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Thema des Tages
'Drei Schwestern'
... am 31. Januar 1901 uraufgeführt
Anton Tschechow zeigt in seinem Schauspiel Figuren mit ihren eigenen
Problemen im Zusammenspiel miteinander, ohne einen zentralen
dramatischen Konflikt zu thematisieren.
Regensburg spielte das Stück zuletzt in der 'Ära' von Theaterdirektor
Weil.
Besprochen wurden die Vorstellungen vom 17. und 21. Mai 2009.
Zitat
Announcement
Theater
Regensburg
Drei
Schwestern
Drama
von
Anton
Tschechow
(1860-1904)
Inszenierung:
Annegret
Ritzel
Bühne
und
Kostüme:
Matthias
Müller
Tschechow erzählt in „Drei Schwestern“ lebendig und humorvoll eine Geschichte über Menschen auf der Suche nach dem Glück. Dieses psychologisch feingesponnene Meisterwerk ist zugleich eine Komödie über die Sehnsucht und eine Tragödie über unerfüllte Hoffnungen und Illusionen. Die Schwestern Olga, Mascha und Irina leben mit ihrem Bruder Andrej seit Jahren in einer tristen Provinzstadt, in die ihr Vater als Offizier versetzt worden war. Lediglich das im Ort stationierte Offizierskorps bringt Abwechslung in den Alltag. Der große Traum der Schwestern ist es, nach Moskau zurückzukehren, in die Stadt ihrer Kindheit.
Die drei gebildeten Frauen versuchen – jede auf ihre Weise – der verhassten provinziellen Enge zu entkommen, sei es durch Arbeit, Erotik oder Träumereien. Olga opfert sich als Lehrerin auf. Mascha ist unglücklich mit einem zwar gutmütigen, aber geschwätzigen und pedantischen Lehrer verheiratet und stürzt sich in ein Liebesabenteuer mit einem ebenfalls unglücklich verheirateten Oberstleutnant. Irina, die Jüngste, leidet unter ihrer Untätigkeit, ist aber noch voll Zuversicht auf ein erfülltes Leben. Sie wird von Baron Tusenbach umworben, der wie sie von sinnvoller Arbeit und einer goldenen Zukunft träumt. Zwar kann Irina seine Liebe nicht erwidern, willigt aber in eine Heirat ein. Tusenbach wird jedoch von einem anderen Verehrer Irinas, dem zynischen Soljony, im Duell getötet.
Andrej sollte seinen Schwestern durch eine akademische Karriere ein Leben in Moskau ermöglichen, aber er ist dem Glücksspiel verfallen und verliert das Familienerbe. Er heiratet die zickige und kindernärrische Natascha, die rabiat die Herrschaft im Haus an sich reißt. Als das Offizierscorps abziehen muss und die Stadt endgültig verödet, bleibt den Schwestern nur noch eins: ewiges Sehnen.
Aktueller Text vom 16.5.2009
„Drei Schwestern“ gilt als das perfekteste Drama Tschechows. Es gehört zu den seltenen Texten, die keinen ästhetischen oder gesellschaftspolitischen Konjunkturen unterliegen, sondern kontinuierlich ihren Platz auf dem Theater behaupten. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert schrieb der Autor, Arzt und Menschenkenner Anton Tschechow diese meisterhaft genaue, lebendige und humorvolle Geschichte über Menschen auf der Suche nach dem Glück. Der Theaterkritiker Alfred Kerr schrieb einmal: „Tschechow zeigt in diesem Stück das Elend aller, die heiraten – und das Elend aller, die nicht geheiratet haben.“ Olga, Mascha und Irina leben in der russischen Provinz und sehnen sich zurück nach Moskau. Dort sind sie aufgewachsen, bevor ihr Vater in die Provinzstadt versetzt wurde. Sie leben in großbürgerlichen Verhältnissen, sind gebildet und hoffen, dass ihr Bruder Andrej einen Ruf als Universitätsprofessor in die Hauptstadt bekommt und sie endlich zurückkehren können ins wirkliche Leben. Aber das Leben selbst verhindert dies. Andrej verliebt sich in ein spießiges Mädchen, das jeden mit ihrem allerliebsten Kind tyrannisiert, und wird Verwaltungsbeamter. Mascha, die unglücklich mit einem Lehrer verheiratet ist, verliebt sich in den Oberstleutnant Werschinin, die beiden leben ihre Amour Fou, bis er versetzt wird – sie werden sich nicht wiedersehen. Irina, die Jüngste, träumt von sinnvoller Arbeit, vom Ausbruch aus ihrem Dasein als höhere Tochter – und plant am Ende eine vernünftige, auf Respekt begründete Ehe einzugehen. Doch einen Tag vor der Hochzeit wird ihr Bräutigam von einem zynischen Nebenbuhler im Duell getötet. Auch Olga bleibt ledig und wird, was sie nie sein wollte: Direktorin am örtlichen Gymnasium. Wie in allen Stücken Tschechows geht es auch in „Drei Schwestern“ um Einsamkeit, Desillusionierung und die Suche nach dem Sinn des Lebens. Es ist ein ironisch-komisches Panorama, das von der Unfähigkeit der Menschen erzählt, die eigenen Träume und Sehnsüchte in die Realität umzusetzen.
Besetzung |
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Andrej Sergejewitsch Prosorow |
Jochen Paletschek |
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Natalja Iwanowna |
Johanna König |
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Olga |
Gabriele Fischer |
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Mascha |
Silke Heise |
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Irina |
Anna Dörnte |
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Fjodor Iljitsch Kulygin |
Michael Heuberger |
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Alexander Ignatjewitsch Werschinin |
Gerold Richard Ströher |
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Nikolai Lwowitsch Tusenbach |
Christoph Bangerter |
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Wassili Wassiljewitsch Soljony |
Roman Blumenschein |
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Iwan Romanowitsch Tschebutykin |
Miko Greza |
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Alexej Petrowitsch Fedotik |
Michael Haake |
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Wladimir Karlowitsch Rode |
Hubert Schedlbauer |
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Ferapont |
Paul Kaiser |
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Anfissa |
Doris Dubiel |
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Zitatende
In Moskau lebt Tschechow
in den 80er Jahren des
19. Jahrhunderts,
studiert Medizin und
ernährt Eltern und
Geschwister als
Artikelschreiber für
Zeitschriften - über 300
Texte in den ersten drei
Jahren seines Schaffens.
Hier schon hält er
seinen Zeitgenossen den
Spiegel vor - nicht
anders als Ibsen.
Der Puschkin-Preis und
ein hoher
Bekanntheitsgrad sind
das Ergebnis. Dann
beginnt die Tätigkeit
für die Bühne - es
entsteht 'Iwanow'. Dem
ist noch kein Erfolg
beschieden, wird von der
Kritik als Gewäsch
abgetan, erst nach einer
Umarbeitung kann sich
dieser Antiheld auch
beim Publikum
durchsetzen.
Alle Figuren bei
Tschechow ruhen, prallen
auf einander, leben und
lieben in den meisten
Fällen, den oder die
andere und reden völlig
untheatralisch, ohne
eigentliche Aussagen
aneinander vorbei.
Eine neue Dramaturgie,
keine leitende Idee,
keine Höhepunkte, keine
Hauptrollen, keine
Handlung und wenn ein
Ereignis eintritt, dann
hinter der Bühne oder in
der Pause zwischen
Akten. Danach wird nur
darüber reflektiert.
Es wird in Twschechows
Dramen Zeit und Leben,
oft in absurden
Situationen, oft auch in
Hoffnungslosigkeit
einfach so miteinander
verbracht, ohne dass
Ausschlaggebendes gesagt
oder viel bewegt wird.
Seine Anregungen erhält
er aus der Landpraxis,
die er als Arzt führt.
Hier sieht er die
Menschen mit ihren
Schwächen, Eigenheiten,
Nöten und ihrem Leid,
die dann als Figuren in
seinen Dramen Einlass
finden. Die Zeit, in der
sie leben, ist geprägt
von Ausbeutung und vom
Unterdrückungssystem des
Zarismus, Verbannung
nach Sibirien aus
nichtigen Gründen -
viele Arme, Hungernde -
und wenige Reiche.
Tschechow prangert,
trotz Sorge vor der
russischen Zensur, die
Zustände im
Gefangenenlager auf
Sachalin an, das er
selber 1890 besucht. Und
bewirkt tatsächlich
Hafterleichterungen.
Tschechows Dramen, ein
Sittengemälde, eine
Typologie der Charaktere
der Gesellschaft ihrer
Zeit - die
Gutsverwalter, die sich
bemitleidenden
Intellektuellen,
herumlungernde Soldaten,
alternde Kindermädchen.
Seine Kritik ergießt
sich über Schwätzer und
Salonschwadronierer, die
in Richtungslosigkeit
und Verfall wie in
seinen 'Drei Schwestern'
ausrufen - in wenigen
Jahren werde die Welt
wundervoll sein.
Oder im 'Kirschgarten' -
er wird versteigert und
die Gesellschaft, die
nichts gelernt hat,
feiert lieber eine
Party, ohne einzugreifen
und ohne Anstalten zu
machen, den Garten zu
retten.
Das aufstrebende
Bürgertum handelt und
nimmt sich, sieht zu wie
eine ganze soziale
Gesellschaftsschicht
scheitert und untergeht.
Tschechow hält den
Menschen den Spiegel vor
und ruft über seine
Werke und den darin
enthaltenen Spott auf,
sich aus Lethargie zu
lösen, nicht zu
stagnieren, nicht zu
resignieren, sondern
nach vorne zu schauen,
sich keinen Illusionen
hinzugeben und aktiv zu
werden.
Seine Stücke werden am
Petersburger
Künstlertheater
aufgeführt, seine Frau
Olga Knipper spielt
meist die Hauptrollen.
Es muss den Darstellern
der neue realitätsnahe
Stil erst beigebracht
werden, noch zu sehr ist
man im Pathos verhaftet.
Zu viel Gejammer, zu
wenig Wahrhaftigkeit
kritisiert er. Ehrliches
Spiel, statt
theatralischem
Schnick-Schnack,
Deklamation,
Künstlichkeit in großen
Gesten.
Der Leiter des Theaters,
Konstantin Sergejewitsch
Stanislawski, nimmt die
Kritik auf und erdenkt
eine neune
Darstellungsmethode, die
weltweit Auswirkungen
haben wird. Später
übernimmt sie Lee
Strasberg und schult in
Amerika Darsteller in
Sachen 'Menschlichkei'
und 'wahres Leben' auf
der Bühne wie man eine
Rolle 'ist' und sie
nicht nur 'spielt'.
Den Anstoß hierzu gab
Anton Tschechow mit
seinen Werken.
Aber auch Dramatiker wie
Giraudoux, Annouilh,
Pinter, O'Neill bis
Albee lernten von ihm,
Shaw nannte sich
Tschechow's Schüler.
Anton Tschechow, der
Spezialist für
dramatische
Sittengemälde, der über
Leute, die essen, die
trinken und herumhängen
und dabei Unsinn reden,
schreibt. Das war es,
was er auf die Bühne
bringen musste.
"Nach Moskau" - Anton
Tschechow starb im
fernen Schwarzwald. Im
Zug kehrt sein Leichnam
zurück in die Heimat.
Die Trauergemeinde folgt
dem Sarg, der von einer
Militärkapelle begleitet
wird - ein General
gleichen Namens ist zur
gleichen Zeit in seinem
Sarg angekommen.
Die Leiche des Dichters
erreicht Moskau in einem
Waggon mit Austern - was
hätte Tschechow hierzu
wohl gesagt?
Russland am Beginn des
20. Jahrhunderts, da
betritt Anton Tschechow
- ein ehemaliger
Leibeigener, sein
Großvater kaufte sich
frei - die Bühne und
nicht die große Sage
wird von ihm auf die
Bretter gebracht ,
sondern die Realität.
Die Leute im wahren
Leben essen, trinken,
lungern herum, lieben
und reden dabei Unsinn -
Russland in einer Zeit
der Stagnation. Das Land
leidet unter dem Joch
der Zarenherrschaft. Der
Reformer Alexander II.
hat die Leibeigenschaft
beendet, seine
Nachfolger Alexander
III. und Nikolai II.
belassen das Riesenreich
in Rückständigkeit, ein
dem Niedergang
überlassenes Agrarland.
Geplagt von
Hungersnöten, Progromen
unter einem Regime der
Willkür. Vor diesem
historischen Hintergrund
entsteht das Werk
Tschechows.
Als genauer Beobachter
der für ihn sichtbaren
Situationen notiert er
Details in seinem
Notizblock. Da viel vom
leben weiß gibt es in
seinem Dramen keine
Helden und Schurken im
ausgeprägtesten Sinne.
Seine Figuren reden ganz
ungekünstelt, jeder kann
eine Krise haben - was
den Menschen zu schaffen
macht, ist der Alltag.
Was Tschechow erzählt,
geht alle ohne Ausnahme
an, Liebe, die immer
wieder scheitert.
Existenzen, die durch
Alkohol oder aus anderen
Gründen brechen,
sprechen das Publikum an
- so ist Tschechow der
erste Schriftsteller,
dem es gelang, das Leben
selbst zu dramatisieren.
Vielschichtig und
facettenreich sind seine
Dramen und weitgehend
ausdeutbar in Glücksuche
und Vergeblichkeit.
Ins Heute Deutschlands
führt die Familie
Tschechow über Olga von
Knipper, die ihren
Cousin Michael
Tschechow, einen Neffen
von Anton Tschechow
heiratete.
Aus dieser Ehe stammte
die Tochter Ada,
Schauspielerin wie die
Mutter und
Künstleragentin, die
beim Absturz der D-ACAT
ums Leben kam.
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Absturz
am "Neuenlander
Feld"
bei
Bremen |
Convair
CV 440
Metropolitan
Registration
D-ACAT
In
Flugzeugtrümmern
sterben
46
Menschen |
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Freitag
Abend,
28.
Januar
1966.
Kurz vor
19.00
Uhr
befindet
sich
Lufthansaflug
LH 005
im
Anflug
auf die
Landebahn
des
Neuenlander
Feldes -
wie der
Bremer
Flugplatz
damals
genannt
wird.
Die
zweimotorige
"Convair
CV 440
Metropolitan"
kommt
aus
Frankfurt.
An Bord
sind 42
Passagiere
und die
Besatzung:
zwei
Piloten
und zwei
Stewardessen.
Wolkenhöhe
circa
300
Meter,
Sicht:
1000
Meter,
Regen.
Augenzeugen
sehen,
dass der
Pilot
durchstartet,
die
Maschine
aber
außer
Kontrolle
gerät
und "wie
ein
Stein"
in ein
Feld
stürzt.
Es folgt
eine
Explosion,
das
Wrack
brennt.
Alle
Menschen
an Bord
sterben.
Erstmals
ist ein
Lufthansaflugzeug
mit
Passagieren
an Bord
in
Deutschland
abgestürzt.
An Bord
der
Maschine,
einer
Convair
CV 440
Metropolitan
waren
außer
den vier
Besatzungsmitgliedern
42
Passagiere,
darunter
eine
italienische
Schwimmstaffel
in
Begleitung
ihres
Trainers,
die an
einem
Wettbewerb
in der
Hansestadt
teilnehmen
wollten,
sowie
die
Schauspielerin
Ada
Tschechowa,
Tochter
von
Olga
Tschechowa
und
Mutter
von
Vera
Tschechowa. |
Zitiert nach
Radio Bremen
|
Olga Tschechowa war eine
bekannte
Filmschauspielerin in
den Jahren nach 1920 mit
ungeleugneten Kontakten
zu Nazi-Größen. Sie war
aber angeblich auch eine
Geheimagentin für den
KGB, wie auch ihr Bruder
Lew, der für den
russischen Geheimdienst
tätig wurde.
In den 50er Jahren
gründete sie eine
Kosmetikfirma in
München.
Ada Tschechowa, die
Tochter von Olga
Tschechowa war
Schauspielerin und
Managerin z.B. von Rex
Gildo, dem sie den
ersten Filmvertrag
vermittelte.
Olga Tschechowa's
Enkelin Vera Tschechowa
ist Schauspielerin und
Regisseurin. Sie war
lange mit Vadim Glowna,
dem Sohn eines
Lufthansa-Flugnavigators
verheiratet.
'Nach Moskau' -
wollen
Tschechow's
'Drei
Schwestern' und
verharren doch
phlegmatisch in
der Provinz, in
die der Vater
sie bei seiner
Versetzung vor
elf Jahren
mitnahm. Seit
einem Jahr ist
der Vater tot -
Andrej, der
Bruder von Olga,
Mascha und Irina
verspielt das
gemeinsame Erbe.
Die Freunde
verschwinden,
weil die
abgelegene
Garnison
aufgelöst wird,
die Zeit vergeht
und die Träume
und ihre
Vorhaben
zerplatzen.
Die Schwägerin
regiert, die
herz- und
geschmacklose
Natascha, ein
Mädchen, das
voll und ganz
dem
rückständigem
Milieu der
Provinz
verhaftet ist.
Ein Stück, in
dem sich die
Beteiligten
fragen, 'was
soll ich nur in
diesem Kaff aus
meinem Leben
machen', das
unbeschwert
beginnt und
tragisch endet.
Es gibt keine
Helden, es gibt
nur dieses Haus
mit all den
Menschen darin,
die nach einer
Aufgabe und
einem Sinn des
Lebens suchen.
Bald schon
finden sie sich
in der
Sinnlosigkeit
wieder.
Die Zeit, das zu
Ende gehende 19.
Jahrhundert,
steht im
Mittelpunkt der
Werke von
Tschechow und
Ibsen. Beide
sehen ihr Land
im Umbruch.
Russland unter
dem Zaren, keine
Möglichkeiten
für die große
Menge, alle
Möglichkeiten
für den Adel.
In Norwegen die
Veränderung
durch die
Industrialisierung
- wenige steigen
auf, die meisten
bleiben auf der
Strecke.
Vor allem Frauen
müssen - von dem
Zeitpunkt aus
gesehen - noch
lange warten auf
eine
Gleichstellung
mit dem Mann.
Bemerkungen zu den Vorstellungen
am 17. und 21. Mai 2009
im
Theater
Regensburg
1. Akt
Die gesamte
Bühne eine
Wohnhalle -
Sitzgruppen
verstreut über
diese Fläche bis
in das
Proszenium. Das
Haus eines
oberen Militärs.
Man feiert den
Namenstag der
jüngsten
Tochter,
philosophiert
über das Jahr,
das seit dem Tod
des Vaters
vergangen ist.
2. Akt
Gleiche
Raumaufteilung,
es ist Abend.
Kerzen brennen
auf dem Boden
verteilt, zur
Ausleuchtung des
Bodens.
Man
philosophiert
über das Leben.
3. Akt
Zwei Betten,
Paravent,
Garderobenständer.
Es werden
Kleider aus den
Schränken der
Familie
gesammelt, um
die Brand-Opfer
mit dem
Nötigsten zu
versorgen.
Man
philosophiert
über die
wirtschaftliche
Lage der
Familie.
4. Akt
Im Garten, man
verabschiedet
die Garnison.
Im Duell mit Soljony wird
Tusenbach
getötet.
Die drei Schwestern bleiben in der Provinz zurück.
Sie
philosophieren
über den Sinn
des Lebens.
Anfissa (Dubiel),
über 80 Jahre
alt, das muss
im Sprechen
deutlich werden
- langsames
Laufen am Stock,
ein Sitzen auf
der Bettkante im
dritten Akt,
dann im vierten
fast
unbeschwertes
Aufstehen und
Teilnahme an der
Konversation,
ist
unrealistisch
und erinnert an
alles, was da
schon war, bis
hin zu Frau
Pinneberg.
Das abwechselnde
Jammern, dann
Keifen von Olga
(Fischer) und
Natascha (König)
kann nicht die
notwendige
Wirkung haben,
da es völlig
überzogen klingt
und im Grunde
nicht ernst
genommen werden
kann.
Olga's 'Weiberkrakehl':
"Lass sie doch
rumsitzen!"
Sie, die
Lehrerin und
spätere
Schulleiterin
müsste eine
andere Sprache
führen. Mal ist
sie müde, mal
hat sie
Kopfschmerzen,
sagt sie, spielt
es aber nicht -
all' das, aus
Augsburg wohl
bekannt (!)
Natascha, mal
das Weinerliche,
mal das Zickige:
"Was sollen wir
noch mit der
alten Frau?" -
dann mit
Nachdrücker: "Ich_weiß_wo_von_ich_re_de!"
- Gekreisch:
"Diese Hexe!"
Stimmungen,
durch
Bewegungsabläufe
auf der Bühne
und
Schattierungen
in der Sprache,
auf der Bühne zu
entwickeln,
diese zu
transportieren,
dass vom
Publikum die
Situation der
Menschen am Ende
des 19.
Jahrhunderts in
Russland erkannt
werden kann, ist
die Aufgabe der
Regie.
Müßiggang ist
das Problem
dieser
russischen Upper
Ten - Arbeit
scheint ihnen
ein Ideal, sie
wollen abends
erschöpft ins
Bett sinken.
Dass sich in
einer gehobenen
Bevölkerungsschicht
um die Wende zum
20. Jahrhundert,
die aufgrund
ihres Standes
keine
eigentlichen
Tagesaufgaben
haben, 'ennuie'
sich breit
macht, ist das
Thema und dies
steht im Text
deutlich
zwischen den
Zeilen, müsste
sich so in der
Sprechweise
zeigen.
Lethargie ist
das Thema des
Stückes, darf
sich aber dem
Publikum nicht
als Langeweile
aufdrängen, dass
es der Handlung
nur widerwillig
bzw. nicht mehr
folgen will.
Das Bemühen,
dies abzufangen,
indem die
Theaterleitung
beim Brand im 3.
Akt die
Sturmglocken
läuten lässt,
ist löblich und
somit
akzeptabel, dass
aber ein
Martinshorn
eingespielt
wird, dass in
der dargebotenen
Form erst 1932
erfunden wurde,
lässt Zweifel an
der
Glaubwürdigkeit
von Regie,
Dramaturgie und
Theaterleitung
aufkommen.
Besonders
interessant wird
es, wenn Fedotik
Erinnerungsfotos
mit einer
Spiegelreflexkamera
sogar mit
Selbstauslöser
anfertigt, die
erst im späteren
20. Jahrhundert
auf den Markt
kamen.
Im 3. Akt wird
sehr deutlich
gemacht, wie
weit man
zivilisatorisch
in dieser Gegend
noch zurück ist,
da es noch kein
fließendes
Wasser in den
Häusern gab,
Räume mit Kerzen
erhellt wurden
und mehrere
Personen ein 'Lavabeau'
benutzen.
Nachdem Dr.
Tschebutykin
zunächst seinen
eigenen Kopf
hineintaucht,
die nächste das
Gesicht mit dem
Wasser benetzt
und die dritte
die Füße in dem
Becken wäscht.
Dass die Damen
und Herren
Darsteller ihre
Texte - vor
allem die Damen
mal mehr mal
weniger
hysterisch und
auf Knopfdruck
mal eben kurz
für drei Silben
flennend -
wiedergeben,
ohne überzeugend
zu spielen, ohne
die Beziehungen
der Figuren -
auch ohne
gesprochenes
Wort -
zueinander
aufzuzeigen,
muss befremden
und muss am
Publikum
vorbeilaufen.
Alles
aufgesetzt, ohne
Tiefgang.
Der Charakter
Andrej's (Paletscheck)
wird nicht
deutlich, das
Verhältnis
Werschinin (Ströher)
/ Mascha (Heise
z.T. auch noch
völlig
textunverständlich)
nicht
entwickelt,
Tusenbach (Bangerter)
- ohne Bezug,
Rode (Schedlbauer),
Fedotik (Haake)
- keine Bindung
an die Abläufe,
als einzige
zeigen Irina (Dörnte),
Soljony
(Blumenschein)
und Kulygin
(Heuberger)
Präsenz. Von
Miko Greza als
Tschebutykin
hätte man mehr
erwartet, nicht
nur den vor sich
hinträllernden
Untätigen.
Die Garnison
wird abgezogen,
die Schwestern
bleiben zurück,
Olga ist nun
doch Direktorin
der Schule,
Mascha wird zu
ihrem
Lehrergatten
Kulygin
zurückkehren und
Werschinin,
ihren
kurzzeitigen
Liebhaber,
vergessen. Irina
erholt sich vom
Schock, den beim
Duell mit
Soljony
getöteten
Tusenbach
verloren zu
haben, überaus
schnell.
Wenn nicht
gemeinsam nach
Moskau, so gehen
sie einzeln ihre
eigenen Wege.
Olga
unverheiratet
wie auch Irina,
wie deren
Schicksal
aussieht -
bleibt offen.
Immerhin haben
sie ein Jahr
nach Vaters Tod
in der Provinz
weitergelebt und
nichts
unternommen, die
Gegend zu
verlassen, um in
die Stadt zu
gehen.
Was wollten die
Drei eigentlich
in Moskau?
Ihrer Erinnerung
frönen, wie es
damals vor elf
Jahren war, als
Vater in der
Hauptstadt
etabliert war,
vor der
Versetzung in
die Provinz, sie
Moskau genießen
konnten.
Die Jahre in der
Provinz haben
bei den drei
Schwestern
Spuren
hinterlassen,
auch Moskau hat
sich
weiterentwickelt.
Ob sie unter
diesem Aspekt
dort ohne den
Rückhalt von
Vaters Haushalt
überhaupt Fuß
fassen und einen
Platz finden
könnten.
Immerhin haben
Olga und Irina
einen Beruf und
können für sich
selber sorgen,
sind also nicht
wie Mascha von
einem Ehemann
abhängig.
Moskau sehen sie
verklärt, jetzt,
nach der langen
Zeit außerhalb
der Stadt,
bleibt es eine
schöne
Erinnerung.
Auf dem Land
hatten sie die
Garnison, als
die aber jetzt
abzieht, ändert
sich ihre Lage,
da die
gesellschaftlichen
Anknüpfungsmöglichkeiten
für sie verloren
gehen.
Sie werden kaum
neue Eindrücke
gewinnen und
werden altern in
den täglichen
Abläufen.
Auf lange Sicht
ist der geistige
und körperliche
Verfall dort
draußen nicht zu
verhindern.
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik
um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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