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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

18. Februar 1943

'Sportpalastrede'

 


 
Gustaf Gründgens war nicht zu erreichen.

Während der Reichspropagandaminister seine 'Totale-Krieg-Rede' im Berliner Sportpalast hielt, ließ sich GG von seinem Chauffeur durch Berlin fahren.
Eigentlich sollte GG mit dabei sein - wie alle Größen im Staat: Politik, Kunst und all die anderen, die Goebbels als Repräsentanten des Reiches ansprach.

Nachdem die Anwesenden benannt wurden, stellte der Reichspropagandaminister ihnen – quasi als Stellvertreter des Volkes – zehn rhetorische Fragen zum Vorhandensein der Kampfesbereitschaft, die vom Publikum erwartungsgemäß jeweils mit einem lauten „Ja“ beantwortet wurden. Die Fragen begannen zum Teil mit angeblichen Behauptungen der Engländer oder der Formel „Ich frage euch“, in Kurzform hießen sie:

„Glaubt ihr mit dem Führer und mit uns an den endgültigen, totalen Sieg der deutschen Waffen? […] unter Aufnahme auch der schwersten persönlichen Belastungen […]“

„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk sei des Kampfes müde. […] Seid ihr bereit […] diesen Kampf […] fortzusetzen, bis der Sieg in unseren Händen ist?“

„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk hat keine Lust mehr, sich der überhand nehmenden Kriegsarbeit […] zu unterziehen. […] Seid ihr […] entschlossen […] das Letzte für den Sieg herzugeben?“

„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk wehrt sich gegen die totalen Kriegsmaßnahmen der Regierung. Es will nicht den totalen Krieg, sagen die Engländer, sondern die Kapitulation. Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können?“

„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk hat sein Vertrauen zum Führer verloren. […] Vertraut ihr dem Führer?“

„Seid Ihr von nun an bereit, Eure ganze Kraft einzusetzen […], die Menschen und Waffen zur Verfügung zu stellen […], um den Bolschewismus zu besiegen?“

„Gelobt ihr mit heiligem Eid der Front, dass die Heimat mit starker, unerschütterlicher Moral hinter der Front steht und ihr alles geben wird, was sie zum Siege nötig hat?“

„Wollt ihr, […] dass die Frau [...] überall da, wo es nur möglich ist, einspringt, um Männer für die Front frei zu machen?“

„Billigt ihr […] die radikalsten Maßnahmen gegen einen kleinen Kreis von Drückebergern und Schiebern […]? Seid ihr damit einverstanden, dass, wer sich am Kriege vergeht, den Kopf verliert?“

„Wollt ihr, dass […] gerade im Kriege gleiche Rechte und gleiche Pflichten vorherrschen […]?“
Besonders das frenetisch zustimmende Geschrei als Antwort auf die Frage nach dem totalen Krieg ist als prägendes Bild in die Geschichte eingegangen.

Am Tag der Sportpalastrede legten Hans und Sophie Scholl in der Münchner Universität das sechste Flugblatt der Weißen Rose aus, das mit einem Körner-Zitat aus einem patriotischen Lied der Befreiungskriege endete:
„Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen!“

 

 

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
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Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
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Dieter Hansing