Theater Regensburg
27. September 2008

Premiere

'Er war von je ein Bösewicht'

 

 

 
 

Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften 
zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   04.01.2010 - dradio.de

 
 
 
 

 Announcement Theater Regensburg

Der Freischütz

Romantische Oper in drei Aufzügen
Dichtung von Johann Friedrich Kind
Musik von Carl Maria von Weber (1786-1826)

Musikalische Leitung: Raoul Grüneis
Inszenierung: Raik Knorscheidt
Bühnenbild und Kostümbild: Ruth Schaefer, Ausführung Rainer Sellmaier

Der junge Jäger Max hat ein großes Problem: Er liebt Agathe, die Tochter des fürstlichen Försters Cuno. Um sie jedoch heiraten zu dürfen und zugleich Erbförster zu werden, muss er einen schweren Probeschuss ausführen. Doch seit einiger Zeit scheint Max vom Glück verlassen – immer wieder verfehlt er seine Ziele. Schon sieht er sich dem Gespött der Bauern ausgesetzt. In seiner Verzweiflung wird er zum willigen Opfer des zwielichtigen Jägers Kaspar, der mit dunklen Mächten im Bunde steht. So gelingt es Kaspar, Max zum Gießen von Freikugeln des Nachts in die Wolfsschlucht zu locken. Die Macht des Schwarzen Jägers Samiel bewirkt, dass sechs Freikugeln unfehlbar das  gewünschte Ziel treffen, die siebte jedoch dem Schwarzen Jäger gehört. Diese Kugel wird  ein unschuldiges Opfer treffen und das teuflische Bündnis zwischen Kaspar und Samiel verlängern. Nichts ahnend ist Max kurz vor seinem Probeschuss nur noch im Besitz der siebten Kugel. Er schießt und  Agathe fällt. Doch sie wird beschützt von den geweihten Rosen ihres Brautkranzes. An ihrer statt stirbt Kaspar. Das Machtwort eines alten Eremiten verhindert, dass der Fürst den reumütigen Max aus der Gemeinschaft verstößt. Der Probeschuss wird abgeschafft und Max darf nach einem Jahr seine Agathe heiraten.

Der „Freischütz“ gilt als erste deutsche romantische Oper. Irrationale Handlungsmomente und die düstere atmosphärische Dichte der Wolfsschlucht treffen hier auf die reglementierten Konventionen der Jäger. Dazwischen, hinter den scheinbar so harmlosen Jägersliedern, lauert jedoch immer auch der Abgrund der Wolfsschlucht.

 

Besetzung
 
     
Ottokar, böhmischer Fürst Adam Kruzel    
Cuno, fürstlicher Erbförster Martin-Jan Nijhof    
Agathe, seine Tochter Katharina E. Leitgeb / NN    
Ännchen, eine junge Verwandte Julia Amos / Gesche Geier    
Caspar, 1. Jägerbursche Seymur Karimov    
Max, 2. Jägerbursche Markus Ahme    
Ein Eremit Sung-Heon Ha    
Kilian, ein reicher Bauer Michael Berner / Brent Damkier    
Vier Brautjungfern NN    
Sepherl / Samiel, der Schwarze Jäger Dominique Jandausch    
       

Übernommen von der Internetseite Theater Regensburg am 16.7.2008
 

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Napoleon zieht von Moskau ab, durch Preußen zurück nach Frankreich, die Menschen atmen auf, die Völkerschlacht von 1813 bei Leipzig hat ihn zwar vertrieben, nun aber beginnt hier die Restauration – die Wiederherstellung des Alten, vornapoleonischen Systems.
Die Karlsbader Beschlüsse von 1819 - nach der Ermordung des Dichters und russischen Staatsrats August von Kotzebue - sollen Ordnung gewährleisten.
Durch Zensur sind liberale Überlegungen als Volksverhetzung, zu bekämpfen. Publikationen bedürfen der Genehmigung.
Stein/Hardenberg’sche Reformen von 1806 sind zu stoppen, zurückzuführen, das monarchische Prinzip wird festgeschrieben.

Der Sieg der Reaktion über die Revolution, hieraus resultiert ein Spießbürgertum durch eine unterbrochene, zurückgedrängte Entwicklung und hat seinen eigentümlichen, abnorm ausgebildeten Charakter der Feigheit, Borniertheit, Hilflosigkeit und Unfähigkeit zu jeder Initiative. (Engels)

Es beginnt zur Zeit der Entstehung des 'Freischütz' eine Periode der politischen Unberechenbarkeit, Zersplitterung des Ganzen in kleine Systeme, die Kleinstaaterei bewirkt Komplexe des Einen dem Anderen gegenüber.
Es wird gegen liberale Bestrebungen vorgegangen, Burschenschaften verboten, eine zentrale Untersuchungskommission gegen revolutionäre Untriebe und demagogische Verbindungen. Bundesstaaten dürfen gegeneinander vorgehen, falls in dem einen revolutionäre Entwicklungen dort nicht verhindert werden können.
 

 

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Die Menschen suchen nach Identität, suchen sich in der neuen Realität zurechtzufinden, Die Erinnerung an Brauchtum, das sich Einbinden in Familie und Freundschaften durch gemeinsame Interessen, mit ihrer Verwurzelung in der Natur, Kraft und Stärke werden beschworen, ‘Was gleicht wohl auf Erden’- die Individualtät tritt zurück in den Gruppengedanken: ”Wir winden dir den Jungfernkranz”.
Die Sorge des Einzelnen, rufenden dunklen Mächten zu folgen, das Abenteuer zu wagen - zumal in der damaligen Literatur Schauergeschichten überhand nahmen und z.B. in Marschner’s Opern ‘Der Vampir’ oder ’Hans Heiling’ die Opernbühne beherrschten, aufgehoben wird, durch das Bewusstsein, in die Solidarität zurückkehren zu können..

Deutschland ist wieder in zwei Systeme aufgegliedert, der restaurierte Feudalstaat und das Bürgertum – zu einem der beiden gehören sie.
Der Freischütz zeigt “die totale Subordination vom Bauer Kilian zum Jägerburschen, zum Förster, zum Fürsten, zum Eremiten, zu Gott.” (Mayer)

Kind und Weber treffen genau die Menschen in ihrer Masse, sie bieten der gemeinen Bevölkerung das Singspiel mit Obrigkeitsdenken, mit Gehorsam, mit überkommenen Riten, mit Wald und Natur, mit unausgelebten Freiheitsbestrebungen, mit christlichem Hinweisen wie ‘Wer glaubt, ist nie allein’, die heute noch propagiert werden auf der einen Seite und Wissen um die Naturgesetze auf der anderen.
Richard Wagner greift gerade letzteres Thema dreißig Jahre später in seinem Lohengrin wieder auf, Elsa und Lohengrin, das helle, Ortrud und Telramund, das dunkle Paar gemäß dem hell-dunkel Schema. Ähnlich dem Vorläufer dieses, Eglantine und Lysiart, gegen Euryanthe und Adolar.

Elitäre, höfische Lustbarkeit mit französischer und italienischer Oper in höchster szenischer und musikalischer Vollendung und ihr gegenüber mit zum Teil volksverbindender Tümelei -z.B. in Parodien - macht gerade vor den Theatern nicht halt.
Die Hoftheater, mit ihren opulenten Produktionen und Virtuosen auf der Bühne und ihr gegenüber die Opera comique, die sich das Bürgertum mit dessen Vergnügungen zum Thema macht und auch der Protest gegen die höfische, pompöse Große Oper, gegen das hohle, heroische Pathos, gegen das Erstarrte, das Veraltete. In den Stücken an der Opera comique sah sich das Volk auf der Bühne wiedergegeben.

Als Weber seinen Freischütz an die Königliche Oper nach Berlin gibt, wird dem Werk dort ‘der Zutritt’ verwehrt, da an diesem Haus Spontini, von Friedrich Wilhelm III. als Generalmusikdirektor eingesetzt, seine Vormachtstellung behaupten kann und zur gleichen Zeit – am 15. Mai 1821, mit 42 Proben im Stil der französischen Grand Opera seine ’Olympia’ herausbringt.
Bei der Premiere an der Berliner Hofoper - Schinkel war der Ausstatter und Spontini dirigierte selber - wurde der Komponist mit Lob überschüttet, die Presse musste auf Weisung des Hofes positiv berichten, kritische Bemerkungen wurden von der Zensur gestrichen, doch das Publikumsinteresse ließ trotz des Pomp sehr schnell nach.
Hoffmann hatte den Text der ‘Olympia’ nach der Pariser Uraufführung bearbeitet, war also an die Produktion gebunden und lässt sich dann wohl notgedrungen in der Vossischen Zeitung eher abfällig über den Weber’schen Freischütz aus, der vier Wochen später für den 18. Juni 1821 - auf den Tag genau sechs Jahre nach Watterloo - im Schauspielhaus am auf Anhieb die Bevölkerung gewinnt, von unglaublichstem Enthusiasmus ist die Rede.

Das Werk zeigt eine Schauergeschichte, die Gegenüberstellung von Tat und Strafe, von Gnade und Großzügigkeit. Das Gute siegt über das Böse, selbst wenn die Anlagen, den Lockungen des Bösen zu erliegen und selbst zum Akteur zu werden, die in jedem stecken, hier deutlich gemacht werden. Nicht die Naturkräfte sind das Böse, sondern der Mensch, der sie für sich missbraucht – Samiel durch Kaspar.
Eremit, der Verkünder humanistischer Menschheitsbotschaft gegen Samiel und dazwischen das Publikum in Jubel sich auflösend, da es sich da oben auf der Bühne wieder erkennt.

Das tragische Ende der Apel’schen Urfassung im 'Gespensterbuch' - Käthchen wird erschossen, die Mutter der Braut stirbt unmittelbar nach dem Todesschuss, der Vater bald darauf, Wilhelm endet im Irrenhaus - und nehmen Kind und Weber heraus, sie wollten dem Publikum kein solches Ende zumuten und ändern in die bekannte Fassung.
“Das Ganze schließt freudig.“

Kind versuchte nach dem großen Erfolg des Freischütz, seinen Anteil besonders herauszuheben, was auf die Dauer zu einer Verstimmung mit Weber führte. 1843 veröffentlichte der Librettist ein ‘Freischützbuch’, das seine Wertigkeit herausstellen sollte, ihm aber nur schadete.
So wandte sich Weber der Helmine von Chezy zu, die ihm den Text für die Euryanthe für Wien verfasste, ”diese romantische Sykomore” konnte ”ganz flüssige Verse, nicht ohne Wohlklang” schreiben - und doch reichte das nicht, den Freischütz zu toppen. (Bulthaupt)
 

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Die Möglichkeit, an einem Einführungsvortrag zu einer Neuproduktion an einem Theater teilnehmen zu können, ist in jedem Falle zu nutzen. Ob sich das Regieteam nun drum herum drückt, Auskünfte zum Inszenierungskonzept zu erteilen, mit dem Hinweis, dass man nichts verraten wolle, es führt zu Erkenntnissen oder wie im Falle von Raik Kornscheidt, der ausführlich zu seinen Überlegungen den 'Freischütz' in Regensburg auf die Bühne zu bringen, Stellung nahm, zeigt, wie mit dem Publikum umgegangen wird.
Im ersteren Falle führt sich das Haus als Bildungsstätte selbst ad absurdum.
Reclam's Operführer runter zu lesen, ist nicht das, was ein Theaterbesucher sich unter einem Einführungsvortrag vorstellt und von ihm erwartet.

So wird der Interessierte eher 'das Knorscheidt-Angebot' in Anspruch nehmen wollen, zumal dann, wenn wie bei ihm, es wirklich etwas zu vermitteln gilt, das zum Verständnis der Produktion beiträgt und zusätzlich es dem Regisseur ermöglicht, zu zeigen, dass schlussendlich das Stück dann auch so auf der Bühne zu sehen ist wie er es vortrug.

In Regensburg hat es in der Vergangenheit immer wieder Geheimniskrämereien um die Konzepte der Regisseure gegeben, die zwangsläufig zu Irritationen führen mussten, da der Zuschauer in der Vorstellung etwas anderes sah und sieht, als ihm im Einführungsvortrag irreführend oder noch während der Laufzeit der Produktion über das Internet vermittelt wurde und wird.

Raik Knorscheidt schilderte während der Einführung in das Werk am 21.9.2008 die Abläufe in großer Breite, so dass der Zuhörer sich ein Bild als Vorbereitung auf die Vorstellung machen konnte.
Darüber hinaus ermöglicht er nun über das Programmheft weitere Einblicke in seine Überlegungen.

RK hat eine Bühne nach den Entwürfen von Ruth Schäfer zur Verfügung, die ihm Spielmöglichkeiten bis weit in die Tiefe des Raumes bieten, die seitlichen Begrenzungen laufen sich nach hinten verengend zu, es entsteht ein Schalltrichter, der den Sängern hilft, bei Positionen in der Bühnentiefe, mit unforcierter Tongebung, den Zuschauerraum über den Orchestergraben hinweg zu ereichen.
Für die Wolfschluchtszene senkt sich die Rückwand nach hinten, die vorher durch Hochfahren die Abgrenzung von Agathes Zimmer nach hinten bildete, ein Deckel begrenzt den Bühnenraum oben. Klappen im Boden und in dem Bühnendeckel ermöglichen Auftritte oder Schächte für Beleuchtungskegel. Ein Baumsegment ragt drohend in die Szene.
Wenn's um's 'gemeinschaftliches Singen' geht, positioniert Regisseur Knorscheidt die Sänger an die Rampe und stört nicht durch hier unnötiges Regietheater.

RK führt seine Sänger unter dem Aspekt, es handle sich hier um eine Wohngemeinschaft in einer abgelegenen Gegend, ein Tal vielleicht wie das eines gewissen Flusses, Bergzüge wie die örtlichen im Norden wie Süden und auch im Westen, so dass nur nach Osten eine Öffnung in die freie Landschaft besteht. Hier in diesem Tal leben die Menschen mehr oder weniger nur mit sich beschäftigt, der Blick über die Berge wird tunlichst vermieden.

Fröhlich in ihrer Einfalt feiern sie Feste jeder Art, lieben Sang und Tanz und necken sich meist aus neidigen Empfindungen, haben ihre Jagd- oder Gesangsvereine oder Angelvereine, sitzen und häkeln, stricken oder spinnen, und dass da mal die eine dem anderen in die Hose greift oder der andere der einen unter den Rock langt, ist doch nichts ungewöhnliches.
Alles soll möglichst normal sein und so normal auch weitergehen, nur nichts ändern.

Der Chor übernimmt hier in seinen Jäger- und Bauerntrachten - Entwurf Ruth Schaefer - wie selbstverständlich die Vorgaben, spielfreudig und kraftvoll singend - Leitung Christoph Heil - setzt er 'die Bevölkerung' in Szene und die Intentionen der Regie freiwillig um.
Es handelt sich also nicht um befohlene Jubelhandlungen, wie man anfänglich hätte vermuten können. Eine Gruppe von Menschen, die ohne Arg und Ressentiments mit einander lebt. Man kann nicht sagen, jeder schaue sich um, in Sorge, etwas permanent verbergen zu müssen. Dies wäre auch durch die  musikalischen Vorgaben kaum umsetzbar, es sei denn es wären solche Auftritte wie seinerzeit in der 'Zone' üblich oder wie weiland bei Orff's 'Bernauerin' im Schlosshof der Prinzessin von Thurn und Taxis mit Winken mit roten Fähnchen durch den Regensburger Theaterdirektor inszeniert, dargeboten worden.

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Regisseur Raik Knorscheidt gestaltet die Rolle des 'Sepherl' und des Samiel mit gleicher Darstellerin.
Das sehr unbedarft anmutende Wesen geistert, hampelt behindert durch das Stück, baut aber durch sein Unbeholfensein, seinen auffällig anormalen Bewegungsabläufen eine besondere Spannung inmitten der übrigen 'Normalen' auf.
Ob er sich nun zwischen die Chorleute stellt, den Solisten 'zur Hand' geht oder ihnen im Wege ist - Aktionen werden auf diese Weise durch eine solche besondere Klammer zusammengefasst.
'Sepherl' kommt mit der Brautkrone, er hat die Schachteln verwechselt, die Todeskrone setzt er Caspar auf - allein dieser Figur durch die Vorstellung zu folgen, bietet genügend Möglichkeiten der Anschauung, die zeigen, wie der Regisseur konsequent formt, ohne das Stück zu verlassen.

Der Zuschauer findet sich nicht plötzlich in einer Bar, statt in der amerikanischen Wüste - wie in der Inhaltsangabe 'Manon' im Internet noch heute ausgeführt - wieder oder die Druidenpriesterin Norma wird nicht zur verkümmerten, spannungslosen Hausfrau, die gerade für den heimkehrenden Liebhaber den Tisch deckt.

Dominique Jandausch gelingt es als 'Sepherl', unaufgesetzt, den Zuschauern die Handlung auf besondere Weise zu verdeutlichen, den Teufel über 'Sepherl' im Samiel durch naives Spiel zu personifizieren und damit die permanent vorhandene Heimtücke 'des Bösen' zu verdeutlichen.

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Der Max von Markus Ahme ist ein junger, groß gewachsener 'Wildling', ein Jung-Siegfried, der das Fürchten nicht gelernt, der auch noch nicht so recht weiß, wo es für ihn als Max lang geht, überfordert ist er mit altem 'Jägerlatein', Probeschussforderung und wohl auch als Liebhaber Agathens. Dass sich diese innere Bangheit auf sein Singen überträgt, ist fast zwangsläufig.

'Bewundernswert' wie er das Herunterdrücken der Zungenwurzel beherrscht und er hierdurch den hellen Vokalen und Umlauten einen 'besonderen Sound' zu verleihen in der Lage ist, der sehr stark an Herbert Ernst Groh erinnert.
Sein kraftvoll und wohl fast nicht zu ermüdender, hell timbrierter Tenor gäbe ihm die Möglichkeit, allerdings unter spezieller Beratung und Kontrolle, sich 'in der richtigen Weis' weiterzuentwickeln und die Technik um- und auszubauen.
Bis zur Selbstaufgabe folgt Markus Ahme den Vorgaben der Regie, den Max zu einer in sich unsicheren Ausnahmefigur zu führen. Er ist nicht der typische, meist zu elegisch angelegte, Rollenvertreter.
Schon im 'Hutmacher' wurde deutlich erkennbar, dass hier Potential, stimmlich wie auch darstellerisch, noch ungeschliffen zur Verfügung steht.

Katharina Leitgeb verkörpert auf nahezu vollendete Weise 'die Lyrische', hier nun als Agathe. Sie vermag dadurch der Rolle im Spiel die Intensität zu verleihen, die dem Zuschauer verdeutlicht, in welchem Zwiespalt sie sich hier befindet. Die Traumerzählung - in der Ausdeutung durch den Regisseur - ermöglicht dem Zuschauer, ihr Innerstes zu erfassen - Caspar war ihr zugesprochen, er fasziniert sie bis in die Träume, sie kann kaum von ihm lassen.
Interessant, den stimmlichen Reifungsprozess aus den Anfängen der Sängerin bis hierher nachzuvollziehen. Routiniert und aufgrund ausgefeilter Technik, ohne sich groß Gedanken um das Gelingen von Einzeltönen machen zu müssen, setzt sie sich mit der Gestaltung der Gesangspartie auseinander.
Es gelingt ihr, mit sorgsam geführter Stimme, besonders Diminuendi und Piani wie beim As in der Kavatine 'nimmt aller Wesen liebend wahr', die kraftvollen Passagen meist 'wohlbehütet', zu Gehör zu bringen. Gelegentlich erkennbare 'Restatemsituationen' hängen mit ungünstigen szenischen meist Sitz-Positionen zusammen.
Der an die Zeit der Michaela erinnernde Überdruck am Ende von Phrasen ist sicher nur einer momentanen Anspannung zuzurechnen. Die Antonia war frei hiervon, die Manon wird zeigen, ob Korrekturen notwendig sind.

Neben ihr, nicht weniger präsent, das Ännchen von Julia Amos. Zur Betreuung der Braut am Polterabend herbeigerufen, trifft sie auf Max, der sehr deutlich abgewiesen wird. Ein Beispiel, wie der eigentliche Handlungsstrang durch derartige Ergänzungen auf einfache Weise verdichtet werden kann.
Als Vertraute der Agathe ist sie ihr besonders seit langem sehr nahe, sie verstehen sich unausgesprochen, wissen um die Macht des Bildes, das zu Boden fiel und nicht wieder richtig hängen will, Zeitveränderungen dokumentierend.
Frau Amos zeigt, wie sie sich ernsthaft des Ännchens annimmt und sie sich so dem Publikum überzeugend präsentieren kann.

Seymur Karimov, nach Masetto, Silvano, Malatesta, Athlet - nun in einer ihn weiter  führenden, tragenden Rolle, die ihm hier die verschiedensten Möglichkeiten durch die Intentionen des Regisseurs bietet.
Er ist nicht nur der 'Finsterling', der seine Partie als Gegenpol zur Lichtgestalt des Tenors herunter singt, sondern er ist als der heimliche Liebhaber der Agathe besonders gefordert, kann dies während der von ihr geträumten Wolfschluchtszene auch intensiv ausspielen.
Er verzaubert Agathe geradezu - wie er den Schleier um sie legt, die Augen zu der entsprechenden Textstelle küsst - und er spielt sehr eindrucksvoll aus, wie der Regisseur die uns heute befremdenden Kind'schen Textstellen hinter der Ausformung durch das Spiel verschwinden lässt.
Die noch junge Stimme zeigt Möglichkeiten der Entwicklung auf, die aus den bisherigen Rollen nicht so ohne Weiteres abgeleitet werden konnten. Ein bassiges, kerniges Timbre, eine ausgefeilte Technik, guter Sitz der Stimme erlauben Ausblicke auf größere Aufgaben, zumal die Fähigkeit, Figuren zu gestalten, bei ihm besonders ausgeprägt ist.

Martin-Jan Nijhof ist ein edler Erbförster Cuno, kein tateliger Alt-Bass, elegant in Auftreten und gesanglicher Gestaltung der Rolle.
Für ihn naht der Figaro-Graf und der Wozzeck. Beide Partien müssen mit einer gewissen Sorge erwartet werden, liegt doch gerade der Wozzeck für einen Bass sehr hoch und das nicht nur mit einmaligen Spitzentönen, sondern durchgängig über den Abend.
Sung-Heon Ha als Eremit nicht weniger eindrucksvoll - beide Bässe sind Ausnahmestützen des Ensembles.
Adam Kruzel vermag dem Ottokar schrullige Züge zu verleihen, stimmlich ist diese Rolle - auch wenn höhenbelegt - kein Problem.
Michael Berner, der neue Tenorbuffo, hat mit dem Kilian stimmlich wie darstellerisch keine Probleme, im Übrigen: kein Genäsel und Geknödel.

Chor und Orchester wurden mit zarter, einfühlsamer Hand durch das Stück geleitet, besonders getragen konnten sich die Solisten fühlen, Dirigent der scheidende Generalmusikdirektor Raoul Grüneis. Selten war er so überzeugend wie heute.
 

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Besonders erfreut war der Zuschauer, der sich vorher im Internet auf der Homepage orientierte, dass es der Theaterleitung Regensburg doch noch gelungen war, zu Vorstellungsbeginn am 27.9.2008, 19.30 Uhr die Damen für die Rollen der Brautjungfern festzulegen.

Ist doch noch heute am Tag nach der Premiere immer noch ein geheimnisvolles NN ausgewiesen, zeigt der Einleger im Programmheft, dass Myriam Chaves de Kühner, Elena Lemke, Anna Ryndyk und Verena Ulrich die Einkleidung der Braut Agathe bei der Premiere übernehmen durften.
 
 


Screenshot
28.9.2008
http://www.theaterregensburg.de/


 

Es stellt sich also die Frage, wie ernst die Regensburger Theaterleitung ihre Aufgabe nimmt.
Dass die Zweitbesetzung der Agathe zur Premiere noch nicht unbedingt feststehen muss, ist eine Frage der Dispo.
Dass aber die Brautjungfern für den aktuellen Abend nicht ausgewiesen sind, lässt ganz eindeutig, ganz bestimmte Schlussfolgerungen zu.
 

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In vielen Details zeigt Raik Knorscheidt wie er sich mit der Führung der Personen auseinander gesetzt hat und es ihm auch letztlich gelingt, die eigenen Ideen umzusetzen.

Das Bett der Agathe zieht sich beispielsweise durch das Stück, eine Schlafstatt für den einen, eine Spielwiese für eine Kissenschlacht, wenn 'Hörner erschallen', eine Rückzugsfläche zum Ausleben eines momentanen Bedürfnissen von Geborgensein oder für die Verführung Agathes und Caspar in der Wolfsschlucht .
Der Regisseur gestaltet um und vermeidet so - besonders in dieser Szene - die sonst so üblichen Peinlichkeiten, die sich schon aus dem Text ergeben.

Hier kommt ein junger Regisseur auf, der nachdenkt und dann Sinnvolles auf die Bühne bringt.
Es ist zu wünschen, dass ihm Aufgaben zugeteilt werden, die ihn fordern. Förderung ist hier angesagt - mehr jedenfalls als bei manchem, der sich sonst so herumtreibt und meint, er könne dem Publikum seine Dümmlichkeiten vorsetzen.

Das Regensburger Publikum zeigte sich am Premierenabend überrascht und äußerte sich gegenüber der Inszenierung zögerlich, während die Leistungen der SängerInnen ausnahmslos anerkannt wurden.
 
 

Als Premieren-Abonnent Theater Regensburg und Abnehmer von Karten aus dem freien Verkauf
dieses und anderer Theater veröffentliche ich auf dieser privaten Homepage meine Meinung.
Ich
verstehe die Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthalten die Texte auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
In die Texte baue ich gelegentlich Fehler ein, um Kommentare herauszufordern.
Dieter Hansing



 

 


 

 

 



 

 



 

 



 

 

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