Theater Regensburg

  
  29.03.08

      Uraufführung

      "Wa-wa-wa
     Wo-wo-wo
     We-we-we"

     'Der Hutmacher'
     
  

 

 
 

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Announcement Theater Regensburg

Der Hutmacher

Oper
Uraufführung
Text von Franz Csiky (*1950)
nach der gleichnamigen Erzählung von Thomas Bernhard
Musik von József Sári (*1935)

Musikalische Leitung: Raoul Grüneis
Inszenierung: Ernö Weil
Bühne und Kostüme: Frank Lichtenberg

Ein alter Hutmacher sucht den Anwalt in seiner Straße auf. Die Männer sind sich 20 Jahre lang begegnet, kennen sich jedoch nicht. Der alte Mann beginnt, seine Geschichte zu erzählen: Er berichtet von seinem florierenden Hutmachergeschäft, welches sogar nach Amerika exportiert. Sein Sohn arbeitet mit im Geschäft und trägt zum guten wirtschaftlichen Stand bei. Eigentlich ist der Hutmacher froh, seinen Sohn glücklich verheiratet zu sehen, jedoch be­ginnt an diesem Punkt sein Problem, welches er „Unglück“ nennt. Da der Sohn auf Anraten seiner energischen Frau das Geschäft erweitern wollte, musste der Hutmacher von seiner Wohnung im Erdgeschoß einen Stock nach oben ziehen, was er zunächst für eine gute Entscheidung hielt. Das immer weiter expandierende Geschäft und die ständig wachsende Kinderschar seines Sohnes treiben den Hutmacher Stockwerk um Stockwerk nach oben, bis er schließlich die Dachkammer beziehen soll – ausrangiert wie ein altes Möbelstück. Nachdem der Hutmacher dem Rechtsanwalt das alles berichtet hat, verlässt er ihn. Der Anwalt bleibt verwirrt zurück und ahnt: dies war kein normales Klientengespräch. „Zwei Tage später berichtet die Zeitung von einem Mann, der durch einen Kopfsprung aus dem im dritten Stock gelegenen Mansardenzimmer Selbstmord begangen hat. Der Selbstmörder ist der Hutmacher.“
Die literarische Vorlage für den „Der Hutmacher“ ist ein noch unveröffentlichtes Werk des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard – ein anrührender und zugleich grotesker Text über die Familie als lebensbedrohliche Form des Zusammenlebens. Für die Vertonung konnte mit József Sári einer der bedeutendsten ungarischen Komponisten der Gegenwart gewonnen werden. Franz Csiky formte aus der unvergleichlichen Prosa Bernhards das Libretto.

Wenn Sie mehr über das Handwerk eines Hutmachers wissen wollen, dann schauen Sie sich diese Homepage an: www.hutmacher.de

Besetzung      
Der Hutmacher Markus Ahme    
Der Rechtsanwalt Adam Kruzel    
Sein Sohn Michael Suttner    
Schwiegertochter Susann Hagel    
Drei Journalisten Gesche Geier, Ruth Müller, Anna Peshes    
Stand: 13. Juni 2007
   

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"Die Ehe ist ein Unglück"


Geradezu rührend wie der Direktor des Oberpfälzer Metropol-Theaters Regensburg behutsam - auf dass sie nicht stürzen - Librettist Franz Csiky und Komponist Jósef Sári nach der Vorstellung ‘Der Hutmacher’ über den schmalen Steg am Orchestergraben entlang zum Applaus führte.

Die Zuschauer empfingen beide mit sehr aufmerksamem Beifall - noch einmal durften die beiden alten Herren sich Dank der Initiative von Regensburgs herausragender kultureller Einrichtung mit einem eigenen Werk der Weltöffentlichkeit präsentieren.

"Wir wollen mehr sein als die Metropole der Oberpfalz" - hatte Oberbürgermeister Johannes Schaidinger den Bürgern der Stadt am 17.3.2005 zugerufen, als 2010 für Regensburg verloren ging. Die Messlatte habe man mit der Bewerbung um die Kulturhauptstadt Europas hoch gelegt und nun habe man sich daran zu orientieren.

Dieser Maxime folgende gab es in dieser Spielzeit schon eine Uraufführung als Chefstück und Regensburg kann sich glücklich schätzen, dass der hiesige Theaterdirektor über so gute Beziehungen in jede Himmelsrichtung verfügt - nach Norden zu Lewandowski im Frankenland, was zum ‘Collier des Todes’ führte, naturgemäß auch nach Osten, um von dort eben jetzt den ‘Hutmacher’ bereiten zu lassen und ‘weiter noch als du denken kannst’.
Eine Möglichkeit durch Uraufführungen, auf sich aufmerksam zu machen - mit Repertoire kann man unter dem grünen Dach Europas nicht punkten - so halt dreimal Uraufführung, dreimal? - Es kommt ja noch ‘Die blaue Donau’.
 

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"Gerade die hohe Intelligenz meines Sohnes war es ..."

Einen Thomas Bernhard-Text einer Dramatisierung zugrunde zu legen, ist an sich schon ein Vorteil, sieht man dagegen einen Lewandowski.

Wird das Problem einer Textvorlage betrachtet - erinnert sei an die acht Librettisten für Puccinis ‘Manon’ - ist es nachvollziehbar, dass Lortzing und Wagner es vorzogen, eigene Worte für die eigene Musik zu schreiben und diese somit nahtlos miteinander zu verbinden.

Auch das Schauspiel im 18. und 19. Jahrhundert fand einen neuen Weg, weg von der Prosa.
Goethe wollte von Schiller für den Wallenstein eine rhythmische Deklamation. Hier dokumentiert sich ein Wendepunkt in der Geschichte des Weimarer Theaters unter Goethe als dortiger Intendant.
Aus der Musik gewonnene Auffassung übertrug Goethe auch ins Lustspiel bis in die Farce.

Bernhardsche Texte mit ihren Umstellungen und Wiederholungen so einfach mit Musik zu versehen, vermitteln außerordentliche - und schon kaum mehr ertragbare Eindrücke.

Hat er bereits in seinen Texten einen Rhythmus - warum also Noten darunter setzen. Aber auch Schiller musste u.a. mit ‘Räuber’, ‘Kabale und Liebe’ für Opern herhalten.

Man stelle sich vor - Bernhard beklagt selber die Epigonen, die seinem Stil nacheifern - es wäre Folgendes vertont worden, der Text von einem, der das Fürchten vor sich selber nie gelernt:

"Gestern hab ich geweint!
Du hast geweint?
Ich hab geweint!
Gretel, Eva hat geweint!
Du hast geweint?
Ich hab geweint!
...
Gestern hab ich geweint!
Ach so, gestern hast du geweint!
Gestern hab ich geweint!
Wir haben geweint!
...
Natürlich, wir haben geweint.
Sie haben beide geweint?
Wir haben zu Dritt geweint!
Sie haben zu Dritt geweint?
...
Wir haben zu Dritt geweint, mit unserer Schwester Ilse.
Du hast geweint mit deiner Schwester?
Mit meinen beiden Schwestern hab ich geweint!
Wir haben alle gestern geweint!
In Berchtesgaden!
In Berchtesgaden habt ihr geweint?
In Berchtesgaden haben wir geweint!"


http://heerrufer.de/Archiv_2002-2003.htm

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"Niemand, niemand kümmert sich um dich."

Die Bühne im Regensburger Velodrom, eine diagonal von vorne rechts nach hintern links verlaufende Schräge - getrennt durch die von Sängern so geliebte Gaze über die ganze Breite. Hinten Träume, vorne Realität - hinten viel Schatten und bedrückende Gedanken.

Der Regensburger 'Hutmacher' wird in musikalische Szenen durch Zwischenspiele und Arien wie Duette gegliedert. Die Intermezzi heben die Szenen voneinander ab - zerdehnen aber das Werk, behindern die Handlung und schaffen Pausen, die entweder durch ‘optische Aufmerksamkeiten’ durch den ach so beliebten Nachwuchs - 'Regensburger Kinder- und Jugendtheater' in Reinkultur - im Hintergrund gefüllt werden oder die beiden Protagonisten ohne Handlung, ohne Personenführung sich selbst überlassen bleiben.

Hier gilt es dann, wort- und tonlos Spannung zu halten. Da diese Situationen mehr oder weniger permanent eintreten, sind die Sänger von Rechtsanwalt und Hutmacher nur zu bedauern.

Beide haben ihren Platz auf der Vorderbühne neben dem räumlich eingeschränkten Orchestergraben, der rückwärtige - nach oben klappbare Teil der Bühnenschräge zeigt eine Häuserfassade mit illuminierten Fenstern, ansteigend bis in den dritten Stock - und wird heruntergeklappt vom Regisseur für die ‘eingeblendeten Personen’ genutzt.

Da tritt dann dort der Hutmacher-Sohn als Jüngling im lockigen Haar auf, die Schwiegertochter gibt ihre Lebensweisheit zum Besten, der Sohn altert, die Schwiegertochter wird immer unförmiger als trüge sie gerade Vierlinge aus (Übertreibung macht anschaulich) die Heranwachsenden stören mit Schnarren den Opa beim Klavierspiel - und vorne trocknen die Sänger des Anwalts und des Hutmachers vor sich hin.

Es wird vom Autor berichtet, Anwalt und Hutmacher wohnten nebeneinander und kennten sich nicht - eine heute besonders betrübliche, aber übliche Situation:
Kontaktarmut, Vereinsamung.
Im Stück 'Der Hutmacher' gehe man seit zwanzig Jahren in das gleiche Restaurant, betrete es der eine, verlasse es gerade der andere.

Hutmacher-Vater ist stolz, dass Hutmacher-Sohn auch schon mit 17 Jahren - so wie er selber - die Ausbildung beendet und er sich darauf gefreut habe, der Sohn verheirate sich gut.
Die Angeheiratete wird dann aber als Schwiegertochter zum Grund für die Zerwürfnisse - der Laden expandiert durch die Emsigkeit des Sohnes und zusätzlich wächst die Familie durch die Emsigkeit der Schwiegertochter.

Platz wird gebraucht.

Konsequenz: Hutmacher-Vater im Ausgedinge, dann im dritten Stock - am Altenteil.

Er leidet unter der dominanten Schwiegertochter, am in ihrem Kielwasser schwimmenden Hutmacher-Sohn.
Frustration, Verelendung - Austritt aus der Gesellschaft, Selbstmord als einziges Mittel, mit der Situation fertig zu werden.

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"Theater muss sein!"

Textverständlichkeit zeichnet den Interpreten des Hutmacher-Vaters aus - man kann das allerdings nicht auf die Gruppe der drei kommentierenden Damen - zu 'Zwitscherliesen' degradiert - beziehen, denen aber auch gar nichts von den Lippen abzulesen ist.

Dass auch ein deutscher Spiel-Tenor nicht besser artikuliert, erstaunt - also Wortverständlichkeit nicht bei allen. Und auch die Schwiegertochter könnte ebenfalls besser sprechen, gut, da ist für einen Sopran das Abdecken der hohen Töne wichtig, was nutzt es, wenn der Text verständlich kommt, alles aber gezirpt oder geplärrt klingt.

Der Heldenbariton hat kaum Möglichkeiten der Entfaltung - stimmlich liegt diese Partie ohne größere Herausforderung. Wäre nicht die Warterei auf den nächsten Einsatz und das Spannunghalten über lange Fristen.

Die ausgeprägte Textverständlichkeit durch Hutmacher-Vater trägt dazu bei, dass die Zuschauer weitestgehend ‘attend’ bleiben und es erstaunt, dass bei des Publikums unruhigem Rumgerutsche auf den Sitzen, von diesen diese nicht stürzen.

Die helle, hochliegende, vornsitzende Tenorstimme - ohne Knödel, ohne Näselei - von Humacher-Vater ist - neben den von diesem Interpreten gesungenen Oratorien, Messen, also für den Konzertbetrieb - prädestiniert für diese Rolle. Aber es ist nicht nur Text, der gesungen werden will, da geht es mit Tönen übers G hinaus, die bewältigt werden müssen.

Lauscht man ‘der Stimme Ton’, so lässt sich in Jahrzehnten doch schon der ‘Sohn des Himmels’ mit seinem ‘Du todestrunkener Fremdling’ ahnen - aber es dürfen Sorgen angemeldet werden, wenn es um eine großformatige stimmliche Gestaltung des ‘Nein, länger trag ich nicht die Qualen’ gehen wird.
Anders das ‘Wenn ich am Sonntag den großen Federbusch trag’ - hier wird es eine gute Möglichkeit geben, das Grelle des Über-Soldaten, eines Majors, abzuliefern.

Schön auch, dass Ansätze gemacht wurden, im Heldenfach Fuß zu fassen, aber solange nicht das Orchester wenigstens in der Lessingfassung spielt, sind Abstriche bei derartigen Aussagen notwendig.
Wagner ‘mit Klavier und Blockflöte’ verleitet zu falscher Selbsteinschätzung.

Und vor zu schwer, zu früh, zu viel muss wieder einmal gewarnt werden.
Er wäre nicht der erste Tenor, der seit 2002 am Oberpfälzer Metropol-Theater Regensburg Schaden nähme.
 

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"Die Höhe macht glücklich, glücklich, glücklich."

Bleibt nun noch die Schwiegertochter - wie ist die Frau so schlecht, man fürchtet ihren schlimmen Einfluss.
"Du machst Platz für das Geschäft, Geschäftserfolg braucht Raum“ - hören kann jeder etwas im Velodrom, verstehen kann das keiner von den Lauschenden, wenn sie keift, die angeheiratete Tochter, die für Umsatz mit Menschen sorgt und den Hutladen schmeißt. Erdgeschoss und zwei Stockwerke hat sie schon erobert - der Hutmacher-Vater begnügte sich mit dem Laden im Erdgeschoss und mit dem einen Restaurant, in das er zwanzig Jahre lang nach dem Tod seiner Frau zum Essen ging.

Das Stück ist zu lang, vor allem als Neutöner, die Besprechung der eigenen Wohnlage in den Häusern Nr. 7 und 9, die Restaurantfrage ist mit Noten nicht zu füllen, die Zwischenspiele zeigen sich als Füllsel (wurde der Komponist nach laufenden Metern Noten bezahlt?) - der Abend zieht sich hin und wäre nicht die formidable Leistung von Hutmacher-Vater und die Höflichkeit des Publikums vor dieser - der Saal leerte sich während der Vorstellung, zumal Spannung durch Details im Spiel kaum gezeigt werden, wie sich das abrupte Ende des Hutmacher-Vaters aufbaut.
 

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"Ja, eine Unmenge, eine Unmenge, eine Unmenge ..."

Die Kostüme - allerwelts- zeitlos, karikierend.
Unbedingt zu nennen, die Maske des Hutmacher-Vaters. Hier hat sich die Abteilung ein Denkmal gesetzt. Wie hier durch exakte Arbeit im Detail ein Altersgesicht entsteht, überraschte.

Der Noch-GMD war sogar noch unmittelbar vor der Vorstellung und nach Einlass bemüht, sich mit der Partitur vertraut zu machen, noch 12 Minuten vor Beginn stand er im Graben am Pult und blätterte die Noten durch. Theaterdirektor und Publikum schauten ihm dabei über die Schulter - Theater Regensburg hautnah wie es aber nicht sein soll.
 
 

Als Premieren-Abonnent Theater Regensburg und Abnehmer von Karten aus dem freien Verkauf
veröffentliche ich auf dieser privaten Homepage meine Meinung.
Ich
verstehe die Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthalten die Texte auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
In die Texte baue ich gelegentlich Fehler ein, um Kommentare herauszufordern.
Dieter Hansing

 


 


 


 


 

 

 



 

 



 

 



 

 

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