |
Die
Schwarzen |
Musikalische Leitung |
Raoul Grüneis - grob, laut,
unsensibel, undifferenziert, unkollegial. Klammern
an die Mannen im Graben, um die eigene Sorge zu
vertuschen. Einziger Vorteil des Lärms, Kiekser gehen
weitgehend unter. Der GMD sollte mal im Rang ein Band
mitlaufen lassen, damit er hört, wie er die Sänger
zudeckt, die hinten auf der Bühne agieren und in den
Rängen nicht ankommen. Dorthin nicht einen Korrepetitor
schicken, der redet dem GMD doch nur nach dem
Mund. Da oben ist nur Krawall des Orchesters zu
hören. Aber vielleicht erhebt sich auch der Herr
Theaterdirektor mal von seinem Regietisch und hört sich
das im 2. oder 3. Rang an. |
Inszenierung |
Ernö Weil
- glücklicherweise macht er das Stück und keinen
Firlefanz. Das Loch zwischen 2. und 3. Akt ist
gewaltig und stört. Warum wurde nicht die Münchener
Fassung gewählt ? Auf Textverständlichkeit muss
geachtet werden, bis zum f ist deutliches Sprechen, in
jeder Lage sind aber Endkonsonanten, möglich Ein
Konversationsstück, bei dem der Zuhörer den Text nicht
versteht, hat seine Berechtigung
verloren |
Bühne |
Konrad Kulke
- interessante Lösung. Bühne mit Hubpodien und
Drehtechnik genutzt. Problematisch - bedingt durch
die zurückliegende Rundung der Drehbühne - die
Spielfläche wird durch die Portale abgedeckt, was sich
für die Sänger negativ auswirkt. |
Kostüme |
Reinhard
Heinrich - der Altmeister - lieferte sehr schöne
Vorkriegs-Kostüme. Ob Frau Leitgeb diese merkwürdige
Frisur haben muss, ist unklar. |
Chöre |
Karl Andreas Mehling
- seine 'Protagonisten' souverän, spielfreudig, gut
aussehend. |
Licht
|
Klaus Herbert Welz
bemüht sich um Energieeinsparung. Natürlich nicht aus
eigenem Antrieb, sondern auf Veranlassung des
Regisseurs, der, für den Zuschauer nicht
nachvollziehbar, plötzlich die Szene abdunkelt, im
Dämmerlicht erscheinen lässt, wohl damit die Verfolger
etwas zu tun bekommen. |
Dramaturgie |
Christina
Schmidt |
|
|
Die Personen
und ihre Darsteller, der am 16. April 2006 besuchten
Vorstellung |
Theodor Graf
Waldner |
Jóhann Smári
Saevarsson - die Stimme klingt wattig, ohne Kern, die
Höhe mühsam, die Töne gerufen. Steht bei der
Interpretation der Rolle oft
nebendran. |
Adelaide, seine
Frau |
Sylvia Fichtl
- anfänglich halsig, aufgegähnt. Später dann ruhig
und rund. |
Arabella, die ältere
Tochter |
Katharina Leitgeb
- kontrollierte Stimmführung, wohlbehütete
Töne bis auf das Ende Finale 3, ohne
Schärfe. |
Zdenka, die jüngere
Tochter |
Ilonka Vöckel
- eng, schmal geführte Stimme, Gefahr der
Ton-Spitzigkeit. |
Matteo, ein
Offizier |
Kalle
Koiso-Kanttila stark gefordert, je später der Abend,
desto dünner die hohe Lage - 's Buberl tut sich
wirklich was an, mit der Rolle. |
Graf
Elemer |
Robert Hebenstreit
- kraftvoll, die Töne abgestützt - Legatostellen in
anderen Rollen könnten problematisch sein, glaubhaft als
Draufgänger. |
Graf
Dominik |
Michael Bachtadse
a.G. ohne Schwierigkeit die paar Töne Jin-Ho Yoo
ist in Korea und singt dort Papageno - sein angestammtes
Fach. |
Graf
Lamoral |
Martin-Jan
Nijhof
schönstimmig, gut aussehend,
problemlos. |
Die
Fiaker-Milli |
Melanie
Schneider überraschend perfekt die Koloraturen bis in
für andere unerreichbare Höhen -
angstfrei. |
Eine
Kartenaufschlägerin |
Ruth
Müller bewährt,
natürlich-unnatürlich. |
Mandryka |
Adam Kruzel mit
großformatiger Stimme, gutem Sitz, ohne Schwierigkeiten
in allen Registern, selbstverständlich im
Spiel. | |