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Wird das eigene musikalische
Bewusstsein mit einer der populärsten Opern der Musikgeschichte in
frühester Kindheit geweckt, so hinterlässt gerade dieses Werk
deutliche Spuren.
Ist dann auch noch die Beteiligung an Produktionen
gegeben, verstärkt sich der Eindruck.
Susanne Muser war die erste
Carmen, Ernst-August Steinhoff war José. Bilder und die Sprache der
Soldan'schen Fassung bleiben für immer haften.
Später war Melinda Moldovan die Carmen, Karl-Olof Johansson der José, Elfriede Hingst
die Michaëla. Sie schärften den Blick für die Figuren.
Das Werk
blieb gleich. |
Die Sichtweisen auf die Stücke und ihr
In-Szene-Setzen haben sich verändert. Neue Interpretationen werden
gewünscht, ohne das Werk zu verändern. Die optischen Eindrücke sind
neu.
Provozierendes wurde geboten: Die Neuenfels-'Aida' oder sein 'Macbeth' -
Zuruf eines Frankfurter Zuschauers, als ein gefiedertes Etwas vom Schnürboden
herabgelassen wurde:
"Das ist der Vogel, den Herr Neuenfels hat" -
der Nel'sche 'Feischütz' auch in Frankfurt, der 'Troubadour' von Chundela in
Essen,
der 'Lohengrin' von Konwitschny in Hamburg und Barcelona. Letzterer
ein Unikat - nicht wiederholbar.
Nun die unverwüstliche, aber inzwischen fast zu Tode inszenierte
'Carmen', auch wieder in Regensburg.
In der Ära List war Dr. Kertz der
Regisseur.
Heute Striche, wodurch, da die Musik nicht weiterläuft, Löcher
entstehen, dagegen geöffnete Stellen, die noch je kaum gehört
wurden. Und bei allen Überlegungen des
Regie-/Bühnenbild-/Kostüm-Teams, ergibt sich durch die überflüssige
Übertitelungsanlage Dummes.
'Lasst uns wieder sehn nach Leuten, die vorüber gehn' -
nur sind die
Herren Soldaten in ihren gelben Hemden allein auf der Bühne und eben
'keine Menge im Gedränge'.
Nicht die einzige Ungereimtheit, die
durch die Übertitelungsanlage noch verstärkt wird.
Auftritt
Damenchor - angeblich
'nach der Glocke tönen' - Fabrikarbeitrinnen,
ohne Signalton hinter einem hohen Maschendrahtzaun, die - man meint,
sie seien eingesperrt - dürfen später aber raus, auf die offene
Bühne, dafür dürfen die Männer vorher schon in das Gehege - wieso,
warum?
Interessant die Begegnung Carmen - Michaëla am Zaun (Carmen drinnen - Michaëla draußen) aber wieso kommen die beiden dann später sich
prügelnd aus der Fabrik - wie ist Michaëla da hineingeraten.
Dass Carmen gleich mit der Habanera über José herfällt, ihn - sie
hat ihn gerade zur Kenntnis genommen - den Soldaten - und legt ihn
flach, auf den Boden - mit einem bayerischen Polizisten wär das
nicht möglich und mit einem französischen auch nicht.
'Aber in Spanien.'
Dass José - kaum ist die etwas herbe Carmela
Calvano Forte in der Titelrolle
erschienen - er auch gleich derartig enflammiert - kann nicht
nachvollzogen werden, da von dem Liebespaar bis dahin und auch
Verlauf des weiteren Abends nichts Erotisches ausgeht.
José Azocar bemüht sich nicht nur zu stemmen, sondern auch Bögen zu
singen, geht im Duett mit Michaela ins Falsett und rettet sich so.
Wenn Staatstheater einen Cassio nicht g'scheit besetzen können, wie
soll dann Regensburg zu einem exzeptionellen José kommen.
Im zweiten Akt sind die Touristen die Attraktion der Inszenierung.
Sie füllen die Szene mit ihrem Auftritt in Badehose und Sandalen,
wartend auf den Beginn der Folklore-Ballermann-Show.
Dass Matias Tosi-Sokolov als betuchter Stierkämpfer Escamillo in
einem kümmerlichen Unterhemd zu Lillas Pastia - der Schriftzug über
dem Eingang lässt bei Lillas ein zweites 'L' vermissen, so dass die
Kneipe nun 'Veilchen-Bar' heißt - kommt, kann nicht verständlich
gemacht werden. Der junge Sänger hat zweifelsohne eine interessante
und entwicklungsfähige Stimme, aber einen Body, den er so nicht
zeigen sollte, ganz abgesehen davon, dass seine posierenden
Bewegungen ausgesprochen linkisch sind.
Hat das niemand bemerkt - der Theaterdirektor sah es offensichtlich
nicht - und sah es heute Abend unter Umständen auch nicht.
Es gibt Intendanten, die sitzen eben nicht wie weiland Rolf
Liebermann jeden Abend im Theaterparkett, um sich den Verlauf der
jeweiligen Vorstellung anzusehen.
'Ein kommender Bariton' geht jedenfalls so nicht 'raus'. Im dritten
Akt hat er wenigstens ein 'Jöppelchen' übergezogen und im vierten
die bekannte Adjustierung der Toreros. Aber der zweite Akt ist für
ihn optisch einfach daneben. Dass er musikalisch im Couplet aus dem
Tritt geriet, sei nur nebenbei vermerkt.
Und vom Konzept des Stückes her - an diesem 'Herrn Escamillo' findet
Carmen etwas, ja was? Sozialer Aufstieg mit diesem schönstimmigen
Herrchen? Ja, wie denn das?
Und übrigens Frau Forte - die Kastagnetten schlägt eine Carmen
selber und lässt es sich nicht abnehmen.
Zum dritten Akt gibt es nur zu sagen: 'Ein Schauder erfasst mich'.
Der Chor liegt reglos herum - von wegen
'... die Schlucht hinab,
ihr Kameraden - ein falscher Tritt zum Abgrund führt' -
die Bühne
dreht sich - that's all. Michaela steht hell erleuchtet hinter dem
Stier und singt ihre Arie auf eine merkwürdige Weise. Die Enden der
Phrasen bekommen einen Drücker, als schnappe sie nach Luft. Eine
Unart, Gefühl auszudrücken - wie soll das bei der Arabella gehen?
Hinzu kommt, dass durch diese direkte Beleuchtung sich jedes
Zittern, jedes Beben des Körpers auf ihrem Kostüm dupliziert
darstellt. Nicht schmeichelhaft für die gute Michaëla.
Besonders für die Kartenarie sei Frau Forte 'Legato-Singen' empfohlen,
wird durch die engen Intervalle hier besonders die Bedrohung durch
das Schicksal betont
'.. wenn dir die Karten einmal bittres Unheil
künden, vergebens mische sie.'
Unerhört cool - geradezu intellektuell gesteuert - serviert Frau
Forte ihren Don José ab - so schön sie singt - das Vibrato, nach
der Premiere - von irgendwem, irgendwo bemängelt - hat nicht mehr
als eine entsprechende Schwingung - also völlig in Ordnung - aber vom
Ausdruck her ist alles bis hierher: gebremst.
Erst im vierten Akt, da sie am Ende ist, wird Emotion spürbar, die
auch vom Publikum erkannt wird, hier als Hinzurichtende, als
'Heiligenfigur' auf dem Podest, hat sie Ausstrahlung.
Und auch bei
'... den Ring, den du mir einst als Liebespfand
gegeben - da!'
kommt endlich etwas, von ihr ausgehend. Sonst alles
unterkühlt und irgendwie nebenbei. Warum den Mezzo in geistiger
Überlegenheit so in den Vordergrund stellen - sie ist da als 'Dritte
Dame' gefühlsbetonter.
José Azocar spielt durchgängig den ganzen Abend 'die arme Sau' und
das überzeugend. Der kleine Bauernsohn, der sich seiner Haut
permanent wehren muss, der Loser, der nur gehänselt wird. Schwer,
das durchzuhalten.
Stimmlich gewalttätig, traut er sich nicht zurückzunehmen, zu singen
ist ihm wenig bewusst. Dass er nur als 'Troubadour' geeignet sei, dem
muss widersprochen werden. Dessen 'Dass nur für dich mein Herz
erbebt ..' erfordert Belcanto und darf nicht gestemmt und gebrüllt
werden.
Die dritte 'Carmen'-Vorstellung nach der Premiere. Es war zu merken,
dass die Produktion zu lange seit dem 6.2.05 - nämlich
14 Tage (Dispo ist so eine Sache!) -
gelegen hatte.
Da hakte es immer wieder - Mancher stieg aus, die
Übertitelungsanlage kam irgendwann und stiftete Verwirrung, ganz
abgesehen davon, dass Übereinstimmung, Geschehen auf der Bühne und
Übertitelung, nicht zu erkennen war.
'In der Menge dort lauernd verbirgt er sich' - außer José ist kein
Mensch auf der Bühne - also was soll das!?
DH |
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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