|
"Nieder mit der Bernauerin" - ruft das
Volk, von einem Mönch aufgestachelt. Deutlich wird, wie es einem
Dogmatiker gelingt, Unruhe zu stiften. Die Kirche reißt die Regie
an sich und bestimmt plötzlich den Gang der Handlung. Wohl dem, der
nicht aus lauter Langeweile in der Pause das Weite gesucht hatte,
dann wäre ihm diese aufschlussreiche Szene nicht vergönnt gewesen.
Peter Weiß war
als Mönch der Einzige, der durch sein schauspielerisches Können
und die Behandlung der Sprache dem Stück eine dramatische
Entwicklung ermöglichte. Alle anderen mehr oder weniger
Prominenten auf der Bühne sagten ihren Text auf, so gut sie ihn halt
auswendig gelernt hatten und und dann abliefern konnten. Da die Souffleuse immer dabei
war und auch sicherheitshalber immer mit abging, konnte nicht viel
passieren.
Es geschah auch grundsätzlich nichts, denn
Ernö Weil gelang
es - auch auf dem breiten Proszenium - jede große Geste, jeden
dramatischen Aufschwung zu vermeiden, wodurch zum Beispiel
gewährleistet ist, dass Abstürze über das Balkongeländer von der 50
qm großen Nudelbrettbühne nicht vorkamen.
Die Bewegungsabläufe beschränkten sich bei Ernö Weil daher auf den
Auftritt und von der Szene, den Abgang 'durch die Mitte.'
Atemlose Spannung machte sich breit und
erwartet wurde der jederzeit mögliche Auftritt von Erich H. als der
Chor in weißen Hemden rote Fähnchen im Takt schwenkend, so die
Verbindung zu einem SED Parteitag herstellte.
Großartig auch wie doch dieser so
gänzlich neue Einfall des Auftritts einer Gruppe von Minidarstellern
- durch das Publikum hindurch - einer Produktion das Tüpfelchen auf
das 'I' setzt.
Dass nach diesem Abend ansonsten der
Konsum von 'Phanodorm' oder anderer Barbiturate gering sein würde,
mag die ortsansässigen Pharmazeuten betrüblich gestimmt haben, lag
aber entscheidend an der Beschallung, die eine direkte Zuordnung der
vernommenen Sprache zu dem jeweiligen Darsteller verhinderte.
Dadurch entstand ein Textbrei - ein in einschlägigen Kreisen als
sogenanntes 'Volksgemurmel' bezeichnetes Phänomen.
Dass die Tonanlage ausgerechnet bei dem
den Abend alles entscheidenden Auftritt Ihrer Durchlaucht, der
Fürstin von Thurn und Taxis ihr Tun unterbrach und Mariae Gloria so
die Red' verschlug, führte dazu, dass sich Ihre Durchlaucht beim
zweiten Auftritt als Ansagerin nicht auf die Beschallungsanlage
verließ, sondern heftig und regelrecht gekonnt auf der Stütze
sprach, dass man Ihre Durchlaucht auch ohne Verstärker sehr deutlich
in der vorletzten Reihe hatte vernehmen können.
Auch verzichtete der Einrichter der
Szene - Ernö Weil - darauf hinzuweisen, dass auch die Bayerische
Sprache über Konsonanten verfügt, die tunlichst präzise zu benutzen
sind, um dem Text den nötigen Biss und damit Verständlichkeit zu
geben. Die Artikulation und der noch eingeschaltete Microport
reichten aber aus, um dem Publikum sehr deutlich die Meinung von
Christine Neubauer
als Bernauerin über die Bühnenstufen mit so was wie "... diese
Scheißtreppe..." darzulegen, was das Publikum, plötzlich aus der
Lethargie gerissen, mit heftigem Applaus quittierte.
Ansonsten buhten oder pfiffen die Völkerscharen auch schon mal, als
die Honoratioren - wir hier oben, ihr da unten - nach der endlosen
Pause sorgsam gemächlich herbeigeschlendert kamen, betont lässig die
vorderen Sitze einnahmen, so den Fortgang des Textvortrages
hinauszögerten, allerdings hierdurch zur Erhöhung der Spannung und
zu einem "... macht hin, dass's gar wird ..." beitrugen.
Eindrucksvoll die musikalische Leitung
durch Christian Kroll.
Der erfahrene Kirchenmusiker führte den großen Chor aus Regensburger
Kantorei und den der Universität Regensburg sowie das
Philharmonische Orchester Regensburg mit Bedacht durch die Orff'sche
Komposition.
Ilona Vöckel
und Michael Suttner,
zwei der aus dem Ensemble des Theater Regensburg vorzeigbaren
SängerInnen entledigten sich ihrer solistischen Aufgaben mit Verve,
wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass Frau Vöckel - auch ohne den
Besuch - will sagen sehr wohl trotz des Meisterkurses bei Charlotte
Lehmann - richtig singen kann. Sie trug intelligent mit und ohne
Vibrato vor und gab der Partie so Farbe.
Georg Schießl
gelang wieder das bei ihm so bewunderte Falsettieren.
Trotz Schloss, Illumination desselben,
sonst nicht zugänglichem Park kam die freudevolle Erinnerung an die
Jahre zurückliegende Inszenierung von Horst Alexander Stelter auf,
dass die Orff'sche Bernauerin ihren Rahmen wie den intimen Thon-
Dittmer-Hof braucht.
Aber egal, endlich war man mal hinter
dem Zaun, der sonst das Schloss abschirmt und das waren einem doch
die hohen Eintrittspreise - selbst auf den rückwärtigsten Sitzen -
wert.
Nun noch José Cura und Lucia Aliberti.
Lass seh'n, und vor allem:
lass hören.
(Dieter Hansing)
|