Das lässt sich ansehen -
vom Anhören wurde bereits unter
Betrachtungen_zu_'Don_Giovanni'
gesprochen.
Hierzu nur noch ein Wort - Premieren sollten gemieden
werden. Alles ist überdreht und überängstlich. Lieber
später eine Vorstellung ansehen, wenn sich schon alles
gesetzt hat. Aber wenn ein Premieren-Abo nun mal schon da
ist, wird auch gegangen und die Qual mit ausgehalten, nur
darüber schreiben sollen andere
Es war wieder überdeutlich, was eine gut geschmierte
Drehbühne und funktionierende Hubpodien für Möglichkeiten
schaffen. Werden die Darsteller auch noch sinnvoll bewegt
und spielen die mit, kann es spannend werden.
Dass die hydraulisch betriebenen Podien aus dem Rang wie
Container am Nürnberger Bahnhof aussehen - es fehlte noch,
es stünde Hapag oder Maersk drauf - stört schon. Da haben
es die Parkettbesucher besser, denen wird das nicht so
deutlich vor Augen geführt, aber es fehlt dann der
Überblick, den nur der Olymp bietet. War es "in der
Kindheit frühen Tagen" an den 'Vereinigten Städtischen
Bühnen Krefeld-Mönchen-Gladbach' der Notsitz 1. Reihe, so
ist es eben jetzt zusätzlich zur Premiere der 3. Rang.
Zur Sache!
Handgemenge, Anna ringt mit Giovanni - sie will ihn
halten, wie es nun immer zu interpretieren ist - er
entwindet sich, sie ins Haus zurück, holt den Vater,
Giovanni schießt, der Komtur fällt, Anna rennt zum Vater,
Ottavio steht, typisch für die Rolle, im Weg, statt etwas zu
unternehmen, dabei behauptet er: "Ihn zu schützen, opfr'
ich freudig mein Leben."
Nie im Leben - der jedenfalls nicht. Mit hoch zugeknöpftem
Anzug steht er da und kratzt sich am Kopf. Schon vorher
fällt ihm von seiner "struppigen Haares strammes Gelock" in die Stirn - sieht
natürlich aus, wie er sich die Tolle wegstreicht, ein
Spängchen im Haar würde diesen persönlichen Effekt
verhindern.
Was soll er
tun? Zumindest mal den Schweiß von der Stirn tupfen - er
tut es. Außerdem hat man von oben den Eindruck, die Ärmel
vom Jackett seien zu lang.
Mittlerweile ist eine Rettungsmannschaft mit Blaulicht und
Trage eingetroffen. Anna bemüht sich um den Vater, aber
dies ist vergebens. Auch ein eingetroffener Detektiv mit
Notizblock kann nicht helfen. Zumindest konnte er etwas zu
Protokoll und den Akten nehmen. Oder war's ein Reporter ?
Anna wird kurz gelabt und geht ab, denn sie würde jetzt
nur stören, wo doch Elvira gerade vom Bahnhof oder so
kommt. Die Bühne hat sich gedreht und zeigt jetzt den
Eingang zu einem Container-Hotel mit einem Bistrotischchen
und zwei
Stühlen davor. Elvira mit dem unvermeidlichen Koffer, ist
sie doch von Burgos weg und unbehaust, trifft unvermutet
auf Giovanni, der sich da am Hotel mit seinem Atlatus
Leporello rumtreibt. Giovanni baggert die Dame mit dem
großen Hut an. Beide erschrecken, als sie merken, dass sie
sich kennen und sich beide nicht gerade in guter
Erinnerung haben. Giovanni wollte Elvira damals los sein
und Elvira wollte und will Giovanni wieder haben. Die
seinerzeitige Zusammenkunft ohne Verhüterli hatte Folgen - sie
ist schwanger, es könnte so der achte Monat sein.
Leporello, der schon lange wegen der ewigen
Weibergeschichten sauer auf seinen Chef ist, klärt Elvira
mit der Register-Arie auf, mit was für einem Kerl sie sich
eingelassen hat und ihr wird klar, dass Giovanni wohl
nicht nur bei ihr der Vater eines Kindes ist. Leporello
fällt der 'Leporello' zu Boden, der faltet sich auf, Elvira
legt sich daneben, studiert die 'Aktenlage', diese zeigt
auf, mit wem es ihr Mann hatte. Außerdem verdeutlicht
Leporello verbal, wie viele in seinen Aufzeichnungen
verewigt sind.
Die Bühne dreht sich und es wird für die 7. Szene das
Innere eines Containers sichtbar, der für eine Festivität
gerichtet ist. Der Chor ist mit Feiern beschäftigt und
Zerlina kann es nicht lassen, sie muss nach dem Motto: "O
ihr Mädchen, zur Liebe geboren" gleich mit Giovanni
anbändeln, was zwangsläufig zum Duettino Nr. 7 führt und
Zerlina dem Giovanni die Hand reicht.
Elvira stürzt herein und warnt Zerlina vor ihrem Mann,
natürlich auch aus Eifersucht, da sie ihn ja für sich
wiederhaben und nicht mit der Soubrette teilen will.
Nun folgt einer der Höhepunkte der Regensburger
Inszenierung - die Bühne ist herumgefahren und zeigt
wieder das Innere eines Containers, nach vorne offen, aber
jetzt mit der Gruft für den Komtur.
Von hinten um die Bühne auf der roten Bande herum, nähert
sich ein Trauerzug.
Der Sarg mit dem toten Komtur wird herein getragen und
vorne neben der Grablege abgestellt.
Eine Trauergemeinde ist 'vielzählig' eingetroffen, jeder
kondoliert jedem - es ist alles sehr stimmungsvoll. Der
Sarg wird in die Gruft gehoben und der Deckel von nur zwei
Mann draufgelegt. Es scheint sich hier um ein aus
Balsaholz von einem kleinen Laubsäger angefertigtes Teil
zu handeln, wenn denn dieser mit großer Figur auf dem
Deckel so einfach aufgelegt werden kann. Übersehen wir
solche Kleinigkeiten.
Kränze werde vor die Gruft gestellt - eine wirklich
gelungene Szene.
Die Trauergemeinde geht ab - wahrscheinlich zum
Leichenschmaus.
Ottavio und Anna - sie in vorteilhaftem schwarzen
Straßenkostüm mit schwarzem Fuchs über den Schultern - bleiben zurück und jetzt erst hat sie -
bei den vielen Vorbereitungen für die Beerdigung -
Gelegenheit, Ottavio zu erzählen, wie sich die Sache mit
dem Überfall in der 1. Szene zugetragen hat, sie sagt Ottavio alles
möglich Verschwommene, nur nicht, dass es Giovanni war und
behauptet keck ihm gegenüber: "Du kennst nun den Frevler!".
Ottavio, typisch Tenor, hat keine Ahnung von wem Anna
spricht, die drückt ihn zu Boden - warum, muss bei einer
späteren Vorstellung eruiert werden - sie schnipst ihm was
an den Kopf und er singt treulich "Nur ihrem Frieden" - in
Regensburg natürlich in italienisch, sonst wäre ja die
Übertitelungsanlage überflüssig und die Geld-Sammelei
hierfür umsonst gewesen.
In der 15. Szene - Giovanni schon mit Sektflasche
hantierend - in Vorbereitung auf die 'Champagnerarie',
diesmal - zum Musikalischen wollten wir doch nichts sagen
- längst nicht so verhetzt wie bei der Premiere.
Ihrem eigenen Lebensmotiv folgend, geht Zerlina dem
Masetto beim "Schlage, schlage dein Zerlinchen"
sicherheitshalber mal an die Wäsche und das natürlich am
Boden, für sie eine willkommene Gelegenheit, schon mal paar
eindeutige 'Turnübungen' zu absolvieren. Der Chor, schon
reichlich angeschickert, torkelt über die Bühne und
Giovanni reicht Masetto die Zerline rüber, legt sie ihm in
die Arme.
Für die 19. Szene bilden Podien einen Durchgang - durch
die Leporello 'die Masken' willkommen heißt - etwas
eigenartig, Elvira mit einem Kopfputz, der ihre Exaltation
noch unterstreicht. Aufgelöst wird diese Beengung durch
das Herabfahren der Podien, dass Platz für die Party und
die Tänze geschaffen wird.
Ottavio sehr reduziert, nur nicht zu viele Bewegungen
machen, vereint im Menuett mit Anna. Die Kapuze rutscht
ihm immer wieder weg, dass er damit zu tun hat, sie
zurecht zu rücken.
Ansonsten aber steht der Gute rum, als würde er sagen "tut
ihr mir nichts, dann tu ich euch auch nichts" - er ist auch
noch sehr mit der Rolle und dem Singen beschäftigt, was
beides zusammen für ihn offensichtlich keine
Selbstverständlichkeit ist.
Zerlinas Rufe "Kommt zu Hilfe mir, ich sterbe" sind
natürlich maßlos übertrieben, außerdem hat sie sich selber
in diese Situation gebracht, lässt sie sich mit jedem ein.
An diesem Abend war die Sache mit dem schön singenden
Giovanni allerdings auch nachvollziehbar, denn der Masetto
der Gast aus Coburg hatte Mühe, Eindruck zu machen.
Giovanni schleudert Leporello als angeblich entdeckten
Bösewicht bis fast hin zum Graben und der zeigt dabei seine körperliche
Gewandtheit. Zum Entkommen der beiden
Bösewichter rotiert die Bühne, hohes Podium vorne für die
beiden, davor das übrige Solistenensemble - und die
schieben nun händisch die Rotation der Manegenbande -
sieht etwas merkwürdig aus.
2. Akt
Die 1. Szene, führt zu der bekannten Verkleidungsaktion
Giovanni-Leporello und zum Bezirzen von Elvira, die sich
oben auf einem Container zunächst an Spreewälder Gurken
labt, dann seitlich oben liegt, vorsichtig nach unten zu
den ausgestreckten Armen Leporellos hangelnd, immerhin ist
ja ihr 8-Monatsbauch im Weg. Die Tändelei wird unten
fortgeführt bis das imaginäre Liebespaar abgeht und dies
Giovanni Gelegenheit gibt, sein Ständchen zu singen - das
Publikum ist so ergriffen, dass es zu applaudieren
vergisst oder sich nicht traut, die schöne Stimmung durch
Klatschen zu stören.
Aber die Irritation dauert nicht lange, denn es erscheit
Masetto aus Coburg mit einem Gewehr, um endlich Giovanni
zu liquidieren - ein Schuss geht zum Entzücken des
Publikums nach oben los, es raucht gewaltig - ein
Mitspieler zeigt Masetto berechtigterweise einen Vogel und
alles führt am Ende nur dazu, dass Giovanni den Masetto
mit der Knarre malträtiert. Sehr geschickt gemacht, der
Gequälte liegt hinter der Ringeinfassung, Giovanni stampf
auf irgend was los, jenen, den er nicht sichtbar treffen
muss.
Zerline kommt von hinten in Stiefeletten, findet den
geprügelten Masetto und "weiß ein Mittelchen", ihn zu
reanimieren. Wer wäre da nicht gleich wieder oben auf, so
wie eine Soubrette es hier anstellt. Ob aber die Kadenz
den Masetto wieder belebt oder eher erschreckt - lässt
sich nur aus der Sicht des Zuhörers fragen: Was soll das ?
Jedenfalls ist das Publikum nicht erfreut und entlässt
Zerlina, ohne zu applaudieren.
Zur 7. Szene erscheinen Elvira mit Leporello/Giovanni zum
"Pocht mein Herz, erfüllt mit Bangen." Die Podien fahren
und geben Anna und Ottavio Platz für ihren Auftritt durch
die Mitte - die Bestrafung des 'bösen' Giovanni entfällt,
als die Betroffenen wieder einmal sehen müssen, gefoppt zu
sein, wenn sie und vor allem Elvira erkennen, es war nicht
ihr 'Gatte Giovanni', sondern Leporello und nicht der
eigentliche Übeltäter, dessen sie habhaft werden wollten.
Das haut Elvira regelrecht um, sie sitzt vorne wie ein
Häuflein Elend und sieht die Geburt auf sich zukommen, die
ersten Wehen setzen ein. Zerlina stützt sie.
Währenddessen kritzelt vorne Ottavio etwas in ein Heft.
Schreibt er einen Scheck aus oder notiert er etwas für
seine Memoiren - es wird auf der Übertitelungsanlage
leider nicht bekannt gegeben.
Die Bühne leert sich und Ottavio bekommt Gelegenheit, die
Nr. 21 "Folget der Heißgeliebten" zu singen - da kann nun
die Dramaturgin Schmidt erzählen, was sie will, für
d e n Tenor war die zweite Arie in jedem Falle am
gestrigen Abend mühsamer als die 10 a. Es gab rhythmische
Probleme, alles war unausgewogen, dann wieder diese
Kadenz.
Alles zwar bemüht, aber es fehlt noch viel und es sollte
auch für Regensburg nicht reichen. Hier wird ein Coach
vermisst,
der/die sich um so was kümmert.
Gleiches gilt auch für die Anna, da gibt es Zaubertöne,
aber auch diese Unart des Überdrucks am Ende einer Phrase.
Beeindruckend die szenische Lösung für die 21 b.
Die Entwicklung Elviras im Krankenhausbett, der nach der
Totgeburt Geschunden, wie sie das Tuch aus der
Baby-Wicklung auflöst, sich über den Kopf zieht und zur
Nonne wird. Das Symbol der vertrockneten Blattpflanze, das
Lavoir auf dem Beistelltisch, als habe auch hier Ver.di
mit Streik zugeschlagen und den Service im Krankenhaus
eingestellt. Aber es gehört auch keine Topfpflanze in ein
Krankenhauszimmer. Die nimmt Elvira dann mit und bei
nächster Gelegenheit gießt Giovanni die trockene Pflanze -
als wollte er ein Wiedererstehen ermöglichen.
Bei Herrn Puhlmann würde da aber anders vorgegangen -
bisher wurde bei ihm nur hinters Sofa gepinkelt, was wird
er wohl in Stuttgart Herrn Bieito erlauben - im Freien und
für alle sichtbar zu besamen? War noch nicht da, gab es
noch nicht. Die Stuttgarter werden sich noch wundern, wen
sie da eingekauft haben, aber die haben auch Peymann
überlebt.
Für die Nr. 23 wird wieder das Mausoleum - jetzt noch
ergänzt durch drei Statuen, die in der Friedhofszene mit
Giovanni und Leporello bewegt mitspielen - bemüht.
Anna singt und durch die 'Action', dem Anzünden von
Kerzen, Verteilen dieser und Lilien (aus der
Neuner-Otello-Produktion übrig gebliebene ?) auf den drei
Statuen, ist sie beschäftigt, steht nicht für die Arie
herum. Allerdings geht dabei Konzentration verloren, die
sie bräuchte, um kultivierter, als sie sich bemüht, zu
singen.
Ottavio wird von Anna als Kerzenhalter genutzt - so ist er
präsent und nimmt die Erläuterungen Annas kniend entgegen.
Das Ende naht, Giovanni reizt den Komtur so lange, bis der
nun als Schattenmann auf der rückliegenden Operafläche
erscheint. Hier stellt sich die Frage, warum die
Regisseurin nicht die Statue verwendet, die schon als die
des Komturs während der 23 und am Friedhof 'mitspielte' -
sie könnte Giovanni 'mit Macht aufs Herz schlagen' - es
wäre näher liegender als die Projektion.
Giovanni torkelt trotz dieses szenischen Mankos
pantomimisch zwischen imaginären sich nähernden Wänden,
Feuer in Form eines roten Schals von oben - hinter dem er
letztendlich verschwinden kann, um das Schluss-Sextett
nicht zu behindern und endlich aus der Welt zu scheiden.
Aber von wegen.
Keck erscheint er in der oberen Proszeniumloge und schaut
hinunter auf die Kollegen. Der ewige Stenz - a bissl geht
immer was - feiert fröhliche Urständ - die unten gieren
ihn an, vor allem Anna. Sie wickelt sich in den herab
gefallenen Feuervorhang und denkt über die damalige Amoure mit
Giovanni nach.
Und der gibt noch eins drauf:
nach dem letzten Ton den Applaus für die Kollegen
beginnend.
Eine optisch schlüssige, sehr lebendige Produktion, die
ein Dauerrenner werden kann wie weiland der
Bleiziffer'sche 'Faust I'. Und so wie den, schaut sich das
Volk auch den Giovanni nicht nur einmal an.
Angela Brandt war die Regisseurin, die Möglichkeiten des
Theaters Regensburg geschickt nutzend.
Dieter Hansing - Abonnent
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