Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften
           zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
        04.01.2010 - dradio.de

 
 



Repertoirevorstellung 'Don Giovanni'
Theater Regensburg - 18.03.06

"Ich grausam ?"
 

Das lässt sich ansehen - vom Anhören wurde bereits unter
Betrachtungen_zu_'Don_Giovanni'
gesprochen.

Hierzu nur noch ein Wort - Premieren sollten gemieden werden. Alles ist überdreht und überängstlich. Lieber später eine Vorstellung ansehen, wenn sich schon alles gesetzt hat. Aber wenn ein Premieren-Abo nun mal schon da ist, wird auch gegangen und die Qual mit ausgehalten, nur darüber schreiben sollen andere

Es war wieder überdeutlich, was eine gut geschmierte Drehbühne und funktionierende Hubpodien für Möglichkeiten schaffen. Werden die Darsteller auch noch sinnvoll bewegt und spielen die mit, kann es spannend werden.

Dass die hydraulisch betriebenen Podien aus dem Rang wie Container am Nürnberger Bahnhof aussehen - es fehlte noch, es stünde Hapag oder Maersk drauf - stört schon. Da haben es die Parkettbesucher besser, denen wird das nicht so deutlich vor Augen geführt, aber es fehlt dann der Überblick, den nur der Olymp bietet. War es "in der Kindheit frühen Tagen" an den 'Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld-Mönchen-Gladbach' der Notsitz 1. Reihe, so ist es eben jetzt zusätzlich zur Premiere der 3. Rang.

Zur Sache!
Handgemenge, Anna ringt mit Giovanni - sie will ihn halten, wie es nun immer zu interpretieren ist - er entwindet sich, sie ins Haus zurück, holt den Vater, Giovanni schießt, der Komtur fällt, Anna rennt zum Vater, Ottavio steht, typisch für die Rolle, im Weg, statt etwas zu unternehmen, dabei behauptet er: "Ihn zu schützen, opfr' ich freudig mein Leben."
Nie im Leben - der jedenfalls nicht. Mit hoch zugeknöpftem Anzug steht er da und kratzt sich am Kopf. Schon vorher fällt ihm von seiner "struppigen Haares strammes Gelock" in die Stirn - sieht natürlich aus, wie er sich die Tolle wegstreicht, ein Spängchen im Haar würde diesen persönlichen Effekt verhindern.
Was soll er tun? Zumindest mal den Schweiß von der Stirn tupfen - er tut es. Außerdem hat man von oben den Eindruck, die Ärmel vom Jackett seien zu lang.

Mittlerweile ist eine Rettungsmannschaft mit Blaulicht und Trage eingetroffen. Anna bemüht sich um den Vater, aber dies ist vergebens. Auch ein eingetroffener Detektiv mit Notizblock kann nicht helfen. Zumindest konnte er etwas zu Protokoll und den Akten nehmen. Oder war's ein Reporter ?

Anna wird kurz gelabt und geht ab, denn sie würde jetzt nur stören, wo doch Elvira gerade vom Bahnhof oder so kommt. Die Bühne hat sich gedreht und zeigt jetzt den Eingang zu einem Container-Hotel mit einem Bistrotischchen und zwei Stühlen davor. Elvira mit dem unvermeidlichen Koffer, ist sie doch von Burgos weg und unbehaust, trifft unvermutet auf Giovanni, der sich da am Hotel mit seinem Atlatus Leporello rumtreibt. Giovanni baggert die Dame mit dem großen Hut an. Beide erschrecken, als sie merken, dass sie sich kennen und sich beide nicht gerade in guter Erinnerung haben. Giovanni wollte Elvira damals los sein und Elvira wollte und will Giovanni wieder haben. Die seinerzeitige Zusammenkunft ohne Verhüterli hatte Folgen - sie ist schwanger, es könnte so der achte Monat sein.

Leporello, der schon lange wegen der ewigen Weibergeschichten sauer auf seinen Chef ist, klärt Elvira mit der Register-Arie auf, mit was für einem Kerl sie sich eingelassen hat und ihr wird klar, dass Giovanni wohl nicht nur bei ihr der Vater eines Kindes ist. Leporello fällt der 'Leporello' zu Boden, der faltet sich auf, Elvira legt sich daneben, studiert die 'Aktenlage', diese zeigt auf, mit wem es ihr Mann hatte. Außerdem verdeutlicht Leporello verbal, wie viele in seinen Aufzeichnungen verewigt sind.

Die Bühne dreht sich und es wird für die 7. Szene das Innere eines Containers sichtbar, der für eine Festivität gerichtet ist. Der Chor ist mit Feiern beschäftigt und Zerlina kann es nicht lassen, sie muss nach dem Motto: "O ihr Mädchen, zur Liebe geboren" gleich mit Giovanni anbändeln, was zwangsläufig zum Duettino Nr. 7 führt und Zerlina dem Giovanni die Hand reicht.

Elvira stürzt herein und warnt Zerlina vor ihrem Mann, natürlich auch aus Eifersucht, da sie ihn ja für sich wiederhaben und nicht mit der Soubrette teilen will.

Nun folgt einer der Höhepunkte der Regensburger Inszenierung - die Bühne ist herumgefahren und zeigt wieder das Innere eines Containers, nach vorne offen, aber jetzt mit der Gruft für den Komtur.
Von hinten um die Bühne auf der roten Bande herum, nähert sich ein Trauerzug.
Der Sarg mit dem toten Komtur wird herein getragen und vorne neben der Grablege abgestellt.
Eine Trauergemeinde ist 'vielzählig' eingetroffen, jeder kondoliert jedem - es ist alles sehr stimmungsvoll. Der Sarg wird in die Gruft gehoben und der Deckel von nur zwei Mann draufgelegt. Es scheint sich hier um ein aus Balsaholz von einem kleinen Laubsäger angefertigtes Teil zu handeln, wenn denn dieser mit großer Figur auf dem Deckel so einfach aufgelegt werden kann. Übersehen wir solche Kleinigkeiten.
Kränze werde vor die Gruft gestellt - eine wirklich gelungene Szene.
Die Trauergemeinde geht ab - wahrscheinlich zum Leichenschmaus.

Ottavio und Anna - sie in vorteilhaftem schwarzen Straßenkostüm mit schwarzem Fuchs über den Schultern - bleiben zurück und jetzt erst hat sie - bei den vielen Vorbereitungen für die Beerdigung - Gelegenheit, Ottavio zu erzählen, wie sich die Sache mit dem Überfall in der 1. Szene zugetragen hat, sie sagt Ottavio alles möglich Verschwommene, nur nicht, dass es Giovanni war und behauptet keck ihm gegenüber: "Du kennst nun den Frevler!".

Ottavio, typisch Tenor, hat keine Ahnung von wem Anna spricht, die drückt ihn zu Boden - warum, muss bei einer späteren Vorstellung eruiert werden - sie schnipst ihm was an den Kopf und er singt treulich "Nur ihrem Frieden" - in Regensburg natürlich in italienisch, sonst wäre ja die Übertitelungsanlage überflüssig und die Geld-Sammelei hierfür umsonst gewesen.

In der 15. Szene - Giovanni schon mit Sektflasche hantierend - in Vorbereitung auf die 'Champagnerarie', diesmal - zum Musikalischen wollten wir doch nichts sagen - längst nicht so verhetzt wie bei der Premiere.

Ihrem eigenen Lebensmotiv folgend, geht Zerlina dem Masetto beim "Schlage, schlage dein Zerlinchen" sicherheitshalber mal an die Wäsche und das natürlich am Boden, für sie eine willkommene Gelegenheit, schon mal paar eindeutige 'Turnübungen' zu absolvieren. Der Chor, schon reichlich angeschickert, torkelt über die Bühne und Giovanni reicht Masetto die Zerline rüber, legt sie ihm in die Arme.

Für die 19. Szene bilden Podien einen Durchgang - durch die Leporello 'die Masken' willkommen heißt - etwas eigenartig, Elvira mit einem Kopfputz, der ihre Exaltation noch unterstreicht. Aufgelöst wird diese Beengung durch das Herabfahren der Podien, dass Platz für die Party und die Tänze geschaffen wird.
Ottavio sehr reduziert, nur nicht zu viele Bewegungen machen, vereint im Menuett mit Anna. Die Kapuze rutscht ihm immer wieder weg, dass er damit zu tun hat, sie zurecht zu rücken.
Ansonsten aber steht der Gute rum, als würde er sagen "tut ihr mir nichts, dann tu ich euch auch nichts" - er ist auch noch sehr mit der Rolle und dem Singen beschäftigt, was beides zusammen für ihn offensichtlich keine Selbstverständlichkeit ist.

Zerlinas Rufe "Kommt zu Hilfe mir, ich sterbe" sind natürlich maßlos übertrieben, außerdem hat sie sich selber in diese Situation gebracht, lässt sie sich mit jedem ein.
An diesem Abend war die Sache mit dem schön singenden Giovanni allerdings auch nachvollziehbar, denn der Masetto der Gast aus Coburg hatte Mühe, Eindruck zu machen.
Giovanni schleudert Leporello als angeblich entdeckten Bösewicht bis fast hin zum Graben und der zeigt dabei seine körperliche Gewandtheit. Zum Entkommen der beiden Bösewichter rotiert die Bühne, hohes Podium vorne für die beiden, davor das übrige Solistenensemble - und die schieben nun händisch die Rotation der Manegenbande - sieht etwas merkwürdig aus.


2. Akt
Die 1. Szene, führt zu der bekannten Verkleidungsaktion Giovanni-Leporello und zum Bezirzen von Elvira, die sich oben auf einem Container zunächst an Spreewälder Gurken labt, dann seitlich oben liegt, vorsichtig nach unten zu den ausgestreckten Armen Leporellos hangelnd, immerhin ist ja ihr 8-Monatsbauch im Weg. Die Tändelei wird unten fortgeführt bis das imaginäre Liebespaar abgeht und dies Giovanni Gelegenheit gibt, sein Ständchen zu singen - das Publikum ist so ergriffen, dass es zu applaudieren vergisst oder sich nicht traut, die schöne Stimmung durch Klatschen zu stören.

Aber die Irritation dauert nicht lange, denn es erscheit Masetto aus Coburg mit einem Gewehr, um endlich Giovanni zu liquidieren - ein Schuss geht zum Entzücken des Publikums nach oben los, es raucht gewaltig - ein Mitspieler zeigt Masetto berechtigterweise einen Vogel und alles führt am Ende nur dazu, dass Giovanni den Masetto mit der Knarre malträtiert. Sehr geschickt gemacht, der Gequälte liegt hinter der Ringeinfassung, Giovanni stampf auf irgend was los, jenen, den er nicht sichtbar treffen muss.

Zerline kommt von hinten in Stiefeletten, findet den geprügelten Masetto und "weiß ein Mittelchen", ihn zu reanimieren. Wer wäre da nicht gleich wieder oben auf, so wie eine Soubrette es hier anstellt. Ob aber die Kadenz den Masetto wieder belebt oder eher erschreckt - lässt sich nur aus der Sicht des Zuhörers fragen: Was soll das ?
Jedenfalls ist das Publikum nicht erfreut und entlässt Zerlina, ohne zu applaudieren.

Zur 7. Szene erscheinen Elvira mit Leporello/Giovanni zum "Pocht mein Herz, erfüllt mit Bangen." Die Podien fahren und geben Anna und Ottavio Platz für ihren Auftritt durch die Mitte - die Bestrafung des 'bösen' Giovanni entfällt, als die Betroffenen wieder einmal sehen müssen, gefoppt zu sein, wenn sie und vor allem Elvira erkennen, es war nicht ihr 'Gatte Giovanni', sondern Leporello und nicht der eigentliche Übeltäter, dessen sie habhaft werden wollten.
Das haut Elvira regelrecht um, sie sitzt vorne wie ein Häuflein Elend und sieht die Geburt auf sich zukommen, die ersten Wehen setzen ein. Zerlina stützt sie.
Währenddessen kritzelt vorne Ottavio etwas in ein Heft. Schreibt er einen Scheck aus oder notiert er etwas für seine Memoiren - es wird auf der Übertitelungsanlage leider nicht bekannt gegeben.

Die Bühne leert sich und Ottavio bekommt Gelegenheit, die Nr. 21 "Folget der Heißgeliebten" zu singen - da kann nun die Dramaturgin Schmidt erzählen, was sie will, für  d e n  Tenor war die zweite Arie in jedem Falle am gestrigen Abend mühsamer als die 10 a. Es gab rhythmische Probleme, alles war unausgewogen, dann wieder diese Kadenz.
Alles zwar bemüht, aber es fehlt noch viel und es sollte auch für Regensburg nicht reichen. Hier wird ein Coach vermisst, der/die sich um so was kümmert.
Gleiches gilt auch für die Anna, da gibt es Zaubertöne, aber auch diese Unart des Überdrucks am Ende einer Phrase.

Beeindruckend die szenische Lösung für die 21 b.
Die Entwicklung Elviras im Krankenhausbett, der nach der Totgeburt Geschunden, wie sie das Tuch aus der Baby-Wicklung auflöst, sich über den Kopf zieht und zur Nonne wird. Das Symbol der vertrockneten Blattpflanze, das Lavoir auf dem Beistelltisch, als habe auch hier Ver.di mit Streik zugeschlagen und den Service im Krankenhaus eingestellt. Aber es gehört auch keine Topfpflanze in ein Krankenhauszimmer. Die nimmt Elvira dann mit und bei nächster Gelegenheit gießt Giovanni die trockene Pflanze - als wollte er ein Wiedererstehen ermöglichen.
Bei Herrn Puhlmann würde da aber anders vorgegangen - bisher wurde bei ihm nur hinters Sofa gepinkelt, was wird er wohl in Stuttgart Herrn Bieito erlauben - im Freien und für alle sichtbar zu besamen? War noch nicht da, gab es noch nicht. Die Stuttgarter werden sich noch wundern, wen sie da eingekauft haben, aber die haben auch Peymann überlebt.

Für die Nr. 23 wird wieder das Mausoleum - jetzt noch ergänzt durch drei Statuen, die in der Friedhofszene mit Giovanni und Leporello bewegt mitspielen - bemüht.
Anna singt und durch die 'Action', dem Anzünden von Kerzen, Verteilen dieser und Lilien (aus der Neuner-Otello-Produktion übrig gebliebene ?) auf den drei Statuen, ist sie beschäftigt, steht nicht für die Arie herum. Allerdings geht dabei Konzentration verloren, die sie bräuchte, um kultivierter, als sie sich bemüht, zu singen.
Ottavio wird von Anna als Kerzenhalter genutzt - so ist er präsent und nimmt die Erläuterungen Annas kniend entgegen.

Das Ende naht, Giovanni reizt den Komtur so lange, bis der nun als Schattenmann auf der rückliegenden Operafläche erscheint. Hier stellt sich die Frage, warum die Regisseurin nicht die Statue verwendet, die schon als die des Komturs während der 23 und am Friedhof 'mitspielte' - sie könnte Giovanni 'mit Macht aufs Herz schlagen' - es wäre näher liegender als die Projektion.
Giovanni torkelt trotz dieses szenischen Mankos pantomimisch zwischen imaginären sich nähernden Wänden, Feuer in Form eines roten Schals von oben - hinter dem er letztendlich verschwinden kann, um das Schluss-Sextett nicht zu behindern und endlich aus der Welt zu scheiden.

Aber von wegen.
Keck erscheint er in der oberen Proszeniumloge und schaut hinunter auf die Kollegen. Der ewige Stenz - a bissl geht immer was - feiert fröhliche Urständ - die unten gieren ihn an, vor allem Anna. Sie wickelt sich in den herab gefallenen Feuervorhang und denkt über die damalige Amoure mit Giovanni nach.
Und der gibt noch eins drauf:
nach dem letzten Ton den Applaus für die Kollegen beginnend.

Eine optisch schlüssige, sehr lebendige Produktion, die ein Dauerrenner werden kann wie weiland der Bleiziffer'sche 'Faust I'. Und so wie den, schaut sich das Volk auch den Giovanni nicht nur einmal an.

Angela Brandt war die Regisseurin, die Möglichkeiten des Theaters Regensburg geschickt nutzend.


Dieter Hansing - Abonnent

 



Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing



 

 


 

 

 



 

 



 

 



 

Werbung


 

Werbung


 

Werbung


 

Werbung


 

Werbung



 

Werbung



 

 

Werbung


 

Werbung



 

Werbung



 

Werbung



 

Werbung



 

Werbung